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Gleich wie der Ständerat 1989 beschloss auch der Nationalrat einstimmig, einer Standesinitiative des Kantons Genf für die Schaffung einer von der Krankenversicherung unabhängigen Mutterschaftsversicherung Folge zu geben. Auch er überwies, wie vor ihm die kleine Kammer, ein Postulat, welches den Bundesrat ersucht, die Vorarbeiten dafür unverzüglich an die Hand zu nehmen. Die Sprecher der vorberatenden Kommission erinnerten daran, dass das Volk bereits 1945 einen diesbezüglichen Verfassungsartikel angenommen habe, dass aber dessen gesetzliche Umsetzung in der Volksabstimmung von 1987 an der Verquickung mit dem Krankenversicherungsgesetz gescheitert sei. Der Entkoppelung der beiden Bereiche müsse deshalb grosse Bedeutung beigemessen werden, weshalb auch klar festzuhalten sei, dass es sich hier nur um eine Taggeldversicherung handeln könne, da die Pflegeleistungen bereits im heutigen System von der Krankenversicherung übernommen würden.

Standesinitiative des Kantons Genf für die Schaffung einer Mutterschaftsversicherung (Kt.Iv. 88.201)
Dossier: Schaffung einer Mutterschaftsversicherung (1989-2004)

Für den Vorsteher des federführenden Departements des Innern, Bundespräsident Cotti, wurde die ständerätliche Eintretensdebatte zur 10. AHV-Revision zu einer wahren Zitterpartie. Die Mehrheit der vorberatenden Kommission beantragte dem Rat zwar Eintreten, doch verlangten sowohl eine sozialdemokratische Kommissionsminderheit (Bührer/SH und Miville/BS) wie auch der Freisinnige Schoch (AR) Rückweisung an den Bundesrat; Jagmetti (fdp, ZH) wollte die Vorlage zur Überarbeitung an die Kommission zurückgeben. Alle diese Antragsteller stiessen sich daran, dass die 10. AHV-Revision der Gleichstellung der Geschlechter nicht Rechnung trägt. Während aber der Antrag Bührer/Miville das Rentensplitting ohne Schlechterstellung der Frauen beim Rentenalter wollte, tendierten die beiden freisinnigen Anträge auf eine Angleichung des Rentenalters zuungunsten der Frauen. Nur dank der geschlossenen Front der CVP-Abgeordneten, welche zwar vereinzelt auch Kritik am mangelnden Mut des Bundesrates übten, die aber ihren Regierungsvertreter offenbar nicht durch eine Rückweisung brüskieren wollten, wurde schliesslich Eintreten beschlossen. Hauptargument Cottis war, dass bei Nichteintreten die Verbesserungen für die weniger begüterten Rentner weiter auf sich warten lassen müssten. Nach dieser recht emotional geführten Grundsatzdebatte schien es, als würden die Kritiker in der kleinen Kammer resignieren. In der Detailberatung verabschiedete der Ständerat die bundesrätliche Vorlage mit einigen unbedeutenden Änderungsvorschlägen. Insbesondere hielt er — entgegen anderslautenden Anträgen — an dem vom Bundesrat vorgeschlagenen ungleichen Rentenalter (65/62) für Männer und Frauen und an der gemeinsamen Ehepaarrente fest.

10. AHV-Revision (BRG 90.021)
Dossier: 10. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV; 1980-1998)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Als die Krankenkassen bereits schon in den ersten Monaten des Berichtsjahres damit drohten, die Prämien für 1992 um durchschnittlich 20% – Kassen mit mehrheitlich "schlechten Risiken" (Frauen, ältere Menschen) sprachen gar von 40% – anheben zu wollen, schien es dem Bundesrat an der Zeit, der sich unaufhaltsam drehenden Kostenspirale und der wachsenden Entsolidarisierung entgegenzutreten.

