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Im Juli 2016 schickte der Bundesrat eine Änderung des Sprachengesetzes in die Vernehmlassung. Damit sollte die Harmonisierung des Fremdsprachenunterrichts in der obligatorischen Schule von Bundesseite verstärkt werden, womit der Bund jedoch in ein Hoheitsgebiet der Kantone eingreifen wollte. Der Bundesrat holte weit aus, um diesen Eingriff zu rechtfertigen. Mit der Volksabstimmung 2006 wurde die Bundesverfassung so geändert, dass zentrale Eckwerte des obligatorischen Schulwesens interkantonal harmonisiert werden. Unter die verfassungsrechtliche Bestimmung der Harmonisierung fällt auch der Sprachenunterricht. Die Kantone kamen dem Verfassungsauftrag mit dem HarmoS-Konkordat nach, das unter anderem regelt, dass die erste Fremdsprache spätestens ab dem 3. Schuljahr und eine zweite Fremdsprache spätestens ab dem 5. Schuljahr („Modell 3/5“) unterrichtet werden muss. Dieses Modell erfüllten 2016 23 Kantone, obwohl nur 15 dem HarmoS-Konkordat beigetreten sind. Einzig die Kantone Aargau, Uri und Appenzell-Innerhoden kamen dieser Vorgabe nicht nach, sie sind dem HarmoS-Konkordat allerdings auch nicht beigetreten. Der Bundesrat respektiere die erreichten Harmonisierungsfortschritte der Kantone, nehme aber zugleich zur Kenntnis, dass es in diversen Kantonen Vorstösse gebe, die „den Unterricht in einer zweiten Landessprache in der Primarschule ab dem Schuljahr 2017/18 in Frage stellen“, hiess es in der Vernehmlassungsvorlage. Solche Vorstösse gebe es in den Kantonen Basel-Landschaft, Glarus, Graubünden, Luzern, St. Gallen, Thurgau und Zürich und sie würden tendenziell die bereits erreichte Harmonisierung gefährden, so die Beurteilung des Bundesrates. Vor diesem Hintergrund sah der Bundesrat den Bund in der Pflicht, sprachenpolitisch einzugreifen. Er schickte drei Varianten in die Vernehmlassung. Variante 1 würde das Sprachengesetz so abändern, dass der Unterricht einer zweiten Landessprache spätestens zwei Jahre vor Ende der Primarschule (also ab dem 5. Primarschuljahr) beginnen muss (gleicher Wortlaut wie die parlamentarische Initiative 14.459). Variante 2 würde das Modell 3/5 des HarmoS-Konkordats im Gesetz verankern. Die dritte Variante stellte die sanfteste Intervention dar und wurde vom Bundesrat bevorzugt: Hier wird den Kantonen vorgeschrieben, dass der Unterricht in der zweiten Landessprache in der Primarschule beginnen und bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit andauern soll. Die Medien sprachen indes von einer „Drohkulisse“, die Innenminister Berset mit dem neuen Gesetz aufbauen wolle, um die einzelnen kantonalen Vorlagen in die vom Bundesrat gewünschte Richtung zu lenken. Bereits im Juni 2016 stellte die EDK in einem Brief an Bundesrat Berset klar, dass sie vor dem Hintergrund, dass über 20 Kantone das Modell 3/5 umgesetzt hätten, eine Intervention des Bundes für unverhältnismässig halte. Die kantonalen Erziehungsdirektoren beurteilten das Vorgehen des Bundesrates auch als wenig opportun: Eine allfällige Volksabstimmung über dieses Gesetz könnte zu einer „nationalen Zerreissprobe“ werden, monierten sie.

Rund fünf Monate später krebste der Bundesrat zurück. Er gab im Dezember 2016 nach Beurteilung der Vernehmlassungsantworten bekannt, dass er seine Bestrebung, das Sprachengesetz zu ändern, vorerst auf Eis legen werde. Die grosse Mehrheit der Kantone und ein Teil der Parteien hätten im Vernehmlassungsverfahren geantwortet, dass sie eine Intervention des Bundes für „verfrüht, unverhältnismässig und politisch nicht opportun“ hielten. Der Bundesrat kam zum Schluss, dass damit die Voraussetzungen für eine Regelung auf Bundesebene nicht gegeben seien. Berset verwies während der Pressekonferenz auch auf positive Entwicklungen in den Kantonen im Verlaufe des Herbstes 2016. Im Kanton Thurgau etwa beschloss die Kantonsregierung im September, dass das Parlament erneut über eine Vorlage abstimmen muss, die es eigentlich im April 2016 bereits in die Vernehmlassung geschickt hatte und mit welcher der Französischunterricht von der Primarschule in die Sekundarschule verschoben werden sollte. Zudem gab es im Herbst Abstimmungen in den Kantonen Schaffhausen, St. Gallen und Thurgau, deren Ausgang als Bekenntnis dieser Kantone zum Lehrplan 21 und zum HarmoS-Konkordat gewertet wurden. Der Bundesrat behielt sich aber vor, die Voraussetzungen für eine Intervention des Bundes neu zu prüfen, sollte ein Kanton entscheidend von der harmonisierten Lösung in der Sprachenfrage abweichen, etwa durch den Beschluss, eine zweite Landessprache nicht ab der Primarstufe oder nicht durchgehend bis zum Ende der obligatorischen Schulzeit zu unterrichten. Damit blickte Berset in erster Linie auf das Jahr 2017, denn auch in diesem Jahr wird das Frühfranzösisch in einigen Kantonen direkt oder indirekt zur Abstimmung kommen. In diesem Sinne blieb „eine reduzierte Drohkulisse“ (NZZ) des Bundes bestehen. Die EDK zeigte sich erfreut über den Entscheid des Bundesrates, die Pläne einer Revision des Sprachengesetzes vorerst wieder in der Schublade zu versorgen.

