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In der Wintersession 2020 bereinigte das Parlament die Änderung des KVG bezüglich der Vergütung des Pflegematerials. Einstimmig bestätigte der Ständerat die vom Bundesrat vorgeschlagenen Änderungen und löste die Ausgabenbremse, nachdem Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO) im Namen der Kommission die Annahme der Vorlage empfohlen hatte. Auf Einzelantrag von Peter Hegglin (cvp, ZG) und Bitte von Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) schloss der Rat – ebenfalls einstimmig – zudem eine Lücke, welche der Gesetzestext bis dahin noch aufgewiesen hatte: So war man davon ausgegangen, dass alle Beträge, die bisher vergütet worden waren, auch zukünftig vergütet würden. Tatsächlich wären durch die geplante Änderung aber Materialien, die ausschliesslich vom Pflegefachpersonal angewendet werden, sich aber nicht auf der MiGeL befinden, weder von der OKP noch von den Kantonen vergütet worden. Um dies zu verhindern, stimmte der Rat dem Antrag Hegglin zu, wonach die entsprechenden Mittel und Gegenstände während eines Jahres ab Inkrafttreten der Änderung weiterhin nach dem bisherigen Recht vergütet werden sollten. Damit habe man Zeit, die entsprechenden Güter auf die MiGeL zu setzen. Diese Lösung hatte auch Bundesrat Berset zuvor im Rahmen der Debatte unterstützt. Einstimmig (41 zu 0 Stimmen) verabschiedete der Ständerat das Gesetz in der Gesamtabstimmung.
Gegen diese Änderung hatte auch der Nationalrat nichts einzuwenden, stillschweigend nahm er die Differenz an und stimmte dem Gesetz in den Schlussabstimmungen (195 zu 0 Stimmen) genauso einstimmig zu wie der Ständerat (41 zu 0 Stimmen).

Änderung des KVG bezüglich Vergütung des Pflegematerials (BRG 20.046)
Dossier: Änderungsvorschläge zur Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL)

Nachdem der Nationalrat in der Sondersession 2020 bereits das Paket 1b behandelt hatte, machte er sich in der Wintersession 2020 an die Differenzbereinigung zum Paket 1a des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Stillschweigend pflichtete er dem Zweitrat bei, dass bei einer entsprechenden Abmachung zwischen Versicherungen und Leistungserbringenden auch die Versicherung für die Übermittlung der Rechnungen zuständig sein kann. Alle übrigen Fragen waren hingegen umstritten.
Bei der Frage der Patientenpauschale waren sich National- und Ständerat zwar einig, dass Pauschalen auch bei ambulanten Behandlungen eingeführt werden sollen, entgegen dem Nationalrat hatte es der Ständerat aber abgelehnt, diese auf national einheitliche Tarifstrukturen zu stellen. Die Mehrheit der SGK-NR wollte diesbezüglich an der bisherigen Position des Nationalrats festhalten, um so eine gleiche Tarifierung von medizinischen Leistungen bei ambulanten oder stationären Behandlungen zu erleichtern, wie Ruth Humbel (cvp, AG) und Pierre-Yves Maillard (sp, VD) für die Kommission erklärten. Eine Minderheit de Courten (svp, BL) beantragte, dem Ständerat zuzustimmen, um die pauschale Leistungsabgeltung im ambulanten Bereich nicht zu verkomplizieren. Umstritten war überdies die Frage, ob der Bundesrat gewisse Pauschaltarife von der Pflicht der einheitlichen Tarifstruktur ausnehmen können sollte, wie eine Minderheit Gysi (sp, SG) weiterhin forderte, während die Kommissionsmehrheit darauf verzichten wollte. In beiden Fragen folgte der Rat der Kommissionsmehrheit (mit 134 zu 51 Stimmen bei 2 Enthaltungen und 119 zu 70 Stimmen).
Auch die Organisation der Tarifstrukturen war weiterhin umstritten. Zwar pflichtete der Nationalrat dem Ständerat bei, dass der Bundesrat nur dann in die Organisation der Tarifstrukturen eingreifen können sollte, wenn keine solche bestehe oder sie nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Auch für den Fall, dass sich Leistungserbringende und Versicherungen nicht einigen können, sollte der Bundesrat eingreifen können; hier wollten ihn Ständerat und eine Minderheit de Courten jedoch dazu verpflichten, die Tarifautonomie der Tarifpartner wahren zu müssen. Hier gehe es ja gerade um diejenigen Fälle, bei denen sich die Tarifpartner nicht einigen könnten, betonten die Kommissionssprechenden, entsprechend mache es keinen Sinn, hier die Tarifautonomie zu wahren. Mit 136 zu 51 Stimmen (bei 1 Enthaltung) folgte der Rat der Kommissionsmehrheit und lehnte die Wahrung der Tarifautonomie gegen die geschlossen stimmende SVP-Fraktion ab.
In der ersten Behandlungsrunde hatte der Nationalrat dem Entwurf eine Regelung für finanzielle Unterstützung von Organisationen und Patientenstellen, welche den Individuen bei der Rechnungskontrolle helfen, beigefügt; der Ständerat hatte diese jedoch wieder gestrichen. Nun beabsichtigte die SGK-NR, auf die entsprechende Unterstützung zu verzichten; stattdessen sollen sich die Tarifpartner auf eine einfache, verständliche Rechnungsstellung einigen, betonte Humbel. Eine Minderheit Gysi wollte hingegen an der ursprünglichen Formulierung festhalten, während eine Minderheit Mäder (glp, ZH) eine Präzisierung vorschlug: Nur Organisationen, welche «statutengemäss und organisatorisch unabhängig» sind, sollten subsidiär unterstützt werden. Deutlich (mit 108 zu 83 Stimmen) entschied sich der Nationalrat gegen die finanzielle Unterstützung, nachdem sich der Minderheitsantrag Gysi zuvor knapp mit 96 zu 95 Stimmen gegen den Minderheitsantrag Mäder durchgesetzt hatte.
Zum Schluss blieb noch die Frage der Pilotprojekte, wo vor allem umstritten war, in welchen Bereichen und zu welchem Zweck solche Projekte möglich sein sollten. Ruth Humbel erklärte, dass der Ständerat den Artikel offener gefasst hatte als der Bundesrat und der Nationalrat, dadurch aber das Legalitätsprinzip und die Verfassungsmässigkeit verletzt habe, wie ein entsprechender Bericht des BJ gezeigt habe. Der Vorschlag der Kommissionsmehrheit, welcher die betroffenen Bereiche ausdrücklich und ausführlich auflistete, entspreche nun einer der vom BJ vorgeschlagenen Möglichkeiten. Eine Minderheit de Courten beantragte hingegen eine möglichst schlanke Formulierung, die jedoch die Rechte der Versicherten ausdrücklich wahren sollte. Eine Minderheit Weichelt-Picard (al, ZG) wollte auf Pilotprojekte zur Übernahme von Leistungen im Ausland verzichten, weil ältere und kranke Personen nicht einfach ins Ausland abgeschoben werden sollten, wie die Minderheitensprecherin betonte. Wie bereits in der ersten nationalrätlichen Behandlung erneut auf Ablehnung einer Minderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) stiess die Möglichkeit, Projekte zur Einschränkung der freien Arztwahl zu schaffen, während eine Minderheit Moret (fdp, VD) auch Projekte zur Entschädigung von innovativen und neuen Behandlungsansätzen in die Liste aufnehmen wollte. Deutlich folgte der Rat gegenüber allen Minderheiten dem Mehrheitsantrag.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Ende November 2020 legte der Bundesrat seine Botschaft zur Reform der beruflichen Vorsorge vor, welche er in Anlehnung an die AHV-Reform «BVG 21» getauft hatte. Dabei entschied er sich, trotz der breiten, in der Vernehmlassung geäusserten Kritik am Kompromissvorschlag der Sozialpartner an eben diesem festzuhalten. Die Hauptziele der Reform bestünden darin, den Mindestumwandlungssatz zu senken und gleichzeitig das Rentenniveau auf dem heutigen Stand zu sichern, hielt der Bundesrat fest. Diese Ziele könnten mit dem Modell der Sozialpartner in grösserem Ausmass erreicht werden als mit den anderen vorgeschlagenen Modellen, welche er in der Botschaft ebenfalls ausführlich vorstellte. So könne das Rentenniveau mit dem Vorschlag der Sozialpartner für Personen bis zu einem BVG-versicherten Jahreslohn von CHF 60'000 gleichbehalten, für Personen mit tiefen Löhnen und Teilzeitangestellte gar verbessert werden. Personen mit höheren Löhnen müssten mit Renteneinbussen von bis zu 8 Prozent rechnen, was jedoch noch immer deutlich weniger sei als bei den Alternativvorschlägen.
Zudem sei der Reformvorschlag durch eingehende Verhandlungen zwischen Spitzenverbänden der Arbeitnehmenden und dem Schweizerischen Arbeitgeberverband (SAV) entstanden, während die alternativen Modelle von Arbeitnehmerverbänden und Versichertenorganisationen nicht unterstützt würden. Keine Chance sprach der Bundesrat einer Reformvorlage zu, welche einzig Kompensationsmassnahmen an die direkt von der Senkung des Mindestumwandlungssatzes Betroffenen beinhaltet. Stattdessen brauche es auch eine Anpassung der beruflichen Vorsorge an die Entwicklung im Erwerbsverhalten. Schliesslich reagierte er auch auf die Kritik, wonach der Rentenzuschlag systemfremd sei: Tatsächlich gebe es im BVG-System durchaus Umlagefinanzierung, nämlich in der Querfinanzierung der auszubezahlenden Renten durch die tiefere Verzinsung der Guthaben der aktiven Versicherten (oder durch zusätzliche Beiträge der aktiven Versicherten und der Arbeitgebenden) bei Vorsorgeeinrichtungen mit wenigen überobligatorischen Leistungen.
Der Bundesrat nahm somit keine Änderungen gegenüber der Vernehmlassungsvorlage vor, da er befürchtete, dass punktuelle Änderungen des Kompromissvorschlags dessen Unterstützung gefährden würden. Damit wies die Reform der beruflichen Vorsorge folgende Eckpunkte auf: Der Mindestumwandlungssatz soll von 6.8 Prozent auf 6 Prozent gesenkt werden. Dies mache Ausgleichsmassnahmen notwendig, wenn bei den neuen Renten keine Renteneinbussen entstehen sollen: Durch die Halbierung des Koordinationsabzugs und durch die Vereinfachung der Sätze für die Altersgutschriften soll das Alterssparen verstärkt werden, zudem soll ein Rentenzuschlag von CHF 100 bis CHF 200 pro Monat für künftige Rentnerinnen und Rentner, der durch eine Erhöhung der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge um 0.5 Prozentpunkte finanziert werden soll, die Altersrente von Neurentnern aufbessern. Dies würde jährlich durchschnittlich Kosten von CHF 2.7 Mrd. verursachen.
Die Medien sahen diesen Entscheid der Regierung kritisch. Als «absturzgefährdet» bezeichnete etwa die NZZ das Reformprojekt und auch der Tages-Anzeiger sprach ihm ob der zahlreichen ablehnenden Voten in der Vernehmlassung keine grossen Erfolgschancen zu.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Noch bevor die Räte den gemäss SGK-NR weniger umstrittenen Teil des ersten Massnahmenpakets zu Ende beraten hatten, behandelte der Nationalrat in der Sondersession im Oktober 2020 die übrigen Artikel des ersten Kostendämpfungspakets unter dem Namen Paket 1b des ersten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Dazu gehörten die Massnahmen zur Steuerung der Kosten, das Beschwerderecht der Versicherer gegen Spitalplanungsentscheide sowie das Referenzpreissystem für patentabgelaufene Arzneimittel. Mit 17 zu 0 Stimmen bei 8 Enthaltungen hatte die SKG-NR ihren Entwurf, der gegenüber dem bundesrätlichen Vorschlag einige gewichtige Änderungen enthielt, zuvor angenommen. Eintreten war unbestritten.

