Suche zurücksetzen
Themenübergreifendes Suchen:

Inhalte

  • Parteien
  • Parteiensystem

Akteure

Prozesse

174 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Die GLP im Jahr 2023: Kurzüberblick

Im Zentrum des Jahres 2023 standen für die GLP wie auch für die anderen Parteien die National- und Ständeratswahlen. Für die Grünliberalen brachten diese einen herben Dämpfer. Nicht nur ging – nachdem sie sich ursprünglich eine deutliche Steigerung zum Ziel gesetzt hatten – ihr Wählendenanteil leicht zurück, sondern ihre Nationalratsfraktion schrumpfte – teilweise wegen Proporzpech – sogar um mehr als einen Drittel. Dass sie den Wiedereinzug in den Ständerat schafften, war für die Grünliberalen nur ein schwacher Trost. Als neue Fraktionspräsidentin bestimmten die Grünliberalen nach den Wahlen Corina Gredig (glp, ZH), die auf die in den Ständerat wechselnde Tiana Angelina Moser (glp, ZH) folgte.
Ihre zuvor gehegten Bundesratsambitionen begrub die GLP nach dem deutlichen Verpassen ihrer Wahlziele. Mit der Wahl ihres Kandidaten Viktor Rossi zum Bundeskanzler ist sie künftig dennoch im Bundesratszimmer vertreten. Die Grünliberalen sind damit die erste Partei der Schweizer Geschichte, die einen Bundeskanzler stellt, ohne ein Bundesratsmitglied zu haben.
Nach den Parlamentswahlen gab in den Medien die künftige Ausrichtung der GLP Stoff für Spekulationen: Während Parteipräsident Jürg Grossen in Interviews gewisse Avancen nach Rechts zu machen schien, schloss sich mit Tiana Angelina Moser die einzige GLP-Ständerätin der Ratsgruppe der Grünen an. Ein wichtiger Geldgeber der Partei wiederum sprach sich für eine Parteifusion mit der Mitte aus.
Erfreulicher als die eidgenössischen Wahlen waren für die GLP in der ersten Jahreshälfte eine Reihe kantonaler Parlamentswahlen verlaufen, auch wenn die Zugewinne bereits bescheidener als noch in den Vorjahren ausfielen: Im Tessin und in Appenzell Ausserrhoden gelang der GLP jeweils der erstmalige Einzug ins Kantonsparlament, im Baselbieter Landrat erreichte sie erstmals Fraktionsstärke. Und auch in Glarus konnte die GLP – hier nicht aufgrund eines Wahlerfolgs, sondern wegen Parteiübertritten – erstmals eine eigene Fraktion bilden.

Die GLP im Jahr 2023: Kurzüberblick
Dossier: Kurzüberblick über die Parteien im Jahr 2023

Im Mai 2023 wurde im Kanton Genf mit der Union Populaire eine neue Linksaussen-Partei gegründet. Gemäss einer Medienmitteilung mobilisierte die Gründungsversammlung einige Dutzend Unterstützerinnen und Unterstützer. Nach eigenen Angaben will die Union Populaire eine kämpferische Partei sein, die für soziale Gerechtigkeit, Umwelt und Demokratie eintritt und sich gegen eine «neoliberale Politik, die sowohl sozial als auch ökologisch verheerend» sei, zur Wehr setzen will.
Ihre Wurzeln hat die Union Populaire in der Partei «Résistons», die 2021 als Abspaltung von SolidaritéS gegründet worden war, 2022 den Namen «EàG-Genève» verwendete und für die Genfer Grossratswahlen vom April 2023 die Liste «Ensemble à Gauche – Liste d’union populaire» aufgestellt hatte. Auch wenn die Liste das Quorum von 7 Prozent und damit den Einzug ins Kantonsparlament deutlich verpasst hatte, fühlten sich ihre Vertreterinnen und Vertreter gemäss der Medienmitteilung durch die Unterstützung, die sie im Wahlkampf erfahren hatten, zur Parteineugründung ermutigt. Auch bei den Nationalratswahlen im Oktober 2023 wolle man kandidieren und dann den Nationalratssitz der abtretenden Stefania Prezioso Batou verteidigen, so die Partei in der Medienmitteilung. Ob die Vorgängerpartei «Résistons» formell aufgelöst oder nur faktisch durch die Union Populaire ersetzt wurde, geht aus den uns vorliegenden Quellen nicht hervor.

