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Die RK-NR hatte im Januar 2021 an ihrem Beschluss festgehalten, der parlamentarischen Initiative von Philippe Nantermod (fdp, VS), welche die Abschaffung der Vergütung auf Werkverwendungen in privaten Räumlichkeiten von Hotels, Ferienwohnungen, Spitälern und Gefängnissen forderte, Folge zu geben. Der Nationalrat war dieser Empfehlung in der Frühlingssession 2021 gefolgt, weshalb das Geschäft abermals zurück an die RK-SR ging. Diese beharrte im Januar 2022 ebenfalls auf ihrer Position und empfahl, wenn auch weniger deutlich als zuvor – dieses Mal mit 8 zu 4 Stimmen (bei 1 Enthaltung) – der parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben, womit eine Beratung in der kleinen Kammer in der Frühlingssession 2022 nötig wurde.
Als Hauptargument gegen Eintreten, führte Carlo Sommaruga (sp, GE) als Sprecher für die ständerätliche Kommissionsmehrheit im Rat an, dass der so genannte «AGUR-Kompromiss», welcher im Rahmen der jüngsten Revision des Urheberrechtsgesetzes erarbeitet worden sei, nicht in Frage gestellt werden sollte. Er betonte, wie schwierig es gewesen sei, diesen Kompromiss zu finden. Beat Rieder (mitte, VS), welcher sich im Namen der Kommissionsminderheit für Eintreten aussprach, hielt dagegen, dass der AGUR-Kompromiss den Bundesgerichtsentscheid von 2012, der festgelegt hatte, dass die genannten Bereiche als private Zonen einzustufen seien und Abgaben somit ungerechtfertigt seien, quasi ausgehebelt habe. Würde keine Folge gegeben, würde damit also akzeptiert, dass Vereinbarungen, die ausserhalb des Parlaments getroffen werden, Bundesgerichtsentscheide aushebeln können. Zudem werde damit das Signal vermittelt, dass man sich in solchen Fällen nicht einmal mehr wage, in einer Gesetzesberatung zu prüfen, ob nicht einzelne Ausnahmen gewährt werden sollten. Der Ständerat hielt allerdings an der Mehrheitsposition der RK-SR fest und versenkte die parlamentarische Initiative mit 29 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung endgültig.

Abschaffung der Vergütung auf Werkverwendung in privaten Räumlichkeiten von Hotels, Ferienwohnungen, Spitälern und Gefängnissen (Pa. Iv. 16.493)
Dossier: Revision des Urheberrechts

Bereits kurz vor dem Abstimmungssonntag im November 2020 zur Konzernverantwortungsinitiative reichten die Jungfreisinnigen in fünf Kantonen (AG, BE, SG, TG, ZH) eine Stimmrechtsbeschwerde gegen die Landeskirchen und deren aktive Beteiligung am Abstimmungskampf zu Gunsten der Initiative ein. Als die Kantonsregierungen nicht darauf eintraten, da diese Frage auf nationaler Ebene geregelt werde, richtete die Jungpartei ihre Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beschuldigte die Kirchen, gegen Artikel 34 der Bundesverfassung – welcher Sachlichkeit, Transparenz und Verhältnismässigkeit vorschreibt – verstossen zu haben, und verlangten, dass sich die Religionsgemeinschaften in zukünftigen Abstimmungskämpfen neutral verhalten müssten. In einer Stellungnahme an das Bundesgericht, welche in den Medien teilweise veröffentlicht wurde, teilte die Bundeskanzlei (BK) die Vorwürfe der Jungpartei und stellte fest, dass das Engagement der katholischen und reformierten Landeskirchen im Zuge des Abstimmungskampfes zur KVI «zumindest grenzwertig» gewesen sei, insbesondere da Gegenargumente keinen Eingang in ihre Argumentation gefunden hätten. Die Kirche sei eine öffentlich-rechtlich anerkannte Körperschaft, welche einen staatlichen Auftrag wahrnehme. Dafür erhalte sie gewisse Privilegien, wie etwa das Recht, Steuern erheben zu dürfen, was sie dazu verpflichte, sich an Grundrechte wie die Gewährung der Abstimmungsfreiheit zu halten. Inwiefern die Kirchen im Rahmen ihrer Werbung für die KVI gegen diese Vorgaben verstossen hätten, sei zu klären.