Kostenexpansion im Gesundheitswesen (Ip. 91.3043)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Mitte Februar gab der Bundesrat Bericht und Gesetzesentwurf der Kommission Schoch in die Vernehmlassung, allerdings nicht ohne gewisse Vorbehalte. In seinem Begleitbrief hielt er fest, dass in Sachen Kosteneindämmung mehr getan werden sollte. Er unterstützte dementsprechend einen Minderheitsantrag der Expertenkommission, der den Behörden ein Eingreifen gegen Tarif- oder Preiserhöhungen ermöglicht, wenn die Behandlungskosten mindestens doppelt so stark ansteigen wie der Durchschnitt der Angestelltengehälter. Der Bundesrat behielt sich zudem vor, weitere Massnahmen in die Vorlage aufzunehmen, wie beispielsweise die Globalbudgetierung für ambulante Leistungen bei übermässigem Kostenanstieg und eine grössere Freiheit der Versicherer beim Angebot von Versicherungsmodellen mit kostendämpfender Wirkung.

Einen zweiten Vorbehalt brachte der Bundesrat bei den Bundesbeiträgen an, die nach dem Vorschlag der Expertengruppe gebunden, von Regierung und Parlament mit dem Budget also nicht mehr beeinflussbar wären. Der Bundesrat zöge es vor, den Bundesbeitrag periodisch vom Parlament mit einfachem Bundesbeschluss festlegen zu lassen und – allenfalls mit Auflagen über die Höhe des Kantonsbeitrags – nach Finanzkraft alif die Kantone zu verteilen. Der Entwurf wurde zudem um Bestimmungen über eine – von der Kommission nicht behandelte – freiwillige Taggeldversicherung ergänzt.

Revision der Krankenversicherung – Schaffung des KVG (BRG 91.071)
Dossier: Schaffung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 1988-1994)
Dossier: Prämienverbilligung

Die sehr konservative Anlagepolitik der Gelder der 2. Säule, deren Bilanzsumme auf über 200 Mia. Fr. angestiegen ist, steht immer mehr unter Beschuss. Seit 1987 hat sich zwar der Anteil der traditionellen Anlageformen (Obligationen, Liegenschaften, Hypotheken, Guthaben beim Arbeitgeber) verringert, liegt mit rund 75% aber immer noch sehr hoch. Damit erreichen die Pensionskassen mit ihren Anlagen nur 1,7% Realzins, während vergleichbare Institutionen etwa in England oder Japan Verzinsungen von 3 bis 4% ausweisen. Da die Pensionskassengelder aber mindestens zum selben Prozentsatz verzinst werden müssten, wie die Nominallöhne ansteigen, um später Engpässe bei der Ausrichtung der Leistungen zu vermeiden, wurden verschiedene andere Anlageformen geprüft, wie etwa die Beteiligung an zukunftsträchtigen, nicht börsenkotierten mittelgrossen Unternehmen. Auch wurde der Bundesrat aufgefordert, die Anlagevorschriften für Pensionskassen flexibler zu gestalten.

konservative Anlagepolitik der Gelder der 2. Säule unter Beschuss

Da er aber dem materiellen Anliegen der Initianten weitgehend zustimmte, schickte er bereits anfangs des Jahres einen Vorentwurf für ein Freizügigkeitsgesetz in die Vernehmlassung, welches im Sinn eines indirekten Gegenvorschlags zur Volksinitiative die wichtigsten Punkte der Initiative aufnimmt. Grundidee der neuen überbetrieblichen Regelung ist, dass bei einem Stellenwechsel die von der alten Pensionskasse erhaltene Austrittsleistung genügen soll, um den Vorsorgeschutz am neuen Ort ohne zusätzliche Eintrittsgelder auf dem bisherigen Niveau weiterzuführen. Angestrebt werden also nicht, wie im Initiativtext, möglichst hohe Austrittsleistungen, sondern die Erhaltung des Vorsorgeschutzes. Wer die Stelle wechselt, soll sich nur noch für die Differenz einkaufen müssen, die sich aus höheren Leistungen der neuen Kasse ergibt. Ohne dass so die unterschiedlichen Finanzierungssysteme der Pensionskassen in Frage gestellt würden, werden die Aus- und Eintrittsleistungen aller Kassen aufeinander abgestimmt, zumindest beim Wechsel innerhalb systemgleicher Kassen. Die Mehrkosten der neuen Lösung wurden auf rund 1% geschätzt.

