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In seinem jährlichen Antisemitismusbericht sammelt und analysiert der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) in Zusammenarbeit mit der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) seit 2008 antisemitische Vorfälle aus der deutschsprachigen, rätoromanischen und italienischsprachigen Schweiz. Die Vorfälle sammelt der SIG zum einen über eine interne Meldestelle, andererseits werden auch Fälle aufgenommen, über welche die Medien berichten, sowie vom SIG im Internet selbst recherchierte Fälle. Als Grundlage nutzt der SIG dabei die Antisemitismusdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA). Für die Westschweiz erstellt die CICAD einen eigenen Antisemitismusbericht, der jedoch methodisch vom Bericht des SIG abweicht.

Im Jahr 2021 verzeichnete der Antisemitismusbericht einen deutlichen Anstieg an antisemitischen Vorfällen. So kam es insgesamt zu 859 gemeldeten oder beobachteten Fällen von Antisemitismus – dies beinhaltete Übergriffe in der realen, aber auch der digitalen Welt, wobei letztere mit 806 Fällen deutlich die Mehrheit bildeten. In der Mehrheit der Fälle – nämlich in 95.5 Prozent der Fälle – handelte es sich um antisemitische Aussagen, die restlichen 4.5 Prozent der Fälle setzten sich aus Beschimpfungen (2.0%), Karikaturen (1.2%), Schmierereien (0.8%), Auftritten (0.3%) und Sachbeschädigungen (0.1%) zusammen. In der Westschweiz kam es gar zu zwei körperlichen Angriffen auf jüdische Menschen, wie der CICAD-Bericht zeigte. Dabei kam es im Jahr 2021 aufgrund von Strafanzeigen durch den SIG und der GRA zu insgesamt sechs Verurteilungen gegen rechtsextreme und antisemitische Personen. Inhaltlich standen antisemitische Verschwörungstheorien (48.4%) und Fälle des allgemeinen Antisemitismus, also die Verbreitung von antisemitischen Stereotypen (38.5%) im Zentrum. Dazu kam noch Israel-bezogener Antisemitismus (8.6%) und Leugnung oder Banalisierung des Holocaust (4.5%).

Gemäss Bericht können jeweils sogenannte «Trigger» ausgemacht werden, die zu einer Häufung von antisemitischen Vorfällen führen. Für das Jahr 2021 hätten etwa Diskussionen um ein Schweizer Denkmal für die Opfer des Nationalsozialismus oder die Eskalation des Israel-Palästina-Konflikts solche Trigger dargestellt und insbesondere zu einem deutlichen Anstieg des Israel-bezogenen Antisemitismus in der Schweiz geführt. Doch der mit Abstand grösste Trigger sei wie bereits im Vorjahr die Covid-19-Pandemie gewesen, die über das ganze Jahr hinweg zu Verschwörungstheorien geführt habe. Jedoch seien die antisemitischen Verschwörungstheorien bei den Schweizer Gegnerinnen und -gegnern der Corona-Massnahmen nach wie vor nicht mehrheitsfähig. Zugenommen hätten zudem die Vergleiche der Massnahmen gegen Covid-19, insbesondere des Covid-Zertifikats, mit dem Holocaust. Obwohl der SIG diesen Vergleich als «absolut abstossend» erachte, fliessen diese Fälle jedoch nicht als Antisemitismusfälle in die Statistiken ein, da sie gemäss der verwendeten IHRA-Antisemitismusdefinition nicht automatisch antisemitisch seien – auch wenn sie wegen einer Verharmlosung des Holocaust und dessen Folgen gefährlich seien.

Der Bericht schloss mit diversen Empfehlungen und identifizierte fünf Handlungsfelder, um einer weiteren Zunahme von Antisemitismus entgegenzuwirken. So solle der Bund etwa für eine bessere Datenlage sorgen oder soziale Medien sollten vermehrt in die Verantwortung gezogen werden, damit antisemitische Aussagen auf ihren Plattformen durch gute Moderation besser erkannt und gelöscht werden könnten. Der SIG führte gemäss Bericht auch eigene Präventionsmassnahmen durch, etwa Schulbegegnungen und Aufklärung rund um das Judentum. Zudem startete 2021 ein Pilotprojekt mit der Schweizer Armee, um für Diversität und Inklusion zu sensibilisieren.