Als ersten Hauptpunkt diskutierte der Nationalrat die Frage der Kostensteuerung, wobei Ruth Humbel (cvp, AG) und Philippe Nantermod (fdp, VS) die Kommissionsposition ausführlich darlegten: Eine knappe Kommissionsmehrheit unterstütze die Kostensteuerung generell. Diese lege fest, dass Tarifverträge entsprechend der Forderung der angenommenen Motion Brand (svp, GR; Mo. 18.3305) Massnahmen zur Kostenkorrektur im Falle eines unvorhergesehenen Anstiegs der Gesundheitskosten enthalten müssen. Anstatt entsprechende Regeln vorzuschreiben, wie der Bundesrat beabsichtigt hatte, setzte die Kommission jedoch auf degressive Tarife: Bei häufigerer Anwendung sollten die Tarife entsprechend sinken. Stattdessen folgte der Rat jedoch äusserst knapp mit 91 zu 90 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) einer Minderheit II Hess (bdp, BE), die vorschlug, die Kostensteuerungsmassnahmen aus dieser Vorlage zu streichen, zumal sie ein «Bestandteil des Zielkostensystems» seien, welches erst im zweiten Kostendämpfungspaket behandelt werden wird. Entsprechend solle diese Massnahme ins zweite Paket verschoben werden.

Der zweite Hauptpunkt der Vorlage stellte das Beschwerderecht der Krankenversicherungen und ihrer Verbände gegenüber Entscheidungen der Kantonsregierungen bezüglich der Spitallisten sowie bezüglich Preisfestsetzungen für Arzneimittel, wie die Kommissionsmehrheit den bundesrätlichen Vorschlag ergänzt hatte, dar. Eine Minderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) wehrte sich dagegen, dass «private Interessen eine Steuerung durch die politische Seite, durch die Kantone, aufheben» können sollen. Stattdessen soll die Kompetenz sowie die Entscheidhoheit in den entsprechenden Fragen bei den Kantonen und damit bei der Politik verbleiben. Nur die Politik und das Volk hätten das Wohl der ganzen Bevölkerung im Blick, während die Versicherungen ihre Partikularinteressen verfolgten, argumentierte sie. Konsequenterweise müsse man sonst auch ein Beschwerderecht unter anderem für Patienten- und Patientinnenorganisationen oder für die Sozialpartner einrichten. Zudem könne die entsprechende Regelung zu einer Blockade und zu Rechtsunsicherheit führen. Dem widersprach unter anderem Thomas de Courten (svp, BL), der die Versicherungen im Gesundheitswesen als «Anwälte der Patientinnen und Patienten» bezeichnete und die Massnahme für nötig erachtete, damit ein Gleichgewicht in der Verhandlungsmacht sichergestellt und die alleinige Macht der Kantone gebrochen werden könne. Die Minderheit setzte sich mit 104 zu 75 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) respektive 94 zu 87 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) durch, der Nationalrat sprach sich somit gegen das Beschwerderecht der Krankenversicherungen aus. Die Stimmen für die Kommissionsmehrheit stammten von Mehrheiten der SVP-, FDP.Liberale- und Mitte-Fraktion.

Den dritten zentralen Aspekt stellte die Frage des Referenzpreissystems für patentabgelaufene Arzneimittel dar, das der Bundesrat einführen wollte. Mit einem Referenzpreissystem für Generika dürfte die OKP zukünftig nur noch denjenigen Preis für ein Arzneimittel vergüten, der in diesem Referenzpreissystem festgelegt worden war — ausser es ist das einzige für die Patientin oder den Patienten mögliche Arzneimittel, dann wird es unabhängig vom Preis vergütet. Die Kommissionsmehrheit lehnte nun die Schaffung eines solchen Systems ab. Hier gehe es um Fragen der Versorgungssicherheit und der Patientensicherheit (wie in diesem Bericht ausgeführt wird), erklärte Kommissionssprecherin Humbel. Bei wechselnden Referenzpreisen bestehe die Gefahr, dass es zu nicht medizinisch begründeten Medikamentenwechseln komme, was zu abnehmender Therapietreue und sinkender Patientensicherheit und dadurch zu Folgekosten führen könne. Zudem könnten Firmen aufgrund des Preisdrucks darauf verzichten, ihre Produkte in der Schweiz anzubieten, wodurch die Abhängigkeit von den übrigen Lieferanten steige. Wie problematisch eine solche Abhängigkeit sei, habe sich im Rahmen der Corona-Krise gezeigt. Die Kommission wolle deshalb auf das Referenzpreissystem verzichten und stattdessen, beruhend auf einem Vorschlag von Curafutura, Pharmasuisse, Ärzte mit Patientenapotheke und Intergenerika die Generikapenetration erhöhen. Der Marktpreis solle daher jährlich statt alle drei Jahre überprüft und die Generikapreise gegenüber den Originalen um weitere fünf Prozent gesenkt werden. Zudem soll eine preisunabhängige Vertriebsmarge geschaffen werden, damit Ärztinnen, Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker nicht wie bisher mehr Geld verdienten, wenn sie teurere Medikamente verkauften. Entsprechend habe man auch einstimmig die Motion 20.3936 eingereicht.
Eine Minderheit I Hess unterstützte hingegen das Referenzpreissystem des Bundesrates. Minderheitensprecher Hess argumentierte, seine Minderheit habe das bundesrätliche System etwas vereinfacht und abgeschwächt. So solle das Referenzpreissystem nur gelten, wenn mehr als zwei wirkstoffgleiche Medikamente auf dem Markt sind und ein Arzneimittel vom Bundesrat nicht als unverzichtbar festgelegt worden war. Mit einem eigenen Preis, also unabhängig vom Generika-Preis, sollten überdies Biosimilars, das sind Nachahmerpräparate, deren Wirkstoffe nicht mit denjenigen der Originale identisch sind, ins Preissystem aufgenommen werden, da diese gemäss dem revidierten Heilmittelgesetz nicht mit Generika gleichgesetzt werden können. Mit diesem Modell, das er als Referenzpreissystem «light» bezeichnete, könne das grösstmögliche Sparvolumen erreicht werden, argumentierte der Minderheitensprecher.
Eine Minderheit II Porchet (gp, VD) wollte überdies das Substitutionsrecht für Apothekerinnen und Apotheker stärken. Diese sollten zukünftig bei neuen Behandlungen eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel abgeben müssen, sofern dies aus medizinischer und pharmazeutischer Sicht möglich ist.
Mit 114 zu 65 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat die Einführung des Referenzpreissystems light ab. Interessant ist dabei, dass sich die Positionen der SP und der Grünen in dieser Frage deutlich unterschieden, was in Gesundheitsfragen nur selten der Fall ist: Während die SP die Einführung eines Referenzpreissystems zusammen mit der Mehrheit der Mitte-Fraktion unterstützte, sprachen sich die Grünen mit der GLP-Fraktion, der Mehrheit der SVP-, der FDP.Liberalen- und der Minderheit der Mitte-Fraktion dagegen aus. Abgelehnt wurden auch die Anträge auf eine Sonderbehandlung der Biosimilars (103 zu 75 Stimmen bei 7 Enthaltungen) sowie der Antrag der Minderheit II Porchet (108 zu 77 Stimmen). In letzterer Frage standen SP und Grüne zusammen mit den Grünliberalen wieder gemeinsam auf der Seite der Minderheit.

Im Rahmen dieser drei Hauptthemen behandelte der Nationalrat auch weitere Detailfragen, so zum Beispiel die Frage der verhandelten Rabatte. Als «Tabubruch» und als «absolutes No-Go» bezeichnete Barbara Gysi (sp, SG) den Vorschlag der SGK-NR, wonach maximal 25 Prozent der Einsparungen durch zwischen Tarifpartnern und Leistungserbringenden ausgehandelten tieferen Preisen und Tarifen den Versicherungen zur freien Verfügung stehen sollten, dass sie gemäss Gysi also «in die Taschen der Versicherer fliessen» sollten. Bisher mussten die entsprechenden Einsparungen vollumfänglich den Versicherten zugute kommen. «Braucht es denn wirklich dieses sogenannte Incentive [...], damit die Krankenversicherer ihre Arbeit tun, nämlich günstige Preise aushandeln?», fragte Gysi rhetorisch. Entsprechend beantragte ihre Minderheit die Streichung des Artikels, zumal dieser gemäss Flavia Wasserfallen (sp, BE) auch ohne seriöse Abklärungen in die Kommission gelangt sei. Kommissionssprecherin Humbel führte aus, dass der Ständerat bei Annahme dieser Regelung noch prüfen müsse, ob dieser Artikel dem grundsätzlichen Gewinnverbot in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung und der Forderung in Art. 56 Abs. 3bis KVG, wonach alle nicht der Qualitätsverbesserung dienenden Vergünstigungen an die Versicherten weitergegeben müssen, widerspricht und was unter dem Ausdruck «zur freien Verfügung» genau verstanden werden soll. Thomas de Courten befürwortete schliesslich den Mehrheitsantrag; es sei der «Sinn dieser ganzen Debatte, dass wir die Kosten dämpfen und die Anreize entsprechend setzen». Mit 117 zu 67 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Nationalrat für den Kommissionsvorschlag aus.
Ausführlich legte schliesslich Thomas de Courten seinen Minderheitsantrag zu den Parallelimporten dar. Er wehrte sich darin gegen den Vorschlag der Kommissionsmehrheit, patentabgelaufene Medikamente ohne Zulassungspflicht durch Swissmedic auf den Schweizer Markt zu bringen. Parallelimporte seien bereits heute erlaubt, dabei müssten aber dieselben Bedingungen eingehalten werden, die für alle anderen Medikamente auch gelten. Mit dem Vorschlag der Kommission könnten Zulassungsentscheide irgendwelcher anderen Länder zukünftig auch für die Schweiz gelten, ohne dass zum Beispiel die Good Manufacturing Practice der Schweiz im Herstellungsprozess beachtet werden müsste. Eine zusätzliche Prüfung durch Swissmedic sei nicht nötig, da man davon ausgehe, dass die ausländischen Zulassungsbehörden dieselben Qualitätsanforderungen stellten wie Swissmedic, begründete Kommissionssprecherin Humbel den Minderheitsantrag. Mit 128 zu 53 Stimmen folgte der Rat diesbezüglich jedoch der Mehrheit, Gehör fand das Anliegen von de Courten nur bei der Mehrheit der SVP-Fraktion und je einem Mitglied der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat seinen Entwurf schliesslich mit 130 zu 52 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Die Gegenstimmen stammten von der SP-Fraktion sowie von der Mehrheit der Grünen-Fraktion.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

In der Herbstsession 2020 behandelte das Parlament das dringliche Bundesratsgeschäft für die Anlage von Geldern aus dem Freizügigkeitsbereich der Auffangeinrichtung BVG bei der Bundestresorerie. Dabei zeigten sich sowohl Ständerat als auch Nationalrat von der Vorlage überzeugt und nahmen sie einstimmig an (SR: 38 zu 0 Stimmen; NR: 187 zu 0 Stimmen). Da der Gesetzesartikel dringlich erklärt werden sollte, mussten die Räte zwischen der Differenzbereinigung und der Schlussabstimmung noch über die Dringlichkeitsklausel befinden. Diese passierte den Ständerat ebenfalls einstimmig (43 zu 0 Stimmen). Im Nationalrat stiess sie zwar bei der SVP-Fraktion auf Widerstand, erreichte das qualifizierte Mehr bei 146 zu 53 Stimmen dennoch deutlich. In den Schlussabstimmungen waren sich die Räte wieder einig, erneut sprachen sich sowohl Ständerat als auch Nationalrat einstimmig für die Vorlage aus (SR: 44 zu 0 Stimmen; NR: 196 zu 0 Stimmen). Somit konnte die Situation der Auffangeinrichtung BVG kurzfristig verbessert werden, zur Schaffung einer langfristigen Lösung war die Einsetzung einer Arbeitsgruppe des BSV unter Einbezug der EFV geplant.

Anlage von BVG-Geldern aus dem Freizügigkeitsbereich der Auffangeinrichtung bei der Bundestresorerie

Die Zusatzfinanzierung der ALV war in der Herbstsession 2020 in National- und Ständerat unumstritten. Nachdem die beiden Gesundheitskommissionen einstimmig Annahme der Vorlage beantragt hatten, folgten ihnen die Räte nach kurzen Präsentationen durch die Kommissionssprechenden und Bundesrat Parmelin. Einstimmig nahmen Nationalrat (179 zu 0 Stimmen) und Ständerat (37 zu 0 Stimmen) die Zusatzfinanzierung in der Gesamtabstimmung an. In der Abstimmung zur Dringlichkeitsklausel (198 zu 2 Stimmen; ablehnende Stimmen: Alfred Heer, svp, ZH und Erich Hess, svp, BE) und in der Schlussabstimmung (194 zu 1 Stimmen; ablehnende Stimme: Erich Hess) gab es im Nationalrat geringen Widerstand, im Ständerat erneut gar keinen (je 44 zu 0 Stimmen).

