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Jahresrückblick 2021: Kultur, Sprache, Kirchen

2021 bestätigte den Trend der letzten beiden Jahre – so zeigte die APS-Zeitungsanalyse eine rückläufige Berichterstattung rund um die Themen Kultur, Sprache oder religiöse Fragen auf (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Diesbezüglich brachte das Jahr gar einen neuen Tiefstwert seit 2016, wobei insbesondere Fragen im Zusammenhang mit den Religionen deutlich an medialer Präsenz eingebüsst hatten.

Wie auch im Jahr zuvor war die Kulturpolitik geprägt von der weltweiten Covid-19-Pandemie. Deren Auswirkungen auf den Kultursektor verdeutlichten etwa erste Zahlen des BFS im Rahmen der Kulturwirtschaftsstatistik für das Jahr 2020: Im Vergleich zu 2019 war die Beschäftigung im Kulturbereich um markante 5 Prozentpunkte gesunken, was in absoluten Zahlen 14'000 Erwerbspersonen entsprach. Vom Rückgang betroffen waren insbesondere Frauen, Personen mit einem Teilzeitpensum oder all jene, die zuvor weniger als 1 Jahr engagiert gewesen waren. Auch im Vergleich zur Gesamtwirtschaft war der starke Rückgang an Beschäftigten im Kulturbereich beträchtlich. Entsprechend kam es im Parlament zu diversen Vorstössen, mit denen auf die prekäre Situation der Kulturschaffenden reagiert werden sollte. Zwei Vorstösse, welche im Zuge der Pandemie verstärkte Unterstützungsmassnahmen für Freischaffende in Theater und Film und für Buchhandlungen verlangten, fanden im Parlament jedoch keinen Anklang. Hingegen waren sich die Räte darüber einig, dass die soziale Sicherheit der Kulturschaffenden auch unabhängig von der Pandemie verbessert werden müsse.

Neben diesen explizit auf die Pandemie zurückzuführenden Vorstössen bearbeitete das Parlament 2021 drei grosse Geschäfte im Kulturbereich. So fand die Beratung der Kulturbotschaft für die Jahre 2021-2024 nach langwierigen Diskussionen über das Filmförderungsgesetz durch Annahme des entsprechenden Entwurfs ein Ende. Eine parlamentarische Initiative zur Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts kam hingegen auch nach fast 5-jährigen Diskussionen noch zu keinem Abschluss. Zudem wurde der Entwurf des Bundesrats zum neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen beraten, mit dem unter anderem die Angleichung an eine geltende EU-Richtlinie angestrebt wird. Der Nationalrat beschäftigte sich in der Frühlings- und Sommersession mit dem Geschäft, der Ständerat wird sich wohl in der Frühlingssession 2022 damit auseinandersetzen.

Wie so oft prägte der Islam die Debatte in der Religionspolitik. Dieses Jahr lag das Augenmerk vermehrt auf der Rolle von Imamen und auf deren Einfluss auf die Gesellschaft. Die SiK-SR verlangte im März 2021 in einem Postulat, dass die Vorteile eines Bewilligungsverfahrens für Imame, ein Imam-Register sowie ein Finanzierungsverbot für Moscheen aus dem Ausland geprüft werden. Die Kommission bezweckte damit eine bessere Kontrolle von Personen, die im Rahmen ihrer religiösen Reden «terroristisches oder gewalttätig-extremistisches Gedankengut verbreiten». Ein im August 2021 vom Bundesrat publizierter Bericht über Professionalisierungsmöglichkeiten von islamischen religiösen Betreuungspersonen zeigte jedoch auf, dass der Einfluss von Imamen in Bezug auf Radikalisierungstendenzen in der Öffentlichkeit überschätzt wird. Basierend auf diesen Erkenntnissen legte der Bundesrat sodann zwölf Handlungsfelder fest, wobei insbesondere die Einbindung von öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften in die Seelsorge diverser öffentlicher Institutionen, wie etwa Militär, Spitälern oder Asylzentren, als zentrale Massnahme definiert wurde. Diese soll dazu beitragen, dass islamische Betreuungspersonen besser in die Gesellschaft integriert werden und indirekt eine Professionalisierung erreicht wird.

Ein weiteres umstrittenes Thema stellte nach wie vor die politische Beteiligung der Schweizer Kirchen im Rahmen von Abstimmungskämpfen dar. So zog die nie zuvor dagewesene Beteiligung der Kirchen am im Vorjahr geführten Abstimmungskampf zur Konzernverantwortungsinitiative Groll nach sich. Die Jungfreisinnigen hatten Stimmrechtsbeschwerden beim Bundesgericht eingereicht, womit sie eine Klärung der Rolle der Kirchen bei Abstimmungen in Form eines Leiturteils erreichen wollten. Gemäss den Medien stufte auch die Bundeskanzlei in einer Stellungnahme an das Bundesgericht das Verhalten der Landeskirchen als «zumindest grenzwertig» ein und erachtete ein Gerichtsurteil diesbezüglich als angezeigt. Das Bundesgericht schrieb die Beschwerde jedoch als gegenstandslos ab, da das Einbringen der Kirche der Initiative nicht zum Erfolg verholfen habe, wodurch das nötige aktuelle Interesse nicht gegeben sei. Diese hitzig geführte politische Debatte widerspiegelte sich auch in der Anzahl an Zeitungsartikeln mit kirchlichem oder religiösem Bezug – Anfang Jahr, auf dem Höhepunkt der entsprechenden Diskussionen – wurde häufiger über das Thema «Kirchen» berichtet als im Rest des Jahres. Gering blieb hingegen das Medienecho, als die beiden grossen Landeskirchen vor der Abstimmung zur «Ehe für alle» ihre Positionen publik machten, zumal sie sich nicht aktiv am Abstimmungskampf beteiligten.

Die Sprachpolitik fand ebenso wie in den letzten Jahren keine grosse mediale Resonanz, legte im Vergleich zum Vorjahr aber leicht zu (vgl. Abbildung 2). Dies ist wohl auf die verstärkt geführte Debatte über eine gendergerechte Sprache zurückzuführen. So startete das Jahr mit einer gesellschaftlichen Debatte über den Entscheid des Dudens, das generische Maskulin aus seinem Nachschlagewerk zu verbannen. Im Sommer kam es zu einer zweiten Runde mit einer breiten Diskussion über das sogenannte Gendersternchen, nachdem die Bundeskanzlei dessen Gebrauch in Bundesdokumenten explizit untersagt hatte.

Jahresrückblick 2021: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2021

Bereits kurz vor dem Abstimmungssonntag im November 2020 zur Konzernverantwortungsinitiative reichten die Jungfreisinnigen in fünf Kantonen (AG, BE, SG, TG, ZH) eine Stimmrechtsbeschwerde gegen die Landeskirchen und deren aktive Beteiligung am Abstimmungskampf zu Gunsten der Initiative ein. Als die Kantonsregierungen nicht darauf eintraten, da diese Frage auf nationaler Ebene geregelt werde, richtete die Jungpartei ihre Beschwerde an das Bundesgericht. Sie beschuldigte die Kirchen, gegen Artikel 34 der Bundesverfassung – welcher Sachlichkeit, Transparenz und Verhältnismässigkeit vorschreibt – verstossen zu haben, und verlangten, dass sich die Religionsgemeinschaften in zukünftigen Abstimmungskämpfen neutral verhalten müssten. In einer Stellungnahme an das Bundesgericht, welche in den Medien teilweise veröffentlicht wurde, teilte die Bundeskanzlei (BK) die Vorwürfe der Jungpartei und stellte fest, dass das Engagement der katholischen und reformierten Landeskirchen im Zuge des Abstimmungskampfes zur KVI «zumindest grenzwertig» gewesen sei, insbesondere da Gegenargumente keinen Eingang in ihre Argumentation gefunden hätten. Die Kirche sei eine öffentlich-rechtlich anerkannte Körperschaft, welche einen staatlichen Auftrag wahrnehme. Dafür erhalte sie gewisse Privilegien, wie etwa das Recht, Steuern erheben zu dürfen, was sie dazu verpflichte, sich an Grundrechte wie die Gewährung der Abstimmungsfreiheit zu halten. Inwiefern die Kirchen im Rahmen ihrer Werbung für die KVI gegen diese Vorgaben verstossen hätten, sei zu klären.

Im März 2021 schrieb das Bundesgericht die fünf Stimmrechtsbeschwerden der Jungfreisinnigen als gegenstandslos ab. Das aktuelle Interesse, welches nötig sei, um ein solches Leiturteil zu fällen, sei nicht gegeben, da die Initiative am Ständemehr gescheitert sei. Das Bundesgericht stimmte jedoch zu, dass ein Interesse bestehen könnte, in diesem Feld Klarheit zu schaffen – jedoch sei dies nur möglich, wenn sich die kirchlichen Interventionen im Abstimmungskampf auf das Ergebnis auswirken würden. Während die Jungfreisinnigen das Urteil bedauerten und weiterhin auf ihrer Forderung nach Neutralität der Kirchen bestanden, begrüsste das Komitee «Kirche für Konzernverantwortung», dem über 700 Kirchgemeinden und Pfarreien angehörten, das Ergebnis. Es sei selbstverständlich, dass sich die Kirche in einer Demokratie zu politischen Fragen äussere und an öffentlichen Debatten teilnehme. Gleichzeitig seien sich die Kirchen auch bewusst, dass eine Aufarbeitung angezeigt sei – eine solche versprachen in der Folge Daniel Kosch, Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz (RKZ), sowie Rita Famos, die neue Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS).

