Suche zurücksetzen
Themenübergreifendes Suchen:

Inhalte

  • Kultur, Sprache, Kirchen
  • Kirchen und religionspolitische Fragen

Akteure

Prozesse

  • Parlamentarische Initiative
17 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

In der Frühjahrssession 2020 kam der Nationalrat dem Mehrheitsantrag des Büro-NR nach und entschied in der Vorprüfung der parlamentarischen Initiative Addor (svp, VS) mit 107 zu 70 Stimmen bei 4 Enthaltungen gegen Folgegeben. Das auffälligste Votum in der Diskussion um das dargelegte Anliegen, zur Weihnachtszeit in der Kuppelhalle des Parlamentsgebäudes nebst des obligaten Weihnachtsbaums auch eine Weihnachtskrippe aufzustellen, kam von Nationalrat Paganini (cvp, SG): Dieser wollte vom Initianten wissen, wie er denn gedenke, die «Absurdität», wenige Tage vor Ostern eine Diskussion um Weihnachtskrippen anzustossen, anstatt sich «wirklichen» Problemen zuzuwenden, gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern des Landes zu erklären.
Jean-Luc Addor sah die Problemrelation zwar ein, ermahnte aber dennoch, dass man dieser Thematik keine geringe Relevanz zuschreiben dürfe, da sie eine gewisse symbolische Bedeutung in sich trage. Gerade an die Ratskolleginnen und -kollegen mit dem «C» im Parteinamen appellierte er, sich der Bedeutung von Symbolen neuerlich bewusst zu werden, da die Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht nur von praktischen Dingen lebten, sondern auch von Symbolen, an die sie glaubten.
Auch wenn er auf den Ausgang der Abstimmung keinen grossen Einfluss genommen hatte, so schien Addors Appell bei der Christpartei dennoch Gehör gefunden zu haben. Während sämtliche andere Fraktionen entweder geschlossen gegen (SP, GLP, GP; FDP: 21 dagegen, 2 dafür, 3 Enthaltungen) oder geschlossen für (SVP) Folgegeben waren, zeigte sich bei der Mitte-Fraktion ein offensichtlicher Wertegraben: Bei einem Stimmenverhältnis von 19 zu 8 Stimmen bei einer Enthaltung für Folgegeben entfielen 17 der 19 Stimmen auf CVP-Mitglieder, die anderen beiden Stimmen waren EVP-Mitgliedern zuzuschreiben.

Weihnachtskrippe im Parlamentsgebäude (Pa. Iv. 19.455)

Mit Verweis auf die christlich-abendländische Tradition der Schweiz und einer Reminiszenz auf die drei Eidgenossen – Arnold von Melchtal, Walter Fürst und Werner Stauffacher – beantragte Nationalrat Jean-Luc Addor (svp, VS) mittels einer parlamentarischen Initiative eine dahingehende Änderung des Parlamentsrechts, dass zur Weihnachtszeit in der Kuppelhalle des Parlamentsgebäudes nebst dem traditionell zur Wintersession aufgestellten Weihnachtsbaum auch eine Weihnachtskrippe vorgesehen wird. Es sei denkbar, dass die Krippe im Turnus jeweils von einem Kanton gestaltet werde und auch dass sich Institutionen aus dem Bereich der Behinderten- sowie Kinder- und Jugendbetreuung einbringen könnten.
Das Büro-NR beantragte in der Vorprüfung mit 5 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung kein Folgegeben. Die Mehrheit argumentierte, dass dem Grundsatz der konfessionellen Neutralität gerade auch an einem solch symbolträchtigen Ort wie dem Parlamentsgebäude nachzukommen sei. Daher erachte man die bisherige Tradition des Weihnachtsbaumes als einen guten Mittelweg, ohne auf religiöse Darstellungen zurückgreifen zu müssen. Die Minderheit Estermann (svp, LU) verwies hingegen auf die lange Tradition der Weihnachtskrippen in der Schweiz, die zugleich ein wichtiges Symbol der christlichen Landeswurzeln darstellten und auch an die Geschichte der Eidgenossenschaft anknüpften.

