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Der Bundesrat gab die Ratifikation des 1993 verabschiedeten Haager Adoptions-Übereinkommens und den dazugehörigen Entwurf für ein Bundesgesetz in die Vernehmlassung. Damit sollen Missbräuche bei der Adoption ausländischer Kinder verhindert und garantiert werden, dass internationale Adoptionen stets im Interesse des Kindes liegen und die dem Kind zustehenden Grundrechte respektiert werden. Verwirklicht werden sollen diese Ziele durch eine systematische Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten. Dabei teilen sich die Herkunfts- und Aufnahmestaaten vor allem in die Abklärung, ob Kind und Adoptiveltern für die Adoption geeignet sind. Zudem stellt das Übereinkommen die gegenseitige Anerkennung von Adoptionen sicher.

Haager Adoptions-Übereinkommens

Diskussionslos nahm der Nationalrat eine Motion des Ständerates an, welche den Bundesrat beauftragt, im Hinblick auf das Inkrafttretens des neuen Scheidungsrechts eine Broschüre über Eheschliessung und Eherecht zu verfassen. Diese soll den Heiratswilligen bei ihrer Anmeldung auf dem Zivilstandsamt unentgeltlich abgegeben werden.

Broschüre über Eheschliessung und Eherecht

Sehr kontrovers diskutiert wurde das gemeinsame Sorgerecht für die Kinder nach einer Scheidung. Bundesrat, Ständerat und eine bürgerliche Kommissionsminderheit vertraten die Auffassung, dass, wenn beide Eltern dies wollen und sie sich über die Betreuung und die finanzielle Unterstützung einigen können, sie das auch so sollen regeln können. Eine Kommissionsmehrheit wollte das gemeinsame Sorgerecht von der Bedingung abhängig machen, dass sich die Eltern schon vor der Scheidung in die Betreuung der Kinder teilten. Eine zweite Minderheit - in der sich so unterschiedliche Geister wie der Thurgauer SVP-Mann Baumann und die Basler SP-Frau von Felten trafen - wollten gar kein gemeinsames Sorgerecht, weil damit nur die Streitigkeiten über die Ehe hinaus fortgeführt würden. Noch einmal ganz anders sah es der Aargauer CVP-Vertreter Bircher: Für ihn sollte das gemeinsame Sorgerecht die Regel sein. Der Rat stimmte hier schliesslich seiner Kommissionsminderheit zu, wonach sich die Eltern ins Sorgerecht teilen können, allerdings nur, wenn sie ihre Streitigkeiten nicht vor Gericht austragen und diese Lösung dem Wohl des Kindes dient.

Ein weiterer Diskussionspunkt war die finanzielle Abgeltung der Frauen. Der Grundsatz der hälftigen Teilung der Pensionskassengelder war unbestritten. Auseinandersetzungen gab es aber in der Frage, wie lange dies auch nach der Scheidung gelten solle. Zahlreiche Minderheitsanträge vor allem von SP-Frauenseite verlangten, dass die Frau auch nach der Scheidung noch Anrecht auf die Hälfte der Pensionskassenguthaben haben soll, wenn sie wegen der Kinder nicht arbeitet - im Maximum so lange, bis das jüngste Kind erwachsen ist. Der Rat mochte dieser Argumentation nicht folgen und bestimmte, dass nur das während der Ehe angesparte Pensionskassenguthaben hälftig aufzuteilen ist. Verdient ein ex-Mann plötzlich mehr als vor der Scheidung, während die ex-Frau mit den Alimenten nicht auskommt, so sollte sie nach Meinung von Bundes- und Ständerat mehr verlangen können, allerdings nur in den ersten fünf Jahren nach der Scheidung. Die Mehrheit der Kommission wollte diese Frist streichen. Eine Minderheit wollte noch weiter gehen: Frauen sollten auch dann mehr verlangen können, wenn es ihnen plötzlich finanziell schlechter geht, der Mann aber nicht mehr verdient. In diesem Punkt setzte sich die Auffassung von Bundesrat und Ständerat durch.