Kirchenposition zur KVI

Jahresrückblick 2020: Kultur, Sprache, Kirchen

Das Krisenjahr 2020 verlief hinsichtlich der Kultur-, Sprach- und Kirchenpolitik, gerade im direkten Vergleich mit anderen Politikbereichen, sowohl bezüglich der parlamentarischen Geschäfte als auch der medialen Berichterstattung überraschenderweise ruhig. Insbesondere wenn man bedenkt, dass der Kultursektor mitunter einer der stärksten von der Corona-Pandemie getroffenen Bereiche war. Die APS-Zeitungsanalyse zeigt zwar auf, dass sich der Anteil der Medienartikel zu Kultur, Sprache und Kirchen an der Gesamtberichterstattung im Vergleich zum Vorjahr leicht erhöht hat, dieser Wert liegt aber mit knapp 3 Prozent noch immer tiefer als in den Jahren 2017 und 2018. Abermals machte die Kulturpolitik mit rund Zweidritteln der Medienberichte den grössten Teil der drei Themengebiete aus, gefolgt von der Kirchenpolitik mit rund einem Drittel; die sprachpolitisch relevanten Berichte hingegen waren in diesem Jahr nahezu inexistent.

Wie viele andere Bereiche auch wurde die Kulturlandschaft in der Schweiz und mit ihr die Kulturpolitik massgeblich vom Diktat der Corona-Pandemie gesteuert. Während das Jahr sowohl für das Parlament als auch die Medien eher ruhig begann, machte sich mit der Mitte März vom Bundesrat ausgerufenen ausserordentlichen Lage ein deutlicher Ausschlag in der Medienberichterstattung bemerkbar. Fortan war das kulturpolitische Jahr von gefällten Massnahmen im Kampf gegen Covid-19 und der sich aus diesen ergebenden Folgen für die Kulturschaffenden geprägt. Das auferlegte Veranstaltungsverbot und die damit einhergehenden Restriktionen hatten gravierende finanzielle Auswirkungen auf sämtliche Bereiche der Kulturindustrie: Von nahezu einem Tag auf den anderen sahen sich Musik-, Film-, Theater-, Literaturschaffende und viele mehr in ihrer Existenz bedroht. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken sprach ihnen der Bundesrat im Frühjahr zwar im Rahmen der «Covid-Verordnung Kultur» finanzielle Unterstützung zu, jedoch zeigte sich im weiteren Verlauf des Jahres, dass dies längerfristig kaum ausreichen würde. Entsprechend versuchten auch die Zivilgesellschaft und die Kulturschaffenden selbst, Hand zu bieten, und lancierten diverse Solidaritätsaktionen oder nutzten diese Gelegenheit gar dazu, gänzlich neue Wege zu beschreiten und das Kulturschaffen sowie die Kulturvermittlung auf neue Kanäle umzuleiten.
Zwischenzeitlich war auch das Parlament darum bemüht, dem Kultursektor nach Möglichkeit unter die Arme zu greifen. Bei den in der Herbstsession eröffneten Beratungen der Botschaft zur Förderung der Kultur in den Jahren 2021–2024 war man sich einig, dass sich der Stellenwert der Kultur in und für die Gesellschaft gerade in der Corona-Krise deutlich gezeigt habe und die Kultur daher auch entsprechend gefördert werden müsse. Entsprechend war auch relativ rasch klar, dass man diversen Kürzungsanträgen von Seiten einzelner SVP-Exponentinnen und -exponenten nicht entgegenkommen würde. Lediglich darüber, wie die Kulturförderung genau ausgestaltet werden sollte, war man sich zunächst nicht ganz einig. Besonders bei den Mitteln für den Austausch zwischen den Sprachregionen und den Finanzhilfen für das Bundesamt für Kultur (BAK) diskutierten die Räte lange, konnten sich aber schlussendlich auf den Nationalratsvorschlag einigen. Zu Jahresende noch ausstehend waren die Beratungen des Bundesgesetzes über Filmproduktion und Filmkultur (Entwurf 2 der Kulturbotschaft), das bereits vor den Verhandlungen für weitreichende Diskussionen gesorgt hatte. Die Beratung war zwar für die Wintersession vorgesehen gewesen, wird sich aber voraussichtlich in das erste Quartal des neuen Jahres verschieben. Ein weiteres bedeutendes Bundesratsgeschäft, dessen Botschaft im Herbst 2020 verabschiedet wurde und das voraussichtlich ebenfalls 2021 zur Behandlung anstehen wird, stellt das neue Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen dar.

Auch das kirchen- bzw. religionspolitische Jahr war zunächst stark von der Corona-Pandemie geprägt. Besonders das Verbot von Gottesdiensten und anderen religiösen Veranstaltungen, gerade auch im Vorfeld der Osterfeiertage, erhitzte die Gemüter mancherorts stark und wurde auch in Form einer Motion Addor (svp, VS; Mo. 20.3332) – die jedoch kein Gehör fand – ins Parlament getragen. Tatsächlich schien sich dieses reduzierte Angebot an religiösen Partizipationsmöglichkeiten aber auch auf die Wahrnehmung und Definition von Kirche und Religion auszuwirken, wurde in den Medien über weite Strecken doch nahezu ein philosophischer Diskurs über deren Rolle und Funktion, gerade auch in Krisenzeiten, geführt. Nicht zuletzt auch, weil Kirchenvertreterinnen und -vertreter sich sehr bemühten, teilweise auf äusserst innovative Art und Weise, alte Botschaften über neue Medien zu vermitteln.
Im späten Frühjahr verlagerte sich der Fokus in diesem Themenbereich aber von der Pandemie auf die Landeskirchen. Was zunächst als Intransparenzvorwürfe hinsichtlich eines Kirchengeschäfts begann, mündete im Sommer in veritablen Missbrauchs- und Grenzverletzungsvorwürfen gegenüber Gottfried Locher, die zu einer regelrechten Kirchenkrise und schliesslich zum Rücktritt des obersten Reformierten führten. Diese Vakanz begünstigte aber zugleich ein absolutes Novum in der reformierten Kirche: Im November wurde Rita Famos als erste Frau als Lochers Nachfolgerin und somit zur höchsten Reformierten der Schweiz gewählt. Während die Reformierten in der Folge ein Krisenjahr durch eine Wahl beendeten, schienen sich die Katholiken durch die auftretende Uneinigkeit bei der Nachfolgebestimmung für den Bischof von Chur] in eine neuerliche Krise zu manövrieren.
Weit über die Kirchenkreise hinaus sorgte hingegen der Schulterschluss der beiden Landeskirchen im Kampf gegen die Ende November zur Abstimmung gekommene Konzernverantwortungsinitiative für grosse Aufregung. Nicht zuletzt wurde den Kirchen vorgeworfen, dass sie durch ihre offene Zurschaustellung der orangen Transparente, durch die geschalteten Inserate und die öffentlichen Stellungnahmen die grundsätzliche Grenze der Trennung von Kirche und Staat und somit auch ihre Kompetenzen deutlich überschritten hätten.

Jahresrückblick 2020: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2020

Jahresrückblick 2019: Kultur, Sprache, Kirchen

2019 war hinsichtlich der Kultur-, Sprach- und Kirchenpolitik vergleichsweise ein eher moderater Jahrgang, sowohl im Vergleich zu anderen Politikbereichen, als auch im direkten Vergleich zu den Vorjahren. Eine APS-Zeitungsanalyse zeigt auf, dass alle drei Politikbereiche von einem rückläufigen Trend betroffen sind, wobei sich dieser besonders in der Medienberichterstattung zur Kirchen- und Religionspolitik am stärksten zeigt – hier hat sich der Anteil themenspezifischer Artikel seit 2016 nahezu halbiert. Im Jahresverlauf wurden über die drei Themenbereiche betrachtet unterschiedliche Entwicklungen ersichtlich: Während die Sprachthemen auf nationaler Ebene offensichtlich im Allgemeinen wenig Beachtung fanden, wurden kirchenpolitische Themen besonders Anfangs und Ende Jahr stark diskutiert und fielen dann dem obligaten «Sommerloch» zum Opfer. Die Kulturpolitik hingegen sah sich mit einem regelrechten «Sommerhoch» konfrontiert, nachdem es ab März 2019 eher ruhig geworden war.

Das Hauptaugenmerk der Parlamentarierinnen und Parlamentarier lag 2019 hinsichtlich der kulturpolitischen Entwicklungen mit Sicherheit auf der Revision des Schweizer Urheberrechts. Nach rund 7-jähriger Vorarbeit und einer vom Ständerat im Frühjahr 2019 zwecks Sondierung der Lage des europäischen Urheberrechts auferlegten Rückweisung, wurden im Sommer schliesslich die Weichen gestellt und das Gesamtpaket im Herbst gebündelt. Da die angestrebte Revision Einfluss auf verschiedene Bereiche hat, blieben die negativen Reaktionen indes nicht aus; deshalb ist es auch wenig erstaunlich, dass kurz nach der Schlussabstimmung bereits das Referendum ergriffen wurde. Ob die URG-Revision effektiv gelungen ist, wird sich Mitte Januar 2020 zeigen, wenn die Referendumsfrist abgelaufen ist.
Die Ratifizierungen internationaler Abkommen wie des Übereinkommens über den Schutz des Unterwasser-Kulturerbes und des Rahmenübereinkommens des Europarats über den Wert des Kulturerbes standen hingegen ausser Diskussion.
Ein anderer Fokus wurde im Kulturjahr 2019 wiederum auf die Kulturförderung gelegt. Im Frühjahr wurde die Kulturbotschaft 2021–2024 in die Vernehmlassung geschickt und bis im September zur Stellungnahme freigegeben. Der Ergebnisbericht lag Ende Jahr zwar noch nicht vor, jedoch geben die im Verlauf des Jahres gefällten Entscheide zu diversen Vorstössen mit Referenz auf die Kulturbotschaft (Kulturabgeltung an die Stadt Bern, Einführung eines schweizerischen Jugendkulturgutscheins, Auswirkungen der Urbanisierung auf die Kulturförderung, Aufgabenteilung zwischen SBFI und BAK, Erhöhung des Kredits für die Förderung des Sprachaustausches) einen ersten Hinweis auf mögliche Herausforderungen hinsichtlich der weiteren Beratungen .
Auch im Bereich Heimatschutz und Denkmalpflege blieben die Institutionen nicht untätig. So wurde eine Motion Regazzi (cvp, TI; Mo. 17.4308), die eine Anpassung der Bewertungskriterien für die ISOS-Aufnahme verlangte, stillschweigend angenommen und die Vernehmlassungsergebnisse zur Totalrevision des VISOS vielen mehrheitlich positiv aus, was auf ein Inkrafttreten der revidierten Verordnung auf den 1. Januar 2020 hindeutete.
In der ausserparlamentarischen Debatte fand das Fête de Vignerons, das drei Jahre nach seiner Aufnahme ins UNESCO Weltkulturerbe und 20 Jahre nach der letzten Austragung neuerlich in Vevey (VD) stattfand, grosse Beachtung – leider aufgrund der finanziellen Bruchlandung nicht nur positive. Ein wiederkehrendes Thema war 2019 auch die Raubkunst, wobei der Fokus in diesem Jahr auf den afrikanischen Kontinent und die im Kontext der Kolonialisierung erbeuteten Schätze gerichtet wurde. Auch das Volk der Fahrenden war 2019 insbesondere in den Kantonen ein Thema, da sich die Frage der Durchgangsplätze nicht nur im Kanton Bern aufgetan hatte.