Im März 2021 schrieb das Bundesgericht die fünf Stimmrechtsbeschwerden der Jungfreisinnigen als gegenstandslos ab. Das aktuelle Interesse, welches nötig sei, um ein solches Leiturteil zu fällen, sei nicht gegeben, da die Initiative am Ständemehr gescheitert sei. Das Bundesgericht stimmte jedoch zu, dass ein Interesse bestehen könnte, in diesem Feld Klarheit zu schaffen – jedoch sei dies nur möglich, wenn sich die kirchlichen Interventionen im Abstimmungskampf auf das Ergebnis auswirken würden. Während die Jungfreisinnigen das Urteil bedauerten und weiterhin auf ihrer Forderung nach Neutralität der Kirchen bestanden, begrüsste das Komitee «Kirche für Konzernverantwortung», dem über 700 Kirchgemeinden und Pfarreien angehörten, das Ergebnis. Es sei selbstverständlich, dass sich die Kirche in einer Demokratie zu politischen Fragen äussere und an öffentlichen Debatten teilnehme. Gleichzeitig seien sich die Kirchen auch bewusst, dass eine Aufarbeitung angezeigt sei – eine solche versprachen in der Folge Daniel Kosch, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ), sowie Rita Famos, die neue Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS).

Kirchenposition zur KVI

In der Frage nach dem Kopftuchverbot im Schulunterricht für das muslimische Mädchen aus St. Margrethen (SG) wollte die Schulgemeinde den Entscheid des Verwaltungsgerichts aus dem Jahr 2014 nicht hinnehmen und entschied sich, vor Bundesgericht zu rekurrieren. Die Richter der II. öffentlichen Abteilung lehnten die Beschwerde aber mit vier zu einer Stimme ab. Die von der Schulgemeinde aufgezeigte Argumentation sei nicht überzeugend genug gewesen; in diesem konkreten Fall könne man weder den Religionsfrieden noch die Gleichberechtigung der Geschlechter oder die Schuldisziplin als Grundlage für das Verbot anbringen.
Die sankt-gallische SVP zeigte sich empört über den Richterspruch und verstand das Urteil als einen Rückschlag für die Integrationsbestrebungen in der Volksschule. Das islamische Kopftuch sei als ein Indiz für die fundamentalistische Auslegung der Religion zu betrachten. In diesem Sinne könnten ebendiese Kreise das vorliegende Urteil als einen Freifahrtschein für Forderungen auslegen. Die Föderation islamischer Dachorganisationen Schweiz (FIDS) hingegen zeigte sich äusserst erleichtert über das Urteil und nahm den Entscheid als unterstützende Grundlage für den Dialog zwischen den Religionsgemeinschaften an. Der Grundtenor war aber im Wesentlichen der Gleiche: Das Bundesgerichtsurteil sei als richtungsweisend zu verstehen, denn es stelle sich nun die Frage, wie noch offene, aber bereits vor dem Entscheid eingereichte Vorstösse – wie beispielsweise in der Nachbargemeinde Au-Heerbrugg – umgesetzt werden sollten.
In der Zwischenzeit hatte sich auch die Walliser SVP des Themas angenommen. Anfangs des Jahres lancierte sie eine Initiative, welche ein Verbot von jeglicher Kopfbedeckung im Schulzimmer forderte, wobei sie aber keinen Hehl daraus machte, dass das Verbot primär auf das Kopftuch ausgerichtet sei. Jean-Luc Addor (VS, svp), Co-Präsident des Initiativkomitees, wies zwar darauf hin, dass das Kopftuch im Wallis noch keine weiträumige Verbreitung gefunden habe, das Credo in dieser Angelegenheit aber laute: Lieber vorbeugen als bekämpfen! Im März 2015 reichte zudem die Walliser CVP beim kantonalen Parlament eine Motion ein mit dem Titel "Kopfbedeckungsverbot an der Schule: für eine pragmatische Lösung". Diese solle insbesondere für die jeweiligen Schulleitungen eine Rechtsgrundlage für das Ergreifen entsprechender Massnahmen – bis hin zum Verbot – schaffen. Die Motion wurde mit 90 zu 18 Stimmen bei 4 Enthaltungen angenommen und zur Stellungnahme dem Regierungsrat überwiesen.
Um ein Gegengewicht zur SVP-Initiative zu bilden, formierten sich im April einige muslimische Bürgerinnen und Bürger zur Gruppierung V.I.V.E (pour Valaisan-ne-s contre l'Interdiction du Voile à l'Ecole). Während mehrerer Monate bereitete die Gruppe ein Manifest vor, welches schliesslich am 20. November (Tag der Kinderrechte) im Internet freigeschaltet und all jenen zur Unterschrift freigestellt wurde, welche sich für den Zugang zur Bildung für alle und gegen eine weitläufige Verbreitung der Islamophobie einsetzen wollten.

