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Jahresrückblick 2023: Parteien

Für die Parteien stand das Jahr 2023 überwiegend im Zeichen der National- und Ständeratswahlen sowie der Gesamterneuerungswahlen des Bundesrats. Dies schlägt sich auch in der Medienpräsenz der Parteien nieder, die sich dem Spitzenwert aus dem letzten eidgenössischen Wahljahr 2019 annäherte und im Wahlmonat Oktober kulminierte (vgl. Abbildungen 1 und 2 der APS-Zeitungsanalyse).

Die SVP lancierte ihren Wahlkampf mit einem neuen Parteiprogramm, das sich unter anderem gegen «Gender-Terror und Woke-Wahnsinn» wandte. Im Wahlkampf rückte die Partei mit der Asyl- und Migrationspolitik indessen zunehmend zwei ihrer klassischen Kernthemen ins Zentrum. Nebst ihren inhaltlichen Forderungen bescherten der SVP auch ein Wahlkampfsong und ein aufwändiger Wahlkampfanlass viel Aufmerksamkeit. Bei den Nationalratswahlen erzielte die Partei schliesslich das drittbeste Resultat ihrer Geschichte, im Ständerat musste sie hingegen Verluste hinnehmen. Bei den Bundesratswahlen sprach sich die SVP für ein Festhalten an der bisherigen Sitzverteilung aus, erhob jedoch – letztlich ohne Erfolg – mit einem Zweierticket Anspruch auf die Nachfolge von Bundeskanzler Walter Thurnherr.
Auch in diesem Jahr zeigte sich die SVP aktiv bei der Nutzung der Volksrechte. So lancierte sie ihre «Nachhaltigkeitsinitiative» und brachte – unter Rückgriff auf unübliche Methoden – das Referendum gegen das Klimagesetz zustande, an der Urne konnte sie das Gesetz aber nicht zu Fall bringen. Verschiedentlich wurde in den Medien diskutiert, ob sich die SVP genügend gegen Rechtsextremismus abgrenze. Anlass dazu boten unter anderem die in zwei Kantonen eingegangenen Listenverbindungen mit Mass-voll und Verbindungen einzelner SVP-Exponentinnen und -Exponenten zur Jungen Tat.

Die SP konnte sowohl bei den Nationalrats- als auch bei den Ständeratswahlen zulegen. Eine Erklärung für den Wahlerfolg sah die Presse in der Themenlage, die der SP mit Inflation, steigenden Mieten und Krankenkassenprämien in die Hände gespielt habe. Die Partei hatte in ihrem Wahlkampf denn auch das Thema Kaufkraft an erste Stelle gesetzt. Im Rampenlicht stand die SP im Zusammenhang mit den Bundesratswahlen, bei denen sie den Sitz des zurücktretenden Alain Berset zu verteidigen hatte (vgl. Abbildung 1). Letztlich wählte die Bundesversammlung mit Beat Jans unter einigen Nebengeräuschen einen der beiden offiziellen SP-Kandidaten.
In der direktdemokratischen Arena musste die SP eine Niederlage hinnehmen, als die von ihr bekämpfte OECD-Mindeststeuer an der Urne deutlich angenommen wurde. Einen Erfolg konnte sie hingegen mit dem Zustandekommen ihrer Kita-Initiative verbuchen. Bereits vor den Wahlen hatte die SP ihr Fraktionspräsidium neu zu besetzen. Wie schon die Bundespartei wird nun auch die Fraktion von einem geschlechtergemischten Co-Präsidium geführt.

Für die FDP verliefen die National- und Ständeratswahlen enttäuschend. Im Wahlkampf hatten Diskussionen dazu, ob die grossflächigen Listenverbindungen mit der SVP für die FDP strategisch sinnvoll seien oder gemässigte Wählende abschreckten, ihre inhaltlichen Wahlkampfthemen teilweise in den Schatten gestellt. Die Vorwürfe, die FDP verkomme zur Juniorpartnerin der SVP, verstärkten sich noch, als sich die Freisinnigen vor den zweiten Ständeratswahlgängen in mehreren Kantonen zugunsten der SVP-Kandidaturen zurückzogen. Die Verluste bei den Parlamentswahlen befeuerten die Diskussion, ob die Doppelvertretung der FDP im Bundesrat noch gerechtfertigt sei; bei den Bundesratswahlen gerieten die beiden FDP-Sitze trotz eines Angriffs der Grünen aber nicht ernsthaft in Gefahr.

Die Mitte konnte bei den ersten nationalen Wahlen nach der Parteifusion den kumulierten Wählendenanteil von CVP und BDP leicht übertreffen, überholte bei den Nationalratssitzen die FDP und baute im Ständerat ihre Position als stärkste Partei aus. Parteipräsident Gerhard Pfister liess darauf verlauten, er sehe die Mitte, die sich im Wahlkampf als Anti-Polarisierungspartei profiliert hatte, künftig als Anführerin eines dritten Pols mit eigenständiger Themensetzung. Vor den Bundesratswahlen entschied sich die Mitte trotz ihres Wahlerfolgs dagegen, auf Kosten der FDP einen zweiten Bundesratssitz zu beanspruchen, da eine Abwahl wiederkandidierender Regierungsmitglieder vermieden werden solle. Bei einem FDP-Rücktritt werde eine Mitte-Kandidatur aber Thema werden. Mit unvorteilhaften Schlagzeilen war die Mitte im Frühling konfrontiert, als ehemalige Mitarbeitende der Partei Vorwürfe erhoben, im Generalsekretariat werde gemobbt.

Die Grünen konnten im Frühling ihr 40-jähriges Jubiläum begehen, hatten 2023 ansonsten aber nicht viel zu feiern. Bei den eidgenössischen Wahlen erlitten sie in beiden Räten deutliche Einbussen. Die Parteispitze betonte zwar, man habe das nach der «Klimawahl» 2019 zweitbeste Resultat der Parteigeschichte erzielt. Gleichwohl kam Parteipräsident Balthasar Glättli zum Schluss, er wolle als «Gesicht des Misserfolgs» sein Amt 2024 abgeben. Im Wahlkampf hatte eine millionenschwere Wahlkampfspende einer Gönnerin für einige Schlagzeilen gesorgt. Inhaltlich setzten die Grünen vor allem auf ihre Kernthemen Klima und Ökologie sowie Gleichstellung. Passend dazu beschlossen sie im August die Lancierung einer neuen Volksinitiative zum Ausbau der Solarenergie.
Ungeachtet ihrer geschwächten Position im Parlament wollten die Grünen im Dezember erstmals in den Bundesrat einziehen und griffen mit Nationalrat Gerhard Andrey die beiden Bundesratsmitglieder der FDP, nicht aber die SP-Sitze an. Nachdem Andrey bei seiner gemeinhin erwarteten Nichtwahl wohl nur eine Minderheit der SP-Stimmen erhalten hatte, konnte sich Glättli aber auch für künftige Angriffe auf SP-Bundesratssitze erwärmen. Unerfreulich war für die Grünen sodann eine Serie von Parteiaustritten von Kantonsparlamentarierinnen und -parlamentariern.

Nach Erfolgen bei mehreren kantonalen Parlamentswahlen brachten die Nationalratswahlen für die GLP einen herben Dämpfer. Ihre Nationalratsfraktion schrumpfte – teilweise wegen Proporzpech – um mehr als einen Drittel, worüber der geglückte Wiedereinzug in den Ständerat nicht hinwegtrösten konnte. Ihre zuvor gehegten Bundesratsambitionen begruben die Grünliberalen nach dem deutlichen Verpassen ihrer Wahlziele, mit Viktor Rossi konnten sie aber immerhin den Kampf ums Bundeskanzleramt für sich entscheiden. Als neue Fraktionspräsidentin bestimmte die GLP im Dezember Corina Gredig (glp, ZH).
Nach den Wahlen gab die künftige Ausrichtung der Partei Stoff für Spekulationen: Während Parteipräsident Jürg Grossen in Interviews gewisse Avancen nach Rechts zu machen schien, schloss sich die einzige GLP-Ständerätin der Ratsgruppe der Grünen an, der grösste Spender der Partei wiederum regte öffentlich eine Fusion mit der Mitte an.

Für die kleineren Parteien hielt das Jahr 2023 Unterschiedliches bereit. Dies gilt etwa für die EVP, die in Basel-Landschaft erstmals überhaupt den Sprung in eine Kantonsregierung schaffte, bei den eidgenössischen Wahlen aber den Nationalratssitz ihrer Parteipräsidentin einbüsste. Das Mouvement Citoyens Genevois wiederum verlor seinen Regierungssitz in Genf, konnte aber den Einzug in National- und Ständerat feiern. Nicht mehr im Bundesparlament vertreten sind die PdA und Ensemble à Gauche.

Erstmals kamen bei den eidgenössischen Wahlen die neuen Transparenzregeln des Bundes für die Politikfinanzierung zur Anwendung. Auswertungen der Daten in den Medien zeigten zwar, dass solche Analysen aus verschiedenen Gründen mit nennenswerten Unschärfen verbunden bleiben. Der Hauptbefund aber, dass FDP und SVP mit deutlichem Abstand vor SP und Mitte sowie Grünen und GLP über die grössten Wahlkampfbudgets verfügten, schien unbestritten.

Jahresrückblick 2023: Parteien
Dossier: Jahresrückblick 2023

Die FDP im Jahr 2023: Kurzüberblick

Das dominierende Ereignis des Parteienjahrs 2023, die eidgenössischen Wahlen, verlief für die FDP enttäuschend: Nicht nur verpassten die Freisinnigen deutlich ihr ursprüngliches Ziel, beim Wählendenanteil die SP als zweitstärkste Partei abzulösen, sondern am Ende konnten sie sogar den dritten Platz nur knapp vor der Mitte verteidigen. Bei der Anzahl Sitze fielen sie gar hinter die Mitte zurück, und auch im Ständerat büssten die Freisinnigen ein Mandat ein. Die Verluste befeuerten die Diskussionen, ob die Doppelvertretung der FDP im Bundesrat noch gerechtfertigt sei; letztlich gerieten die beiden FDP-Sitze bei den Bundesratswahlen aber trotz eines Angriffs der Grünen nicht ernsthaft in Gefahr.
Im Wahlkampf waren sowohl parteiintern als auch in den Medien Kontroversen darum entbrannt, ob die grossflächigen Listenverbindungen mit der SVP für die FDP strategisch sinnvoll seien oder gemässigte Wählende abschreckten. Die inhaltlichen Wahlkampfthemen der Freisinnigen wurden von diesen Diskussionen teilweise in den Schatten gestellt. Die Vorwürfe, die FDP verkomme zu einer Juniorpartnerin der SVP, verstärkten sich noch, als sich die Freisinnigen vor den zweiten Ständeratswahlgängen in mehreren Kantonen zugunsten der SVP-Kandidaturen zurückzogen.
Aufgrund der Vorgeschichte hatten manche Beobachterinnen und Beobachter im Frühling vor der Parolenfassung zum Klima- und Innovationsgesetz eine Zerreissprobe für die Partei erwartet. Eine solche blieb jedoch aus, die Parteidelegierten fassten letztlich deutlich, wenn auch ohne grosse Begeisterung, die Ja-Parole. Ob an der Urne schliesslich anders als noch beim CO2-Gesetz 2021 eine Mehrheit der Sympathisierenden der Partei der Ja-Parole folgte, dazu lieferten die Nachbefragungen widersprüchliche Ergebnisse.
In mehreren, auch gewichtigen, FDP-Kantonalsektionen kam es im Berichtsjahr zu Wechseln an der Parteispitze. So wählten die Freisinnigen in Zürich, Bern, Genf, Neuenburg und Jura neue Kantonalpräsidien.