Auch in den Medien wurde der Antisemitismus thematisiert. So berichteten die Medien etwa, dass der SIG Strafanzeige gegen die PNOS eingereicht hatte. Diese hatte in ihrem Parteimagazin Teile der «Protokolle der Weisen von Zion», einer der gemäss SIG am weitesten verbreiteten antisemitischen Hetzschriften weltweit, veröffentlicht. Nachdem im März 2021 antisemitische Aussagen und Symbole an der Synagoge in Biel angebracht worden waren, forderten der SIG sowie Mitglieder des Berner Kantonsrats gemäss Medien, dass der Kanton Bern seine Bemühungen zum Schutz der jüdischen Gemeinschaft erhöhe. In den vergangenen zwei Jahren habe sich gezeigt, dass die CHF 500'000, welche der Bund für Sicherheitsmassnahmen für bedrohte Minderheiten gesprochen hatte, nicht ausreichten. Das Budget sei in den letzten beiden Jahren jeweils ausgeschöpft worden, wobei nicht alle Anträge hätten genehmigt werden können – für 2022 seien insgesamt Anfragen in der Höhe von CHF 1 Mio. eingegangen.

Antisemitismus 2021

Im Sommer 2019 verlagerte eine am Institut für Religionsrecht der Universität Freiburg verfasste Studie den religionspolitischen Fokus vom nationalen auf die kantonalen Parlamente. Max Ammann und Prof. René Pahud de Mortanges untersuchten für den Zeitraum von 2010 bis 2018 eingereichte Vorstösse zu religionspolitischen Themen in 15 repräsentativ ausgewählten Kantonen.
Insgesamt konnten die Autoren 140 parlamentarische Vorstösse ausfindig machen (Höchstwert: 20 im Kt. Bern; Tiefstwert: 0 im Kt. Graubünden), die insgesamt 16 verschiedenen Parteien zugeordnet werden konnten. Über zwei Drittel der eingereichten Vorstösse kamen von den vier Bundesratsparteien SVP, SP, FDP und CVP, wobei die SVP mit 48 Vorstössen – also rund einem Drittel aller Vorstösse – mit Abstand die aktivste Partei war und selbst die beiden zweitklassierten Parteien SP und CVP (je 20 Vorstösse) zusammengenommen noch übertraf. Hinsichtlich der Religionsgemeinschaften fokussierten die Vorstösse in erster Linie den Islam (ca. 60%) und das Christentum (ca. 30%), während das Judentum den Autoren zufolge in der kantonalen Politik praktisch inexistent sei. Mit 33 von insgesamt 81 islamspezifischen Vorstössen (CVP 9; FDP und SP je 6) und zehn von insgesamt 42 Einreichungen zum Christentum (SP 7; FDP 5; CVP 3) dominierte die SVP die Religionsdebatte nachweislich, wobei sie in der Islamdebatte einen deutlich grössen Unterschied zu den anderen Parteien aufwies, was gemäss den Studienverantwortlichen durchaus ihrem Parteiprogramm entspreche.
Innerhalb der Vorstösse, die das Christentum betrafen, benannten die Forscher die Kirchenfinanzierung und die Kirchensteuern, die religiöse Neutralität, kirchliche Feiertage und den Religionsunterricht als Kernthemen. Lediglich in einzelnen Kantonen zur Diskussion standen hingegen Themen wie Kirchenglocken, Freikirchen oder die Aberkennung des öffentlich-rechtlichen Status der römisch-katholischen Kirche. Letzteres Anliegen sei gemäss den Autoren der einzige Vorstoss gewesen, der offen die Privilegien einer christlichen Kirche angreife. Zusammenfassend zeige die Analyse auf, dass den christlichen Kirchen zunehmend ein «säkularer Wind» seitens der Politik entgegenwehe und ihre rechtliche und gesellschaftliche Stellung mit den eingereichten Vorstössen meistens unter Druck gesetzt werde.
Dennoch stelle der Islam in der politischen Arena noch immer die umstrittenste Religionsgemeinschaft dar, obwohl die Musliminnen und Muslime lediglich fünf Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung ausmachten und zudem eine sehr disperse Gemeinschaft seien. Die mit dem Islam verknüpften Schlüsselthemen fokussierten Vermummungsverbote und Kleidervorschriften, die öffentliche Anerkennung, islamische Institutionen im Allgemeinen, die Wertedebatte – insbesondere hinsichtlich der Scharia – sowie die Radikalisierungs- und Terrorgefahr. Ammann und Pahud de Mortanges kamen zum Schluss, dass ein Grossteil der eingereichten Vorstösse sehr islamkritisch gewesen sei und dass die Legislativmitglieder offensichtlich grosse Vorbehalte gegenüber der – in der Schweiz – vergleichsweise neuen Religion und ihrer Anhängerschaft hätten. Die Debatte finde hierbei auf den zwei Ebenen der institutionellen und der gesellschaftlich-kulturellen Einbindung statt.
Hinsichtlich der möglichen Auswirkungen religionspolitischer Vorstösse auf das Religionsverfassungsrecht werden gemäss der Autorenschaft zwei politische Agenden ersichtlich: Zum einen übe ein offensiver politischer Ansatz Druck auf die anerkannten Kirchen aus und tendiere somit zu einem Abbau ihrer institutionellen Privilegien, was sich früher oder später auf ihren rechtlichen Status auswirken könne. Zum anderen bestehe gerade gegenüber neueren, nicht-christlichen Religionsgemeinschaften und besonders dem Islam ein tendenziell defensiverer und auf Erhalt bedachter politischer Ansatz, obwohl die Politik aufgrund verfassungsrechtlicher Vorgaben möglichst zu einer Gleichbehandlung aller Religionsgemeinschaften angehalten wäre. Allerdings sei der Wille hierzu und die damit einhergehende Einräumung ähnlicher Privilegien und Rechte, wie sie den christlichen Volkskirchen zugesprochen werden, gegenwärtig nur wenig ersichtlich.

