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Jahresrückblick 2019: Medien

Medienfragen wurden 2019 verglichen mit den Jahren zuvor sowohl medial als auch im Parlament eher selten diskutiert. Nach dem Peak im Jahr 2018 mit der No-Billag-Initiative standen 2019 vor allem der Umzug des SRG-Radiostudios von Bern nach Zürich und eines Grossteils des Fernsehens von Genf nach Lausanne sowie das neue Gesetz über elektronische Medien im Mittelpunkt des Interesses.

Nachdem sich der SRG-Verwaltungsrat im September 2019 für den Umzug eines Teils des SRG-Radiostudios und seiner Mitarbeitenden von Bern nach Zürich entschieden und die SRG überdies angekündigt hatte, dass Ähnliches womöglich auch der Fernsehproduktion in Genf drohe, hatten vier Parteipräsidenten sowie ein Vizepräsident (Pfister, cvp, ZG; Rytz, gp, BE; Landolt, bdp, GL; Rösti, svp, BE; Jans, sp, BS) im Nationalrat und ein in dieser Frage sehr engagierter Beat Vonlanthen (cvp, FR) im Ständerat gleichlautende parlamentarische Initiativen eingereicht, mit denen der SRG ihre Produktionsstandorte ausdrücklich vorgeschrieben werden sollten. Nach den ablehnenden Entscheiden der beiden Kommissionen zeigte sich bei der Behandlung der entsprechende Initiative von Beat Vonlanthen im Ständerat schnell, dass sie auch dort chancenlos sein würde. Um eine Niederlage zu verhindern, zog der Initiant seine Initiative vor der Abstimmung zurück. Ganz anders sah die Situation eine Woche später im Nationalrat aus: Mit 120 zu 54 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) gab der Nationalrat den fünf nationalrätlichen Vorstössen Folge. Im Anschluss daran gab der SRG-Verwaltungsrat bekannt, das Zügelprojekt durch eine gesamthafte Audiostrategie zu ersetzen. Ein Teil des Umzugs würde dadurch verhindert, rund 80 Arbeitsplätze würden aber dennoch nach Zürich verlegt. Medien und Politik zeigten sich unschlüssig darüber, ob diese Nachricht als grosses Entgegenkommen der SRG oder als «halbherziges, dem politischen Druck geschuldetes Bekenntnis», wie es Martin Landolt ausdrückte, verstanden werden soll. Dennoch verzichtete der Ständerat im September stillschweigend darauf, den Initiativen sowie einer Standesinitiative des Kantons Genf (Kt.Iv. 19.306) mit einem ähnlichen Anliegen Folge zu geben.

Neben der Umzugsfrage drohte der SRG 2019 weiteres Ungemach aus dem Parlament: So standen einige Vorlagen im Raum, die die RTVG-Abgabe für Unternehmen und damit einen Teil der Einnahmen der SRG streichen wollten. Im Mittelpunkt stand die parlamentarische Initiative Rutz (svp, ZH; Pa.Iv. 18.405), welcher der Nationalrat im September Folge gab. Da Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Unternehmen bereits privat die Empfangsgebühr zu entrichten hätten, stelle die Unternehmensabgabe eine Doppelbelastung dar, hatte zuvor die KVF-NR in ihrer Empfehlung für Folge geben erklärt. In der Wintersession stimmte der Ständerat jedoch auf Antrag seiner KVF-SR dem Folgegeben des Nationalrats nicht zu. Die von den Stimmbürgern 2015 bestätigte Regelung sei erst Anfang 2019 in Kraft getreten und solle nun zuerst einmal beurteilt werden. Zudem würden die SRG und die privaten Radio- und Fernsehstationen bei Umsetzung der Initiative deutlich weniger Geld erhalten als bisher.
Bereits vor der anfänglichen Zustimmung zum Vorschlag von Gregor Rutz im Nationalrat hatte sich der Ständerat jedoch einverstanden gezeigt, im Rahmen eines Postulats Abate (fdp, TI; Po. 19.3235) Alternativen zur Methode der heutigen umsatzabhängigen Berechnung der Radio- und Fernsehabgabe für Unternehmen prüfen zu lassen. Zur Verhinderung von Doppelzählungen des Umsatzes von Arbeitsgemeinschaften, Holdings und dauerhaft miteinander verbundenen Unternehmen bei der Festlegung der Höhe der Abgabe gaben die beiden Kommissionen zudem einer parlamentarische Initiative Wicki (fdp, NW; Pa. Iv. 19.413) Folge. Anfang Dezember entschied überdies das Bundesverwaltungsgericht, dass die lediglich sechs Tarifstufen für die Festlegung der Unternehmensabgabe verfassungswidrig seien. Aufgrund der Rechtssicherheit sei die aktuelle Regelung bis zum Erlass einer neuen aber weiterhin anzuwenden.

Die Frage, wer zukünftig von der RTVG-Abgabe profitieren soll, wurde im Rahmen des neuen Gesetzes über elektronische Medien diskutiert. Dieses war von Bundesrätin Leuthard im Juni 2019 in die Vernehmlassung gegeben worden, wo es auf breite Kritik stiess. Simonetta Sommaruga, die 2019 das UVEK und somit auch dieses Dossier von Doris Leuthard übernahm, entschied schliesslich nach langen Diskussionen und Spekulationen über die Zukunft des Gesetzes, dieses nicht weiterzuverfolgen und stattdessen einzelne Probleme mithilfe eines Massnahmenpakets punktuell anzugehen. Neu sollen auch Onlineportale mit audio- und audiovisuellen, aber auch mit textlastigen Beiträgen einen Teil der Radio- und Fernsehabgabe erhalten, sofern sie kostenpflichtig sind. Zudem soll die indirekte Presseförderung in Form einer finanziellen Unterstützung der Postzustellung auf zusätzliche Titel ausgeweitet und erhöht werden – jedoch nur auf CHF 50 Mio. statt auf CHF 120 Mio., wie vorgängig von den Verlagen gefordert worden war.
Dass diese Aufstockung der indirekten Presseförderung die KVF-NR nicht vollständig zu überzeugen vermochte, zeigte die Annahme der parlamentarischen Initiative Engler (cvp, GR; Pa.Iv. 18.479) für eine Unterstützung der Presse in der digitalen Transformation, welche ihre Schwesterkommission bereits vor der Ankündigung des Bundesrates angenommen hatte. Im Unterschied zur KVF-SR lehnte die nationalrätliche Kommission gleichzeitig jedoch eine parlamentarische Initiative Savary (sp, VD; Pa.Iv. 18.480) ab, die diese Unterstützung nicht wie die Motion Engler aus allgemeinen Mitteln, sondern durch einen Teil der Abgabe für Radio und Fernsehen und durch die Überschüsse aus den Abgabenanteilen finanzieren wollte. Eher zufrieden mit dem bundesrätlichen Entscheid zum neuen Gesetz über elektronische Medien zeigte sich Michael Töngi (gp, LU; Pa.Iv. 19.417), der seine parlamentarische Initiative für ein Fördermodell für die elektronischen Medien mit der Begründung zurückzog, dass das vom Bundesrat vorgeschlagene Projekt «in die richtige Richtung» gehe.

