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Jahresrückblick 2021: Soziale Gruppen

Eine überaus wichtige Neuerung im Themenbereich der sozialen Gruppen wurde 2021 für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt. Im September nahm die Stimmbevölkerung mit einem deutlichen Ja-Anteil von 64 Prozent die «Ehe für alle» an. Neben der Möglichkeit der Eheschliessung waren damit für gleichgeschlechtliche Paare weitere Ungleichheiten im Familienleben beseitigt worden: In Zukunft ist es auch ihnen möglich, gemeinsam ein Kind zu adoptieren, zudem erhalten verheiratete Frauenpaare Zugang zur Samenspende. Die Relevanz dieser Abstimmung widerspiegelt sich im Ergebnis der APS-Zeitungsanalyse 2021, die einen diesem Ereignis geschuldeten Höchststand an Artikeln zur Familienpolitik im Abstimmungsmonat aufzeigt (vgl. Abbildung 1 im Anhang). Kein anderes Thema im Bereich der sozialen Gruppen erzielte im beobachteten Jahr eine ähnlich hohe mediale Aufmerksamkeit.

Erstmals in der Geschichte der Schweizer Frauen- und Gleichstellungspolitik veröffentlichte der Bundesrat 2021 eine nationale Gleichstellungsstrategie, die jedoch von Frauenorganisationen und linken Parteien kritisiert wurde. Ferner gaben die Kommissionen einer parlamentarischen Initiative Folge, welche die befristete Finanzierung für die familienergänzende Kinderbetreuung durch eine dauerhafte, vom Bund unterstützte Lösung ersetzen will. Der 2022 vorzulegende Entwurf soll die Eltern bei der Finanzierung der Betreuungsplätze massgeblich entlasten und somit zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Gleichzeitig wurden im Berichtsjahr aber verschiedene Vorstösse mit ähnlichen, bereits konkreter ausformulierten Vorstellungen in Form einer parlamentarischen Initiative, einer Standesinitiative und einer Motion abgelehnt. Ebenfalls zur Verbesserung der Stellung der Frauen im Beruf beitragen soll die 2018 geschaffene Revision des Gleichstellungsgesetzes, mit der Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden zur Durchführung von Lohnanalysen verpflichtet worden waren. Erste, im August 2021 publizierte Analyseergebnisse von ausgewählten Unternehmen zeichneten ein positives Bild, das jedoch unter anderem wegen fehlender Repräsentativität in Zweifel gezogen wurde. Nach wie vor sind Unternehmen nicht verpflichtet, die Ergebnisse ihrer Lohnanalysen an den Bund zu übermitteln. Gegen eine entsprechende Regelung hatte sich der Ständerat im Juni erfolgreich gewehrt.

Nachdem im Vorjahr der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub in einer Volksabstimmung angenommen worden war, gingen die politischen Diskussionen rund um die Ausdehnung von Urlaubsmöglichkeiten für Eltern 2021 weiter. Eine Standesinitiative aus dem Kanton Jura und eine parlamentarische Initiative mit diesem Ziel stiessen im Parlament indes auf wenig Gehör. Der Nationalrat verabschiedete jedoch ein Kommissionspostulat, das die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Elternzeit aufzeigen soll. In den Räten setzte sich zudem mit Annahme einer Vorlage zum Adoptionsurlaub eine langjährige Forderung in der Minimalvariante durch: Eltern, die ein Kind unter vier Jahren adoptieren, haben künftig Anrecht auf einen zweiwöchigen Urlaub.

Auch das Thema der Gewalt gegen Frauen blieb 2021 auf der politischen Agenda, immer wieder angetrieben durch Zeitungsberichte über häusliche Gewalt und Femizide. Das Parlament überwies drei Motionen, welche die Bereitstellung eines 24-stündigen Beratungsangebots für von Gewalt betroffene Personen forderten, wozu sich die Schweiz 2017 im Rahmen der Ratifikation der Konvention von Istanbul verpflichtet hatte. Ein Zeichen gegen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche setzte der Nationalrat auch durch Befürwortung einer Motion, die das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch verankern möchte. Der Ständerat äusserte sich bis Ende Jahr noch nicht zum Geschäft. Ebenfalls kam es zu breiten medialen Vorwürfen bezüglich Gewalt in Bundesasylzentren, woraufhin das SEM einen Bericht erarbeiten liess.

Nicht zuletzt wurde im Berichtsjahr mit verschiedensten Publikationen und Aktionen auf das 50-jährige Bestehen des Frauenstimm- und -wahlrechts Bezug genommen. Mit Corona-bedingter Verspätung fand im September die offizielle Feier des Bundes statt. Ende Oktober tagte zum zweiten Mal nach 1991 die Frauensession, die insgesamt 23 Forderungen zu unterschiedlichen Themen als Petitionen verabschiedete. Darüber hinaus wurde an diesen Anlässen auch über die Gewährung politischer Rechte an weitere Gruppen diskutiert, so etwa an Personen ohne Schweizer Pass, Minderjährige und Menschen mit einer Beeinträchtigung. Bezüglich Letzteren nahm der Ständerat im Herbst 2021 ein Postulat an, das den Bundesrat aufforderte, Massnahmen aufzuzeigen, damit auch Menschen mit einer geistigen Behinderung uneingeschränkt am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können.

Wie die APS-Zeitungsanalyse 2021 zeigt, erhielten Fragen rund um die Familien- und Gleichstellungspolitik im Jahr 2021 im Gegensatz zu Fragen zur Asyl- und Migrationspolitik überaus starke mediale Aufmerksamkeit. Der Zeitvergleich macht überdies deutlich, dass die Berichterstattung im Bereich Asyl und Migration über die letzten Jahre konstant an Bedeutung eingebüsst hat.

Dieses fehlende Interesse der Medien ist ob der umstrittenen Gesetzesänderungen des Parlaments im Bereich Asylpolitik, welche die Grundrechte der Asylsuchenden einschränkten, bemerkenswert. So können Schweizer Behörden künftig mobile Geräte der Asylsuchenden verwenden, um beim Fehlen von Ausweispapieren Rückschlüsse auf die Identität einer Person zu gewinnen. Dieser Beschluss provozierte eine negative Reaktion des UNHCR. Zudem schuf das Parlament ein Reiseverbot für vorläufig aufgenommene Personen und entschied, dass Personen in Ausschaffungshaft zum Wegweisungsvollzug zur Durchführung eines Covid-19-Tests gezwungen werden können. Unterschiedliche Ansichten vertraten die beiden Räte in Bezug auf junge Asylbewerbende. So lehnte es der Ständerat ab, die Administrativhaft für Minderjährige abzuschaffen, nachdem sich der Nationalrat für diese Forderung im Vorjahr noch offen gezeigt hatte. Ebenso setzte sich der Nationalrat im Berichtsjahr durch Unterstützung einer Motion dafür ein, dass Personen mit abgewiesenem Asylentscheid ihre berufliche Ausbildung beenden dürfen, während sich der Ständerat nach der Beratung einer anderen Motion gegen diese Möglichkeit aussprach. Schliesslich wollte der Ständerat den Familiennachzug von Schutzbedürftigen erschweren, wogegen sich der Nationalrat aber erfolgreich sträubte. Im Sammelstadium scheiterte überdies eine Volksinitiative des ehemaligen Nationalrats Luzi Stamm, gemäss welcher Asylbewerbende in der Schweiz nur noch mit Sachleistungen hätten unterstützt werden sollen: Seine Volksinitiative «Hilfe vor Ort im Asylbereich», die in erster Linie Flüchtlingen primär in der Nähe der Krisengebiete und nicht in der Schweiz helfen wollte, scheiterte an den direktdemokratischen Hürden.