Rolle der SVP in der Religionsdebatte

Gleich mehrere bedeutende Studien zur Religiosität der Schweizer Bevölkerung wurden 2014 publiziert. Eine breit angelegte Studie legte dar, dass sich 90% der um die 7'000 befragten Konfirmandinnen und Konfirmanden als wenig bis gar nicht religiös bezeichnen. Trotzdem kann sich immerhin ein Fünftel der Umfrageteilnehmer vorstellen, in Zukunft Freiwilligenarbeit für die Kirche zu betreiben. Weiter legte eine im Rahmen eines Nationalen Forschungsprogramms durchgeführte Untersuchung dar, dass gerade einmal 18% der Schweizer Bevölkerung ihren Glauben regelmässig praktizieren. Auch innerhalb dieser Gruppe gibt es Veränderungen: Während der Anteil gläubiger Anhänger von Landeskirchen abnimmt, verzeichnen Freikirchen in dieser Gruppe Zulauf. Während weitere 13% der 1229 Befragten angaben, einen alternativen Glauben zu praktizieren (z.B. Esotherik, New Age, Anthroposophie), bezeichneten 12% der Umfrageteilnehmer - die sog. Säkularen - Gott als reine Illusion. Mit 57% machen die "Distanzierten" die grösste Gruppe aus. Diese gehören in der Regel zwar einer Glaubensgemeinschaft an, praktizieren ihren Glauben jedoch nicht aktiv. Ferner sind insgesamt 85% der Befragten ganz oder zumindest teilweise der Ansicht, dass Religionen eher Konflikte schüren als Frieden schaffen würden. Eine weitere im Berichtsjahr erschienene Nationalfondsstudie ergründete mit 100 Tiefeninterviews den Erfolg evangelischer Freikirchen.