Gründung der Union Populaire in Genf

Nachdem sich 2021 eine Faktion von SolidaritéS abgespaltet und die neue Partei Résistons gegründet hatte, vertieften sich die Konflikte zwischen den Genfer Linksaussen-Parteien in den Jahren 2022 und 2023. Die in der Presse verhandelten Streitpunkte betrafen dabei keine politischen Inhalte, sondern ausschliesslich Fragen der Strategie und des Zusammenarbeitsstils.
Résistons war zunächst Teil der Wahlallianz Ensemble à Gauche (EàG) geblieben, zu welcher neben SolidaritéS auch die Partei der Arbeit (PdA) und DAL (Défense des aî-né-e-s, des locataires, de l’emploi et du social) gehörten. Allerdings wurde viel Geschirr zerschlagen, als im Februar 2022 die Vertreterinnen und Vertreter von Résistons an einer Sitzung des Vereins «Ensemble à Gauche – Grand Conseil» versuchten, diesen praktisch in eine ordentliche Partei umzuwandeln, indem er für Einzelmitglieder geöffnet würde. An jener Sitzung stellte Résistons die Mehrheit der Teilnehmenden und brachte überraschend eine entsprechende Statutenänderung ein, die gegen den Widerstand der drei anderen Allianzpartner auch angenommen wurde. Ursprünglich war der Verein bloss zur Abwicklung administrativer Belange, die sich aus der gemeinsamen Fraktion der vier EàG-Partner ergaben, gegründet worden, und EàG hatte ausschliesslich aus den vier Organisationen als Kollektivmitgliedern bestanden. Nach der faktischen Übernahme des Vereins trat Résistons als «EàG-Genève» auf. Dies führte zu weiterer Empörung bei SolidaritéS, PdA und DAL, die kritisierten, der Name der einst von ihnen gegründeten Wahlallianz werde damit von den Dissidentinnen und Dissidenten usurpiert. Sie trugen den «Namenskrieg» («guerre des noms», wie die Tribune de Genève schrieb) gar vor Gericht.
Hinzu kamen ein Streit um die korrekte Aufteilung der Fraktionsbeiträge, die die gemeinsame Fraktion im Grossen Rat erhalten hatte, und Vorwürfe, dass Résistons-Mitglieder gegenüber den anderen Partnern autoritär aufgetreten und verbale Gewalt angewandt hätten. SolidaritéS, PdA und DAL sahen schliesslich keine Basis für eine Zusammenarbeit mehr und beschlossen im Herbst 2022, für die kantonalen Wahlen 2023 zu dritt eine gemeinsame Liste mit dem Namen «Ensemble à Gauche: SolidaritéS, DAL, Parti du Travail» zu bilden, von welcher Résistons ausgeschlossen wurde. Résistons seinerseits bezeichnete die Beziehungen zu den drei ehemaligen Partnern in der Presse ebenfalls als stark beschädigt, plädierte aber aus wahltaktischen Gründen dennoch für eine gemeinsame Liste, da bei einer Aufspaltung auf zwei Listen das Quorum von 7 Prozent für einen Einzug ins Kantonsparlament unerreichbar bleiben dürfte und somit gar keine Linksaussen-Partei mehr im Parlament vertreten wäre. Weil SolidaritéS, PdA und DAL aber hart blieben, präsentierte Résistons schliesslich eine eigene Liste – unter der Bezeichnung «Ensemble à Gauche – Liste d’Union Populaire», was für erneuten scharfen Protest der drei Gründungsorganisationen von «Ensemble à Gauche» sorgte. Die PdA schloss zudem zwei ihrer prominenteren Mitglieder – alt Nationalrat Jean Spielmann und alt Grossrätin Salika Wenger – aus der Partei aus, weil diese sich auf die Wahlliste der Konkurrenz hatten setzen lassen. Nachdem ein Einigungsversuch in letzter Minute gescheitert war, zogen die beiden Listen im April 2023 schliesslich definitiv getrennt in die kantonalen Wahlen. Mit 3,55 Prozent für «EàG: Sol, DAL, PdT» und 3,08 Prozent für «EàG – LUP» verpassten erwartungsgemäss beide das Quorum von 7 Prozent deutlich.