Ausgerechnet bei der Frage der Mediation gingen die Emotionen hoch. Nach dem Ständerat lehnte auch der Nationalrat die Pflicht der Kantone zur Schaffung von Vermittlungsstellen in Scheidungsangelegenheiten ab. Den Mediatorinnen und Mediatoren fehle es zumeist am notwendigen juristischen Wissen, was sich leicht zum Nachteil der Schwächeren - und meist seien dies die Frauen - auswirken könne, befand Nabholz (fdp, ZH). Ganz anderer Meinung war Dormann (cvp, LU). Für sie bedeutete die Mediation das zweite Standbein des neuen Scheidungsrechtes. Es sei ein Angebot gerade auch für Personen mit eingeschränkten finanziellen Möglichkeiten. Zusammen mit Bundesrat Koller musste sie sich jedoch geschlagen geben.

Revision des Scheidungsrechts (4. Etappe der Familienrechtsrevision; BRG 95.079)

Der Nationalrat behandelte in seiner Wintersession in einer Monsterdebatte mit rund 40 Kommissionsanträgen und 45 Minderheitsanträgen die Vorlage. Dabei schuf er rund 30 Differenzen unterschiedlichen Gewichts zu den Beratungen im Ständerat. In den grossen Linien - Abkehr vom Verschuldensprinzip, Förderung einvernehmlicher Lösungen, bestmögliche Wahrung der Kinderinteressen und eine gerechte Regelung der wirtschaftlichen Folgen - übernahm er die Vorschläge des Bundesrates und die Beschlüsse des Ständerates. Gegen den Bundesrat folgte er aber auf Antrag einer Kommissionsminderheit dem Ständerat beim Verzicht auf eine zweite richterliche Anhörung der Scheidungswilligen nach der Bedenkzeit von zwei Monaten. Ganz auf die Bedenkfrist verzichten, wie dies Vallender (fdp, AR) anregte, wollte er aber auch nicht. Umgekehrt stimmte er dem Bundesrat beim Verbot der kirchlichen vor der zivilrechtlichen Trauung zu; dabei liess er sich von Argumenten der Rechtssicherheit und des Sozialschutzes leiten. Sowohl gegen Bundesrat wie Ständerat befand die grosse Kammer, drei Jahre Wartefrist für eine Scheidung, welche nur einer der Ehegatten wolle, sei genug. Der ursprüngliche, vom Ständerat genehmigte Vorschlag sah noch fünf Jahre vor.

Revision des Scheidungsrechts (4. Etappe der Familienrechtsrevision; BRG 95.079)

Die Homosexuellenorganisation «Pink Cross» und die «Lesbenorganisation Schweiz» verlangten eine ausdrückliche Erwähnung des Verbots der Diskriminierung von Schwulen und Lesben in Art. 7 Abs. 2 der revidierten Bundesverfassung, welcher festhält, dass niemand diskriminiert werden darf. In die vom Bundesrat vorgeschlagene beispielhafte Aufzählung der wichtigsten Diskriminierungsgründe (Herkunft, Geschlecht, Rasse, Sprache, soziale Stellung, religiöse, weltanschauliche oder politische Überzeugung sowie körperliche oder geistige Behinderung) soll nach Ansicht der Schwulen und Lesben auch die «sexuelle Orientierung» aufgenommen werden. 24 Organisationen, darunter die SP, der SGB und die Grünen hatten dieses Ansinnen in der Vernehmlassung unterstützt. Die parlamentarische Verfassungskommission des Ständerats lehnte diese Forderung ab, da der Schutz durch das allgemeine Diskrimierungsverbot gegeben sei. Diejenige des Nationalrats trat hingegen auf das Anliegen ein und nahm den – allerdings umfassenderen – Begriff «Lebensform» in die Liste auf.

