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Der Freiburger Dominikaner Charles Morerod wurde im November zum neuen Bischof von Freiburg (Diözese Lausanne-Genf-Fribourg) ernannt. Er folgt auf den im September 2010 im Amt verstorbenen Bernard Genoud.

Bischof von Freiburg

Den Themenkreis der Grundrechte und des Staatsschutzes (Äussere und Innere Sicherheit gemäss Art. 185 BV) tangierte der Entwurf einer Verordnung der Bundesversammlung über das Verbot der Gruppierung Al-Qaïda und verwandter Organisationen. Der Bundesrat richtete die entsprechende Botschaft im Mai an die Räte. Al-Qaïda ist in der Schweiz seit den Anschlägen vom 11. September 2001 verboten. In der Form einer auf drei Jahre befristeten, notrechtlichen Verordnung erlassen, war das Vebrot seither regelmässig erneuert worden. Mit Inkrafttreten des Bundesgesetzes über die Wahrung von Demokratie, Rechtsstaat und Handlungsfähigkeit in ausserordentlichen Lagen Anfang 2011 wurde das Verfahren für vom Bundesrat erlassene befristet gültige Verordnungen geändert. Für eine solche muss nun innerhalb von sechs Monaten ein Gesetzesentwurf vorliegen oder sie muss in eine (auf drei Jahre befristete) Verordnung der Bundesversammlung überführt werden. Da der Bundesrat ein allgemeines Verbot von Al-Qaïda ablehnte, wählte er die Überführung der bisherigen Regelung in eine Verordnung der Bundesversammlung. Diskussionslos und ohne Gegenantrag traten beide Räte auf das Geschäft ein und stimmten dem Bundesratsentwurf jeweils einstimmig zu. Auch die Schlussabstimmungen passierte die Verordnung einstimmig und ohne Enthaltung.

Verbot der Gruppierung Al-Qaïda und verwandter Organisationen Verordnung der Bundesversammlung

Eine Parlamentarische Initiative Roth-Bernasconi (sp, GE) (siehe auch hier), die ein Verbot der sexuellen Verstümmelung (Beschneidung und Infibulation) von Frauen verlangte, tangierte sowohl gesellschafts- und religionspolitische Fragen als auch Aspekte des Persönlichkeitsschutzes. Der Nationalrat hatte einer entsprechenden Anpassung des Strafgesetzbuchs (StGB) Ende 2010 auf Empfehlung seiner Kommission zugestimmt, während der Ständerat in der Detailberatung davon abgewichen war. In der Differenzbereinigung schloss sich der National- dem Ständerat an, so dass im Herbst des Berichtsjahrs beide Räte dem Verstümmelungsverbot zustimmten.

Verbot der sexuellen Verstümmelung

Die staatpolitische Kommission des Nationalrats (SPK) empfahl mit präsidialem Stichentscheid (bei 12 zu 12 Stimmen) Folgegeben für eine parlamentarische Initiative Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU), die christlichen Symbolen im öffentlichen Raum ein verfassungsrechtliches Vorrecht vor anderen religiösen Zeichen einräumen möchte. Damit soll verhindert werden, dass mit Berufung auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit eine Entfernung der im gesellschaftlichen Alltag verankerten Insignien christlicher Kultur und Tradition erwirkt werden könnte. Da die ständerätliche SPK im Herbst des Berichtsjahrs mit Verweis auf die geforderte religiöse Neutralität des Staats gegenteiliger Meinung war, gelangt das Geschäft zum Entscheid an die Räte. Dieser ist für 2012 vorgesehen.

Präsenz von Kruzifixen und Kreuzen im öffentlichen Raum

Der Nationalrat nahm eine Motion Reimann (svp, SG) teilweise an, die den Bundesrat beauftragte, sich gegen religiöse Intoleranz, insbesondere die Verfolgung von Christen durch islamistische Kräfte im Irak einzusetzen. In ihrer Stellungnahme wies die Regierung darauf hin, dass nicht nur die irakischen Christen, sondern die dortige Bevölkerung als Ganzes von religiös mitbegründeter Intoleranz und Gewalt betroffen seien. Folglich lehne er es ab, eine UNO-Resolution einzubringen, welche die Errichtung einer Schutzzone für den christlichen Teil der Bevölkerung zum Ziel hätte. Jede Form religiöser Intoleranz sei, unabhängig von der Zielgruppe, international zu bekämpfen. Der Nationalrat pflichtete in der Resolutionsfrage dem Bundesrat bei und stimmte den anderen Punkten des Anliegens stillschweigend zu. Der Ständerat hat das Geschäft im Berichtsjahr noch nicht behandelt.