Jahresrückblick 2021: Soziale Gruppen
Dossier: Jahresrückblick 2021

Ende Dezember 2021 startete ein Komitee rund um die beiden SVP-Nationalrätinnen Yvette Estermann (LU) und Andrea Geissbühler (BE) die Unterschriftensammlung für zwei Volksinitiativen zur Reduktion von Schwangerschaftsabbrüchen. Beide verlangen, in der Verfassung den «Schutz des menschlichen Lebens, insbesondere vor der Geburt», explizit zu verankern. Bis am 21. Juni 2023 hat das Initiativkomitee Zeit, die notwendigen 100'000 Unterschriften für ihre Begehren zu sammeln. Während sich die eine Volksinitiative gegen Spätabtreibungen richtet, verlangt die andere Volksinitiative «einen Tag Bedenkzeit vor jeder Abtreibung (Einmal-darüber-schlafen-Initiative)». Letztere will genau das, was der Titel des Anliegens bereits zum Ausdruck bringt: Mit Ausnahme von Schwangerschaftsabbrüchen aufgrund lebensbedrohlicher Umstände sollen Schwangerschaftsabbrüche erst «nach einem Tag Bedenkzeit» durchgeführt werden dürfen. Zu dieser Bedenkzeit würde die ärztliche Pflicht gehören, der schwangeren Frau einen Leitfaden abzugeben, «der sämtliche kantonal und sämtliche national tätigen Beratungs- und Hilfsstellen enthält, welche psychologische, finanzielle oder materielle Hilfe anbieten». Laut Aussagen des Initiativkomitees, dem ebenfalls SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal (BE) und die Zürcher SVP-Kantonsrätin Maria Rita Marty angehören, bestünden in 18 Ländern in Europa Bestimmungen für Wartefristen. Mit einer Wartefrist verfolge die Initiative das Ziel, überstürzte Entscheidungen für einen Schwangerschaftsabbruch zu verhindern. Die Initiantinnen und Initianten gaben an, auf das Mittel der Volksinitiative zurückgegriffen zu haben, weil entsprechende Anliegen in parlamentarischen Vorstössen nicht auf Gehör gestossen waren. Zur Frage der Bedenkzeit hatte sich der Bundesrat in Beantwortung einer Motion Herzog (svp, TG; Mo. 14.3442) negativ geäussert. Dabei hatte er angemerkt, dass er eine solche Regelung nicht als notwendig erachte, und auf die geltende Praxis basierend auf Art. 120 StGB verwiesen, die darin besteht, dass die ärztliche Fachperson vor einer Abtreibung zur Beratung und Information ein eingehendes Gespräch mit der schwangeren Frau führen muss. Da die Motion nicht innert der vorgegebenen Frist von zwei Jahren im Nationalrat traktandiert worden war, war sie im Jahr 2016 unbehandelt abgeschrieben worden.

Volksinitiative «Für einen Tag Bedenkzeit vor jeder Abtreibung (Einmal-darüber-schlafen-Initiative)»
Dossier: Aktuelle Vorstösse zur Verschärfung der Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen (ab 2020)

In verschiedenen Urteilen in den Jahren 2020 und 2021 beschloss das Bundesgericht eine Abkehr vom bisherigen ehelichen Unterhaltsrecht: Aufgrund des gesellschaftlichen Wandels solle etwa nicht mehr länger ein automatischer Anspruch auf nacheheliche Unterhaltszahlungen bestehen. Auch über 45-jährigen Frauen, die aus familiären Gründen länger aus dem Erwerbsleben ausgeschieden seien, sei es heute zuzumuten, nach der Scheidung wieder eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Als Folge dieser Grundsatzentscheide befürchtete Eva Herzog (sp, BS) für viele Familien eine Verschlechterung der finanziellen Verhältnisse, etwa aufgrund «negativer Anreize im Steuersystem» und hoher Kosten für die familienexterne Kinderbetreuung. In einer Motion forderte sie deswegen die Schaffung einer Datengrundlage zu Unterhaltsentscheiden im Familienrecht, um die Auswirkungen der Veränderungen im Unterhaltsrecht besser beobachten zu können.
Da zur Erfüllung der Forderung eine neue gesetzliche Grundlage geschaffen werden müsste, um die Kantone zur Erhebung dieser Daten zu verpflichten, diese Erhebung begleitet werden müsste von einem Konzept zur Schaffung einer vergleichbaren Statistik und nicht zuletzt auch eine Anpassung der behördlichen Informations- und Kommunikationssysteme nötig wäre, erachtete der Bundesrat die Motion zum gegebenen Zeitpunkt als nicht umsetzbar. Er kündigte aber an, die Umwandlung der Motion in einen Prüfauftrag zu unterstützen, sollte der Erstrat sich positiv zum Anliegen äussern. Letzteres tat der Ständerat tatsächlich: In der Wintersession 2021 nahm er die Motion Herzog mit 23 zu 15 Stimmen bei 2 Enthaltungen an.

Schaffung einer Datengrundlage zu Unterhaltsentscheiden im Familienrecht (Mo. 21.4191)

In Erfüllung eines Postulats Graf (gp, BL) präsentierte der Bundesrat im Dezember 2021 seinen Bericht zu Ursachen von Tötungsdelikten im häuslichen Umfeld sowie zu Massnahmen zu deren Verhinderung. Dem Bericht lagen von der Universität St. Gallen im Auftrag des EBG ausgewertete Daten zu Ursachen von Homiziden innerhalb der Partnerschaft vor. Gemäss diesen Auswertungen sind die Opfer in neun von zehn Fällen weiblich. Die Studie eruierte verschiedene Risikofaktoren für Tötungsdelikte im häuslichen Umfeld, namentlich eine Trennung und die vorhergehende Ausübung von häuslicher Gewalt – inklusive Stalking –, Alkohol- und Drogenkonsum, Schusswaffenbesitz, finanzielle Schwierigkeiten oder auch «kulturell geprägte Vorstellungen über Geschlechterrollen mit einem Besitzanspruch sowie Macht- und Kontrollverhalten seitens des Mannes». Gerade im häuslichen Bereich bestehe Handlungsbedarf für Präventions- und Schutzmassnahmen, da die Tötungsdelikte dort im Gegensatz zu denjenigen ausserhalb der Partnerschaft über die Zeit nicht abgenommen hätten. Die sieben von den Autorinnen und Autoren im Bericht festgehaltenen Empfehlungen zielen unter anderem darauf ab, sowohl gewaltbetroffene als auch gewaltausübende Personen während der Trennung besser professionell zu betreuen, Schusswaffen schwieriger erhältlich zu machen und die Wirksamkeit von Präventionsinstrumenten stärker zu erforschen.
Aufgrund des Berichts beschloss der Bundesrat sechs Massnahmen: Erstens sollen fedpol und das VBS die Herkunft der für Homizide verwendeten Waffen erforschen, damit basierend auf diesen Grundlagen weitere Massnahmen zur Einschränkung des missbräuchlichen Waffengebrauchs beschlossen werden können. Zweitens soll zur Prävention von Tötungsdelikten erforscht werden, «mit welchen Massnahmen in der Schweiz auf gewaltbegünstigende Männlichkeitsvorstellungen eingewirkt werden kann». Drittens sollen Fachpersonen aus der Medizin, Psychiatrie, der Suchtberatung und dem sozialen Bereich sensibilisiert und Hilfsangebote verstärkt werden. Ebenfalls sollen – viertens – solche Hilfsangebote besser koordiniert und besser vermittelbar werden. Da etwas mehr als ein Viertel der Tötungsdelikte in der Partnerschaft mit dem Suizid des Täters oder der Täterin enden, soll fünftens diese Kategorie von Fällen verstärkt untersucht werden. Sechstens soll das SEM prüfen, wie Migrantinnen und Migranten besser über häusliche Gewalt und die für diesen Fall zur Verfügung stehenden Hilfsangebote informiert werden können.

