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In Erfüllung dreier nach Annahme der Minarett-Initiative überwiesener Postulate präsentierte der Bundesrat im Mai einen umfassenden Bericht zur Situation der Muslime in der Schweiz. Das 100 Seiten umfassende Dokument bietet sowohl eine Datengrundlage zur Präsenz von Muslimen in der Schweiz wie auch einen Überblick über Berührungspunkte und mögliche Spannungsfelder zwischen Staat und Religion sowie eine Auflistung wirksamer Massnahmen zur Verbesserung der Integrationsbemühungen. Laut Bericht leben zwischen 350'000 und 400'000 Muslime in der Schweiz, wovon ein Drittel über das Schweizer Bürgerrecht verfüge. Der Islam in der Schweiz sei geprägt von einer Vielzahl schwach vernetzter Gruppierungen, deren Mitglieder im Unterschied zu den Muslimen im restlichen Westeuropa grösstenteils aus der Türkei und dem Westbalkan stammen und somit aufgrund ihrer Herkunft eher mit der hiesigen Gesellschafts- und Rechtsordnung vertraut seien als Muslime arabischen oder asiatischen Ursprungs. Von den zwölf bis fünfzehn Prozent der Muslime, die ihren Glauben tatsächlich praktizieren, täten dies vier Fünftel ohne Kollision mit den in der Schweiz geltenden gesellschaftlichen Gepflogenheiten. Aufgrund dieser Befunde sah der Bundesrat keine Gefahr für die Entstehung sogenannter Parallelgesellschaften und verurteilte die teilweise undifferenzierte und oft verletzende negative Haltung gegenüber Muslimen im öffentlichen Diskurs und in den Medien. Die Ergebnisse der Studie würden nicht darauf hindeuten, dass Massnahmen zum Abbau religiöser Differenzen zu einer verbesserten Integration führen würden; vielmehr bedürfe es der Überwindung von Sprachbarrieren. Der Bundesrat erachtete die Postulate somit als erfüllt und beantragte dem Parlament deren Abschreibung.

umfassenden Berichts zu Muslimen in der Schweiz

Das Treffen einer von der Rektorenkonferenz der Universität geleiteten Arbeitsgruppe förderte im März zu Tage, dass die Ausbildung von Imamen in der Schweiz in einem ersten Schritt am ehesten als Weiterbildung auf Hochschulstufe erfolgen könnte. Im November wurden Pläne zur Schaffung solcher Weiterbildungsmöglichkeiten am neuen Zentrum für islamische Religion und Gesellschaft der Universität Freiburg bekannt. Ein im 2009 veröffentlichter Schlussbericht des Nationalen Forschungsprogramms „Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft“ wie auch die im Berichtsjahr publizierte bundesrätliche Untersuchung zur Situation der Muslime in der Schweiz kamen zum Schluss, dass sich die Ausbildung von Imamen mit Kenntnissen der gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Verhältnisse der Schweiz integrationsfördernd auswirken könnte.