Gleichstellung und Schutz vor Diskriminierung in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Vorstösse für eine geschlechtergerechte Sprache in der Politik und Verwaltung
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Ausgehend von der heutigen Rechtslage bestätigte das Bundesgericht einen Entscheid der Zürcher Behörden, wonach die Eltern nicht wählen können, welchen Nachnamen ihre Kinder tragen sollen. Laut geltendem Gesetz erhält das Kind verheirateter Eltern in jedem Fall deren Familiennamen, in der Regel also den Namen des Ehemannes (Art. 160 und 270 ZGB). Wenige Tage nach Veröffentlichung dieses Urteils beschloss die Rechtskommission des Nationalrates, dem Plenum vorzuschlagen, dass Heiratswillige inskünftig den gemeinsamen Familiennamen frei wählen oder ihren eigenen Namen weiterführen können; folgerichtig sollen die Kinder entweder den gemeinsamen Familiennamen oder den Namen der Mutter bzw. des Vaters tragen dürfen. Der Vorentwurf der Rechtskommission wurde in der Vernehmlassung insgesamt positiv aufgenommen.

Änderung des Namensrechts (Pa.Iv. 94.434)
Dossier: Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Namensrecht

Schwule und Lesben verliehen ihrer Forderung nach einer vollen Gleichstellung ihrer Partnerschaft mit der Ehe Nachdruck. Sie leiteten dem EJPD zwei Gesetzesprojekte zu ihrem Anliegen zu. Der erste Vorschlag sieht eine Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben vor, der zweite eine registrierte Partnerschaft mit grundsätzlich den gleichen Rechten und Pflichten wie in der Ehe.

Schwule und Lesben verliehen ihrer Forderung nach einer vollen Gleichstellung ihrer Partnerschaft mit der Ehe Nachdruck

Dem SP-Vorstand ging der Vorschlag der Rechtskommission zu wenig weit. Auf Antrag der SP-Frauen verabschiedete er eine Resolution für einen straflosen Abbruch ohne Festsetzung einer Frist. Die eidgenössische Frauenkommission verlangte eine Fristenlösung von 16 statt 14 Wochen. Sie sprach sich zudem für die Straflosigkeit des Abbruchs auch nach dieser Frist aus. Die FDP unterstützte den Kommissionsvorschlag, die SVP zeigte sich vorerst in einen konservativen und einen liberalen Flügel gespalten; die Fraktion lehnte schliesslich die Fristenlösung ab, gleich wie die EVP, die zudem ankündigte, ein allfälliges Referendum unterstützen zu wollen.

Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (Schwangerschaftsabbruch, BRG 93.434)

Einen fast schon historischen Schritt hin zu einer liberaleren Regelung des Schwangerschaftsabbruchs tat die CVP-Basis an ihrer Delegiertenversammlung Ende August. Nachdem die CVP-Frauen im Frühjahr eine Zustimmung zu einer Fristenregelung unterstützt hatten, nahm die Delegiertenversammlung der Partei - gegen den Willen der CVP-Fraktion im Bundesparlament, welche bei der bisherigen restriktiven medizinischen und juristischen Indikation bleiben wollte, bei der letztlich eine Drittperson über einen Abbruch entscheidet - mit klarer Mehrheit eine liberales Schutzmodell an, wonach der Schwangeren zwar nach wie vor eine Beratung und eine Bedenkzeit abverlangt werden, die Frau aber innerhalb der ersten 12 Wochen der Schwangerschaft allein über einen allfälligen Abbruch entscheidet.

CVP-Basis CVP-Frauen liberales Schutzmodell innerhalb der ersten 12 Wochen

Die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) 1997 des Bundesamtes für Statistik (BFS) versuchte herauszufinden, wer wo welche unbezahlte Arbeit leistet. Dabei bestätigte sich die Annahme, dass die Paare in der Schweiz die Haushaltsarbeit nach wie vor sehr einseitig verteilen, und zwar zu Lasten der Frauen. Gemäss der Befragung liegt in 90% der Haushalte mit Kindern die Verantwortung für die Hausarbeit bei der Frau, in 1% beim Mann; in 7% der Haushalte teilen sich Mann und Frau die Aufgabe, und in 2% liegt sie bei anderen Personen. In Paarhaushalten ohne Kinder bestreiten Mann und Frau immerhin in 18% die Haushaltsarbeiten gemeinsam. In 76% dieser Haushalte liegt die Zuständigkeit dafür aber nach wie vor bei der Frau und bloss in 3% beim Mann. Laut BFS hängt das auch damit zusammen, dass bei den Paarhaushalten ohne Kinder die ältere Generation relativ stark vertreten ist.