Zusatzfinanzierung der Arbeitslosenversicherung (BRG 20.057)

Im Mai 2020 legte der Bundesrat dem Parlament die Änderung des KVG bezüglich der Vergütung des Pflegematerials vor. Ziel der Vorlage war es, in Übereinstimmung mit einer Motion der SGK-NR (Mo. 18.3710) eine einheitliche Vergütung für Pflegematerial, das von der betroffenen Person selbst oder von Laien angewendet wird, und von Pflegematerial, das von Pflegefachpersonen angewendet wird, einzuführen. 2017 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Position des Bundesrates bestätigt, wonach gemäss dem bestehenden Gesetz die von Pflegefachpersonen verwendeten Materialien Bestandteil der Pflegeleistung seien und nicht separat verrechnet werden dürften. Die von den Versicherten selbst angewendeten Materialien seien hingegen separat von der OKP zu übernehmen.
Neu sollen die Materialien in drei Kategorien gegliedert werden: Die Kategorie A enthält einfache Verbrauchsmaterialien mit direktem Bezug zu den Pflegeleistungen (z.B. Handschuhe) sowie Material und Gegenstände zum Mehrfachgebrauch für verschiedene Patientinnen und Patienten (z.B. Blutdruckmessgeräte), diese sollen auch zukünftig gemäss den Regeln der Pflegefinanzierung von OKP, Versicherten und Kantonen bezahlt werden. Zur Kategorie B gehören Mittel und Gegenstände für die Untersuchung oder Behandlung einer Krankheit gemäss MiGeL (z.B. Verbandmaterial), diese werden neu unabhängig von der anwendenden Person durch die OKP finanziert. Auch die Materialien der Kategorie C, Mittel und Gegenstände, die nicht von der versicherten Person selbst oder durch eine nichtberuflich mitwirkende Person verwendet werden können (z.B. Heimventilation), werden von der OKP übernommen.
Die Vorlage soll eine Entlastung für Gemeinden und Kantone in der Höhe von jährlich CHF 65 Mio. mit sich bringen und stattdessen die Gesamtkosten der OKP um 0.2 Prozent erhöhen. Da die Höhe des Bundesbeitrags an die Prämienverbilligung 7.5 Prozent der OKP-Bruttokosten beträgt, steigt auch der entsprechende Bundesbeitrag um CHF 4.9 Mio.

Zwischen Dezember 2019 und Februar 2020 fand die Vernehmlassung zur Vergütung des Pflegematerials statt. Dabei gingen 126 Stellungnahmen ein. Die Kantone und mit ihnen die GDK sowie die Leistungserbringenden sprachen sich für die Änderung aus. Auch die CVP, EVP, FDP, GLP und SP zeigten sich mehrheitlich zufrieden, äusserten jedoch teilweise Vorbehalte, insbesondere bezüglich der Kostenverlagerung zur OKP. Die SVP lehnte die Vorlage ab, da sie dadurch eine Mengenausweitung ohne qualitative Verbesserung der Pflegeleistungen befürchtete. Auch die Versichererverbände lehnten die Vorlage ab, da sie die höheren Kosten fürchteten.

In der Herbstsession 2020 behandelte der Nationalrat die Vorlage. Hatte sich die SVP im Rahmen der Vernehmlassung als einzige Partei noch gegen die KVG-Änderung ausgesprochen, stimmte auch sie der Gesetzesänderung nun zu: Einstimmig mit 189 zu 0 Stimmen nahm der Nationalrat die Vorlage an.

Änderung des KVG bezüglich Vergütung des Pflegematerials (BRG 20.046)
Dossier: Änderungsvorschläge zur Mittel- und Gegenständeliste (MiGeL)

In der Herbstsession 2020 behandelte der Ständerat das von der SGK-NR geschaffene Paket 1a des Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen, das die weniger umstrittenen Teile des ersten Massnahmenpakets des Bundesrats beinhaltete. Nachdem er ohne Gegenantrag auf die Vorlage eingetreten war, schuf er einige Differenzen zum Erstrat.
Nur eine kleine Änderung gegenüber der nationalrätlichen Version nahm der Ständerat, in Übereinstimmung mit seiner Kommission, bei der Frage der Rechnungsstellung im Tiers payant-System vor. Hier ergänzte er stillschweigend einen Passus, wonach die Versicherungen und die Leistungserbringenden abmachen können, dass die Versicherung für die Übermittlung der Rechnungen zuständig sein soll. Mit der Änderung des Nationalrats, wonach die Rechnungen auch elektronisch verschickt oder auf einem Webportal hinterlegt werden können, zeigten sich die Ständerätinnen und Ständeräte hingegen einverstanden.
Für deutlich mehr Diskussionen sorgte die Frage der Behandlungstarife, insbesondere die Patientenpauschaltarife bei ambulanten Behandlungen, gemäss Kommissionssprecher Pirmin Bischof (cvp, SO) «ein Herzstück der Vorlage». Neu sollen gemäss Bundesrat vereinbarte Patientenpauschaltarife auf einer gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur beruhen müssen, erklärte Bischof. Die Tarife müssten zwar nicht schweizweit identisch sein, wohl aber die in der Rechnung aufgeführten Teile einer Behandlung. Dies habe den Vorteil, dass die Rechnungen gesamtschweizerisch vergleichbar seien. Nachteilig sei hingegen, dass kantonale Differenzen in der Struktur nicht mehr möglich seien. Der Vorteil dieser Änderung liege gemäss Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) auch darin, dass man damit das Risiko einer Mengenausweitung reduzieren könne. «Je mehr man verrechnet, desto mehr verdient man.» Eine Minderheit Müller (fdp, LU) beantragte, auf die Schaffung dieser Patientenpauschalen zu verzichten. Bereits heute gebe es solche Pauschalen und sie würden auch bei ambulanten Behandlungen angewendet. Da sich die Behandlung aber zwischen den verschiedenen Patientinnen und Patienten stark unterscheide, würde eine Vereinheitlichung zu einer Übervergütung von einfachen und zu einer Untervergütung von komplizierten Fällen, welche häufig bei kränkeren und sozial schwächeren Patientinnen und Patienten auftreten, führen. Obwohl die Minderheit Müller in der Kommission mit 8 zu 3 Stimmen (bei 1 Enthaltung) unterlegen war, meldeten sich mit Brigitte Häberli-Koller (cvp, TG), Erich Ettlin (cvp, OW), Hannes Germann (svp, SH) und Josef Dittli (fdp, UR) deutlich mehr Kommissionsmitglieder im Namen der Minderheit zu Wort. Einen ganz anderen Aspekt der Regelung stellte Gesundheitsminister Berset in den Mittelpunkt: Für ihn liege der zentrale Unterschied zur heutigen Regelung darin, dass der Bundesrat neu subsidiär eingreifen könne, wenn sich die Tarifpartner nicht auf eine Tarifanpassung einigen könnten. Mit 22 zu 21 Stimmen setzte sich die Minderheit in dieser Frage jedoch knapp durch, der Ständerat lehnte damit die Schaffung einer Patientenpauschale ab.
Eine weitere offene Frage bezüglich der Behandlungstarife betraf die Schaffung einer nationalen Tariforganisation im ambulanten Bereich, entsprechend der Swiss DRG im stationären Bereich, die für die Erarbeitung und Weiterentwicklung der Tarifstrukturen zuständig sein sollte. Hier sei man sich mehrheitlich einig, betonte Bischof, offen sei lediglich noch die Frage der Organisationshoheit. Solle der Bundesrat über die Organisationsform entscheiden, dabei erst eine Konsultation durchführen oder gar nur subsidiär zuständig sein, wenn sich die Leistungserbringenden und Versicherungen nicht einigen können? Letzteres schlug die SGK-SR vor. Bundesrat Berset stellte zudem in seiner Antwort auf eine Frage von Charles Juillard (cvp, JU) fest, dass ausschliesslich Tarifpartner in der Organisation vertreten sein würden und die Kantone somit darin erst mitwirken könnten, wenn EFAS angenommen worden sei und die Kantone somit ebenfalls für die ambulante Behandlung zuständig wären. Stillschweigend folgte der Ständerat in diesem Punkt dem Vorschlag seiner Kommission.
Ein weiterer umstrittener Aspekt der Tariffrage betraf die Finanzierung von Rechnungsprüfungen, welche die Patientenorganisationen durchführen sollten, durch das EDI. Die Kommissionsmehrheit wollte diesen vom Nationalrat eingefügten Punkt aus der Vorlage streichen, eine Minderheit Carobbio Guscetti wollte ihn beibehalten. Natürlich sollten sich Patientinnen und Patienten von externen Organisationen beraten lassen können, der Bund solle sich dabei aber nicht an der Finanzierung dieser Dienstleistung beteiligen, zumal eine solche Finanzhilfe nur eine zusätzliche Kontrolleinheit bedeuten würden, erklärte Kommissionssprecher Bischof. Minderheitensprecherin Carobbio Guscetti betonte hingegen, dass die anfangs eingesetzte Expertengruppe einen ähnlichen Vorschlag gemacht habe und die GDK das Anliegen unterstütze. Nicht abgeneigt gegenüber der Finanzierung zeigte sich auch Bundesrat Berset, für den die Massnahme nicht im Widerspruch zur Strategie des Bundesrates stand. Mit 28 zu 13 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Ständerat aber gegen die Finanzierung aus und schuf damit eine weitere Differenz zum Nationalrat.
Schliesslich stand noch der Experimentierartikel im Raum, gemäss Bischof der «zweite Kernartikel dieser Vorlage». Die SGK-SR wollte den nationalrätlichen Vorschlag um die Möglichkeit, experimentelle Projekte zur Förderung der Digitalisierung durchführen zu können, ergänzen. Streichen wollte sie hingegen Projekte zur Einschränkung der freien Arztwahl. Eine weitere Minderheit Müller schlug indes vor, vollständig auf den Katalog mit möglichen Bereichen, in denen Projekte durchgeführt werden können, zu verzichten. Ohne Katalog könnten auch Projekte durchgeführt werden, welche Grundrechtseingriffe enthielten, erklärte Bischof den Widerstand der Kommissionsmehrheit gegen diesen Vorschlag. Die betroffenen Patientinnen und Patienten hätten keine Möglichkeit, sich gegen die Projekte zu wehren. Gesundheitsminister Berset sprach sich vehement gegen den Minderheitsantrag und die Streichung des Katalogs aus. Der Bundesrat und die Verfassungsrechtsexperten des Bundes seien sich einig, dass dies gegen Artikel 5 Absatz 1 der Bundesverfassung verstosse, wonach das Recht Grundlage und Schranke staatlichen Handelns darstelle. Damit würden die möglichen Experimente keine Grenzen kennen. So könnten zum Beispiel für die Bevölkerung eines Kantons die Hälfte des Leistungskatalogs gestrichen, die Franchise auf CHF 10'000 erhöht oder risikobezogene Prämien eingeführt werden. Paul Rechsteiner (sp, SG) kritisierte des Weiteren, dass die freie Arztwahl auf der Liste möglicher Projekte aufgeführt sei: Die Einschränkung der freien Arztwahl sei ein fundamentaler Systemeingriff, der Grundrechtsdimensionen betreffe und entsprechend per Gesetz zu entscheiden sei. Man solle den «Akteuren im Gesundheitswesen [nicht] per Gesetz abschliessend vorschreiben, wo sie experimentieren können», betonte hingegen Minderheitensprecher Müller. Innovation entstehe «relativ chaotisch», ergänzte Erich Ettlin (cvp, OW). Zudem könne ja das EDI die Pilotprojekte bewilligen, müsse es aber nicht. Mit diesen Argumenten setzte sich die Kommissionsminderheit durch: Mit 23 zu 19 Stimmen sprach sich der Ständerat gegen die Einschränkung der Experimente auf einen Katalog aus. Im Anschluss bat Bischof den Nationalrat, in seiner nächsten Sitzung diese vom Ständerat geänderte Bestimmung etwas abzuschwächen und ihr eine Ausnahme für Grundrechtsverletzungen anzufügen.
Mit 31 zu 0 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) nahm der Ständerat das Gesetz in der Gesamtabstimmung ohne Gegenstimme an. Die Enthaltungen stammten von sechs Mitgliedern der SP- sowie von je drei Mitgliedern der SVP- und der Grünen-Fraktion.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Im Mai 2020 präsentierte der Bundesrat seinen Entwurf zum zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen. Wie beim ersten Paket lag das Ziel der Vorlage in der Eindämmung der Entwicklung der Kosten für Leistungen zulasten der OKP und damit der Prämien. Das zweite Paket solle die im ersten Paket vorgeschlagenen Massnahmen ergänzen und deren Wirkungen verstärken, erläuterte der Bundesrat. Im Zentrum der Vorlage stand die Einführung einer Zielvorgabe für die Kostenentwicklung in der OKP, was auch eine der zwei Hauptforderungen eines Expertenberichts gewesen war. Da auch die von der CVP in der Zwischenzeit erfolgreich eingereichte eidgenössische Initiative «Für tiefere Prämien – Kostenbremse im Gesundheitswesen (Kostenbremse-Initiative)» eine Kostenbremse im Gesundheitswesen forderte, der Bundesrat eine der Initiative entsprechende Koppelung der Kosten an die Entwicklung der Gesamtwirtschaft und an einen Lohnindex jedoch ablehnte und verschiedene in der Initiative geforderte Massnahmen bereits Teil des Kostendämpfungspakets waren, schlug er das zweite Massnahmenpaket als indirekten Gegenvorschlag zur Initiative der CVP vor.
Neben der Kostenbremse enthielt das Paket auch Massnahmen in zahlreichen weiteren Bereichen. So sollte eine obligatorische Erstberatungsstelle für gesundheitliche Probleme eingeführt, Netzwerke zur koordinierten Versorgung als eigene Leistungserbringende definiert und Programme der Patientenversorgung gefördert sowie die Bundeskompetenzen bei der Vergütung medizinischer Leistungen gestärkt werden. Weiter sollte eine Prüfung der Kriterien der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit und der Bemessung der Vergütung von Analysen, Arzneimitteln sowie Mitteln und Gegenständen geschaffen werden, Referenztarife für ausserkantonale Wahlbehandlungen gefördert, die elektronische Rechnungsübermittlung ermöglicht und die Kostenbeteiligung bei Mutterschaft präzisiert werden.
Im August 2020 schickte der Bundesrat das zweite Massnahmenpaket in die Vernehmlassung, die bis Ende November 2020 dauern wird.