Nach Kenntnisnahme des Berichts beschloss die WBK-NR mit 16 zu 7 Stimmen die Lancierung einer Kommissionsmotion, um regelmässige Präventionskampagnen gegen häusliche, geschlechterbezogene und sexuelle Gewalt in der ganzen Schweiz durchzuführen. Der Bundesrat stand diesem Anliegen positiv gegenüber. Ähnliche Anliegen verfolgten drei unmittelbar nach Publikation des Berichts von Nationalrätinnen unterschiedlicher politischer Lager eingereichte Motionen.

Postulat fordert Bericht zu Ursachen von Tötungsdelikten im häuslichen Umfeld (Po. 19.3618)
Dossier: Gewalt gegen Frauen* / häusliche Gewalt (ab Ratifikation Istanbul-Konvention)

Ende Dezember 2021 startete ein Komitee rund um die beiden SVP-Nationalrätinnen Yvette Estermann (LU) und Andrea Geissbühler (BE) die Unterschriftensammlung für zwei Volksinitiativen zur Reduktion von Schwangerschaftsabbrüchen. Beide verlangten, in der Verfassung den «Schutz des menschlichen Lebens, insbesondere vor der Geburt», explizit zu verankern. Während die eine Volksinitiative einen Tag Bedenkzeit vor einer Abtreibung einführen wollte, richtete sich die Volksinitiative «Für den Schutz von ausserhalb des Mutterleibes lebensfähigen Babys (Lebensfähige-Babys-retten-Initiative)» gegen Spätabtreibungen. Konkret verlangte Letztere, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr vorgenommen werden dürfen, wenn ein Ungeborenes zum Zeitpunkt der Abtreibung mit intensivmedizinischer Betreuung überlebensfähig wäre. Gemäss Initiativkomitee, dem ebenfalls SVP-Nationalrat Erich von Siebenthal (BE) und die Zürcher SVP-Kantonsrätin Maria Rita Marty angehörten, würden in der Schweiz pro Jahr etwa 100 ausserhalb des Mutterleibs lebensfähige Ungeborene abgetrieben. Gemäss geltender Regelungen im Strafgesetzbuch (Art. 119) sind Abtreibungen in der Schweiz in gewissen Fällen auch nach der 12. Schwangerschaftswoche noch möglich. Dies konkret, wenn sich die Mutter in einer schwerwiegenden seelischen Notlage befindet oder wenn eine Abtreibung notwendig ist, um eine schwerwiegende körperliche Schädigung der schwangeren Frau zu verhindern. Falls Behinderungen oder schwerwiegende Erkrankungen beim ungeborenen Kind festgestellt werden, werden in der Schweiz auch Abtreibungen nach der 12. Schwangerschaftswoche mit der Begründung der physischen oder psychischen Beeinträchtigung der Mutter durchgeführt, wobei die Gründe für die Abtreibung umso schwerer wiegen müssen, je weiter fortgeschritten die Schwangerschaft ist. Über Vorliegen solcher Umstände entscheidet dabei eine ärztliche Fachperson – dies im Unterschied zu Schwangerschaftsabbrüchen bis zur 12. Schwangerschaftswoche: Seit Annahme der Fristenregelung entscheidet in letzterem Fall allein die schwangere Frau über eine Abtreibung.
Als Begründung für die Lancierung seiner Volksinitiativen gab das Komitee an, auf dieses Mittel zurückgegriffen zu haben, weil entsprechende parlamentarische Vorstösse bei Bundesrat und Parlament nicht erfolgreich waren. Zum Zeitpunkt der Lancierung der Volksinitiativen war eine Motion Estermann (Mo. 20.3191) mit der Forderung nach Reduktion von Spätabtreibungen hängig, die der Bundesrat zur Ablehnung empfohlen hatte. Bis am 21. Juni 2023 hat das Initiativkomitee Zeit, die notwendigen 100'000 Unterschriften für seine Begehren zu sammeln.

Volksinitiative «Für den Schutz von ausserhalb des Mutterleibes lebensfähigen Babys (Lebensfähige-Babys-retten-Initiative)»
Dossier: Aktuelle Vorstösse zur Verschärfung der Regelungen zu Schwangerschaftsabbrüchen (ab 2020)

Im November 2021 korrigierte die RK-NR ihren im Sommer 2020 gefällten Entscheid und stellte sich gegen eine Harmonisierung der Alimentenbevorschussung, wie sie eine parlamentarische Initiative Piller Carrard (sp, FR) verlangte. Mit 12 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung beantragte sie ihrem Rat, der Initiative keine Folge zu geben, um die Kompetenzen der Kantone nicht zu beschneiden. Letztere seien am besten in der Lage, den «unterschiedlichen Verhältnissen in ihren Gebieten» angemessen Rechnung zu tragen. Die Minderheit erachtete Folgegeben aufgrund fehlender Rechtsgleichheit als notwendig. Zudem würden Unterhaltspflichtige und -berechtigte oftmals in unterschiedlichen Kantonen leben.

Alimentenbevorschussung harmonisieren (Pa.Iv. 19.459)

«Kinderarmut bekämpfen», forderte Nationalrätin Piller Carrard (sp, FR) mit der Einreichung einer so betitelten parlamentarischen Initiative im Juni 2020. Rund 144'000 Kinder in der Schweiz seien von Armut betroffen und erführen somit ein erhöhtes Risiko, auch im Erwachsenenalter arm zu bleiben. So solle basierend auf bestehenden, kantonalen Modellen eine gesetzliche Grundlage zur finanziellen Unterstützung von armutsbetroffenen Familien erarbeitet werden. Insbesondere sollen hier die Kantone Waadt, Genf, Tessin und Solothurn als Beispiele für familienunterstützende Ergänzungsleistungen dienen, welche die Kinderarmut nachweislich reduzierten. Nach einer Konsultation mit den zuständigen Behörden der Kantone Waadt, Jura und Freiburg sowie der SKOS entschied die WBK-NR mit 13 zu 10 Stimmen (bei 2 Enthaltungen), dass in der Tat Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Kinderarmut bestehe und gab der Initiative im Juli 2021 Folge.
Im Gegensatz zu ihrer Schwesterkommission erachtete die WBK-SR die heutigen Massnahmen zur Armutsbekämpfung im November 2021 als ausreichend und wollte mit 7 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung auf eine solche Intervention verzichten, womit sie der Initiative keine Folge gab. Somit gelangt die Initiative in den Nationalrat.