Verantwortung für die Hausarbeit bei der Frau

Eine weitere Statistik des BFS, welche auf der Volkszählung von 1990 beruht, zeigte, dass sich zwischen 1960 und 1990 die Zahl der Einpersonenhaushalte mehr als vervierfacht hat. Lebte 1960 eine von 25 Personen allein (224'000 Einzelhaushalte), so war es 1990 bereits jede siebente (920'000). Überdurchschnittlich nahm in diesem Zeitraum die Anzahl der getrennt lebenden Ehepartner und der Geschiedenen in Einpersonen-Haushalten zu. Rund ein Fünftel – und damit die zahlenmässig stärkste Gruppe – bildeten 1990 aber die älteren verwitweten Frauen. Nahezu die Hälfte der alleinlebenden Personen war 1990 ledig, etwas mehr als ein Viertel verwitwet, ein Siebentel geschieden. Auch in dieser Statistik zeigte sich, dass einerseits junge Menschen unter 22 Jahren wieder vermehrt bei den Eltern wohnen und andererseits die Zahl der Konkubinatspaare in den letzten Jahren stark zugenommen hat.

zwischen 1960 und 1990 die Zahl der Einpersonenhaushalte mehr als vervierfacht

Der Ständerat schrieb die im Vorjahr vom Nationalrat an den Bundesrat überwiesene Petition für gleiche Rechte für gleichgeschlechtliche Paare ab. Da der Bundesrat einen Bericht zur Beseitigung rechtlicher Probleme - Steuer-, Zivilstands-, Erbschafts- und Ausländerfragen - in Auftrag gegeben habe, sei es überflüssig, hier doppelt zu nähen. In den Augen der Ständeratskommission ist eine weitgehende Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Beziehungen mit einer Ehe allerdings nicht wünschenswert, weshalb sie auch ein entsprechendes Postulat einer Kommissionsminderheit unter Aeby (sp, FR) ablehnte. Gleich wie schon der Nationalrat überwies die kleine Kammer eine Petition der EDU, die sich gegen diese Gleichstellung wehrte, nur im proklamatorischen zweiten Punkt (Schutz "gesunder" Familien) dem Bundesrat zur Kenntnisnahme.

gleichgeschlechtlicher Paarbeziehungen

Im Frühjahr gab der Bundesrat im Auftrag der nationalrätlichen Rechtskommission deren Entwurf für eine Fristenlösung in die Vernehmlassung. Dieser sieht den straflosen Abbruch in den ersten 14 Wochen der Schwangerschaft vor. Der Abbruch soll auf Verlangen der schwangeren Frau erfolgen und von patentierten Ärzten vorgenommen werden. Nach Ablauf dieser Frist wäre ein Schwangerschaftssabbruch nur noch dann straflos, wenn der Frau nach ärztlichem Urteil eine schwere körperliche Beeinträchtigung oder seelische Notlage droht. Diese Gefahr soll umso grösser sein, je weiter die Schwangerschaft forgeschritten ist.

Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (Schwangerschaftsabbruch, BRG 93.434)

Auf Antrag des Bundesrates, welcher gravierende Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu bedenken gab, überwies der Ständerat eine Motion der CVP-Fraktion für eine generelle Familienverträglichkeitsprüfung nur in Postulatsform. Der Vorstoss wollte den Bundesrat verpflichten, eine gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, dass der Bund die Rechtsetzung und das staatliche Handeln laufend dahingehend überprüft, ob sie den Erfordernissen der Familien entsprechen.