Änderung des Sprachengesetzes
Dossier: Bestrebungen zur Ausarbeitung eines Sprachengesetzes

Im Parlament war die Kulturbotschaft 2016–2020 weniger umstritten als die Vernehmlassungsergebnisse des Vorjahres vermuten liessen – gemäss der NZZ waren die Debatten gar "andächtig ruhig wie in einem Museum". National- und Ständerat zeigten sich durchgehend einig, schätzten die vorliegende Botschaft grossmehrheitlich als ausgewogen ein und schickten keinen der zehn beratenen Entwürfe in die Differenzbereinigung. Während jedoch die bundesrätlichen Beschlüsse zu den Zahlungsrahmen in den Bereichen Film (CHF 253,9 Mio.), Kulturgütertransfer (CHF 3,9 Mio.), Heimatschutz und Denkmalpflege (CHF 132,6 Mio.), Nationalmuseum (CHF 160,6 Mio.), Sprachen und Verständigung (CHF 75,5 Mio.), Schweizerschulen im Ausland (CHF 110,1 Mio.) sowie für Pro Helvetia (CHF 210,9 Mio.) im Parlament eine Mehrheit fanden, wich das gesetzgebende Organ betreffend Finanzhilfen des BAK leicht vom Entwurf des Bundesrates ab. In letzterem Bereich beschloss der erstberatende Ständerat auf Anraten seiner Kommissionsmehrheit eine Aufstockung der Mittel für Museen und Sammlungen um CHF 3 Mio. zur Förderung der Chancengleichheit bei der Mittelvergabe. Erfolglos wehrten sich bürgerliche Parlamentarier – und dabei in erster Linie und grossmehrheitlich SVP-Vertreter – gegen die Aufstockung der gesamten Mittel um 3,4% im Vergleich zur Kulturbotschaft 2012–2015; entsprechende Minderheiten Germann (svp, SH) und Müri (svp, NR) mit dem Antrag auf Rückweisung und Plafonierung der Mittel auf dem Stand der Vorperiode wurden in beiden Räten deutlich abgelehnt. Dasselbe Schicksal ereilte in der Kantonskammer ein Rückweisungsantrag Föhn (svp, SZ), welcher mit der Kulturbotschaft eine Zentralisierung der Kulturförderung befürchtete und dem Antrag der Minderheit Germann (svp, SH) unterlag. In seinen ausführlichen Stellungnahmen machte Bundesrat Berset unter anderem deutlich, dass es hier in erster Linie um eine bessere Koordination zwischen den verschiedenen Entscheidungsebenen gehe und keinesfalls um eine Bevormundung aus Bundesbern. Weitere Rednerinnen und Redner rechtfertigten die Mittelerhöhung ferner mit der Ausweitung der Kulturförderung auf zusätzliche Bereiche, die zum einen auf in der Zwischenzeit vom Parlament gefasste Beschlüsse zurückgehen, denen zum anderen jedoch auch ein Verfassungsauftrag zugrunde liegt: So soll mit der Kulturbotschaft der im Jahr 2012 angenommene Gegenvorschlag zur Volksinitiative "jugend+musik" umgesetzt werden. Die entsprechende Änderung des Kulturförderungsgesetzes passierte den Ständerat mit 39 zu 6 und den Nationalrat mit 136 zu 51 Stimmen in der Sommersession relativ unproblematisch. Dass die Kultur auch in finanziell angespannten Zeiten etwas kosten darf – und dabei sogar noch etwas mehr im Vergleich zur vergangenen Vierjahresperiode – stiess in den Medien auch auf negative Resonanz. Als Sprachrohr der Ostschweiz freute sich hingegen das St. Galler Tagblatt (SGT): Von den zusätzlichen CHF 3 Mio. für Museen und Sammlungen sollen auch solche Institutionen profitieren, die bis anhin noch nicht in den Genuss von Fördergeldern gekommen sind. Die Vergabe der Gelder soll neu nach klar festgelegten Kriterien erfolgen. Das SGT rechnete der Stiftsbibliothek St. Gallen hier künftig grosse Chancen für finanzielle Unterstützung ein.

Kulturbotschaft 2016-2020 (BRG 14.096)
Dossier: Cultura quo vadis? Die Botschaften über die Förderung der Kultur im Überblick