Kinderarmut bekämpfen (Pa. Iv. 20.454)

Gemäss der VOX-Nachbefragung zu den eidgenössischen Abstimmungen vom September 2021 entsprach die Vorlage zur «Ehe für alle» dem Zeitgeist, da sie breite Unterstützung aus (fast) allen politischen Lagern und Altersgruppen erfuhr. Ferner vermochte das Ja-Lager besser zu mobilisieren und die Pro-Argumente – etwa die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare und das Argument, dass Fürsorge und Zuwendung wichtiger seien als das Geschlecht der Eltern – erzielten im gegnerischen Lager mehr Unterstützung als die Contra-Argumente. Personen über 70 Jahre lehnten die Vorlage mehrheitlich ab, dies im Gegensatz zu Personen aller anderen Alterskategorien. Darüber hinaus stellten sich Personen, die eine starke Nähe zu Freikirchen aufweisen, ebenso gegen die Vorlage wie Personen, die der Wahrung der Schweizer Traditionen hohe Wichtigkeit beimessen. Neun von zehn Sympathisierenden der SP, Grünen und GLP befürworteten die Initiative, bei der FDP-Anhängerschaft legten noch sechs von zehn Personen ein Ja ein. Sympathisierende der SVP lehnten die Vorlage mit 70 Prozent relativ deutlich ab. Ebenso wurde die Ehe für alle von einer knappen Mehrheit der Mitte-Anhängerschaft (51%) abgelehnt, die sich somit gegen die Parole ihrer Partei stellte. Das Gegenargument, das bei den Nein-Stimmenden am meisten verfing, war dasjenige, dass Kinder jeweils eine Frau und einen Mann als elterliches Vorbild haben sollten. Etwas weniger Nein-Stimmende störten sich am Zugang zur Samenspende für lesbische Paare oder äusserten sich ablehnend gegenüber der Möglichkeit auf Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare.

Le mariage pour tous (Pa.Iv. 13.468)

Auch die WBK-NR wollte auf die Schaffung eines spezifischen Verfassungsartikels verzichten, der den Bund zur dauerhaften Förderung von familienergänzenden Betreuungsangeboten im Vorschulalter verpflichten würde, wie dies eine Standesinitiative aus dem Kanton Genf forderte. Die Kommission lehnte dieses Anliegen im November 2021 mit 20 zu 4 Stimmen (1 Enthaltung) ab. Eine Minderheit hatte vergeblich für Folgegeben plädiert, um die Überlegungen der Initiative in die laufenden Arbeiten zur eigenen Kommissionsinitiative (Pa.Iv. 21.403) einfliessen zu lassen. Besser erging es einer parlamentarischen Initiative Brenzikofer (gp, BL; Pa.Iv. 21.412) mit der Forderung nach einer gesetzlichen Grundlage zur Finanzierung von Tagesschulangeboten: Hier entschloss sich eine Mehrheit der Kommission für Folgegeben, um das Anliegen in die Umsetzung der Kommissionsinitiative zu integrieren.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)
Dossier: Finanzhilfen zur Förderung familienergänzender Kinderbetreuung

Im November 2021 gab die WBK-NR mit 15 zu 9 Stimmen einer parlamentarischen Initiative Brenzikofer (gp, BL) Folge, welche die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine finanzielle Unterstützung von Tagesschulangeboten verlangte. Die Kommissionsmehrheit hatte vor, das Anliegen der Initiative in die Umsetzung der eigenen, hängigen Kommissionsinitiative zur Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung zu integrieren (Pa.Iv. 21.403).

Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für eine finanzielle Unterstützung von Tagesschulangeboten (Pa.Iv. 21.412)
Dossier: Finanzhilfen zur Förderung familienergänzender Kinderbetreuung

Auch die WBK-NR als zuständige Kommission des Nationalrats beantragte ihrem Rat, der Standesinitiative des Kantons Jura, die für die Kantone eine explizite Kompetenz verlangte, über die bundesrechtlichen Bestimmungen hinausgehende Regelungen zu Eltern- oder Vaterschaftsurlaub zu beschliessen, keine Folge zu geben. Sie fasste diesen Entschluss mit 15 zu 10 Stimmen. Während sich die Kommissionsminderheit von der Zustimmung die Möglichkeit einer harmonisierten Lösung erhoffte, vertrat die Kommissionsmehrheit die Meinung, dass den Kantonen durch das Bundesrecht bereits ein gewisser Handlungsspielraum eingeräumt werde.

Möglichkeit für Kantone, Ausgebaute Lösungen zum Eltern- oder Vaterschaftsurlaub zu beschliessen

In der nationalrätlichen Herbstsession 2021 wurde die Forderung nach einem ergänzenden, bezahlten Vaterschaftsurlaub von maximal 14 Wochen, eingebracht in Form einer parlamentarischen Initiative Bertschy (glp, BE), mit 38 zu 110 Stimmen (bei 38 Enthaltungen) klar abgelehnt. Unterstützung erhielt das Anliegen lediglich von der geschlossenen GLP-Fraktion, einer Mehrheit der SP-Fraktion und insgesamt drei Mitgliedern aus den Fraktionen der Grünen und der Mitte. Die Grünen-Fraktion enthielt sich beinahe gänzlich der Stimme – ebenso wie eine Minderheit der SP und zwei Ratsmitglieder der Mitte. Fünf SP-Mitglieder stellten sich gar gegen die Initiative. Die fehlende Unterstützung aus dem linken Lager war in der Ausgestaltung der Vorlage begründet. So befürchtete Flavia Wasserfallen (sp, BE) im Rat, dass bestehende, grosszügigere Urlaubsregelungen für die Mutter bei Annahme der Initiative auf 14 Wochen reduziert werden könnten. Die Bestärkungen der GLP-Nationalrätin Bertschy, dass es ihr keinesfalls um die Kürzung bestehender Lösungen gehe, sondern um eine ergänzende Lösung für den Vater im selben, bekannten Umfang, verfingen im Nationalrat auf linker Seite nicht. Min Li Marti (sp, ZH) bestätigte ferner gegenüber dem Tages-Anzeiger, dass je 14 Wochen einigen Linken zu wenig weit gingen.

14 Wochen Elternurlaub für beide Elternteile (Pa.Iv. 20.472)

Ende September 2021 durfte die «Ehe für alle» schliesslich den von ihren Befürwortenden bereits lang ersehnten Erfolg in der Volksabstimmung feiern, womit auch die Schweiz als beinahe letztes Land Westeuropas ihren gleichgeschlechtlichen Paaren das Recht zur Eheschliessung zugestand. Bei einer Stimmbeteiligung von 52.6 Prozent befürworteten deutliche 64.1 Prozent der Stimmenden die Möglichkeit der zivilen Ehe für gleichgeschlechtliche Paare. Besonders erfreut zeigten sich die Befürwortenden auch darüber, dass sich die Stimmbevölkerung in allen 26 Kantonen mehrheitlich für die Vorlage ausgesprochen hatte. «Eine Abstimmung wird zum Triumph für die gleichgeschlechtliche Liebe», titelte etwa die NZZ und wertete die Zustimmung der Kantone als Bestätigung dafür, dass die Vorlage auch dann erfolgreich gewesen wäre, wenn sie mittels Verfassungsänderung umgesetzt worden wäre, wie dies die Gegnerschaft mehrfach verlangt hatte. Nicht zuletzt zeige die Volksabstimmung auch einen spürbaren Wertewandel in den ländlichen Gebieten, denn bei der 2005 erfolgten Volksabstimmung über die eingetragene Partnerschaft hätten sich einige ländlich geprägte Kantone noch mehrheitlich gegen mehr Rechte für gleichgeschlechtliche Paare ausgesprochen, so die NZZ weiter.
Gleichwohl variierte die Zustimmung zwischen den Kantonen auch bei dieser Abstimmung beträchtlich und zwar von einem relativ knappen Ja im Kanton Appenzell Innerrhoden (50.8%) bis zu einem überaus klaren Ja im Kanton Basel-Stadt (74%). Der Deutschschweizer Stadtkanton blieb jedoch eine Ausnahme; in allen anderen Kantonen betrugen die ablehnenden Stimmen jeweils mindestens 30 Prozent.