Im Bereich der Sprachpolitik standen in diesem Jahr die Mehrsprachigkeit und damit zusammenhängend die Förderung des Austausches zwischen den Sprachgemeinschaften sowie der Erhalt des Rätoromanischen im Fokus. So forderte eine Motion Bourgeois (fdp, FR; Mo. 17.3654), dass öffentliche Ausschreibungen des Bundes künftig in den wichtigsten Landessprachen zu erfolgen hätten, und eine Motion Gmür-Schönenberger (cvp, LU; Mo. 18.4156), dass TV-Produktionen nicht mehr synchronisiert, sondern sowohl Eigenproduktionen in den Landessprachen, als auch englischsprachige Produktionen in der Originalsprache ausgestrahlt und lediglich noch untertitelt werden sollen.
Mit dem Begehen der 100-Jahr-Feier der Lia Rumantscha wurden indes Bestrebungen aufgezeigt, das Rätoromanische wieder mehr aufs Parkett zu bringen und insbesondere auch einem Publikum ausserhalb des Bergkantons ins Gedächtnis zu rufen. Nicht zuletzt seit einem im Frühjahr erschienene Bericht des ZDA war deutlich geworden, dass es für das Rätoromanische in der Schweiz fünf vor zwölf geschlagen hat.

In Bezug auf kirchen- und religionspolitische Themen stand in diesem Jahr die SVP mit ihren islamkritischen Parolen auf prominentem Parkett. Mit ihrem Vorstoss zur Bekämpfung der Ausbreitung eines radikalen Islams war sie im Parlament zwar gescheitert, generierte aber mit den daraus resultierenden Wahlplakaten des der SVP nahestehenden Egerkinger-Komitees im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen 2019 ein grosses Medienecho. Auch die Motion Wobmann (svp, SO; Mo. 17.3583), die ein Verbot der Verteilaktion «Lies!» zum Ziel hatte, scheiterte – nach einer rund 1.5-jährigen Sistierung – am Ständerat. Wie eine bereits im Sommer veröffentlichte Studie aufzeigte, nahm die SVP auch in den Kantonen eine dominante Rolle in der Religionsdebatte ein. So war es nur wenig erstaunlich, dass die Anfangs Jahr neuerlich aufkommende Frage, ob man als guter Christ noch die SVP wählen dürfe, wieder zu diskutieren gab; nicht zuletzt, weil damit auch verschiedentliche Kirchenaustritte – nebst den ohnehin zunehmenden Kirchenaustritten – von SVP-Politikerinnen und -Politikern einhergingen, welche sich lieber dem Churer Bischof Huonder zuwenden wollten. Dieser seinerseits wurde schliesslich nach zweijährigem Aufschub zu Pfingsten Abberufen, nutzte die Zeit bis dahin aber für einen Rundumschlag gegen die Landeskirchen und stellte sich noch immer quer zu den Missbrauchsvorwürfen in der Kirche.
Wie sich die Kirche zum Staat verhalten soll und in welchem Masse sich Theologen in die politische Debatte einbringen dürfen, wurde seit Anfang Jahr im Rahmen eines von Gerhard Pfister (cvp, ZG) neu gegründeten Think-Tanks «Kirche/Politik» erläutert.
Eine für viele eher überraschende Kunde kam im Herbst von Seiten der reformierten Kirchen: Diese hatten sich nach langen Diskussionen für die «Ehe für alle» ausgesprochen, wobei sie im Wissen um die konservativen Kräfte innerhalb der Glaubensgemeinschaft die Gewissensfreiheit der Pfarrpersonen gewährleisten wollten. Unerfreulich waren 2019 die Meldungen über die Rückkehr und rasche Zunahme des Antisemitismus in der Schweiz.

Die 2019 im Vorfeld des angekündigten Frauenstreiks virulent diskutierte Genderthematik fand ihren Einzug auch im Bereich der Kultur, Sprache und Kirche. So wurden Frauen, und spezifisch ihr Schaffen und ihre Stellung in der Kunst und Kultur, wesentlich stärker thematisiert als in den vergangenen Jahren. Auch die Diskussion um gendergerechte Sprache wurde in diesem Jahr wieder virulenter aufgegriffen. Besonders überraschend kam auch die Ankündigung der Kirchenfrauen, sich am diesjährigen Frauenstreik zu beteiligen, um ein Zeichen gegen die männliche Dominanz innerhalb der Institution zu setzen.

Jahresrückblick 2019: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2019

Die 2013 von der grünliberalen Fraktion eingereichte parlamentarische Initiative «Ehe für alle» beschäftigte in den Folgejahren verschiedenste Gruppierungen weit über das Parlament hinaus. Mit besonderer Spannung wurde auch die Positionierung der Schweizer Kirchen erwartet. Entgegen der weitläufigen Erfahrung sorgte für einmal aber nicht die römisch-katholische Kirche, sondern die evangelisch-reformierte für grosses Aufsehen, wie viele Medien berichteten.
Im Rahmen der im März 2019 eröffneten Vernehmlassung gingen Stellungnahmen verschiedener religiös-kirchlicher Organisationen ein, die sich unterschiedlich zu besagtem Sachverhalt äusserten. So zeigten sich beispielsweise die christkatholische Kirche, der Schweizerische Katholische Frauenbund oder die Evangelischen Frauen Schweiz deutlich positiv gegenüber der Kernvorlage. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund verkündete, er könne die Gesetzesänderung zwar nicht kommentieren, akzeptiere diese aber als einen Ausdruck der Tatsache, dass persönliche Freiheit und individuelle Autonomie in einem weltlichen Wertesystem einen anderen Stellenwert einnähmen als in einem religiös-ethisch orientierten. Die evangelisch-methodistische Kirche hatte zwar keine Stellungnahme eingereicht, in den Medien wurde aber spekuliert, dass der Schweizer Ableger vor einer Zerreissprobe stehe, da die internationale Vereinigte Methodistenkirche die Ehe für alle deutlich ablehne. Die Schweizer Bischofskonferenz empfahl offiziell zwar kein Nein – kümmere sich die sakramentale Eheschliessung in den Augen der katholischen Kirche doch in erster Linie um die Verbindung von Mann und Frau vor Gott, und nicht um die zivile Ehe –, äusserte aber in ihrer Eingabe bei der RK-NR grosse Bedenken gegenüber dem Vorhaben. Lediglich der Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) konnte sich in dieser Frage nicht einig werden und musste eine Fristverlängerung über den 21. Juni 2019 hinaus beantragen, was ihm von der RK-NR auch gewährt wurde. Die offizielle Antwort fiel dennoch sehr ernüchternd aus: Viele seiner Mitgliedkirchen träten zwar für eine weitgehende oder gar vollständige Gleichbehandlung von hetero- und homosexuellen Paaren auf rechtlicher und kirchlicher Ebene ein, da sich aber einige dieser Mitglieder noch im Klärungsprozess befänden, werde der Urteilsbildungsprozess in der Abgeordnetenversammlung noch einige Zeit in Anspruch nehmen.
Gerade diese Spaltung der reformierten Kirche wurde in vielen Medien als die eigentliche Überraschung gehandelt und vielseitig diskutiert. Man war sich im Grundsatz einig, dass die reformierte Kirche allgemein als progressiver einzustufen sei als die katholische Kirche und sich daher bei gesellschaftlichem Wandel auch wesentlich schneller einbringe als der Vatikan, zumal das reformierte Verständnis der Trauung seit dem 19. Jahrhundert eine Bestätigung dessen sei, was der Staat vollziehe. Wie sich herausstellte, handelte es sich bei den innerkirchlichen Gräben weitestgehend um regionale Gräben, zum einen zwischen Stadt und Land und zum anderen zwischen der Deutschschweiz und der lateinischen Schweiz. Während man in den Städten und in der Deutschschweiz die Ehe eher als eine Gemeinschaft zweier Menschen betrachte, werde diese in den anderen Regionen eher als eine Verbindung von Mann und Frau und als eine von Gott eingesetzte Institution verstanden. Diese Ansicht kam besonders deutlich in einer von 200 Pfarrern unterzeichneten Erklärung zum Vorschein, in der gemäss dem Tages-Anzeiger vermerkt war, dass die Öffnung der Ehe für homosexuelle Menschen nichts anderes als ein «Segen ohne Segenszusage Gottes» sei und einem «Missbrauch» von Gottes Namen gleichkomme.
Das über Monate andauernde Hickhack fand schliesslich am 4. November 2019 ein Ende: Die Delegierten des SEK stellten sich an der Abgeordnetenversammlung mit 49 zu 11 Stimmen hinter die Vorlage. Sie empfahlen ihren Mitgliedkirchen die Ehe für alle, wie auch den damit einhergehenden allfälligen neuen zivilrechtlichen Ehebegriff für die kirchliche Trauung vorauszusetzen. Zugleich empfahlen die Delegierten, dass bei der kirchlichen Trauung auch in Zukunft die Gewissensfreiheit der Pfarrerinnen und Pfarrer gewahrt bleiben solle – wohl auch, um den Haussegen weitestgehend vor der Schieflage zu bewahren. Den Lohn dieser Arbeit sprachen die Medien im Wesentlichen dem SEK-Präsidenten Gottfried Locher zu. Er habe die Öffnung der Ehe stets mit guten Argumenten begründet und auch deutlich gemacht, dass die Ehe nicht zu den Grundfragen des Glaubens – im Sinne des Sakraments – gehöre und der gesellschaftliche Konsens ebenso wichtig sei, wie die biblischen Grundlagen, auch wenn einige Bibeltreue das anders sähen.