Motion Familienverträglichkeit (94.3518)


Im Rahmen eines Projektes der Uno-Wirtschaftskommission befragte das Bundesamt für Statistik (BFS) zwischen Oktober 1994 und Mai 1995 rund 6000 Personen in der ganzen Schweiz zu ihrer familiären Situation. Die im Februar des Berichtsjahres vorgestellten Ergebnisse zeigten, dass sich die Familie im Laufe der letzten Jahrzehnte stark gewandelt hat. Verglichen mit der Generation der Jahrgänge 1945 bis 1949 verlassen die Frauen und Männer mit Jahrgang 1970 bis 1974 ihr Elternhaus relativ spät, was in Zusammenhang mit dem schwieriger gewordenen Berufseinstieg gestellt wurde. Während in der älteren Generation noch rund zwei Drittel der Paare ihr Zusammenleben mit der Ehe begannen, sind es bei den jüngeren nur mehr gerade ein Drittel. Oft wird deren Konkubinat erst dann durch Heirat beendet, wenn ein Kind erwünscht oder sogar schon unterwegs ist.

In den letzten Jahrzehnten wurden die Heirat und die Geburt des ersten Kindes immer mehr in spätere Lebensabschnitte verschoben. Bei den Frauen stieg das Durchschnittsalter bei der ersten Heirat zwischen 1970 und 1994 von 24,2 auf 27,8 Jahre, bei den Männern von 26,5 auf 30,1 Jahre. Der Anteil der Frauen, die ihr erstes Kind vor 30 Jahren bekommen, ist inzwischen auf 57% gesunken. Auch der Rückgang der Kinderzahl hält weiterhin an. Die 20- bis 34jährigen wünschten sich zwar nach wie vor zwei oder drei Kinder. Statistisch gesehen werden die 1960 geborenen Frauen im Mittel aber nur 1,75 Kinder zur Welt bringen. Dieses Auseinanderklaffen zwischen Kinderwunsch und effektiver Kinderzahl erklärten sich die Autoren der Studie vor allem damit, dass die Frauen heute zwischen Beruf und Familie hin und hergerissen sind. Obgleich die Institution der Ehe nach wie vor hohe Wertschätzung geniesst - nur gerade 10% bezeichneten sie als veraltet - vermag sie doch immer weniger ein stabiles Familienleben zu garantieren. Die Scheidungsrate tendierte 1994 bereits gegen 40%.

Rückgang der Kinderzahl Institution der Ehe nach wie vor hohe Wertschätzung Scheidungsrate gegen 40%

Der Bundesrat nahm Ende Oktober einen vom BSV in Auftrag gegebenen Bericht "Familien mit alleinerziehenden Eltern" zur Kenntnis, der auf ein 1989 eingereichtes Postulat Segmüller (cvp, SG) zurückgeht. Der Bericht zeigte, dass in der Schweiz bei den Haushaltungen mit nur einem Elternteil in den letzten Jahren kein rascher Anstieg zu verzeichnen war. Heute setzen sich rund 83 000 Haushalte aus nur einem Elternteil und einem oder mehreren Kindern unter 20 Jahren zusammen. Hauptgrund für die Einelternsituation ist eine Scheidung oder eine Trennung. Die freiwillige aussereheliche Lebensgemeinschaft eines Elternteils mit seinen Kindern oder der Tod des Ehegatten sind weit weniger verbreitet. 85% der Einelternhaushalte werden von Frauen geführt. Die wirtschaftliche Situation von Einelternhaushalten ist oft prekär. Die finanzieLage dieser Familien hängt im Einzelfall von der materiellen und beruflichen Stellung sowie vom Grund ab, der zur Einelternfamilie geführt hat. Ein entscheidendes Problem stellt die ausserhäusliche Kinderbetreuung dar. Der Bericht kam einmal mehr zum Schluss, dass hier die dafür vorgesehenen Strukturen ungenügend sind.