Ausser der Berechnung der Freizügigkeitsleistung will das neue Gesetz, das wegen seiner besseren Übersichtlichkeit einer Revision der entsprechenden Artikel im BVG und im OR vorgezogen wurde, den Vorsorgeschutz umfassend erhalten und regelt deshalb auch eine Reihe von Einzelfragen. So dürfen etwa bei einem Kassenwechsel keine neuen gesundheitlichen Vorbehalte angebracht werden. Bei Heirat einer Frau und damit verbundener Berufsaufgabe werden Pensionskassengelder nicht mehr wie bisher ausbezahlt, sondern bleiben auf einem Sperrkonto, damit bei einem späteren beruflichen Wiedereinstieg auf dem bisherigen Rentenanspruch aufgebaut werden kann.

Indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative "für eine volle Freizügigkeit in der beruflichen Vorsorge"
Dossier: Eidgenössische Volksinitiative "für eine volle Freizügigkeit in der beruflichen Vorsorge"

Der Überbrückungsvorschlag des Nationalrates war auch deshalb zustande gekommen, weil im Spätsommer 1989 bekannt geworden war, dass der Bundesrat eine Expertenkommission eingesetzt hatte mit dem Auftrag, aufgrund verschiedener Vorgaben Vorschläge zu einer Totalrevision des KUVG auszuarbeiten.

Verordnung zur Neuverteilung der Bundeszuschüsse an die Krankenkassen
Dossier: Eidgenössische Volksinitiative "für eine finanziell tragbare Krankenversicherung"
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Der Gedanke einer teilweisen Verlagerung von der zweiten zur ersten Säule – wie ihn SP und SGB in ihrem Initiativprojekt aufgeworfen haben – ist auch für den Bundesrat nicht abwegig. Bereits im Mai 1990 beauftragte er fünf Experten, das in der Bundesverfassung verankerte Dreisäulenkonzept zu überprüfen. Neben Fragen der Finanzierung und Gewichtung von AHV/IV und BVG sollen auch die Möglichkeiten einer Einführung eines garantierten Mindesteinkommens (GME) und die Auswirkungen des europäischen Wirtschaftsraums (EWR) auf die schweizerischen Sozialversicherungen in die Überlegungen einbezogen werden. In seiner Stellungnahme zu einem überwiesenen Postulat Günter (ldu, BE) (Po. 89.772) versprach der Bundesrat, dem Parlament spätestens mit seiner Botschaft zur Revision des BVG einen Strategiebericht Sozialversicherung und Altersvorsorge vorzulegen, der explizit auf das Verhältnis zwischen der 1. und 2. Säule eingehen wird.

Drei-Säulen-Bericht/IDA FiSo

Ebenfalls noch vor Ablauf des Jahres legte der Bundesrat eine Botschaft für die Revision von Art. 33ter des AHV-Gesetzes vor. Für die Rentenanpassung will die Regierung am Grundsatz der Zweijährigkeit festhalten, doch soll mit einer flexiblen Ausnahmeregelung — Leistungsanpassung bei einer Jahresteuerung von mindestens 4% — die Vornahme einer einjährigen Anpassung erleichtert werden. Für die Berechnung der Rentenerhöhungen wird weiterhin am Mischindex festgehalten, bei dem sowohl der Landesindex der Konsumentenpreise wie die Biga-Lohnstatistik berücksichtigt werden. Im Sinn einer weiteren Harmonisierung der Sozialversicherungen sollen künftig auch die Renten der Unfallversicherung und die Hinterlassenen- und Invalidenrenten der obligatorischen beruflichen Vorsorge im gleichen Zeitpunkt wie die AHV/IV-Renten der Inflation angepasst werden, wobei hier allerdings nur auf den Preisindex abgestellt wird.

Nach Auskunft des Bundesrates ist durch diese Neuerung mit einer jährlichen Mehrbelastung für die AHV von 110 Mio. Fr. zu rechnen, wobei 19 Mio. auf den Bund, 3 Mio. auf die Kantone und der Rest auf die Betriebsrechnung der AHV entfallen. Auf Beitragserhöhungen wird verzichtet. Dass die betroffenen Sozialwerke dies momentan verkraften können, zeigte ihr Rechnungsabschluss für 1990: Dank guter Wirtschaftslage konnten die AHV, die IV und die Erwerbsersatzordnung (EO) ihren Überschuss auf 2,5 Mia. Fr. steigern.