Das klare Ja wurde von verschiedensten Akteuren auch als Zeichen interpretiert, dass es Zeit sei, weitere Debatten in diesem Bereich anzustossen oder zu intensivieren. Andrea Caroni (fdp, AR) etwa meinte, nun müsse man auch an diejenigen Personen denken, die sich gegen eine Heirat entscheiden, aber trotzdem rechtlich absichern möchten, was ein Pacte civil de solidarité (Pacs) ermöglichen würde. Laura Zimmermann, Co-Präsidentin der Operation Libero, sah die Zeit gekommen, um über die Öffnung der Fortpflanzungsmedizin für unverheiratete Paare oder für alleinstehende Frauen zu diskutieren. Die Frage, ob nun auch die Leihmutterschaft bald eingeführt werde, wie Gegnerinnen und Gegner der «Ehe für alle» befürchteten, verneinte Bundesrätin Karin Keller-Sutter nach der Abstimmung gegenüber der Aargauer Zeitung deutlich. Zum einen könnte eine solche Forderung klar nur durch eine Verfassungsänderung erfüllt werden und zum anderen würden sich hier auch «schwierige ethische Fragen» stellen. Etwa bestehe die Gefahr, dass Leihmütter ausgebeutet werden könnten. Dass auch der vor der Abstimmung lauter gewordene Unmut gegen Konversionstherapien in den Medien die Politik in Zukunft stärker beschäftigen könnte, zeigten drei parlamentarische Initiativen zu diesem Thema, die um den Abstimmungstermin herum im Parlament eingereicht wurden (Pa.Iv. 21.483; Pa.Iv. 21.496; Pa.Iv. 21.497).


Abstimmung vom 26. September 2021

Beteiligung: 52.6%
Ja: 1'828'642 Stimmen (35.9%)
Nein: 1'024'307 Stimmen (64.1%)

Parolen:
-Ja: FDP (1*), GLP, GPS, Mitte (2*), SP; Amnesty International, Evangelisch-reformierte Kirche, diverse LGBTQ+-Organisationen, Pro Familia, Pro Juventute, Schweizerischer Katholischer Frauenbund, SGB
-Nein: EDU, EVP, SVP (3*), Schweizer Bischofskonferenz, Freikirchen.ch
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Le mariage pour tous (Pa.Iv. 13.468)

Die EO ermächtigt die Kantone explizit in Artikel 16h, ausgebautere Varianten des 14-wöchigen Mutterschaftsurlaubs zu beschliessen. Eine ebensolche Regelung verlangte eine Standesinitiative aus dem Kanton Jura: Sie wollte den Kantonen im Gesetz explizit die Kompetenz gewähren, über weitergehende Bestimmungen zum bestehenden Vaterschaftsurlaub oder über die Einführung eines Elternurlaubs auf ihrem Kantonsgebiet zu befinden, die nicht nur für öffentlich-rechtliche, sondern auch für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse Gültigkeit hätten. Im Ständerat, der die Standesinitiative des Kantons Jura beriet, dominierten juristische Fragen. Benedikt Würth (mitte, SG) bestätigte für die Kommissionsmehrheit, dass im vorliegenden Fall nicht klar sei, ob hier ein öffentliches Interesse vorliege, das vom Bund nicht abschliessend geregelt werde. Sollte ein solches vorliegen – argumentiert werden könnte etwa mit dem Kindeswohl oder der Gleichstellung zwischen Mann und Frau –, erübrige sich eine explizite Kompetenzgewährung, da die Kantone so bereits die Möglichkeit hätten, in ihrem Kompetenzbereich öffentlich-rechtliche Normen zu beschliessen. Für den Fall, dass ein öffentliches Interesse verneint würde, könnte nur eine explizite Erwähnung im Gesetz die rechtliche Unsicherheit beseitigen. Genau die Beseitigung dieser Unsicherheit durch Folgegeben verlangte eine Minderheit Baume-Schneider (sp, JU) und betonte, dass es nicht um die finanzielle Unterstützung einer kantonalen Regelung durch den Bund gehe. Sie verwies dabei auf verschiedene laufende Bestrebungen in unterschiedlichen Kantonen – neben ihrem eigenen Kanton in den Kantonen Tessin, Genf und Bern –, die allesamt vor dieser rechtlichen Unsicherheit stünden. Mit 25 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung folgte der Ständerat seiner Kommissionsmehrheit und gab der Initiative keine Folge.

Möglichkeit für Kantone, Ausgebaute Lösungen zum Eltern- oder Vaterschaftsurlaub zu beschliessen

Nach siebenjähriger Beratung fanden die Diskussionen um eine parlamentarische Initiative Romano (mitte, TI) in der Herbstsession 2021 ein Ende. Der Ständerat folgte nämlich dem Entscheid des Nationalrates aus dem Vorjahr und beschloss mit 37 zu 2 Stimmen (2 Enthaltungen) die Einführung eines zweiwöchigen, bezahlten Urlaubs bei der Adoption eines bis vierjährigen Kindes. Finanziert wird der Adoptionsurlaub über den Erwerbsersatz. Kommissionssprecherin Graf (gp, BL) hatte in der vorausgehenden kurzen Debatte unter anderem vorgerechnet, dass im Vorjahr in der Schweiz gerade 27 Kinder unter vier Jahren adoptiert worden seien – 2019 seien es noch deren 41 gewesen –, womit die finanziellen Auswirkungen gering seien. In der Schlussabstimmung passierte der Erlassentwurf den Ständerat mit 41 zu 3 Stimmen (0 Enthaltungen) und den Nationalrat mit 117 zu 76 Stimmen (2 Enthaltungen). Gegen den Entwurf votierten im Nationalrat neben der geschlossenen SVP beinahe alle Mitglieder der FDP.Liberalen-Fraktion.

Introduire des allocations familiales en cas d'adoption (Iv. pa. 13.478)

Eine noch vor der Volksabstimmung zum indirekten Gegenentwurf zur Volksinitiative «für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub» eingereichte Standesinitiative des Kantons Jura wollte den Kantonen die Kompetenz zur Einführung eines Vaterschafts- oder Elternurlaubs einräumen – unabhängig vom Ausgang der Volksabstimmung. Die Vernehmlassungsantworten zum indirekten Gegenentwurf hätten gezeigt, dass zwei Drittel der Kantone die Einführung eines Vaterschaftsurlaubs begrüssten, einzelne Kantone stünden gar für einen längeren Urlaub ein als die im Gegenentwurf enthaltenen zwei Wochen. Die WBK-SR, die sich im Juni 2021 und somit nach Annahme des zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs an der Urne mit der Standesinitiative befasste, kam mit 6 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung zum Schluss, dass mit dem Volks-Ja keine weiteren Revisionen nötig seien und beantragte, der Standesinitiative keine Folge zu geben.