Zweites Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 22.062)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Nachdem der Bundesrat dem Parlament die Botschaft zur AHV 21 vorgelegt hatte, diskutierten die Medien die Vorlage in unregelmässigen Zeitabständen. Im Zentrum der Diskussion stand insbesondere die vorgeschlagene Rentenaltererhöhung der Frauen, welche für Frauenorganisationen und linke Parteien eine «unglaubliche Frechheit», wie es das Streikkollektiv des Frauenstreiks ausdrückte, und einen Referendumsgrund, für viele Bürgerliche jedoch eine notwendige Massnahme zur Sanierung der AHV darstellte. Mehrfach wurde zu diesem Zeitpunkt auch bereits eine weitergehende Rentenaltererhöhung für Frauen und Männer auf 66 oder gar 67 Jahre gefordert. So schlug zum Beispiel Ständerat Ruedi Noser (fdp, ZH; Mo. 20.3225) in einer Motion vor, eine automatische schrittweise Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre mit einer Erhöhung des gesetzlichen Ferienanspruchs um zwei Wochen zu verknüpfen. Demgegenüber wurde auch darüber diskutiert, ob das Konzept der Pensionierung und des fixen Rentenalters überhaupt noch zeitgemäss sei oder ob es nicht besser abgeschafft werden sollte. Immer wieder beriefen sich die Medien zudem auf Umfragen, um die Zukunftssorgen der Bevölkerung bezüglich ihrer Altersvorsorge zu unterstreichen. Gleichzeitig ergaben aber auch mehrere solche Umfragen, dass eine Mehrheit der Befragten, insbesondere der befragten Frauen, eine Erhöhung des Frauenrentenalters ablehnte (z.B. Umfrage Deloitte: Männer: 60% für Erhöhung des Frauenrentenalters, 32% der Frauen dafür). Ende November 2019 forderte schliesslich auch die OECD in ihrem alle zwei Jahre erscheinenden Länderbericht zur Schweiz eine Rentenaltererhöhung.

Die Ausgangslage der Vorlage AHV 21 änderte sich – wie so vieles – im Frühjahr 2020 mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie. Diese habe aufgezeigt, «wie wertvoll funktionierende Sozialversicherungen sind», betonte der Tages-Anzeiger, aber habe auch grosse Kosten für die Altersvorsorge mit sich gebracht (NZZ). Gerade für die AHV sei die Situation aufgrund des Umlageverfahrens schwierig: Erste Schätzungen wiesen aufgrund des Rückgangs der Löhne und somit auch der Lohnbeiträge auf einen Corona-bedingten Schaden für die AHV und IV von CHF 4 bis 5 Mrd. hin. Vor der Pandemie sei mit einem Umlageergebnis von CHF 800 Mio. gerechnet worden, wobei die CHF 2 Mrd., welche die AHV aufgrund der STAF jährlich zusätzlich erhält, bereits inbegriffen waren. Nun müsse trotz dem Zuschuss mit einem deutlich negativen Umlageergebnis gerechnet werden, das vermutlich auch nicht durch ein positives Anlageergebnis des AHV-Ausgleichsfonds kompensiert werden könne. Bereits vor der Corona-Krise rechnete das BSV überdies ohne AHV-Reform für das Jahr 2035 mit einem Umlagedefizit von CHF 10 Mrd.
Nicht nur bezüglich des Ablaufs der Behandlung der Vorlage, auch bezüglich des Inhalts erwarteten die Medien einen Einfluss der Corona-Pandemie auf die AHV 21: So werde es jetzt noch schwieriger, Steuergelder für die AHV zu beschaffen, mutmasste etwa der Tages-Anzeiger. FDP-Ständerat Dittli (fdp, UR) betonte denn auch, dass eine Mehrwertsteuererhöhung um 0.7 Prozentpunkte wegen Corona inakzeptabel sei.

Im August 2020 begann die SGK-SR die Vorberatung der Vorlage zur Stabilisierung der AHV («AHV 21»). Dabei hörte sie sich verschiedene Vertreterinnen und Vertreter von Kantonen, Sozialpartnern und Frauenorganisationen an und erteilte der Verwaltung verschiedene Abklärungsaufträge. Bereits vor dieser ersten Sitzung hatten die Medien aber über einen von Ständerat Kuprecht (svp, SZ) initiierten bürgerlichen AHV-Pakt zur Vorlage berichtet. So hätten «sozialpolitische Wortführer» der SVP, FDP, CVP und später auch der GLP aus beiden Räten bereits im März eine parteiübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, wie die NZZ schilderte und Alex Kuprecht (svp, SZ) und Ruth Humbel (cvp, AG) bestätigten. Ziel der Gruppe sei es gemäss Medien, eine Mitte-links Allianz, wie sie bei der Altersvorsorge 2020 zwischen der CVP und den linken Parteien entstanden war, zu verhindern. Die Gruppe habe sich auf folgende Eckwerte für die AHV 21-Vorlage geeinigt: eine Rentenaltererhöhung für Frauen auf 65 Jahre und eine Rentenverbesserung in der Höhe von CHF 400 Mio. bis CHF 550 Mio. für vier betroffene Frauenjahrgänge; eine flexible Ausgestaltung des Rentenübergangs mit Teilrenten ab 63 Jahren; eine Erhöhung der Freibeträge für Erwerbstätige über 65 Jahren; eine maximale Mehrwertsteuererhöhung um 0.3 Prozentpunkte. Zum Vergleich: Die vom Bundesrat vorgelegte Botschaft enthielt unter anderem Ausgleichszahlungen an Frauen in der Höhe von CHF 700 Mio. für neun Jahrgänge und eine Mehrwertsteuererhöhung um 0.7 Prozentpunkte. Weitere zentrale Punkte seien gemäss Presse bei den Eckwerten bisher aber ausgeklammert worden, etwa die Plafonierung der AHV-Rente für Ehepaare. Die SP reagierte mit einem Communiqué auf den Zeitungsartikel und bezeichnete die Absicht der Gruppe als «Betrug an den Frauen», da diese die «Kosten der AHV-Reform nahezu alleine tragen» sollten, obwohl sie bei den Renten bereits jetzt benachteiligt seien. Gerade bezüglich der Kompensation für die Frauen zeigte sich jedoch auch die GLP in den Medien kritisch gegenüber den Eckwerten: Eine Rentenaltererhöhung sei nur möglich, wenn gleichzeitig die diskriminierenden Aspekte der zweiten Säule angegangen würden, erklärte etwa Tiana Angelina Moser (glp, ZH).
Anfang September traf die Kommission in ihrer Vorberatung erste Vorentscheidungen: Sie sprach sich mit 9 zu 3 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre aus. Während vier Jahren solle das Referenzalter – wie das Rentenalter neu heissen soll – um je drei Monate pro Jahr erhöht werden. Über die Ausgleichsmassnahmen für die ersten Jahrgänge von Frauen, die länger arbeiten müssen, diskutierte die Kommission erst im Oktober. Dabei beauftragte sie die Verwaltung mit der Berechnung von verschiedenen Ausgleichsvarianten, die gemäss Medien jedoch allesamt von einem Ausgleich für lediglich vier Jahrgänge ausgingen.

Die Medien verwiesen in der Folge auf den Zeitdruck, unter dem das Projekt stehe, zumal eine allfällige zusätzliche Rentenaltererhöhung erst möglich sei, nachdem das Rentenalter der Frauen angeglichen worden sei. Dies sei aber frühestens im Jahr 2026, später war gar von 2027 die Rede, möglich. Folglich erntete die SGK-SR für die Dauer ihrer Vorberatung einige Kritik: «Im parlamentarischen Alltag scheint der Reformdruck noch nicht angekommen zu sein», kritisierte etwa der Tages-Anzeiger.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Ende Mai 2020 erklärte der Bundesrat in einer Medienmitteilung, dass er dem Parlament eine dringliche, befristete Änderung des AVIG für eine Zusatzfinanzierung der ALV vorlegen werde. Wie bereits im Rahmen der Nachtragskredite 2020 (Nachtrag I und Nachtrag IIa) diskutiert, verfügt die ALV über eine Schuldenobergrenze von 2.5 Prozent der versicherten Lohnmenge, was im Jahr 2020 CHF 8 Mrd. entsprach. Hat die ALV Ende Jahr höhere Schulden, tritt eine Schuldenbremse in Kraft und die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge der Arbeitslosenversicherung müssen erhöht werden. Da der Bundesrat für das Jahr 2020 mit Corona-bedingten ALV-Mehrkosten in der Höhe von CHF 12 Mrd. für die KAE und weiteren CHF 8 Mrd. für ALE rechne, aber eine Erhöhung der ALV-Beiträge verhindern wolle, sei eine Zusatzfinanzierung nötig. Vom Bund übernommen werden sollten dabei ausschliesslich die effektiv anfallenden Kosten für Kurzarbeitsentschädigungen im Jahr 2020. Die entsprechenden Nachtragskredite über maximal CHF 20.2 Mrd. habe das Parlament in der Sondersession 2020 und der Sommersession 2020 bereits gesprochen. Die Kosten für die ALE werde der Bund aber nicht übernehmen. Er habe sich entschieden, ausschliesslich die Kosten für die KAE zu finanzieren, um so die Schulden des Bundes nicht noch stärker zu erhöhen, erklärte der Bundesrat. Stattdessen nehme die ALV so ihre Rolle als Konjunkturstabilisator wahr, indem sie sich «erheblich» verschulde – aber eben nicht so hoch, dass die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge erhöht werden müssten. Zusätzlich sah der Bundesrat in seiner Botschaft die Möglichkeit vor, die ALV auch 2021 finanziell zu unterstützen. Eine solche Regelung setze eine gesetzliche Grundlage voraus, wobei sich die zuständigen Kommissionen für ein dringliches Gesetz ausgesprochen hätten.

