Mit dem für den 16. März 2020 angesetzten Lockdown zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie mussten auch sämtliche Literaturbetriebe ihre Türen für unbestimmte Zeit schliessen. Auch wenn es in den Vorjahren schon immer Stimmen gab, die der Literaturszene schlechte Karten prognostizierten, zeigte sich die Situation auf dem Buchmarkt und in den Literaturbetrieben in der Covid-Krise nun so ernst wie selten zuvor. Nur wenige Wochen nach der Zwangsschliessung berichtete die NZZ, dass es Verlage gebe, die über einen Umsatzrückgang von rund 90 Prozent klagten und sich nun gezwungen sahen, Notprogramme zu entwerfen oder gar die Reissleine zu ziehen. Der Buchhandel im deutschsprachigen Raum sei weitestgehend eingestellt; wer keine finanziellen Rücklagen habe, ordere kaum noch neue Titel und gehe stattdessen die Ladenbestände durch. Erschwerend komme hinzu, dass Internethändler wie Amazon Bücher nicht als Gegenstände des täglichen Bedarfs betrachteten und daher in ihrem Versandprozess auch nicht priorisierten. Viele Verlage hätten sich zwischenzeitlich auf die Veröffentlichung von E-Büchern beschränkt oder ihre vielversprechendsten Titel kurzerhand in den Herbst verschoben, damit diese nicht Gefahr liefen unbeachtet zu bleiben. Die Entwicklung habe auch einen starken Einfluss auf die Autorenschaft, da sie durch den Stillstand der gesamten Branche nicht wie gewohnt ihr Einkommen mit Lesungen aufbessern könne. Besonders betroffen seien junge und unbekannte Autorinnen und Autoren. Auch wenn sich in der Zwischenzeit vielversprechende Projekte zu deren Unterstützung entwickelten, würde es nicht einfach für diese werden. So berichtete beispielsweise die Aargauer Zeitung vom Corona-Projekt «Stoff für den Shutdown», einem durch Crowdfunding entstandenen, gedruckten Literaturmagazin, in dem Autorinnen und Autoren ihre Texte veröffentlichen können. So sollen die Kulturschaffenden in der Krise unterstützt und die Einnahmen der Autorenschaft sichergestellt werden. Während die grossen Betriebe in der Krise stark zu kämpfen hatten, schienen kleinere und lokale Buchhandlungen die Gelegenheit zu nutzen, ihre Dienstleistungen auszubauen. Denn wie die Basler Zeitung zu berichten wusste, bliebe die Nachfrage nach Büchern trotz geschlossener Türen gerade bei den kleinen Handlungen hoch. So wurde in einigen Betrieben der Lieferservice stark ausgebaut, während andere einen solchen erstmals ins Leben riefen.
Diese Formen der Eigeninitiative waren unter anderem auch durch die ablehnende Haltung des BAK erforderlich geworden. Dieses hatte einen Vorstoss der Branchenverbände Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband (SBVV), Livre Suisse und Associazione librai ed editori della Svizzera Italiana (ALESI) abgelehnt, der Unterstützungszahlungen an die durch den Lockdown besonders betroffenen Unternehmen gefordert hätte, wie der SBVV in seinem Newsletter mitteilte. Im weiteren wurde auch der Antrag auf Corona-Soforthilfen durch das BAK und die SECO abgelehnt. Diese argumentierten, dass die Verlage und Buchhandlungen analog zu anderen KMUs Kurzarbeit und Liquiditätshilfen beantragen könnten, Sofortzahlungen wie sie an selbständig erwerbende Kulturschaffende geleistet werden, könnten aber der gewinnorientierten Buchbranche nicht zugesprochen werden.

Während der Mitte April vom Bundesrat kommunizierte Etappenplan zur schrittweisen Lockerung der Lockdownvorgaben bei einigen Betrieben für Aufatmen sorgte, löste er bei den Westschweizer Literaturorganisationen eine regelrechte Polemik aus. Der Verband Livre Suisse, die Interessenvertretung der Vertriebe, Verlage und Buchhandlungen der Romandie, kündigte Tags darauf an, eine Petition für die Öffnung der Buchhandlungen bereits ab dem 27. April zu lancieren. Generalsekretär Olivier Babel erläuterte gegenüber «La Liberté», dass man damit die Aufmerksamkeit der Behörden auf den unlauteren Wettbewerb lenken wolle, der durch die vorzeitige Öffnung der gesamten Ladenfläche der grossen Supermärkte begünstigt werde. Die Einzelhändler mussten hingegen noch weitere zwei Wochen zuwarten und sahen sich durch diese zweistufige Lockerung benachteiligt. Pascal Vanderberghe, Direktor des Buchhändlers Payot, begrüsste und unterstützte das Engagement von Livre Suisse zwar, mahnte aber zugleich, dass die frühzeitige Eröffnung des Einzelhandels auch Gefahren in Form der fehlenden Laufkundschaft mit sich bringe, was in der Folge lediglich zu Mehrkosten führe. Es wäre wohl für alle einfacher, wenn die Beschränkungen für die Grosshändler bis auf Weiteres beibehalten blieben. Auch Grosshändler wie Manor oder Migros zeigten sich solidarisch mit den Einzelhändlern. Da die Botschaft des Bundesrates nicht ganz klar sei, wisse man beispielsweise beim orangen Riesen noch immer nicht so genau, welche Bereiche innerhalb des Unternehmens denn nun konkret ab dem 27. April geöffnet werden könnten. Da man hinsichtlich der Umsetzung grosse Unterschiede zwischen den Kantonen erwarte, weigere man sich bei der Migros die Situation auszunutzen und wolle entsprechend einen Teil des Sortiments noch verschlossen lassen. Die Wirtschaftskommission des Ständerats (WAK-SR) schien sich ebenfalls am Aspekt der Wettbewerbsverzerrung zu stossen und forderte die Regierung entsprechend auf, Alternativen zu prüfen. Interessanterweise verkündete der «Blick» just zwei Tage nach dem ersten Öffnungsschritt, dass Payot eine Strafanzeige gegen die Migros eingereicht habe, weil diese die entsprechende Verordnung des Bundesrates nicht eingehalten habe. Der Buchhändler erwirkte, dass die Migros-Genossenschaft Genf den Bücherverkauf in sämtlichen Filialen sofort einstellen musste, da Bücher nicht zu den Gütern des täglichen Bedarfs zählten.

Musik während Covid-19