Konflikte in der Genfer Linken und Gründung der Union Populaire

Jahresrückblick 2022: Parteien

Die Parteien als wichtige politische Akteure werden in der Öffentlichkeit besonders stark im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen wahrgenommen. Mit den Bundesratsersatzwahlen vom Dezember 2022 schnellte insbesondere die Medienpräsenz der SVP und der SP, in geringerem Mass auch jene der Grünen in die Höhe (siehe Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse 2022 im Anhang).
Die SVP hatte dabei den zurücktretenden Ueli Maurer zu ersetzen. Zu reden gab dabei, dass die in den letzten Jahrzehnten tonangebende Zürcher Kantonalsektion erst nach längerer Suche überhaupt eine Kandidatur präsentieren konnte (alt Nationalrat Hans-Ueli Vogt), während die Berner Sektion mit Nationalrat Albert Rösti und Ständerat Werner Salzmann gleich zwei Kandidaten ins Rennen schicken konnte. Relativ früh zeichnete sich ab, dass es anders als bei früheren Bundesratswahlen bei der SVP zu keiner Zerreissprobe und allfälligen Parteiausschlüssen kommen würde, da die anderen Fraktionen keine Ambitionen erkennen liessen, eine Person ausserhalb des offiziellen SVP-Tickets zu wählen, für das die SVP-Fraktion letztlich Vogt und Rösti auswählte. Schliesslich erhielt die SVP mit Albert Rösti einen Bundesrat, der als linientreu und gleichzeitig umgänglich im Ton gilt.
Die SP wiederum hatte nach dem überraschenden Rücktritt von Simonetta Sommaruga nur wenig Zeit für die Nominierung ihrer Kandidaturen. Für gewisse Turbulenzen sorgte hier der von der Parteispitze rasch und offensiv kommunizierte Antrag an die Fraktion, sich auf Frauenkandidaturen zu beschränken. Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) rebellierte zunächst dagegen und gab seine eigene Kandidatur bekannt, zog diese aber wieder zurück, nachdem die SP-Fraktion dem Antrag der Parteispitze deutlich zugestimmt hatte. Mit einer «Roadshow» der Kandidatinnen in verschiedenen Landesteilen versuchte die SP trotz der knappen Zeit noch vom Schaufenstereffekt der Bundesratswahlen zu profitieren. Aufs Ticket setzte die Fraktion schliesslich die beiden Ständerätinnen und ehemaligen Regierungsrätinnen Eva Herzog (BS), die Mitglied der SP-Reformplattform ist und eher dem rechten Parteiflügel zugerechnet wird, und Elisabeth Baume-Schneider (JU), die als umgänglicher und weiter links stehend gilt. Im Parlament gingen in den ersten Wahlgängen überraschend viele Stimmen an den nicht auf dem Ticket stehenden Jositsch, bevor schliesslich Baume-Schneider den Vorzug vor Herzog erhielt. Wenig erbaut zeigte sich die SP von der anschliessenden Departementsverteilung, bei der Baume-Schneider das EJPD zugeteilt und Alain Berset ein angeblich gewünschter Wechsel aus dem EDI verwehrt wurde.
Dass weder die SVP noch die SP um ihre zweiten Bundesratssitze bangen mussten, hatte auch damit zu tun, dass sich die Grünen, die bei den letzten Gesamterneuerungswahlen noch mit einer Sprengkandidatur angetreten waren, selbst früh aus dem Rennen nahmen. Manche Beobachterinnen und Beobachter warfen den Grünen deswegen Harmlosigkeit und mangelnden Machtinstinkt vor. Die Grünen argumentierten dagegen, dass ein Angriff auf den SP-Sitz dem rot-grünen Lager keine Stärkung bringen würde und ein Angriff auf den SVP-Sitz aussichtslos gewesen wäre, weil das «Machtkartell» der bisherigen Bundesratsparteien keine Sitzverschiebungen wolle.