Anfang Juli 2020 fand eine verkürzte, zwei Wochen dauernde Vernehmlassung zu der Vorlage statt, bei der die Kantone, die in der Bundesversammlung vertretenen Parteien sowie die Dachverbände der Gemeinden, Städte, Berggebiete und der Wirtschaft eingeladen waren. Es gingen 41 Stellungnahmen ein, wobei die Vorlage überzeugte: 37 Teilnehmende zeigten sich grundsätzlich damit einverstanden, 31 hiessen sie vorbehaltlos gut und vier Teilnehmende nahmen keine ausdrückliche Wertung vor. Einige Teilnehmende machten weiterführende Vorschläge, die der Bundesrat jedoch nicht in seine Botschaft aufnahm.

Im August 2020 legte der Bundesrat folglich dem Parlament die dringliche, befristete Änderung des AVIG vor. Darin legte er das Ausmass der Kosten für KAE in 2020 noch einmal dar: So seien im April 2020 mit 1.9 Mio. Arbeitnehmenden in 190'000 Betrieben rund 36 Prozent aller Angestellten in der Schweiz für KAE angemeldet gewesen. Zwar hätte sich die Anzahl Voranmeldungen in der Folge abgeschwächt, bleibe aber trotzdem deutlich höher als vor der Corona-Krise. Auch die Arbeitslosenquote sei angestiegen und Ende Mai 2020 bei 3.4 Prozent zu liegen gekommen (März 2020: 2.9%). Schliesslich würde die ALV nicht nur durch die KAE belastet, sondern auch durch die Leistungserweiterungen für ALE, wie die zusätzlichen 120 Taggelder für Personen, die ansonsten während der Corona-Krise ausgesteuert worden wären.

Zusatzfinanzierung der Arbeitslosenversicherung (BRG 20.057)

Kurz nachdem das Parlament die Schaffung der Überbrückungsleistungen verabschiedet hatte, gaben verschiedene SVP-Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus Nationalrat, Ständerat und dem Zürcher Kantonsrat im Juli 2020 bekannt, dass sie als Komitee «Nein zur Entlassungsrente» das Referendum gegen die neue Sozialleistung ergreifen werden. Die ÜL überdecke die bestehenden Probleme, sie löse sie aber nicht, betonte etwa der Thurgauer Nationalrat Manuel Strupler (svp, TG). Es sei überdies ihre Pflicht, dem Volk diese Entscheidung zu ermöglichen, zumal die ÜL zur Bekämpfung der Begrenzungsinitiative im Schnellzugstempo geschaffen worden sei. Zudem stehe das Vorhaben der Erhöhung des Rentenalters «diametral entgegen», kritisierte Ständerat Jakob Stark (svp, TG). Das Gesetz setze falsche Anreize, ergänzte die Obwaldner Nationalrätin Monika Rüegger (svp, OW), da es dadurch zukünftig für die Unternehmen einfacher werde, ältere Leute zu entlassen. Anstelle der Überbrückungsrente forderte der Walliser Nationalrat Jean-Luc Addor (svp, VS) eine Begrenzung der Masseneinwanderung.
Die Medien berichteten des Weiteren, die SVP wolle sich nicht aktiv am Komitee beteiligen, da sie mit der Begrenzungsinitiative beschäftigt sei und anderen Referenden den Vorzug gebe. Im Oktober 2020 gab das Komitee bekannt, dass das Referendum gescheitert sei. Man habe 48'400 der nötigen 50'000 Unterschriften zusammenbekommen, wobei die Unterschriftensammlung durch die Corona-Massnahmen, z.B. durch die fehlenden Messen und Märkte, deutlich erschwert worden sei.

Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose (BRG 19.051)
Dossier: Ältere Arbeitnehmende

Anfang Juli 2020, inmitten der Corona-Pandemie, unterbreitete der Bundesrat dem Parlament eine Botschaft für eine auf drei Jahre befristete und dringliche Änderung des BVG. Darin schlug er vor, der Auffangeinrichtung BVG zu erlauben, Gelder bis CHF 10 Mrd. aus dem Freizügigkeitsbereich zinslos und unentgeldlich bei der Bundestresorerie anzulegen. Die Auffangeinrichtung BVG befinde sich in einer schwierigen Situation, erklärte der Bundesrat. Die von den Sozialpartnern getragene Stiftung muss sämtliche Freizügigkeitsguthaben von Personen, die ihr entsprechendes Guthaben nicht bei einer Bank oder Versicherung deponieren wollen oder können – zum Beispiel weil sie arbeitslos sind –, aufnehmen und maximal bis zum Rentenalter der Betroffenen verwalten. Ein Problem stellen nun vor allem die Negativzinsen dar. Freizügigkeitsguthaben dürfen nicht mit Negativzinsen belastet werden, liquide Mittel können aber oft nur mit Negativzins angelegt werden, zinsfreie und sichere Anlagen sind kaum möglich. Dadurch ist es für die Auffangeinrichtung BVG seit der Einführung der Negativzinsen 2015 schwierig geworden, den Nominalwert der Gelder garantieren zu können, so der Bundesrat. Im Rahmen der Pandemie sei ihr Deckungsgrad nun weiter gesunken und neue Mittelzuflüsse aufgrund steigender Arbeitslosigkeit könnten die Situation noch weiter verschärfen. Daher sollen die entsprechenden Gelder während dreier Jahre zinslos und unentgeltlich bei der Bundestresorie angelegt werden können, wobei Neu- und Ersatzanlagen jedoch nur bei einem Deckungsgrad unter 105 Prozent möglich sein sollen. In der Zwischenzeit soll eine langfristige Lösung gefunden werden. Ausnahmsweise habe der Bundesrat zudem auf die Durchführung einer Vernehmlassung verzichtet, da die Positionen der betroffenen Kreise, in diesem Fall die Auffangeinrichtung BVG, bereits bekannt seien; so habe der Stiftungsrat der Auffangeinrichtung im März 2020 um die Einrichtung eines entsprechenden Kontos gebeten, erklärte der Bundesrat.

Anlage von BVG-Geldern aus dem Freizügigkeitsbereich der Auffangeinrichtung bei der Bundestresorerie

Nach dem Corona-bedingten Abbruch der Frühjahrssession folgte in der Sommersession 2020 die Einigungskonferenz zur Zulassung von Leistungserbringenden. Der grosse noch offene Streitpunkt betraf die Frage des Beschwerderechts für Krankenversicherungen zu kantonalen Erlassen über die Festlegung und Berechnung der Höchstzahlen: Der Nationalrat hatte eine entsprechende Regelung ergänzt, der Ständerat lehnte diese durchwegs ab. Die Teilnehmenden an der Einigungskonferenz entschieden sich diesbezüglich mit 14 zu 10 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) in der ersten und 19 zu 6 Stimmen (bei 1 Enthaltung) in der zweiten Abstimmung für die Position des Ständerates und somit gegen ein entsprechendes Beschwerderecht. In der Einigungskonferenz unumstritten war der zweite offene Punkt, die Sprachvoraussetzungen für Ärztinnen und Ärzte: Diesen Punkt hatte der Ständerat zuvor zur Interpretationsklärung noch einmal präzisiert – die entsprechende Version nahm die Einigungskonferenz einstimmig an.

Eine Minderheit de Courten (svp, BL) beantragte die Ablehnung des Vorschlags der Einigungskonferenz. Man habe versucht, der Vorlage verschiedene Elemente zur Kostendämpfung hinzuzufügen – etwa die Verknüpfung mit EFAS, ein Beschwerderecht bei der Zulassungssteuerung für die Krankenversicherungen oder die Lockerung des Vertragszwangs bei ausgewiesener Überversorgung in einem Kanton –, doch alle Vorschläge seien abgelehnt worden, erklärte de Courten im Rahmen der Nationalratsdebatte. Damit bleibe nur eine «Fortsetzung des Providuriums». Ganz anders sah die Situation Gesundheitsminister Berset, der darauf verwies, dass die Zulassung von Leistungserbringenden nach 20 Jahren mit Übergangslösungen endlich langfristig gesetzlich geregelt werden könne. Pierre-Yves Maillard (sp, VD) verwies in der nationalrätlichen Beratung zum Antrag der Einigungskonferenz auf die in der letzten Phase ohne Zulassungsregelung (zwischen Januar 2012 und Mitte 2013) aufgrund der Neuniederlassung von Ärztinnen und Ärzten aus dem EU-Raum sehr stark gestiegenen Kosten und Prämien. Angesichts dessen sei der schlimmste Fall überhaupt einer ohne Massnahmen. Entsprechend solle man auch jegliche Rechtsunsicherheit bezüglich der Zulassung vermeiden. Mit 103 zu 56 Stimmen (bei 12 Enthaltungen) folgte der Nationalrat diesem Plädoyer. Eine Mehrheit der SVP- und die gesamte FDP.Liberale-Fraktion lehnten den Vorschlag der Einigungskonferenz ab oder enthielten sich der Stimme.

Im Ständerat ergriff zwei Tage später niemand das Wort, um den Minderheitsantrag zu bewerben: Mit 40 zu 3 Stimmen sprach sich die kleine Kammer für den Vorschlag der Einigungskonferenz aus. In den Schlussabstimmungen gab es anschliessend keine Überraschungen mehr: Mit 43 zu 2 Stimmen respektive 122 zu 74 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) nahm das Parlament die permanente Regelung zur Zulassung von Ärztinnen und Ärzten an.

KVG. Zulassung von Leistungserbringern (BRG 18.047)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

In der Sommersession 2020 gelang dem Parlament, was eigentlich für die Frühjahrssession geplant, aufgrund des Corona-bedingten Abbruchs jedoch nicht mehr möglich gewesen war: Es verabschiedete die Überbrückungsleistungen (ÜL) für ältere Arbeitslose.
In der letzten Runde des Differenzbereinigungsverfahrens machte der Nationalrat erneut einen Kompromissvorschlag: Die Behinderungs- und Krankheitskosten sollten entsprechend der Absicht des Ständerates separat vergütet, aber in den Plafond integriert werden. Im Gegenzug sollte der Plafond gemäss Absicht des Nationalrats bei Einzelpersonen und Mehrpersonenhaushalten das 2.25-fache des allgemeinen Lebensbedarfs gemäss Ergänzungsleistungen decken. Eine Minderheit Prelicz-Huber (gp, ZH) wollte weiterhin auf die separate Vergütung der Krankheitskosten verzichten, fand jedoch bei 160 zu 28 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) ausserhalb der Grünen Fraktion nur eine zusätzliche Stimme.