Weihnachtskrippe im Parlamentsgebäude (Pa. Iv. 19.455)

Mittels einer parlamentarischen Initiative Zanetti (svp, ZH) wurde gefordert, dass Art. 97 Abs. 3 ZGB aufgehoben wird. Dieser besagt, dass eine religiöse Eheschliessung nicht vor der Ziviltrauung durchgeführt werden darf, was gemäss dem Initianten einer Diskriminierung der religiösen Eheschliessung gleichkomme. Die RK-NR hatte in ihrem Bericht vom Juli 2018 kein Folgegeben beantragt (20 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung) und stützte diesen Entscheid auf die Schutzfunktion, die dem Primat der Ziviltrauung zugrunde liegt. Eine für die Herbstsession 2018 geplante Abstimmung in der grossen Kammer erübrigte sich jedoch, da Zanetti die Vorlage unbegründet zurückzog.

Keine Diskriminierung religiöser Eheschliessungen

«Können wir Weltfrauentage feiern, Pussyhats in der Wandelhalle stricken und gleichzeitig einer Religion die Tore öffnen, in der die Ungleichheit der Geschlechter zum Ordre public gehört?» Mit diesem und noch einigen weiteren rhetorischen Argumenten versuchte Nationalrat Zanetti (svp, ZH) in der Sommersession 2018 seine parlamentarische Initiative, mit der er die Konkretisierung des Begriffs «schweizerischer Ordre public» forderte, durchzusetzen und damit dem Scharia-Recht abzusagen. Unterstützung fand er in der Person seines Ratskollegen Yves Nidegger (svp, GE): Um Zanettis Anliegen zu untermalen, führte er das Beispiel eines amerikanischen Richters an, der offensichtlich darüber zu entscheiden hatte, welche Darstellungen nun genau als Pornographie zu definieren seien und welche eben nicht. Der Richter habe hierzu gemeint, dass er zwar keine genaue Definition von Pornographie habe, aber er es wisse, wenn er sie denn sehe; und so ähnlich verhalte es sich eben auch mit den Schweizer Richtern und dem Ordre public – und genau diesen Umstand gelte es nun zu klären. Andrea Gmür-Schönenberger (cvp, LU) stellte sich indes, als Vertreterin der Kommission, gegen diese Position. Die Kommission sei mit dem Initianten einig, dass niemand ein Scharia-Recht in der Schweiz tolerieren wolle; der eingereichte Vorstoss ziele aber gar nicht auf diesen Sachverhalt ab. Es sei festzuhalten, dass der Initiant nicht die Gesetzgebung per se bemängle, sondern in erster Linie die Urteile der rechtsanwendenden Behörden hinterfrage. Die Kommission erwarte von den Gerichten klar, dass sie ihre Aufgaben wahrnähmen und bestehende Gesetze auch anwendeten; sie sei aber ebenso der Ansicht, dass dieser Grundsatz von den rechtsanwendenden Behörden bereits umgesetzt werde. Da Zanetti nicht aufzeigen könne, inwiefern diesbezüglich ein konkreter Handlungsbedarf bestehe, sehe die Kommission auch keine Notwendigkeit zur Ergreifung entsprechender Massnahmen.
Wie zuvor schon in der vorberatenden RK-NR fand der Vorstoss auch in der grossen Kammer keinen Rückhalt: Der Nationalrat lehnte die Initiative mit 122 zu 66 Stimmen ab, womit das Geschäft nicht weiterverfolgt wird – sämtliche Befürwortungen entfielen auf die SVP-Fraktion.

Konkretisierung des schweizerischen Ordre public. Kein Scharia-Recht durch die Hintertür