Verfolgung religiöser Minderheiten im Irak (Mo. 10.4158)

Auf Mehrheitsantrag seiner Aussenpolitischen Kommission (APK) wies der Nationalrat eine Petition der Arbeitsgemeinschaft Religionsfreiheit mit dem Titel „Volle Religionsfreiheit und Gleichberechtigung für Christen in islamischen Ländern“ mit 177 zu 66 Stimmen ab. Neben der geschlossen stimmenden SVP, vermochten sich nur einige Vertreter der CVP- und SP-Fraktionen für das Anliegen erwärmen. Die Petitionäre hatten zum einen verlangt, dass der Bundesrat sich für die volle Religionsfreiheit und Gleichberechtigung von Christen in islamischen Ländern verwende. Zum anderen hatten sie gefordert, dass der Schweiz die Unterzeichnung internationaler Abkommen nur noch mit jenen Ländern erlaubt sein soll, die den Minderheitenschutz verfassungs-, allenfalls vertragsrechtlich garantierten.

volle Religionsfreiheit und Gleichberechtigung von Christen

Im Rahmen der ausserordentlichen Session zur Migrationspolitik im September beschäftigte sich nach der Kleinen auch die Grosse Kammer mit einem Vorstoss für ein generelles Vermummungsverbot im öffentlichen Raum. Eine Motion Freysinger (svp, VS) „Runter mit den Masken“ suchte den Weg über das Bundesgesetz über Massnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit. Der Bundesrat erkannte keine Bundeskompetenz und verwies auf die beiden unteren Staatsebenen. Der Nationalrat nahm die Motion aber mit 101 zu 77 Stimmen bei neun Enthaltungen und zwölf unbegründeten Absenzen an. Die BDP und die SVP-Fraktion stimmten einstimmig, die CVP-Fraktion mit überwiegender Mehrheit, die FDP-Fraktion (acht der neun Enthaltungen stammten von den Freisinnigen) zur Hälfte dafür. Grüne und Sozialdemokraten stellten sich geschlossen dagegen. Der Ständerat lehnte die Motion im Folgejahr hingegen ab.

generelles Vermummungsverbot im öffentlichen Raum

Im Nachgang der Minarettinitiative bemühten sowohl Befürworter als auch Gegner des Minarettverbots die Gerichte. Das Langenthaler Komitee „Stopp Minarett“ war nach der Ablehnung seiner Baubeschwerde gegen das Minarett an das Berner Verwaltungsgericht gelangt, dessen Entscheid Ende 2011 noch ausstand. Muslimische Organisationen reichten beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zwei Einsprachen ein. Erstmals in der Geschichte ihrer Beziehungen zum EGMR legte die Schweiz ihr Veto ein und blockierte damit die Behandlung der beiden Einsprachen durch die Grosse Kammer des EGMR. Eine kleine Kammer beurteilte die Klagen im Juli, allerdings ohne dabei auf die Frage der Vereinbarkeit von Minarettverbot und der durch die europäische Menschenrechtskonvention geschützten Religionsfreiheit einzutreten. Das Gericht hielt – inhaltlich übereinstimmend mit dem EJPD – fest, dass die Kläger den nationalen Instanzenweg hätten gehen müssen. Das Klagerecht beim EGMR wäre ihnen unter der Bedingung gewährt worden, dass Schweizer Behörden und Gerichte ein konkret geplantes oder eingereichtes Baugesuch mit Berufung auf das Minarettverbot abgelehnt hätten.

Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» (BRG 08.061)

Im Mai des Berichtsjahr reichte das überparteiliche Komitee „Guastafeste“ (Spielverderber) rund um den streithaften Journalisten Giorgio Ghiringhelli im Kanton Tessin eine Volksinitiative ein, die ein Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum verlangt. Damit wird die Stimmbevölkerung des Kantons Tessin als erster Schweizer Souverän zu einem Verhüllungsverbot Stellung nehmen.

Volksinitiative ein, die ein Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum

Das in Bern geplante „Haus der Religionen“, unter dessen Dach gemäss Vereinszweck Muslime, Aleviten, Hindus, Buddhisten, Christen, Juden, Baha’i und Sikh zum friedlichen Dialog zusammenfinden sollen, erhielt Ende Juli die Gesamtbaubewilligung. Eine Mantelnutzung (Wohnen, Verwaltung, Gewerbe) des durch private Investoren getragenen Baus soll die Errichtung und den Unterhalt des eigentlichen Kultuszentrums querfinanzieren und langfristig absichern. Stadt und Kanton Bern engagieren sich mit diversen finanziellen Beiträgen.

„Haus der Religionen“

Der Ständerat beschäftigte sich im März als Erstrat mit der im Vorjahr vom Kanton Aargau eingereichten Standesinitiative für ein nationales Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum. Dieses fusst auf einem durch die zuständige Aargauer Parlamentskommission für Sicherheit abgeänderten Vorstoss der Schweizer Demokraten für ein schweizweites Burkaverbot, der vom aargauischen Grossen Rat deutlich angenommen worden war. Während die Mehrheit der SPK-SR die Initiative zur Ablehnung empfahl, hoffte eine rechtsbürgerliche Kommissionsminderheit vergeblich auf deren Annahme: Mit 24 zu vier Stimmen gab die Kleine Kammer der Initiative keine Folge. Die Befürworter der Vorlage bemühten sich hervorzuheben, dass die öffentliche Sicherheit (auch und gerade vor vermummten Randalierern) im Zentrum ihres Anliegens stünde. Auf eine Darlegung der primär religions- und gesellschaftspolitisch begründeten Motivation des Anliegens (Burka-/Niqab- bzw. Verschleierungsverbot im öffentlichen Raum), wie sie noch auf kantonaler Ebene diskutiert worden war, wurde verzichtet. Auch die Initiativgegner rangen um eine politisch korrekte Begründung ihres Standpunkts. Staatspolitisch argumentierend, identifizierten sie die Kantone als Garanten der öffentlichen Sicherheit und sprachen dem Bund die entsprechende Kompetenz ab. Der Nationalrat hat das Geschäft noch nicht behandelt. Zum Verschleierungsverbot aus Sicht der geltenden Rechtsordnung siehe hier.

Standesinitiative für ein generelles nationales Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum

Mit umstrittenen Personalentscheiden und Demissionen wichtiger Amtsträger geriet das konservativ geleitete Bistum Chur in die Schlagzeilen. Bischof Vitus Huonder forcierte Anfang des Berichtsjahrs seine seit 2008 gehegte Absicht, den Kirchenrechtler Martin Grichting zu einem der beiden seit 1993 im Bistum Chur amtierenden Weihbischöfen ernennen zu lassen. Bei den staatskirchenrechtlichen Institutionen seines Bistums stiess er damit auf Unverständnis, Kritik und erfolgreiche Gegenwehr. Die beabsichtigte Ernennung Grichtings, der u.a. die Abschaffung der Kirchensteuer fordert und die staatskirchenrechtlichen Strukturen der Schweiz grundlegend hinterfragt, kam nicht zustande. Als Reaktion auf weitere umstrittene Personalentscheide kritisierten mehrere Amtsträger des Bistums öffentlich die Kirchenführung. Beide Lager suchten in der Folge die Vermittlung des Vatikans. Die Vereinigung der Kantonalkirchen des Bistums Chur erwog dabei gar, die Schweizer Landesregierung um eine Intervention in Rom zu bitten. Die Schweizerische Bischofskonferenz stützte Huonder, stellte sich in der Frage der Kirchensteuer aber dezidiert hinter die Kantonalkirchen und die Kirchgemeinden.