Im Februar richtete der Bundesrat die Botschaft zur Förderung der Kultur in den Jahren 2012–2015 an die Räte, die diese in der Herbstsession des Berichtsjahrs verabschiedeten. Beantragt wurden acht Kredite über eine Gesamthöhe von 637,9 Mio. CHF zugunsten des Heimatschutzes und der Denkmalpflege, des Kulturgütertransfers, des Films, der Landessprachen, des Bundesamts für Kultur (BAK), der Stiftung Pro Helvetia, der Nationalmuseumsgruppe und der Nationalphonothek. Beide Räte beschlossen Eintreten ohne Gegenantrag. Die Kommission für Bildung und Wissenschaft (WBK-SR) schlug dem Ständerat als Erstrat einstimmig weitere Ausgaben in der Höhe von 50,6 Mio. CHF vor. Begründet wurde diese Empfehlung unter anderem mit dem Hinweis, dass die Ausgaben der öffentlichen Hand für die Kulturförderung mit total 2,24 Mio. CHF nur 0,43% des BIP betragen und an Bundesmitteln lediglich 0,4 Prozent aus dem Gesamthaushalt in die Kultur fliessen. Die zusätzlichen Mittel sollten dabei an den Heimatschutz und die Denkmalpflege, die Filmförderung, das BAK sowie die Stiftung Pro Helvetia gehen. Die Hälfte der Kredite, die knapp 3 Mio. CHF für den Kulturgütertransfer sowie die Mittel zugunsten der Sprachförderung, der Schweizerischen Landesphonothek und die Institutionen des Schweizerischen Nationalmuseums, wurden problemlos gesprochen. Die restlichen vier Kulturkreditvorlagen, tangiert durch die zusätzlich beantragte Mittelerhöhung, erfuhren Abänderungen, die im Folgenden besprochen werden.
Für den Heimatschutz und die Denkmalpflege, die der Bund und die Kantone gemäss NFA als Verbundaufgabe wahrnehmen, hatte der Bundesrat einen Rahmenkredit von 85 Mio. CHF vorgeschlagen. Die ständerätliche WBK machte eine grosse Differenz zwischen dem Mittelbedarf für den Denkmalschutz und den nach Einführung des NFA dafür budgetierten Bundesgeldern aus. Da diese sich in den letzten Jahren regelmässig als ungenügend erwiesen hätten, veranschlagte sie eine Erhöhung des Etats um 20 Mio. CHF, vor allem zugunsten der Denkmalpflege. Einstimmig winkte die Kleine Kammer den erhöhten Rahmenkredit durch. Im Nationalrat veranlasste eine starke links-grüne Kommissionsminderheit gar die Aufstockung um 30 Mio. auf insgesamt 125 Mio. CHF. Auf Betreiben seiner Fiko widersetzte sich der Ständerat dem Nationalrat in der Differenzbereinigung. Worauf Letzterer die bescheidenere Mittelerhöhung knapp akzeptierte.
Für die Filmförderung wollte die WBK-SR den vom Bundesrat vorgesehenen Rahmenbetrag um weitere 10 Mio. auf 158 Mio. CHF aufstocken. Den zusätzlichen Mittelbedarf sah sie durch die Übertragung der projektbezogenen Filmförderung von Pro Helvetia an das BAK, durch steigende Ausgaben bei der erfolgsabhängigen Filmförderung (Succès cinéma) und die geplanten Unterstützungsleistungen für die Umstellung kleiner Kinos auf die digitalisierte Projektion begründet. Widerspruch erfuhr das Ansinnen erneut von Mitgliedern der Fiko. Es wurde darauf hingewiesen, dass das Wachstum der Bundesausgaben unter Beachtung der Schuldenbremse derzeit höchstens drei Prozent betragen dürfte, sich die diskutierten Ausgaben für den Kulturbereich aber im Rahmen von acht Prozent bewegten, ohne in anderen Ausgabenbereichen kompensiert zu werden. Mit 26 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung wurde die Teilvorlage aber im Sinn der WBK-SR angenommen. Auf Antrag einer linksgrünen Kommissionsminderheit, die durch jeweils starke CVP- und FDP-Mehrheiten unterstützt wurde, folgte der National- dem Ständerat.
Zum Zahlungsrahmen für die vom BAK ausgerichteten Finanzhilfen, den die WBK-SR um weitere 12 Mio. auf 112 Mio. CHF erhöhen wollte, lagen dem Erstrat drei Minderheitsanträge vor. Dabei waren die Ständeräte sich sowohl uneinig über die Höhe allfälliger Mehrausgaben als auch über deren potenzielle Adressaten. Keiner der Vorschläge, darunter ein Unterstützung des Alpinen Museums in Bern, war mehrheitsfähig. Dem Zweitrat lagen zum BAK-Zahlungsrahmen sechs Minderheitsanträge vor. Zu den bereits im Ständerat vorgebrachten Anliegen gesellte sich neben weiteren ein Finanzierungsbegehren für die in Basel domizilierte Stiftung Sportmuseum Schweiz. Durchzusetzen vermochten sich mit deutlicher Unterstützung auch des bürgerlichen Lagers die Anträge zugunsten des Sport- sowie des Alpinen Museums. Das dermassen abgeänderte Teilgeschäft wurde schliesslich auch vom Ständerat deutlich angenommen.
Mit der Aufgabenverschiebung zwischen dem BAK und Pro Helvetia übernahm letztere mit der Fotografie- und Nachwuchsförderung sowie der Kulturvermittlung zusätzliche Pflichten in der Kulturförderung. Deshalb beantragte die WBK-SR ihrem Rat die Erhöhung des vom Bundesrat vorgesehenen Zahlungsrahmens um 8,6 Mio. auf 149 Mio. CHF. Der Kommissionsantrag setzte sich denkbar knapp, mit 19 zu 18 Stimmen, gegen den Vorschlag des Bundesrats durch. Der Nationalrat hingegen bevorzugte den moderateren Zahlungsrahmen des Bundesrats. In der Differenzbereinigung entschied der Ständerat erneut äusserst knapp. Er schloss sich nun aber mit 18 zu 17 gegen seine Kommission, die Festhalten empfohlen hatte, dem Nationalrat an. Angenommen wurde die Teilvorlage schliesslich mit 23 zu zehn Stimmen bei vier Enthaltungen.

Kulturbotschaft 2012-2015 (BRG 11.020)
Dossier: Cultura quo vadis? Die Botschaften über die Förderung der Kultur im Überblick

Ende April löste die Ankündigung des Bundesrates, vorab aus finanzpolitischen Gründen auf das seit Jahren angestrebte Sprachengesetz zu verzichten, in den mehrsprachigen Kantonen, aber auch im Bundeshaus heftige Reaktionen aus. Im Nationalrat wurden dazu umgehend mehrere Vorstösse eingereicht, welche allerdings im Berichtsjahr vom Plenum noch nicht behandelt wurden. Eine Motion der Grünen (04.3242) sowie eine Motion von Abate (fdp, TI) (04.3217) wollen den Bundesrat verpflichten, auf seinen Entscheid zurückzukommen. Levrat (sp, FR) (04.429) möchte sogar, dass das Parlament das Heft selber in die Hand nimmt, weshalb er eine diesbezügliche parlamentarische Initiative deponierte, die Ende Jahr von den WBK-NR angenommen wurde. Bei der Behandlung des Bundesbeschlusses über die Legislaturplanung in der Sommersession nahm der Nationalrat das Vorhaben Sprachengesetz mit 105 zu 39 Stimmen wieder als verbindliches Ziel auf. Der Ständerat begnügte sich damit, die Förderung der Verständigung unter den Sprachgemeinschaften festzuschreiben, verzichtete aber auf die explizite Forderung nach einem Sprachengesetz. Da der Nationalrat schliesslich die Legislaturplanung ablehnte, wurde der verbindliche Auftrag zur Makulatur.
Im Auftrag des Bundesrates lässt der Nationalfonds die Sprachkompetenz der Bevölkerung erfassen und Grundlagen für eine moderne Sprachenpolitik ausarbeiten. Er schrieb ein mit CHF 8 Mio. dotiertes NFP aus, das bis 2008 abgeschlossen sein soll.