Ehe für alle - Kirchenposition

Nach elf Amtsjahren kündete Benno Schnüriger, etwas früher als geplant, im Herbst 2017 seinen Rücktritt vom Amt des Synodalratspräsidenten der Zürcher Katholikinnen und Katholiken an und ebnete damit einem historischen Entscheid den Weg: Zum allerersten Mal wählte die Synode des Kantons Zürich im April 2018 eine Frau an die Spitze der katholischen Exekutive. Das bisherige Synodalratsmitglied Franziska Driessen-Reding würde also ab Juli 2018 das Amt der obersten Zürcher Katholikin innehaben. Um der neuen Vorsteherin der Glaubensgemeinschaft etwas auf den Zahn zu fühlen, lud die Luzerner Zeitung im Mai zu einem umfassenden Interview ein. Die designierte Präsidentin nutzte diese Gelegenheit, um über Fragen zur römisch-katholischen Kirche im Allgemeinen und zu ihrer Rolle und Funktion in und für die Schweizer Gesellschaft zu sprechen. Dabei äusserte sie sich zu Themen wie der Rolle der Frauen in der katholischen Kirche und der damit einhergehenden Entwicklung der Frauenordination im Schatten der Männerdominanz, zum Verhältnis der Schweizer Landeskirche zu Rom und ihrer persönlichen Haltung zu den Päpsten Franziskus und Benedikt, zum Verhältnis zu Bischof Vitus Huonder und der Forderung nach einem eigenständigen Bistum Zürich oder zur Akzeptanz verschiedener Religionsgemeinschaften in der Schweiz und der Rolle der Kirche im Feld der Flüchtlings- und Asylpolitik. Während das gesamte Interview zwar auch kritisch, aber im Grossen und Ganzen sachlich geführt wurde, lösten die Antworten der Zürcherin zur Flüchtlings- und Asylfrage im Nachgang des Interviews einen regelrechten Eklat aus.
Gefragt, ob sich denn die Schweizer Asylpolitik mit den katholischen Werten decke und die Katholiken dem persönlichen Beispiel Driessens folgen und Flüchtlinge aufnehmen sollten, antwortete sie: «Wir Kirchen müssen uns in solchen Debatten einbringen. Zwar werden wir kritisiert, die Kirche habe in der Politik nichts zu melden und solle getrennt sein vom Staat. Aber wenn es um Menschenrechte geht, müssen wir laut werden [...]. Der Churer Weihbischof Peter Henrici sagte 2004, ein guter Christ könne nicht SVP wählen. Ich glaube, ich könnte ihm recht geben. Es bereitet mir Mühe, wie man sich als Teil einer Kirche sehen kann, wenn man deren wichtigsten Grundwert nicht achtet: für den Nächsten da zu sein.»
Das sei anmassend und verletzend, polterte tags darauf Thomas Burgherr, Präsident der Aargauer SVP, in der Aargauer Zeitung und forderte Driessen via Facebook zu einer öffentlichen Entschuldigung auf. Die Kirche habe für alle Menschen und Meinungen offen zu sein. Es sei ihm nicht wirklich klar geworden, ob «diese Frau» tatsächlich an Gott glaube, sie klassifiziere zwar, wer ein guter Christ sei, zeige selbst aber kein klares Bekenntnis zu Gott. Er selbst sehe absolut keinen Konflikt zwischen den christlichen Werten und der SVP-Asylpolitik: Jene Flüchtlinge, die an Leib und Leben bedroht seien, müsse man schützen. Was jedoch nicht gehe, seien die vielen Wirtschaftsflüchtlinge, die lediglich das System missbrauchten. Auch die von Driessen angesprochene Anerkennung vom Islam und von orthodoxen Gemeinden unterstütze er nicht, schliesslich seien wir ein «christliches Abendland und wollen das auch bleiben». Die Aargauer Zeitung verwies darauf, dass Driessen betonte, sie wolle niemanden aus der Kirche ausstossen, das Gastrecht aber verteidigen; sie sehe daher auch keinen Grund für eine Entschuldigung. Nationalrätin Flückiger (svp, AG) kündigte in der Luzerner Zeitung indes erste Konsequenzen an: Sie sei masslos enttäuscht über Frau Driessens Aussage und habe bereits das Formular für den Kirchenaustritt heruntergeladen und überlege sich nun, zu den Reformierten zu wechseln. Zwischenzeitlich erwarte sie eine Entschuldigung und eine Stellungnahme des Bistums Basel. Roberto Martullo-Blocher, Ehemann von Nationalrätin Magdalena Martullo-Blocher (svp, GR), forderte gar den Rücktritt der Synodalratspräsidentin und ermahnte sie, nicht zu vergessen, woher denn die meisten Steuergelder für ihre Kantonalkirche kämen – «von den SVP-Leuten». Er selbst war bereits im Januar aus der Kirche ausgetreten, da die Führung der Kantonalkirche stets gegen den Bischof von Chur schiesse, um damit eine Abspaltung vom Bistum zu provozieren. Der Bischof von Chur, Vitus Huonder, hingegen bedauerte es sehr, dass der Eindruck entstanden sei, dass eine Bundesratspartei nicht wählbar sei. Die katholische Kirche halte alle Parteien, die rechtsstaatliche Grundlagen einhalten, für wählbar und bevormunde die Gläubigen politisch nicht. Dennoch versäumte er es nicht, an den vorherrschenden Konflikt zwischen der römisch-katholischen Kirche und den Kantonalkirchen zu erinnern: Die Zürcher Kantonalkirche sei vom Staat geschaffen und somit kein Teil der römisch-katholischen Kirche; Driessen repräsentiere daher nur sich selbst.
Rund zwei Wochen nach Erscheinen des Interviews nahm schliesslich auch der Bischof von Basel, Felix Gmür, im Rahmen eines eigenen Interviews, mit dem Schwerpunkt Asylpolitik, in der Solothurner Zeitung Stellung. Gefragt, ob ein Christ guten Gewissens SVP wählen könne, fragte er lediglich: «Weshalb diese Frage? Die Kirche macht keine Parteipolitik». Darauf hingewiesen, dass Frau Driessen dieser Ansicht sei, erwiderte er lediglich, ob sie denn auch gesagt habe, warum sie dieser Meinung sei. Ansonsten sei diese Aussage nur plakativ. Die Kirche schliesse Menschen mit unterschiedlichen Ansichten nicht aus, man müsse mit diesen ins Gespräch kommen. In gewissen Punkten gebe es sicherlich übereinstimmende Ansichten von Kirche und Parteiprogrammen, in anderen wiederum könnten diese gänzlich divergierend sein; es sei aber nicht die Aufgabe der Kirche, politisches Geschehen zu gestalten. Auf die Anmerkung, dass sich zahlreiche Politiker oft auf die christlich-abendländischen Werte beziehen und ob das denn nicht zu einer Instrumentalisierung der Kirche führe, erwiderte er, dass nicht die Kirche selbst, sondern kirchliche Symbole instrumentalisiert würden, was ein gänzlich falsches Mittel zur Abgrenzung sei. Christliche Identität zeige man am besten, in dem man als Christ lebe, beispielsweise, indem man mehr Ausbildungsmöglichkeiten für junge Asylbewerber anbiete: Das sei eine konkrete Hilfe am Nächsten, weil die Leute so nicht mehr ausgegrenzt würden und von Fürsorge leben müssten. Auf die Anmerkung, dass das jetzt aber schon politisch sei, antwortete er, dass die Kirche lediglich Vorschläge mache und ansage, welchen Weg sie für gut befinde; was umgesetzt werde, bestimme aber die Politik.

Dürfen gute Christen SVP wählen?