Alle 2022 durchgeführten kantonalen Wahlen wurden von den Medien auch als Tests für den Formstand der Parteien im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen im Herbst 2023 interpretiert. Die grossen Zwischenbilanzen, die im März nach den kantonalen Wahlen in Bern, der Waadt, Obwalden und Nidwalden gezogen wurden, bestätigten sich im Wesentlichen auch in den folgenden Glarner und Zuger Wahlen (allerdings nicht in Graubünden, das wegen einem Wechsel des Wahlsystems jedoch einen Sonderfall darstellt): Die «grüne Welle» rollte weiter, zumal die Grünen und noch stärker die GLP fast durchwegs Zugewinne verbuchen konnten. Demgegenüber büssten alle vier Bundesratsparteien Stimmenanteile ein, am deutlichsten die SP. Spekulationen über Gewinne und Verluste bei den nationalen Wahlen und mögliche Auswirkungen für die Sitzverteilung im Bundesrat sind freilich zu relativieren, weil sich Themen- und Parteienkonjunktur bis im Oktober 2023 noch deutlich verändern können und sich kantonale Wahlergebnisse aus mehreren Gründen nicht einfach auf die nationale Ebene übertragen lassen.

Misst man den Rückhalt der Parteien an ihrem Erfolg in den Volksabstimmungen, so ergibt sich ein etwas anderes Bild: Am häufigsten – nämlich bei 8 von 11 Abstimmungsvorlagen – stand dieses Jahr die EVP mit ihren Parolen auf der Siegerseite, gefolgt von EDU, FDP, GLP und Mitte (je 7). Seltener jubeln konnten die Parteien an den linken und rechten Polen des Spektrums (Grüne, PdA, SP und SVP: je 6). Freilich ist nicht jede Abstimmungsvorlage für jede Partei gleich wichtig. So war etwa für die SP das knappe Ja zur AHV-21-Reform mit der Frauenrentenaltererhöhung besonders schmerzhaft, die beiden Nein zu den Teilabschaffungen von Stempel- und Verrechnungssteuer hingegen besonders erfreulich. Für FDP und SVP war es gerade umgekehrt, daneben war für sie auch die Ablehnung des Medienpakets ein bedeutender Erfolg.

Mit Blick auf ihre Mitgliederzahlen sahen sich derweil fast alle grösseren Parteien im Aufwind: GLP, Grüne, Mitte, SP und SVP meldeten im Vergleich zu 2020 Mitgliederzuwächse im vierstelligen Bereich, die FDP hatte keine Informationen zu ihrer aktuellen Mitgliederentwicklung. Ein Grund für die vermehrte Hinwendung zu den Parteien könnte sein, dass die stark alltagsrelevante Covid-19-Pandemie, die intensivierte Diskussion um den Klimawandel und aussergewöhnlich intensive Abstimmungskämpfe etwa zur Konzernverantwortungsinitiative im November 2020 und zu den beiden Covid-19-Gesetzesvorlagen im Juni und im November 2021 viele Bürgerinnen und Bürger stärker politisiert haben.

Das Jahr brachte in der Schweizer Parteienlandschaft auch einige strukturelle Veränderungen. So ist mit der Gründung einer Kantonalsektion in Uri die GLP nun erstmals in sämtlichen Kantonen präsent. Bei der BDP fand zum Jahresbeginn der umgekehrte Weg seinen Abschluss: Am 1. Januar 2022 hörten die letzten beiden BDP-Kantonalsektionen auf zu existieren, nachdem die Partei auf nationaler Ebene schon ein Jahr davor in der Mitte aufgegangen war. Ganz aufgelöst wurde sodann die Partei national orientierter Schweizer (Pnos), die als parteipolitischer Arm der rechtsextremen Szene in der Schweiz gegolten hatte. Sie war im Parteiensystem nie über eine marginale Rolle hinausgekommen. Ihre Auflösung bedeutet allerdings nicht das Aussterben rechtsextremer Ideologien im Land, sondern lediglich das – vorläufige – Ende der parteipolitischen Aktionsform des Milieus.