Möglichkeit für Kantone, Ausgebaute Lösungen zum Eltern- oder Vaterschaftsurlaub zu beschliessen

Auf Antrag ihrer zuständigen Kommission verlängerte der Nationalrat in den Jahren 2019 und 2021 oppositionslos die Behandlungsfrist für zwei parlamentarische Initiativen aus der Feder von Karl Vogler (csp, OW), die einen Paradigmenwechsel bei Artikel 420 ZGB verlangten. Die RK-NR hatte die Fristverlängerung damit begründet, dass zum gegebenen Zeitpunkt eine Gesetzesvorlage ausgearbeitet werde, die auch die Stellung von verbeiständeten Personen nahestehender Personen regeln werde. Die Kommission wolle diese Gesetzesvorlage abwarten, bevor sie sich einem eigenen Erlassentwurf in Erfüllung der beiden parlamentarischen Initiativen widme.

Parlamentarische Initiativen verlangen weniger administrativen Aufwand für als Beiständin oder Beistand eingesetzte nahestehende Personen (Pa.Iv. 16.428; Pa.Iv. 16.429)

Eine parlamentarische Initiative Bertschy (glp, BE) verlangte eine Änderung der Erwerbsersatzordnung, um im Falle der Erwerbstätigkeit beider Elternteile die bestehende 14-wöchige Mutterschaftsentschädigung um einen maximal 14-wöchigen bezahlten Vaterschaftsurlaub zu ergänzen. Zum einen begründete die Initiantin ihre Forderung damit, dass eine familienexterne Betreuung nach Ablauf der bestehenden 14 Wochen Mutterschaftsurlaub oftmals nicht möglich sei. Zum anderen argumentierte sie, dass damit die traditionelle Rollenteilung aufgeweicht und die Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern im Erwerbsleben verbessert werden könne. Eine verstärkte Einbindung der Frauen in den Arbeitsmarkt hätte mittel- bis längerfristig positive Auswirkungen auf die Wirtschaft; so könnten etwa der Fachkräftemangel entschärft und die Einnahmen bei den Steuern und Sozialversicherungen erhöht werden, zeigte sich die Berner Nationalrätin überzeugt. Die SGK-NR, die sich im Juni 2021 mit der parlamentarischen Initiative auseinandersetzte, beantragte mit 13 zu 5 Stimmen bei 6 Enthaltungen, der Initiative keine Folge zu geben. Ein zentrales Motiv für die ablehnende Haltung stellten die Kosten zur Finanzierung eines solchen Elternzeitmodells dar. Im Zuge der Beratungen zur Initiative lancierte die Kommission jedoch ein Postulat, das den Bundesrat beauftragen möchte, eine volkswirtschaftliche Gesamt-Kosten-Nutzen-Analyse unterschiedlicher Elternzeitmodelle zu erstellen.

14 Wochen Elternurlaub für beide Elternteile (Pa.Iv. 20.472)

Gemäss einer Unicef-Studie aus dem Jahr 2019 ist die Schweiz das familienunfreundlichste Land in Europa – neben den hohen Kosten für die familienexterne Kinderbetreuung unter anderem auch wegen der Kürze bestehender Urlaubsmöglichkeiten bei der Geburt eines Kindes. Auf diesen Umstand wies die SGK-NR hin, als sie ein Postulat lancierte, das die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Elternzeit in einem Bericht aufzeigen sollte. Beschlossen hatte die Kommission ihren Vorstoss während der Beratung einer parlamentarischen Initiative Bertschy (glp, BE), die bestehend zum 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub einen gleich langen, bezahlten Vaterschaftsurlaub einführen wollte (Pa.Iv. 20.472). Die SGK-NR begründete ihren Vorstoss damit, dass bislang keine volkswirtschaftliche Studie bestehe, die den Status quo in der Schweiz mit anderen in Europa praktizierten Modellen vergleiche und die «neben den breit diskutierten Kosten auch eine Abschätzung des Nutzens» – etwa in Bezug auf die Steuereinnahmen, die Altersvorsorge, die Ergänzungsleistungen oder die Amortisation der Ausbildungskosten – vornehme. Bei den zu überprüfenden Varianten soll der bestehende Mutterschaftsurlaub nicht verhandelbar sein. Zu prüfen seien demnach folgende Modelle: Gleiche Elternzeit für beide Elternteile (etwa 14/14 oder 18/18) sowie eine zum bestehenden Mutterschaftsurlaub ergänzende Elternzeit, entweder mit bestimmten Pflichtanteilen für beide Elternteile oder eine frei aufteilbare Elternzeit. Der Bundesrat empfahl die Annahme des Postulats.
In der Herbstsession 2021 lag dem Nationalrat ein Minderheitsantrag Aeschi (svp, ZG) auf Ablehnung des Vorstosses vor. Der Zuger SVP-Nationalrat ortete aufgrund der jüngst erfolgten Annahme eines zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs an der Urne eine Salamitaktik. Die Minderheit lehnte die Forderung des Postulats ab, weil sie die zu überprüfenden Modelle als zu weitgehend erachtete. Das Postulat passierte den Nationalrat mit 110 zu 67 Stimmen (3 Enthaltungen). Neben der geschlossen gegen das Postulat stimmenden SVP-Fraktion stand auch eine Mehrheit der FDP.Liberalen-Fraktion für ein Nein ein.

Volkswirtschaftliches Gesamtmodell (Kosten-Nutzen) von Elternzeitmodellen (Po. 21.3961)

Dass die «Ehe für alle» an der Urne wohl angenommen werden würde, zeichnete sich bereits relativ früh in der Abstimmungskampagne ab. Schon die ersten Umfragen von Tamedia und SRG ab Mitte August zeigten komfortable Mehrheiten für die Vorlage von weit über 60 Prozent, woraufhin die Medien die Abstimmung bereits für gewonnen erklärten. Dies tat der Intensität, mit der sie über die Abstimmungsvorlage berichteten, indes keinen Abbruch. Häufig porträtierten sie gleichgeschlechtliche Paare oder homosexuelle Prominente, die der Vorlage ein Gesicht gaben. Weiter machte die Befürwortendenseite zwar nicht mit einer breiten Inseratekampagne, aber vor allem mit bunten Aktionen auf sich aufmerksam, welche die Medien in Druckerschwärze übersetzten. So planten die Befürwortenden zum Kampagnenstart Ende Juni Aktionen in zwanzig Städten, führten Hochzeitszeremonien auf dem Berner Helvetiaplatz durch oder weibelten an Pride-Umzügen für die Vorlage. Über 20'000 Teilnehmende verzeichnete etwa die Zurich Pride, nachdem LGBTQ+-Organisationen auf die «wichtigste gesellschaftspolitische Abstimmung seit Jahrzehnten» hingewiesen und zur Teilnahme an der Demonstration durch die Innenstadt aufgerufen hatten. Beim Umzug mit dabei waren nicht nur Angehörige der LGBTQ+-Gemeinschaft, sondern unter anderem auch Grossunternehmen wie IKEA, UBS und Swiss sowie Sektionen der Polizei und der Armee. Dass die Unterstützung in der Gesellschaft ausgesprochen breit war, zeigte sich somit also nicht nur an der klar positiven Tonalität in den Medien, welche das FÖG festgestellt hatte, oder an der öffentlichen Unterstützung durch viele Prominente, sondern auch durch klare Positionsbezüge von Unternehmen – ein in der Schweiz während Abstimmungskampagnen eher selten beobachteter Umstand. Dass sich IKEA in einen Schweizer Abstimmungskampf einschaltete, war indes nicht ganz neu: Bereits im Vorjahr hatte sich das Möbelunternehmen mit Inseraten und Clips für die Einführung des Vaterschaftsurlaubs ausgesprochen.