Revision von Art. 33ter des AHV-Gesetzes (BRG 90.082)
Dossier: 10. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV; 1980-1998)

Die von Ständerat Otto Schoch (fdp, AR) geleitete Kommission präsentierte ihren Gesetzesentwurf Mitte Dezember der Öffentlichkeit. Sie befürwortete eine obligatorische Krankenpflegeversicherung für die gesamte Bevölkerung, gleiche Prämien für Mann und Frau, für Junge und Alte, völlige Freizügigkeit für alle Versicherten und einen Lastenausgleich zwischen den einzelnen Kassen.

Im Bereich der Leistungen schlug die Kommission Verbesserungen für die Versicherten vor: Die Beschränkung der Leistungsdauer für Spitalpflegeaufenthalte — heute 720 Tage — sollte entfallen, Hauskrankenpflege, Prävention und Zahnbehandlungen im Zusammenhang mit schweren Erkrankungen neu von den Kassen vergütet werden. Trotz Ausbau der Leistungen erachtete die Kommission ihren Gesetzesentwurf als Beitrag zur Kostendämpfung, da die Versicherten durch grössere Transparenz bei den Abrechnungen, einen auf 15% angehobenen Selbstbehalt und das Angebot alternativer Versicherungsformen (HMO) verantwortungsbewusster werden sollten. Im Gegenzug müssten sich die Anbieter — in erster Linie Ärzte und Spitäler — einer Kontrolle der Wirtschaftlichkeit ihrer Leistungen unterziehen.

Nach den Vorstellungen der Kommission soll die Krankenversicherung weiterhin durch Kopfprämien und Beiträge der öffentlichen Hand finanziert werden. Die Bundessubventionen sollen neu zu einem Drittel für Mutterschaftsleistungen und den Ausgleich der höheren Betagten-Kosten eingesetzt werden und zu zwei Dritteln für individuelle Prämienverbilligungen für Personen, deren Familienprämie einen bestimmten prozentualen Anteil ihres Einkommens und Vermögens übersteigt. Im Vordergrund der Diskussionen stand hier ein Prozentsatz von 7%, was heissen würde, dass über die Hälfte der Bevölkerung in den Genuss dieser Subventionen käme. Damit könnten auch sozial Schwächere die durch den Leistungsausbau notwendig werdende Erhöhung der Prämien um durchschnittlich 24% für Männer und 12% für Frauen verkraften.

Die Vorschläge der Kommission Schoch wurden von den Parteien recht freundlich aufgenommen. Für die FDP gingen die angestrebten Reformen in die richtige Richtung, auch wenn die relativ beschränkte Kostenkontrolle zu einem weiteren Anstieg der Gesundheitskosten führen werde. Die CVP begrüsste mit Blick auf den Solidaritätsgedanken das Obligatorium sowie die gezielte Prämienverbilligung durch den Bund. Dem Obligatorium skeptisch gegenüber stand hingegen die SVP, welche zudem bemängelte, kostendämpfende Elemente seien zu wenig berücksichtigt worden. Mit ihrer Kritik befand sie sich auf derselben Linie wie der Gewerbe- und der Arbeitgeber-Verband.

SP und Gewerkschaftsbund zeigten sich erfreut über die Einführung des Obligatoriums und die angestrebten Prämienentlastungen für einkommensschwache Personen. Sie bedauerten aber, dass mit der vorgeschlagenen Erhöhung des Selbstbehalts die Kostenfolgen erneut auf die Versicherten überwälzt würden und verlangten weitergehende gezielte Prämienverbilligungen. Zudem erinnerten sie daran, dass eine von ihnen 1986 eingereichte Volksinitiative "für eine gesunde Krankenversicherung", welche unter anderem die Kopfprämien durch Lohnprozente ersetzen will, nach wie vor hängig ist.

Bundesrat Cotti zeigte sich ebenfalls zufrieden mit der Arbeit der Kommission Schoch. Er kündigte an, dass ein Revisionsentwurf im Februar 1991 in die Vernehmlassung gehen soll. Die definitive Vorlage will der Bundesrat spätestens im Herbst 1991 präsentieren, also noch vor der Abstimmung über die beiden hängigen Krankenkassen-Initiativen (siehe hier und hier).

Revision der Krankenversicherung – Schaffung des KVG (BRG 91.071)
Dossier: Schaffung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 1988-1994)
Dossier: Prämienverbilligung

In erster Linie aus Gründen der Arbeitssicherheit verlangte der Solothurner SP-Nationalrat Leuenberger in einer ebenfalls von Allenspach bekämpften Motion ein Unfallversicherungs-Obligatorium für Selbständigerwerbende.