Die FDP im Jahr 2023: Kurzüberblick
Dossier: Kurzüberblick über die Parteien im Jahr 2023

Die GLP im Jahr 2023: Kurzüberblick

Im Zentrum des Jahres 2023 standen für die GLP wie auch für die anderen Parteien die National- und Ständeratswahlen. Für die Grünliberalen brachten diese einen herben Dämpfer. Nicht nur ging – nachdem sie sich ursprünglich eine deutliche Steigerung zum Ziel gesetzt hatten – ihr Wählendenanteil leicht zurück, sondern ihre Nationalratsfraktion schrumpfte – teilweise wegen Proporzpech – sogar um mehr als einen Drittel. Dass sie den Wiedereinzug in den Ständerat schafften, war für die Grünliberalen nur ein schwacher Trost. Als neue Fraktionspräsidentin bestimmten die Grünliberalen nach den Wahlen Corina Gredig (glp, ZH), die auf die in den Ständerat wechselnde Tiana Angelina Moser (glp, ZH) folgte.
Ihre zuvor gehegten Bundesratsambitionen begrub die GLP nach dem deutlichen Verpassen ihrer Wahlziele. Mit der Wahl ihres Kandidaten Viktor Rossi zum Bundeskanzler ist sie künftig dennoch im Bundesratszimmer vertreten. Die Grünliberalen sind damit die erste Partei der Schweizer Geschichte, die einen Bundeskanzler stellt, ohne ein Bundesratsmitglied zu haben.
Nach den Parlamentswahlen gab in den Medien die künftige Ausrichtung der GLP Stoff für Spekulationen: Während Parteipräsident Jürg Grossen in Interviews gewisse Avancen nach Rechts zu machen schien, schloss sich mit Tiana Angelina Moser die einzige GLP-Ständerätin der Ratsgruppe der Grünen an. Ein wichtiger Geldgeber der Partei wiederum sprach sich für eine Parteifusion mit der Mitte aus.
Erfreulicher als die eidgenössischen Wahlen waren für die GLP in der ersten Jahreshälfte eine Reihe kantonaler Parlamentswahlen verlaufen, auch wenn die Zugewinne bereits bescheidener als noch in den Vorjahren ausfielen: Im Tessin und in Appenzell Ausserrhoden gelang der GLP jeweils der erstmalige Einzug ins Kantonsparlament, im Baselbieter Landrat erreichte sie erstmals Fraktionsstärke. Und auch in Glarus konnte die GLP – hier nicht aufgrund eines Wahlerfolgs, sondern wegen Parteiübertritten – erstmals eine eigene Fraktion bilden.

Die GLP im Jahr 2023: Kurzüberblick
Dossier: Kurzüberblick über die Parteien im Jahr 2023

Nachdem die Grünen im Vorjahr bereits Parteiaustritte mehrerer Kantonsparlamentarierinnen und -parlamentarier in den Kantonen Wallis und Glarus hatten hinnehmen müssen, setzte sich der Aderlass 2023 in vier weiteren Kantonen fort. Die Gründe unterschieden sich dabei von Fall zu Fall:

In Bern verliess im Februar der Grossrat Bruno Martin die Partei und die Fraktion. Als Beweggrund nannte der Biowinzer einen «persönlichen Werteentscheid», konkretere Angaben macht er öffentlich nicht. Martin trat vorerst keiner anderen Partei bei, im Berner Grossen Rat schloss er sich der EDU-Fraktion an.

In der Waadt begründete Grossrat und Biobauer Andreas Wüthrich seinen Parteiaustritt im August damit, dass für ihn in seinem Engagement stets ökologische Fragen an erster und soziale Fragen an zweiter Stelle gestanden hätten; bei den Grünen habe er hingegen eine zunehmende Umkehrung dieser Prioritätenordnung wahrgenommen. Zudem bedauere er die wachsende Polarisierung des Politikbetriebs und hoffe, als Parteiunabhängiger künftig auch ausserhalb des linken Lagers mehr Gehör für seine Argumente zu erhalten. Im Grossen Rat blieb Wüthrich in der Folge fraktionslos. Er schloss sich «Les Libres» an, die sich als Vereinigung für parteiunabhängige Bewegungen und Personen im Kanton Waadt verstehen und bereits zwei andere Grossratsmitglieder in ihren Reihen hatten. Wüthrich liess sich auch auf die Liste der «Libres» für die Nationalratswahlen 2023 setzen.

In Luzern gab im September Kantonsrat Urban Frye seinen Parteiaustritt bekannt. In der Luzerner Zeitung erklärte er, er könne die Positionierung der Grünen im Zusammenhang mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht mit seinen Werten vereinbaren: Anders als etwa die Grünen in Deutschland habe die Schweizer Partei die Zeichen der Zeit nicht erkannt und bleibe «in einer ideologischen pazifistischen Blase gefangen». Mit der strikten Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine spreche die Partei dem angegriffenen Land «faktisch das Recht zur Selbstverteidigung ab» und mache sich mitschuldig an Deportationen, Vergewaltigungen und Tötungen. Enttäuscht zeigte sich Frye auch über die parteiinterne Streitkultur: Er sei mit seinen Anliegen sowohl auf nationaler als auch auf kantonaler Ebene weitherum auf Desinteresse gestossen und der «angebliche Konsens» in der Partei scheine ihm «eher hierarchisch von oben nach unten durchgedrückt zu werden». Auch losgelöst von der Ukraine-Politik scheine ihm die links-grüne Politik manchmal realitätsfern, und sie stilisiere etwa Vermietende oder Polizeikräfte blindlings zu Feindbildern.
In einer Medienmitteilung verwahrten sich die Luzerner Grünen gegen den «Rundumschlag» ihres ehemaligen Mitglieds: Die Grünen seien eine Partei, in der Differenzen benannt und mit Respekt ausdiskutiert würden, um eine gemeinsame Haltung zu finden. Als einzige nationale Partei hätten die Grünen ihre Mitglieder das ganze Wahlprogramm «mitgestalten» lassen, bevor es schliesslich von der Delegiertenversammlung verabschiedet wurde; dies gelte auch für die darin enthaltenen Positionen zur Sicherheits-, Friedens- und Aussenpolitik. Im Übrigen setzten sich die Grünen «auf allen politischen Ebenen für die ukrainischen Geflüchteten und für ein Ende der Finanzierung der russischen Kriegsmaschinerie aus der Schweiz» ein.
Frye politisiert im Luzerner Kantonsrat als Partei- und Fraktionsloser weiter, nachdem Gespräche mit der GLP über einen Beitritt zu deren Fraktion zu keinem Ergebnis geführt hatten.

In Basel-Landschaft schliesslich verliess Landrätin Laura Grazioli die Grünen im Oktober. Sie war Vizepräsidentin der Kantonalpartei, Präsidentin der landrätlichen Finanzkommission und gemäss BLZ «lange [eine] grosse Hoffnungsträgerin der Baselbieter Grünen» gewesen, die auch als künftige Regierungs-, National- oder Ständerätin gehandelt worden sei. Als Grund für ihren Parteiaustritt nannte Grazioli in der BLZ, dass sie «über die letzten Jahre in wesentlichen Themengebieten von der Mehrheit der Fraktion und der Partei abgewichen» sei. Damit dürfte insbesondere ihre Ablehnung von Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie gemeint gewesen sein, hatte sie doch entgegen der Parteilinie etwa das Covid-19-Gesetz, die Einführung eines Impfzertifikats oder obligatorische Covid-Tests an Schulen abgelehnt. Im Frühling 2023 hatten die Grünen darauf verzichtet, Grazioli als Nationalratskandidatin aufzustellen, weil sie im Initiativkomitee der «Souveränitäts-Initiative» sass, die vor allem von massnahmenkritischen Organisationen wie Mass-voll und den Freunden der Verfassung getragen wird und verlangt, dass die Schweiz keine völkerrechtlichen Verpflichtungen eingehen darf, die in die Grundrechte eingreifen.
Anders als ihre ehemaligen Parteikollegen in Bern, Waadt und Luzern trat Grazioli gleichzeitig mit dem Parteiaustritt auch aus dem Kantonsparlament zurück, womit ihr Sitz bei der Grünen-Fraktion verblieb: Er ging an die Nächstplatzierte auf der Liste der Grünen, Dominique Zbinden vom «jungen grünen Bündnis Nordwest».

Parteiaustritte bei den Grünen

Mit einiger medialer Aufmerksamkeit wurde im Frühling 2023 die Parolenfassung der FDP zur Abstimmung über das Klima- und Innovationsgesetz erwartet. Die Ausgangslage versprach in der Tat Spannung: Zwar hatte sich die freisinnige Bundeshausfraktion in der Schlussabstimmung praktisch geschlossen hinter das Klima- und Innovationsgesetz gestellt, mit bloss einer Nein-Stimme im Nationalrat (vom Berner Christian Wasserfallen) und einer Enthaltung im Ständerat (vom Ausserrhoder Andrea Caroni). Allerdings hatte die Positionierung zur Klimapolitik in den Vorjahren verschiedentlich für parteiinterne Konflikte gesorgt, und bei der Abstimmung über das CO2-Gesetz 2021 waren nicht nur fünf Kantonalsektionen und (laut VOX-Analyse) eine deutliche Mehrheit der freisinnigen Wählendenbasis von der Ja-Parole der Mutterpartei abgewichen, sondern die Abstimmungsniederlage war gemäss breiter öffentlicher Wahrnehmung auch ein wichtiger Grund für den unmittelbar darauf folgenden Rücktritt der damaligen Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) gewesen. Hinzu kam beim Klima- und Innovationsgesetz, dass sich einzelne Parteigrössen bereits stark für beziehungsweise gegen die Vorlage exponiert hatten: auf der einen Seite etwa Nationalrat Christian Wasserfallen (fdp, BE) als Vorstandsmitglied des Nein-Komitees, auf der anderen Seite etwa Ständerat Ruedi Noser (fdp, ZH) als Mitglied eines Ja-Komitees und davor schon des Initiativkomitees der Gletscherinitiative, die schliesslich zum Klima- und Innovationsgesetz als indirekten Gegenvorschlag geführt hatte. Auch eine kurz vor der Parolenfassung veröffentlichte Umfrage von Tamedia sprach für eine tiefe Spaltung der FDP-Basis: 49 Prozent ihrer Wählerinnen und Wähler tendierten demnach zu einem Ja, 45 Prozent zu einem Nein. Schon davor hatten die Jungfreisinnigen Stimmfreigabe beschlossen, weil sie sich auf keine Parole hatten einigen können.