Bistum Chur

Der Dialog, den das Bundesamt für Migration nach der Annahme der Minarettinitiative mit muslimischen Vertretern lanciert hatte, wurde von beiden Seiten als konstruktiv bezeichnet. Im Mai verabschiedeten die Gesprächsparteien einen im Konsensverfahren erstellten Bericht. Darin wurden Verfassungsgrundsätze wie die Demokratie, die Rechtsgleichheit und die Rechtsstaatlichkeit als allgemeinverbindliche politische Werte festgehalten und das integrationspolitische Instrumentarium ausgelegt, das die Chancengleichheit von Personen muslimischen Glaubens im öffentlichen Raum verankern soll. Der Bundesrat nahm den Bericht im Dezember zur Kenntnis. Das Bestreben des Bundes, ein ständiges Muslimforum zu gründen, war aufgrund des breiten innerislamischen Meinungsspektrums in den Gesprächen nicht mehrheitsfähig gewesen, obschon die beiden grössten islamischen Dachorganisationen KIOS (Koordination Islamischer Organisationen Schweiz) und FIDS (Föderation Islamischer Dachorganisationen Schweiz) sich öffentlich für die religionspolitische Gleichstellung der Schweizer Muslime mit den staatlich anerkannten Religionsgemeinschaften (Landeskirchen) aussprachen.

Dialog muslimischen Vertretern

Für Schlagzeilen sorgte die erste Jahreskonferenz des umstrittenen Islamischen Zentralrates Schweiz (IZRS), der durch strenggläubige muslimische Konvertiten geführt wird und durch radikale Parolen und Polemiken auffällt. Je nach Quelle zwischen 1000 und 2000 Besucherinnen und Besucher kamen an die Veranstaltung im Bieler Kongresshaus, an der unter anderem bekannte islamische Prediger und Konvertiten aus dem In- und Ausland auftraten. Die geplante Prominenz zur Unterstützung der Ende 2010 vom IZRS unter grossem Medienwirbel angekündigten Volksinitiative „Ja zur Streichung des Minarettverbots“ liess sich nicht finden. Auch die Föderation Islamischer Dachverbände erteilte dem Ansinnen des IZRS eine Absage. Die Lancierung der Initiative und der Beginn der Unterschriftensammlung wurden im Verlauf des Berichtsjahrs mehrmals verschoben. Erst im Dezember konstituierte sich in Bern, diesmal offenbar praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit, ein sogenannt unabhängiges Initiativkomitee, das laut Pressebericht vom IZRS aber namhaft finanziell unterstützt wird. Breite Medienresonanz erhielt zudem eine vom IZRS im Oktober in Bern organisierte Kundgebung gegen Islamophobie, mit rund 2000 Demonstrierenden.

Jahreskonferenz Islamischen Zentralrates Schweiz (IZRS)

Die Frage, inwiefern dem Islam über seine religiösen und gesellschaftlich-kulturellen Symbole wie dem Kopftuch oder der Burka in einer säkularen, aber in christlicher Tradition stehenden Gesellschaft Sichtbarkeit zugestanden wird, beschäftigte nicht nur die Legislativen. So fanden sich etwa die öffentlich-rechtlichen Medien unverhofft im Spannungsfeld zwischen den von der Gesellschaftsmehrheit vertretenen Werte und der durch eine Minorität gleichermassen beanspruchten Glaubens- und Religionsfreiheit wieder. Der Fall einer Westschweizer Journalistin und kopftuchtragender Muslima, die sich um eine Stelle beim öffentlichen Westschweizer Radio bewarb, drängte die Journalistenzunft zur Auseinandersetzung mit ihrem gesellschafts- und verfassungspolitischen Selbstverständnis. Dabei gingen die Meinungen über die Gewichtung der Glaubens- und Religionsfreiheit im grundsätzlich religionsneutralen Angebot des öffentlich-rechtlichen Senders auch SRG-intern weit auseinander. Mit Hinweis auf die Singularität des Falls sah die SRG von einer schweizweiten Regelung der Kopftuchfrage ab und überliess den Entscheid der Westschweizer RTS, die ihren Mitarbeitenden das sichtbare Tragen religiöser, aber auch politischer Symbole im Rahmen ihrer Berufsausübung in der Öffentlichkeit verbot.