Kopftuchverbot im Schulunterricht

Nachdem das Verwaltungsgericht bereits 2014 die Klage einer Elterngruppe bezüglich der Umstellung der Schulsprache von Rumantsch Grischun auf die Idiome abgewiesen hatte, folgte nun 2015 ein ebenfalls negativer Entscheid seitens des Bundesgerichtes. In ihrer Argumentation führten die Klagenden an, dass diese Umstellung einen Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot, die Rechtsgleichheit, das Willkürverbot sowie die Sprachenfreiheit und die Gemeindeautonomie darstelle und zugleich einer Verletzung der Bestimmungen der Bündner Kantonsverfassung gleichkomme. Das Bundesgericht erachtete diese Argumentationsgrundlage jedoch nicht als hinreichend; lediglich hinsichtlich der Gemeindeautonomie könne teilweise eine Einschränkung festgestellt werden, wobei diese zu relativeren sei und – unter Rücksichtnahme auf bereits eingeschulte Kinder – als gerechtfertigt gelte.

Neuauflage des Bündner Sprachenstreits

Das Kopftuchtragen einer muslimischen Frau rechtfertigt keine Verweigerung einer Einbürgerung. Zu diesem Grundsatzurteil kam das Bundesgericht im Fall von zwei Beschwerden. Das Tragen eines Kopftuches als religiöses Bekenntnis sei durch die verfassungsrechtliche Verankerung der Glaubens- und Gewissensfreiheit geschützt. Wenn keine anderen Gründe gegen eine Einbürgerung sprächen, beispielsweise eine mangelnde Beherrschung einer Landessprache, verletze eine verweigerte Einbürgerung das Diskriminierungsverbot der Verfassung.

Kopftuchtragen einer muslimischen Frau

Im Vorjahr war einmal mehr ein Streit zwischen der katholischen Kirchenbasis und einer romtreuen Bistumsleitung eskaliert. Dabei geht es immer wieder um die Frage des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat. Das Bistum Basel hatte dem etwas obrigkeitskritischen Priester der Gemeinde Röschenz (BL) die „Missio canonica“, also das Recht, Sakramente zu erteilen, entzogen, und wollte damit die Kirchgemeinde zwingen, den allseits beliebten Pfarrer zu entlassen. Diese war ans Kantonsgericht gelangt, welches befand, der Entzug der „Missio“ sei eine innerkirchliche Angelegenheit, welche auf ein zivilrechtliches Arbeitsverhältnis keinen Einfluss habe, insbesondere da dem Priester das rechtliche Gehör verweigert worden sei. Der Basler Bischof wies das Urteil als unzulässige Einmischung in die Belange des Bistums und als befangen zurück, verzichtete aber auf einen Rekurs ans Bundesgericht. Er erklärte den Medien, dass er den Vatikan informiert habe und drohte offen mit einer Trennung von katholischer Kirche und Staat.

zwischen Kirche und Staat

Die Buchpreisbindung geriet noch stärker unter Druck. Die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen bestätigte den Entscheid der Wettbewerbskommission (Weko), die Preisbindung zu untersagen. Das von den Kartellwächtern gerügte System, der so genannte Sammelrevers, verpflichtet die Buchhändler, die von den Verlegern fixierten Ladenpreise einzuhalten. Das hat für die Kunden zwar den Vorteil, dass ein Buch überall in der Schweiz gleich viel kostet, führt aber auch dazu, dass deutschsprachige Bücher im Schnitt rund 16 Prozent teurer sind als in Deutschland oder Österreich. Der von der Weko als ungerechtfertigte Absprache gerügte Sammelrevers wird vom Buchhändler- und Verlegerverband mit höheren Mieten und Löhnen sowie mit «überwiegenden öffentlichen Interessen» gerechtfertigt, für welche der Bundesrat Ausnahmeregelungen erlassen könne. Das Bundesamt für Justiz hat aber bereits signalisiert, dafür gebe es in der Verfassung keine Grundlage. Dennoch gelangte der Verband ans Bundesgericht, welches der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gewährte, bis es in der Materie abschliessend entschieden hat. Vor vier Jahren hatte das Bundesgericht das von den Wettbewerbsbehörden erlassene Preisbindungsverbot aufgehoben, weil mildere Massnahmen nicht geprüft worden seien.