Nachdem der Bundesrat im zu Ende gehenden Jahr das Gesetz und eine konkretisierende Verordnung zur Transparenz der Politikfinanzierung in Kraft gesetzt hat, werden sich die Parteien im neuen Jahr erstmals an die entsprechenden Regeln halten müssen. Die Parteien, die in der Bundesversammlung vertreten sind, haben unter anderem ihre Gesamteinnahmen sowie Zuwendungen von über CHF 15'000 offenzulegen.

Jahresrückblick 2022: Parteien
Dossier: Jahresrückblick 2022

Zweieinhalb Jahre nach den eidgenössischen Wahlen 2019 hatten insgesamt sechzehn Kantone ihre Parlamente und Regierungen neu bestellt, im März 2022 waren auch die grossen Kantone Bern und Waadt dazugekommen. In der Presse wurde dies zum Anlass genommen, um eine Zwischenbilanz über die seit 2019 in den Kantonen eingefahrenen Gewinne und Verluste der einzelnen Parteien zu ziehen und daraus eine Formkurve der Parteien abzuleiten sowie ihre Aussichten für die eidgenössischen Wahlen 2023 zu diskutieren.
Als Haupttrend machten die Medien die Fortsetzung der «grünen Welle» aus: Diese sei nach den nationalen Wahlen 2019 auch durch praktisch alle Kantone gerollt, indem die Grünliberalen und die Grünen fast überall Zugewinne erzielten, vielerorts auch in einem für Schweizer Verhältnisse recht beträchtlichen Ausmass. Ihre Erfolge führten die Medien vor allem auf ihre Kernthemen Klima und Ökologie zurück, bei der GLP zudem auf die konsequent europafreundliche Linie der Partei. Insgesamt kamen die Grünen damit Ende März 2022 auf 264 Sitze in den kantonalen Parlamenten (+48 Sitze und +2,7% Wählendenanteil seit 2019), die GLP auf 144 (+46 und +2,9%). Mit der FDP (neu 526 Sitze, –28 und –1,1%), der SVP (522, –22 und –1,1%), der Mitte (447, –20 und –1.1%) und der SP (432, –45 und –2,4%) hatten demgegenüber die vier Bundesratsparteien allesamt verloren, am stärksten die SP.
Obwohl also der Aufwärtstrend der Grünen anhielt, wies er nicht mehr dasselbe Ausmass auf wie bei den nationalen Wahlen und den ersten darauffolgenden kantonalen Urnengängen. In der Konsequenz bedeutete dies erstens, dass nunmehr die GLP vor den Grünen die am stärksten zulegende Partei war, und zweitens, dass das linke Lager insgesamt nun nicht mehr wie seit 2019 wuchs, sondern schrumpfte: Die Zugewinne der Grünen reichten zuletzt nicht mehr aus, um die Verluste der SP zu (über)kompensieren.
Mit Bezug auf die SP stellten die NZZ und der Tages-Anzeiger fest, dass sich die Wahlresultate nochmals verschlechtert hatten, seitdem Cédric Wermuth (sp, AG) und Mattea Meyer (sp, ZH) im Oktober 2020 das Co-Präsidium übernommen hatten. Die SP habe seither weder die sozial- und wirtschaftspolitische Krisenlage im Zuge der Covid-19-Pandemie noch Abstimmungssiege etwa im von ihr angeführten Referendum gegen die Stempelsteuer-Abschaffung in Wahlerfolge ummünzen können. Im Tages-Anzeiger wurden zwei mögliche Erklärungen für das Formtief der SP genannt: die parteiinternen Konflikte in der Europapolitik und eine «ideologische Verengung», durch die der sozialliberale Parteiflügel nur noch wenig wahrgenommen werde und die entsprechenden Wählendengruppen nicht mehr abgeholt werden könnten.
Die Mitte wiederum schien an den Wahlurnen nicht nennenswert vom neuen Parteinamen und der Fusion zwischen CVP und BDP profitieren zu können, sondern befand sich in einem unverminderten Abwärtstrend – zuletzt auch in der einstigen BDP-Hochburg Bern.
Was die Rückschlüsse auf die nationalen Wahlen 2023 betrifft, relativierten sowohl die AZ als auch die NZZ: Die Ergebnisse der kantonalen Wahlen liessen sich nicht einfach auf die nationale Ebene übertragen. So seien die FDP und die Mitte in den Kantonen traditionell stärker, während die Parteien an den politischen Polen bei nationalen Wahlen besser mobilisieren könnten. Ohnehin könne sich die Grosswetterlage bis im Oktober 2023 noch ändern, etwa als Folge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine; je nach dessen weiterem Verlauf könnte beispielsweise die SVP mit ihren Kernthemen Flüchtlingspolitik, Neutralität und Europa wieder auf mehr Resonanz stossen.