Eine im Herbst 2017 eingereichte parlamentarische Initiative Zanetti (svp, ZH) forderte die Konkretisierung des Begriffs „schweizerischer Ordre public“ im IPRG, sodass im kollisionsrechtlichen Falle das Scharia-Recht nicht mit dem schweizerischen Ordre public vereinbar sei. Die Formulierung solle zwar weiterhin eine möglichst offene Anwendung finden, dennoch solle aber verhindert werden, dass über das internationale Privatrecht eine Hintertür geschaffen werde, welche mit Rückgriff auf eine abgeschwächte öffentliche Ordnung dem Scharia-Recht zu einer Anerkennung in der Schweiz verhelfe.
Bisweilen werde diese Konkretisierung von den rechtsanwendenden Behörden übernommen, zeige aber gerade im internationalen Privatrecht einen mangelnden Durchsetzungswillen des Schweizer Ordre public auf, weshalb diesbezüglich Aufweichungstendenzen hin zu einem „Ordre public atténué“ ersichtlich seien. Der Initiant ging davon aus, dass Normenkonflikte, ausgehend von der beständigen Immigration, gerade mit dem Scharia-Recht zunehmen und beispielsweise im Bereich des Eherechtes noch viele Fragen aufwerfen werden. Das Wesen des Ordre public sei aber als eine Grenze zur Vermeidung eines Ergebnisvollzugs zu verstehen, der mit schweizerischen Rechtsanschauungen nicht übereinstimme. Wenn die verantwortlichen Behörden dieser Grenzziehungsbereitschaft nicht mehr nachkommen wollten, sei es eben am Gesetzgeber, entsprechende Normen zu konkretisieren.
In der Vorprüfung des Vorstosses konnte die RK-NR nicht gänzlich von der Sache überzeugt werden. Mit 15 zu 9 Stimmen beantragte diese kein Folgegeben. Die Kommissionsminderheit – darunter auch Zanetti selbst – sprach sich explizit für eine Konkretisierung aus, damit der Spielraum für Gerichte und rechtanwendende Behörden in der Begriffsauslegung eingeschränkt werde. Es obliege dem Gesetzgeber selbst, die Grundprinzipien und Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung im Gesetz vorzugeben. Die Kommissionsmehrheit hingegen war diesbezüglich anderer Auffassung und sprach sich für den Status quo aus. Mit Bezugnahme auf die Art. 17 und 27 IPRG liess sie verlauten, dass die Anwendung des Ordre-public-Vorbehaltes bei der Anerkennung von ausländischen Entscheiden wesentlich restriktiver sei als bei der Anwendung von fremdem Recht. Des Weiteren hielt sie fest, dass per se keine ausländische Rechtsordnung Ordre-public-widrig sei, was insbesondere auch für die islamische Rechtsordnung gelte. Mit den bestehenden Rahmenbedingungen würde heute bereits dafür Sorge getragen, dass kein ausländisches Recht zur Durchsetzung gebracht werde, das nicht mit den schweizerischen Vorgaben vereinbar sei. Daher sehe sie diesbezüglich keinen Handlungsbedarf.

Konkretisierung des schweizerischen Ordre public. Kein Scharia-Recht durch die Hintertür

Bereits im Jahr 2011 berieten die beiden Staatspolitischen Kommissionen über eine parlamentarische Initiative Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU), welche zum Ziel hatte, Symbole der christlichen-abendländischen Kultur im öffentlichen Raum verfassungsrechtlich zu schützen. Während die SPK-NR die Annahme der Initiative empfahl, sprach sich die SPK-SR gegen die Vorlage aus, da eine Sonderstellung des Christentums die friedliche Koexistenz der verschiedenen Religionen gefährden würde. Somit gelangte das Geschäft während des Berichtjahrs zum Entscheid an die Räte. Der Nationalrat gab der Initiative mit 87 zu 75 Stimmen Folge, während der Ständerat sie knapp mit 21 zu 17 Stimmen ablehnte.

Präsenz von Kruzifixen und Kreuzen im öffentlichen Raum

Eine Parlamentarische Initiative Roth-Bernasconi (sp, GE) (siehe auch hier), die ein Verbot der sexuellen Verstümmelung (Beschneidung und Infibulation) von Frauen verlangte, tangierte sowohl gesellschafts- und religionspolitische Fragen als auch Aspekte des Persönlichkeitsschutzes. Der Nationalrat hatte einer entsprechenden Anpassung des Strafgesetzbuchs (StGB) Ende 2010 auf Empfehlung seiner Kommission zugestimmt, während der Ständerat in der Detailberatung davon abgewichen war. In der Differenzbereinigung schloss sich der National- dem Ständerat an, so dass im Herbst des Berichtsjahrs beide Räte dem Verstümmelungsverbot zustimmten.

Verbot der sexuellen Verstümmelung

Die staatpolitische Kommission des Nationalrats (SPK) empfahl mit präsidialem Stichentscheid (bei 12 zu 12 Stimmen) Folgegeben für eine parlamentarische Initiative Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU), die christlichen Symbolen im öffentlichen Raum ein verfassungsrechtliches Vorrecht vor anderen religiösen Zeichen einräumen möchte. Damit soll verhindert werden, dass mit Berufung auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit eine Entfernung der im gesellschaftlichen Alltag verankerten Insignien christlicher Kultur und Tradition erwirkt werden könnte. Da die ständerätliche SPK im Herbst des Berichtsjahrs mit Verweis auf die geforderte religiöse Neutralität des Staats gegenteiliger Meinung war, gelangt das Geschäft zum Entscheid an die Räte. Dieser ist für 2012 vorgesehen.