Fortschritte gab es in der Frage um die Rückzahlung der zu Unrecht erhobenen Mehrwertsteuerbeträge. In Reaktion auf einen Bundesgerichtsentscheid vom November 2018 und eine überwiesene Motion Flückiger-Bäni (svp, AG; Mo. 15.3416) schickte das UVEK im Frühjahr einen Vorentwurf in die Vernehmlassung, der eine pauschale Rückvergütung an alle Haushalte in der Höhe von CHF 50 vorsah. Aufgrund der grossmehrheitlich positiven Stellungnahmen präsentierte der Bundesrat im November seine Botschaft zuhanden des Parlaments.

Jahresrückblick 2019: Medien
Dossier: Jahresrückblick 2019

Die fünf parlamentarischen Initiativen Pfister (cvp, ZG; Pa.Iv. 18.448), Rytz (gp, BE; Pa.Iv. 18.450), Landolt (bdp, GL; Pa.Iv. 18.451), Jans (sp, BS; Pa.Iv. 18.456) und Rösti (svp, BE; Pa.Iv. 18.457), die alle die Festschreibung der SRG-Produktionsstandorte im Gesetz zum Ziel hatten, standen in der Sommersession 2019 im Nationalrat zur Debatte. Die vorberatende KVF-NR hatte beantragt, den Initiativen keine Folge zu geben. Eine Minderheit Egger (csp, VS) beantragte Folge geben.
Die Debatte wurde durch Nationalrat Pfister eröffnet. Seiner Meinung nach leide die Medienqualität bei einer Konzentration, wenn Entscheidungsträger und Journalisten an einem Ort vereint seien, denn die Perspektive der Berichterstattung ändere je nach örtlicher Nähe oder Distanz. Wenn immer mehr Journalisten nur noch aus Zürich über den Rest der Schweiz berichteten, ergehe es der SRG schlecht. Als Zentralschweizer wisse er, wovon er rede, da die Verlage aus dem Aargau oder Zürich bereits alle grossen Medien steuerten. Diese Argumentationslinie teilten die weiteren Initianten in ihren Reden. Martin Landolt erinnerte überdies an die No-Billag-Abstimmung und betonte, das Stichwort «Kohäsion» sei damals häufig genannt worden. Doch genau diese stehe nun wieder auf dem Spiel. Auch wenn er ökonomische Entscheide wie eine Standortkonzentration üblicherweise verstehe, könne er dies für die SRG nicht gelten lassen. Bei einem öffentlich finanzierten Unternehmen könne die Politik durchaus Leitplanken definieren. Seinen Antrag auf Folge geben schloss er mit der Anmerkung, dass möglicherweise im Rahmen der Gesetzgebung ja noch bessere Lösungen gefunden werden könnten. Die Annahme der Initiativen würde erst einmal den Handlungsbedarf dokumentieren.
Kommissionssprecher Candinas (cvp, GR) breitete daraufhin die Gegenargumente aus. Die Kommissionsmehrheit teile die Meinung der Mehrheit ihrer Schwesterkommission, wonach kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe. Überdies vertrat er energisch die Haltung, dass die Politik der SRG keine operativen Vorgaben machen solle. Sehr wohl nehme die Politik die Aufgabe wahr, Rahmenbedingungen zu definieren, aber die SRG solle unabhängig bleiben, statt staatlich gelenkt zu werden. Zu bestimmen, was wo produziert werden solle, sei «völlig übertrieben».
Die Argumente des Kommissionssprechers verfingen aber nicht. Entgegen dem Kommissionsantrag nahm das Plenum die Initiativen mit 120 zu 54 Stimmen und 10 Enthaltungen an. Dabei waren die Fraktionen der FDP.Liberalen und der SVP recht gespalten. Geeint trat das linke Lager auf, das wie die BDP und eine Grossmehrheit der CVP beinahe geschlossen für Folgegeben stimmte. Geschlossen gegen Folgegeben votierte einzig die GLP.
Nach dem Rückzug der Initiative Vonlanthen eine Woche zuvor musste sich der Ständerat nun erneut mit der Thematik befassen.

Fünf parlamentarische Initiativen gegen Wegzug des Radiostudios Bern

Im März 2019 wurde das Postulat von Regula Rytz (gp, BE) für eine Medienförderung zur Sicherstellung der demokratischen Öffentlichkeit abgeschrieben, nachdem es zwei Jahre lang nicht behandelt worden war. Die Postulantin hatte den Bundesrat beauftragen wollen, in einem Bericht Finanzierungsquellen, den gesetzlichen Anpassungsbedarf und Erfahrungen in anderen Ländern zu Instrumenten der direkten und indirekten Medienförderung aufzuzeigen. Der Bundesrat hatte den Auftrag für einen solchen Bericht mit Verweis auf verschiedene bereits existierende Berichte zur Ablehnung empfohlen.

Mit gezielter Medienförderung die demokratische Öffentlichkeit sicherstellen (Po. 17.3241)
Dossier: Vorstösse zur Presseförderung (2000-)