Sehr unterschiedliche Interpretationen lieferten die Medien zur elektoralen Entwicklung der politischen Lager: Die WOZ fand, es sei weiterhin ein «Linksrutsch» festzustellen, weil das rot-grüne Lager seit 2019 immer noch im Plus liege. Die Aargauer Zeitung betonte dagegen, dass es zwischen dem linken, dem rechten und dem Zentrums-Lager über alle Kantone hinweg insgesamt nur geringe Verschiebungen gebe; die wesentlichen Umwälzungen spielten sich vielmehr innerhalb der «Blöcke» ab (im Zentrum eine Stärkung der GLP und eine Schwächung der Mitte, im linken Lager eine Stärkung der Grünen und eine Schwächung der SP). Die NZZ und der im Tages-Anzeiger zitierte Politologe Claude Longchamp wiederum stellten in den Vordergrund, dass das rot-grüne Lager zuletzt und das nationalkonservative Lager mit der SVP schon seit Längerem gewisse Verluste verbucht hätten, während das politische Zentrum dank der GLP unter dem Strich zulege. Damit sahen sie einen lang anhaltenden Trend in der Schweizer Politik – das Wachstum der beiden politischen Pole auf Kosten des Zentrums – vorerst gebrochen.

Bilanzen über Gewinne und Verluste der Parteien in kantonalen Wahlen

Die Kantonalsektionen der BDP und der CVP fällten in den Jahren 2020 und 2021 Entscheide über ihren Zusammenschluss zur neuen Partei «Die Mitte». Zusätzlichen Schub erhielt dieser Prozess, nachdem die Delegierten der BDP und der CVP Schweiz Mitte November 2020 einer Fusion der Bundesparteien zugestimmt hatten und diese per 1. Januar 2021 vollzogen worden war. An diesem Datum wurden alle noch bestehenden Kantonalsektionen von BDP und CVP zu Sektionen der fusionierten Mutterpartei, womit die Mitte zunächst in den meisten Kantonen über jeweils zwei Sektionen verfügte. Jede Sektion konnte und musste sodann autonom über ihre Zukunft entscheiden, da die Kantonalparteien (und auch die Lokalparteien) in der Schweiz organisationsrechtlich eigenständige Einheiten sind.
Dabei bedauerten die BDP-Mitglieder zwar allenthalben, dass die Etablierung als eigenständige Partei letztlich gescheitert war. In den meisten Kantonen regte sich unter ihnen aber keine oder keine nennenswerte Opposition gegen die Auflösung ihrer Sektion und den Zusammenschluss mit der jeweiligen CVP-Sektion. Exponentinnen und Exponenten, die damit nicht einverstanden waren, wählten eher den Weg des Parteiaustritts. Auch in den meisten CVP-Sektionen gab es keinen prinzipiellen Widerstand gegen eine Fusion; allerdings war die Fusionsdiskussion eng mit der Umbenennung zu «Die Mitte» und somit der Streichung des «C» aus dem Parteinamen verknüpft, die nicht in allen CVP-Kantonalparteien gleich gut ankam. Zugunsten einer Fusion wurden in den meisten Kantonen die folgenden vier Argumente vorgebracht: Erstens seien die inhaltlichen Überschneidungen der beiden Parteien schon bisher gross. Zweitens erhöhe ein Zusammengehen die Schlagkraft der politischen Mitte. Drittens könne man dadurch parteiintern einen breiteren Pool an motivierten Personen zusammenbringen und eine neue Dynamik entfachen. Und viertens ergänze man sich aufgrund teils unterschiedlich verteilter lokaler Hochburgen der beiden Partner wahlarithmetisch gut: Die CVP war nach wie vor stärker in katholischen Gebieten verankert, die BDP stärker in protestantischen Regionen.