Auch 2015 stand Bischof Vitus Huonder aufgrund seiner kirchlich-religiös geprägten Überzeugungen im Fokus der Medien. So verschaffte ihm die Rezitation aus dem Levitikus (3. Buch Mose), welche er im Rahmen des Forums "Freude am Glauben" am 31. Juli 2015 im deutschen Fulda wiedergegeben hatte, ungewollte – und in diesem Masse wahrscheinlich auch nicht erwartete – negative Aufmerksamkeit. Wie diverse Medien berichteten, darunter beispielsweise auch die NZZ (04.08.15), war der Stein des Anstosses folgendes Zitat: "Schläft einer mit einem Mann, wie man mit einer Frau schläft, dann haben sie eine Greueltat begangen. Beide werden mit dem Tod bestraft. Ihr Blut soll auf sie kommen." Der eigentliche Eklat in dieser Angelegenheit ergab sich aber aus der anschliessenden Erläuterung Huonders, dass diese Zitation genüge, um "der Frage der Homosexualität aus der Sicht des Glaubens die rechte Wende zu geben". Nebst solch verbalen Entgleisungen brachte der Bischof seine erzkonservativen Ansichten auch insbesondere durch Aussagen zur Geltung, welche seine ablehnende Haltung gegenüber alternativen Lebensformen – also nicht dem traditionell katholischen Bild der Ehe und Familie entsprechenden Lebensformen – aufzeigten. Unter anderem hob er die sexuelle Beziehung zweier Menschen aus dem privaten Raum heraus, da diese zur Glaubensbekundung gehöre und nicht etwa für die persönliche Unterhaltung da sei.
Huonders Äusserungen lösten weit über die Bevölkerung hinaus grosses Entsetzen aus. So reichte, nebst Privatpersonen aus dem Raum St. Gallen, der Dachverband der schwulen Männer in der Schweiz (Pink Cross) eine Strafanzeige wegen homophober Äusserungen ein, welche den Bischof für die öffentliche Aufforderung zu Verbrechen und Gewalttätigkeit belangen sollte. Bastian Baumann, Geschäftsführer von Pink Cross, sah in Huonders Aussage sogar einen Aufruf zur Wiedereinführung der Todesstrafe gegen Homosexuelle. Auch das kurz nach den Ereignissen ausgesprochene Bedauern des Bischofs änderte nichts an der Situation. Huonder verkündete in seiner Stellungnahme, dass seine getätigten Aussagen nicht so gemeint gewesen seien und dass er keineswegs Menschen mit homosexueller Orientierung hätte herabsetzen wollen; er sei in der Frage der Homosexualität ganz beim Katechismus der katholischen Kirche. Die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) hielt sich indes mit Stellungnahmen zur Person Huonder zurück und begründete ihr Schweigen damit, dass sie grundsätzlich keine Äusserungen zu einzelnen Bischöfen vornehme. Sie betonte jedoch auch, dass sie in Bezug auf Homosexuelle dem Katechismus verbunden sei. Markus Büchel, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz, hob in einem offenen Brief an die Gläubigen heraus, dass das Wohl einer Person insbesondere mit deren verantwortungsvollem Umgang mit der Sexualität einhergehe und dass diese als ein Gottesgeschenk anzunehmen sei. In diesem Sinne müsse sich die Kirche bewusst ihren Defiziten im historisch bedingten Umgang mit Homosexualität stellen.
Wesentlich kritischer fielen die Aussagen anderer Würdenträger aus dem geistlichen Umfeld aus. So warf der Sprecher der Pfarrei-Initiative, Kapuziner Willi Anderau, dem Bischof Versäumnisse in der adäquaten Interpretation der zitierten Ausschnitte vor. Die fundamentalistische Art der Bibelzitation wäre einem Laien noch nachzusehen gewesen, für einen studierten Theologen wie Bischof Huonder grenze diese Form der Anwendung aber schon an einen Skandal. Abt Urban Federer betonte, dass jede Person vor Gott die gleiche Würde habe. In diesem Sinne habe die aktuelle Debatte nichts mit dem von ihm persönlich empfundenen und wahrgenommenen Christentum zu tun. Das Problem hierbei liege in erster Linie an der Missdeutung der Vorzeichen; als Vertreter der Kirche stehe für ihn das Für-etwas-Sein im Vordergrund und nicht etwa das Dagegen-Sein, genau so, wie Gott auch für den Menschen alles gebe. Selbst Guiseppe Gracia, der Mediensprecher des Bischofs, meldete sich zu Wort und bekundete, dass sein Vorgesetzter mit solch gefährlichen Äusserungen eine Grenze überschritten habe. Generalvikar Josef Annen und Synodalratspräsident Benno Schnüriger sahen sich sogar genötigt, im Namen der Zürcher Katholiken ein Communiqué herauszugeben, in welchem sie sich bei den Homosexuellen, aber auch bei allen anderen von diesem Skandal betroffenen Personen entschuldigten. Sie distanzierten sich vom Bischof und betonten, dass es die Frage nach dem Glauben im Gespräch mit der Vernunft zu suchen gelte und hierzu gehöre in der heutigen Zeit eben auch die Wahrnehmung der Vielfalt in Bezug auf das Familienleben.
Die Welle der Empörung manifestierte sich – wie bereits zu Beginn des Jahres 2015 im Rahmen der Entlassungsbestrebungen gegen den Urner Pfarrer Wendelin Bucheli – in Rücktrittsaufforderungen aus der breiten Bevölkerung. Da die SBK aber keine Aufsichtsfunktion innehabe, könne die Abberufung von Bischof Huonder lediglich durch den Papst persönlich vorgenommen werden. Bischof Huonder müsste jedoch aufgrund des geltenden Kirchenrechts mit 75 Jahren, folglich bereits 2017, seinen Rücktritt beim Papst einreichen, weshalb man davon ausgehe, dass der Vatikan die Situation aussitzen werde. Dies könnte sich insofern bewähren, da Bischof Huonder trotz aller Geschehnisse noch immer Rückendeckung erhält, beispielsweise von Weihbischof Marian Eleganti oder der katholischen Volksbewegung "Pro Ecclesia". Zudem hatte die Staatsanwaltschaft in Bezug auf die Pink-Cross-Anzeige vermelden lassen, dass die Ermittlungen eingestellt würden; die getätigten Aussagen hätten keine den Tatbestand erfüllende Eindringlichkeit.

Bischof Vitus Huonder

Im Sommer dieses Jahres fand die Flüchtlingsdebatte ihren Einzug auch offiziell in Institutionen, welche sich ausserhalb des tagespolitischen Geschehens bewegen – die Landeskirchen. Diverse Kantone schienen mit ihren bis dahin gängigen Unterbringungsmöglichkeiten wie Zivilschutzanlagen oder Pfadiheimen an ihre Kapazitätsgrenzen gestossen zu sein, weshalb sie sich entschieden, ein Gesuch an "höherer Stelle" einzureichen. Im Kanton Bern beispielsweise wurde nach einer Behördenanfrage eine Anzeige in den Pfarreiblättern geschaltet, in welcher man sich bei den Mitgliedern nach freiem Wohnraum für Flüchtlinge erkundete. Aber auch in den Kantonen Zug, Schwyz oder Luzern hoffte man auf die Hilfe kirchlicher Institutionen. Oft stiess man aber wider Erwarten auf verschlossene Pforten. Die Argumente für die ablehnende Haltung äusserten sich dabei oft in ähnlicher Weise: Es sei nicht genug Platz vorhanden, um zusätzlich Leute unterzubringen und zudem wäre die Nutzbarmachung des vorhandenen Platzes oft mit zusätzlichen Umbaumassnahmen verbunden. Des Weiteren befürchte man teilweise grosse Einschnitte im Alltag der bisherigen Bewohner – Störung der klerikalen Gepflogenheiten oder Einschränkung der Privatsphäre als Beispiele –, zumal man den Asylsuchenden keine besondere Unterhaltung bieten könne und diese folglich mit Nichtstun beschäftigt wären. Diese Haltung rief aber auch Kritiker auf den Plan: Viele Gotteshäuser schienen in der Frage der Nächstenliebe ihre Grenze beim traditionellen Engagement in der Form von Betreuungsprogrammen wie Deutschkursen oder Rechtsberatungen zu ziehen. Die Kritik richtete sich an dieser Stelle aber primär an die Kirchenoberen; die Kirchenbasis setze sich bereits für die Menschen in Not ein. So setzte beispielsweise Matthias Hui (Co-Redaktor der Zeitschrift "Neue Wege") gemeinsam mit anderen Mitgliedern aus seinem Netzwerk "Kirche? NordSüdUntenLinks" eine "Migrationscharta" auf, welche Kirchen konkret aufforderte, schärferen Protest gegen die heutige Migrationspolitik zu äussern und sich mehr in die Debatte einzubringen. Walter Müller, Sprecher der Bischofskonferenz, wollte diesbezüglich keinen Kommentar abgeben, liess es sich aber nicht nehmen zu betonen, dass die Tagespolitik kein Einmischungsfeld der Kirche darstelle.
Der Bischof des Bistums Basel, Felix Gmür, schien diesbezüglich aber eine gänzlich andere Meinung zu vertreten: Über Monate wurde er nicht müde, Kritik an der Asyldebatte in der Schweiz zu üben und die Engstirnigkeit mancher Politiker anzuprangern. Die Grenzen für Asylsuchende zu schliessen sei "völlig daneben" und bringe im Endeffekt niemandem etwas; die westlichen Länder müssten sich ihrer Verantwortung stellen. Auf diese Aussagen Gmürs folgte wiederum Kritik aus den Reihen der politischen Elite – überraschenderweise ausgerechnet von Seiten des CVP-Präsidenten Christophe Darbellay. Seiner Auslegung nach könne die Kirche nicht nur Offenheit predigen, sondern müsse ihren Worten auch Taten folgen lassen. Bischof Gmür liess sich diesbezüglich nicht zweimal bitten: Er setzte ein Zeichen, indem er Anfangs August 2015 ankündigte, dass das Bistum prüfen lassen wolle, ob die Wohneinheiten des Schlosses Steinbrugg in Solothurn für diesen Zweck geeignet seien. Im September konnte er sodann auch, nach einem Behördentreffen zwecks Klärung organisatorischer Fragen, einen positiven Bescheid verkünden; es sollen Wohneinheiten für bis zu zwölf Personen geschaffen werden, welche nach Umbauarbeiten – Rückbau von Büroräumlichkeiten – voraussichtlich ab Ende Oktober 2015 bezugsbereit sein könnten.