Imame an Schweizer Hochschulen ausgebildet werden

Mehr als 500 Seelsorger und Sympathisanten überbrachten Mitte Januar dem Bistum Chur eine Erklärung zur im Vorjahr von Seelsorgern der Bistümer Basel, Chur und St. Gallen lancierten Pfarrei-Initiative, worin sich die Unterzeichnenden für eine liberale Kirchenpraxis aussprechen und zum Ungehorsam gegen die Kirchenführung in Rom aufrufen. Die Abwesenheit des Churer Bischofs Huonder bei der Übergabe der von ihm geforderten Erklärungen sowie die durch den Generalvikar erfolgte Verteilung von USB-Sticks mit wesentlichen Lehrsätzen der katholischen Kirche stiessen bei den Auflehnenden auf Abneigung. Während Huonder in einer Stellungnahme kundtat, die Initiative sei nicht mit der katholischen Lehre vereinbar und wer nach ihren Prinzipien leben wolle, solle dies nicht länger im Auftrag der Kirche tun, legten die Bischöfe der Bistümer Basel und St. Gallen trotz Ablehnung des Anliegens durch die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK) eine höhere Bereitschaft zum Dialog an den Tag. Felix Gmür, Bischof des Basler Bistums, traf sich im Frühjahr mit über 230 Seelsorgern und teilweise Unterzeichnern der Initiative und beschloss die Weiterführung der Gespräche unter dem Titel „Pastoraler Entwicklungsplan im Dialog“. Im Juli wurden die drei Bischöfe aufgrund der mittlerweile durch über 540 Seelsorger und 1000 Sympathisanten unterzeichneten Pfarrei-Initiative nach Rom geladen, wo die Verbindlichkeit der katholischen Lehre wie sie in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils festgehalten ist, bekräftigt wurde. Somit stelle sich die Kirche explizit gegen die Ausübung kirchlicher Dienste durch Laien wie auch gegen die Aufhebung des Zölibats, was zwei zentralen Forderungen der Initiative entspreche, liess das Bistum Chur verlauten. Im Bistum Basel indes versicherte man die Fortsetzung des im Frühjahr lancierten Dialogs. In beiden Basel sind darüber hinaus zwei Gleichstellungsinitiativen hängig, welche die Aufhebung des Zölibats und die Zulassung von Frauen zum Priesteramt fordern. In Kritik geriet der Churer Bischof Vitus Huonder im Berichtsjahr des Weiteren durch einen rund zehnminütigen Beitrag in der „Rundschau“ des SRF zum Umgang des Bistums mit der Pfarrei-Initiative. Huonder kritisierte die Sendung daraufhin stark wegen in Umlauf bringen von Falschmeldungen und legte Beschwerde ein. Konkret wehrte er sich gegen die Darstellung, bei der Pfarrei-Initiative handle es sich um einen von ihm alleine geführten Kampf sowie gegen die Aussage, er sei aufgrund seines Führungsstils nach Rom berufen worden. SRF wies die Vorwürfe zurück. Man habe mehrmals vergeblich versucht, Bischof Huonder zu einer Stellungnahme zu bewegen und der Fokus auf Huonder erkläre sich mit der geringen Gesprächsbereitschaft des Bischofs im Gegensatz zu den anderen beiden betroffenen Bischöfen. Im Mai gab die SRG-Ombudsstelle Huonder jedoch in beiden Punkten recht.

„Pfarrei-Initiative“

Eine Studie des Zentrums für Religionsforschung der Universität Luzern erforschte während zwei Jahren die muslimischen Jugendgruppen in der Schweiz. Die Studie kam zum Schluss, dass die religiöse Orientierung der Jugendlichen nicht desintegrativ wirke, sondern im Gegenteil den Austausch mit der Gesellschaft fördere. Vermehrt würden die von den Jugendlichen selbst organisierten Gruppen ethnische, nationale und sprachliche Grenzen überschreiten.

muslimischen Jugendgruppen in der Schweiz

Mit 87 zu 93 Stimmen beerdigte der Nationalrat eine aargauische Standesinitiative für ein nationales Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum in der Herbstsession 2012 nur äusserst knapp. Neben den geschlossenen Fraktionen der BDP und der SVP erhielt das Anliegen auch von einer Grossmehrheit der CVP-Fraktion sowie einem Drittel der liberalen Fraktion Unterstützung.

Standesinitiative für ein generelles nationales Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum

Im September des Berichtjahres wurde eine schweizerische „Pfarrei-Initiative“ lanciert. Diese sollte deutlich machen, wo die katholische Kirche tatsächlich steht und wo sie hinwill. Die Pfarrei-Initiative richtete sich in erster Linie an die Bischöfe, welche dadurch zu Reformen und Gesprächen gezwungen werden sollten. Mit dem Text sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass die seelsorgerische Praxis in den Pfarreien längst nicht mehr den offiziellen Vorgaben der Kirche entspräche. So wurde beispielsweise betont, dass die Kommunion mit allen geteilt werde – egal, ob geschieden oder homosexuell. Ausserdem werde und solle zukünftig weiterhin die Predigt auch von theologisch gebildeten Frauen gehalten werden können. In kürzester Zeit kamen über 200 Unterschriften zustande, was den Druck auf die Bischöfe in der Schweiz erhöhen sollte. Obwohl sich die Initianten im November des Berichtjahres mit drei Schweizer Bischöfen zur Aussprache trafen, blieben die Fronten bis zum Ende des Berichtjahres verhärtet.