Zu den ersten BDP-Sektionen, die ihre Auflösung und ein Zusammengehen mit der CVP beschlossen, gehörten bemerkenswerterweise jene der beiden BDP-Hochburgen Glarus und Bern, wo der Leidensdruck bei einer rein kantonalen Betrachtungsweise eigentlich geringer war als in anderen Kantonen: In der bernischen wie in der glarnerischen Politik hatte die BDP bis zuletzt noch eine bedeutende Rolle gespielt und sogar etwas (in Glarus) beziehungsweise deutlich (in Bern) mehr Mandate als die CVP inne. Das Aufgehen der BDP in der neuen Mittepartei wurde in diesen beiden Kantonen stark mit dem Wunsch begründet, Teil einer Partei zu sein, die auch auf nationaler Ebene eine nennenswerte Rolle spielt. Auch die Parteibasis liess sich von dieser Überlegung überzeugen: In Glarus entschieden sich die BDP-Mitglieder – darunter auch der BDP-Schweiz-Präsident und erklärte Fusionsbefürworter Martin Landolt – am 3. November 2020 einstimmig für die Fusion, die CVP folgte zwei Tage später mit 84 Prozent Zustimmung. Der Fusionsentscheid fiel in Glarus somit schon rund zwei Wochen vor dem Entscheid der Bundesparteien – und wurde deshalb unter den Vorbehalt gestellt, dass sich auch die nationalen Parteien zum selben Schritt entschliessen würden. Nachdem diese Bedingung erfüllt war und die zunächst auf Januar 2021 angesetzte Gründungsversammlung wegen der Covid-19-Pandemie hatte verschoben werden müssen, wurde der Zusammenschluss in Glarus schliesslich im Mai 2021 formell vollzogen.
Mit Bern traf auch die grösste BDP-Sektion, welche rund die Hälfte aller Schweizer BDP-Mitglieder stellte, schon einige Tage vor den nationalen Mutterparteien ihren Entscheid. Am 11. November 2020 sagten hier bei der BDP 95 Prozent und bei der CVP 93 Prozent der stimmenden Mitglieder Ja zur kantonalen Fusion. Als Grund für den frühen Zeitpunkt gaben die Spitzen der beiden Berner Parteien an, man wolle sich schon als fusionierte Partei auf die kantonalen Gesamterneuerungswahlen vom März 2022 vorbereiten können. Formell vollzogen – mit der Verabschiedung der neuen Statuten und der Wahl des neuen Vorstands – wurde die Berner Fusion dann im März 2021.