Bundesrat beschliesst 2004 vorläufigen Verzicht auf ein Sprachengesetz
Dossier: Bestrebungen zur Ausarbeitung eines Sprachengesetzes

Der Entwurf zum Sprachengesetz wurde in der Vernehmlassung tendenziell positiv aufgenommen, weshalb der Bundesrat dem EDI den Auftrag erteilte, auf dieser Basis und in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Botschaft auszuarbeiten. Die Notwendigkeit zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage war bei den Kantonen unbestritten, doch lehnten sie alle Vorschläge ab, welche ihre Kompetenzen in den Bereichen Schule und Bildung tangieren könnten. Mit Ausnahme der SVP, die keinen Gesetzgebungsbedarf sah, hiessen alle Parteien ein Sprachengesetz grundsätzlich gut. Breite Zustimmung fanden die Abschnitte über die Amtssprachen des Bundes, über die Förderung der mehrsprachigen Kantone sowie des Rätoromanischen und Italienischen. Die Bundesratsparteien forderten darüber hinaus eine angemessene Vertretung der Sprachregionen in der Bundesverwaltung. Unterschiedlich wurde der Abschnitt über die Förderung der Verständigung und des Austauschs beurteilt. Während SP, Grüne und EVP hier dem Bund durchaus eigene Kompetenzen einräumen wollten, äusserten sich FDP und CVP aus föderalistischen sowie finanzpolitischen Gründen eher zurückhaltend. Allgemein gut aufgenommen wurde der vorgesehene Austausch von Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften zwischen den Sprachregionen. Mehrere Vernehmlassungsteilnehmer bedauerten, dass sich der Entwurf nicht zur Frage der Landessprachen als erste Fremdsprache im Unterricht und damit zu der Kontroverse über das Frühenglisch äussert. Drei französischsprachige und drei zweisprachige Kantone (GE, NE, JU, VS, FR und BE), drei Parteien (Grüne, EVP, SD) sowie die Erziehungsdirektorenkonferenz der Suisse romande und des Tessins verlangten eine Regelung im Sinn der Festschreibung einer Landessprache als erste Fremdsprache. Die SP begrüsste zwar eine Landessprache als erste Fremdsprache, äusserte jedoch Verständnis dafür, dass diese Frage nicht im Sprachengesetz geregelt werden kann. CVP und SVP waren hingegen der Meinung, die Frage des Frühenglisch sei Sache der Kantone. Auf keine Unterstützung stiess die vorgesehene Bundeskompetenz, Immigranten Kurse in heimatlicher Sprache und Kultur anzubieten. Die Parteien waren sich einig, dass eine derartige Bestimmung nicht in ein Gesetz über die Landessprachen gehört.

Bundesrat beschliesst 2004 vorläufigen Verzicht auf ein Sprachengesetz
Dossier: Bestrebungen zur Ausarbeitung eines Sprachengesetzes

Die neue Bundesverfassung (Art. 70) garantiert die Sprachenfreiheit und die Gleichbehandlung der vier Landessprachen. Ein eigentliches Sprachengesetzsoll die Mehrsprachigkeit als wichtiges Wesensmerkmal des Landes sowie die Sprachkompetenz seiner Bewohner fördern. Ende Oktober präsentierte Bundesrätin Dreifuss den lange erwarteten Gesetzesentwurf, der in eine breite Vernehmlassung geschickt wurde. Zu den vorgeschlagenen Massnahmen gehören die Förderung von Kenntnissen in mehreren Landessprachen, der verstärkte Austausch von Lernenden und Lehrkräften aller Bildungsstufen, die Schaffung eines Zentrums für Mehrsprachigkeit, die subsidiäre Unterstützung von Initiativen zur besseren gegenseitigen Verständigung sowie eine verbesserte Integration fremdsprachiger Ausländerinnen und Ausländer. Aufgeführt werden auch die bereits praktizierte Unterstützung der rätoromanischen und italienischen Sprache sowie (neu) der mehrsprachigen Kantone Bern, Freiburg, Graubünden und Wallis. Bei der Vorstellung des Entwurfs bezeichnete Dreifuss die Stärkung der vier Landessprachen als eine wichtige Investition in die «fragile Willensnation» Schweiz. In der Ausarbeitung des Gesetzes habe sich jedoch gezeigt, dass in den politischen Debatten die Befürchtungen vor allem in Bezug auf die Kompetenzausgestaltung zwischen Bund und Kantonen grösser seien als der Enthusiasmus.

Bundesrat beschliesst 2004 vorläufigen Verzicht auf ein Sprachengesetz
Dossier: Bestrebungen zur Ausarbeitung eines Sprachengesetzes

Bei der Präsentation der Legislaturplanung 1999-2003 unterstrich der Bundesrat seinen Willen, den sprachpolitischen Auftrag des 1996 angenommenen neuen Sprachenartikels der Bundesverfassung in einem Sprachengesetz (Verständigungs- und Amtssprachengesetz) umfassend zu konkretisieren. Die Botschaft, die eigentlich für das Berichtsjahr vorgesehen war, konnte noch nicht verabschiedet werden. Fragen der verfassungsmässigen Zuständigkeit sowie Koordinationsschwierigkeiten unter kantonalen Gremien führten bei der Vorbereitung des Gesetzesentwurfs zu erheblichen Verzögerungen. Um die noch offenen Fragen zu klären, wurde eine paritätische Arbeitsgruppe «Sprachengesetz» aus Vertretern von Bund und Kantonen eingesetzt.