„Pfarrei-Initiative“

Im August des Berichtjahres bestätigte das Bundesgericht die Möglichkeit eines Teilaustritts aus der Kirche. Ein Austritt aus der Landeskirche ohne gleichzeitige Abkehr von der katholischen Weltkirche ist weiterhin möglich. Somit kann der katholische Glauben beibehalten werden auch wenn keine Kirchensteuern mehr bezahlt werden. Begründet wurde dieser Entscheid dadurch, dass andernfalls das Grundrecht der Religionsfreiheit verletzt würde. Die Schweizer Bischofskonferenz verzichtete darauf, eine einheitliche Regelung zu beschliessen, wie mit den partiellen Austritten umzugehen sei. Dies solle jedem Bistum selber überlassen bleiben.

Möglichkeit eines Teilaustritts aus der Kirche

In Reaktion auf ein umstrittenes Urteil des Kölner Landgerichts entschied das Zürcher Kinderspital, vorerst keine Wunschbeschneidungen mehr durchzuführen. Das Kölner Landgericht hatte die Beschneidung als Körperverletzung definiert, was Chirurgen und Politiker auch in der Schweiz verunsicherte. In jüdischen und muslimischen Glaubensgemeinschaften löste das Moratorium von Beschneidungen Entsetzen aus, da dieses ein schwerwiegender Eingriff in die Glaubensfreiheit sei. Auch in der Medienberichterstattung herrschte breiter Konsens darüber, dass die Infragestellung der Beschneidung von Knaben unnötig und unsensibel sei. Uneinig waren sich hingegen Strafrechtler, ob die rituelle Beschneidung in der Schweiz strafbar sei oder nicht. Das Zürcher Kinderspital hob knapp einen Monat später den Beschneidungsstopp wieder auf. Allerdings wird der behandelnde Arzt künftig neu dazu verpflichtet, nach dem Motiv für den Eingriff zu fragen und die Unterschrift beider Elternteile einzuholen.

Moratorium von Beschneidungen

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 58 „Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft“ entstanden in den letzten fünf Jahren insgesamt 28 Studien, welche im Juli des Berichtjahres in Form einer Synthese vorgestellt wurden. Die zentrale Erkenntnis aus dem NFP 58 war, dass sich in der Schweiz zusehends ein religiöser Graben zwischen der Politik und der säkularisierten Bevölkerung öffnet. Die Religion sei einerseits in den öffentlichen Debatten stark präsent, im privaten Leben der meisten Menschen werde sie aber immer unwichtiger. Indes verbinden die öffentlichen Debatten die Religion meist mit kontroversen anderen Themen wie etwa mit politischen Konflikten oder Migrationsproblemen. Ausserdem ergab eine Umfrage unter lokalen Verantwortlichen aller religiösen Gemeinschaften in der Schweiz, dass Frauen in muslimischen Gemeinden oft mehr Einfluss haben als Katholikinnen, Frauen in Freikirchen oder orthodoxen Jüdinnen. Dies rühre daher, dass Frauen beispielsweise bei Aleviten und Sufis mehr Möglichkeiten hätten, in spirituelle Führungspositionen aufzusteigen als dies bei Neuapostolen oder konservativen Freikirchen der Fall sei. Sehr offen gegenüber Frauen waren gemäss den Umfrage-Ergebnissen Reformierte, Christkatholiken, liberale Juden, Buddhisten und Hindus.

Nationalen Forschungsprogramms 58 „Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft“

Im Juni des Berichtjahres erfolgte in Bern der Spatenstich zum „Haus der Religionen“, unter dessen Dach alle Religionen zum friedlichen Dialog zusammenfinden sollen. Die Überbauung an der Europastrasse soll auch Wohnungen, Restaurations- und Detailhandelsbetriebe umfassen. Der erfolgte Spatenstich entsprach einem grossen Meilenstein, da der Baubeginn aufgrund von Einsprachen und fehlenden finanziellen Mitteln mehrmals verzögert worden war.

„Haus der Religionen“

Das Bundesamt für Statistik veröffentlichte im Juni des Berichtjahres die Daten der jährlichen Strukturerhebung. Gemäss dieser war die römisch-katholische Kirche zwar immer noch die grösste Konfessionsgruppe der Schweiz, allerdings hat sie seit dem Jahr 1990 um 6.4 Prozentpunkte abgenommen. Auch die evangelisch-reformierte Kirche hat an Bindekraft verloren und beide Landeskirchen haben mit einer Überalterung der Anhängerschaft zu kämpfen. Parallel dazu hat sich die Anzahl der Konfessionslosen beinahe verdoppelt.