Zweiter Bericht über die kollektive Buchpreisbindung und der erfolgreiche Versuch sie abzuschaffen (2005-2007)
Dossier: Aufhebung der Buchpreisbindung

Mit einer bereits 2000 eingereichten Motion ersuchte Nationalrat Zisyadis (pda, VD) den Bundesrat, vom Prinzip der Handels- und Gewerbefreiheit abzuweichen und in der gesamten Schweiz einen einheitlichen Buchpreis einzuführen. In seiner Antwort erinnerte der Bundesrat daran, dass er in Ausführung eines Postulates Widmer (sp, LU) von 1999 das BAK und das Seco beauftragt hatte, in einem Bericht die kultur- und arbeitsmarktpolitische Bedeutung der Buchpreisbindung darzustellen. Vor der eingehenden Prüfung dieses Berichtes wollte er sich aber auf keine verbindliche Marschrichtung verpflichten lassen, weshalb er erfolgreich Umwandlung in ein Postulat beantragte. Da sich BAK und Seco nicht auf einen gemeinsamen Nenner einigen konnten, beschloss der Bundesrat im Juli, von einem externen Bericht, der die Vorteile der Buchpreisbindung höher wertete als die Nachteile, zwar Kenntnis zu nehmen und ihn zu veröffentlichen, in der Sache selber aber nicht Stellung zu beziehen, sondern das Urteil des vom Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband angerufenen Bundesgerichts abzuwarten. Die Lausanner Richter hiessen die Beschwerde zumindest teilweise gut. Sie hoben den Entscheid der Rekurskommission für Wettbewerbsfragen auf und wiesen die Sache zur Neubeurteilung an die Wettbewerbskommission zurück. Diese hatte 1999 den Buchhändlern und Verlegern verboten, die Buchpreisbindung aufrecht zu erhalten.

Erster Bericht über das Verbot für die Anwendung der kollektiven Preisbindung und der Kampf dagegen (1999-2002))
Dossier: Aufhebung der Buchpreisbindung

Das Bundesgericht fällte einen wegweisenden Entscheid in der vor allem im Kanton Freiburg immer wieder strittigen Frage der Sprachenfreiheit im Verhältnis zum Territorialitätsprinzip. Es schützte die Beschwerde eines deutschsprachigen Elternpaares mit Wohnsitz in einer nahe der Sprachengrenze gelegenen frankophonen Gemeinde. Gemäss Bundesgericht hatten die Freiburger Behörden das verfassungsmässige Prinzip der Sprachenfreiheit verletzt, weil sie der Familie nicht erlaubten, ihren Sohn in einer öffentlichen deutschsprachigen Schule in Freiburg zum Unterricht anzumelden und dabei die Kosten für den Transport zu übernehmen. Die Lausanner Richter verwiesen auf die Schwierigkeiten, welche den Eltern aus der Begleitung ihres Sohnes in einer französischsprachigen Oberstufe erwachsen könnten. Die Freiburger Behörden hatten hingegen das Territorialitätsprinzip höher gewichten wollen, das ihrer Auffassung nach gerade an der Sprachengrenze besonders streng gehandhabt werden müsse.
Zu den Schwierigkeiten des Kantons Freiburg mit seiner Zweisprachigkeit siehe hier.

Wegweisender Bundesgerichtentscheid zur Frage der Sprachenfreiheit im Verhältnis zum Territorialitätsprinzip

Die Rekurskommission für Wettbewerbsfragen stützte Ende Mai aus formaljuristischen Gründen das 1999 durch die Wettbewerbskommission (Weko) verordnete Preisbindungsverbot im Buchhandel, stellte aber die Frage, ob die Aufhebung der fixen Buchpreise nicht zu einer Verringerung der Sortimentsbuchhandlungen und damit zu einer Verminderung der Titelvielfalt führen werde. Der Buchhändler- und Verlegerverband (SBVV) zog seine im Vorjahr eingereichte Beschwerde daraufhin ans Bundesgericht weiter; dieses erteilte dem Rekurs die aufschiebende Wirkung, da die Nachteile einer sofortigen Aufhebung der fixen Buchpreise bei einem für die Branche positiven Entscheid kaum mehr gutzumachen wären. In Europa kennen lediglich Finnland, Griechenland, Grossbritannien, Irland und Schweden keine fixen Buchpreise; Italien hat sie 2001 neu eingeführt, obgleich die EU-Wettbewerbskommission sie bekämpft.