Aufnahme von Flüchtlingen

Als der Urner Pfarrer Wendelin Bucheli im Oktober 2014 in seiner Pfarreikirche in Bürglen einem lesbischen Paar seinen Segen aussprach, tat er das in der Auslegung seiner Pflichten als Seelsorger und in Ermessung seiner Verantwortung Gott gegenüber – jedoch nicht ahnend, dass seine Handlung bis in die obersten Kirchenkreise Wellen schlagen würde und massgeblichen Einfluss auf seine Kariere haben könnte.
Kurz nach Bekanntwerden der Segnung erhielt Bucheli eine Mitteilung aus dem Bistum Chur, in welcher er von Bischof Huonder aufgefordert wurde, seinen Posten in der Urner Gemeinde bis zum Sommer 2015 zu räumen. Der Bischof liess verkünden, dass er mit der Segnung einer homosexuellen Verbindung eine "Verunklärung" der kirchlichen Lehre von Ehe und Familie begangen habe und somit grosses Ärgernis und Aufruhr bei Gläubigen weit über die Landesgrenzen hinweg geschaffen habe. Im Sinne der katholischen Kirche hielt die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK) fest, dass zwar homosexuelle Menschen gesegnet werden dürfen, nicht aber deren gemeinsame Verbindung. Da Bucheli sich diesem Verdikt aber widersetzt habe, sei seine weitere Tätigkeit in der Gemeinde Bürglen nicht mehr verantwortbar. In Absprache mit Bischof Charles Morerod (Bistum Lausanne-Genf-Freiburg) solle der Pfarrer nun demissionieren und in seine Weihestätte rückversetzt werden.
Peter Vorwerk (Sprecher der Pfarrei Bürglen), Markus Frösch (Gemeindepräsident) sowie weite Teile der Bevölkerung und des Kirchenrates konnten diese Kündigung aber nicht nachvollziehen. Die katholische Kirche sei als jene der Nächstenliebe zu betrachten, in welcher ein Pfarrer jeden Menschen auf seinem Lebensweg segnen könne. Zudem sei Pfarrer Bucheli in seiner Gemeinde sehr engagiert und trete allen Menschen offen gegenüber und akzeptiere sie so, wie sie seien. Um der Empörung und dem Unverständnis in der Bevölkerung Ausdruck zu verleihen, wurde eine Online-Petition lanciert ("Pfarrer Wendelin Bucheli muss in Bürglen bleiben"), welche innert kürzester Zeit über 40'000 Unterschriften verzeichnete – weit über die regionale Grenze hinweg. Bucheli selbst wollte seine Demissionierung – auch im Wissen um den Rückhalt in der Bevölkerung – nicht einfach hinnehmen und weigerte sich, sein Amt abzutreten mit der Begründung, dass er hier in Bürglen mit seiner Arbeit noch nicht fertig sei.
Das Bistum Chur, welches offensichtlich nicht mit soviel Widerstand gerechnet hatte, beauftrage im März 2015 seinen Generalvikar Martin Grichting in der Sache, gemeinsam mit Pfarrer Bucheli eine Lösung zu finden, welche im Einklang mit der Kirche stehe und sowohl der Pfarrei Bürglen als auch dem Pfarrer Bucheli dienlich sei.
Nach langen Gesprächen kamen schliesslich beide Parteien zu einer Übereinkunft. Bischof Huonder zog seine Bitte um Buchelis Demission zurück, nachdem ihm dieser zugesichert hatte, zukünftig weder öffentliche noch heimliche Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare vorzunehmen und somit der Erklärung der Schweizer Bischofskonferenz vom 3. Oktober 2002 nachzukommen.

Wendelin Bucheli

Nachdem die beiden katholischen Landeskirchen der Kantone Basel-Stadt und Baselland im Juni eine entsprechende Verfassungsänderung ratifiziert hatten, stimmten die Katholikinnen und Katholiken der beiden Kantone Ende September in zwei separaten Abstimmung über das Anliegen der Gleichstellungsinitiative ab. Da die katholische Kirche in Basel-Stadt bei Verfassungsänderungen ein bischöfliches Vetorecht vorsieht, war lange ungewiss, ob die Abstimmung überhaupt stattfinden kann. Bischof Gmür haderte, beschloss jedoch kurz vor der synodalen Abstimmung, das Veto nicht zu ergreifen. Dies aufgrund eines ausgearbeiteten Kompromissvorschlags, der von den Landeskirchen nicht mehr länger verlangte, dass sie auf die Zulassung des Priesteramtes unabhängig von Zivilstand und Geschlecht hinwirken, sondern die Anliegen lediglich den kirchlichen Organen "unterbreiten" sollen. Ferner gab Gmür bekannt, auch in zukünftigen Verfassungsfragen das Vetorecht nicht mehr einfordern zu wollen. Mit deutlichen Mehrheiten über 80% unterstützte die Basis beider Landeskirchen am 28. September 2014 das Anliegen der Gleichstellungsinitiative. Im Kanton Basel-Landschaft beteiligten sich knapp 30% der Berechtigten an der Abstimmung, im Kanton Basel-Stadt waren es lediglich etwas mehr als ein Fünftel. Eine direkt verbindliche Wirkung hätte die Abstimmung aufgrund Dualismus von Schweizer Staatskirchenrecht und des vom Vatikan festgelegten Kirchenrechts auch mit der ursprünglichen Formulierung der Gleichstellungsinitiative nicht gehabt. Nur der Vatikan kann die Zulassung zum Priesteramt ändern. Dennoch hatte die Abstimmung eine zentrale historische Bedeutung: In der Geschichte der Kirche war es das erste Mal, dass sich Landeskirchen dem demokratischen Instrument der kirchenrechtlichen Verfassungsinitiative bedienten, um via Änderung im Staatskirchenrecht ihre Reformwünsche zu platzieren.

„Pfarrei-Initiative“

Das im Vorjahr bekanntgemachte Vademekum zur Zusammenarbeit der katholischen Kirche mit staatskirchenrechtlichen Körperschaften wurde 2014 in einem 290-seitigen Buch ausführlich dargelegt. Die Herausgeber betonten, das Werk sei als Diskussionsgrundlage aufzufassen und habe nicht die Funktion eines Ordnungsrufes. Das Bistum Chur interpretierte dies indes anders. Das Vademekum mache deutlich, dass es nur eine Katholische Kirche gebe mit einer "staatskirchenrechtlichen Hilfsstruktur zur Finanzierung kirchlicher Aufgaben", liess Mediensprecher Giuseppe Gracia verlauten.

Zusammenarbeit der katholischen Kirche und staatskirchenrechtlichen Körperschaften

Die Neustrukturierung der evangelischen Kirche (SEK) setzte sich 2014 fort. Im November fassten die SEK-Abgeordneten in Bern den Beschluss, die nationale Ebene der Reformierten Kirche zu stärken. Dem Entschluss ging eine Vernehmlassung mit Stellungnahmen aller 26 Kantonalkirchen, einiger kirchlicher Verbände und den theologischen Fakultäten der Universität Zürich und Basel voran, deren Ergebnisse im April des Berichtsjahres veröffentlicht wurden. Neu soll eine nationale Synode die Synoden der Kantonalkirchen ergänzen. Dieser Vorschlag stiess in der Vernehmlassung auf breite Zustimmung. Welche Kompetenzen dem neuen, gesamtschweizerischen Gremium zufallen werden, ist hingegen noch unklar. Drei weitere Grundaussagen formulierten die Abgeordneten, darunter auch folgenden Satz: "Die evangelisch-reformierte Kirche lebt als Kirchgemeinde, als Kantonalkirche und als schweizweite Kirchengemeinschaft". Gemäss SEK bilden die vier Grundaussagen einen Konsens und ebnen den Weg für die weitere Verfassungsrevision. Das Vorhaben, für eine allfällige Evangelische Kirche in der Schweiz (EKS) eine eigene, kirchenrechtliche Legitimation zu schaffen, war in der Vernehmlassung auf grossmehrheitliche Ablehnung gestossen.

Neustrukturierung der evangelischen Kirche

Sowohl das Bündner wie auch das Zürcher Stimmvolk äusserten sich im Berichtsjahr zur Frage, ob die Kirchensteuer für juristische Personen abgeschafft werden soll. Dabei zeigte sich in beiden Kantonen ein auffallend ähnliches Bild der beiden vom Jungfreisinn lancierten Volksinitiativen: Der städtische Kanton Zürich schmetterte das Anliegen im Mai mit 71,8% Nein-Stimmen annähernd so deutlich ab wie das ländlich geprägte Graubünden an der Februarabstimmung mit 73,6%. Parallelen zeigten sich anfänglich ebenfalls bezüglich Unterstützung durch die Mutterparteien. Entgegen einem früher gefassten Beschluss stellte sich die FDP-Fraktion im Zürcher Kantonsrat gegen das Anliegen ihrer Jungpartei. Mit 59 zu 49 Stimmen beschloss die Zürcher FDP schliesslich an ihrer Delegiertenversammlung nach emotionaler Diskussion die Ja-Parole. Die Bündner FDP äusserte sich an ihrer Delegiertenversammlung hingegen mit ähnlichem Stimmverhältnis ablehnend zur Volksinitiative. Sowohl Bündner wie auch Zürcher Wirtschaftsverbände lehnten das Volksanliegen klar ab. Gemäss der Zürcher Handelskammer und des Bündner Gewerbeverbands zahlt ein Grossteil der kleinen Betriebe keine Kirchensteuer, womit die Initiative in erster Linie Grossunternehmen entlasten würde. Darüber hinaus anerkenne man durchaus die Leistungen der Kirche für das Gemeinwesen. Im Kanton Zürich zahlte das Gewerbe 2012 über CHF 100 Mio. Kirchensteuern an die beiden grossen Zürcher Landeskirchen, womit diese 40% ihrer Ausgaben für gesamtgesellschaftliche Leistungen finanzierten. Unter diese nicht-kultischen Ausgaben in den Bereichen Bildung, Kultur und Soziales fallen auch die Auslagen für die Instandhaltung von Kirchen, Pfarrhäusern und Kirchgemeindehäusern. Detaillierte Angaben zu den Auslagen nach Posten wurden während des Abstimmungskampfes nicht bekannt. Nicht eingerechnet in die Auslagen der Kirchen ist hingegen die Freiwilligenarbeit. Gemäss Angaben im Abstimmungsbüchlein summiert sich diese allein für die evangelisch-reformierte Kirche im Kanton Zürich auf rund 1 Mio. Stunden jährlich.