Die Delegiertenversammlung der Mutterpartei sprach sich im Mai mit 234 Ja- gegen 51 Nein-Stimmen bei 5 Enthaltungen dann aber letztlich recht deutlich zugunsten des Gesetzes aus. Die Mehrheit der Parteidelegierten folgte damit dem Präsidenten Thierry Burkart (fdp, AG), der in seiner Rede dafür warb, «auch einmal im Sinn der Sache einen Kompromiss [zu] machen» und Verantwortung für das Land zu übernehmen. Die Begeisterung für das Gesetz, das stark auf Subventionen setzte, war gemäss NZZ zwar auch bei den wenigen anderen Rednerinnen und Rednern «überschaubar», doch gab es auch bloss zwei Reden für eine Nein-Parole – eine davon von Christian Wasserfallen, der kritisierte, mit der staatlichen Unterstützung für den Umstieg von fossilen Heizungen auf Wärmepumpen wolle das Gesetz einen bereits «übersättigten Markt [subventionieren]. Das macht kein Freisinniger!». Burkart zeigte sich im Anschluss an die Parolenfassung gegenüber den Medien zufrieden. Aus liberaler Sicht sei das Klima- und Innovationsgesetz zwar «alles andere als perfekt», doch im Gegensatz zur CO2-Vorlage von 2021 gehe es diesmal nicht «um Verbote [und] Preiserhöhungen ohne Nutzen fürs Klima». Anders als noch bei der CO2-Kampagne werde sich die FDP im Abstimmungskampf aber nicht stark exponieren, weil man auf die Vorbehalte in bedeutenden Teilen der Basis Rücksicht nehmen wolle.

Gegen aussen präsentierte sich die FDP in der Folge geschlossener als zwei Jahre davor im Vorfeld der Abstimmung über das CO2-Gesetz. Zur bereits früher beschlossenen Stimmfreigabe der Jungfreisinnigen kam als einzige abweichende Parole nur noch ein Nein der Schaffhauser Kantonalpartei hinzu, das mit einer Stimme Unterschied denkbar knapp zustande gekommen war. Inwieweit sich die Sympathisantinnen und Sympathisanten der FDP davon beeindrucken liessen, dazu lieferten verschiedene Umfragen unterschiedliche Ergebnisse: Sowohl bei den von Leewas für Tamedia als auch bei den von gfs.bern für die SRG durchgeführten Umfragen nahm der Ja-Anteil unter den FDP-Sympathisierenden nach der Parolenfassung nicht etwa zu, sondern sank sogar. Bei der Tamedia-Erhebung ergaben sich in der letzten Vorumfragewelle und auch bei der Nachbefragung nach dem Urnengang sogar knappe Nein-Mehrheiten unter den FDP-Sympathisierenden, die Vox-Nachanalyse von gfs.bern fand hingegen unter den FDP-Sympathisierenden eine Zweidrittel-Mehrheit für ein Ja. Konsistent waren die Erhebungen dahingehend, dass beim Klima- und Innovationsgesetz 2023 deutlich mehr FDP-Sympathisierende der Ja-Parole der Partei folgten als noch beim CO2-Gesetz 2021.

FDP-Parole zum Klimaschutzgesetz

Jahresrückblick 2022: Parteien

Die Parteien als wichtige politische Akteure werden in der Öffentlichkeit besonders stark im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen wahrgenommen. Mit den Bundesratsersatzwahlen vom Dezember 2022 schnellte insbesondere die Medienpräsenz der SVP und der SP, in geringerem Mass auch jene der Grünen in die Höhe (siehe Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse 2022 im Anhang).
Die SVP hatte dabei den zurücktretenden Ueli Maurer zu ersetzen. Zu reden gab dabei, dass die in den letzten Jahrzehnten tonangebende Zürcher Kantonalsektion erst nach längerer Suche überhaupt eine Kandidatur präsentieren konnte (alt Nationalrat Hans-Ueli Vogt), während die Berner Sektion mit Nationalrat Albert Rösti und Ständerat Werner Salzmann gleich zwei Kandidaten ins Rennen schicken konnte. Relativ früh zeichnete sich ab, dass es anders als bei früheren Bundesratswahlen bei der SVP zu keiner Zerreissprobe und allfälligen Parteiausschlüssen kommen würde, da die anderen Fraktionen keine Ambitionen erkennen liessen, eine Person ausserhalb des offiziellen SVP-Tickets zu wählen, für das die SVP-Fraktion letztlich Vogt und Rösti auswählte. Schliesslich erhielt die SVP mit Albert Rösti einen Bundesrat, der als linientreu und gleichzeitig umgänglich im Ton gilt.
Die SP wiederum hatte nach dem überraschenden Rücktritt von Simonetta Sommaruga nur wenig Zeit für die Nominierung ihrer Kandidaturen. Für gewisse Turbulenzen sorgte hier der von der Parteispitze rasch und offensiv kommunizierte Antrag an die Fraktion, sich auf Frauenkandidaturen zu beschränken. Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) rebellierte zunächst dagegen und gab seine eigene Kandidatur bekannt, zog diese aber wieder zurück, nachdem die SP-Fraktion dem Antrag der Parteispitze deutlich zugestimmt hatte. Mit einer «Roadshow» der Kandidatinnen in verschiedenen Landesteilen versuchte die SP trotz der knappen Zeit noch vom Schaufenstereffekt der Bundesratswahlen zu profitieren. Aufs Ticket setzte die Fraktion schliesslich die beiden Ständerätinnen und ehemaligen Regierungsrätinnen Eva Herzog (BS), die Mitglied der SP-Reformplattform ist und eher dem rechten Parteiflügel zugerechnet wird, und Elisabeth Baume-Schneider (JU), die als umgänglicher und weiter links stehend gilt. Im Parlament gingen in den ersten Wahlgängen überraschend viele Stimmen an den nicht auf dem Ticket stehenden Jositsch, bevor schliesslich Baume-Schneider den Vorzug vor Herzog erhielt. Wenig erbaut zeigte sich die SP von der anschliessenden Departementsverteilung, bei der Baume-Schneider das EJPD zugeteilt und Alain Berset ein angeblich gewünschter Wechsel aus dem EDI verwehrt wurde.
Dass weder die SVP noch die SP um ihre zweiten Bundesratssitze bangen mussten, hatte auch damit zu tun, dass sich die Grünen, die bei den letzten Gesamterneuerungswahlen noch mit einer Sprengkandidatur angetreten waren, selbst früh aus dem Rennen nahmen. Manche Beobachterinnen und Beobachter warfen den Grünen deswegen Harmlosigkeit und mangelnden Machtinstinkt vor. Die Grünen argumentierten dagegen, dass ein Angriff auf den SP-Sitz dem rot-grünen Lager keine Stärkung bringen würde und ein Angriff auf den SVP-Sitz aussichtslos gewesen wäre, weil das «Machtkartell» der bisherigen Bundesratsparteien keine Sitzverschiebungen wolle.

Alle 2022 durchgeführten kantonalen Wahlen wurden von den Medien auch als Tests für den Formstand der Parteien im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen im Herbst 2023 interpretiert. Die grossen Zwischenbilanzen, die im März nach den kantonalen Wahlen in Bern, der Waadt, Obwalden und Nidwalden gezogen wurden, bestätigten sich im Wesentlichen auch in den folgenden Glarner und Zuger Wahlen (allerdings nicht in Graubünden, das wegen einem Wechsel des Wahlsystems jedoch einen Sonderfall darstellt): Die «grüne Welle» rollte weiter, zumal die Grünen und noch stärker die GLP fast durchwegs Zugewinne verbuchen konnten. Demgegenüber büssten alle vier Bundesratsparteien Stimmenanteile ein, am deutlichsten die SP. Spekulationen über Gewinne und Verluste bei den nationalen Wahlen und mögliche Auswirkungen für die Sitzverteilung im Bundesrat sind freilich zu relativieren, weil sich Themen- und Parteienkonjunktur bis im Oktober 2023 noch deutlich verändern können und sich kantonale Wahlergebnisse aus mehreren Gründen nicht einfach auf die nationale Ebene übertragen lassen.

Misst man den Rückhalt der Parteien an ihrem Erfolg in den Volksabstimmungen, so ergibt sich ein etwas anderes Bild: Am häufigsten – nämlich bei 8 von 11 Abstimmungsvorlagen – stand dieses Jahr die EVP mit ihren Parolen auf der Siegerseite, gefolgt von EDU, FDP, GLP und Mitte (je 7). Seltener jubeln konnten die Parteien an den linken und rechten Polen des Spektrums (Grüne, PdA, SP und SVP: je 6). Freilich ist nicht jede Abstimmungsvorlage für jede Partei gleich wichtig. So war etwa für die SP das knappe Ja zur AHV-21-Reform mit der Frauenrentenaltererhöhung besonders schmerzhaft, die beiden Nein zu den Teilabschaffungen von Stempel- und Verrechnungssteuer hingegen besonders erfreulich. Für FDP und SVP war es gerade umgekehrt, daneben war für sie auch die Ablehnung des Medienpakets ein bedeutender Erfolg.

Mit Blick auf ihre Mitgliederzahlen sahen sich derweil fast alle grösseren Parteien im Aufwind: GLP, Grüne, Mitte, SP und SVP meldeten im Vergleich zu 2020 Mitgliederzuwächse im vierstelligen Bereich, die FDP hatte keine Informationen zu ihrer aktuellen Mitgliederentwicklung. Ein Grund für die vermehrte Hinwendung zu den Parteien könnte sein, dass die stark alltagsrelevante Covid-19-Pandemie, die intensivierte Diskussion um den Klimawandel und aussergewöhnlich intensive Abstimmungskämpfe etwa zur Konzernverantwortungsinitiative im November 2020 und zu den beiden Covid-19-Gesetzesvorlagen im Juni und im November 2021 viele Bürgerinnen und Bürger stärker politisiert haben.