Erster Bericht über das Verbot für die Anwendung der kollektiven Preisbindung und der Kampf dagegen (1999-2002))
Dossier: Aufhebung der Buchpreisbindung

Der nun bereits seit Jahren andauernde Konflikt zwischen den Kantonen St. Gallen und Zürich über die Rückgabe der 1712 im Zweiten Villmergerkrieg von Zürich erbeuteten Kulturgüter der Abtei St. Gallen ging in eine weitere Runde. Nach anfänglichem Einlenken widersetzte sich der Kanton Zürich der Errichtung einer gemeinsamen Kulturgüterstiftung, da die Eigentumsfrage nicht habe geklärt werden können. Gewappnet mit einem rechtshistorischen sowie einem staats- und völkerrechtlichen Gutachten beschloss die St. Galler Regierung daraufhin, beim Bundesgericht staatsrechtliche Klage gegen den Kanton Zürich einzureichen. Sie betonte, es gehe ihr nicht um eine Prestigefrage, sondern darum, eine einst zusammenhängende Sammlung wieder zu komplettieren; schliesslich sei die St. Galler Stiftsbibliothek gerade wegen ihrer Vollständigkeit als UNESCO-Weltkulturerbe bezeichnet worden. Museumsfachleute erachteten diesen Händel als Präzedenzfall und verwiesen darauf, dass der Entwurf für ein Bundesgesetz über den internationalen Kulturgütertransfer ein Rückforderungsrecht von maximal 30 Jahren vorsieht.

Der langjährige Kulturgüterstreit zwischen St. Gallen und Zürich

Anders als im Vorjahr Basel-Stadt, erreichte die Stadt Zürich im Kampf gegen die als unlauter eingestuften Werbemethoden von «Scientology» vor Bundesgericht nur einen Teilerfolg. Im Gegensatz zum Basler Fall, wo sich die Scientologen auf die Religionsfreiheit berufen hatten, machten sie nun die Gewerbefreiheit geltend, um weiterhin in der Öffentlichkeit Propagandamaterial für ihre Kurse verteilen zu dürfen. Die Lausanner Richter befanden, Zürich könne die Verteilung von Werbeprospekten zwar gewissen Bedingungen unterstellen, nicht aber generell verbieten. Im Gegensatz zu Deutschland und Frankreich, wo die Aktivitäten von «Scientology» wegen nachweislicher Unterwanderung von Behörden und Gesellschaft seit mehreren Jahren vom Staatsschutz eng überwacht werden, kam das Bundesamt für Polizei zum zweiten Mal nach 1998 zum Schluss, es dränge sich keine besondere Beobachtung im Hinblick auf die innere Sicherheit des Staates auf.
Überraschend erteilte der Zürcher Bildungsrat der Scientology-Privatschule Ziel (Zentrum für individuelles und effektives Lernen) eine generelle Bewilligung zum Führen einer Schule für Kinder und Jugendliche, obgleich das Bundesgericht 1997 die aus Scientologen zusammengesetzte Trägerschaft als nicht vertrauenswürdig bezeichnet hatte.

Scientology in der Schweiz

Trotz massiver Kritik in den letzten Jahren hielt das Bundesgericht an der seit 1878 bestehenden Regelung fest, wonach auch juristische Personen Kirchensteuer bezahlen müssen, wenn ihr Wohnsitzkanton (alle Kantone ausser Basel-Stadt, Aargau, Waadt, Genf, Appenzell-Ausserrhoden und Schaffhausen) es so bestimmt. Die Lausanner Richter wiesen damit die Beschwerde eines Thurgauer Unternehmens ab, das argumentierte, angesichts der veränderten Aufgaben der Kirchen, die in den letzten zwanzig Jahren insbesondere ihr Engagement im Sozialbereich an den Staat abgetreten hätten, sei es an der Zeit, die juristischen Personen aus der Kirchensteuerpflicht zu entlassen, da die dahinter stehenden natürlichen Personen durch die Belastung der Geschäftsergebnisse mit der Kirchensteuer in ihrer Glaubens- und Gewissensfreiheit verletzt würden. Das Bundesgericht wies die Beschwerde ab, da sich im Kirchenrecht der Kantone in der letzten Zeit kaum etwas verändert habe; auch die neue Bundesverfassung und die diesbezüglichen parlamentarischen Materialien seien nicht dazu angetan, eine Praxisänderung herbeizuführen. Es stehe den Kantonen frei, ihre diesbezüglichen Regelungen zu revidieren, doch sei es nach wie vor nicht Sache des Bundesgerichtes, dies als Verfassungsrichter für die Kantone zu tun.