Präsenz von Kruzifixen und Kreuzen im öffentlichen Raum

Im Herbst wurde aufgrund zweier durch Freidenker provozierten Vorfällen eine nationale Debatte über die Präsenz von Kruzifixen und Kreuzen im öffentlichen Raum lanciert. Ida Glanzmann-Hunkeler (cvp, LU) reichte daraufhin eine parlamentarische Initiative ein, mit welcher sie Klarheit über solche Fragen schaffen will. Das Geschäft will in der Bundesverfassung verankern, dass christlich-abendländische Symbole in der Öffentlichkeit generell zulässig sein sollen.

Präsenz von Kruzifixen und Kreuzen im öffentlichen Raum

In der Volksabstimmung hiessen Volk und Stände mit knapp zwei Drittel Ja-Stimmen die Streichung des Bistumsartikels gut. Am deutlichsten stimmten grossmehrheitlich katholische Kantone zu (Freiburg, Tessin, Solothurn und Wallis), am knappsten war das Resultat in Genf und Glarus sowie in den protestantisch-dominierten Kantonen Schaffhausen und Bern. Der Schweizerische Evangelische Kirchenbund sprach sich grundsätzlich dafür aus, eine Volksinitiative für einen Religionsartikel zu lancieren.


Abstimmung vom 10. Juni 2001

Beteiligung: 42,0%
Ja: 1 194 556 (64,2%) / 26 6/2 Stände
Nein: 666 108 (35,8%) / 0 Stände

Parolen:
– Ja: FDP, SP, CVP, SVP (1*), EVP, LPS, GP, CSP, FPS; ZSA (Arbeitgeber), CNG; Schweiz. Bischofskonferenz (SBK)
– Nein: EDU, PdA; Kath. Frauenbund, Bund aktiver Protestanten, Arma, IG Frauen Kirche
– Stimmfreigabe: SD; SGB, Schweiz. Evangelischer Kirchenbund (SEK)
* in Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Parlamentarische Initiative der zur Aufhebung des Bistumsartikels (Pa.Iv. 00.415)

Bundesrätin Metzler eröffnete zwei Monate vor der Volksabstimmung vom 10. Juni mit viel persönlichem Engagement die Abstimmungskampagne zur Aufhebung des Bistumsartikels in der Bundesverfassung, die National- und Ständerat im Vorjahr beschlossen hatten. Sie führte aus, kein Staat kenne eine Bewilligungspflicht für Bistümer. Eine solche Einschränkung des Rechts einer Glaubensgemeinschaft auf Selbstorganisation und damit der Religionsfreiheit sei nicht gerechtfertigt, namentlich auch nicht durch das Interesse der öffentlichen Sicherheit – ganz abgesehen davon, dass die staatliche Kompetenz, Massnahmen zur Wahrung des religiösen Friedens zu treffen, ohnehin in der Verfassung bleiben wird. Die Streichung der Ausnahmeregelung sei auch von der Europäischen Menschenrechtskonvention und vom internationalen Menschenrechtspakt II her geboten. Mit Ausnahme der EDU und der PdA, welche die Nein-Parole ausgaben, sowie der SD, die Stimmfreigabe beschlossen, folgten alle politischen Parteien dieser Argumentation.

Weit weniger geeint zeigten sich die kirchlichen Organisationen. Während die Bischofskonferenz erwartungsgemäss für eine Streichung der Bestimmung eintrat, taten sich mehrere katholische Laienorganisationen schwer damit, da sie im Bistumsartikel eine Art Pfand für eine Mitsprache der Kirchenbasis bei Bischofsernennungen sahen; gegen eine Streichung sprach sich schliesslich aber nur der Schweizerische Katholische Frauenbund aus. Die reformierte Landeskirche verzichtete nach längerem Hin und Her auf eine Abstimmungsempfehlung. Obgleich sie die Information des Bundesrates als einseitig empfand – insbesondere bestritt sie, der Bistumsartikel sei diskriminierend und menschenrechtswidrig – wollte sie nicht Öl ins Feuer der konfessionellen Diskussionen giessen; sie plädierte aber erneut für die Schaffung eines Verfassungsartikels, in dem die Beziehungen zwischen dem Bund und den Religionsgemeinschaften zeitgemäss geregelt würden. Gegen die Streichung wehrten sich hingegen evangelikale Splittergruppen.