Das im Abstimmungskampf immer wieder vorgebrachte Argument der Befürwortenden lautete, dass es die Annahme der Vorlage ermögliche, eine nach wie vor bestehende und für viele Menschen unbegründet erscheinende rechtliche Ungleichbehandlung zu beseitigen, ohne dass anderen Personen daraus Nachteile erwachsen würden. Es sei nicht die Aufgabe des Staates, private Beziehungen zu werten oder Menschen vorzuschreiben, wie sie ihr Privat- und Familienleben zu führen hätten, führte Bundesrätin Keller-Sutter an ihrer Medienkonferenz zur Eröffnung der Abstimmungskampagne weiter aus. Mit der zivilen Ehe könnten Ungleichheiten für gleichgeschlechtliche Paare in Bezug auf die gemeinsame Adoption, den Zugang zu Fortpflanzungsmedizin und bei der Einbürgerung beseitigt werden, die trotz der Möglichkeit der eingetragenen Partnerschaft bisher fortbestanden hätten. Zudem hätten Studien gezeigt, «dass für die Entwicklung der Kinder nicht die Familienkonstellation entscheidend ist, sondern die Fürsorge und die Zuwendung, die sie in der Familie erhalten». Dies brachte die Bundesrätin vor, um eines der Hauptargumente der Gegnerschaft zu entkräften.

Denn insbesondere Letzteres bestritten Angehörige des Referendumskomitees nämlich vehement und richteten sich dezidiert gegen die mit der Vorlage zu schaffende Neuerung, welche lesbischen Paaren in der Schweiz Zugang zur Samenspende verschaffen wollte. Die Argumente der Gegnerschaft gründeten dabei auf dem Kindeswohl – die «Psyche der Kinder bleibt auf der Strecke», titelt etwa die Weltwoche, deren Redaktion sich hauptsächlich gegen die Vorlage stellte. Jedes Kind habe ein Recht auf einen Vater. Ein Kind brauche Vorbilder von beiden Geschlechtern und «die Verwurzelung in der Ursprungsfamilie [sei] für die kindliche Identitätsbildung zentral», argumentierte die Gegnerschaft im Abstimmungsbüchlein. In den Medien zu reden gab in diesem Zusammenhang auch ein von gegnerischen Kreisen unter der Leitung des ehemaligen Walliser Nationalrats Oskar Freysinger lanciertes Abstimmungsplakat, das in schwarzweisser Farbgebung grossflächig das Gesicht eines Zombies mit stechenden Augen zeigte, begleitet vom Slogan «Enfants avec un mort» respektive «Kinder mit einem Toten». Nach Berichten aus einer Walliser Gemeinde, in der ein Plakat in der Nähe einer Primarschule aufgestellt worden war und daraufhin wegen verängstigten Reaktionen hatte entfernt werden müssen, wurden hingegen die Auswirkungen des Plakats selber auf das Kindswohl diskutiert. Nicht zuletzt sei der Zugang zur Samenspende für lesbische Paare auch nicht verfassungskonform, da Art. 119 der BV die medizinisch unterstützte Fortpflanzung nur bei Unfruchtbarkeit oder Gefahr einer schweren Krankheit erlaube, argumentierten die Gegnerinnen und Gegner weiter. Es gehe nicht, lesbische Paare aufgrund eines unerfüllten Kinderwunsches als unfruchtbar einzustufen. Als weitere negative Folge des Zugangs zur Samenspende für lesbische Paare befürchtete die Gegnerschaft bereits weitere Lockerungsschritte in der medizinisch unterstützten Fortpflanzung, namentlich die Eizellenspende und die Leihmutterschaft, da auch Alleinstehende oder schwule Paare sich bald auf ihr Recht auf Kinder berufen könnten.

Überaus häufig berichteten die Medien im Laufe der Abstimmungskampagne auch über die Positionsbezüge von Parteien und Kirchen, da sich die Haltungen auch innerhalb gewisser Parteien und kirchlicher Kreise teilweise stark unterschieden. Während sich alle Sektionen der SP, Grünen, GLP und auch der FDP – nach einigen Wirren bei den Jungfreisinnigen in Genf und mit Ausnahme der Stimmfreigabe der Kantonalsektion Jura – für die Vorlage ausgesprochen hatten, zeigte sich das Bild bei der Mitte und der SVP etwas weniger klar. Schliesslich kam es zwar nur zu wenigen abweichenden kantonalen Parolenfassungen, aber dennoch äusserten sich prominente Aushängeschilder öffentlich mit abweichenden Parteimeinungen. Bei der Mitte scherten etwa der Tessiner Nationalrat Marco Romano und sein Walliser Ratskollege Benjamin Roduit aus. Beide engagierten sich im Referendumskomitee, obwohl die Mitte an ihrer Delegiertenversammlung ein deutliches Ja beschlossen hatte. Auf der anderen Seite gab es bei der SVP, die das Referendum ergriffen hatte, vor allem junge Parteimitglieder, welche die Vorlage öffentlich unterstützten. Präsent in den Medien waren vor allem Michael Frauchiger, Vorstandsmitglied der SVP Zürich und als Homosexueller potentiell von der Vorlage betroffen, sowie die Aargauer Nationalrätin Martina Bircher. Frauchiger lancierte ein eigenes Ja-Komitee aus SVP-Mitgliedern, um sichtbar zu machen, dass die SVP keine Hinterwäldler-Partei sei, wie er gegenüber den Medien erklärte. Gegenüber dem Blick liess Bircher verlauten, dass sie innerhalb der SVP in dieser Frage einen Graben zwischen der älteren und der jüngeren Generation vermute, wobei erstere auch religiöse Werte in den Vordergrund stelle, während sich letztere primär gegen jegliche Einmischung durch den Staat zur Wehr setze.
Nicht nur zwischen, sondern auch innerhalb der Kirchen unterschieden sich die Positionen zur «Ehe für alle»: Während die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK) ein Nein beschloss, portierte der Katholische Frauenbund ein Ja, ebenso wie die evangelisch-reformierte Kirche. Expertinnen und Experten stellten bei den Kirchen in Fragen rund um die Homosexualität in den letzten Jahren einen zunehmenden Wertewandel fest, was eine aktuelle GFS-Studie zumindest nicht widerlegte. Gemäss dieser befürworteten zwei Drittel der Katholikinnen und Katholiken die zur Abstimmung stehende Vorlage. Hingegen warfen einzelne im Vorfeld der Abstimmungen publizierte Zeitungsberichte Licht auf die in gewissen Kreisen noch immer existierende Praxis der Konversionstherapie.