Juristische Personen müssen weiterhin Kirchensteuer bezahlen

Das Bundesgericht befand, einer zum Islam konvertierten Primarlehrerin sei zu Recht verboten worden, während des Unterrichts ein Kopftuch oder einen Schleier zu tragen. Die Lausanner Richter vermochten in dem vom Genfer Erziehungsdepartement erlassenen Kopftuchverbot keine Verletzung der Glaubens- und Gewissenfreiheit erblicken. Von Bedeutung sei hingegen, dass die Lehrerin an der Primarschule und damit Kinder unterrichte, die besonders leicht beeinflussbar seien. Würde man der Lehrerin erlauben, das als stark einzustufende Symbol des Kopftuchs im Unterricht zu tragen, so käme dies laut Bundesgericht einem Präjudiz gleich. Es wäre auch schwer mit dem Verbot des Aufhängens eines Kruzifixes in den öffentlichen Schulen vereinbar.

Kopftuchverbot

Mit einem Bundesgerichtsurteil wurde erneut der Frage nachgegangen, welchen Stellenwert das Territorialitätsprinzip im zweisprachigen Kanton Freiburg haben soll. Die Lausanner Richter unterstützen das Freiburger Verwaltungsgericht, welches einer deutschsprachigen Familie aus der heute zu gut 40% germanophonen Gemeinde Crissier ein rein auf Deutsch geführtes Gerichtsverfahren verweigert hatte. Das Bundesgericht befand, eine Gemeinde mit so geringer Einwohnerzahl wie Crissier (rund 500 Personen) könne erst nach mindestens zwei Jahrzehnten mit einer starken anderssprachigen Minderheit als echt zweisprachig bezeichnet werden.

Bundesgerichtsurteil Territorialitätsprinzip Freiburg

Fünf Jahre nach seinem Entscheid im Kruzifix-Streit von Cadro (TI) musste sich das Bundesgericht erneut mit der Präsenz von kirchlichen Emblemen in öffentlichen Räumen beschäftigen. Diesmal ging es um die Klage eines Anwaltes gegen den Kanton Freiburg, der forderte, dass die Kruzifixe aus den Gerichtssälen sowie aus all jenen öffentlichen Räumen zu entfernen seien, in denen die Angestellten nicht ausdrücklich das Gegenteil wünschen. Das Bundesgericht wies die Klage aus formalrechtlichen Gründen ab, worauf der Kläger das Verfahren an die europäische Menschenrechtskommission weiterzog.

Kruzifix-Streit

Das Bundesgericht wird im Streit zwischen Territorialitätsprinzip und Schulhoheit nicht entscheiden. Es weigerte sich, auf eine Beschwerde einzutreten, welche den Entscheid des Freiburger Staatsrates (Exekutive) angefochten hatte, den deutschsprachigen Kindern der (französischsprachigen) Freiburger Vorortsgemeinde Marly den Transport in eine deutschsprachige Schule in Freiburg zu bezahlen. Die Lausanner Richter vertraten die Auffassung, der heute in Art. 116 festgehaltene Grundsatz der Territorialität der Sprachen sei zwar ein Verfassungsprinzip, doch lasse sich dadurch kein Verfassungsrecht ableiten, weshalb eine Verletzung des Territorialitätsprinzips nicht mit einer staatsrechtlichen Beschwerde gerügt werden könne, es sei denn, es werde zusätzlich eine Verletzung der Sprachenfreiheit geltend gemacht, was hier nicht der Fall sei, da die französischsprachigen Kinder der Gemeinde durch das Entgegenkommen an ihre deutschsprachigen Altersgenossen nicht gehindert worden seien, den Unterricht in ihrer Muttersprache zu besuchen.

Im Fall der Beschwerde einer grossen Versicherungsgesellschaft gegen das Baugesetz von Disentis/Mustér, welches Reklameinschriften nur in romanischer Sprache zulässt, entschied das Bundesgericht hingegen klar im Sinn des Territorialitätsprinzips.