Bericht "Familien mit alleinerziehenden Eltern" wirtschaftliche Situation oft prekär

Im Anschluss an diese Beratung nahm der Ständerat diskussionslos eine Motion seiner Rechtskommission an, welche den Bundesrat beauftragt, im Hinblick auf das Inkrafttreten des neuen Rechtes eine Broschüre über Eheschliessung und Eherecht zu verfassen. Diese soll den Verlobten bei ihrer Anmeldung im Zivilstandsamt unentgeltlich abgegeben werden.

Broschüre über Eheschliessung und Eherecht

Bei der Auflösung einer Ehe soll es künftig keine Schuldigen mehr geben. Diese Stossrichtung des neuen Scheidungsrechts, welches das geltende Gesetz aus dem Jahr 1907 ablösen soll, fand im Ständerat breite Zustimmung. In der Detailberatung nahm der Ständerat nur geringfügige Änderungen am Vorschlag des Bundesrates vor. Gegen den Willen der Landesregierung strich er die Verpflichtung für die Kantone, den scheidenden Ehepartnern Mediationsstellen zur Verfügung zu stellen. Die Bedeutung solcher Vermittlungsstellen im Scheidungsverfahren wurde zwar nicht bezweifelt, doch wollten die Standesvertreter den Kantonen keine neuen Pflichten aufbürden. Abweichend von Bundesrat und Kommission beantragte Forster (fdp, SG), die zweite Anhörung der Scheidungswilligen nach einer Bedenkfrist von zwei Monaten ersatzlos aufzuheben. Mit 26 zu 6 Stimmen nahm der Rat in diesem Punkt aber den Kompromissvorschlag seiner Kommission an, wonach die Ehegatten ihre Scheidungsabsicht zwei Monate nach der ersten Anhörung durch den Richter noch einmal bestätigen müssen, allerdings nur in schriftlicher Form. In der Gesamtabstimung wurde das neue Scheidungsrecht einstimmig angenommen.

Im Zuge dieser Revision wurden auch die Bestimmungen über die Eheschliessung im Zivilgesetzbuch (Art. 90 ff. ZGB) angepasst. Dabei machten sich Brunner (sp, GE) und Schmid (cvp, AI) in einer ungewohnten Allianz dafür stark, das Verbot einer religiösen Eheschliessung vor der Ziviltrauung abzuschaffen. Sie argumentierten, dieses Verbot sei ein Relikt aus der Zeit des Kulturkampfes. Bundesrat Koller bestritt diesen Zusammenhang nicht, wollte aber dennoch daran festhalten, da insbesondere Ausländerinnen und Ausländer oft dem Irrtum erlägen, sie seien nach einer religiösen Trauung mit allen Rechten und Pflichten verheiratet, was besonders beim Tod eines Partners schwerwiegende Folgen haben könne. Der Rat gab aber der Überwindung des Kulturkampfes den Vorrang und beschloss mit 21 zu 10 Stimmen die Aufhebung des Verbots. Gleichzeitig wurde auch das obligatorische Eheverkündigungsverfahren abgeschafft und durch ein einfacheres Vorbereitungsverfahren ersetzt.

Revision des Scheidungsrechts (4. Etappe der Familienrechtsrevision; BRG 95.079)

Der Bundesrat soll prüfen, wie die rechtlichen Probleme gleichgeschlechtlicher Paarbeziehungen beseitigt werden können. Bei der Behandlung einer diesbezüglichen, 1995 eingereichten Petition, beschloss der Nationalrat mit 68 gegen 61 Stimmen ein entsprechendes Postulat seiner Rechtskommission. Der Bundesrat war aber kurz zuvor auch schon von sich aus tätig geworden und hatte das Bundesamt für Justiz mit der Erstellung eines Berichts beauftragt, der die verschiedenen gesetzlichen Möglichkeiten aufzeigen soll, nach denen nicht konventionell verheiratete Paare zusammenleben. Die ebenfalls im Vorjahr eingereichte Petition aus EDU-Kreisen für die Förderung "gesunder" Familien und gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare wurde in seiner Hauptstossrichtung klar mit 92 zu 30 Stimmen abgelehnt; einzig der unbestrittene Teil der Petition (Schutz von Familie und Ehe) wurde dem Bundesrat zur Kenntnisnahme überwiesen.