Motion Unfallversicherungs-Obligatorium für Selbständigerwerbende

Der Nationalrat überwies ein Postulat Blatter (cvp, OW), welches den Bundesrat beauftragt zu prüfen, wie das geltende Unfallversicherungsgesetz dahingehend ergänzt werden könnte, dass bei einem tödlichen Arbeitsunfall den Eltern oder Grosseltern des Opfers in Härtefällen eine Entschädigung ausbezahlt werden kann.

Postulat Unfallversicherungsgesetz in Härtefällen Entschädigung

Durch eine 1989 als Postulat überwiesene Motion der GPK des Nationalrates dazu aufgefordert, legte der Bundesrat einen Bundesbeschluss betreffend die Sozialversicherungsansprüche der Schweizer der ehemaligen belgischen Kolonien Kongo und Ruanda-Urundi vor, welchem beide Räte einstimmig zustimmten. In Ermangelung eines gegenseitigen Abkommens beharrt Belgien darauf, die Rentenansprüche der ehemaligen Kongo-Schweizer auf dem Stand von 1960, dem Datum der Unabhängigkeit, einzufrieren. Die Angelegenheit war auch Gegenstand der schweizerisch-belgischen Gespräche anlässlich des Staatsbesuchs König Baudouins 1989 in der Schweiz, doch konnte selbst im persönlichen Kontakt keine Einigung erzielt werden. Durch die Annahme des Bundesbeschlusses kann nun den Betroffenen eine pauschale, einmalige Abfindung ausbezahlt werden; der dafür vorgesehene Verpflichtungskredit beträgt 25 Mio. Fr.

Bundesbeschluss Sozialversicherungsansprüche der Schweizer der ehemaligen belgischen Kolonien Kongo und Ruanda-Urundi (90.097)

Seit der 9. AHV-Revision gilt, dass die AHV/IV-Renten nur alle zwei Jahre der Teuerung angepasst werden, es sei denn, diese betrage im Zwischenjahr mehr als 8%. Als im Laufe des Sommers klar wurde, dass die Preissteigerungen zwar nicht den erforderlichen Prozentsatz, aber doch ein hohes Niveau erreichen würden, mehrten sich die Stimmen, die ausser Turnus den Teuerungsausgleich für 1991 wollten. Den Auftakt machte Ende August der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) mit einem Brief an den Bundesrat. In den Räten erhielt das Anliegen Unterstützung in Form von zwei gleichlautenden Motionen Piller (sp, FR) und Reimann (sp, BE) (Mo. 90.670), die den jährlichen Teuerungsausgleich verlangten und die beide in der Wintersession als Postulat überwiesen wurden.

Preissteigerungen hohes Niveau Motionen jährlichen Teuerungsausgleich

Als klar war, dass auch die bürgerlichen Parteien einen Teuerungsausgleich bereits per 1.1.1991 unterstützen würden, beschloss der Bundesrat, dem Parlament noch vor Jahresende zu beantragen, den AHV/IV-Rentnern 1991 eine Zulage zu gewähren, die im April und August 1991 in zwei Raten ausbezahlt werden und dem Stand der Teuerung (Landesindex der Konsumentenpreise) vom Monat Dezember 1990 entsprechen soll. Die Kosten wurden auf rund 1,2 Mia. Fr. geschätzt, wovon rund 1135 Mio. zulasten der Sozialversicherungen gehen, der Rest zulasten des Bundesbudgets 1991. Ende Oktober legte der Bundesrat die entsprechende Botschaft vor, in der Wintersession stimmten die Räte der Vorlage einstimmig zu. Gleichzeitig lehnten sie eine Standesinitiative des Kantons Jura ab (Kt.Iv. 90.201), die eine einheitliche Erhöhung aller AHV/IV-Renten und eine Überprüfung der Minimalrenten verlangt hatte.