Kirchenstatistik 2013

Ein im Rahmen des Forschungsprogramms "Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft" (NFP58) erarbeiteter Sammelband zeichnet ein vielfältiges Bild der in der Schweiz lebenden jüdischen Bevölkerung, die bei der Volkszählung im Jahr 2000 aus knapp 18'000 Personen bestand. Ein Teil der Beiträge thematisiert unter anderem die veränderte Rolle der Frau im Judentum sowie der Umgang mit Ehen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Partnern. Letzteres ist insofern von Bedeutung, da die Kinder im Judentum traditionellerweise die Religion ihrer Mutter erhalten. Da Mischehen mittlerweile überwiegen, gefährdet eine rigide Befolgung dieses Prinzips den Fortbestand der Gemeinschaft. Während die liberaleren Gemeinden für pragmatische Lösungen offen stehen, dulden streng orthodoxe Gemeinden Mischehen nicht.

jüdischen Bevölkerung

Zur Vorbereitung einer im Herbst 2014 stattfindenden, durch den Papst berufenen ausserordentlichen Bischofssynode zum Thema "die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung", legte die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) Ende 2013 den Anhängern der katholischen Kirche in der Schweiz auf päpstliches Anraten eine Umfrage zu Partnerschafts-, Ehe- und Familienpastoral vor. Über 23'600 Personen nahmen an der Umfrage teil, wobei das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI), welches die Umfrage auswertete, Anzeichen sah, dass die Stellungnehmenden überdurchschnittlich kirchentreu waren. Ferner stammten nur 9% der Antworten aus der frankophonen Schweiz. 80% der Teilnehmenden erachteten eine kirchliche Hochzeit für wichtig bis sehr wichtig; etwas über drei Viertel befürworteten jedoch ein probeweises Zusammenleben vor der Ehe. Der kirchlichen Lehre über die Familie stimmten etwas mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer mehrheitlich bis ganz zu. Starke Differenzen zur katholischen Lehre zeigten sich darin, dass mehr als drei Viertel der teilnehmenden Personen angaben, künstliche Methoden der Schwangerschaftsverhütung natürlichen Verhütungsmethoden vorzuziehen. Ebenfalls vertraten 90% die von der kirchlichen Linie abweichende Haltung, dass geschiedene Wiederverheiratete von der Kirche anerkannt und gesegnet werden sollten. Im Unterschied zur Frage der Wiederverheirateten fand sich bei der Frage betreffend Empfangen der Sakramente durch gleichgeschlechtliche Paare kein Konsens; vielmehr zeigte sich hier eine Polarisierung: Während 40% der Stellungnehmenden die kirchliche Anerkennung und Segnung für diese Personengruppe klar befürworteten, standen ihr ein Viertel der Befragten ebenso klar entgegen.
Die Ergebnisse der ausserordentlichen Bischofssynode in Rom waren hingegen weniger progressiv: Zwar wurde über die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion diskutiert und das Anliegen mit absoluter Mehrheit befürwortet, das erforderliche qualifizierte Mehr konnte jedoch nicht erzielt werden. Ebenso erging es der Forderung, "ungerechte Diskriminierungen" von Menschen mit homosexueller Veranlagung seien zu verbieten. Auch das Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung wurde nicht angetastet.

Umfrage zu Partnerschafts-, Ehe- und Familienpastoral

Die vom Schweizerischen Pastoralsoziologischen Institut (SPI) herausgegebene Kirchenstatistik 2013 ortete eine Stagnation der absoluten Anzahl Katholiken bei 3 Mio. Anhängern, was die Autoren in erster Linie auf die Einwanderung zurückführten. Hiervon habe die römisch-katholische Kirche deutlich mehr profitiert als die evangelisch-reformierte. In relativen Zahlen schrumpfte der Anteil Katholiken in den letzten vier Jahrzehnten von 49% auf 38%, derjenige der Reformierten denn auch von 46% auf 28%. Gut ein Fünftel der in der Schweiz lebenden Bevölkerung gehörte im 2011 keiner Konfession mehr an. Gemäss Studie lassen sich noch ein Drittel aller römisch-katholischen sowie beinahe die Hälfte der evangelisch-reformierten Eheleute kirchlich vermählen.