Kirchensteuer für juristische Personen

Bereits zu Jahresbeginn wurde Bischof Huonders Stellungnahme zur Pastoralumfrage publik. Darin äusserte sich der Churer Bischof ablehnend gegenüber dem Empfangen der Sakramente durch Homosexuelle und geschiedene Wiederverheiratete. Solche Personen könnten zwar bei der Kommunion vor den Priester treten, müssten dies aber als Zeichen ihrer "irregulären Situation" mit verschränkten Armen tun, und könnten anstelle der Hostie lediglich den Segen empfangen. Zwei Wochen später hatten bereits über 2700 Schweizer Katholiken in einem Appell ihre Unzufriedenheit mit Huonders erneut provozierender Stellungnahme ausgedrückt. Die Forderungen der Bistumsleitung seien beschämend und völlig inakzeptabel. Dass die kirchliche Basis geschiedenen Wiederverheirateten und Homosexuellen offener gegenüber steht, letzteren zumindest in der Tendenz, brachten denn auch die Ende Januar kommunizierten Ergebnisse der Pastoralumfrage zu Tage. Im März forderten kirchliche Basisorganisationen, darunter die Vertreter der Pfarrei-Initiative sowie die Jungwacht Blauring, unter Hauptinitiative des Schweizerischen Katholischen Frauenbundes (SKF) in einer Demonstration in St. Gallen die Abberufung von Bischof Huonder und dessen Generalvikar Martin Grichting. Unter dem Motto "Es reicht!" übergaben um die 2000 reformwillige Katholiken am 9. März Markus Büchel, dem Präsidenten der Schweizer Bischofskonferenz (SBK), ein entsprechendes Schreiben mit der Forderung nach einem dem Bischof übergeordneten Administrator, der für eine barmherzige und weltzugewandte Kirche einstehe und Diskriminierungen jeglicher Art weder verursache noch dulde. Als Auslöser für diese drastische Forderung nannten die Demonstranten nicht nur Huonders Stellungnahme zur Pastoralumfrage, sondern auch seine Aussagen zu Genderfragen am internationalen Tag der Menschenrechte 2013 oder etwa seine Befürwortung zur Volksinitiative "Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache", entgegen dem vorangegangenem SBK-Beschluss auf Stimmfreigabe. Das Bistum vertrat die Ansicht, das eigentliche Problem der Initianten sei nicht die Person Vitus Huonder, sondern die Unvereinbarkeit gewisser Wertvorstellungen mit Teilen der kirchlichen Lehre. Huonder stand jedoch nicht ohne Unterstützung da: Der Bund junger Katholiken wollte den Bischof in einer am gleichen Tag stattfindenden Kundgebung unterstützen, was der Organisation jedoch von Bischof Huonder des kirchlichen Friedens Willen untersagt wurde. Durchgeführt wurde dann jedoch im Rahmen der Gebetsinitiative "Nein zum Krieg unter uns" ein Gottesdienst für Huonder mit 300 Gläubigen. Ein erstes klärendes Gespräch zwischen den reformwilligen Katholiken und der Churer Bistumsleitung fand im November statt, förderte jedoch noch keine sichtbare Annäherung der Parteien zutage.

Bischof Vitus Huonder

Zur Vorbereitung einer im Herbst 2014 stattfindenden, durch den Papst berufenen ausserordentlichen Bischofssynode zum Thema "die pastoralen Herausforderungen der Familie im Kontext der Evangelisierung", legte die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) Ende 2013 den Anhängern der katholischen Kirche in der Schweiz auf päpstliches Anraten eine Umfrage zu Partnerschafts-, Ehe- und Familienpastoral vor. Über 23'600 Personen nahmen an der Umfrage teil, wobei das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI), welches die Umfrage auswertete, Anzeichen sah, dass die Stellungnehmenden überdurchschnittlich kirchentreu waren. Ferner stammten nur 9% der Antworten aus der frankophonen Schweiz. 80% der Teilnehmenden erachteten eine kirchliche Hochzeit für wichtig bis sehr wichtig; etwas über drei Viertel befürworteten jedoch ein probeweises Zusammenleben vor der Ehe. Der kirchlichen Lehre über die Familie stimmten etwas mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer mehrheitlich bis ganz zu. Starke Differenzen zur katholischen Lehre zeigten sich darin, dass mehr als drei Viertel der teilnehmenden Personen angaben, künstliche Methoden der Schwangerschaftsverhütung natürlichen Verhütungsmethoden vorzuziehen. Ebenfalls vertraten 90% die von der kirchlichen Linie abweichende Haltung, dass geschiedene Wiederverheiratete von der Kirche anerkannt und gesegnet werden sollten. Im Unterschied zur Frage der Wiederverheirateten fand sich bei der Frage betreffend Empfangen der Sakramente durch gleichgeschlechtliche Paare kein Konsens; vielmehr zeigte sich hier eine Polarisierung: Während 40% der Stellungnehmenden die kirchliche Anerkennung und Segnung für diese Personengruppe klar befürworteten, standen ihr ein Viertel der Befragten ebenso klar entgegen.
Die Ergebnisse der ausserordentlichen Bischofssynode in Rom waren hingegen weniger progressiv: Zwar wurde über die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion diskutiert und das Anliegen mit absoluter Mehrheit befürwortet, das erforderliche qualifizierte Mehr konnte jedoch nicht erzielt werden. Ebenso erging es der Forderung, "ungerechte Diskriminierungen" von Menschen mit homosexueller Veranlagung seien zu verbieten. Auch das Verbot der künstlichen Empfängnisverhütung wurde nicht angetastet.

Umfrage zu Partnerschafts-, Ehe- und Familienpastoral

Bereits im Januar diskutierte der Churer Bischof Vitus Huonder die Schaffung eines Bistums Zürich mit dem päpstlichen Nuntius, worauf dieser das Geschäft an die Römische Kurie weiterleitete. Ende Jahr besprach der Bischof von Chur die Angelegenheit bei seinem Besuch in Rom auch mit dem Papst, dessen Antwort zur Frage jedoch noch aussteht. Ein im Mai von der "NZZ am Sonntag" publik gemachtes, bisher unveröffentlichtes kirchenrechtliches Gutachten heizte die Debatte zusätzlich an: Huonder sei nur Bischof mit vollem Recht für die Kantone Graubünden und Schwyz; Obwalden, Nidwalden, Glarus und Teile des Kantons Uri seien lediglich Apostolische Administraturen des Bistums Chur. In diesen Gebieten könne der Churer Bischof nur auf Weisung des Papstes als dessen Stellvertreter wirken. Im Falle von Zürich ist die Angelegenheit besonders brisant: Nach Loslösung vom Bistum Konstanz wurde Zürich 1819 dem damaligen Churer Bischof "ad personam" unterstellt, womit die Unterstellung mit dem Wechsel des Bischofs ihre Rechtswirkung eigentlich verloren hätte.

Wolfgang Haas alleiniger Leiter des zweitgrössten Schweizer Bistums

Den Tag der internationalen Menschenrechte vom 10. Dezember wurde auch von Kirchenvertretern zur Verbreitung ihrer Positionen genutzt. Während Bischof Huonder bereits im Vorjahr in einem Hirtenbrief geltend gemacht hatte, geschiedene Wiederverheiratete seien von den Sakramenten auszuschliessen, denunzierte er im aktuellen Jahr als „Wort zum Tag der Menschenrechte“ den Genderismus und gleichgeschlechtliche Paarbeziehungen. Unter anderem kritisierte Huonder die laufenden Bemühungen zur Ermöglichung von Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare; eine solche „zerstöre die Grundlage einer gesunden psychischen Entwicklung“ der adoptierten Kinder. Dass gerade am Tag der Menschenrechte ein Geistlicher solch diskriminierende Äusserungen verlauten liess, verurteilte die Interessengruppe für eine vernünftige Sexualkunde aufs Schärfste. Die SBK, der Evangelische Kirchenbund und die Christkatholische Kirche lancierten ihrerseits zum Tag der Menschenrechte eine Petition, die den Bundesrat zur verstärkten Unterstützung bedrohter Christen und zur Erhöhung der finanziellen Mittel für die Förderung des interreligiösen Friedens aufforderte.

Bischof Vitus Huonder

Im Jahr ihres 150-jährigen Bestehens bemühte sich die Schweizerische Bischofskonferenz um Einheit. In einem Vademecum für die Zusammenarbeit der katholischen Kirche und staatskirchenrechtlichen Körperschaften in der Schweiz erinnerte sie die Körperschaften an ihre Funktion als kirchenstaatliche Administrationen. In diesem Sinne sei eine Bezeichnung von Körperschaften als Landeskirchen oder Kantonalkirchen nicht zulässig, da es nur eine katholische Kirche gebe. Das Bistum Chur liess verlauten, eine klare Abgrenzung zwischen Kirche und Körperschaften sei gerade im Hinblick auf aktuelle Geschehnisse wie die Pfarrei-Initiative und kantonale Bestrebungen zur Abschaffung der Kirchensteuer für juristische Personen zentral. Des Weiteren bemängelten die Schweizer Bischöfe die Befristung der Amtszeit resp. die Wiederwahl von Pfarrern in einigen Körperschaften. Der Bischof setze einen Pfarrer auf unbestimmte Dauer ein und eine Widerhandlung gegen diese Ernennung sei als unzulässiger Verstoss gegen die Religionsfreiheit zu werten. Dies und die Vorschläge der SBK, Schweizer Bischöfe bei der Verteilung der Kirchensteuern wie auch bei der Wahl von Gemeindeleitern stärker miteinzubeziehen, provozierten ablehnende Reaktionen von Seiten der Körperschaften und Initianten der Pfarrei-Initiative.