Teuerungsausgleich bereits per 1.1.1991 AHV/IV-Rentnern Zulage

Vor allem freisinnige und liberale Kreise setzten sich dafür ein, dass die 1989 beschlossenen Beschränkungen der Anlagemöglichkeiten der Pensionskassen im Bodenmarkt wieder rückgängig gemacht werden, da sie ihrer Meinung nach zu einem Einbruch im Wohnungsbau geführt hätten. Sowohl die freisinnige (Mo. 90.550) wie die liberale Fraktion (Mo. 90.669) reichten entsprechende Motionen ein. Im Ständerat wurde letztere als Motion Reymond (lps, VD) in der Wintersession gegen den ausdrücklichen Willen des Bundesrates, der diese Einschätzung der Lage bestritt mit 26 zu 9 Stimmen überwiesen.

Beschränkungen der Anlagemöglichkeiten der Pensionskassen im Bodenmarkt Motionen

Unterstützung fand das Anliegen der Rentner auch im Parlament. Die beiden Zürcher Abgeordneten Weber (Mo. 90.725) und Dünki reichten im jeweiligen Rat ähnlichlautende Motionen ein, die eine Änderung des BVG im Sinne einer Verpflichtung zur Gewährung des Teuerungsausgleichs auf allen Renten verlangen. Da Bundesrat Cotti versicherte, dass dies eines der Hauptziele der künftigen Revision des BVG sein werde, überwies die kleine Kammer die Motion nur als Postulat.

Motionen zur Verpflichtung zur Gewährung des Teuerungsausgleichs auf allen Renten (Mo. 90.710 und Mo. 90.725)
Dossier: 1. Revision des Bundesgesetzes über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge (BVG; 1990-2005)

Weil die EL immer wichtiger geworden seien und durch die 10. AHV-Revision voraussichtlich noch mehr Bedeutung erhalten werden, forderte Ständerat Hänsenberger (fdp, BE) den Bundesrat in einer Motion auf, die verfassungsmässige Grundlage der EL neu zu fassen. Der Vorstoss wurde gegen den Willen des Bundesrates in der verbindlichen Form überwiesen.

Verfassungsgrundlage für die EL zur AHV schaffen (Mo. 90.714)

Im Sinn weitergehender Massnahmen zur Kosteneindämmung setzte der Bundesrat im Dezember die Jahresfranchise für Versicherte auf neu 150 Fr. fest, die traditionelle Quartalsfranchise von zuletzt 50 Fr. wurde abgeschafft, der Selbstbehalt von 10% des die Franchise übersteigenden Betrags beibehalten. Im Bereich der Kollektivversicherungen verfügte er, dass die Versicherten auch bei alters- oder invaliditätsbedingtem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben sowie bei Arbeitslosigkeit weiterhin mit ihren Familienangehörigen dem Kollektivvertrag angehören können. Weiter wurden die Beitragsunterschiede zwischen den einzelnen Regionalstufen und den Eintrittsaltersgruppen gleichmässiger auf alle Versicherten einer Kasse verteilt und festgehalten, dass die Prämien der Kollektivversicherung die Minimalprämien der Einzelversicherung nicht unterschreiten dürfen.

Kostenexpansion im Gesundheitswesen (Ip. 91.3043)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Nicht nur für eine Umlagerung – wie sie SP und SGB mit ihrem Initiativprojekt forderten –, sondern für einen radikalen Kurswechsel in der Sozialpolitik plädierte die Grüne Partei. Vom Phänomen der neuen Armut ausgehend und mit dem Hinweis darauf, eine primär über Lohnprozente finanzierte soziale Absicherung entspreche nicht mehr den heutigen gesellschaftlichen Gegebenheiten mit ihrer hohen Rate von alleinerziehenden Müttern, ausgesteuerten Arbeitslosen und Menschen mit unterbrochener Berufslaufbahn, forderte sie die Einführung eines gesellschaftlich garantierten Mindesteinkommens (GME), welches das ungenügende und administrativ komplizierte Dreisäulensystem ablösen sollte. Finanzieren möchte sie das neue Modell über eine Besteuerung der gesamten Wirtschaftskraft, also beispielsweise auch über Umsatzsteuern oder ökologische Lenkungsabgaben. Der Idee eines GME wurde von einer Univox-Umfrage wenig Rückhalt in der Bevölkerung bescheinigt: Nur gerade 22% der Befragten sprachen sich dafür aus. 62% lehnten sie ab und 17% hatten keine Meinung. Am ehesten fand sie noch Anklang in der Westschweiz (35%), bei den SP-Sympathisanten (33%) und den unter 40-jährigen (29%).