Bundesrat beschliesst 2004 vorläufigen Verzicht auf ein Sprachengesetz
Dossier: Bestrebungen zur Ausarbeitung eines Sprachengesetzes

Der Voranschlag 1999 des Bundesrates sah vor, auch die Beiträge des Bundes an die Förderung von Kultur und Sprache im Kanton Graubünden der dreiprozentigen Kreditsperre zu unterstellen. Obgleich Bundesrat Villiger aus Gründen der Konsequenz darum bat, bei aller Sympathie für die Anliegen der rätoromanischen Bevölkerung hier keine Ausnahme zu machen, beschloss der Nationalrat dennoch – wenn auch nur knapp mit 76 zu 70 Stimmen – die Subvention nicht zu kürzen. Im Ständerat setzte sich der Bündner Maissen (cvp) vorerst vergebens für die Belange seines Kantons ein. Mit 17 zu 13 Stimmen wurde sein Antrag auf Ausrichtung der vollen Summe abgelehnt. Als dann der Nationalrat aber mit der deutlichen Mehrheit von 88 zu 38 Stimmen an seinem ersten Entscheid festhielt, schwenkte auch die kleine Kammer ein.

Förderung von Kultur und Sprache im Kanton Graubünden

Mehr zu reden gab der eigentliche Sprachenartikel (Art. 70). Der Ständerat wollte den von der Landesregierung vorgeschlagenen speziellen und weiter hinten in der Verfassungssystematik angesiedelten Artikel, der die Amtssprachen des Bundes definiert, als Abs. 1 hier aufnehmen. Der Nationalrat ging auf dieses Anliegen vorerst nicht ein, stimmte in 2. Lesung dann aber zu. Inhaltlich wurden die Bestimmungen der geltenden Verfassung übernommen, wonach die Amtssprachen des Bundes Deutsch, Französisch und Italienisch sind, im Verkehr mit Personen rätoromanischer Sprache auch Rätoromanisch.

In beiden Räten hatten bereits die Kommissionen vorgeschlagen, als Gegenstück zur Sprachenfreiheit für den Bereich der Amtssprachen das Territorialitätsprinzip in Abs. 2 festzuschreiben, welches der Bundesrat lediglich im Satz hatte subsummieren wollen, dass die Kantone bei der Festsetzung der Amtssprachen den Sprachfrieden zu wahren haben. Bei zwei fast analogen Formulierungen setzte sich (allerdings erst in der Einigungskonferenz) schliesslich jene des Nationalrates durch, welche die Kantone verpflichtet, zur Wahrung des Einvernehmens zwischen den Sprachgemeinschaften auf die herkömmliche sprachliche Zusammensetzung der Gebiete zu achten und Rücksicht auf die angestammten sprachlichen Minderheiten zu nehmen.

Unbestritten waren die beiden Absätze, wonach Bund und Kantone die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften fördern (Abs. 3) und der Bund Massnahmen der Kantone Graubünden und Tessin zur Erhaltung und Förderung der rätoromanischen und der italienischen Sprache unterstützt (Abs. 5). Einzig im Nationalrat wurde zu Abs. 3 ein persönlicher Antrag Berberat (sp, NE) gestellt, der die Kantone verpflichten wollte, im Bereich der Volksschule sicherzustellen, dass die neben der Amtssprache des Kantons oder des betreffenden Gebiets unterrichtete Zweitsprache eine Landessprache ist. Als unzulässiger Eingriff in die Schulhoheit der Kantone wurde dieser Antrag mit 90 zu 66 Stimmen abgelehnt.

Ebenfalls im Nationalrat wurde ein Minderheitsantrag Jutzet (sp, FR) für einen zusätzlichen Abs. 4 eingereicht, der vor allem von Abgeordneten aus den zweisprachigen Kantonen Freiburg und Wallis mitgetragen wurde. Er verlangte, dass der Bund die mehrsprachigen Kantone bei der Erfüllung ihrer besonderen Aufgaben unterstützt. Bundesrat Koller warnte vergeblich, mit dieser neuen Bundeskompetenz werde über die Nachführung hinaus gegangen. Die Anerkennung der besonderen Brückenfunktion der mehrsprachigen Kantone überwog; mit 81 zu 77 Stimmen wurde dem neuen Absatz zugestimmt. Im Ständerat wurde in zweiter Lesung dieser Antrag vom Freiburger Aeby (sp) eingebracht und mit 18 zu 15 Stimmen angenommen.

Amtssprachen und Sprachenfreiheit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Der Kanton Zürich startete einen Pilotversuch mit Frühenglisch und Informatik ab der 1. Klasse der Primarschule. Die Erziehungsdirektion begründete dies mit der Globalisierung von Wirtschaft und Kommunikation und den daraus resultierenden erhöhten Ansprüchen in diesen Bereichen. In der Romandie wurde der Schritt hingegen mit Entrüstung aufgenommen. Die nationalrätliche Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur hielt einstimmig fest, aus staatspolitischen Gründen sollte die erste Fremdsprache eine Landessprache sein; unbestritten war, dass dem Englischen ein angemessener Platz eingeräumt werden muss. Der Bundesrat, der auf einen Rekurs gegen das Zürcher Pilotprojekt nicht eintrat, nahm die Angelegenheit gelassener und ermahnte die Zürcher Behörden lediglich, darüber zu wachen, dass der Französischunterricht ab der 5. Klasse beibehalten und im gesamten Lehrplan die ihm zukommende Bedeutung erfahre.

Zürich Pilotversuch mit Frühenglisch

Bei der Beratung über die neue Bundesverfassung war in beiden Kammern der Vorschlag des Bundesrates, die Sprachenfreiheit im Grundrechtskatalog (Art. 18) zu verankern, unbestritten. Zuhanden der Materialien präzisierte der Ständerat aber, dass auch dieses Grundrecht, das in erster Linie das Recht auf Gebrauch der Muttersprache im privaten Rahmen meint, gewissen Schranken unterstellt ist. Im Verhältnis zum Staat besteht die gewichtigste Einschränkung in den vorgeschriebenen Amtssprachen des Bundes, des Kantons, des Bezirks oder der betreffenden Gemeinde.