Zusammenarbeit der katholischen Kirche und staatskirchenrechtlichen Körperschaften

Die Kirchensteuer für juristische Personen gelangte auch im Berichtsjahr auf die politische Agenda einzelner Kantone. In den Kantonen Graubünden und Zürich stehen Abstimmungen zu Volksinitiativen bevor, welche die Aufhebung dieser Steuer fordern. Darüber hinaus gab die Staatskanzlei des katholisch geprägten Kantons Nidwalden im Juni des Berichtsjahrs das Zustandekommen eines ähnlich lautenden Volksanliegens bekannt. Ende Jahr zogen die Initianten ihr Anliegen jedoch wieder zurück, mit der Begründung, im Moment könne im Kanton keine Mehrheit für das Begehren gefunden werden.

Kirchensteuer für juristische Personen

Im Juni gab der Evangelische Kirchenbund (SEK) einen Vorentwurf zur Neustrukturierung der evangelischen Kirche bis Ende November in die Vernehmlassung. Um den Mitgliederschwund aufzuhalten, soll anstelle der Dachorganisation SEK eine nationale Evangelische Kirche in der Schweiz (EKS) mit dem Ziel „Einheit in der Vielfalt“ gegründet werden. Eine einmal jährlich tagende, von den kantonalen Synoden gewählte, nationale Synode soll neu gemeinsame Positionen und Strategien verabschieden. Ein neunköpfiger Rat als Exekutive sowie ein Ratspräsident, der mit gewissen bischofsähnlichen Aufgaben betraut wäre, soll die dreigliedrige Kirchenleitung komplettieren. Erste, im November bekannt gewordene Positionen einzelner Kantonalkirchen äusserten ihre grundsätzliche Unterstützung zur Schaffung von mehr Einheit. Letzteres solle jedoch eher in Form eines „Staatenbundes“ realisiert werden. Den Verfassungsentwurf lehnten verschiedene Kantonalkirchen aus Angst vor übermässiger Zentralisierung ab. Der Vernehmlassungsbericht wird im Frühjahr 2014 folgen.

Neustrukturierung der evangelischen Kirche

Anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der öffentlich-rechtlichen Anerkennung der Zürcher Katholiken durch den Kanton wurde die Kirchenführung des Bistums Chur vom Zürcher Justizdirektor Martin Graf (ZH, gp) beanstandet. Graf bezeichnete den Churer Bischof wegen dem Festhalten am Zölibat, der Verweigerung der Priesterweihe für Frauen und der Wiederverheiratung von geschiedenen Personen sowie der Nichtanerkennung gleichgeschlechtlicher Paare als rückständig und dessen Positionen als den Grundrechten widersprechend. Im Sommer brachten die Zürcher Katholiken ein altes Begehren wieder auf den Tisch und forderten durch die erneute Einreichung eines Gesuchs bei der Schweizerischen Bischofskonferenz (SBK) die Ablösung von Chur und die Schaffung eines Bistums Zürich. Als Auslöser für die Wiederbelebung des zum letzten Mal in den späten 80er Jahren diskutierten Anliegens wurde unter anderem die aktuelle Kirchenführung durch Bischof Huonder genannt. Letzterer zeigte sich im Dezember grundsätzlich offen für die Gründung eines Zürcher Bistums. Im Frühjahr des kommenden Jahres will er in Gesprächen mit dem Apostolischen Nuntius und den Zuständigen in Rom die Lage abschliessend beurteilen.

Wolfgang Haas alleiniger Leiter des zweitgrössten Schweizer Bistums

Mehr als 500 Seelsorger und Sympathisanten überbrachten Mitte Januar dem Bistum Chur eine Erklärung zur im Vorjahr von Seelsorgern der Bistümer Basel, Chur und St. Gallen lancierten Pfarrei-Initiative, worin sich die Unterzeichnenden für eine liberale Kirchenpraxis aussprechen und zum Ungehorsam gegen die Kirchenführung in Rom aufrufen. Die Abwesenheit des Churer Bischofs Huonder bei der Übergabe der von ihm geforderten Erklärungen sowie die durch den Generalvikar erfolgte Verteilung von USB-Sticks mit wesentlichen Lehrsätzen der katholischen Kirche stiessen bei den Auflehnenden auf Abneigung. Während Huonder in einer Stellungnahme kundtat, die Initiative sei nicht mit der katholischen Lehre vereinbar und wer nach ihren Prinzipien leben wolle, solle dies nicht länger im Auftrag der Kirche tun, legten die Bischöfe der Bistümer Basel und St. Gallen trotz Ablehnung des Anliegens durch die Schweizerische Bischofskonferenz (SBK) eine höhere Bereitschaft zum Dialog an den Tag. Felix Gmür, Bischof des Basler Bistums, traf sich im Frühjahr mit über 230 Seelsorgern und teilweise Unterzeichnern der Initiative und beschloss die Weiterführung der Gespräche unter dem Titel „Pastoraler Entwicklungsplan im Dialog“. Im Juli wurden die drei Bischöfe aufgrund der mittlerweile durch über 540 Seelsorger und 1000 Sympathisanten unterzeichneten Pfarrei-Initiative nach Rom geladen, wo die Verbindlichkeit der katholischen Lehre wie sie in den Dokumenten des II. Vatikanischen Konzils festgehalten ist, bekräftigt wurde. Somit stelle sich die Kirche explizit gegen die Ausübung kirchlicher Dienste durch Laien wie auch gegen die Aufhebung des Zölibats, was zwei zentralen Forderungen der Initiative entspreche, liess das Bistum Chur verlauten. Im Bistum Basel indes versicherte man die Fortsetzung des im Frühjahr lancierten Dialogs. In beiden Basel sind darüber hinaus zwei Gleichstellungsinitiativen hängig, welche die Aufhebung des Zölibats und die Zulassung von Frauen zum Priesteramt fordern. In Kritik geriet der Churer Bischof Vitus Huonder im Berichtsjahr des Weiteren durch einen rund zehnminütigen Beitrag in der „Rundschau“ des SRF zum Umgang des Bistums mit der Pfarrei-Initiative. Huonder kritisierte die Sendung daraufhin stark wegen in Umlauf bringen von Falschmeldungen und legte Beschwerde ein. Konkret wehrte er sich gegen die Darstellung, bei der Pfarrei-Initiative handle es sich um einen von ihm alleine geführten Kampf sowie gegen die Aussage, er sei aufgrund seines Führungsstils nach Rom berufen worden. SRF wies die Vorwürfe zurück. Man habe mehrmals vergeblich versucht, Bischof Huonder zu einer Stellungnahme zu bewegen und der Fokus auf Huonder erkläre sich mit der geringen Gesprächsbereitschaft des Bischofs im Gegensatz zu den anderen beiden betroffenen Bischöfen. Im Mai gab die SRG-Ombudsstelle Huonder jedoch in beiden Punkten recht.

„Pfarrei-Initiative“

Im September des Berichtjahres wurde eine schweizerische „Pfarrei-Initiative“ lanciert. Diese sollte deutlich machen, wo die katholische Kirche tatsächlich steht und wo sie hinwill. Die Pfarrei-Initiative richtete sich in erster Linie an die Bischöfe, welche dadurch zu Reformen und Gesprächen gezwungen werden sollten. Mit dem Text sollte darauf aufmerksam gemacht werden, dass die seelsorgerische Praxis in den Pfarreien längst nicht mehr den offiziellen Vorgaben der Kirche entspräche. So wurde beispielsweise betont, dass die Kommunion mit allen geteilt werde – egal, ob geschieden oder homosexuell. Ausserdem werde und solle zukünftig weiterhin die Predigt auch von theologisch gebildeten Frauen gehalten werden können. In kürzester Zeit kamen über 200 Unterschriften zustande, was den Druck auf die Bischöfe in der Schweiz erhöhen sollte. Obwohl sich die Initianten im November des Berichtjahres mit drei Schweizer Bischöfen zur Aussprache trafen, blieben die Fronten bis zum Ende des Berichtjahres verhärtet.

„Pfarrei-Initiative“

Im August des Berichtjahres bestätigte das Bundesgericht die Möglichkeit eines Teilaustritts aus der Kirche. Ein Austritt aus der Landeskirche ohne gleichzeitige Abkehr von der katholischen Weltkirche ist weiterhin möglich. Somit kann der katholische Glauben beibehalten werden auch wenn keine Kirchensteuern mehr bezahlt werden. Begründet wurde dieser Entscheid dadurch, dass andernfalls das Grundrecht der Religionsfreiheit verletzt würde. Die Schweizer Bischofskonferenz verzichtete darauf, eine einheitliche Regelung zu beschliessen, wie mit den partiellen Austritten umzugehen sei. Dies solle jedem Bistum selber überlassen bleiben.

Möglichkeit eines Teilaustritts aus der Kirche

Im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 58 „Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft“ entstanden in den letzten fünf Jahren insgesamt 28 Studien, welche im Juli des Berichtjahres in Form einer Synthese vorgestellt wurden. Die zentrale Erkenntnis aus dem NFP 58 war, dass sich in der Schweiz zusehends ein religiöser Graben zwischen der Politik und der säkularisierten Bevölkerung öffnet. Die Religion sei einerseits in den öffentlichen Debatten stark präsent, im privaten Leben der meisten Menschen werde sie aber immer unwichtiger. Indes verbinden die öffentlichen Debatten die Religion meist mit kontroversen anderen Themen wie etwa mit politischen Konflikten oder Migrationsproblemen. Ausserdem ergab eine Umfrage unter lokalen Verantwortlichen aller religiösen Gemeinschaften in der Schweiz, dass Frauen in muslimischen Gemeinden oft mehr Einfluss haben als Katholikinnen, Frauen in Freikirchen oder orthodoxen Jüdinnen. Dies rühre daher, dass Frauen beispielsweise bei Aleviten und Sufis mehr Möglichkeiten hätten, in spirituelle Führungspositionen aufzusteigen als dies bei Neuapostolen oder konservativen Freikirchen der Fall sei. Sehr offen gegenüber Frauen waren gemäss den Umfrage-Ergebnissen Reformierte, Christkatholiken, liberale Juden, Buddhisten und Hindus.

Nationalen Forschungsprogramms 58 „Religionsgemeinschaften, Staat und Gesellschaft“