Das Jahr brachte in der Schweizer Parteienlandschaft auch einige strukturelle Veränderungen. So ist mit der Gründung einer Kantonalsektion in Uri die GLP nun erstmals in sämtlichen Kantonen präsent. Bei der BDP fand zum Jahresbeginn der umgekehrte Weg seinen Abschluss: Am 1. Januar 2022 hörten die letzten beiden BDP-Kantonalsektionen auf zu existieren, nachdem die Partei auf nationaler Ebene schon ein Jahr davor in der Mitte aufgegangen war. Ganz aufgelöst wurde sodann die Partei national orientierter Schweizer (Pnos), die als parteipolitischer Arm der rechtsextremen Szene in der Schweiz gegolten hatte. Sie war im Parteiensystem nie über eine marginale Rolle hinausgekommen. Ihre Auflösung bedeutet allerdings nicht das Aussterben rechtsextremer Ideologien im Land, sondern lediglich das – vorläufige – Ende der parteipolitischen Aktionsform des Milieus.

Nachdem der Bundesrat im zu Ende gehenden Jahr das Gesetz und eine konkretisierende Verordnung zur Transparenz der Politikfinanzierung in Kraft gesetzt hat, werden sich die Parteien im neuen Jahr erstmals an die entsprechenden Regeln halten müssen. Die Parteien, die in der Bundesversammlung vertreten sind, haben unter anderem ihre Gesamteinnahmen sowie Zuwendungen von über CHF 15'000 offenzulegen.

Jahresrückblick 2022: Parteien
Dossier: Jahresrückblick 2022

Im Kanton Glarus verloren die Grünen Ende 2022 zwei Aushängeschilder an die GLP: Bloss ein halbes Jahr nach den Landratswahlen traten die Landrätinnen Priska Müller Wahl und Nadine Landolt Rüegg zur GLP über. Als Begründung nannten sie an einer Medienkonferenz «unterschiedliche Ansichten betreffend Organisation, Ressourceneinsatz und demokratischen Entscheiden», ohne weiter ins Detail gehen zu wollen. Inhaltliche Differenzen seien jedenfalls nicht ausschlaggebend gewesen, wie auch die Grünen in ihrer Stellungnahme betonten. Die Kantonalpartei erklärte, dass die beiden altgedienten Ländrätinnen «offenbar den Generationenwechsel, der mit dem neuen Vorstand eingeleitet werden konnte, und den damit verbundenen neuen und pragmatischen Stil nicht mittragen wollten».
Im Glarner Kontext war der Schritt insofern ein Novum, als damit erstmals in dem Kanton grüne Amtsträgerinnen zur GLP wechselten: Anders als in anderen Kantonen war die Glarner GLP 2013 nicht als Abspaltung der Grünen gegründet worden, sondern durch «Christlichsoziale, die in der CVP offenbar keine Zukunft mehr sahen», wie die Glarner Nachrichten schrieben; auch danach sei es «bis jetzt nicht zu Übertritten von grünen Schwergewichten gekommen».

Die Landratsfraktion der Grünen schrumpfte mit dem Doppelwechsel von 8 auf 6 Mitglieder, die Vertretung der GLP wuchs hingegen von 3 auf 5. Die Glarner Grünliberalen konnten damit erstmals eine eigene Fraktion bilden, nachdem sie bei den Wahlen 2022 ihr erklärtes Ziel, Fraktionsstärke zu erreichen, noch verpasst und sogar einen Sitz eingebüsst hatten.
Mit dem Entstehen der neuen Fraktion hatte das Glarner Kantonsparlament zu entscheiden, wie mit zwei widersprüchlichen Vorgaben der Landratsverordnung umzugehen sei: Diese schreibt einerseits vor, dass in jeder Kommission jede Fraktion mit mindestens einem Sitz vertreten sein soll, andererseits sehen die Regeln eine Besetzung der Kommissionssitze lediglich zu Legislaturbeginn vor. Eine knappe Landratsmehrheit lehnte eine vorgezogene Neuverteilung der Kommissionssitze schliesslich ab; die Nein-Stimmen kamen von der SVP und der FDP, welche bei einer Neuverteilung Mandate hätten abgeben müssen. Damit blieben bis zum Ende der Legislatur 2026 zwei Kommissionen ohne Vertretung der Grünliberalen und eine Kommission ohne Vertretung der Grünen, weil die beiden Parteiwechslerinnen ihre Kommissionssitze von den Grünen zu den Grünliberalen mitnahmen.

Parteiaustritte bei den Grünen

Der Blick machte im Herbst 2022 publik, dass der ehemalige Verwaltungsratspräsident der Post und CVP-Nationalrat Claude Béglé, der seine frühere Partei im Vorjahr im Streit verlassen hatte, sich um eine Mitgliedschaft bei der FDP bemühte. Der Vorstand der FDP-Sektion von Béglés Wohnort Pully VD lehnte das Gesuch jedoch ab. Über die Gründe für den abschlägigen Entscheid schwieg sich die Ortspartei aus. Der Blick vermutete zwei Motive: Erstens hätten wohl Béglés regimefreundliche Berichte von seiner Nordkorea-Reise 2019 eine Rolle gespielt, für die er weitherum kritisiert worden war und die ihn einige Monate später möglicherweise auch die Wiederwahl in den Nationalrat gekostet hatten. Zweitens habe in der FDP-Sektion der Verdacht geherrscht, dass Béglé die FDP bloss als Vehikel für eine Kandidatur zur Rückkehr ins Bundesparlament 2023 benutzen wolle, ansonsten aber an einer Mitarbeit in der Partei nicht interessiert sei.

Béglé von FDP Pully als Parteimitglied abgelehnt

Die Jungen Grünliberalen Schweiz stellten im Oktober 2022 ihr Präsidium personell und organisatorisch teilweise neu auf: Anstelle der nach zweijähriger Amtszeit zurücktretenden Co-Präsidentin Virginie Cavalli (VD) wurden Jeremy Borel (GE) und Maya Tharian (ZH) neu als Vizepräsident respektive Vizepräsidentin gewählt. Tobias Vögeli (BE), der bereits seit 2018 als Co-Präsident der Jungpartei amtierte, wurde nunmehr alleiniger Präsident.

JGLP Präsidium

Mit zwei neuen Kommunikationskanälen sorgte die SP im Herbst 2022 für einige Aufmerksamkeit. Die NZZ ortete gar eine «veritable Medienoffensive der SP». Auslöser war einerseits die Lancierung des Podcasts «Meyer:Wermuth», in dem die Co-Vorsitzenden der Partei, Mattea Meyer und Cédric Wermuth, einmal pro Woche jeweils drei aktuelle Themen diskutieren und in Kurzantworten auf ausgewählte Publikumsfragen eingehen. Damit solle die SP-Politik auf interessante Art vermittelt und die Entscheidungsfindung in der SP-Spitze besser nachvollziehbar gemacht werden, wurde Meyer in der Presse zitiert. Der neue Kanal sei nicht Teil der SP-Kommunikationsstrategie für die Wahlen 2023, sondern ein längerfristiges Vorhaben, dass sich die beiden schon bei ihrer Wahl ins Co-Präsidium 2020 vorgenommen hätten. Als zweiten Teil der SP-«Medienoffensive» nannte die NZZ das ebenfalls neue Online-Magazin «Direkt», eine Website, auf der die Partei politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen im In- und Ausland aus sozialdemokratischer Perspektive behandelt.

Mit ihren Bemühungen, mithilfe neuer Kommunikationsmassnahmen direkt – ohne Umweg über klassische Medien – an die Bürgerinnen und Bürger zu gelangen, war die SP indessen nicht allein. Lorenz Furrer von der PR- und Lobbyagentur Furrerhugi wies gegenüber dem Tages-Anzeiger darauf hin, dass Firmen schon seit einigen Jahren zunehmend auf eigene Newsrooms setzten. Nun werde dies «auch in der Politik [zum] Zeitgeist». Denn so könne eine Partei, eine Politikerin oder ein Politiker gezielt eigene Themen bewirtschaften und die eigenen Zielgruppen bedienen. Wie der Tages-Anzeiger festhielt, mache dies Teleblocher, «die wohl berühmteste Direkt-Politikersendung in der Schweiz», seit 2008 mit einigem Erfolg vor. Die wöchentlichen Interviews des Journalisten Markus Ackeret mit SVP-Stratege Christoph Blocher (svp, ZH) seien 2022 jeweils von mehreren 10'000 Personen angesehen worden.

Auch FDP-Vizepräsident Andri Silberschmidt, seines Zeichens der erste Bundesparlamentarier mit einer Tiktok-Präsenz, hielt die neuen, direkten Kommunikationskanäle der SP für «eine schlaue Idee»: Man könne mit solchen Mitteln Werbung in eigener Sache machen, und zwar nicht nur vor den Wahlen, sondern nachhaltig. Die FDP versuche dies mit ihrem Magazin «Freisinn» ebenfalls. Er selbst erreiche mit seinem Tiktok-Kanal momentan 13'000 Follower, mit Sessionsrückblicken in Videoformat rund 5000 Personen.

Im Allgemeinen nutze die Linke das Internet und Social Media bisher aber wesentlicher geschickter und erfolgreicher für ihre Kampagnen als die Bürgerlichen, befand die NZZ in einem weiteren Beitrag vom Herbst 2023. Zwei FDP-Politiker beklagten darin, «die Linken» hätten im Internet «hochprofessionellen Content, Videos, Bilder und eine riesige Community, die diesen Content teilt. Wer macht auf unserer Seite diese Videos,wer hat bei uns Hunderttausende Mail-Adressen?» Gegen diese professionelle Kommunikation und Kampagnenführung kämen die bürgerlichen Parteien derzeit nicht an. Die NZZ ortete im bürgerlich-liberalen Lager indessen drei jüngere Initiativen, die dies ändern sollten: Die «Liberale Aktion für Reform und Ambition (Lara)», den Nebelspalter und das Institut für Schweizer Wirtschaftspolitik an der Universität Luzern.
Die Lara-Aktion werde von der «Bonny-Stiftung für die Freiheit» finanziert und bringe unter der Anleitung der PR-Agentur Farner junge Influencerinnen und Influencer mit Jungfreisinnigen und Forschenden zusammen. Ziel sei der Aufbau «eine[s] liberalen Momentum[s] auf Social Media», was aber ein langwieriges Unterfangen werde.
Der Nebelspalter, der 2021 von Markus Somm übernommen und seither durch 70 Investorinnen und Investoren aus dem Umfeld der bürgerlichen Gegnerschaft des EU-Rahmenabkommens finanziert wird, habe ursprünglich eigentlich hinter einer Bezahlschranke eine liberale Community aufbauen wollen, biete seine wichtigsten Formate inzwischen aber kostenlos an: den Newsletter von Somm und den Podcast «Bern einfach» von Somm und seinem Stellvertreter Dominik Feusi.
Das ebenfalls 2021 gegründete Institut für Wirtschaftspolitik (IWP) wird vom Wirtschaftsprofessor Christoph Schaltegger und dem vormaligen NZZ-Journalisten René Scheu geführt, finanziert werden die rund zehn Vollzeitstellen von einer Stiftung. Schaltegger sagte gegenüber der NZZ, natürlich sei niemand neutral, aber das IWP sei inhaltlich unabhängig und forsche ergebnisoffen. Gemäss NZZ erhofften sich vom IWP allerdings «viele Liberale», auf dem von Bürgerlichen lange vernachlässigten Feld der Universitäten Boden gutzumachen, denn dieses spiele für die Deutungshoheit in der öffentlichen Debatte eine zentrale Rolle. Die AZ hielt es für «offensichtlich», dass die Geldgeberinnen und Geldgeber das IWP deshalb unterstützen, weil Schaltegger und Scheu für eine liberale Einstellung bekannt seien und von ihnen ein kritischer Ansatz bei der Untersuchung der Auswirkungen staatlicher Aktivitäten zu erwarten sei. Grosse Projekte des Instituts untersuchten etwa das Bürokratiewachstum, die Beschäftigung im öffentlichen Sektor, die Subventionstätigkeit des Bundes oder die Einkommensverteilung. Ein wichtiges Anliegen des IWP ist gemäss Schaltegger die öffentliche Vermittlung seiner Erkenntnisse, gerade auch an ein jüngeres Publikum – einerseits über die klassischen Medien, aber auch mit Videos, Lernplattformen, Social-Media-Beiträgen und Podcasts. Im Frühjahr 2023 verbreitete es einzelne Forschungsergebnisse zudem mit einer Plakatkampagne.