Die KVF-NR hatte sich im Januar 2019 mit fünf gleichlautenden parlamentarischen Initiativen aller Couleur – namentlich mit den Vorstössen Pfister (cvp, ZG; 18.448), Rytz (gp, BE; 18.450), Landolt (bdp, GL; 18.451), Jans (sp, BS; 18.456) und Rösti (svp, BE; 18.457) – zu beschäftigen, die als Reaktion auf den Entscheid des SRG-Verwaltungsrates, das SRG-Radiostudio von Bern nach Zürich zu verlegen, eingereicht worden waren. Allesamt forderten sie die Festschreibung der SRG-Produktionsstandorte im Gesetz und somit den schwerpunktmässigen Verbleib des SRG-Radiostudios in Bern. Ferner sehen die Initiativen vor, die deutschsprachigen audiovisuellen Angebote schwergewichtig in Zürich zu belassen, sowie das französischsprachige Pendant dazu in Genf. Die Audioangebote von RTS sollen schwerpunktmässig in Lausanne angesiedelt bleiben. Damit bezweckten die Initiantin und die Initianten ebenfalls, die von den Medien bereits aufgegriffene Diskussion um eine Teilverschiebung des französischsprachigen audiovisuellen Angebots von Genf nach Lausanne zu unterbinden. Als Begründung wurde angefügt, dass die regionale Verankerung gerade für die SRG als Service-public-Dienstleisterin zentral sowie eine räumliche Trennung der Radio- und TV-Angebote für den Erhalt der Angebotsvielfalt unabdingbar sei.
Die Kommission gab den Anliegen mit 14 zu 10 Stimmen bei einer Enthaltung keine Folge, wobei eine Kommissionsmehrheit von einer Festschreibung der Produktionsstandorte auf Gesetzesstufe absehen wollte. Sie vertrat zudem die Ansicht, dass gerade die gesetzliche Verankerung dieser vier Standorte schliesslich gar eine Zentralisierung der Produktion fördern könnte, da etwa die Standorte der bestehenden Regionalstudios nicht erwähnt würden. Anders sah dies eine starke und parteiübergreifende Kommissionsminderheit, die für Folge geben plädierte und darüber hinaus kundtat, dass bei der Administration der SRG mehr Einsparpotential zu verorten sei als bei einer Zusammenlegung der Produktionsstandorte. Die gesamte Kommission brachte in ihrem Bericht ihr Bedauern über die «mangelnde föderale und regionale Sensibilität im Vorgehen und in der Kommunikation» des SRG-Verwaltungsrates zum Ausdruck und kritisierte darüber hinaus den Zeitpunkt des Entscheids.

Fünf parlamentarische Initiativen gegen Wegzug des Radiostudios Bern

Bereits im Januar 2019 hatte der Plan der SRG zum Umzug des Radiostudios von Bern nach Zürich seine erste Hürde zu überstehen: Die KVF-NR behandelte die fünf gleichlautenden nationalrätlichen parlamentarischen Initiativen, die der SRG ihre Produktionsstandorte vorschreiben wollten. Dies führte in den Medien erneut zu Diskussionen um die Frage, wie weit die Politik in die organisatorischen Entscheide der SRG eingreifen darf. Einerseits kritisierte die SRG die Initiativen als «unangebrachten politischen Eingriff in ihre unternehmerische Freiheit» (BZ), zumal es «keine redaktionelle Unabhängigkeit ohne organisatorische Freiheit» gebe. Andererseits vertrat etwa Regula Rytz (gp, BE) die Ansicht, dass die Politik «bei institutionellen Fragen wie der föderalen Verankerung» mitbestimmen dürfe und müsse. In der Folge beauftragte die SRG gemäss Medien mehrere Lobbyisten damit, die Initiativen «wegzulobbyieren» (BZ). Initiant Vonlanthen (cvp, FR) kritisierte denn auch, dass die SRG-Spitze an einer Kommissionssitzung fast anderthalb Stunden Redezeit gehabt habe, während ihm als Initiant nur 10 Minuten zugestanden worden seien. Eine Diskussion habe der Kommissionspräsident zudem gänzlich verhindert. Die Initiativen waren in den beiden Kommissionen erfolglos: Mit 14 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und 12 zu 1 Stimmen gaben die KVF-NR und die KVF-SR den Initiativen keine Folge.
In der Zwischenzeit forderten verschiedene nationale und kantonale Politikerinnen und Politiker SRG-Generaldirektor Marchand in einem Brief auf, die Umzugspläne zu sistieren, bis die Politik über die Initiativen entschieden habe. Sie fürchteten sich davor, dass die SRG bereits unzählige Arbeitsstunden in die Umzugspläne investierten und dadurch bei einer Annahme der Initiativen unnötig viel Geld verlieren würden. Die SRG erklärte, dass sie die Umsetzung der Reformprojekte professionell vorbereiten müsse, aber mit der konkreten Umsetzung bis nach dem Entscheid der Räte warte. Unangenehm seien die Initiativen für die SRG vor allem wegen der Mietverträge mit ihren Nachmietern, die sie abschliessen möchte oder bereits abgeschlossen habe, betonte die Presse.
Bei den betroffenen Mitarbeitenden war es in der Zwischenzeit kaum zu einem Meinungsumschwung bezüglich des Umzugs gekommen: Gemäss einer Umfrage von VSM sähen sich 38 Prozent der Befragten nach einer neuen Stelle oder Weiterbildungsmöglichkeiten um oder würden an Pensionierung denken. Ein Drittel warte ab, welche Konditionen ihnen vorgeschlagen würden; 22 Prozent planten umzuziehen oder zu pendeln. Insgesamt hätten jedoch 77 Prozent der Befragten erklärt, sie identifizierten sich jetzt weniger stark mit der SRG als vor dem Umzugsentscheid.
Aufgenommen wurden in den Medien erneut auch Diskussionen zu den Sparmöglichkeiten der SRG beim Umzug. So wurde bekannt, dass der Baurechtsvertrag der SRG mit der Stadt Zürich ausschliesslich den Betrieb eines Fernsehstudios auf dem Leutschenbach-Areal beinhaltete. Die Verlegung der verschiedenen Radiostudios würde somit eine Neuverhandlung des Vertrags nötig machen. Unklar war dabei, wie zuvorkommend die Stadt bei der Festlegung der Zinsen sein würde, nachdem die SRG beim Verkauf eines ihrer Grundstücke kurz zuvor anstelle der Stadt Zürich, die darin Kindergärten, Schulen und bezahlbare Wohnungen habe bauen wollen, der deutlich mehr Geld bietenden Versicherung Swiss Life den Zuschlag gegeben habe. Ähnlich sah die Situation in Bern aus, wo der Vertrag der SRG an der Schwarztorstrasse mit der Genossenschaft Bern-Freiburg-Wallis ebenfalls eine Klausel beinhaltete, wonach die Baurechtsgeberin – je nach Entwicklung im Lokalradio- und TV-Sektor – Anpassungen im Vertrag verlangen könne. Dies hielten die Medien aufgrund des Ärgers der Genossenschaft über den Umzug durchaus für möglich. Dadurch würde aber ein Teil der Einsparungen, welche die SRG eingeplant hatte, wegfallen.