Islam religiösen und gesellschaftlich-kulturellen Symbole

Im Herbst wurde aufgrund zweier durch Freidenker provozierten Vorfällen eine nationale Debatte über die Präsenz von Kruzifixen und Kreuzen im öffentlichen Raum lanciert. Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU) reichte daraufhin eine parlamentarische Initiative ein, mit welcher sie Klarheit über solche Fragen schaffen will. Das Geschäft will in der Bundesverfassung verankern, dass christlich-abendländische Symbole in der Öffentlichkeit generell zulässig sein sollen.

Präsenz von Kruzifixen und Kreuzen im öffentlichen Raum

Im November wurde der Luzerner Felix Gmür, Generalsekretär der Bischofskonferenz, als neuer Bischof des Bistums Basel vorgestellt. Er tritt in die Fussstapfen von Bischof Kurt Koch, welcher kurz zuvor in Rom zum Kardinal geweiht wurde.

neuer Bischof des Bistums Basel

Im Berichtsjahr schlug der 2009 gefällte Volksentscheid zum Minarettverbot (Volksinitiative „gegen den Bau von Minaretten“) noch immer hohe Wellen. Im Frühjahr wurden dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) von muslimischen Organisationen und dem früheren Sprecher der Genfer Moschee zwei Rekurse zur Minarett-Initiative vorgelegt. In seiner Stellungnahme beantragte das EJPD dem EGMR im September, die Beschwerden für unzulässig zu erklären. Zum einen hätten die Beschwerdeführer vorgängig keine nationalen Instanzen durchlaufen und darüber hinaus sei es nicht die Absicht der Befürworter der Initiative gewesen, die Religionsfreiheit der Muslime einzuschränken oder die Bevölkerungsgruppe gar zu diskriminieren. Die Tatsache, dass das Minarettverbot noch nicht angewandt worden war, erleichterte den Bundesbehörden für den Moment die ablehnende Stellungnahme, da sich keiner der Beschwerdeführer als Opfer dieser potentiellen Grundrechtsverletzung darstellen konnte. Bei den Initiativbefürwortern sorgte hingegen für Entrüstung, dass das Langenthaler Minarett nach abgelehnter Baubeschwerde nun doch errichtet werden darf. Begründet wurde dieser Entscheid damit, dass Langenthal die Baubewilligung bereits im Juli 2009 und somit vor dem Volksentscheid zur Minarett-Initiative erteilt habe. Im Oktober zog das Aktionskomitee „Stopp Minarett“ den Fall vor das Verwaltungsgericht.

Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» (BRG 08.061)

Die Folgen des Abstimmungsergebnisses zur Minarett-Initiative waren auch im eidgenössischen Parlament, wo eine Vielzahl von Vorstössen zu muslimischen Gemeinschaften in der Schweiz eingereicht wurde, zu beobachten. Bereits überwiesen wurden die Postulate Amacker-Amann (cvp, BL), Malama (fdp, BS) und Leuenberger (gp, GE), welche die Erarbeitung eines umfassenden Berichts, respektive die Zusammenstellung bestehender Studien zu Muslimen in der Schweiz forderten. Die beiden letztgenannten Initianten betonten dabei, sie hätten in der Diskussion zur Minarett-Initiative eine ausgewogene und differenzierte Informationsgrundlage über in der Schweiz lebende Musliminnen und Muslime vermisst.