Parlamentarische Initiative der zur Aufhebung des Bistumsartikels (Pa.Iv. 00.415)

In der Bundesverfassung von 1874 fanden aufgrund des Kulturkampfs gegen Rom drei Verfassungsartikel mit deutlich anti-katholischer Stossrichtung Eingang: das bereits in der Verfassung von 1848 verankerte Jesuitenverbot, das Verbot, neue Klöster zu errichten, sowie der sogenannte «Bistumsartikel», der die Neugründung bzw. die Gebietsveränderung von Bistümern von einer Bewilligung des Bundes abhängig macht. Der Bistumsartikel wurde nur ein einziges Mal angewendet (1876) und betraf nicht diejenigen, gegen die er eigentlich gerichtet war: Als sich die Christkatholiken aus Protest gegen das im ersten Vatikanischen Konzil beschlossene Dogma der Unfehlbarkeit des Papstes von Rom trennten und ein eigenes Bistum errichten wollten, mussten sie beim Bund um Genehmigung nachsuchen; das Verfahren war in ihrem Fall reine Formalität. 1964 beantragte eine Motion im Nationalrat, die drei «Kulturkampfartikel» abzuschaffen. Der Rat war bereit, alle drei antikatholischen Bestimmungen zu streichen. Auf Antrag des Bundesrates, der das «Fuder nicht überladen» wollte, fielen dann aber 1973 in der Volksabstimmung nur der Jesuiten- und der Klosterartikel. Der Bistumsartikel sollte mit dem Verfassungsentwurf von 1978 verschwinden, doch gedieh dieser nicht zur Abstimmungsreife. 1994 unternahm der Aargauer CVP-Ständerat Huber mit einer parlamentarischen Initiative einen neuen Vorstoss. Diesem wurde 1995 vom Plenum Folge gegeben, die Arbeiten aber im Hinblick auf die Totalrevision der Bundesverfassung sistiert.

In den parlamentarischen Diskussionen um diese Revision beantragte der Bundesrat erneut erfolgreich, den Bistumsartikel auszuklammern, um das Gesamtwerk nicht durch eine Debatte mit ungewissem Ausgang zu gefährden. Nach einer kontroversen Vernehmlassung verzichtete der Ständerat auf die gesetzgeberische Umsetzung der parlamentarischen Initiative Huber und beauftragte den Bundesrat mit einer Motion (Mo.SPK-SR 99.3391), sein Anliegen durch eine Vorlage zu ersetzen, die den Bistumsartikel im Sinn einer generellen Bestimmung über das Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften revidieren sollte. Dieses zögerliche Verhalten genügte nun dem Nationalrat nicht mehr. Mit Zustimmung des Bundesrates gab er einer parlamentarischen Initiative seiner Staatspolitischen Kommission Folge, die eine ersatzlose Streichung des Bistumsartikels verlangte. Hauptargument war, dass Art. 72 Abs. 3 BV die Religionsfreiheit beschränkt, die römisch-katholische Kirche diskriminiert und dem Völkerrecht widerspricht. Die ständerätliche Motion lehnte er hingegen mit 150 zu 6 Stimmen deutlich ab. Er folgte damit dem Bundesrat, der die Befürchtung äusserte, ein umfassender Religionsartikel würde an zu vielen offenen Fragen (neue weltanschauliche Gruppierungen, konfessionelle Privatschulen, Kantonshoheit im Kultusbereich) scheitern resp. über Jahre hinaus mit emotionalen Argumenten die eigentlich unbestrittene Forderung nach der Aufhebung des Bistumsartikels blockieren. Vor der Debatte im Nationalrat warnten besorgte Katholiken, unter ihnen der von Rom verfemte Theologe Hans Küng und der St- Galler Politologe Alois Riklin sowie der Staats- und Verfassungsrechtler Alfred Kölz vor einem unbedachten Vorgehen in dieser Materie: sie machten auf den wenig bedachten Aspekt des ungesicherten ortskirchlichen Bischofswahlrecht bei der Errichtung neuer Bistümer aufmerksam, welches es ermöglichen würde, dass die römische Hierarchie ohne demokratische und ortskirchliche Legitimation nach Gutdünken Entscheide in Bistumsfragen vornehmen könnte, wie sie beispielsweise bei der Einsetzung des dem «Opus Dei» nahestehenden Bischof Haas in Chur erfolgt waren, die zu einer tiefen Spaltung der katholischen Kirche in der Schweiz geführt hatte. Der Ständerat schloss sich bei der parlamentarischen Initiative einstimmig der grossen Kammer an.