Im Juni berieten die Räte die Initiativen. Im Ständerat zeigte sich schnell, dass die parlamentarische Initiative Vonlanthen chancenlos sein würde. Noch vor der Abstimmung zog der Initiant seine Initiative zurück, um eine Niederlage zu verhindern. Ganz anders sah die Situation hingegen eine Woche später im Nationalrat aus: Mit 120 zu 54 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) gab die grosse Kammer den fünf nationalrätlichen Vorstössen Folge. Davon erhofften sich die Umzugskritikerinnen und -kritiker vor allem einen Dialog mit der SRG, wie zum Beispiel der Berner Stadtpräsident Alec von Graffenried (BE, gp) erklärte. Nie habe jemand auf die Anfragen aus Bern oder Genf reagiert, die darum baten, dass man ihnen das effektive Sparpotenzial aufzeigen möge, wurde kritisiert. An diese Dialogverweigerung würden sich vor allem die Kantone zukünftig erinnern, mahnte der Berner Regierungsrat Christoph Ammann.
Zu dem gewünschten Dialog kam es zwar nicht, hingegen gab der SRG-Verwaltungsrat im Anschluss an den Entscheid im Nationalrat bekannt, das Umzugsprojekt durch eine gesamthafte Audiostrategie zu ersetzen. Man wolle eine übergreifende Strategie für lineares Radio und On-Demand-Angebote erarbeiten. Ein Teil des Umzugs würde dadurch verhindert – unter anderem die Redaktionen von «Echo der Zeit», «Tagesgespräch», «Rendez-vous» sowie die Inland- und Auslandsredaktion würden in Bern bleiben. Rund 80 Arbeitsplätze würden aber dennoch nach Zürich verlegt werden. Medien und Politik zeigten sich unschlüssig darüber, ob sie diese Nachricht als grosses Entgegenkommen der SRG und als «Teil-Rückzug der umstrittenen Zügel-Pläne» (BZ) oder als «halbherziges, dem politischen Druck geschuldetes Bekenntnis», wie es Martin Landolt (bdp, GL) ausdrückte, verstehen soll. Es brauche eine Grundsatzdebatte, forderten unter anderem die Berner und Genfer Regierung.
Zu einer solchen Grundsatzdebatte kam es im Rahmen der parlamentarischen Initiativen jedoch nicht mehr. Der Ständerat verzichtete im September 2019 stillschweigend darauf, den Initiativen sowie einer Standesinitiative des Kantons Genf (Kt.Iv. 19.306) mit einem ähnlichen Anliegen Folge zu geben. Dieses Vorgehen kritisierten Stadt und Kanton Bern scharf: Der Ständerat hätte sich zuerst ein Bild der neuen Audiostrategie machen sollen, bevor er die Initiativen versenkte, erklärte Christoph Ammann. Nun sei unklar, ob sich die SRG an ihr Wort halten werde. «Höchst befremdet über das Vorgehen des Ständerats», der sich noch nicht einmal mit den Argumenten des Nationalrats auseinandergesetzt und jede Diskussion abgeblockt habe, zeigte sich etwa Grünen-Präsidentin Regula Rytz.
Kurz darauf wurden Gerüchte laut, wonach aufgrund des teilweise rückgängig gemachten Umzugs im Berner Radiostudio 25 Stellen abgebaut werden müssten und wonach die Chefredaktionen angehalten worden seien, Sparmassnahmen zu entwerfen. SRG-Sprecher Edi Estermann bestätigte dies nicht und erklärte, dass man erst nach Vorliegen der Audiostrategie sagen könne, wie es nun weitergehe.

Wegzug des SRG-Radiostudios aus Bern

Einen Monat nach der Abstimmung über die No-Billag-Initiative gab die SRG in einer Medienmitteilung bekannt, dass sie in Erwägung ziehe, das Berner Radiostudio nach Zürich-Leutschenbach zu verlegen. Betroffen wären davon etwa 150 bis 170 Personen. Eine örtliche Zusammenlegung von Radio-, TV- und Onlineinhalten würde klare publizistische Gewinne mit sich bringen, erklärte die SRG, weshalb auch das Zürcher Radiostudio von der Brunnhofstrasse nach Leutschenbach umziehen sollte. Die Bundeshausredaktion sowie die «Regionalredaktion Bern, Freiburg, Wallis» sollten hingegen in Bern verbleiben. Die freigewordenen Plätze des Radiostudios sollte die Generaldirektion der SRG übernehmen und damit das teurere Gebäude im Ostring verlassen können. Mit dieser Massnahme soll ein Teil der Einsparungen über CHF 100 Mio., welche die SRG nach der No-Billag-Abstimmung angekündigt hatte, erzielt werden. Im Gegenzug werde aber auch ein Ausbau der regionalen Korrespondentenstandorte angestrebt, erklärte die SRG. Man werde nun die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit der Massnahme überprüfen, anschliessend werde der Verwaltungsrat aufgrund dieser Resultate über den Umzug entscheiden.
Entschieden war zu diesem Zeitpunkt gemäss SRG zwar noch nichts, dennoch regte sich grosser Widerstand gegen die Ankündigung. Die Berner Stadtregierung erklärte in einer Medienmitteilung, dass sie eine «transparente und ergebnisoffene Standortüberprüfung und ein klares Bekenntnis zu Bern als SRG-Hauptsitz mit Inland- und Bundeshausredaktion» erwarte. Eine «starke Verankerung der SRG in der Hauptstadt» sei zentral. Die CVP Bern lancierte eine Onlinepetition gegen die Standortverlagerung und übergab diese der SRG-Generaldirektion nur zwei Wochen später mit 2‘000 Unterschriften. Sehr aktiv zeigte sich auch der 2010 gegründete Verein «Hauptstadtregion Schweiz», dem die Kantone Bern, Neuenburg, Freiburg, Solothurn und Wallis, verschiedene Städte, Gemeinden und Regionalorganisationen angehören. Er kritisierte die Idee unter anderem in einem Brief an Medienministerin Leuthard und SRG-Verwaltungsratspräsident Jean-Michel Cina scharf und erklärte, er würde sich «mit aller Vehemenz» gegen den Umzug wehren. Kritische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der SRG schlossen sich in der Organisation «Pro Radiostudio Bern» zusammen und taten ihren Unmut zum Beispiel durch einen Protestbrief an die SRG-Führung kund. Sie fühlten sich vor den Kopf gestossen, weil sie – trotz ihres starken Engagements gegen die No-Billag-Initiative – in dieser Frage nicht angehört würden. Schliesslich meldete sich auch der Vorstand der «Regionalgesellschaft Bern – Freiburg – Wallis» zu Wort und kritisierte den Entscheid der SRG. Ihr Präsident, Léander Jaggi, erklärte sogar, man diskutiere mögliche Szenarien bei einem Umzug, unter anderem auch den Austritt aus der SRG.
Ende August und somit kurz vor dem Entscheid des Verwaltungsrats fand auf dem Bundesplatz eine Demonstration statt, an der sich Journalistinnen und Journalisten, Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sowie Politikerinnen und Politiker beteiligten. Schliesslich überwies das Berner Kantonsparlament Anfang September mit 140 zu 7 Stimmen eine Motion mit dem Titel «Radiostudio gehört nach Bern» an die Kantonsregierung, gemäss der Letztere dem Radiostudio bestmögliche Rahmenbedingungen bieten soll. Obwohl sich zudem immer häufiger Politikerinnen und Politiker des nationalen Parlaments – unter anderem Adrian Amstutz (svp, BE), Kurt Fluri (fdp, SO) und Christian Levrat (sp, FR) – gegen den Entscheid der SRG aussprachen, gab es im nationalen Parlament vorerst keine Vorstösse zu diesem Thema. Bis diese erledigt seien, habe der Verwaltungsrat der SRG wohl bereits entschieden, mutmassten die Medien.