Kommunikationsstrategien der Parteien

Nachdem sich der Landesring der Unabhängigen (LdU) auf nationaler Ebene 1999 aufgelöst hatte, blieben zunächst auf kantonaler und kommunaler Ebene noch vereinzelte Sektionen bestehen. Erst im Herbst 2022, also fast ein Vierteljahrhundert nach dem Ende der Mutterpartei, hörte auch die schweizweit letzte LdU-Ortspartei auf zu existieren: Die fünf verbliebenen Mitglieder des LdU im aargauischen Neuenhof beschlossen die Auflösung ihrer Lokalpartei, die seit ihrer Gründung 1970 bis 1997 stets im Gemeindeparlament sowie bis 2013 fast durchgängig im Gemeinderat vertreten war.

Auflösung der letzten LdU-Ortspartei

Der Direktor der Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) und ehemalige Zürcher Nationalrat Hans-Ulrich Bigler trat im August 2022 von der FDP zur SVP über. In der Presse wurde der Schritt als wenig überraschend kommentiert. Bigler habe «schon länger näher an der SVP politisiert als am Freisinn», fand etwa die NZZ. Als Beispiele nannte sie Biglers scharfe Kritik an der Covid-19-Politik der Behörden, seinen – auch innerhalb des SGV umstrittenen – Einsatz für die No-Billag-Initiative oder seine Unterstützung für die von der SVP angeführte SRG-Halbierungsinitiative. Auch in der Klimapolitik habe er den SGV auf einen SVP-nahen Kurs geführt. Schliesslich habe sich der SGV unter Bigler auch im Stil der SVP angenähert, mit äusserst hart geführten Abstimmungskämpfen und Kooperationen mit der SVP-nahen Werbeagentur Goal.
Die FDP des Kantons Zürich nehme Biglers Abgang «entspannt» zur Kenntnis, erklärte ihr Präsident der NZZ. Inhaltliche Differenzen habe es vor allem bei Klima- und Umweltthemen gegeben, diese seien aber nicht dramatisch gewesen und hätten in der FDP Platz gehabt. Ein Teil der Freisinnigen habe sich an Biglers «provokativer Kommunikation» gestört, im persönlichen Umgang habe es jedoch keine Probleme gegeben.
Bigler selbst bezeichnete seinen Parteiwechsel an einer Medienkonferenz als «Resultat einer kontinuierlichen persönlichen Entwicklung». Es seien keine einzelnen Schlüsselereignisse ausschlaggebend gewesen. Bisweilen empfinde er die Politik der FDP aber als «inkohärent». Als Beispiel nannte Bigler, der auch Präsident des atomenergiefreundlichen «Nuklearforums Schweiz» ist, dass die Freisinnigen den Bau neuer Atomkraftwerke zunächst ablehnten und mittlerweile eher wieder befürworteten. Für die FDP war er 2015 in den Nationalrat gewählt worden, musste sich 2019 aber vom neu antretenden, auf der Liste hinter ihm platzierten Andri Silberschmidt überholen lassen und verpasste so die Wiederwahl. Ob er für die SVP nochmals für öffentliche Ämter kandidieren werde, stehe noch nicht fest, sagte Bigler laut NZZ; sollte er von der Partei angefragt werden, stehe er aber zur Verfügung.
Biglers Parteiwechsel erfolgte rund ein Jahr vor seinem per Mitte 2023 angekündigten Rücktritt als SGV-Direktor.

Prominente Ein- und Austritte bei der SVP

Zweieinhalb Jahre nach den eidgenössischen Wahlen 2019 hatten insgesamt sechzehn Kantone ihre Parlamente und Regierungen neu bestellt, im März 2022 waren auch die grossen Kantone Bern und Waadt dazugekommen. In der Presse wurde dies zum Anlass genommen, um eine Zwischenbilanz über die seit 2019 in den Kantonen eingefahrenen Gewinne und Verluste der einzelnen Parteien zu ziehen und daraus eine Formkurve der Parteien abzuleiten sowie ihre Aussichten für die eidgenössischen Wahlen 2023 zu diskutieren.
Als Haupttrend machten die Medien die Fortsetzung der «grünen Welle» aus: Diese sei nach den nationalen Wahlen 2019 auch durch praktisch alle Kantone gerollt, indem die Grünliberalen und die Grünen fast überall Zugewinne erzielten, vielerorts auch in einem für Schweizer Verhältnisse recht beträchtlichen Ausmass. Ihre Erfolge führten die Medien vor allem auf ihre Kernthemen Klima und Ökologie zurück, bei der GLP zudem auf die konsequent europafreundliche Linie der Partei. Insgesamt kamen die Grünen damit Ende März 2022 auf 264 Sitze in den kantonalen Parlamenten (+48 Sitze und +2,7% Wählendenanteil seit 2019), die GLP auf 144 (+46 und +2,9%). Mit der FDP (neu 526 Sitze, –28 und –1,1%), der SVP (522, –22 und –1,1%), der Mitte (447, –20 und –1.1%) und der SP (432, –45 und –2,4%) hatten demgegenüber die vier Bundesratsparteien allesamt verloren, am stärksten die SP.
Obwohl also der Aufwärtstrend der Grünen anhielt, wies er nicht mehr dasselbe Ausmass auf wie bei den nationalen Wahlen und den ersten darauffolgenden kantonalen Urnengängen. In der Konsequenz bedeutete dies erstens, dass nunmehr die GLP vor den Grünen die am stärksten zulegende Partei war, und zweitens, dass das linke Lager insgesamt nun nicht mehr wie seit 2019 wuchs, sondern schrumpfte: Die Zugewinne der Grünen reichten zuletzt nicht mehr aus, um die Verluste der SP zu (über)kompensieren.
Mit Bezug auf die SP stellten die NZZ und der Tages-Anzeiger fest, dass sich die Wahlresultate nochmals verschlechtert hatten, seitdem Cédric Wermuth (sp, AG) und Mattea Meyer (sp, ZH) im Oktober 2020 das Co-Präsidium übernommen hatten. Die SP habe seither weder die sozial- und wirtschaftspolitische Krisenlage im Zuge der Covid-19-Pandemie noch Abstimmungssiege etwa im von ihr angeführten Referendum gegen die Stempelsteuer-Abschaffung in Wahlerfolge ummünzen können. Im Tages-Anzeiger wurden zwei mögliche Erklärungen für das Formtief der SP genannt: die parteiinternen Konflikte in der Europapolitik und eine «ideologische Verengung», durch die der sozialliberale Parteiflügel nur noch wenig wahrgenommen werde und die entsprechenden Wählendengruppen nicht mehr abgeholt werden könnten.
Die Mitte wiederum schien an den Wahlurnen nicht nennenswert vom neuen Parteinamen und der Fusion zwischen CVP und BDP profitieren zu können, sondern befand sich in einem unverminderten Abwärtstrend – zuletzt auch in der einstigen BDP-Hochburg Bern.
Was die Rückschlüsse auf die nationalen Wahlen 2023 betrifft, relativierten sowohl die AZ als auch die NZZ: Die Ergebnisse der kantonalen Wahlen liessen sich nicht einfach auf die nationale Ebene übertragen. So seien die FDP und die Mitte in den Kantonen traditionell stärker, während die Parteien an den politischen Polen bei nationalen Wahlen besser mobilisieren könnten. Ohnehin könne sich die Grosswetterlage bis im Oktober 2023 noch ändern, etwa als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine; je nach dessen weiterem Verlauf könnte beispielsweise die SVP mit ihren Kernthemen Flüchtlingspolitik, Neutralität und Europa wieder auf mehr Resonanz stossen.

Sehr unterschiedliche Interpretationen lieferten die Medien zur elektoralen Entwicklung der politischen Lager: Die WOZ fand, es sei weiterhin ein «Linksrutsch» festzustellen, weil das rot-grüne Lager seit 2019 immer noch im Plus liege. Die Aargauer Zeitung betonte dagegen, dass es zwischen dem linken, dem rechten und dem Zentrums-Lager über alle Kantone hinweg insgesamt nur geringe Verschiebungen gebe; die wesentlichen Umwälzungen spielten sich vielmehr innerhalb der «Blöcke» ab (im Zentrum eine Stärkung der GLP und eine Schwächung der Mitte, im linken Lager eine Stärkung der Grünen und eine Schwächung der SP). Die NZZ und der im Tages-Anzeiger zitierte Politologe Claude Longchamp wiederum stellten in den Vordergrund, dass das rot-grüne Lager zuletzt und das nationalkonservative Lager mit der SVP schon seit Längerem gewisse Verluste verbucht hätten, während das politische Zentrum dank der GLP unter dem Strich zulege. Damit sahen sie einen lang anhaltenden Trend in der Schweizer Politik – das Wachstum der beiden politischen Pole auf Kosten des Zentrums – vorerst gebrochen.