Amtssprachen und Sprachenfreiheit in der revidierten Bundesverfassung (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

Angesichts der überaus neutralen Formulierung des neuen Sprachenartikels, der auf die beiden Reizworte «Sprachenfreiheit» und «Territorialitätsprinzip» schliesslich verzichtet hatte, ergab sich im Vorfeld der Abstimmung keine nennenswerte Opposition. Einzig die Delegierten der FP meinten, es sei unnötig, für die rätoromanische Sprache Bundesgelder einzusetzen; dies sei allein Sache des Kantons Graubünden. Die SD ihrerseits vermissten im neuen Sprachenartikel die klare Festschreibung des Territorialitätsprinzips. Alle anderen Parteien gaben - mit Ausnahme einiger weniger Kantonalsektionen - klar die Ja-Parole aus.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Beide Kammern stimmten dann ohne längere Diskussionen dem revidierten Bundesgesetz über Beiträge an die Kantone Graubünden und Tessin zur Förderung deren Kultur und Sprache zu. Das neue Gesetz, welches dasjenige von 1983 ersetzt, schafft bessere Rahmenbedingungen für die Unterstützung der beiden Kantone in ihren Bemühungen um die Spracherhaltung und für einen flexibleren und effizienteren Vollzug der für die Förderung von Sprache und Kultur notwendigen Massnahmen. Die Finanzhilfe des Bundes soll für Graubünden von CHF 3.75 Mio. auf CHF 5 Mio. im Jahre 1996 erhöht werden, wogegen die Subvention an den Kanton Tessin unverändert CHF 2.5 Mio. betragen wird.

Unterstützung der romanischen Presse Nachrichtenagentur

Die Kommission legte dem Plenum schliesslich eine Variante vor, welche in den wesentlichen Punkten jener des Nationalrates entsprach. Aus Rücksicht auf die nach wie vor bestehenden Germanisierungsängste der Romandie schwächte sie aber die Kompetenz des Bundes, zur Erhaltung gefährdeter Landessprachen Massnahmen ergreifen zu können, in eine Bestimmung ab, welche diese Massnahmen allein auf das Italienische und das Rätoromanische beschränkt. Mehrere Redner wie auch Bundesrätin Dreifuss unterstrichen, dass damit alle Anforderungen der Motion Bundi aus dem Jahr 1986 erfüllt seien, worauf die Vorlage oppositionslos angenommen wurde. Da auch der Nationalrat angesichts der weit gediehenen Annäherung stillschweigend auf die noch einmal etwas moderatere Version des Ständerates einschwenkte, konnte die Verfassungsrevision noch in der laufenden Legislatur verabschiedet werden.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

In der Kommission des Ständerates überwogen dann wieder die Stimmen jener, welche auf die Revision ganz verzichten wollten. Sie argumentierten, zur Diskussion stehe nur noch eine "ausgedörrte" Version des ursprünglichen Sprachenartikels, über die sich eine Abstimmung von Volk und Ständen nicht mehr lohne. Im Plenum beharrte der Thurgauer Onken (sp) aber darauf, dass in der Kommission noch einmal nach einer Lösung gesucht werden müsse. Sonst mache sich der Ständerat mitschuldig, ein Wesensmerkmal der Schweiz, die Viersprachigkeit, herabzuwürdigen. Der Bündner Brändli (svp) doppelte mit der Erklärung nach, die Romanen hätten grosse Hoffnungen in die Revision gesetzt. Abbrechen wäre ein Schritt in Richtung einer zwei- oder zweieinhalbsprachigen Schweiz. Der Rat folgte dem Aufruf und wies die Vorlage mit 32 gegen 5 Stimmen zwecks Konsensfindung an seine Kommission zurück.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Nach vierjähriger Beratung zeichnete sich im letzten Moment eine Rettung für den revidierten Sprachenartikel in der Bundesverfassung (Art. 116 BV) ab. Zwar beantragte auch im Nationalrat eine Minderheit der vorberatenden Kommission unter dem Grünen Schmid (TG), die Vorlage bis zur Totalrevision der Bundesverfassung auf sich beruhen zu lassen, weil der vorliegende Mini-Artikel substanzlos sei und keine Volksabstimmung rechtfertige. Zudem erhalte der revidierte Sprachenartikel nichts, was nicht jetzt schon garantiert sei.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Die Mehrheit der Kommission für Wissenschaft und Kultur plädierte hingegen für die von ihr weiterentwickelte Kompromisslösung, welche auf die bisher zur Diskussion stehenden beiden Reizworte "Sprachenfreiheit" und "Territorialitätsprinzip" verzichtet und sich auf die Anerkennung des Rätoromanischen als Teilamtssprache sowie die Formulierung beschränkt, dass Bund und Kantone die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachgemeinschaften zu fördern haben. Zudem sollte der Bund nun generell auf Verfassungsebene jene Kompetenz erhalten, die er in den Kantonen Graubünden und Tessin faktisch ohnehin längst wahrgenommen hat, nämlich subsidiär zu den Kantonen besondere Massnahmen zur Erhaltung und Förderung bedrohter Landessprachen zu treffen.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Kommissionssprecher Bundi (sp, GR) unterstrich, dass die jüngste Kompromissvariante gegenüber jener des Ständerates zwei neue Elemente enthalte. Bund und Kantone erhielten erstens nicht nur die Kompetenz, sondern die Verpflichtung, bedrohte Landessprachen zu fördern und zu retten, wobei allerdings das Subsidiaritätsprinzip gewährleistet bleibe, da der Bund nichts gegen den Willen der Kantone unternehmen könne. Zweitens werde die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften zu einem verfassungsrechtlichen Prinzip erhoben. Wie bereits im Vorschlag des Ständerates vorgesehen, erhalte die rätoromanische Sprache den neuen Status einer Teilamtssprache.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Bundesrätin Dreifuss bezeichnete diese bisher letzte Version ebenfalls als grossen Fortschritt. Auch wenn der Artikel nüchtern aussehe, biete er doch ein gutes Fundament, das es dem Bund erlaube, vermehrt für den Zusammenhalt unter den Sprachregionen zu sorgen. Einig war sich die Mehrheit des Nationalrates, dass dieser schlanke Artikel vor dem Volk Bestand haben sollte, weil er auf die beiden sensiblen Begriffe der Sprachenfreiheit und des Territorialitätsprinzips verzichtet. Selbst die anfänglich sehr skeptischen Abgeordneten aus der Romandie konnten dem neuen Verfassungsartikel schliesslich zustimmen, so dass dieser deutlich gutgeheissen wurde.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Der Bundesrat zeigte sich offen für die Anliegen der Rätoromanen. In Anbetracht der Dringlichkeit von zusätzlichen Massnahmen gab er Ende Jahr seine Absicht bekannt, noch vor Abschluss der parlamentarischen Beratungen über den Sprachenartikel der Bundesverfassung eine Revision des Beitragsgesetzes zur Förderung der rätoromanischen und italienischen Kultur in die Wege zu leiten. Gemäss der Gesetzesrevision soll neu auch die Unterstützung der rätoromanischen Presse und des Verlagswesens in der italienisch- und rätoromanischsprachigen Schweiz ermöglicht werden, doch wird ein Engagement der Kantone und von Privaten vorausgesetzt. Nach dem Revisionsentwurf soll die Finanzhilfe des Bundes höchstens 75% der Gesamtkosten betragen, die Eigenleistung der Kantone mindestens 25%. Gleichzeitig mit der Gesetzesänderung sieht der Bundesrat eine Erhöhung der Bundesbeiträge an den Kanton Graubünden vor. Von 4 Mio Fr. im Budget 1995 (250'000 Fr. mehr als 1994) sollen die Beiträge in den folgenden drei Jahren auf 5 Mio Fr. steigen. Die Subventionen an den Kanton Tessin bleiben mit 2,5 Mio Fr. unverändert.