Strukturerhebung

Bereits im Jahr 2011 berieten die beiden Staatspolitischen Kommissionen über eine parlamentarische Initiative Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU), welche zum Ziel hatte, Symbole der christlichen-abendländischen Kultur im öffentlichen Raum verfassungsrechtlich zu schützen. Während die SPK-NR die Annahme der Initiative empfahl, sprach sich die SPK-SR gegen die Vorlage aus, da eine Sonderstellung des Christentums die friedliche Koexistenz der verschiedenen Religionen gefährden würde. Somit gelangte das Geschäft während des Berichtjahrs zum Entscheid an die Räte. Der Nationalrat gab der Initiative mit 87 zu 75 Stimmen Folge, während der Ständerat sie knapp mit 21 zu 17 Stimmen ablehnte.

Präsenz von Kruzifixen und Kreuzen im öffentlichen Raum

In der Frühjahrssession 2012 bestätigte die Kantonskammer den im Vorjahr vom Nationalrat gefällten und vom Bundesrat gestützten Entscheid zur Motion Reimann (svp, SG), welche die Verfolgung religiöser Minderheiten im Irak durch zusätzliche Massnahmen auf nationaler und internationaler Ebene unterbinden will. Seiner grossen Kammer und dem Bundesrat folgend lehnte der Ständerat jedoch eine im Geschäft enthaltene Forderung ab, welche von der Schweiz verlangt hätte, bei der UNO eine Resolution zur Errichtung von Schutzzonen für einen bestimmten Teil der christlich-irakischen Bevölkerung zu deponieren.

Verfolgung religiöser Minderheiten im Irak (Mo. 10.4158)

Für Irritation – nicht nur bei Islamkritikern – sorgte zu Beginn des Berichtjahres der Plan der beiden grössten muslimischen Organisationen des Landes eine Art muslimisches Parlament zu schaffen. Die „Umma Schweiz“ sollte sich in gesellschaftspolitischen Fragen, welche die Muslime betreffen, einigen, um danach mit einer Stimme sprechen zu können. Kritisiert wurde, dass die Schaffung eines solchen Parlaments die Situation nicht verbessere, sondern im Gegenteil die Tendenz zur Abschottung der konservativen Muslime fördere.

muslimisches Parlament

Für zahlreiche Schlagzeilen sorgte auch in diesem Jahr der konservative Bischof Vitus Huonder. Zu Beginn des Berichtjahres wurde ihm vorgeworfen, er verschärfe den aktuellen Priestermangel anstatt diesen zu bekämpfen. Diese Vorwürfe rührten daher, dass der Bischof zwei ehemaligen Priesteramtskandidaten nicht die kirchliche Beauftragung als Laientheologen erteilen wollte. Im Februar errichtete Bischof Huonder zwei Personalpfarreien, was ebenfalls grosse Kritik hervorrief. Personalpfarreien vereinigen ihre Mitglieder – anders als territoriale Pfarreien – aufgrund gemeinsamer Sprache, Bedürfnisse oder Nationalität. Mit diesem Schritt wurden die Traditionalisten aufgewertet und die Angst von einer „Kirche in der Kirche“ geschürt. Für die grösste Empörung schliesslich sorgte ein Hirtenbrief Huonders in welchem er forderte, dass Geschiedene, welche wieder heiraten, von den Sakramenten ausgeschlossen werden sollten. Viele Seelsorger warfen dem Bischof mangelnde Barmherzigkeit vor und konnten diese Forderung nicht unterstützen, weshalb sie darauf verzichteten, den Hirtenbrief in der Messe vorzulesen.

Bischof Vitus Huonder

Der Freiburger Dominikaner Charles Morerod wurde im November zum neuen Bischof von Freiburg (Diözese Lausanne-Genf-Fribourg) ernannt. Er folgt auf den im September 2010 im Amt verstorbenen Bernard Genoud.