Kirchenstatistik 2013

Eine Studie des Zentrums für Religionsforschung der Universität Luzern erforschte während zwei Jahren die muslimischen Jugendgruppen in der Schweiz. Die Studie kam zum Schluss, dass die religiöse Orientierung der Jugendlichen nicht desintegrativ wirke, sondern im Gegenteil den Austausch mit der Gesellschaft fördere. Vermehrt würden die von den Jugendlichen selbst organisierten Gruppen ethnische, nationale und sprachliche Grenzen überschreiten.

muslimischen Jugendgruppen in der Schweiz

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 58 „Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft“ entstanden in den letzten fünf Jahren insgesamt 28 Studien, welche im Juli des Berichtjahres in Form einer Synthese vorgestellt wurden. Die zentrale Erkenntnis aus dem NFP 58 war, dass sich in der Schweiz zusehends ein religiöser Graben zwischen der Politik und der säkularisierten Bevölkerung öffnet. Die Religion sei einerseits in den öffentlichen Debatten stark präsent, im privaten Leben der meisten Menschen werde sie aber immer unwichtiger. Indes verbinden die öffentlichen Debatten die Religion meist mit kontroversen anderen Themen wie etwa mit politischen Konflikten oder Migrationsproblemen. Ausserdem ergab eine Umfrage unter lokalen Verantwortlichen aller religiösen Gemeinschaften in der Schweiz, dass Frauen in muslimischen Gemeinden oft mehr Einfluss haben als Katholikinnen, Frauen in Freikirchen oder orthodoxen Jüdinnen. Dies rühre daher, dass Frauen beispielsweise bei Aleviten und Sufis mehr Möglichkeiten hätten, in spirituelle Führungspositionen aufzusteigen als dies bei Neuapostolen oder konservativen Freikirchen der Fall sei. Sehr offen gegenüber Frauen waren gemäss den Umfrage-Ergebnissen Reformierte, Christkatholiken, liberale Juden, Buddhisten und Hindus.

Nationalen Forschungsprogramms 58 „Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft“

Das Bundesamt für Statistik veröffentlichte im Juni des Berichtjahres die Daten der jährlichen Strukturerhebung. Gemäss dieser war die römisch-katholische Kirche zwar immer noch die grösste Konfessionsgruppe der Schweiz, allerdings hat sie seit dem Jahr 1990 um 6.4 Prozentpunkte abgenommen. Auch die evangelisch-reformierte Kirche hat an Bindekraft verloren und beide Landeskirchen haben mit einer Überalterung der Anhängerschaft zu kämpfen. Parallel dazu hat sich die Anzahl der Konfessionslosen beinahe verdoppelt.

Strukturerhebung

Die Vox-Analyse der Abstimmung zeigte, dass das Stimmverhalten stark vom Links-Rechts-Gegensatz gekennzeichnet war. Die politische Mitte, welche der Initiative nur in jedem dritten Fall ablehnend gegenüberstand, trug somit wesentlich zum Ausgang der Abstimmung bei. Im Gegensatz zu den nach den Abstimmungen geäusserten Vermutungen, dass viele linke Frauen die Initiative unterstützt hätten, zeigte die Vox-Analyse ein anderes Bild: Frauen aus dem linken Lager stimmten mit 16% der Initiative sogar noch weniger häufig zu als linke Männer (21%). Im rechten Lager stiess die Initiative jedoch bei den Frauen auf stärkere Zustimmung. Als stärkste soziostrukturelle Erklärungsgrösse zum Abstimmungsverhalten identifizierten die Autoren der Vox-Analyse die Bildung. Während drei Viertel aller Personen mit Lehrabschluss ein Ja in die Urne legten, waren es bei den Fachhochschul- und Universitätsabgängern noch deren 34%. Ferner stimmten Personen, die der Einwanderung von Ausländern negativ gegenüberstehen und solche, welche für eine traditionsbewusste Schweiz einstehen, der Initiative überaus deutlich zu. Interessant war jedoch, dass auch Personen, welche eine Chancengleichheit von Schweizern und Ausländern befürworten und solche, die ein modernes Bild der Schweiz vertreten, in knapp 40% der Fälle die Initiative unterstützten. Auch die Stimmenden, welche von einer sehr guten Verträglichkeit der schweizerischen und der islamischen Lebensweise ausgehen, stimmten der Initiative mit 49% Ja-Anteil zu. Das Abstimmungsergebnis ist somit nicht allein als Ausdruck der Fremdenfeindlichkeit zu verstehen. Die Hauptargumente der Pro-Seite, dass das Minarett ein reines Machtsymbol darstelle, ein Zeichen gegen die Islamisierung des Westens gesetzt werden müsse und die Ausübung der christlichen Religion in islamischen Staaten ebenfalls eingeschränkt wird, führten laut den Autoren der Studie zum Abstimmungserfolg: Über 80% der Ja-Stimmenden unterstützten diese Aussagen jeweils. Dem Hauptargument der Gegner, dass das Minarettverbot gegen die Menschenrechte verstosse, stimmten jedoch nur 62% der Nein-Stimmenden zu. Das Argument, dass der Islam die Frau unterdrücke, schien ebenfalls nicht massgebend zum Abstimmungserfolg beigetragen zu haben, obwohl dem 87% der Befürworter zustimmten. Auch über drei Viertel der Gegner stützten diese Aussage, waren aber offensichtlich nicht der Ansicht, dass ein Minarettverbot zur Lösung dieses Problems beitragen könne.

Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten» (BRG 08.061)

Eine weitere Nationalfondsstudie befasste sich mit der Darstellung der Religionen in den Medien. In ihrem Schlussbericht führten die Autoren aus, dass bei Medienberichterstattungen über nicht-christliche Religionen hauptsächlich Personen und Ereignisse im Ausland im Zentrum stehen würden, welche meist negativ konnotiert seien, wogegen die unproblematische Präsenz solcher Religionen in der Schweiz kaum Gegenstand der Berichterstattung sei. Der Bericht empfahl einerseits den Religionsgemeinschaften, Strukturen und Strategien für die Öffentlichkeitsarbeit zu entwickeln, und riet andererseits den Medien, die Berichterstatter durch qualifizierte Grundausbildung für die Thematik zu sensibilisieren.

Darstellung der Religionen in den Medien

Eine Nationalfondsstudie zur Imam-Ausbildung brachte zu Tage, dass sich eine grosse Mehrheit der befragten Muslime wünschte, dass Imame an Schweizer Hochschulen ausgebildet werden, die lokale Sprache beherrschen und die hiesige Gesellschafts- und Rechtsordnung kennen.

Imame an Schweizer Hochschulen ausgebildet werden

Gemäss einer Studie der Eidg. Ausländerkommission versteht sich die Mehrheit der Muslime in der Schweiz (fast 90% stammen aus dem Balkan und der Türkei) als Mitglieder der schweizerischen Gesellschaft. Sie teilten die westliche Sicht von Religion als Privatsache und verhielten sich möglichst unauffällig. Unterschiede in der Wertordnung ergäben sich am ehesten beim Verständnis der Geschlechterrollen, wobei bei ihnen weiterhin die traditionelle Rollenteilung dominiert. Praktiken wie die Mädchenbeschneidung, Kinderheirat und körperliche Züchtigung von Frauen lehnten sie durchwegs ab, einzig bei der Kopftuchfrage gingen die Meinungen auseinander. In Zürich gründeten in der Schweiz aufgewachsene Muslime das Institut für interkulturelle Zusammenarbeit und Dialog.

Studie zum Mitgliedergefühlvon Muslimen in der Gesellschaft

Gemäss einer repräsentativen Umfrage, die nach 1989 zum zweiten Mal den religiösen Bewusstseinsstand in der Schweiz untersuchte, steht Religion in der spätmodernen Gesellschaft in einem Spannungsfeld, das durch zwei Pole charakterisiert ist: zum einen durch die von den herkömmlichen Agenturen und neuen religiösen Institutionen und Netzwerken vertretene «institutionelle Religion», zum andern durch die «universale Religion». Deren «Angehörige» gehörten keinem bestimmten Bekenntnis an. Sie glaubten zum Beispiel an die Existenz einer höheren Macht, ordneten den Tod in den Kreislauf von Werden und Vergehen ein, beteten in verschiedensten Lebenslagen und verfügten über beträchtliche ethische Ressourcen (Bekenntnis zu Menschenrechten). Diese Überzeugungen trügen wesentlich zu ihrem emotionalen Gleichgewicht und zu ihrer weltanschaulichen Orientierung bei, würden jedoch als Privatsache betrachtet.