Bundesrat will rätoromanische Presse fördern

Unter dem Eindruck der Volksabstimmung zum Kulturförderungsartikel, welche einmal mehr einen Graben zwischen deutscher und welscher Schweiz offenbart hatte, geriet dann aber die gesamte Vorlage ins Rutschen. Ständerat Iten (fdp, ZG) stellte den Antrag, die Übung kurzerhand abzubrechen. Er warnte vor einem Abstimmungskampf, der komplexe Sachverhalte vermitteln müsste und leicht irrationale Ängste schüren könnte, und meinte, der heute fragile, aber immerhin bestehende Sprachfriede müsse eindeutig vor eine generell zu ambitiös geratene Neufassung des Sprachenartikels gesetzt werden. Zudem könne das ursprüngliche Anliegen, das zu den Revisionsarbeiten geführt habe, nämlich der Schutz und die Besserstellung des Rätoromanischen auch mit dem bestehenden Verfassungsartikel in die Tat umgesetzt werden.

Aus Sorge, die Rätoromanen könnten sich durch eine Nullösung desavouiert fühlen, brachten die beiden Romands Cavadini (lp, NE) und Petitpierre (fdp, GE) eine Minimalvariante als weitere Kompromisslösung ein. Sie bezeichnet das Deutsche, Französische, Italienische und Rätoromanische als Nationalsprachen der Schweiz und gibt dem Bund die Möglichkeit, auf Begehren der betroffenen Kantone Massnahmen zur Erhaltung des überlieferten Gebietes bedrohter sprachlicher Minderheiten zu unterstützen. Die beiden Bündner Abgeordneten Cavelty (fdp) und Gadient (svp) stellten den Zusatzantrag, das Rätoromanische sei wie im ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates zur Teilamtssprache zu erheben. Auf der Strecke blieb bei dieser Minimallösung die Kompetenz des Bundes, allein oder in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Verständigung unter den Sprachgemeinschaften sowie den gegenseitigen Austausch zu fördern. Auch die Aufnahme der Sprachenfreiheit in den Grundrechtskatalog der Verfassung wurde fallengelassen.

Aus Rücksicht auf die rätoromanische Minderheit des Landes wurde der Antrag Iten mit 14:17 Stimmen knapp abgelehnt. Der Vorschlag der Kommission, für den sich in der Debatte nur noch deren Präsident Jagmetti (fdp, ZH) und der Thurgauer Onken (sp) sowie Bundesrätin Dreifuss stark machten, unterlag mit 23:9 Stimmen klar gegenüber der Minimalvariante Cavadini/Petitpierre/Cavelty/Gadient.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Auch im zweiten Anlauf scheiterte der Kulturförderungsartikel in der Bundesverfassung (Art. 27septies) nicht am Willen einer Mehrheit der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, sondern an abstimmungstechnischen Modalitäten. 1986 hatten sich die Kulturinitiative, die unter anderem ein Prozent des jährlichen Gesamtbudgets für die Kultur forderte, und der unverbindlichere bundesrätliche Gegenvorschlag durch die damals noch geltende Unvereinbarkeit des doppelten Ja gegenseitig blockiert. Im Berichtsjahr erwies sich das für Verfassungsänderungen notwendige Ständemehr als Stolperstein für die Vorlage. 51% der Stimmberechtigten wollten dem Bund die Kompetenz erteilen, das Kulturschaffen subsidiär und im Interesse der Verständigung unter den vier Kulturregionen zu erhalten, zu fördern und zu vermitteln. Damit sollte dem Bund die verfassungsrechtliche Grundlage für die Übernahme von Aufgaben erteilt werden, die er aufgrund einer etwas grosszügigen Interpretation des Zweckartikels der Bundesverfassung (Art. 2) über die "Beförderung der gemeinsamen Wohlfahrt" faktisch seit dem letzten Jahrhundert wahrnimmt. Durch verschiedene Bundesbeschlüsse wurde dem Bund seither die Kompetenz erteilt, die Denkmalpflege zu unterstützen, die bildende und angewandte Kunst zu fördern sowie Museen und Archive von nationaler Bedeutung zu unterhalten. 1962 wurde der Heimatschutz (Art. 24sexies) in die Verfassung aufgenommen. Der einzige Bereich des eigentlichen Kunstschaffens, in welchem der Bund ausdrücklich durch die Verfassung zu einem Engagement berechtigt wurde, ist jener der Filmförderung, da Volk und Stände 1958 vorwiegend aus handelspolitischen Gründen einem "Filmartikel" in der Bundesverfassung (Art. 27ter) zustimmten. Andere Kunstgattungen, so etwa Literatur, Musik, Theater und Tanz konnten bisher nur indirekt über die Subventionen an die Schweizerische Volksbibliothek, die Jugendliteratur, die Erwachsenenbildung oder die Pro Helvetia unterstützt werden.