Bilanzen über Gewinne und Verluste der Parteien in kantonalen Wahlen

Die sechs grössten Parteien der Schweiz verzeichneten 2020 und 2021 nach eigenen Angaben fast durchwegs einen deutlichen Mitgliederzuwachs, wie die Aargauer Zeitung im Januar 2022 berichtete. Die Zahlen sind zwar zu relativieren, weil nicht alle Parteien ein zentrales Mitgliederregister führen und die Parteien zudem unterschiedliche Kriterien dafür verwenden, ab wann sie jemanden als Parteimitglied zählen. Die Aargauer Zeitung und der von ihr befragte Politanalyst Mark Balsiger hielten einen Zuwachs indessen für plausibel. Als Erklärungsfaktoren nannten sie, dass in dem Zeitraum viele Bürgerinnen und Bürger durch die stark alltagsrelevante Covid-19-Pandemie, aber auch durch die intensivierte Diskussion um den Klimawandel und durch aussergewöhlich intensive Abstimmungskämpfe etwa zur Konzernverantwortungsinitiative im November 2020 und zu den beiden Covid-19-Gesetzesvorlagen im Juni und im November 2021 politisiert worden seien. Diese Politisierung sei noch verstärkt worden durch einen stark erhöhten Medienkonsum vieler Leute in den ersten anderthalb Jahren der Pandemie und zeige sich nebst den vermehrten Parteieintritten auch an den aussergewöhnlich hohen Beteiligungsraten bei den Volksabstimmungen seit Pandemiebeginn.
In absoluten Zahlen den stärksten Zuwachs meldete Die Mitte. Seit der Fusion von CVP und BDP (zuletzt 82'000 bzw. 4'000 Mitglieder) im Januar 2021 sei die Mitgliederzahl um 5'500 auf 91'500 gestiegen. Die Partei führte dies auch auf ihr Rebranding mit dem neuen Parteinamen zurück.
Einen nicht genauer bezifferten Nettozuwachs «im vierstelligen Bereich» meldete die SVP, deren Mitgliederzahl gemäss einer nicht datierten Angabe auf der Parteiwebsite 80'000 betrug. In jüngerer Vergangenheit sei die Mitgliederzahl nur nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative 2014 und nach der Nichtwiederwahl ihres Bundesrats Christoph Blocher 2007 noch stärker gestiegen. Der massnahmenkritische Kurs der Partei in der Coronapolitik führte gemäss ihren eigenen Angaben zwar zu Austritten älterer bisheriger Mitglieder, diese seien aber mehr als kompensiert worden durch jüngere Neumitglieder, die sich gerade von diesem Kurs angesprochen gefühlt hätten.
Die SP meldete 32'814 Mitglieder, was rund 1'400 Personen mehr seien als zwei Jahre zuvor. Es gebe aber schon seit 2015 einen kontinuierlichen Zuwachs. Ein Teil der Neumitglieder sei wegen der Coronapolitik zur SP gestossen, die Hauptgründe waren gemäss einer Neumitgliederbefragung aber Gespräche mit Bekannten, die bereits Parteimitglieder waren, und Ereignisse im Zusammenhang mit einzelnen Abstimmungen oder Wahlen.
Gar den grössten «Mitgliederboom» ihrer Parteigeschichte erlebten gemäss Parteipräsident Balthasar Glättli die Grünen: Die Mitgliederzahl sei in zwei Jahren um 2'300 auf 12'967 gestiegen, was wohl auf die Themenführerschaft der Grünen in der Klimapolitik zurückzuführen sei.
Am sechstmeisten Mitglieder hatte die GLP, die 6'800 Mitglieder meldete, was 1'700 mehr seien als zwei Jahre zuvor. Der starke Anstieg habe schon nach den für die GLP äusserst erfolgreichen Nationalratswahlen 2019 begonnen.
Keine Informationen zur aktuellen Mitgliederentwicklung hatte die FDP Schweiz. Man nehme aber «keine namhaften Schwankungen» wahr. Im Jahr 2019 hatte die Partei ihre Mitgliederzahl mit 120'000 beziffert.
Vergleicht man die gemeldeten Zahlen mit jenen aus dem Jahr 2013, so sind die Mitte und die SVP seither per Saldo geschrumpft, bei der FDP blieb die Mitgliederzahl stabil. Demgegenüber konnten die SP, die Grünen und die GLP ihre Mitgliederbasis seit 2013 verbreitern.

Mitgliederzahlen der Parteien

Anlässlich der Suche der FDP nach einer Nachfolge für Parteipräsidentin Petra Gössi fragte die Aargauer Zeitung im August 2021 die sechs grössten Parteien der Schweiz nach der finanziellen Entschädigung für die Parteipräsidien.
Ausser der SVP erhielt die Zeitung von allen Parteien Zahlen. Am wenigsten grosszügig war demnach die GLP: Ihr Präsident Jürg Grossen (glp, BE) erhielt den eher symbolischen Fixbetrag von CHF 2'500 pro Jahr und keine zusätzliche Spesenentschädigung. Gegenüber der Aargauer Zeitung gab Grossen an, die Finanzen der GLP liessen keine höhere Entschädigung zu und sein Lohn seien das Wachstum und die Sitzgewinne der Partei. Grossens Amtskollege Balthasar Glättli (gp, ZH) von den Grünen wurde mit CHF 28'000 pro Jahr entschädigt (CHF 16'480 Lohn und CHF 11'520 Spesen). Petra Gössis (fdp, SZ) Lohn bei der FDP betrug CHF 50'000 zuzüglich einer Spesenentschädigung in nicht genannter Höhe. Die SP liess sich ihr Präsidium insgesamt CHF 80'000 pro Jahr kosten, wobei auf Co-Präsidentin Mattea Meyer (sp, ZH) und Co-Präsident Cédric Wermuth (sp, AG) je CHF 35'000 Lohn und CHF 5'000 Spesen entfielen. Am grosszügigsten war schliesslich die Mitte: Ihr Präsident Gerhard Pfister (mitte, ZG) wurde von seiner Partei mit rund CHF 100'000 pro Jahr entschädigt; dieser Betrag setzte sich zusammen aus einer Grundentschädigung, einer Spesenvergütung und Sitzungsgeldern. Die Mitte war damit die einzige Partei, welche Sitzungsgelder ausrichtete. Mitte-Generalsekretärin Gianna Luzio erklärte gegenüber der Aargauer Zeitung, die Mitte gehe für ihr Präsidium von einem 60-Prozent-Job aus, und die Entschädigung für Pfisters Vorgänger Christophe Darbellay (cvp, VS) bei der damaligen CVP habe sich in einem ähnlichen Bereich bewegt.
Von der SVP erhielt die Zeitung bloss die Auskunft, dass Parteipräsident Marco Chiesa (svp, TI) keinen Lohn, aber eine Spesenentschädigung bekomme; deren Höhe nannte die SVP nicht. Laut der Aargauer Zeitung wird in der SVP allerdings gemunkelt, diese Spesenentschädigung sei so hoch angesetzt worden, dass sie für mehr als nur die Spesen reiche. Die Entschädigung ihres Präsidiums hatte bei der SVP – wie auch schon bei anderen Parteien – für Diskussionen gesorgt, als sie Kandidaturen für die Nachfolge von Albert Rösti suchte und schliesslich Chiesa fand.

Entschädigung der Parteipräsidien

Bei den kantonalen Gesamterneuerungswahlen, die im Berichtsjahr in sechs Kantonen (ZH, LU, BL, AR, AI, TI) stattfanden, testete die FDP mit sogenanntem «Door2Door» eine neue Wahlkampfstrategie: In den Kantonen Zürich, Luzern und Basel-Landschaft führte die Partei Hausbesuche durch, um in direkten Kontakt mit der Wählerschaft treten und so die Wähleranteile erhöhen zu können. Die FDP arbeitete mit einer App, die jeden Strassenzug nach sozialer Zusammensetzung sortierte. Dies sollte sichtbar machen, wo sich ein Wählerkontakt lohnte. Dieses Tool wurde im Kanton Basel-Landschaft stark kritisiert, wie die lokale Presse mitteilte. Ob die Strategie funktionierte, liess sich an den Wahlergebnisse nur bedingt ablesen. Im Kanton Zürich verlor die FDP zwei Sitze im Parlament (neu: 29 Sitze) und einen ihrer beiden Regierungsratssitze. Eine Tages-Anzeiger-Umfrage, durchgeführt vom Forschungsinstitut Sotomo, hatte bereits darauf hingedeutet, dass der zweite Regierungsratssitz der FDP auf der Kippe stehen würde. Gewählt wurde Martin Neukom von den Grünen. Der Wähleranteil des Zürcher Freisinns ging um 1.6 Prozentpunkte zurück (neu: 15.7%). Nach der Schlappe der FPD in Zürich wurden interne Kritiken am Kurs der Partei laut, wie der Tages-Anzeiger einige Tage nach den Wahlen berichtete. Kritisiert wurde vor allem die klimapolitische Kursänderung, die Parteipräsidentin Petra Gössi Mitte Februar 2019 angekündigt hatte. Mit dieser Kursänderung seien die grünen politischen Kräfte begünstigt worden. Auch im Kanton Luzern musste die FDP Verlusten einfahren. Hier verlor sie drei Sitze in der Legislative (neu: 22 Sitze), konnte aber ihren Regierungsratssitz verteidigen. In Luzern hatte sich die FDP 1.5 Prozentpunkte Zuwachs an Wähleranteil zum Ziel gesetzt; stattdessen verlor sie gut 1.5 Prozentpunkte. Im Kanton Basel-Landschaft hingegen konnte die FDP ihre Sitze in der Legislative (17 Sitze) verteidigen, verlor aber einen Sitz in der Regierung (neu: ein Sitz). Auch im Kanton Tessin kassierte die Partei eine Niederlage. Hier verlor sie einen Sitz im Parlament (neu: 23 Sitze) und der Wähleranteil ging um 1.4 Prozentpunkte zurück. Einzig im Kanton Appenzell-Ausserrhoden konnte die FDP einen Sitz im Parlament gewinnen (neu: 24 Sitze). Zusammenfassend musste die FDP somit Sitzverluste in fast allen Kantonen verzeichnen.