Die Einigungskonferenz zeigte sich mit dem Kompromissvorschlag des Nationalrats bei 18 zu 8 Stimmen mehrheitlich einverstanden. In der Ständeratsdebatte präsentierte Josef Dittli (fdp, UR) dem Rat noch ein letztes Mal die aktuellsten Zahlen: Der Plafond liege somit bei einer Einzelperson bei CHF 44'000 (anstelle der CHF 39'000, die der Ständerat vorgesehen hatte), insgesamt ergebe das Mehrkosten von CHF 1.6 Mio., mit denen jedoch der Anteil Personen, die ihren Lebensunterhalt trotz ÜL nicht decken könnten, von 16 Prozent bei der ständerätlichen Version auf 3 Prozent gesenkt werden könne. Damit rechne man mit jährlich CHF 150 Mio. bei 3'400 Bezügerinnen und Bezügern im Vergleich zu CHF 230 Mio. bei 4'600 Beziehenden, von denen der Bundesrat ausgegangen war. Alex Kuprecht (svp, SZ) vertrat in der Folge seine Minderheit auf Abschreibung der Vorlage: Er habe bereits zu Beginn der Debatte zu den ÜL darauf hingewiesen, dass die Zahlen zur Anzahl Bezügerinnen und Bezüger bei einer Rezession schnell sehr stark ansteigen könnten – dieses Szenario sei nun sehr viel schneller und sehr viel gravierender eingetreten als erwartet. Aufgrund der riesigen Neuverschuldung und des Steuereinbruchs wegen der Corona-Krise solle man nun bei neuen gebundenen Ausgaben zurückhaltend sein, zumal die Zahl der Bezügerinnen und Bezüger nun «ein Mehrfaches betragen» würde; er rechne mit jährlich CHF 500 Mio. bis CHF 1 Mrd. und zwischen 10'000 und 15'000 Bezügerinnen und Bezügern. Kuprecht und weitere Kritiker des neuen Gesetzes schöpften in ihrer Kritik noch einmal aus dem Vollen: Die Vorlage missachte das Subsidiaritäts- und das Föderalismusprinzip, sei eine zu grosse finanzielle Belastung für den Bund, zumal alle anderen Sozialwerke auch nicht gesichert seien, stelle eine Verschiebung der Verantwortung von den Sozialpartnern zum Bund dar, sei der falsche Ansatz, weil ältere Leute Arbeit, nicht Geld wollten, sowie ein bedenkliches Signal an die Arbeitswelt und an die Über-50-Jährigen. Abschliessend warb Gesundheitsminister Berset noch einmal für die Vorlage: Er pflichtete bei, dass die Situation nach Corona nun eine andere sei, betonte jedoch, dass dies nicht gegen die Vorlage spreche. So seien die gute wirtschaftliche Lage der Schweiz sowie ihre Handlungsfähigkeit in Krisenzeiten auf das Gleichgewicht zwischen einem offenen, wettbewerbsfähigen Arbeitsmarkt und einem soliden Sozialsystem zurückzuführen. Entsprechend solle man nun, nachdem man sich mit Milliarden für die Wirtschaft engagiert habe, auch CHF 150 Mio. pro Jahr für diejenigen Personen mit der schwierigsten Situation auf dem Arbeitsmarkt einsetzen. Mit 27 zu 16 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) nahm der Ständerat den Vorschlag der Einigungskonferenz an.

Ein letztes Mal versuche er nochmals, den Rat davon zu überzeugen, dass die ÜL zukünftig «verheerende Folgen» haben würden, betonte Thomas de Courten (svp, BL) in der Nationalratsdebatte zum Vorschlag der Einigungskonferenz. Man schaffe damit in schwierigen Zeiten – insbesondere auch für die übrigen Sozialwerke – ein neues Sozialwerk – und dies nur als Gegenargument zur Begrenzungsinitiative. Trotz dieser letzten mahnenden Worte entschied sich der Nationalrat mit 131 zu 57 Stimmen (bei 4 Enthaltungen), den Vorschlag der Einigungskonferenz anzunehmen. Die ablehnenden Stimmen stammten von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion sowie von je 2 Mitgliedern der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion. Ende Session stimmten schliesslich sowohl der Nationalrat (128 zu 64 Stimmen bei 6 Enthaltungen) als auch der Ständerat (27 zu 16 Stimmen bei 2 Enthaltungen) der Einführung von Überbrückungsrenten für ältere Arbeitslose zu.

Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose (BRG 19.051)
Dossier: Ältere Arbeitnehmende

In der Sommersession 2020 standen schliesslich die Schlussabstimmungen zur Vereinfachung der Bestimmungen zur Kurzarbeit im Arbeitslosenversicherungsgesetz an. Zwar hatte sich die Situation der Kurzarbeit in der Zwischenzeit stark verändert, war doch die Anzahl Kurzarbeitbeziehende aufgrund des Corona-bedingten Lockdowns so stark gestiegen wie nie zuvor. Diskutiert wurde in den Räten zu diesem Geschäft aber nicht mehr, die Parlamentarierinnen und Parlamentarier schritten sofort zur Abstimmung: Einstimmig (197 zu 0 Stimmen sowie 45 zu 0 Stimmen) hiessen beide Räte die Vereinfachung der Bestimmungen zur Kurzarbeit gut.

Änderung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes
Dossier: Vereinfachung der Bestimmungen zur Kurzarbeit (Revision des AVIG)

In der Sommersession 2020 holten National- und Ständerat die aufgrund des Corona-bedingten Abbruchs der Frühjahrssession noch offenen Schlussabstimmungen zur Weiterentwicklung der IV nach. Nach über einjähriger Debatte unterstützte das Parlament die Vorlage zum Abschluss deutlich: Einstimmig nahm der Nationalrat mit 198 Stimmen die Weiterentwicklung der IV an, während sich im Ständerat bei 44 zu 1 Stimmen lediglich Damian Müller (fdp, LU) gegen die Vorlage aussprach.

Weiterentwicklung der IV (BRG 17.022)
Dossier: Weiterentwicklung der IV (2015-2020) und die dazu führenden Vorstösse

In der Sommersession 2020 debattierte der Nationalrat das von der SGK-NR geschaffene Paket 1a, das eine Hälfte des bundesrätlichen Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen beinhaltete. Die Grundsatzdebatte begann mit einem Nichteintretensantrag de Courten (svp, BL). Dass die Kosten im Gesundheitswesen mit dieser Vorlage gesenkt werden könnten, sei Wunschdenken, damit würden nur die vergangenen Fehler wiederholt, kritisierte der Minderheitensprecher den bundesrätlichen Vorschlag. Es brauche nicht mehr, sondern weniger Regulierung und Bürokratie. Das aktuelle Projekt solle gestoppt werden, um «den Weg für einen neuen Anlauf frei zu machen». Mit 139 zu 52 Stimmen – einzig die SVP sprach sich für Nichteintreten aus – lehnte der Rat diesen Antrag jedoch ab.
In der Folge lagen sowohl von Seiten der Kommissionsmehrheit als auch von linken und rechten Kommissionsminderheiten zahlreiche Änderungsanträge gegenüber der Version des Bundesrates vor.
Zuerst behandelte der Nationalrat das Thema der Rechnungsstellung und somit konkret die Frage, wer im Tiers payant den Versicherten die Rechnung zustellen muss. Einig war man sich, dass es wichtig sei, dass die Versicherten ihre Rechnungen kontrollieren könnten; bisher seien ihnen die Rechnungen nicht konsequent genug zugeschickt worden, war der Tenor. Der Bundesrat wollte die Zustellungspflicht bei den Leistungserbringenden belassen, die Pflicht aber neu mit Sanktionsmöglichkeiten im Gesetz festschreiben. Die Kommissionsmehrheit wollte diese Pflicht auf die Versicherungen übertragen, während zwei Minderheiten de Courten hier keinen Rechtsetzungsbedarf sahen respektive festhalten wollten, dass eine Übermittlung durch die Leistungserbringenden auch elektronisch erfolgen könne. Deutlich sprach sich die grosse Kammer für den Mehrheitsantrag der SGK-NR aus. Ebenfalls die Frage der Rechnungskontrolle betraf der Minderheitsantrag Wasserfallen (sp, BE), wonach eine vom Bund finanziell unterstützte Patientenschutzorganisation geschaffen werden sollte, welcher die Patientinnen und Patienten ihre Rechnungen zur Kontrolle vorlegen könnten. Zur Verdeutlichung der Notwendigkeit dieser Massnahme zählte Flavia Wasserfallen verschiedene Fälle auf, in denen Leistungen verrechnet wurden, die gar nie getätigt worden waren. Die Schaffung einer dritten Partei bei der Rechnungskontrolle sei jedoch aufwändig und kostspielig, lehnte Ruth Humbel (cvp, AG) den Vorschlag im Namen der Kommission ab. Dennoch entschied sich der Nationalrat mit 96 zu 92 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) für die Schaffung einer entsprechenden Patientenorganisation.
Die zweite grosse Frage betraf die Behandlungstarife. Mussten bisher nur Einzelleistungstarife auf einer gesamtschweizerisch vereinbarten einheitlichen Tarifstruktur beruhen, wollte der Bundesrat diese Anforderung auch auf ambulante Behandlungen ausdehnen, wobei er jedoch Ausnahmen vorsehen können wollte. Die Wirkung dieser Ausnahmen bezweifelte eine weitere Minderheit de Courten, deren Sprecher betonte, dass dadurch bestehende entsprechende Bestrebungen der Tarifpartner zur Suche von geeigneten Pauschalen nicht mehr fortgesetzt werden könnten. Mit 131 zu 58 Stimmen teilte die grosse Kammer die Sorge der Minderheit nicht und lehnte deren Antrag ab. Deutlich umstrittener war der Vorschlag des Bundesrates für eine Organisation zur Erarbeitung und Pflege der Tarifstruktur bei ambulanten ärztlichen Behandlungen, ähnlich wie die Swiss DRG im stationären Bereich. Der Bundesrat wollte die Verbände der Leistungserbringenden und Versicherungen bei Vorgaben zu Form, Betrieb und Finanzierung mit der Schaffung einer entsprechenden Organisation beauftragen und subsidiär selbst tätig werden, falls die Organisation nicht zustande käme oder nicht den gesetzlichen Grundlagen entspräche. Zudem sah er die Möglichkeit vor, die Schaffung einer Organisation auch von Verbänden zu anderen ambulanten Behandlungen – beispielsweise in der Chiropraktik oder der Physiotherapie – zu verlangen. Die Leistungserbringenden wären in der Folge verpflichtet, dieser Organisation unter Sanktionsandrohung die für den Betrieb nötigen Daten zu liefern; die Organisation müsste die Tarifstrukturen ihrerseits dem Bundesrat zur Genehmigung vorlegen. Zu diesem Konzept lagen zahlreiche Mehr- und Minderheitsanträge vor. Zum Beispiel sollten an der Schaffung der Organisation auch die Kantone beteiligt sein (Minderheit Prelicz-Huber; gp, ZH) respektive nicht die Verbände dafür zuständig sein, sondern wie bis anhin die Tarifpartner (Minderheit de Courten). Weiter wurden die Ausdehnung auf andere Bereiche, die Vorgaben zu Form, Betrieb und Finanzierung, die subsidiäre Kompetenz zur Schaffung der Organisation durch den Bundesrat sowie die Sanktionsmöglichkeiten von Kommissionsminderheiten bekämpft. Die Kommissionsmehrheit zeigte sich mit dem Vorschlag des Bundesrates mehrheitlich einverstanden, schlug aber vor, dass der Bundesrat erst eine Konsultation durchführe und seine Vorgaben bezüglich Form, Betrieb und Finanzierung der zu schaffenden Organisation erst anschliessend festsetze. Zudem sollten sowohl Leistungserbringende als auch Versicherungen zur Datenlieferung verpflichtet werden. Zwar setzte sich die bundesrätliche Version gegen sämtliche Minderheiten durch, zum Schluss folgte der Rat in letztgenannten Punkten jedoch deutlich der Kommissionsmehrheit.
Der dritte grosse Punkt betraf die Frage des Experimentierartikels: Dieser sollte inhaltlich, zeitlich und räumlich begrenzte Pilotprojekte mit Vorschlägen, die gegen einzelne Bestimmungen des KVG verstossen, ermöglichen und damit ein Testen alternativer Mechanismen zulassen. Der Bundesrat wollte diese Projekte auf bestimmte Bereiche beschränken, die Kommissionsmehrheit hingegen wollte einzig die Genehmigung des EDI voraussetzen. Verschiedene Minderheiten beabsichtigten, einzelne Anwendungsfelder zu streichen – beispielsweise Projekte zur Einschränkung der Arztwahl (Minderheit Gysi; sp, SG) – respektive neue Felder, wie Projekte zur Einholung von Zweitmeinungen (Minderheit Prelicz-Huber) zu erschliessen. Sie alle scheiterten an der Version des Bundesrates, die jedoch ihrerseits gegen die Kommissionsmehrheit mit 109 zu 88 Stimmen verlor. Somit wird der Anwendungsbereich des Experimentierartikels nicht eingeschränkt. Des Weiteren strich der Nationalrat auf Anraten der Mehrheit der SGK-NR die Verpflichtung der Versicherungen und Leistungserbringenden zur Teilnahme an solchen Projekten aus der bundesrätlichen Vorlage.
Mit 140 zu 48 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die veränderte Vorlage in der Gesamtabstimmung an. Unzufrieden mit dem Projekt zeigten sich die SVP – sie lehnte das Bundesratsgeschäft mehrheitlich ab – sowie einzelne Mitglieder der SP und der Grünen, die sich der Stimme enthielten.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Nach dem Ende der Vernehmlassung zur Reform der beruflichen Vorsorge wurde ein neuer, auf dem Vorschlag des Pensionskassenverbands ASIP beruhender Alternativvorschlag präsentiert, dem sich in der Folge verschiedene Vernehmlassungsteilnehmende, darunter ASIP, der SGV und der SVV, anschlossen. Wie beim Kompromiss der Sozialpartner, aber im Unterschied zum ASIP-Vorschlag, sollte der Mindestumwandlungssatz auch im Alternativvorschlag von 6.8 Prozent auf 6 Prozent gesenkt werden (ASIP: 5.8%). Um der Reduktion des Altersvermögens durch die Senkung des Umwandlungssatzes zu begegnen, sollen die Versicherten zukünftig ab einem Alter von 20 Jahren für die berufliche Vorsorge sparen, wobei der Altersgutschriftssatz zwischen 20 und 34 Jahren bei 9 Prozent, bis 44 Jahren bei 12 Prozent und anschliessend bis zur Pensionierung bei 16 Prozent liegen soll. Damit würde deutlich mehr Geld angespart als mit dem Vorschlag der Sozialpartner (575% verglichen mit 460%), die Altersgutschriften wären aber weniger stark abgestuft als beim ASIP-Vorschlag. Anstelle einer Halbierung des Koordinationsabzugs (Sozialpartner: CHF 12'443 Abzug) sollte dieser wie beim ASIP-Vorschlag auf 60 Prozent des AHV-Lohnes gesenkt werden, aber maximal CHF 21'330 betragen.
Der von den Sozialpartnern vorgeschlagene Rentenzuschlag sollte durch eine Garantie des Rentenniveaus der ersten zehn Jahrgänge nach der Revision ersetzt werden, jedoch nur für diejenigen Personen, deren überobligatorische Leistungen nicht über eine Mindesthöhe hinausgehen. Ob diese Rentengarantie zentral über den Sicherheitsfonds oder dezentral durch die Versicherten und Arbeitgebenden der jeweiligen Vorsorgeeinrichtung finanziert werden soll, wurde offengelassen. Der Bundesrat schätzte die Kosten dieses Vorschlags auf jährlich CHF 1.7 Mrd. (Vorschlag der Sozialpartner: CHF 2.9 Mrd., Vorschlag ASIP: CHF 2.1 Mrd.), worin jedoch die Kosten für die Rentengarantie noch nicht enthalten sind. Gemäss Bundesrat kann das Rentenniveau mit diesem Modell bis zu einem Lohnniveau von rund CHF 40'000 erhalten oder gar verbessert werden, bei höheren Löhnen kommt es zu Renteneinbussen, die mehr als 13 Prozent betragen könnnen.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Zwischen Dezember 2019 und Mai 2020 führte der Bundesrat eine aufgrund der ausserordentlichen Lage verlängerte Vernehmlassung zur Reform der beruflichen Vorsorge durch. Daran beteiligten sich alle Kantone, acht im eidgenössischen Parlament vertretene Parteien sowie zahleiche Verbände und Gewerkschaften. Wie bereits zuvor in den Medien zu vernehmen gewesen war, stellten der Pensionskassenverband ASIP sowie der Schweizerische Baumeisterverband, Swiss Retail Federation und Arbeitgeber Banken eigene Reformmodelle vor, die insbesondere eine stärkere Reduktion des Umwandlungssatzes beinhalteten und von verschiedenen Vernehmlassungsteilnehmenden unterstützt wurden (etwa dem SGV, Swissbanking, GastroSuisse, ICT Switzerland und verschiedenen Pensionskassen).