gleichgeschlechtlicher Paarbeziehungen

Gegen den Willen von Bundesrätin Dreifuss, welche den Vorschlag als zu ambitioniert und als zu starke Belastung für die Verwaltung bezeichnete, nahm der Nationalrat in der Herbstsession nach kurzer Diskussion mit 79 zu 50 Stimmen eine Motion der CVP-Fraktion an, welche verlangt, dass inskünftig alle Gesetze auf ihre Familienverträglichkeit überprüft werden müssen .

Motion Familienverträglichkeit (94.3518)

Eine im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 35 ("Frauen in Recht und Gesellschaft") durchgeführte empirische Studie kam zum Schluss, dass die Frauen nach einer Scheidung materiell überwiegend schlechter dastehen als ihre Ex-Gatten. Das trifft ganz besonders auf jene Frauen zu, die während der Ehe nicht oder nur geringfügig erwerbstätig waren. Die Studie stellte fest, dass die finanziellen Auswirkungen und die jeweilige Belastung der Frau oder des Mannes stark mit der Einstellung der einzelnen Gerichte zur Gleichstellungsfrage zusammenhängen.

Frauen nach einer Scheidung materiell überwiegend schlechter dastehen

Der Kanton Tessin führte ein neues Familienzulagengesetz ein, das bedürftigen Familien mit Kindern unter drei Jahren existenzsichernde Familienzulagen garantiert. Der Grundgedanke hinter dem neuen Gesetz, das ab Juli 1997 in eine vierjährige Versuchsphase tritt, ist, dass die Geburt eines Kindes nicht Grund für Armut sein darf. Das neue System zeichnet sich durch zwei Elemente aus: Einerseits erhalten einkommensschwache Familien gezielte und massgeschneiderte Hilfe, andererseits entstehen durch ausgeklügelte finanztechnische Umlagerungen (Einsparungen bei der Sozialhilfe, verminderter Teuerungsausgleich auf den generellen Kinderzulagen) keine Mehrkosten für den Staat, und auch die Arbeitgeber werden nicht zusätzlich zur Kasse gebeten.

Kanton Tessin Unterstützung junger Familien

Die Rechtskommission des Nationalrates hiess mit 15 zu 5 Stimmen eine Änderung der Artikel 118-121 des Strafgesetzbuches gut, welche einen Schwangerschaftsabbruch in den ersten 14 Wochen und unter ärztlicher Aufsicht erlauben würde. Ein später vorgenommener Abbruch soll dann straffrei bleiben, wenn er praktiziert wird, um einen schweren körperlichen oder seelischen Schaden von der Frau abzuwenden. Den Anstoss zur Gesetzesrevision hatte eine parlamentarische Initiative Haering-Binder (sp, ZH) gegeben, welche der Nationalrat 1995 angenommen hatte.

Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuchs (Schwangerschaftsabbruch, BRG 93.434)

Als erste evangelisch-reformierte Kantonalkirche will jene von St. Gallen die homosexuelle Lebenspartnerschaft vorbehaltlos anerkennen und kirchlich segnen. In einem Bericht, der von interessierten Kreisen als einzigartig für eine Amtskirche in der Schweiz und im gesamten deutschsprachigen Raum bezeichnet wurde, kamen die Kirchenvertreter zur Überzeugung, dass kein theologischer Grund dagegen spricht, Menschen, die ernsthaft zusammenleben wollen, in einer gottesdienstlichen Feier zu segnen. Homosexuelle Mitmenschen seien zu ermutigen, sich zu ihrer Homosexualität zu bekennen und eine möglichst ganzheitliche und stabile Partnerbeziehung anzustreben. Eine Kommission wurde beauftragt, entsprechende Änderungen der Kirchenordnung vorzubereiten.

Kantonalkirche St. Gallen homosexuelle Lebensparnerschaft vorbehaltlos anerkennen