Erfolge und Verluste der FDP in den kantonalen Wahlen

Ca. 8 Monate vor den eidgenössischen Wahlen 2019 versuchte FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) den Kurs der FDP bezüglich der Klimafrage und des CO2-Gesetzes zu ändern und löste damit eine interne Diskussion über diese Frage aus. Ausgangspunkt der Kursänderung war die Meinungsänderung der FDP bezüglich einiger konkreter Aspekte des CO2-Gesetzes, nachdem dieses unter Opposition der Linken und der SVP in der Wintersession 2018 im erstberatenden Nationalrat abgelehnt worden war. So zum Beispiel sei die Partei nicht mehr gegen die Flugticket-Abgabe, so Gössi. Auch für ein Inlandziel, also die Festlegung eines Wertes der angibt, wie hoch die Verminderung der CO2-Emissionen in der Schweiz sein muss, könnte die FDP Hand bieten, wenn dadurch ein breiter Kompromiss geschaffen werden könne. Kurz vor dem Interview mit der FDP-Parteipräsidentin im Tages-Anzeiger hatte sich die vorberatende UREK-SR mit Unterstützung von FDP-Vertreterinnen und -Vertretern bereits für ein Inlandziel ausgesprochen. Einige FDP-Politiker, wie zum Beispiel die Ständeräte Thomas Hefti (fdp, GL) und Ruedi Noser (fdp, ZH) befürworteten den Einsatz der Partei für einen stärkeren Schutz des Klimas. So sass der Zürcher Ständerat beispielsweise im Komitee der Gletscherinitiative, während der Glarner gegenüber der NZZ betonte, dass das Klima zu schützen richtig und wichtig sei. Andere Parteimitglieder, wie zum Beispiel Christian Wasserfallen (fdp, BE) zeigten sich gegenüber einzelnen Aspekten des neuen CO2-Gesetzes, wie der Flugticketabgabe, eher skeptisch. Gössi betonte, dass die Partei bereit sei, Kompromisse bei der Revision des CO2-Gesetzes einzugehen und vor allem allgemein eine aktivere und wirksamere Klimapolitik wollte. Gegenüber dem Tages-Anzeiger betonte die Parteipräsidentin zudem, dass das vermehrte Engagement der Partei für die Klimapolitik keine Wahltaktik sei. Das Klima sei ein Thema, das die zukünftigen Generationen stark betreffe, deswegen müsse sich auch die FDP diesem Thema widmen.
Um die Meinung der Parteibasis über die Umweltpolitik einzuholen, führte die Partei eine Umfrage bei ihren Parteimitgliedern durch, in der sie unter anderem erfragten, welches Gewicht die Mitglieder dem Klimawandel im Vergleich zu Themen wie der Altersvorsorge oder den Gesundheitskosten zuschrieben, ob der Mensch einen Einfluss auf das Klima habe und ob die Befragten strengere Vorschriften beim Klimaschutz oder mehr Eigenverantwortung befürworteten. Dies sei jedoch keine Urabstimmung, betonte Parteipräsidentin Gössi, die Resultate seien somit nicht direkt bindend für die Bundeshausfraktion. Die Idee einer solche Umfrage wurde schon von Gössi gegenüber dem Tages-Anzeiger im Februar 2019 geschildert. Trotz der Einbindung der Basis äusserte die Presse unter anderem Kritik am Stil Gössis: Sie habe die Klimawende parteiintern nur im engsten Kreis abgestimmt, aber weder die Vizepräsidentinnen und -präsidenten noch die für das CO2-Gesetz zuständigen Kommissionsmitglieder konsultiert.
Die Ergebnisse der Befragung, welche der Sonntags-Blick Ende April 2019 publizierte, zeigten, dass 78 Prozent der insgesamt 14'198 Befragten der Meinung waren, die FDP solle sich künftig mehr für den Klima- und Umweltschutz engagieren. Weitere 68 Prozent der Befragten befürworteten die Förderung des CO2-freien Verkehrs auf der Strasse, 73 Prozent der Befragten sprachen sich für eine Flugticketabgabe und 59 Prozent der Befragten für die Förderung von Subventionen für erneuerbare Energien aus. Diese Resultate präzisierte die NZZ ein paar Tage später: Zwar sei der Umweltschutz für die FDP-Mitglieder ein wichtiges Thema, was bei der Berichterstattung zur Umfrage jedoch gefehlt habe, sei, dass die Parteimitglieder die Gesundheitskosten, die Altersvorsorge und die Beziehungen zur Europäischen Union als noch wichtiger einschätzten. Die FDP hätte die Umfrage nicht veröffentlichen wollen, so dass zum Schluss nur einzelne Resultate – aus dem Zusammenhang gerissen – publiziert worden seien.
Basierend auf diesen Ergebnissen und der breiten Unterstützung der Parteibasis zur Klimafrage verfassten die Begleitgruppe, die Fachkommission Umwelt und Energie inklusive der Mitglieder der UREK, der FDP-Vorstand und die Konferenz der kantonalen Parteipräsidenten (PPK) ein neues Positionspapier, das bei der Delegiertenversammlung vom Juni 2019 deutlich gutgeheissen wurde. Das Papier umfasste die neue Ausrichtung der FDP in Bezug auf Klima und Umwelt, die sich auf verschiedene freisinnige Grundsätze wie Fortschritt, Forschung und Innovation, Eigenverantwortung und Lenkungsmassnahmen stützte. Die Grundsätze wurden dann auf vier zentrale Bereiche der Gesellschaft, nämlich Natur/Landschaft, Wohnen, Arbeit/Bildung und Verkehr, angewendet, wobei pro Bereich verschiedene Massnahmen geschildert wurden. Der neue Kurs der Partei und das neue Positionspapier würden für Wasserfallen und die anderen Kritiker schwer zu verdauen sein – wie der SonntagsBlick Ende Juni 2019 schrieb. Ob die ganze Fraktion im Parlament den Beschlüssen über die Klimapolitik folgen wird, war eine offene Frage; für Fraktionschef Beat Walti verfügte die FDP jetzt zumindest über eine Grundlage und eine Legitimation, klimafreundlichere Entscheidungen auch im Parlament zu treffen.

Kursänderung der FDP bezüglich der Klimafrage und des CO2-Gesetzes
Dossier: Klimawandel in der Schweiz

Die FDP setzte bei den kantonalen Wahlen in den Kantonen Basel-Landschaft, Luzern und Zürich sowie bei den Nationalrats- und Ständeratswahlen 2019 eine von den Medien als umstritten definierte Wahlstrategie ein, die sogenannte Door2Door-Strategie. Bei dieser Strategie, die vor allem in den Vereinigten Staaten genutzt wird, machte die Partei Haustürbesuche, um direkt mit den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern im Kontakt zu treten und mit ihnen über Politik zu reden. Die zwei Baselbieter Sektionen der Partei aus Allschwil und Sissach starteten das Pilotprojekt im Januar 2019, weiter meldeten sich Sektionen aus den Kantonen Zürich und Luzern für das Pilotprojekt an. Neben dem erhofften Werbeeffekt für die Wahlen wollte die Partei herausfinden, ob diese Art von Wahlkampf die Leute anspricht.
Um die Door2Door-Strategie erfolgreich umzusetzen, nutzte die Partei ein Datenerfassungstool mit dem Namen «NationBuilder», das in der Presse stark kritisiert wurde. Dieses sollte sogenanntes Microtargeting ermöglichen, bei dem «potenzielle Wähler und Wählerinnen mit individuellen zugeschnittenen Informationen» erreicht werden sollten, wie die Basellandschaftliche Zeitung Anfang Januar 2019 berichtete. Die App sollte es ermöglichen, FDP-Wahlkämpferinnen und -Wahlkämpfer in die Quartiere und Strassen potenzieller FDP-Wählerinnen und -Wähler zu lotsen. Auch wenn die Medien über die Benutzung von Personendaten sprachen, wurden auf der App Personennamen und andere Daten zur Person nicht gezeigt; es tauchten nur Hausadressen und Strassen auf, wie Matthias Leitner, Verantwortlicher des FDP-Wahlkampfs, im St.Galler Tagblatt betonte. Um die Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer auszubilden, wurden zudem verschiedene Weiterbildungskurse und Workshops angeboten.
Die Medien berichteten über die Erfahrungen einzelner Kandidierender mit dieser Methode; im Kanton Zürich waren die Parteimitglieder beispielsweise aufgefordert worden, in ihrer Nachbarschaft an Türen zu klopfen – egal in welchem Quartier sie wohnten. In beiden Berichten waren die Aktionen kaum von Erfolg geprägt und auch in der Stadt Luzern reagierten viele Personen misstrauisch. Dennoch schien diese Wahlkampfstrategie zumindest im Kanton Zürich erfolgreich gewesen zu sein: Überall dort, wo FDP-Wahlkämpfer und -Wahlkämpferinnen im Einsatz gewesen waren, fielen die in den kantonalen Wahlen eingebüssten Verlusten geringer aus, berichtete die NZZ. Entsprechend beschloss die FDP gemäss NZZ, die Strategie auch bei den Nationalrats- und Ständeratswahlen 2019 einzusetzen.

Door2Door-Wahlstrategie der FDP

Bei den Bundesratswahlen 2019 bestätigte die FDP ihre zwei Sitze im Bundesrat: Sowohl ihre bisherige Bundesrätin Karin Keller-Sutter als auch ihr bisheriger Bundesrat Ignazio Cassis wurden wiedergewählt. Ignazio Cassis erzielte aufgrund der fehlenden Unterstützung der SP und der Grünen 145 Stimmen, womit der Coup der Grünen, den zweiten FDP-Sitz zu erobern und damit mit Regula Rytz (gp, BE) erstmals eine grüne Bundesrätin zu verzeichnen, scheiterte. Der Widerstand der links-grünen Parteien gegen Ignazio Cassis hatte sich schon früher abgezeichnet, etwa als SP-Parteipräsident Christian Levrat (sp, FR) Cassis nur zwei Monaten nach dessen Wahl gemäss Medien als «Praktikanten» bezeichnet hatte.
Die Medien spekulierten nach den Bundesratswahlen über einen möglichen Departementswechsel von Ignazio Cassis, zumal der Tessiner Bundesrat von vielen Seiten für seine Verhandlungsweise mit der EU bezüglich des institutionellen Rahmenabkommens kritisiert wurde. Trotz dieser Kritik blieb Cassis weiterhin Vorsteher des EDA.
Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter erzielte – so die NZZ – ein relativ schlechtes Ergebnis: Sie erhielt 169 Stimmen. Die Zeitung vermutete, dass hinter dieser niedrigen Stimmenzahl SVP-Vertreterinnen und -Vertreter steckten, die an ihrer Stelle den Namen von FDP-Nationalrat Marcel Dobler (fdp, SG) auf den Stimmzettel geschrieben hätten – Marcel Dobler erhielt 21 Stimmen. Seit Langem würden somit bei den Bundesratswahlen erstmals wieder «solche Spiele» gespielt, kritisierte die NZZ.
Vor den Bundesratswahlen hatte sich FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) gegenüber den Medien zu einem möglichen grünen Bundesratssitz geäussert. Demnach müssten sich die Grünen zuerst auf allen Ebenen etablieren und Beständigkeit in ihren Resultaten zeigen, bevor sie einen Bundesratssitz fordern könnten. Zudem sollten die Grünen die SP-Bundesratssitze angreifen, weil sie auf deren Kosten in den National- und Ständeratswahlen so stark zugelegt hätten. Die FDP sei zwar bereit, über andere mögliche Zusammensetzungen des Bundesrates zu diskutieren, ein Konkordanz-Gipfel, wie ihn CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) vorgeschlagen hatte, sei jedoch unnötig. Die FDP-Parteipräsidentin nannte denn auch zwei Möglichkeiten, wie eine neue Zusammensetzung des Bundesrates herbeigeführt werden könne: durch einen Verzicht auf Ersatzwahlen bei Rücktritten in der zweiten Hälfte der Legislatur sowie durch eine Verschiebung der Bundesratswahlen auf zwei Jahre nach den Parlamentswahlen, womit die Parteien mehr Zeit für die Diskussionen untereinander hätten.