Die Mehrheit der Kantone (AR, BE, BS, FR, GE, GL, JU, LU, NE, SH, VD, VS) unterstützte die Stossrichtung der Vorlage, einige lehnten sie jedoch wegen dem vorgeschlagenen Rentenzuschlag insgesamt ab (BL, NW, OW, SG, SZ, ZG, ZH). Der Rentenzuschlag stellte sich denn auch nicht unerwartet als grösster Streitpunkt der Vorlage heraus: Von den Kantonen sprachen sich 14 ausdrücklich dagegen (AI, BE, GL, BL, GR, NE, NW, OW, SZ, TI, UR, VS, ZG, ZH) und acht ausdrücklich dafür aus (AG, BS, JU, LU, SO, SH, TG, VD). Auch die bürgerlichen Parteien BDP, CVP, EVP, FDP und SVP befürworteten die Reform, insbesondere die Senkung des Umwandlungssatzes, lehnten aber den Rentenzuschlag ab. Verschiedene bürgerliche Jungparteien störten sich insbesondere daran, dass die entsprechende Umverteilung auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung und der zukünftigen Generationen geschehe. Umgekehrt nannten die SP und die Grünen die Erhaltung der bisherigen Rentenhöhe – und somit den Rentenzuschlag – als Bedingung für ihre Zustimmung zur Senkung des Umwandlungssatzes. Seitens Verbände erfuhr der bundesrätliche Vorschlag Unterstützung von seinen Urhebern, dem Arbeitgeberverband, dem Gewerkschaftsbund und Travail.Suisse, während diverse andere Verbände wegen dem Rentenzuschlag die Alternativmodelle bevorzugten.
Deutlich weniger umstritten als der Rentenzuschlag und die Senkung des Umwandlungssatzes war die Senkung des Koordinationsabzugs, die alle Teilnehmenden guthiessen. Umstritten war jedoch die Höhe der Senkung. So schlugen beispielsweise BDP, CVP und EVP eine Senkung auf 40 Prozent des AHV-Lohns, aber einen maximalen Abzug von CHF 21'330 vor, die SVP und der Kanton St. Gallen befürworteten eine Senkung bis zur Eintrittsschwelle (CHF 21'330) und die SP und die Grünen bevorzugten eine vollständige Abschaffung des Koordinationsabzugs. Auch bezüglich der Staffelung der Altersgutschriften gab es zahlreiche unterschiedliche Vorschläge, wobei sich viele Vernehmlassungsteilnehmende einen Sparbeginn ab dem 20. Altersjahr wünschten.

Reform der Beruflichen Vorsorge (BVG 21; BRG 20.089)
Dossier: Koordinationsabzug und Eintrittsschwelle BVG

Im Januar 2020 begann die SGK-NR das erste Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen vorzuberaten. Dabei hörte sie Vertreterinnen und Vertreter aller betroffenen Akteursgruppen an: Patientinnen und Patienten, Versicherungen, Spitäler, Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker sowie die Pharmaindustrie. Nachdem sie einstimmig auf die Vorlage eingetreten war, beauftragte sie die Verwaltung mit Abklärungen zum Referenzpreissystem für Arzneimittel und zum Experimentierartikel. Im Mai entschied sie, die Vorlage aufzuteilen, um dem Nationalrat bereits in der Sommersession 2020 ein erstes Paket 1a vorlegen zu können. Dieses sollte die Rechnungskontrolle, das nationale Tarifbüro im ambulanten Bereich, den Experimentierartikel, Pauschalen im ambulanten Bereich und die Weitergabe von Daten an den Bundesrat zur Festlegung der Tarife beinhalten.
Dabei nahm die Kommission jedoch gegenüber der bundesrätlichen Version einige Änderungen vor. So entschied sie, bei der Rechnungskontrolle im Tiers payant die Krankenversicherungen mit der Übermittlung der Rechnungen zu betrauen und nicht wie vom Bundesrat vorgesehen die Leistungserbringenden. Zusätzlich wollte sie mit einer Motion (Mo. 20.3452) die Möglichkeit für Leistungserbringende schaffen, Rechnungen im elektronischen Patientendossier ablegen zu können. Zudem sollen die Versicherungen dem neu zu schaffenden nationalen Tarifbüro im ambulanten Bereich Daten für die Erarbeitung, Weiterentwicklung und Pflege der Tarifstrukturen für ambulante Behandlungen kostenlos zur Verfügung stellen. Letztere Pflicht hatte der Bundesrat nicht vorgesehen. Auch beim Experimentierartikel nahm die Kommission eine Änderung vor: Der Bundesrat wollte vom EDI bewilligte und vom Gesetz abweichende Pilotprojekte nur in abschliessend aufgezählten Bereichen zulassen, etwa bei der einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen oder bei der integrierten Gesundheitsversorgung. Die Kommission wollte hingegen auf die Aufzählung dieser Bereiche verzichten. Ende Mai hiess die Kommission das Paket 1a mit 20 zu 1 Stimme bei 3 Enthaltungen gut.

Erstes Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen (BRG 19.046)
Dossier: Anstieg der Krankenkassenprämien dämpfen (seit 2020)

Bereits am Tag darauf setzte sich der Ständerat wieder mit den Überbrückungsleistungen (ÜL) für ältere Arbeitslose auseinander, konnte dabei aber nicht alle Differenzen bereinigen. Die aktuellsten Empfehlungen der SGK-SR zur Höhe der allgemeinen Obergrenze sowie der Obergrenze der Krankheitskosten liessen die Kritik der Linken an den Änderungen des Ständerats zu den Überbrückungsleistungen, welche bereits seit Beginn der Behandlung vorgebracht worden war, immer lauter werden. Eva Herzog (sp, BS) etwa monierte, dass das Parlament mit seiner aktuellen Version vom ursprünglichen Grundgedanken des Bundesrates, nämlich die Unterstützung von Menschen, die ein Leben lang gearbeitet hätten, und die Verhinderung deren Abrutschens in die Sozialhilfe oder in die Nähe der Sozialhilfe, abgekommen sei. Die Diskussion gehe in eine «völlig falsche Richtung», zumal sie gewisse Bezügerinnen und Bezüger von ÜL in Schwierigkeiten bringe, wie Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) ergänzte. Dem widersprach Erich Ettlin (cvp, OW) heftig. Vielmehr hole man mit den ÜL 3'400 Menschen, die heute gar nichts hätten, aus den Schwierigkeiten heraus; einige würden dabei aber womöglich in einer ungenügenden Situation bleiben. In der Folge zeigte der Ständerat dann auch kein Entgegenkommen bei der Frage nach der Höhe der Obergrenze der ÜL. Er lehnte einen Minderheitsantrag Carobbio Guscetti, mit dem die Obergrenze für Alleinstehende beim doppelten, für Mehrpersonenhaushalte bei 2.25-fachen des allgemeinen Lebensbedarfs gemäss ELG festgelegt und die Krankheits- und Behinderungskosten nicht in den allgemeinen Plafond eingebunden worden wären, ab und beharrte somit auf dem doppelten Lebensbedarf. Die Obergrenze für die gesamten ÜL inklusive dieser Gesundheitskosten erhöhte er im Vergleich zu seinem ersten Vorschlag für Mehrpersonenhaushalte, nicht aber für Alleinstehende, auf das 2.25-fache des allgemeinen Lebensbedarfs. Zudem bestätigte er die vom Nationalrat eingeführte Obergrenze für die Gesundheitskosten. Nachdem Josef Dittli (fdp, SR) für die Kommission zudem den Begriff «Mehrpersonenhaushalte» gemäss ELG als «Ehepaare, eingetragene Partnerschaften und Alleinstehende mit Kindern» definiert hatte, stimmte der Rat der entsprechenden Änderung des Nationalrats zu. Geschlagen gab sich der Ständerat bezüglich des Artikels zur Evaluation: Hier verzichtete er auf die Möglichkeit, die ÜL im Rahmen der Evaluation nach fünf Jahren wieder streichen zu können.
Nachdem der letzte Aspekt der Vorlage diskutiert und diese somit an den Nationalrat zurückgewiesen worden war, verabschiedete Ständeratspräsident Stöckli (sp, BE) den Rat ins Wochenende. Die von ihm angekündigte nächste Sitzung des Ständerates am folgenden Montag fand hingegen nicht mehr statt, die Session war in der Zwischenzeit aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus abgebrochen worden.

Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose (BRG 19.051)
Dossier: Ältere Arbeitnehmende

Hatten die Sprechenden der SGK-NR vor ihrer ersten Behandlung der Überbrückungsleistungen (ÜL) für ältere Arbeitslose erklärt, dass man Leistungen gegenüber der bundesrätlichen Version von 4'700 auf 6'200 Personen ausdehnen wolle, zeigte sie sich nun mehrheitlich mit der neusten Version des Ständerates einverstanden, obwohl von dieser voraussichtlich nur 3'400 Personen pofitieren würden. Die Kommission lenkte bezüglich des Mindestalters von 60 Jahren bei Aussteuerung, den anerkannten Ausgaben, der Härtefallklausel und den Branchen mit sozialpartnerschaftlichen Massnahmen ein. Entsprechende linke oder bürgerliche Minderheiten fanden in den Detailabstimmungen keine Mehrheiten, wenn auch teilweise nur sehr knapp nicht. Die Kommission legte jedoch eine Kommissionsmotion vor, aufgrund derer der Bundesrat die entsprechenden Doppelspurigkeiten für Branchen mit sozialpartnerschaftlichen Lösungen beseitigen solle. Bei der Frage der Obergrenze für ÜL machte die Kommission einen Kompromissvorschlag: Sie willigte in eine Obergrenze ein, setzte diese aber auf das 2.25-fache des allgemeinen Lebensbedarfs und somit zwischen die Vorschläge von Bundesrat und Ständerat. Gesundheitsminister Berset sprach sich deutlich für die Änderung aus: Das Parlament habe sowohl die Anzahl Bezügerinnen und Bezüger als auch die Ausgaben unter die vom Bundesrat vorgesehene Höhe gesenkt. Nun habe man den allgemeinen Plafond um 20 Prozent und die Obergrenze der Gesundheitskosten um weitere 30 Prozent gesenkt. Damit lägen die Beträge unter denjenigen der EL. Diese Senkungen hätten für Einzelpersonen grosse Auswirkungen, sparten dem Bund aber nur wenig Geld: Eine Erhöhung des Plafonds von 2 auf 2.25 Prozent koste weniger als CHF 1 Mio. und auch eine stärkere Erhöhung hätte nur geringe finanzielle Folgen. Mit 115 zu 80 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stimmte der Nationalrat diesem Vorschlag für die Höhe des Plafonds entgegen einer Minderheit Rösti (svp, BE), die bei der ständerätlichen Version bleiben wollte, zu. Zudem entschied sich der Rat, ebenfalls in Übereinstimmung mit der Kommission, die Krankheits- und Behinderungskosten durch die Reduktion der entsprechenden Obergrenze und nicht durch eine Integration in den allgemeinen Plafond zu regeln. Letzteres hatte Gesundheitsminister Berset zuvor als ungerecht bezeichnet, da abhängig von der Region in der die Personen wohnen, zum Beispiel aufgrund der Krankenkassenprämien mehr oder weniger Geld für den allgemeinen Lebensbedarf zur Verfügung stehen würde. Der Nationalrat nahm zudem eine formale Korrektur an dieser Klausel vor, indem er die Obergrenze nicht für Alleinstehende oder Ehepaare, sondern für Alleinstehende und Mehrpersonenhaushalte definierte. Eine Minderheit Weichelt-Picard (gp, ZG) beantragte, die anrechenbaren Kosten in diesem Punkt nicht zu reduzieren, da die Personen mit niedrigerem sozioökonomischem Status überproportional häufig einen schlechten Gesundheitszustand hätten. Diesen Personen die Krankheits- und Behinderungskosten zu senken, sei «ethisch nicht vertretbar». Mit 126 zu 68 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) setzte sich die Kommissionsmehrheit aber auch in dieser Frage durch. Festhalten beschloss der Nationalrat schliesslich bei der Frage der Evaluation: Er lehnte hier mehrheitlich die Version des Ständerates ab, der die Weiterführung der ÜL offenlassen wollte.
Somit verblieben vier Differenzen: Umstritten waren noch immer die Einsetzung und Höhe eines allgemeinen Plafonds und eines Plafonds für die Krankheits- und Behinderungskosten sowie die Regelung der Evaluation. Eine rein formale Angelegenheit war hingegen die noch ausstehende Bestätigung der Definition von «Mehrpersonenhaushalten».

Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose (BRG 19.051)
Dossier: Ältere Arbeitnehmende

Noch in derselben Session behandelte auch der Ständerat die Vorlage zur Zulassung von Leistungserbringenden ein drittes Mal. Das Geschäft sei «auf gutem Weg», betonte Kommissionssprecher Bischof (cvp, SO), zumal der Nationalrat mit dem Verzicht auf die Verknüpfung mit EFAS «einen wesentlichen Stolperstein mit den Kantonen aus dem Weg geräumt» habe. Dennoch zeigte sich die SGK-SR nicht bereit, alle Differenzen auszuräumen, und nahm damit eine Einigungskonferenz in Kauf. Zwar lenkte sie bezüglich der Kompetenzverschiebungen zu den Versicherungen im Bereich der Qualitätsprüfung ein – zukünftig sollen somit die Kantone für die Erstzulassung der Leistungserbringenden zuständig sein, während die Krankenversicherungen anschliessend die laufenden Kontrollen über die Qualität der Leistungserbringung übernehmen. Stillschweigend stimmte der Ständerat diesem Entgegenkommen zu. Beim Beschwerderecht für Krankenversicherungen zu kantonalen Erlassen über die Festlegung und Berechnung der Höchstzahlen beharrte die Kommission, und mit ihr die kleine Kammer, jedoch auf ihrer Position. Obwohl die Differenzen in der Frage der Sprachvoraussetzungen für Ärztinnen und Ärzte bereits bereinigt waren, kam die Kommission zudem nach Rücksprache mit den Parlamentsdiensten zur Interpretationsklärung noch einmal auf diesen Punkt zurück. Diesbezüglich seien in den beiden Räten unterschiedliche Äusserungen getätigt worden, erklärte Bischof diesen Schritt. Dieser Artikel sei so zu verstehen, dass zum Beispiel ein Zürcher mit schweizerischer Maturität mit Französisch als Grundlagenfach, wie es in der Schweiz üblich sei, und einem Ärztediplom auch in der Romandie als Arzt arbeiten dürfe. Eine deutsche Ärztin mit Abitur ohne Französisch als Grundlagenfach müsse jedoch in Genf zuerst eine Sprachprüfung ablegen. Stillschweigend stimmte der Ständerat dieser Klärung zu. Somit wurde bezüglich des Beschwerderechts für Krankenversicherungen sowie der Klärung der Sprachvoraussetzungen eine Einigungskonferenz nötig – anders als erwartet konnte diese aber aufgrund des Sessionsabbruchs nicht mehr in der Frühjahrssession 2020 stattfinden.

KVG. Zulassung von Leistungserbringern (BRG 18.047)
Dossier: Zulassungsbeschränkung für Ärztinnen und Ärzte (seit 1998)

Knapp eine Woche später nahm der Ständerat das Differenzbereinigungsverfahren zu den Überbrückungsleistungen (ÜL) für ältere Arbeitslose auf. Zu diesem Zeitpunkt unterschieden sich die Konzepte von Stände- und Nationalrat stark voneinander. Für die Kommission stellte Josef Dittli (fdp, UR) den neuen Vorschlag der SGK-SR vor, mit dem der Kreis der Anspruchsberechtigten auf 3'400 Personen und die Kosten auf CHF 150 Mio. – also unter die ursprünglich vom Bundesrat vorgeschlagenen Werte (4'700 Beziehende; CHF 230 Mio.) und deutlich unter die Werte des Nationalratmodells (6'200 Beziehende; CHF 270 Mio.) – reduziert werden würden. Bezüglich Anspruchsbeginn und -ende wollte die Kommission dem Nationalrat folgen und entsprechend die ÜL bis zum ordentlichen Pensionsalter – respektive bei Personen, die voraussichtlich EL erhalten werden, bis zum frühstmöglichen Termin des Rentenvorbezugs – sprechen. Für Letzteres müsse folglich zum erstmöglichen Zeitpunkt des Rentenvorbezugs eine Vorausberechnung des Anspruchs auf EL durchgeführt werden; wobei die entsprechenden Zahlungen bei etwa einem Drittel der ÜL-Beziehenden eingestellt würden. Personen, die voraussichtlich EL beziehen müssen, kämen folglich nicht in den Genuss von ÜL, sondern müssten sich frühpensionieren lassen.
Bezüglich der Voraussetzungen für ÜL lagen einige Minderheitsanträge von linker und bürgerlicher Seite vor. Die Kommission beharrte darauf, dass ÜL nur für Personen, die nach Erreichen des 60. Lebensjahres ausgesteuert werden, möglich sein sollten. Gleichzeitig wollte die Kommission der Regelung des Nationalrats bezüglich der Voraussetzungen beim Erwerbseinkommen sowie grösstenteils bei der Vermögensschwelle folgen; hier verlangten eine Minderheit Müller (fdp, LU) den Verzicht auf Anrechnung von Erziehungs- und Betreuungsgutschriften und eine Minderheit Graf (gp, BL) den Verzicht auf die Halbierung der Vermögensschwelle. Maya Graf argumentierte, dass man bezüglich der Vermögensschwelle die Ergänzungsleistungslogik nicht verlassen und die Sicherung der Altersvorsorge nicht erschweren solle. Damian Müller betonte für seine Minderheit, dass es ihm nicht darum gehe, die Erziehungs- und Betreuungsgutschriften zu verhindern. Vielmehr wolle er eine Differenz schaffen und dem Nationalrat so in Anbetracht der Geschwindigkeit der Behandlung des Geschäfts die Möglichkeit geben, die Bezugskriterien noch einmal zu besprechen. Der Ständerat folgte jedoch in allen Punkten deutlich der Kommissionsmehrheit. Auch die Schaffung einer Härtefallklausel durch den Bundesrat lehnte die kleine Kammer mehrheitlich ab. Hingegen stimmte der Ständerat seinem Schwesterrat in Bezug auf die Nachweispflicht von Bemühungen zur Integration in den Arbeitsmarkt zu. Dies in der Hoffnung, dass dadurch die Beitragsjahre der Arbeitslosenversicherungen im Ausland nicht angerechnet werden müssten.
Weiter waren auch die Obergrenze der ÜL, welche Bundesrat und Ständerat, nicht aber der Nationalrat schaffen wollten, sowie deren Höhe noch immer umstritten. Die Kommissionsmehrheit erachte einen Plafond als unumgänglich, erklärte Dittli. Hingegen befürwortete die Komission die Vergütung von Krankheits- und Behinderungskosten sowie deren Ausnahme vom allgemeinen Plafond, wenn zugleich eine eigene Obergrenze für diese Kosten geschaffen werde. Mit dem Plafond könnten 20 Prozent der Bezügerinnen und Bezüger ihren Lebensbedarf nicht decken, zum Beispiel wenn sie in Regionen mit hohen Mietzinsen oder Krankenkassenprämien lebten, kritisierte eine Minderheit Carobbio Guscetti (sp, TI) und beantragte, dem Nationalrat zu folgen. Benedikt Würth (cvp, SG) hingegen störte sich daran, dass duch die Ausnahme dieser Kosten vom allgemeinen Plafond im Extremfall Leistungen für ein Ehepaar von über CHF 100'000 möglich wären, obwohl man zuvor angenommen habe, dass diese Kosten im allgemeinen Plafond enthalten seien. Man habe daher zwei Möglichkeiten: Man könne die zu vergütenden Beträge der Krankheits- und Behinderungskosten senken, zum Beispiel von CHF 25'000 auf CHF 5'000, oder diese Kosten in den allgemeinen Plafond integrieren. Würth schlug beide Möglichkeiten in seinem Antrag vor, damit dieser Punkt später im Nationalrat erneut diskutiert werden könne. Beide Anträge Würth gewannen in der Folge gegen den Mehrheitsantrag sowie den Minderheitsantrag. Zur Frage, ob Branchen mit weitergehenden sozialpartnerschaftlichen Leistungen von der Finanzierung ausgeschlossen werden sollen oder nicht, habe der Nationalrat eine Regelung beschlossen, die nicht umsetzbar sei, kommentierte Dittli die nächste Differenz. Zum einen sei eine Steuerrückzahlung für einzelne Unternehmen äusserst problematisch, zum anderen gebe es auch im Bauhauptgewerbe, aus dem diese Forderung stamme, Arbeitnehmende, die ÜL beziehen könnten. Folglich strich der Ständerat diesen vom Nationalrat geschaffenen Absatz wieder. Mit 38 zu 1 Stimme (bei 4 Enthaltungen) löste der Ständerat die Ausgabenbremse und gab das Gesetz damit zurück an den Nationalrat.

Überbrückungsleistung für ältere Arbeitslose (BRG 19.051)
Dossier: Ältere Arbeitnehmende