umfassenden Berichts zu Muslimen in der Schweiz

Das Resultat der Minarett-Initiative wurde zum Ausgangspunkt dreier weiterer Anliegen, welche das friedliche Zusammenleben der verschiedenen Religionsgruppen fördern wollten. So verlangte eine parlamentarische Initiative Zisyadis (pda, VD) zur Verstärkung des interreligiösen Dialogs die Schaffung einer eidgenössischen Kommission für Religionsfragen. Eine Motion Rennwald (sp, JU) forderte die Einrichtung eines interparlamentarischen Dialoges zum Abbau der durch die Annahme der Minarett-Initiative erzeugten Misstöne im Ausland. Beide Vorstösse wurden vom Nationalrat deutlich abgelehnt, da sie Kommission und Bundesrat folgend, die Anliegen durch bestehende Strukturen bereits als erfüllt erachteten. Auf mehr Zustimmung vom Bundesrat stiess das Postulat Amacker-Amann (cvp, BS), mit welchem die Diskussion zur Verankerung eines Religionsartikels in der Bundesverfassung wieder aufgenommen wurde. Dieser soll das Verhältnis zwischen Kirchen, anderen Religionsgemeinschaften und dem Staat konkret und verbindlich regeln. Im Parlament wurde die Diskussion über dieses Postulat in der Sommersession bekämpft und verschoben. Schlussendlich wurde das Geschäft 2012 abgeschrieben, da es mehr als zwei Jahre hängig war.

friedliche Zusammenleben der verschiedenen Religionsgruppen fördern

Die Delegiertenversammlung des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes (SEK) wählte im Juni den Berner Theologen Gottfried Locher als Nachfolger des noch bis Jahresende amtierenden Präsidenten Thomas Wipf. Gewählt wurde Locher im zweiten Wahlgang mit Unterstützung von Abgeordneten aus der Romandie. Der einzige westschweizer Kandidat zog seine Kandidatur als Drittplatzierter nach dem ersten Wahlgang zurück.

Gottfried Locher

Nationalrat Alexander Baumann (svp, TG) wollte mit einer Motion die sicherheitspolitischen Massnahmen gegenüber Imamen verstärken. Dazu forderte er vom Bundesrat die Veröffentlichung des vom Nachrichtendienst erstellten Berichts zu islamistischen Imamen. Trotz der bundesrätlichen Ausführungen, welche die Motion unter anderem aus Geheimhaltungsgründen zur Ablehnung empfahl, nahm der Nationalrat das Begehren an; allen voran eine geschlossene FDP und SVP. Anders entschied der Ständerat, welcher die Motion somit scheitern liess. Eine bessere Kontrolle von Imamen wollte auch die Motion Reimann (svp, SG), welche der Ständerat jedoch ebenfalls entgegen dem Nationalrat ablehnte.

sicherheitspolitischen Massnahmen gegenüber Imamen verstärken

Die Rolle des Islam in der Schweiz wurde auch in den Medien stark thematisiert. Führend waren Debatten über allfällige Kopftuch- und Burkaverbote sowie über die Zulässigkeit muslimischer Grabstätten. Insbesondere eine parlamentarische Debatte im Kanton Aargau brachte im Mai gesamtschweizerisch die Gemüter in Wallung. Der Grosse Rat sprach sich überaus deutlich für einen von den Schweizer Demokraten eingebrachten Vorschlag aus, eine Standesinitiative für ein schweizweites Burkaverbot zu lancieren. Diverse Stimmen verurteilten diese Diskussion daraufhin als Scheindebatte; sie thematisiere an der Lebenswirklichkeit der in der Schweiz lebenden Mehrheit der Muslime vorbei und sei deshalb kontraproduktiv für deren Integration. Gegen ein Burkaverbot vereinten sich Frauen der SP, CSP, FDP und der Grünen. Ulrich Schlüer (svp, ZH), einer der Haupt-Initianten der Minarett-Initiative, äusserte zum allgemeinen Erstaunen Bedenken gegenüber dem Anliegen. Die zuständige kantonale Kommission folgerte auf diese und andere Reaktionen, dass das Verbot eines bestimmten Kleidungsstückes „ausserordentlich willkürlich“ sei und beschloss eine erweiterte Fassung der Initiative. Mitte September reichte der Kanton Aargau schliesslich eine Standesinitiative für ein generelles nationales Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum ein. Im Kanton sprachen sich die Fraktionen der SVP, CVP, FDP und EVP für, und die SP und die Grünen gegen den Vorstoss aus.