Ihren Widerstand gegen den Umzug begründeten die verschiedenen Akteure unter anderem damit, dass eine Konzentration der nationalen Medienhäuser in Zürich mit dem Prinzip einer föderalistischen Schweiz in Widerspruch stehe. Die SRG lebe von ihrer regionalen Struktur, erklärte etwa Nick Lüthi, Leiter der Medienwoche. Deshalb dürfe sie ihre Standortwahl, im Unterschied zu den privaten Medienunternehmen, nicht alleine aufgrund von betriebswirtschaftlichen Kriterien vornehmen. Man dürfe die nationale Politik nicht nur noch aus Zürcher Sicht wahrnehmen, erklärte zum Beispiel Priscilla Imboden von «Pro Radiostudio Bern». Bern sei das «Tor zur Schweiz für das Wallis», betonte Christophe Darbellay (VS, cvp) und auch «Pro Radiostudio Bern» erklärte die SRG-Vertretung in Bern aufgrund ihrer Funktion als Türöffner für die Romandie für sehr wichtig.
Insbesondere die SRG-Mitarbeitenden befürchteten darüber hinaus eine Vermischung der bisher vollständig getrennten Radio-, Fernseh- und Online-Redaktionen. Die Radiokultur mit Berichten, die in die Tiefe gingen, würde so aufgrund der ungleichen Kräfteverhältnisse marginalisiert und das gesunde Konkurrenzverhältnis zwischen Radio und Fernsehen würde verschwinden, war zu vernehmen. Insbesondere auch die von der SRG geplante Zusammenarbeit in einem Newsroom sei ein «Schritt zur Konvergenz von Radio und Fernsehen», erklärte etwa Tobias Gasser, Produzent bei Echo der Zeit, das ebenfalls vom Umzug betroffen wäre. Die Mitarbeitenden fürchteten sich gemäss Medien auch davor, dass nach diesem ersten Schritt ein Verschmelzen der Chefredaktionen von Radio und Fernsehen folgen könnte. Umgekehrt argumentierte etwa der Berner Regierungsrat Bernhard Pulver (BE, gp), dass eine Zentralisierung des Radios, falls diese tatsächlich stattfinden müsse, auch in Bern statt in Zürich geschehen könne. Diese Idee wurde kurze Zeit später durch den Vorschlag von Stadt und Kanton Bern sowie dem Verein Hauptstadtregion Schweiz, ein Kompetenzzentrum für Information inklusive Forschung und Entwicklung, Inlandberichterstattung, SRF News, SRF Wirtschaft und Auslandkorrespondenten zu schaffen, bekräftigt.
Nicht gelten liessen die Kritikerinnen und Kritiker des Umzugs das Sparargument der SRG: Das Sparpotenzial sei vergleichsweise tief; bei CHF 100 Mio., welche die SRG sparen müsse, seien die CHF 3 bis 5 Mio., von denen im Laufe der Diskussionen die Rede war, den Umzug nicht wert. Insbesondere zumal die Gegnerinnen und Gegner die eigentlichen Einsparungen als noch tiefer einschätzten: Es sei nicht einfach, Nachmieter für das bis 2032 gemietete Hochhaus im Ostring zu finden. Der Umzug lohne sich erst recht nicht, wenn der Verlust an Know-how mitberücksichtigt werde. In einem SRG-internen Dokument, auf das die Medien Bezug nahmen, hatte SRF-Direktor Ruedi Matter anscheinend damit gerechnet, dass 20 bis 30 Prozent der Mitarbeitenden den Umzug nicht mitmachen würden. Zu einem späteren Zeitpunkt erklärte Matter, die Zahl von 30 Prozent sei deutlich zu hoch. Auf das Kostenargument verwies auch die Stadt Bern, die der SRG anbot, ihr bei der Suche nach einer günstigeren, zentraleren Immobilie für die SRG-Generaldirektion sowie bei der Suche nach Nachmietern zu helfen. In der Tat schlug die Stadt Bern gemäss Medienberichten der SRG 18 mögliche Immobilien zur Miete vor.
Im Laufe der Zeit immer wichtiger wurde das Argument, wonach die Ablehnung der No-Billag-Initiative insbesondere auf die breite Verankerung der SRG und auf deren Hochhalten der Dezentralisierung zurückzuführen sei. Dieser Umzugsentscheid widerspreche jedoch ihrer Argumentation im Abstimmungskampf und stosse somit einerseits die damaligen Unterstützerinnen und Unterstützter vor den Kopf und führe zudem zukünftig zu Problemen. Kurt Fluri etwa sprach von einem «Schlag ins Gesicht der Unterstützter der SRG im Kampf gegen die No-Billag-Initiative». Zudem wurde der Zeitpunkt der Bekanntgabe des Umzugs knapp einen Monat nach der Abstimmung kritisiert: Hätte die SRG die Ankündigung bereits zuvor gemacht, wäre die Initiative sicherlich nicht so deutlich abgelehnt worden, war der Tenor der Kritikerinnen und Kritiker.