Mit dem vorliegenden Kulturförderungsartikel wollten Bundesrat und Parlament der Kulturpolitik des Bundes eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Grundlage schaffen und die Entwicklung dieser Politik langfristig sichern. Ausgehend von den Grundsätzen des Föderalismus, der Subsidiarität und des Ausgleichs sollte kulturelles Schaffen gefördert und der Zugang auch weniger begünstigter Gruppen oder Landesteile zur Kultur erleichtert werden. Besondere Bedeutung kam dem Austausch und damit der Verbesserung der Kommunikation zwischen den verschiedenen Sprachen und Kulturen der Schweiz zu. Lediglich 49% der Stimmberechtigten sprachen sich gegen dieses Ansinnen aus. Da sie jedoch in zehn Kantonen und vier Halbkantonen - namentlich allen rein deutschsprachigen Kantonen mit Ausnahme Zürichs und der beiden Basel - die Mehrheit bildeten, konnten sie sich gegen die zustimmenden zehn Kantone und zwei Halbkantone - neben den bereits genannten alle mehrsprachigen Kantone, das Tessin und die Romandie - durchsetzen und die Vorlage zu Fall bringen.


Abstimmung vom 12. Juni 1994

Beteiligung: 46,6%
Nein: 1 018 188 (49,0%) / 10 4/2 Stände
Ja: 1 114 158 (51,0%) / 10 2/2 Stände

Parolen:
Ja: FDP (4*), SP, CVP, GP, LdU, EVP, PdA; SGB, CNG.
Nein: SVP (9*), LP (2*), FP, SD, Lega, EDU; SGV, Redressement national.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Bundeskompetenz in der Kulturförderung

Im emotional nach wie vor stark aufgeladenen Spannungsverhältnis zwischen Sprachenfreiheit und Territorialitätsprinzip ging das Ringen um eine Neufassung des Sprachenartikels in der Bundesverfassung mit der zweiten Lesung des Ständerates in eine weitere Runde. Der kleinen Kammer lag zu Beginn ihrer Beratungen ein Kompromissvorschlag ihrer Kommission vor, der die beiden umstrittenen Begriffe wieder aufnahm, allerdings in einer anderen systematischen Einordnung. Aus Rücksicht auf die Germanisierungsängste der Romandie sollte im eigentlichen Sprachenartikel (Art. 116 BV) nur das Verhältnis zwischen den Nationalsprachen festgeschrieben und dabei allein das Territorialitätsprinzip berücksichtigt werden, welches ein Gebiet verbindlich einer Sprache zuordnet. Hinzu kam eine Bestimmung über die Verständigung und den Austausch zwischen den Sprachregionen. Als Konzession an den Nationalrat, der aus Gründen des Gleichgewichts den einen Begriff nicht ohne den anderen stehen lassen wollte und deshalb auch das Territorialitätsprinzip aus der Vorlage gekippt hatte, schlug die Kommission vor, das Element der individuellen Sprachenfreiheit als neuen Art. 54bis in den Grundrechtskatalog der Verfassung aufzunehmen.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

In der vorberatenden Kommission des Nationalrates und dann auch im Plenum brach bei der Behandlung des zu revidierenden Sprachenartikels in der Bundesverfassung die Kontroverse zwischen jenen, welche die Sprachenfreiheit – und damit eine lebendige Weiterentwicklung der Sprachensituation – in der Verfassung festschreiben wollen, und jenen, die ohne verfassungsrechtliche Verankerung des Territorialitätsprinzips das sprachliche Gleichgewicht unter den Landessprachen und damit den Sprachenfrieden gefährdet sehen, erneut und recht heftig aus. Die grosse Kammer stimmte schliesslich im Einverständnis mit dem Bundesrat einer von einer Arbeitsgruppe der Kommission ausgearbeiteten Kompromissvariante zu, welche weder die Sprachenfreiheit noch das Territorialitätsprinzip erwähnt, dem Bund aber – entgegen der restriktiven Haltung des Ständerates – wieder die Kompetenz erteilt, zusammen mit den Kantonen die Verständigung zwischen den Sprachgemeinschaften zu fördern und besondere Massnahmen zum Schutze bedrohter Landessprachen zu treffen. Unbestritten war – wie zuvor schon im Ständerat – dass das Rätoromanische in den Rang einer Teilamtssprache erhoben werden soll.

Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Art. 116 BV)

Nationalrat Camponovo (fdp, TI) nutzte erstmals das neue Ratsregelment und präsentierte die Berichterstattung zur Staatsrechnung 1992 exklusiv in italienischer Sprache. Bisher hatten die Tessiner Abgeordneten das Italienische meist nur in ein bis zwei Sätzen ihrer mündlichen Interventionen benutzt, um ostentativ darauf hinzuweisen, dass ihre Muttersprache als dritte Amtssprache dem Deutschen und Französischen auch im Parlamentsbetrieb gleichgestellt werden sollte.

Erstmals Berichterstattung im Parlament ausschliesslich in Italienisch