Bischof von Freiburg

Den Themenkreis der Grundrechte und des Staatsschutzes (Äussere und Innere Sicherheit gemäss Art. 185 BV) tangierte der Entwurf einer Verordnung der Bundesversammlung über das Verbot der Gruppierung Al-Qaïda und verwandter Organisationen. Der Bundesrat richtete die entsprechende Botschaft im Mai an die Räte. Al-Qaïda ist in der Schweiz seit den Anschlägen vom 11. September 2001 verboten. In der Form einer auf drei Jahre befristeten, notrechtlichen Verordnung erlassen, war das Vebrot seither regelmässig erneuert worden. Mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Wahrung von Demokratie, Rechtsstaat und Handlungsfähigkeit in ausserordentlichen Lagen Anfang 2011 wurde das Verfahren für vom Bundesrat erlassene befristet gültige Verordnungen geändert. Für eine solche muss nun innerhalb von sechs Monaten ein Gesetzesentwurf vorliegen oder sie muss in eine (auf drei Jahre befristete) Verordnung der Bundesversammlung überführt werden. Da der Bundesrat ein allgemeines Verbot von Al-Qaïda ablehnte, wählte er die Überführung der bisherigen Regelung in eine Verordnung der Bundesversammlung. Diskussionslos und ohne Gegenantrag traten beide Räte auf das Geschäft ein und stimmten dem Bundesratsentwurf jeweils einstimmig zu. Auch die Schlussabstimmungen passierte die Verordnung einstimmig und ohne Enthaltung.

Verbot der Gruppierung Al-Qaïda und verwandter Organisationen Verordnung der Bundesversammlung

Eine Parlamentarische Initiative Roth-Bernasconi (sp, GE) (siehe auch hier), die ein Verbot der sexuellen Verstümmelung (Beschneidung und Infibulation) von Frauen verlangte, tangierte sowohl gesellschafts- und religionspolitische Fragen als auch Aspekte des Persönlichkeitsschutzes. Der Nationalrat hatte einer entsprechenden Anpassung des Strafgesetzbuchs (StGB) Ende 2010 auf Empfehlung seiner Kommission zugestimmt, während der Ständerat in der Detailberatung davon abgewichen war. In der Differenzbereinigung schloss sich der National- dem Ständerat an, so dass im Herbst des Berichtsjahrs beide Räte dem Verstümmelungsverbot zustimmten.

Verbot der sexuellen Verstümmelung

Die staatpolitische Kommission des Nationalrats (SPK) empfahl mit präsidialem Stichentscheid (bei 12 zu 12 Stimmen) Folgegeben für eine parlamentarische Initiative Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU), die christlichen Symbolen im öffentlichen Raum ein verfassungsrechtliches Vorrecht vor anderen religiösen Zeichen einräumen möchte. Damit soll verhindert werden, dass mit Berufung auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit eine Entfernung der im gesellschaftlichen Alltag verankerten Insignien christlicher Kultur und Tradition erwirkt werden könnte. Da die ständerätliche SPK im Herbst des Berichtsjahrs mit Verweis auf die geforderte religiöse Neutralität des Staats gegenteiliger Meinung war, gelangt das Geschäft zum Entscheid an die Räte. Dieser ist für 2012 vorgesehen.

Präsenz von Kruzifixen und Kreuzen im öffentlichen Raum

Der Nationalrat nahm eine Motion Reimann (svp, SG) teilweise an, die den Bundesrat beauftragte, sich gegen religiöse Intoleranz, insbesondere die Verfolgung von Christen durch islamistische Kräfte im Irak einzusetzen. In ihrer Stellungnahme wies die Regierung darauf hin, dass nicht nur die irakischen Christen, sondern die dortige Bevölkerung als Ganzes von religiös mitbegründeter Intoleranz und Gewalt betroffen seien. Folglich lehne er es ab, eine UNO-Resolution einzubringen, welche die Errichtung einer Schutzzone für den christlichen Teil der Bevölkerung zum Ziel hätte. Jede Form religiöser Intoleranz sei, unabhängig von der Zielgruppe, international zu bekämpfen. Der Nationalrat pflichtete in der Resolutionsfrage dem Bundesrat bei und stimmte den anderen Punkten des Anliegens stillschweigend zu. Der Ständerat hat das Geschäft im Berichtsjahr noch nicht behandelt.