Die SRG konzentrierte sich vor allem auf eine Argumentationslinie: Sie spare «lieber bei Mauern als bei Menschen», wurde Radio-Chefredaktorin Lis Borner, im Laufe der Zeit aber auch zahlreiche weitere SRG-Funktionäre, nicht müde zu betonen. Wenn das Radio in Bern bleibe, müsse auf andere Arten gespart werden, vermutlich auch durch Stellenabbau, beteuerte Urs Leuthard. Zudem bleibe Bern ein zentraler Radio-Produktionsstandort, Teile der Inlandredaktion sowie die Bundeshausredaktion verblieben in Bern. Ein kleiner Teil der Zürcher Inlandredaktion komme zudem zusätzlich nach Bern, ergänzte etwa die NZZ. Bern bleibe somit mit 550 Mitarbeitenden – 150 davon Journalistinnen und Journallisten – der zweitgrösste SRG-Standort. Eine lokale Verankerung bedeute nun aber nicht, dass die SRG überall gleich stark aufgestellt sein müsse, erklärte Matter. Die Medienvielfalt solle zudem gemäss BAZ nicht mit einer Vielfalt von Standorten gleichgestellt werden. Schliesslich beteuerten verschiedene SRG-Funktionäre, dass man nicht vorhabe, Radio und Fernsehen zu fusionieren; unter anderem blieben auch die Chefredaktionen getrennt. Unterstützung erhielt die SRG unter anderem von Filippo Lombardi (cvp, TI), der den Protest der Umzugsgegnerinnen und -gegner gegenüber den Medien als scheinheilig bezeichnete: Im Rahmen der No-Billag-Abstimmung seien alle für Sparen gewesen, bei der ersten konkreten Massnahme würden nun alle aufschreien. Er wies darauf hin, dass die SRG-Führung unternehmerische Entscheide unabhängig fällen können müsse. Schliesslich würde ein Abbruch des Umzugs gemäss NZZ ein «schlechtes Licht auf die Reformfähigkeit der SRG» werfen.

Ende September 2018 entschied sich der SRG-Verwaltungsrat nach zweitägiger Beratung endgültig für den Umzug. Dieser soll Ende 2020 beginnen. Die betroffene Belegschaft zeigte sich enttäuscht, die Gewerkschaft SSM sprach von fehlender Sensibilität für regionale Vielfalt. Sie kündigte an, die Rechtmässigkeit des Entscheids zu prüfen, da sie nicht angehört worden sei, obwohl dies im Gesamtarbeitsvertrag so vorgesehen sei. Die Stadt und der Kanton Bern sowie der Verein Hauptstadtregion Schweiz gaben eine gemeinsame Medienmitteilung heraus, in der sie sich über den Entscheid enttäuscht zeigten. Kurz darauf wurde bekannt, dass SRG-Generaldirektor Gilles Marchand im Mai 2018 in einem weiteren SRG-internen Dokument gesagt habe, dass sich der Umzug betriebswirtschaftlich nicht lohne, aber ein Verzicht darauf nicht in Frage komme, um solchen Protesten an anderen Standorten zukünftig nicht Vorschub zu leisten. Ladina Heimgartner, stellvertretende Generaldirektorin der SRG, habe zudem die öffentliche Diskussion als irrational bezeichnet. Dies empfanden verschiedene nationale Parlamentarierinnen und Parlamentarier gemäss Medien als Affront. Kurz darauf reichten vier Parteipräsidenten (Gerhard Pfister, cvp, ZG, Pa.Iv. 18.448; Regula Rytz, gp, BE, Pa.Iv. 18.450; Martin Landolt, bdp, GL, Pa.Iv. 18.451 und Albert Rösti, svp, BE, Pa.Iv. 18.457) sowie ein Vizepräsident (Beat Jans; sp, BS; Pa.Iv. 18.456) im Nationalrat und Beat Vonlanthen (cvp, FR; Pa.Iv. 18.449) im Ständerat gleichlautende parlamentarische Initiativen ein, welche die Festschreibung der SRG-Produktionsstandorte im Gesetz und somit den schwerpunktmässigen Verbleib des SRG-Radiostudios in Bern forderten. Beat Jans erklärte dazu: «Die SRG hat uns Politiker angehört, unsere Standpunkte zur Kenntnis genommen und dann einfach ignoriert. Also werden wir nun eben gesetzgeberisch aktiv.» Dieses Vorgehen zog sowohl Beifall als auch Kritik nach sich: Wegen der Medienfreiheit müsse sich die Politik auf generelle Vorgaben beschränken, erklärte etwa die NZZ.
Trotz Entscheids des Verwaltungsrats war der Umzug somit noch nicht definitiv, die Bemühungen um einen Verbleib des Radiostudios sowie die Diskussionen zu dieser Frage werden folglich weitergehen; insbesondere auch deshalb, weil die SRG kurz vor Bekanntgabe des Verwaltungsratsentscheids auch erklärte, dass sie in Betracht ziehe, einen Teil der Fernsehproduktion von Genf nach Lausanne zu verlegen.

Wegzug des SRG-Radiostudios aus Bern

2017 war kein gutes Jahr für die Medienlandschaft der Romandie. Insbesondere die Einstellung von L'Hebdo stellte einen tiefen Einschnitt dar. In zahlreichen Zeitungsartikeln wurde befürchtet, dass dadurch ein Tabu gebrochen worden sei und in Zukunft die Einstellung weiterer Zeitungen – häufig wurden die Probleme von Le Temps erwähnt – folgen könnte. Von nun an sei kein Pressetitel der Romandie mehr vor der Einstellung sicher, war zum Beispiel in Le Temps zu lesen. Die Zusammenlegung von Le Matin und 20 Minutes, die Verlegung der Redaktion von La Tribune de Genève nach Lausanne sowie die Gerüchte um die Einstellung der Papierversion von Le Matin steigerten die Nervosität in der Romandie zusätzlich. Nationalrätin Adèle Thorens Goumaz (gp, VD) bezeichnete die zahlreichen Entlassungen, Schliessungen und Zusammenschlüsse im Pressebereich der Romandie als Gefahr für die Meinungsbildung und das Funktionieren der Demokratie in der französischsprachigen Schweiz. Um dem entgegenzuwirken, fragte sie in einer Interpellation (Ip. 17.4086) beim Bundesrat nach, wie er die Bildung eines monolithischen Blocks in der Westschweizer Presse verhindern wolle. Dieser verwies auf die fehlende Verfassungsgrundlage, wodurch ihm, wie im Bericht „Sicherung der staats- und demokratiepolitischen Funktionen der Medien“ aufgezeigt, nur indirekte Fördermöglichkeiten zur Verfügung stünden. Im Rahmen der RTVV-Revision sollten jedoch zudem Leistungen der SDA finanziell unterstützt werden, erklärte der Bundesrat weiter.
Überdies gelangten auch Regula Rytz (gp, BE) mit einem Postulat (Po. 17.3241), Adèle Thorens Goumaz mit einer einfachen Anfrage (A. 17.5007) und die Grüne Fraktion mit einer dringlichen Anfrage (A. 17.1001) an das Parlament oder den Bundesrat, um Lösungen für die Probleme der Schweizer Presse insgesamt und der Westschweizer Presse im Besonderen zu suchen.