Parlamentarische Initiative der zur Aufhebung des Bistumsartikels (Pa.Iv. 00.415)

Dieser Zickzackkurs der Kommission war gar nicht nach dem Geschmack des abtretenden Urner CVP-Vertreters Danioth. Er stellte deshalb im Plenum den Antrag, die parlamentarische Initiative von alt Ständerat Huber sei an die Kommission zurückzuweisen mit dem Auftrag, eine neue Vorlage zwecks Streichung des Bistumsartikels vorzulegen. Der Ständerat teilte zwar die Auffassung, dass der Artikel die römisch-katholische Kirche völkerrechtlich diskriminiert und deshalb nicht in eine moderne Verfassung gehört, wollte aber dennoch die Frage erst später lösen. Bundesrätin Metzler anerkannte das «emotionale Potenzial» der Vorlage, gleichzeitig erklärte sie, der Bundesrat sei enttäuscht, dass es offenbar nicht gelinge, die letzte konfessionelle Ausnahmebestimmung rasch aus der Verfassung zu tilgen. Mit 20 zu 18 Stimmen wurde der Antrag Danioth abgelehnt, worauf die oben erwähnte Motion der SPK ohne weitere Diskussion überwiesen wurde.

Abschaffung des Bistumsartikels in der Bundesverfassung nicht geglückt (Ip. 94.3421 und Pa. Iv. 94.433)

Der Ständerat sprach sich bereits mehrmals für eine Abschaffung des Bistumsartikels aus, welcher zur Errichtung neuer oder zur territorialen Veränderung bestehender Bistümer die Zustimmung des Bundes voraussetzt. Nachdem er bei der Verfassungsdiskussion mit seinem Ansinnen gegenüber Bundes- und Nationalrat unterlegen war, hatte er die Landesregierung beauftragt, Entwürfe für eine entsprechende Teilrevision des Grundgesetzes in eine Vernehmlassung zu geben. Diese fiel bedeutend kontroverser aus als von der kleinen Kammer erwartet. Die vier Bundesratsparteien sprachen sich für eine Abschaffung aus, ebenso die Schweizerische Bischofskonferenz, welche einmal mehr festhielt, dass es sich hier in erster Linie um ein antikatholisches Relikt aus der Zeit des Kulturkampfes handle. Wichtige Basisorganisationen (Römisch-katholische Zentralkonferenz, Katholischer Frauenverband) meldeten hingegen Widerstand an und meinten, vor einer Abschaffung müssten mit dem Vatikan ganz klare Abmachungen über die Mitsprache des Kirchenvolkes bei der Wahl von Bischöfen stipuliert werden. Der Widerstand der katholischen Basisbewegung erklärte sich durch die langjährigen Querelen um den äusserst umstrittenen Churer Exbischof Haas. Auch der Evangelische Kirchenbund und die Christkatholische Kirche lehnten eine bedingungslose Streichung ab; ihrer Meinung nach sollten die Beziehungen zwischen Kirche und Staat in einem speziellen Verfassungsartikel umfassend geregelt werden. Die meisten katholisch dominierten Kantone votierten für die Abschaffung. Bern wollte grundsätzlich am Bistumsartikel festhalten; Zürich und Genf vertraten die Auffassung, eine Aufhebung sei zumindest verfrüht.

Die Ergebnisse der Vernehmlassung bewogen die Staatspolitische Kommission des Ständerates, das Tempo zu drosseln – vorgesehen war ursprünglich eine Volksabstimmung im Lauf des Jahres 2000 – und weitere Interessenvertreter anzuhören. Nach diesen Hearings kam sie zum Schluss, dass eine isolierte Streichung des Bistumsartikels unnötige Diskussionen und unerwartete Emotionen auslösen könnte. Die SPK verzichtete deshalb darauf, diese dem Plenum zu unterbreiten. Mit einer Motion wollte sie dagegen den Bundesrat auffordern, eine umfassende Änderung von Art. 72 der Bundesverfassung vorzubereiten und das Anliegen mit einer Vorlage über das generelle Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften zu erfüllen.