Umfrage zur Untersuchung des religiösen Bewusstseinsstand in der Schweiz

Nur in wenigen Ländern Europas wird bei Volkszählungen die Frage nach der Religionszugehörigkeit gestellt. Das Bundesamt für Statistik hält aber weiter daran fest, weil sie ein wichtiger Indikator für Einstellungen, Werte und das Verständnis des sozialen Wandels sei. Die definitiven Zahlen der Volkszählung 2000 zeichneten denn auch das Bild einer rasch sich verändernden Gesellschaft. Zwischen 1990 und 2000 verloren die beiden grossen Landeskirchen 363'000 Mitglieder. Noch knapp 42 Prozent der Schweizer Wohnbevölkerung bezeichneten sich als römisch-katholisch (1990: 46.2%), 33 Prozent (38.5%) als evangelisch-reformiert. Die Freikirchen und übrigen protestantischen Gemeinschaften blieben mit einem Anteil von 2.2 Prozent stabil, ebenso die Angehörigen der jüdischen Glaubensgemeinschaft und der Christkatholiken (je 0.2%). 11 Prozent gaben an, zu keiner Konfession zu gehören. 1990 waren es erst 7.4 Prozent und 1970 lediglich 1.1 Prozent gewesen. Der Anteil der Konfessionslosen ist besonders hoch bei den 30- bis 50-Jährigen, und er ist bei Männern höher als bei Frauen. In städtischen Gebieten gibt es doppelt so viele Konfessionslose wie auf dem Land, und in der Westschweiz ist deren Anteil wesentlich höher als in der Deutschschweiz und im Tessin (GE: 23%; NE: 22%). Gemäss BFS zieht sich ein Bogen der starken Säkularisierung von Genf hinauf über die Waadt, Neuenburg, die Region Solothurn-Basel, den Aargau, die Stadt Zürich nach Schaffhausen.

Seit der Volkszählung von 1990 hat sich in Folge der Zuwanderung vor allem aus den Gebieten des ehemaligen Jugoslawiens der Anteil neuer Religionsgruppen auf 7 Prozent verdoppelt. Besonders zugelegt hat der Anteil von Angehörigen islamischer Glaubengemeinschaften (rund 4.3%). Ebenfalls steigend, wenn auch auf niedrigerem Niveau, ist der Anteil von Mitgliedern christlich-orthodoxer Kirchen (1.8%), von Hindus (0.4%), Buddhisten (0.3%) und Anhängern synkretistischer Glaubengemeinschaften. Die neuen Religionsgruppen konzentrieren sich in der Nordwestschweiz, im Grossraum Zürich und in der Ostschweiz. Im Kanton St. Gallen beträgt ihr Anteil 9.8 Prozent, im Thurgau 8.5 Prozent. Aufgrund dieser Entwicklung sowie der geographischen Mobilität und der Zunahme von Mischehen hätten sich die religiösen Grenzen in der Schweiz aufgelöst, stellte das BFS fest. In einem breiten, mehrheitlich städtischen Gürtel, der vom Genfersee entlang der Jurakette bis zum Bodensee und ins St. Galler Rheintal reicht, gebe es keine deutlich dominierenden Kirchen mehr.

Religiöse und konfessionelle Auswertung der Volkszählung 2000

Die provisorischen Zahlen der Volkszählung 2000 bestätigten, dass die Schweiz zunehmend zu einer multikulturellen und multikonfessionellen Gesellschaft wird. Mit 41.8 Prozent (1990: 46.3%) resp. 33.0 Prozent (40.0%) dominieren die katholische und die protestantische Konfession zwar nach wie vor, zunehmend ist aber der Anteil der Religionslosen (11.1%; 1990: 7.4%), der Muslime (4.3%; 1990: 2.2%) und der Angehörigen der christlich-orthodoxen Kirche (1.8%).