Medienkrise in der Romandie

Das Medienjahr 2017 war neben zahlreichen Zusammenschlüssen von Medienverlagen auch von Gerüchten um Alt-Bundesrat Christoph Blocher und um sein Interesse an Zeitungsverlagen geprägt. Diese Berichte wurden jeweils von grosser medialer Aufruhr begleitet, da befürchtet wurde, Blocher würde versuchen, ein SVP-nahes Medienimperium aufzubauen. So waren sich die Medien einig, dass Blocher schon länger Interesse an Zeitungskäufen habe. Bereits 2016 gab es Gerüchte, dass er eine überregionale Sonntags-Gratiszeitung plane. Während die Einen Blocher als Zeitungsnarren (WW), als „l'homme qui s'intéresse encore aux journaux“ (LT) und als „einzige[n] Schweizer Verleger, der noch in Zeitungsjournalismus investiert“ (WW), beschrieben, fürchteten sich die Anderen vor einer „Berlusconisierung“ der Schweizer Medienlandschaft. Regula Rytz (gp, BE) zum Beispiel erinnerte diesbezüglich an die Medienimperien von Rupert Murdoch und Silvio Berlusconi. Beide Personen würden ihre dominante Marktstellung ausnutzen, um politische Macht auszuüben. Aus demokratietheoretischer Sicht sei zudem nicht nur der Verlust an Titeln – siehe das Beispiel L'Hebdo –, sondern auch eine Eigentümerkonzentration problematisch, da dadurch der publizistische Einfluss der Eigentümer im Markt und in der Politik verstärkt würde. Aus einer Marktlogik würden solche Übernahmen indes Sinn machen, da sie eine Reduktion der Fixkosten erlauben würden, was auf viele Verlage angesichts der schwierigen Situation der Presse verlockend wirken könnte. Um einer Medienkonzentration aufgrund dieser Motive entgegen zu wirken, wurden auch Stimmen laut, die eine staatliche Medienförderung, zum Beispiel in Form einer staatsfernen unabhängigen Journalismusförderung, wie sie zum Beispiel Edith Graf-Litscher (sp, TG) vorschlug, forderten.

Den Anfang machten im März 2017 Gerüchte und Ankündigungen um die Basler Zeitung BaZ, die sich im Mitbesitz von Christoph Blocher befindet. Demnach habe der Basler Anwalt Martin Wagner, Rechtsvertreter der Basler Zeitung Medien, dem Ringier-Chef Marc Walder ein Kaufangebot in der Höhe von CHF 230 Mio. für die Blick-Gruppe (Blick, Sonntags-Blick, Blick am Abend und Onlineportale) unterbreitet. Hauptinvestor solle der ehemalige SVP-Nationalrat Walter Frey sein, was für die Medien ein Anzeichen dafür war, dass in Tat und Wahrheit Christoph Blocher am Kauf der Mediengruppe interessiert sein könnte. Sowohl Blocher als auch Frey verneinten zwar eine Beteiligung, dennoch gingen die Wellen in der Folge hoch. Michael Ringier und mit ihm zahlreiche Kommentatoren aus Medien und Politik befürchteten, dass der Blick nach einer allfälligen Übernahme auf einen rechtspopulistischen Kurs gebracht würde. Ringier-Chef Marc Walder bezeichnete die Blick-Gruppe in der Folge als unverkäuflich: „Egal zu welchem Preis. Egal, wer der Käufer wäre.“ Mitte März bestätigte die Ringier-Gruppe das Übernahme-Angebot durch Martin Wagner, der Frey als Hauptinvestoren genannt habe. Wagner gab später an, dass er die Blick-Gruppe zum Aufbau einer Bezahlplattform für Sport habe kaufen wollen.

Im August gab Rolf Bollmann, CEO der Basler Zeitung, bekannt, dass die BaZ Holding AG, die zu je einem Drittel Christoph Blocher, Bollmann und BaZ-Chefredaktor Markus Somm gehört, den Wochenzeitungsverlag Zehnder Regionalmedia AG und damit 25 Gratistitel mit einer Gesamtauflage von 720'756 Exemplaren übernehme. Gemäss Weltwoche machte dieser Kauf Christoph Blocher zum siebtgrössten Verleger in der Schweiz. In Lokalzeitungen sei die lokale Nachfrage nach Inseraten noch immer hoch, begründete Bollmann die Übernahme. Sogleich wurden Befürchtungen laut, der Verkauf könne in der Region politische Auswirkungen haben, zum Beispiel falls die Lokalblätter in rechte Wochenzeitungen umgewandelt würden. Bollmann und Blocher versicherten jedoch, dass in diesem Mediensegment politische Berichterstattungen nur einen geringen Stellenwert einnähmen, die Redaktionen unabhängig blieben und die Zeitungen daher nicht zu SVP-Kampfblättern umfunktioniert würden. In zahlreichen Zeitungsartikeln wurde diesbezüglich betont, dass die übernommenen Zeitungen bereits mehrheitlich stramm bürgerlich seien und sich die Ausrichtung der Gratisblätter folglich kaum ändern werde.

Im Oktober berichteten die Medien über Verhandlungen zwischen der Basler Zeitung und der Südostschweiz bezüglich eines gemeinsamen Mantelteils. So solle die bereits bestehende Zusammenarbeit der Südostschweiz mit der BaZ im Bereich Korrektur und Layout auf einer inhaltlichen Ebene vertieft werden. Dies sorgte abermals für Unruhe im Zeitungssektor, da befürchtet wurde, die BaZ hätte einen prägenden Einfluss auf einen gemeinsamen überregionalen Bund der zwei Zeitungen. Linards Udris, der stellvertretende Leiter des Fög, erklärte, dass die Situation im Kanton Graubünden besonders problematisch sei, da ausser der SRG für die Südostschweiz kaum Konkurrenz bestehe. Die SP Graubünden reichte eine Petition ein, in der sie sich um die zukünftige Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der Südostschweiz sorgte. Anfang November schuf schliesslich ein Artikel in der Südostschweiz Klarheit: Darin gab die Somedia durch Verleger Hanspeter Lebrument und CEO Andrea Masüger bekannt, dass man nicht beabsichtige, die Kontrolle über die Inhalte der im Familienbesitz befindlichen Zeitung aus der Hand zu geben. Man führe jedoch Gespräche mit der BaZ bezüglich einer gemeinsamen Kooperation, wie sie für den Inlandteil und die Wochenendausgabe bereits mit der Nordwestschweiz bestehe. Bei einer solchen Zusammenarbeit würden jedoch beide Zeitungen weiterhin volle publizistische und verlegerische Unabhängigkeit geniessen. Zudem werde eine verstärkte Zusammenarbeit im technischen Bereich verfolgt, wodurch Arbeitsplätze in Chur geschaffen würden und die Zeitungsproduktion der BaZ in der Schweiz verbleibe. Dabei verteidigte die Somedia-Spitze ihren Verhandlungspartner: Die Redaktion der BaZ verfolge unter Markus Somm „eine pluralistische Linie mit breitem Meinungsspektrum“. Im Rahmen dieser Berichterstattungen bestätigte Marcel Geissbühler, Direktor des Gassmann Verlags, dass auch das Bieler Tagblatt Gespräche bezüglich eines gemeinsamen Mantelteils mit der BaZ führe. Diese seien jedoch noch nicht konkret.