Resultate der FDP bei den Bunderstaswahlen 2019

Die FDP verzeichnete in den Nationalratswahlen 2019 moderate Verluste. Die Partei verlor 1.3 Prozentpunkte beim Wähleranteil (neu: 15.1 Prozent) sowie vier Mandate (neu: 29 Sitze) und blieb trotzdem die drittstärkste Kraft im Parlament – hinter der SVP und der SP.
Eines der Hauptthemen dieser Wahlen war das Klima, was sich bereits in den kantonalen Erneuerungswahlen angekündigt hatte und wie die Erfolge der Grünen und der Grünliberalen bestätigten. Dennoch brachten die neue Positionierung der FDP in der Klimafrage und die Formulierung eines neuen entsprechenden Positionspapiers keine Erhöhung des Wähleranteils und wirkte sich gemäss den Autoren und Autorinnen des Wahlbarometerberichts sogar negativ auf den Formstand der Partei aus. Der Freisinn profitierte somit wohl nicht von ihrem Kurswechsel, den Parteipräsidentin Petra Gössi (fdp, SZ) laut Medien auch nicht als Wahlkampfmanöver verstanden wissen wollte. Die Relevanz anderer Themen hatte sich bereits im Juni im Wahlbarometer angekündigt; damals wollten die FDP-Sympathisantinnen und -Sympathisanten die Partei aber vor allem wegen Themen wie der Altersvorsorge und den Beziehungen zur EU wählen.

Für ihre Wahlkampagne verwendete die FDP neu den Slogan «Gemeinsam weiterkommen», was so viel bedeute, wie «wir machen Politik von Menschen für Menschen», wie Parteipräsidentin Petra Gössi Anfang Jahr im Blick erklärte. Während der Wahlkampagne griff die FDP erneut ihre schon in den kantonalen Wahlen erprobte Strategie «Door2Door» auf. Zudem lancierte sie eine spezielle Wahlkampagne auf sozialen Medien – ein Novum für die Schweiz, wie der Tages-Anzeiger berichtete. Dazu habe die FDP ihr Parteiprogramm in knackige Sätze aufgeteilt und diese auf unterschiedliche Bildmotive gepackt, wie die Zeitung erklärte. Sodann kaufte die Partei Facebook- und Instagram-Reichweite. Nachdem die Werbung eine Weile auf den Kanälen kursiert war, wertete die FDP aus, welche Bilder funktionierten. Letztlich kaufte die FDP Reichweite im grossen Stil, jedoch nicht mehr flächendeckend, sondern auf die Nutzergruppe zugeschnitten, die zuvor besonders intensiv mit der jeweiligen Werbung interagiert hatte.
In den Medien ebenfalls auf Aufmerksamkeit stiess die als historisch definierte Listenverbindung zwischen der FDP und der CVP im Kanton Tessin, da die zwei Parteien im Südkanton bisher traditionell die grössten Gegenspieler waren, wie die NZZ betonte.

Resultate der FDP bei den Nationalratswahlen 2019

Die Grünliberale Partei der Schweiz verzeichnete in den Nationalratswahlen 2019 sowohl Sitz- als auch Wähleranteilgewinne. Die GLP gewann neun zusätzliche Sitze im Nationalrat (neu: 16 Sitze) und ihr Wähleranteil stieg um 3.2 Prozentpunkte (neu: 7.8 Prozent). Das von Parteipräsident Jürg Grossen in den Medien geäusserte Ziel von zwölf Sitzen wurde somit gar noch übertroffen. Diese guten Resultate bestätigten die im Rahmen der kantonalen Erneuerungswahlen stattgefundene «grüne Welle», bei der Grüne und Grünliberale grosse Erfolge erzielen konnten.
Mit den Gewinnen der Grünliberalen Partei wuchs gemäss Medien das Mitte-Links-Lager im Nationalrat deutlich an: Grüne, SP, CVP und GLP kamen im Nationalrat neu auf 108 Stimmen und erhielten damit eine Mehrheit. Mit dieser Einteilung konnte aber etwa der Co-Präsident der Zürcher Grünliberalen, Nicola Forster (ZH, glp), gemäss einem Interview in der NZZ nichts anfangen. Für ihn sei die GLP klar in der Mitte, es sei absurd die Partei dem Links-Grünen-Lager zuzurechnen. Die FDP versuche, die GLP in die linke Ecke zu stellen, während die SP und die Grünen der GLP vorwerfen würden, sie sei zu liberal. Forster betonte, dass die Partei mit dem Wählergewinn 2019, der höher war als derjenige der FDP, ihre eigenen Projekte umsetzen möchte. Dazu sei es für die GLP wichtig, dass sie verantwortungsvoll mit der FDP auf der eine Seite und SP und Grünen auf der anderen Seite zusammenarbeite.
Parteipräsident Jürg Grossen hatte im Tages-Anzeiger bereits im Januar 2019 mitgeteilt, dass sich die Wahlkampagne der GLP auf die Themen des Klimaschutzes, der Innovation und der internationalen Vernetzung konzentrieren werde. Im Mai präsentierte dann die Partei das finale Wahlprogramm vor den Medien: Die Grünliberalen setzten auf eine Umweltpolitik, die eher aus Lenkungsmassnahmen als aus Verboten bestehe; weiter forderte die Partei eine liberale Gesellschaftspolitik, welche die Ehe für alle und die Individualbesteuerung bringe sowie mehr Investitionen in intelligente Technologien fördere. Für die Wahlkampagne stellte die nationale Partei gut eine halbe Million Franken zur Verfügung. Die einzelnen Kandidierende sollten zudem selber ins Portemonnaie greifen, um sich bekannt zu machen. Jürg Grossen gab zudem zu Protokoll, dass sich die GLP keine gross angelegte Plakatkampagnen leisten könne.

Resultate der Grünliberalen bei den Nationalratswahlen

Die FDP verlor bei den Ständeratswahlen 2019 einen Sitz (neu: 12 Mandate). Im Tessin verlor die Partei ihren historischen Sitz im Stöckli zugunsten der SVP, nachdem die Tessiner Freisinnigen dort seit 1848 ununterbrochen vertreten gewesen waren. Der bisher im Nationalrat tätige Giovanni Merlini, der nur für den Ständerat kandierte, wurde nicht gewählt. Stattdessen wurde der SVP-Kandidat Marco Chiesa ins Stöckli geschickt.
Im Kanton Bern kam es zu einem Eklat, wie der Tages-Anzeiger berichtete. So trat Christa Markwalder (fdp, BE) für den zweiten Wahlgang an, um den Sitz von BDP-Ständerat Werner Luginbühl anzugreifen, obwohl die BDP-Kandidatin Beatrice Simon im ersten Umgang mit über 20'000 Stimmen vor FDP-Kandidatin Markwalder gelegen hatte. Die Kandidatur von Markwalder konkurrenzierte damit Simon, die dann ihren Verzicht bekannt gab. Markwalder wurde im zweiten Wahlgang vierte, hinter Regula Rytz und den gewählten Werner Salzmann und Hans Stöckli.

Resultate der FDP bei den Ständeratswahlen 2019

An der Delegiertenversammlung Mitte April 2016 in Bern wählte die FDP ein neues Präsidium. Philip Müller (fdp, AG), 2015 in den Ständerat gewählt, trat etwas überraschend als Präsident zurück, weil er sich ganz auf die Kantonsvertretung konzentrieren wolle. Er hatte das Amt 2012 von Fulvio Pelli (fdp, TI) als zuerst «belächelter Nichtakademiker» (NZZ) übernommen und wurde in Bern für seinen «unermüdlichen Einsatz» gefeiert, der als mitursächlich für die «Positivspirale» und die jüngsten eidgenössischen Wahlerfolge betrachtet wurde. Seine «direkte, bodenständige und ehrliche Art» habe geholfen, neue Wählerinnen und Wähler zu gewinnen, war der Medienmitteilung der Partei zu entnehmen.
Zur Nachfolgerin Müllers wurde Petra Gössi (fdp, SZ) gekürt – als einzige sich zur Verfügung stellende Kandidatin einstimmig und ohne Enthaltungen. Die 40-jährige ehemalige Schwyzer Kantonalparteipräsidentin war 2011 in den Nationalrat gewählt worden und hatte den Sitz 2015 erfolgreich verteidigt. In den Medien wurde der dritten Frau an der Spitze des Freisinns (nach Christiane Langenberger und Marianne Kleiner) wenig Kredit eingeräumt. Es werde für die als «trocken» geltende und in Bern noch nicht sehr bekannte Wirtschaftsberaterin nicht leicht werden, die FDP in ihrer momentanen Bestform zu halten, argwöhnte etwa der Sonntagsblick. Darüber hinaus könne sie sich im Gegensatz zu Müller kaum glaubhaft von der Finanzwirtschaft distanzieren. In einigen Medien wurde eine von ihr beratene Firma mit den Panama Papers in Verbindung gebracht. Le Temps prognostizierte einen «changement de génération, mais aussi du style».
Neben Gössi wurden neu Andrea Caroni (fdp, AR), Philippe Nantermod (fdp, VS) und Christian Vitta (Ti, fdp) ins Vize-Präsidium gewählt. Christian Wasserfallen (fdp, BE), von vielen Medien als Nachfolger für Müller gehandelt, und Christian Lüscher (fdp, VD) wurden im Vizepräsidialamt bestätigt. Gössi bezeichnete die fünf im Schnitt 40 Jahre alten Vizepräsidenten als ihre «Boygroup». Aus dem Präsidium zurückgetreten waren neben Müller auch Vincenzo Pedrazzini (SZ, fdp), Carlo Speziali (TI, fdp) und Isabelle Moret (fdp, VD). Nach ihrer Wahl zur neuen FDP-Präsidentin trat Gössi aus dem Vorstand des Gewerbeverbands und des Hauseigentümerverbands zurück.

Neues FDP-Präsidium mit Gössi als Präsidentin (2016)
Dossier: FDP-Präsidentinnen und -Präsidenten seit 2000

«Der Fall FDP: Eine Partei verliert ihr Land»: Unter diesem Titel erschien Anfang Mai 2015 ein Buch der Tamedia-Journalisten Alan Cassidy und Philipp Loser. Die Autoren beschreiben darin den «Niedergang der FDP» und erklären ihn einerseits mit dem Aufstieg der SVP und anderseits mit der Unfähigkeit der modernen FDP, Antworten auf drängende Fragen zu finden. Die einst staatstragende Partei, die den Bundesstaat mit aufgebaut hat, werde es so nicht mehr geben, so das Fazit der Analyse, die in den Medien auf einiges Echo stiess.

«Der Fall FDP» – das Buch