Sprachenartikel in der Freiburger Staatsverfassung

Zum zweitenmal wies das Bundesgericht eine staatsrechtliche Beschwerde gegen die Baubewilligung für das "Panorama der Schweizer Geschichte" in Schwyz ab. Die bisher sehr eingeschränkte Bautätigkeit kann nun voll einsetzen und eine Museums-Eröffnung auf Frühsommer 1994 in Aussicht genommen werden. Das bereinigte Inhaltskonzept sieht vor, dass in dieser Aussenstelle des Landesmuseums der Mensch und sein Leben in der Schweiz zwischen dem 13. und 18. Jahrhundert in den Mittelpunkt gestellt werden.

"Panorama der Schweizer Geschichte" kann gebaut werden

Im Tessiner 'Kruzifix-Streit' fällte das Bundesgericht sein Urteil. Es befand, derart symbolträchtiger Wandschmuck verstosse gegen Art. 27 Abs. 3 BV, welcher einen konfessionell neutralen Unterricht in den öffentlichen Schulen garantiert, weshalb die Kruzifixe in den Klassenzimmern zu entfernen seien. Das Urteil löste in katholischen Kreisen und insbesondere im Tessin Bestürzung aus und führte zu drei Interpellationen an den Bundesrat, welche bis zu Ende des Berichtsjahres im Parlament nicht behandelt wurden. Der Bundesrat liess aber im Dezember seine Stellungnahme dazu veröffentlichen. Er verwies darauf, dass er ursprünglich anders entschieden habe als das Bundesgericht. Aus Rücksicht auf den Grundsatz der Gewaltenteilung stehe es ihm jedoch nicht zu, das Urteil des Bundesgerichts zu kritisieren. Nach seiner Ansicht beschränke sich das Urteil jedoch auf öffentliche Schulen und dürfe ausserhalb derselben keinen Präzedenzcharakter haben.

Tessiner «Kruzifix-Streit»

Der Tessiner «Kruzifix-Streit», bei dem es letztlich um das Verhältnis zwischen Kirche und Staat geht, beschäftigte nun auch die eidgenössischen Räte. Der «Fall», der in der Zwischenzeit deutlich Kulturkampf-Charakter angenommen hat, begann 1984, als im Neubau der Schule von Cadro TI – einer Gemeinde im Hinterland von Lugano – in allen Klassenzimmern Kruzifixe aufgehängt wurden. Dagegen protestierte ein Lehrer bei der Gemeinde, die sich jedoch hinter die Schulleitung stellte. Unterstützt von der Vereinigung der Freidenker legte der Lehrer beim Staatsrat Rekurs ein, wurde jedoch erneut abgewiesen. Anderer Ansicht war das Tessiner Verwaltungsgericht, das die Beschwerde mit dem Hinweis auf die konfessionelle Neutralität der Schulen (Art. 27 Abs. 3 BV) schützte. Diesen Bescheid mochte die abgewiesene Gemeinde nicht gelten lassen, und sie zog den Fall ans Bundesgericht. Nach längerem Hin und Her gaben die Lausanner Richter die Angelegenheit an den Bundesrat weiter, der 1988 unter Berufung auf die Präambel der Bundesverfassung zugunsten der Gemeinde entschied. Dies wiederum wollten Lehrer und Freidenker nicht hinnehmen und gelangten mit einer Beschwerde an die Bundesversammlung. Am 4. Oktober beschloss die Vereinigte Bundesversammlung auf Vorschlag der Begnadigungskommission, den Entscheid des Bundesrates wegen mangelnder Zuständigkeit aufzuheben und den Fall dem Bundesgericht zur Beurteilung zu überweisen.

Tessiner «Kruzifix-Streit»

Das zweite grosse gesetzgeberische Vorhaben, die im Vorjahr vom Bundesrat vorgelegte Neuregelung des Urheberrechts, trat in die parlamentarische Phase. Nachdem seine vorberatende Kommission Hearings durchgeführt und von einer grossen Gegnerschaft Kenntnis genommen hatte, beschloss der Ständerat zwar Eintreten auf die Vorlage, gleichzeitig aber auch einstimmig deren Rückweisung an die Regierung, mit dem Auftrag, eine konsensfähigere Lösung zu finden. Dabei sollte im wesentlichen der Schutz der Produzenten, der Werkvermittler und der verschiedenen Nutzerkreise verbessert sowie das kollektive und auftragsabhängige Werkschaffen vermehrt berücksichtigt werden. Daneben wäre auch einem differenzierten Leistungsschutz (Interpreten, Computerprogramme usw.) sowie einer verstärkten Kontrolle der Verwertungsgesellschaften Rechnung zu tragen. Nach Bundesrätin Kopp könnte ein überarbeiteter Entwurf in zwei Jahren vorgelegt werden. Das Ungenügen der geltenden Regelung verdeutlichte auch ein Bundesgerichtsentscheid, der die Verletzung von Urheber- und Persönlichkeitsrechten von Orchestermusikern verneinte, wenn öffentliche Veranstaltungen zu privaten Zwecken in Bild und Ton festgehalten werden (BGE 110 II 411).