Abschaffung des Bistumsartikels in der Bundesverfassung nicht geglückt (Ip. 94.3421 und Pa. Iv. 94.433)

Nicht weniger als fünf der sechs in der Schweiz amtierenden katholischen Bischöfe mussten im Laufe des Jahres ersetzt werden. Da es sich dabei mehrheitlich um ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Kirchendienst handelte, stellte sich erneut die Frage nach der Überforderung dieser Würdenträger, welche zum Teil enorm grosse Diözesen zu verwalten haben. Seit Jahren besteht deshalb der Ruf, der aus dem "Kulturkampf" stammende Artikel 50 Absatz 4 der Bundesverfassung, welcher eine Genehmigungspflicht des Bundes zur Errichtung neuer bzw. zur Veränderung bestehender katholischer Bistümer statuiert, sei aufzuheben. Gegen den Minderheitsantrag des Genfer Liberalen Coutau, der die protestantischen Bedenken seiner traditionell calvinistischen Stadt gegen einen möglichen Bischof von Genf ins Feld führte, nahm der Ständerat eine parlamentarische Initiative Huber (cvp, AG) an, welche eine ersatzlose Streichung von Art. 50 Abs. 4 BV verlangt. Die Vorsicht, mit der alle Redner das Thema angingen, und das knappe Ergebnis (18:16 Stimmen) zeigten, dass damit eine Frage aufgegriffen wurde, die trotz der Überwindung des Kulturkampfes und der langjährigen Erfahrung mit gelebtem konfessionellem Frieden im kollektiven Empfinden heikel geblieben ist.

Abschaffung des Bistumsartikels in der Bundesverfassung nicht geglückt (Ip. 94.3421 und Pa. Iv. 94.433)

Aber auch Politiker wurden in dieser Richtung aktiv. Bereits zwei Monate vor dem Appell der Bischofskonferenz hatte Nationalrat Leuba (lp, VD) den Bundesrat in einer Interpellation aufgefordert, die Abschaffung des Bistumsartikels voranzutreiben. Leuba argumentierte, der Artikel widerspreche dem von den Stimmbürgern am 25. September angenommenen Anti-Rassismusgesetz, das ausdrücklich auch die Diskriminierung aus Gründen der Religionszugehörigkeit unter Strafe stellt. In seiner Antwort bestritt der Bundesrat zwar, dass der Bistumsartikel einen Fall von Diskriminierung im Sinn der internationalen Konvention gegen den Rassismus darstelle. Er räumte aber ein, dass diese Bestimmung mit der Regelung der konfessionellen Konflikte an Bedeutung verloren habe, weshalb er sich bereit erklärte, bei einer Totalrevision der Bundesverfassung die Aufhebung des Artikels zu beantragen, wie dies bereits eine überwiesene Motion des Nationalrates von 1972 verlangt hatte.

Nicht bis zu einer Totalrevision der Bundesverfassung möchte der Aargauer Ständerat Huber (cvp) warten. In der Wintersession reichte er eine parlamentarische Initiative für eine ersatzlose Streichung von Art. 50 Abs. 4 BV ein.

Abschaffung des Bistumsartikels in der Bundesverfassung nicht geglückt (Ip. 94.3421 und Pa. Iv. 94.433)

Mit einer parlamentarischen Initiative verlangte Nationalrat und Pfarrer Ernst Sieber (evp, ZH), dass durch eine Revision von Art. 75 der Bundesverfassung die Beschränkung der Wählbarkeit in den Nationalrat auf Personen "weltlichen Standes" und die damit verbundene Diskriminierung von Personen "geistlichen Standes" aufgehoben wird. In seiner Begründung erinnerte der Initiant daran, dass diese Ausnahmebestimmung als Folge des Sonderbundkrieges und des Kulturkampfes in die Verfassungen von 1848 und 1874 aufgenommen worden war. Auch die vorberatende Kommission erachtete den Ausschluss der Personen "geistlichen Standes" als ein heute sinnentleertes Relikt aus dem letzten Jahrhundert und sah darin einen Widerspruch zum Grundsatz des allgemeinen Wahlrechts, weshalb sie sich vollumfänglich dem Anliegen des Initianten anschloss. Das Plenum stimmte dem Vorstoss diskussionslos zu.

Pa. Iv. Sieber zur Wählbarkeit von Pfarrern
Dossier: Vorstösse zu Reformen des Parlamentsgeseztes 1992-2000