Standesinitiative für ein generelles nationales Verhüllungsverbot im öffentlichen Raum

Die Aufdeckung diverser Fälle von sexuellen Übergriffen in der katholischen Kirche entfachte im Berichtsjahr eine hitzige Debatte. Auf Protest stiess insbesondere die Aussage der römisch-katholischen Kirche, dass sie es den Missbrauchsopfern selbst überlasse, Anzeige zu erstatten. Von verschiedensten Seiten wurde von der Kirche daraufhin eine aktivere Rolle in dieser Frage gefordert. An der ordentlichen Schweizer Bischofskonferenz Anfangs Juni wurde schliesslich eine Anzeigepflicht bei bestehendem Verdacht auf sexuellen Missbrauch beschlossen. Zudem betonten die Bischöfe die Wichtigkeit eines verbesserten Informationsflusses zwischen den Bistümern. Ein Priester könne nur noch eingestellt werden, wenn ein lückenloser, schriftlicher Leumund vorläge. Die Diskussion um Pädophilie im Priestertum liess darüber hinaus Stimmen laut werden, welche eine Modernisierung der katholischen Kirche forderten. So wurden im Berichtsjahr Diskussionen zur Abschwächung der Zölibatsregel und zur Ordination von Priesterinnen lanciert.

Anzeigepflicht bei bestehendem Verdacht auf sexuellen Missbrauch

Die Vox-Analyse der Abstimmung zeigte, dass das Stimmverhalten stark vom Links-Rechts-Gegensatz gekennzeichnet war. Die politische Mitte, welche der Initiative nur in jedem dritten Fall ablehnend gegenüberstand, trug somit wesentlich zum Ausgang der Abstimmung bei. Im Gegensatz zu den nach den Abstimmungen geäusserten Vermutungen, dass viele linke Frauen die Initiative unterstützt hätten, zeigte die Vox-Analyse ein anderes Bild: Frauen aus dem linken Lager stimmten mit 16% der Initiative sogar noch weniger häufig zu als linke Männer (21%). Im rechten Lager stiess die Initiative jedoch bei den Frauen auf stärkere Zustimmung. Als stärkste soziostrukturelle Erklärungsgrösse zum Abstimmungsverhalten identifizierten die Autoren der Vox-Analyse die Bildung. Während drei Viertel aller Personen mit Lehrabschluss ein Ja in die Urne legten, waren es bei den Fachhochschul- und Universitätsabgängern noch deren 34%. Ferner stimmten Personen, die der Einwanderung von Ausländern negativ gegenüberstehen und solche, welche für eine traditionsbewusste Schweiz einstehen, der Initiative überaus deutlich zu. Interessant war jedoch, dass auch Personen, welche eine Chancengleichheit von Schweizern und Ausländern befürworten und solche, die ein modernes Bild der Schweiz vertreten, in knapp 40% der Fälle die Initiative unterstützten. Auch die Stimmenden, welche von einer sehr guten Verträglichkeit der schweizerischen und der islamischen Lebensweise ausgehen, stimmten der Initiative mit 49% Ja-Anteil zu. Das Abstimmungsergebnis ist somit nicht allein als Ausdruck der Fremdenfeindlichkeit zu verstehen. Die Hauptargumente der Pro-Seite, dass das Minarett ein reines Machtsymbol darstelle, ein Zeichen gegen die Islamisierung des Westens gesetzt werden müsse und die Ausübung der christlichen Religion in islamischen Staaten ebenfalls eingeschränkt wird, führten laut den Autoren der Studie zum Abstimmungserfolg: Über 80% der Ja-Stimmenden unterstützten diese Aussagen jeweils. Dem Hauptargument der Gegner, dass das Minarettverbot gegen die Menschenrechte verstosse, stimmten jedoch nur 62% der Nein-Stimmenden zu. Das Argument, dass der Islam die Frau unterdrücke, schien ebenfalls nicht massgebend zum Abstimmungserfolg beigetragen zu haben, obwohl dem 87% der Befürworter zustimmten. Auch über drei Viertel der Gegner stützten diese Aussage, waren aber offensichtlich nicht der Ansicht, dass ein Minarettverbot zur Lösung dieses Problems beitragen könne.

Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» (BRG 08.061)