Totalrevision des Urheberrechtsgesetzes (84.064)

In der Kulturpolitik übte der Bund weiterhin grosse Zurückhaltung; das Schwergewicht der Aktivität lag bei Gemeinden und Kantonen. Wohl konstituierte sich die eidgenössische Expertenkommission für Fragen der schweizerischen Kulturpolitik (Kommission Clottu); von ihrer Tätigkeit drang indessen wenig an die Öffentlichkeit. Durch von den eidgenössischen Räten bewilligte Subventionserhöhungen an Pro Helvetia und an die Stiftung Schweizer Volksbibliothek (SVB) unterstrich der Bund sein Interesse für kulturelle Belange. Im Frühling konnte mit der Sammlung am Römerholz, die Meisterwerke europäischer Malerei im Privathaus des Kunstmäzens zeigt, dem Publikum ein Legat von Oskar Reinhart an die Eidgenossenschaft zugänglich gemacht werden:

Die Frage nach der Stellung der Kulturschaffenden und nach der Funktion des Theaters in der modernen Gesellschaft rief Diskussionen auf gesamtschweizerischer Ebene hervor. Eine Auseinandersetzung über die Frage, ob sich der einzelne Schriftsteller wie auch seine Organisation politisch engagieren müsse, löste im Schweizerischen Schriftstellerverband (SSV) eine Krise aus, die zur Demission von 22 Mitgliedern (darunter Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch) führte. Eine Minderheit, welche die Frage bejahte, fühlte sich durch den Verbandspräsidenten wegen seiner aktiven Mitarbeit an der französischen Fassung des Zivilverteidigungsbuchs nicht mehr repräsentiert. Zahlreiche Schwierigkeiten an städtischen Bühnen, insbesondere der zunehmende Besucherschwund, riefen nach einer Besinnung auf die Aufgaben modernen Theaters. Eine Tagung von Sachverständigen im Stapferhaus sprach den Wunsch aus, dass Pro Helvetia die Organisation einer permanenten Theaterkonferenz übernehmen solle.

Mit der Inkraftsetzung des revidierten Filmgesetzes war es erstmals möglich, Bundesbeiträge an Spielfilme auszurichten. Dabei gab die Auszeichnung des Films «Krawall» zu einer Kritik im Nationalrat Anlass. Der Bundesrat befürwortete die Förderungswürdigkeit auch von Filmen, die die staatliche und gesellschaftliche Ordnung zur Diskussion stellen. Vorstösse, die sich mit einer weitergehenden Filmförderung befassten, überwies der Bundesrat der Kommission Clottu zur Prüfung. Dieses Thema wurde in den Motionen der Nationalräte Rasser (LdU, AG) (Mo. 10372) und Ziegler (soz., GE) (Mo. 10189), welche an den Nationalrat als Postulate eingereicht wurden, aufgegriffen. In der Diskussion um eine Aufhebung der Filmzensur wirkte ein Bundesgerichtsentscheid richtungweisend (BGE 96 IV 64). Er betraf den Kanton Bern, der zwar keine Filmzensur kennt, in dem jedoch das Obergericht den schwedischen Sexfilm «Ich bin neugierig» aufgrund einer Strafklage verboten hatte; das Bundesgericht gab den beanstandeten Streifen zur Vorführung frei. Der aargauische Regierungsrat hob die Verordnung über die Vorführung von Filmen und damit die Filmzensur formell auf, und die Zürcher stimmten dem neuen Filmgesetz, das als Gegenvorschlag zu einer Initiative gegen die Filmzensur ausgearbeitet worden war, deutlich zu. Der Luzerner Grosse Rat hiess ein neues Lichtspielgesetz, das keine Zensurvorschriften mehr enthält, in erster Lesung gut. Auseinandersetzungen ergaben sich aus dem wachsenden Angebot pornographischer Schriften; behördliche Massnahmen, auch solche des Jugendschutzes, stiessen verschiedentlich auf Ablehnung.

Nationale Kulturpolitik 1966–1974