Le mariage pour tous (Pa.Iv. 13.468)

Die Ratifikation des modernen Haager Unterhaltsübereinkommens (HUÜ) aus dem Jahr 2007 könnte die Durchsetzung der Alimentenforderungen gegenüber im Ausland lebenden Unterhaltspflichtigen massgeblich erleichtern, zeigte sich der Bundesrat in seinem Bericht in Erfüllung eines Postulats Vogler (csp, OW) überzeugt. Der Vorstoss hatte die Regierung dazu aufgefordert, die Ratifikation des HUÜ zu prüfen. Eine Ratifikation des Übereinkommens erfordere jedoch vorgängig die Klärung behördenorganisatorischer Fragen. Bis anhin liegt die Sachbearbeitung des internationalen Alimenteninkassos in der Kompetenz der Kantone, wobei die dafür notwendigen Organisationsstrukturen in den Kantonen stark variieren. Gerade in dezentral organisierten Kantonen fehle in den Gemeinden aufgrund der Seltenheit solcher Fälle das notwendige Fachwissen zu deren Bearbeitung, aber auch zentral organisierte Kantone wünschten sich für diese Aufgabe mehr Unterstützung durch den Bund, so der Bundesrat in seinem Bericht. Um die Bearbeitung internationaler Alimenteninkassogesuche künftig zu regeln, kann sich der Bundesrat neben dem Status quo verschiedene Modelle vorstellen, namentlich die Übertragung dieser Aufgabe an eine private Stelle, eine Konkordatslösung, die Etablierung von kantonalen Zentralbehörden oder die Schaffung einer Bundeszentralbehörde. Da die Ratifikation des HUÜ «Föderalismusfragen» tangiere, sah der Bundesrat den Spielball nach Vorlegen seines Berichts jedoch beim Parlament: Dieses müsse nun entscheiden, welches Behördenmodell zum Tragen kommen soll, damit das HUÜ ratifiziert und danach umgesetzt werden könne. In der Sommersession 2022 schrieb der Nationalrat das Postulat Vogler aufgrund des Erscheinens des Postulatsberichts als erfüllt ab.

Protéger les familles et décharger les collectivités publiques. Examen de l'opportunité de ratifier la Convention de la Haye sur les obligations alimentaires (Po. 19.3105)

Ein Postulat Maret (cvp, VS) verlangte vom Bund die Erstellung einer Kosten-Nutzen-Analyse der von Unternehmen ergriffenen Massnahmen bei Angehörigenbetreuung durch ihre Angestellten. Die CVP-Ständerätin verwies in ihrer Begründung auf eine Studie des Büros für Arbeitsmarkt- und sozialpolitische Studien (BASS), die aufzeige, dass fast alle Unternehmen diesbezüglich Massnahmen ergriffen und dass die Mehrheit der verantwortlichen Personen diese aus einer Kosten-Nutzen-Perspektive positiv beurteilten. Der Nutzen solcher Massnahmen komme in der öffentlichen Diskussion jedoch oft zu kurz, weswegen eine Kosten-Nutzen-Analyse helfen könne, weitere Unternehmen zum Ergreifen zusätzlicher Massnahmen zu ermutigen. In seiner ablehnenden Antwort verwies der Bundesrat auf das 2019 verabschiedete Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung, dessen Massnahmen ebenfalls evaluiert werden sollen. Eine Analyse bestehender Massnahmen zum jetzigen Zeitpunkt erachtete er deswegen als verfrüht. Anders sah dies der Ständerat, der das Postulat in der Sommersession 2021 mit 31 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung annahm.

Kosten-Nutzen-Analyse der von Unternehmen ergriffenen Massnahmen bei Angehörigenbetreuung ihrer Angestellten (Po. 21.3232)

In der Sommersession 2021 bestätigte der Ständerat den Entscheid seiner WBK-SR und gab einer Standesinitiative aus dem Kanton Genf zur Unterstützung der familienergänzenden Kinderbetreuung keine Folge. Er stellte sich somit gegen die Schaffung eines spezifischen Verfassungsartikels, der eine dauerhafte Bundesbeteiligung für die Finanzierung familienergänzender Kinderbetreuungsplätze sowie die Förderung von vorschulischen Betreuungsplätzen auf Kantons- und Gemeindeebene verankern sollte. Stattdessen verwies er auf die hängige parlamentarische Initiative der WBK-NR, welche die Überführung der Anstossfinanzierung in eine stetige Lösung für die familienexterne Kinderbetreuung forderte. Zum Zeitpunkt der Beratung der Genfer Standesinitiative lag jedoch noch kein Entwurf der Kommission zur parlamentarischen Initiative vor.

Überführung der Anstossfinanzierung in eine zeitgemässe Lösung (Pa.Iv. 21.403)
Dossier: Finanzhilfen zur Förderung familienergänzender Kinderbetreuung

Mit 122 – mit einer Ausnahme – bürgerlichen gegen 66 Stimmen von Links-Grün gab der Nationalrat seiner WBK-NR folgend einer parlamentarischen Initiative Prelicz-Huber (gp, ZH) keine Folge. Die Initiative verlangte, dass die familien- und schulergänzende Betreuung für die Familien künftig kostenlos angeboten würde.

Familien- und schulergänzende Betreuung als Teil des Service public (Pa.Iv. 20.413)

Ein im Jahr 2018 in Erfüllung eines Postulats Maury Pasquier (sp, GE) erschienener Bericht motivierte Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU) zur Lancierung einer Motion, mit welcher sie die Einführung eines dreiwöchigen, vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaubs forderte. Ebenso wie der bestehende Mutterschaftsurlaub nach der Niederkunft soll dieser über die Erwerbsersatzordnung finanziert werden. Die zur Erstellung des Berichts durchgeführte Umfrage bei rund 3'000 zufällig ausgewählten Frauen habe ergeben, dass nur jede sechste Frau bis zum Geburtstermin arbeite. «Die Erwartung, dass Frauen bis zur Geburt arbeiten sollen, ist gesundheitlich nicht sinnvoll und in der Realität kaum möglich», so die Begründung der jurassischen SP-Nationalrätin weiter. Sie betonte nicht zuletzt auch, dass das Fehlen eines vorgeburtlichen Mutterschaftsurlaubs die Schweiz zu einem europäischen Sonderfall mache.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Er sah keinen Handlungsbedarf; im Regelfall würden die vorgeburtlichen Arbeitsausfälle durch den Arbeitgebenden bereits ausreichend gedeckt. Bei «[a]llenfalls bestehende[n] Kollektivtaggeldversicherungen» würden dem Arbeitgebenden jeweils auch 80 Prozent oder mehr der Kosten zurückerstattet. Der Anteil an schwangeren Frauen, die wegen vorgeburtlicher Absenzen keinen Lohn erhielten, bewege sich gemäss Studie lediglich im einstelligen Prozentbereich. Im Falle der Annahme der Motion würden die zusätzlichen Kosten für die EO in der Höhe von CHF 200 Mio. eine Erhöhung des Beitragssatzes nach sich ziehen; mit der Einführung des Vaterschaftsurlaubs sei dieser jedoch bereits auf das gesetzliche Maximum erhöht worden.
Auf einen Ordnungsantrag Bauer (fdp, NE) hin beschloss der Ständerat in der Sommersession, die Motion seiner SGK-SR zur Vorberatung zuzuweisen. Der Neuenburger Ständerat hatte darauf hingewiesen, dass diese Problematik insbesondere Grenzregionen betreffe.

Mutterschutz vor der Niederkunft (Mo. 21.3283)