Verfolgung religiöser Minderheiten im Irak (Mo. 10.4158)

Auf Mehrheitsantrag seiner Aussenpolitischen Kommission (APK) wies der Nationalrat eine Petition der Arbeitsgemeinschaft Religionsfreiheit mit dem Titel „Volle Religionsfreiheit und Gleichberechtigung für Christen in islamischen Ländern“ mit 177 zu 66 Stimmen ab. Neben der geschlossen stimmenden SVP, vermochten sich nur einige Vertreter der CVP- und SP-Fraktionen für das Anliegen erwärmen. Die Petitionäre hatten zum einen verlangt, dass der Bundesrat sich für die volle Religionsfreiheit und Gleichberechtigung von Christen in islamischen Ländern verwende. Zum anderen hatten sie gefordert, dass der Schweiz die Unterzeichnung internationaler Abkommen nur noch mit jenen Ländern erlaubt sein soll, die den Minderheitenschutz verfassungs-, allenfalls vertragsrechtlich garantierten.

volle Religionsfreiheit und Gleichberechtigung von Christen

Im Rahmen der ausserordentlichen Session zur Migrationspolitik im September beschäftigte sich nach der Kleinen auch die Grosse Kammer mit einem Vorstoss für ein generelles Vermummungsverbot im öffentlichen Raum. Eine Motion Freysinger (svp, VS) „Runter mit den Masken“ suchte den Weg über das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit. Der Bundesrat erkannte keine Bundeskompetenz und verwies auf die beiden unteren Staatsebenen. Der Nationalrat nahm die Motion aber mit 101 zu 77 Stimmen bei neun Enthaltungen und zwölf unbegründeten Absenzen an. Die BDP und die SVP-Fraktion stimmten einstimmig, die CVP-Fraktion mit überwiegender Mehrheit, die FDP-Fraktion (acht der neun Enthaltungen stammten von den Freisinnigen) zur Hälfte dafür. Grüne und Sozialdemokraten stellten sich geschlossen dagegen. Der Ständerat lehnte die Motion im Folgejahr hingegen ab.

generelles Vermummungsverbot im öffentlichen Raum

Im Nachgang der Minarettinitiative bemühten sowohl Befürworter als auch Gegner des Minarettverbots die Gerichte. Das Langenthaler Komitee „Stopp Minarett“ war nach der Ablehnung seiner Baubeschwerde gegen das Minarett an das Berner Verwaltungsgericht gelangt, dessen Entscheid Ende 2011 noch ausstand. Muslimische Organisationen reichten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zwei Einsprachen ein. Erstmals in der Geschichte ihrer Beziehungen zum EGMR legte die Schweiz ihr Veto ein und blockierte damit die Behandlung der beiden Einsprachen durch die Grosse Kammer des EGMR. Eine kleine Kammer beurteilte die Klagen im Juli, allerdings ohne dabei auf die Frage der Vereinbarkeit von Minarettverbot und der durch die europäische Menschenrechtskonvention geschützten Religionsfreiheit einzutreten. Das Gericht hielt – inhaltlich übereinstimmend mit dem EJPD – fest, dass die Kläger den nationalen Instanzenweg hätten gehen müssen. Das Klagerecht beim EGMR wäre ihnen unter der Bedingung gewährt worden, dass Schweizer Behörden und Gerichte ein konkret geplantes oder eingereichtes Baugesuch mit Berufung auf das Minarettverbot abgelehnt hätten.

Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» (BRG 08.061)

Im Mai des Berichtsjahr reichte das überparteiliche Komitee „Guastafeste“ (Spielverderber) rund um den streithaften Journalisten Giorgio Ghiringhelli im Kanton Tessin eine Volksinitiative ein, die ein Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum verlangt. Damit wird die Stimmbevölkerung des Kantons Tessin als erster Schweizer Souverän zu einem Verhüllungsverbot Stellung nehmen.

Volksinitiative ein, die ein Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum

Das in Bern geplante „Haus der Religionen“, unter dessen Dach gemäss Vereinszweck Muslime, Aleviten, Hindus, Buddhisten, Christen, Juden, Baha’i und Sikh zum friedlichen Dialog zusammenfinden sollen, erhielt Ende Juli die Gesamtbaubewilligung. Eine Mantelnutzung (Wohnen, Verwaltung, Gewerbe) des durch private Investoren getragenen Baus soll die Errichtung und den Unterhalt des eigentlichen Kultuszentrums querfinanzieren und langfristig absichern. Stadt und Kanton Bern engagieren sich mit diversen finanziellen Beiträgen.

„Haus der Religionen“