Die Grüne Partei fordert die Einführung eines gesellschaftlich garantierten Mindesteinkommens (1990)

Indem es erstmals eine Ungleichbehandlung von Mann und Frau direkt beseitigte, fällte das Eidg. Versicherungsgericht in Luzern einen Entscheid mit Signalwirkung. Es wurde erkannt, dass eine kantonalrechtliche Ordnung, wonach einerseits der Anspruch auf Witwerrente nur besteht, wenn der Witwer während der Ehe auf den Verdienst der Ehefrau angewiesen war und er nachher nicht voll erwerbsfähig ist, währenddem anderseits der Anspruch auf Witwenrente allein durch den Tod des Ehemannes begründet wird, eine geschlechtsspezifische Unterscheidung darstellt, die sich weder mit biologischen noch mit funktionalen Verschiedenheiten der Geschlechter rechtfertigen lässt und daher gegen Art. 4 Abs. 2 BV verstösst.

Ungleichbehandlung von Mann und Frau Eidg. Versicherungsgericht Entscheid mit Signalwirkung

Auch ohne gesetzliche Verankerung wurden bei der Lockerung der 'goldenen Fesseln' Erfolge erzielt. Schätzungsweise rund 300'000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kommen heute bereits in den Genuss der 'vollen' Freizügigkeit. Das sind rund 10% der in der 2. Säule Versicherten. Mindestens 150'000 erhalten bei einem Stellenwechsel von ihrer bisherigen Kasse mehr Geld als ihnen gemäss heute gültiger Regelung mitgegeben werden müsste.

Erfolge bezüglich der Lockerung der 'goldenen Fesseln'
Dossier: Eidgenössische Volksinitiative "für eine volle Freizügigkeit in der beruflichen Vorsorge"

Trotz divergierender Ansichten beschloss die zuständige Ständeratskommission, auf die Vorlage einzutreten. Ein Rückweisungsantrag der SP-Vertreter, die das gleiche Rentenalter für Mann und Frau und das Rentensplitting verlangten, scheiterte klar. Die Kommission übernahm in der Folge die Vorschläge des Bundesrates nahezu vollständig. Als einzige wichtige Änderung gegenüber dem bundesrätlichen Entwurf lehnte sie eine Erhöhung des Beitragssatzes für die Selbständigerwerbenden ab.

10. AHV-Revision (BRG 90.021)
Dossier: 10. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV; 1980-1998)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Am meisten Widerstand erwuchs dem Gesetzesvorschlag aber wie erwartet von Frauenseite. Eine Arbeitsgruppe, welcher sieben der repräsentativsten Frauenverbände angehörten, legte auf einer Pressekonferenz dar, weshalb sie der 10. AHV-Revision den Kampf ansagen und eventuell auch vor einem Referendum nicht zurückschrecken wolle. Ihre Hauptforderung war die einer zivilstandsunabhängigen AHV mit Betreuungsbonus.

10. AHV-Revision (BRG 90.021)
Dossier: 10. Revision der Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV; 1980-1998)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter

Aufgrund dieses Finanzierungsbeschlusses konnte der Bundesrat zwei Pakete von Verordnungsänderungen verabschieden, mit denen neue Leitplanken bis zum Inkrafttreten eines revidierten Kranken- und Unfallversicherungsgesetzes (KUVG) gesetzt werden sollen. Rückwirkend auf den 1.1.1990 und für einen Zeitraum von fünf Jahren wurde so eine Neuverteilung der Bundeszuschüsse an die Krankenkassen vorgenommen. Die Einteilung der erwachsenen Versicherten in verschiedene Altersgruppen mit abgestuften Zuschüssen ermöglicht eine Verlagerung der Subventionierung hin zur älteren Generation. Zudem verfügte der Bundesrat, dass ab 1.1.1992 innerhalb einer bestimmten Region die höchste Prämie einer Kasse nicht mehr das Dreifache, sondern nur noch das Doppelte der niedrigsten Prämie für Erwachsene betragen darf.

Verordnung zur Neuverteilung der Bundeszuschüsse an die Krankenkassen
Dossier: Eidgenössische Volksinitiative "für eine finanziell tragbare Krankenversicherung"
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)