Ebenfalls in einen Zusammenhang mit zukünftigen Akquisitionen setzte die Aargauer Zeitung den Umzug der BaZ Holding nach Zug sowie ihren Namenswechsel in Zeitungshaus AG. So biete sich Blocher als Gesprächspartner für alle Verleger an, „die nicht mehr willens oder in der Lage sind, ihre Blätter herauszugeben“. Die übernommenen Gratiszeitungen der Zehnder-Gruppe würden in der Folge in der Swiss Regio Media zusammengefasst, bei der bei Bedarf auch weitere Zeitungen hinzugenommen werden könnten.

Interesse von Christoph Blocher an Zeitungsverlagen

Das Pressejahr 2017 war stark durch die Medienkonzentration geprägt, die sich insbesondere in der Einstellung von L’Hebdo, der Schaffung einer Mantelredaktion für alle Tamedia-Zeitungen und dem Joint Venture der AZ Medien und der NZZ-Mediengruppe zeigte. Diese Entwicklungen führten anfänglich in der Romandie und später in der ganzen Schweiz zu Diskussionen um die Frage, ob und wie der Staat Zeitungen und Magazine unterstützen solle. Unter anderem wurden dazu auf Bundesebene zahlreiche Vorstösse eingebracht. Eine Möglichkeit, die Zeitungen indirekt zu unterstützen, verfolgte Olivier Feller (fdp, VD) mit einer Ende Februar 2017 eingereichten Motion. Auslöser war die Ankündigung der Post gewesen, die Frühzustellung nur noch bei einem Aufpreis zu gewährleisten. Fellers Motion wollte nun garantieren, dass die Zeitungsausgaben auch ohne zusätzliche Kosten für die Verlage jeweils am Morgen ausgeliefert werden. Zusätzlich reichte der Motionär zwei Anfragen (A. 17.5601, A. 17.5602) und eine Interpellation (Ip. 17.3672) zur Ankündigung der Post ein. Im März 2017 lancierte die Parteipräsidentin der Grünen, Regula Rytz (gp, BE), ein Postulat zur gezielten Medienförderung. Darin bat sie den Bundesrat darum, Instrumente für eine direkte und indirekte Medienförderung aufzuzeigen. Auch Kurt Fluri (fdp, SO, Ip. 17.3729), Ada Marra (sp, VD, Ip. 17.4086), Jean-Paul Gschwind (cvp, JU, A. 17.5007) sowie Adèle Thorens Goumaz (gp, VD, A. 17.5007) erbaten vom Bundesrat mehr Informationen betreffend allgemeine Möglichkeiten zur Unterstützung der Presse. Auch zur Inhaberkonzentration machten sich die Parlamentarierinnen und Parlamentarier Sorgen. Philipp Hadorn (sp, SO) reichte eine Motion (Mo. 17.3778) zur Transparenz bei den Eigentumsverhältnissen von Medienunternehmen ein und sein Parteikollege Jacques-André Maire (sp, NE) forderte in einem Postulat (Po. 17.3695) Kriterien für die Übernahme von bestehenden Medien. Géraldine Savary (sp, VD), ein weiteres SP-Mitglied, wollte zudem in einer Interpellation (Ip. 16.3563) vom Bundesrat wissen, ob er Massnahmen zur Aufrechterhaltung der redaktionellen Unabhängigkeit als nötig erachte. Auch die Exponenten der rechten Ratsseite sorgten sich um die Unabhängigkeit der Presse; der Grund ihrer Sorge lag aber in der staatlichen Unterstützung für die Medien: Thierry Burkart (fdp, AG) zum Beispiel erklärte, dass die Medien „Beisshemmungen“ entwickeln könnten, wenn sie staatlich finanziert würden.

Wie die Bundespolitik sie unterstützen könne, diskutierten auch die Medien selbst. Vorgeschlagen wurden zum Beispiel Konzessionen für Zeitungen, bei denen Leistungen zum Erhalt des Service public finanziell entschädigt würden. Dies sei gemäss Le Temps allerdings dann problematisch, wenn eine Zeitung einem grossen Verlagshaus wie Ringier oder Tamedia gehöre. Zahlreiche Handlungsmöglichkeiten wurden bezüglich der Konkurrenz durch die SRG diskutiert. So könnte eine Werbebeschränkung für die SRG zwar deren Konkurrenz für die Werbung in der Presse verringern, würde jedoch nicht garantieren, dass die Werbekunden auf die Zeitungen umstiegen. Positiver wurde ein Werbeverbot für die SRG nach 20 Uhr, wie es zum Beispiel in Frankreich existiert, bewertet. Zur Diskussion stellen müsse man gemäss Le Temps auch eine Steuer auf Werbeeinnahmen, wodurch man einen Teil der Gelder, die für Werbeaufträge im Ausland gesprochen werden, zurückholen könne. Bereits vom Parlament verabschiedet worden war zu diesem Zeitpunkt ein Übergang zum Shared-Content-Modell, wodurch die SRG den privaten Anbietern Inhalte zur Verfügung stellen muss.
Indirekte Hilfe für die Presse versprach man sich auch durch eine mögliche Nationalisierung der Druckereien, was zu einer Reduktion der Druckkosten führen würde. Auch grundsätzlichere Aspekte der Medienförderung wurden von den Medien besprochen: Zum Beispiel solle die Journalistenausbildung verbessert und vom Bund anerkannt werden, da bisher kein geschützter Titel für ausgebildete Journalisten existiere. Dies reiche gemäss Le Temps zwar nicht aus, um die Probleme der Medienlandschaft zu lösen, wäre aber ein guter Anfang und würde der Presselandschaft helfen, die Digitalisierung zu überleben. Notwendig sei schliesslich auch eine Unterstützung für die SDA, die sich ebenfalls in Schwierigkeiten befinde. Ein erster Schritt dazu hatte der Bundesrat bereits unternommen, indem er der SDA CHF 2 Mio. jährlich aus der Radio- und Fernsehabgabe zugesprochen hatte.

Forderungen zur Unterstützung der Presse im Jahr 2017