Religiöse und konfessionelle Auswertung der Volkszählung 2000

Gemäss der Vox-Analyse waren für das deutliche Resultat in erster Linie römisch-katholische und CVP-nahe Bevölkerungsteile ausschlaggebend, während die Protestanten nur knapp zustimmten. Die Befürworter machten für ihren Entscheid weniger das Grundrecht der Religionsfreiheit als vielmehr die gesellschaftliche Entwicklung geltend, die konfessionelle Ausnahmeartikel nicht mehr rechtfertige. Demgegenüber befürchteten die Gegner vor allem eine Stärkung der Macht der katholischen Kirche, insbesondere des Vatikans.

Parlamentarische Initiative der zur Aufhebung des Bistumsartikels (Pa.Iv. 00.415)

Das Bundeamt für Statistik publizierte Untersuchungsergebnisse, die - auf der Basis der Volkszählungsdaten von 1990 - den Befund bestätigten und präzisierten, dass die religiöse Vielfalt in der Schweiz zunimmt. Die Landeskirchen umfassen zwar immer noch 86% der Bevölkerung, doch hat die Einwanderung den Anteil anderer Konfessionen und Religionen erhöht. Unter den Einwohnerinnen und Einwohnern waren 1990 die Protestanten immer noch etwas zahlreicher als die Katholiken, ebenso in der Bevölkerung der über 40-jährigen. Angehörige von Ostkirchen machten 1990 1% der Wohnbevölkerung aus, Muslime 2,2%. Deren Zahl dürfte seither in Zusammenhang mit der Anwesenheit von Bosniern und Kosovo-Albanern noch deutlich gewachsen sein.

Volkszählung 1990: Bevölkerungsanteile der Religionsgemeinschaften

In der Schweiz ist der Anteil der Protestanten in den letzen Jahren merklich zurückgegangen. Wie die definitiven Resultate der Volkszählung von 1990 ergaben, stellen sie heute nur noch 40,0% der Wohnbevölkerung (1980: 44,3%). Der Anteil der Katholiken blieb mit 46,3% (47,9%) hingegen praktisch stabil. 1980 wiesen noch neun Kantone eine absolute protestantische Mehrheit auf, nämlich Appenzell Ausserrhoden, Basel-Land, Bern, Glarus, Neuenburg, Schaffhausen, Thurgau, Waadt und Zürich. Zehn Jahre später waren es nur noch vier, da in den Kantonen Glarus, Neuenburg, Thurgau, Waadt und Zürich der Anteil der Protestanten in dieser Periode unter 50% sank. Bern bleibt bei weitem die stärkste reformierte Bastion (72,2%), gefolgt von Appenzell Ausserrhoden (57,4%) und Schaffhausen (56,3%). 13 Kantone – die Innerschweiz sowie die Kantone Appenzell Innerrhoden, Freiburg, Jura, Luzern, St. Gallen, Solothurn, Tessin und Wallis – sind mehrheitlich, meist mit gegen 80% katholisch. An der Spitze steht Uri (89,1%), gefolgt von Wallis (88,5%), Obwalden (87,8%) und Appenzell Innerrhoden (85,6%).

Die Zahl jener, die sich als konfessionslos bezeichnen, hat sich innert zehn Jahren von 3,8 auf 7,4% fast verdoppelt. In Basel-Stadt erklärte sich mehr als ein Drittel der Bevölkerung (34,5%) als konfessionslos; im Kanton Genf rangierten die Konfessionslosen mit einem Anteil von 19,0% noch vor den Protestanten an zweiter Stelle. Nur knapp über 1% Konfessionslose wurden in den Kantonen Uri, Obwalden und Appenzell Innerrhoden registriert.

Als Folge der Einwanderung verdreifachte sich die Zahl der Angehörigen des Islams auf insgesamt 2,2% der Wohnbevölkerung.

Volkszählung 1990: Bevölkerungsanteile der Religionsgemeinschaften