In Graubünden, dem dritten BDP-Gründerkanton nebst Bern und Glarus, verlief der Fusionsprozess harziger. Sowohl die CVP als auch die BDP gehörten hier zu den drei stärksten Parteien im Kanton, die beiden potenziellen Fusionspartner standen sich kantonal auf Augenhöhe gegenüber. Historisch hatte im konfessionell gemischten Kanton Graubünden zwischen ihren Vorläufern – den katholischen Konservativen und den reformierten Demokraten (welche sich 1971 der SVP Schweiz angeschlossen hatten) – lange eine ausgeprägte Rivalität geherrscht, in den 1940er Jahren war sogar von einem «Kulturkampf» die Rede (Südostschweiz vom 9.6.2021). Vielleicht spielte auch diese historische Erblast eine Rolle dafür, dass in den Reihen der Bündner BDP 2020 zunächst nicht nur eine Vereinigung mit der CVP, sondern auch ein Zusammengehen mit der FDP oder der GLP erwogen wurde. Auch ein Weiterbestehen der kantonalen BDP mit einer blossen Intensivierung der Zusammenarbeit mit der CVP wurde diskutiert. Die Bündner CVP-Führung wiederum äusserte Bedenken, dass eine Fusion gut etablierte Parteistrukturen gefährden und in CVP- respektive BDP-Stammlanden eine Abwanderung von Wählenden bringen könnte: «Eins plus eins muss nicht zwingend zwei ergeben», liess CVP-Kantonalpräsident Stefan Engler verlauten. Es gab Befürchtungen, dass man als fusionierte Partei die drei von fünf Regierungssitzen und die über 50 von 120 Grossratssitzen schlechter halten könnte. Zudem war in der CVP Graubünden zunächst nicht klar, ob sich eine Mehrheit zu einer Streichung des «C» aus dem Parteinamen würde durchringen können – was wiederum in den Reihen der BDP als Bedingung für ein Zusammengehen galt. Nachdem die beiden Mutterparteien Ende 2020 ihre Fusion auf nationaler Ebene besiegelt hatten, nahm der Prozess aber auch in Graubünden stärker Fahrt auf – auch deshalb, weil die Parteispitzen rechtzeitig vor den kantonalen Gesamterneuerungswahlen vom Mai 2022 Klarheit schaffen wollten. Die BDP-Mitglieder bekannten sich bei einer Mitgliederversammlung informell zum Ziel einer Fusion, eine Projektgruppe aus beiden Parteien nahm ihre Arbeit auf und im Januar 2021 gaben die Junge BDP und die Junge CVP ihre Unterstützung für eine Fusion bekannt. Ende März 2021 sprach sich schliesslich auch die kantonale Parteileitung der CVP erstmals offiziell für eine Fusion – und für eine Umbenennung in «Die Mitte» – aus. In einer gemeinsamen Medienmitteilung der Bündner BDP- und CVP-Geschäftsleitungen wurden die Fusionsbestrebungen auch mit dem anstehenden Wechsel Graubündens vom Majorz- zum Doppelproporzsystem für die Grossratswahlen begründet: Mit dem neuen Wahlsystem werde eine flächendeckende Präsenz im ganzen Kanton wichtiger, deshalb würden die beiden regional unterschiedlich verankerten Fusionspartner einander gut ergänzen. Im April 2021 folgten eine konsultative Urabstimmung bei der CVP und eine Mitgliederumfrage bei der BDP, wobei sich 86 Prozent der CVP- und fast 95 Prozent der BDP-Mitglieder für die Fusion aussprachen. Die NZZ ging davon aus, dass die Nein-Stimmen in der BDP ideologisch begründet waren, da die Bündner BDP aufgrund ihres historischen Erbes etwas weiter rechts zu verorten sei als die CVP; dies gelte für jüngere BDP-Mitglieder allerdings nicht mehr und wie die Südostschweiz aufzeigte, waren sich die beiden Sektionen bei den kantonalen und nationalen Abstimmungsparolen ab 2016 praktisch immer einig. Im Mai 2021 wurden die Statuten für die neue Partei vorgestellt. Sie basierten auf jenen der CVP Graubünden, seien aber «vollständig überarbeitet worden» und sahen für Partei und Fraktion für eine Übergangszeit eine Doppelspitze vor, um beiden Fusionspartnern eine gleichwertige Vertretung zu garantieren. Nach diesen langwierigen Vorarbeiten war es am 7. Juni 2021 schliesslich auch in Graubünden so weit: Zunächst noch in getrennten Delegiertenversammlungen wurde die Fusion von der CVP mit 74 zu 1 Stimmen bei 4 Enthaltungen, von der BDP einstimmig gutgeheissen. Noch am selben Abend folgte die erste gemeinsame Delegiertenversammlung der «Mitte Graubünden» mit der Wahl der neuen paritätischen Doppelspitze. Bis zum Schluss blieb der Fusionsprozess aber von Nebengeräuschen begleitet: Zwischen Dezember 2020 und Juni 2021 traten insgesamt drei BDP-Grossräte zur FDP und einer zur SVP über, aus den Reihen der CVP wechselte ein Grossrat zur SP; auch der dreiköpfige Vorstand der BDP-Ortssektion Chur war geschlossen zur FDP übergetreten, weil für ihn ein Zusammengehen mit der CVP «keine Option» war.

In den Kantonen Aargau im Januar 2021, in Zürich im März 2021 und in Freiburg im Juni 2021 fielen die Entscheide der BDP-Basis zugunsten der Fusion einstimmig aus, wobei zumindest in den ersten beiden Kantonen ein kleiner Teil der BDP-Mitglieder und -Mandatsträger nicht in die neue Mitte-Partei übertrat, sondern zur GLP oder zur FDP wechselte oder aber parteilos wurde. Seitens der CVP gab es in Zürich bloss eine einzige Gegenstimme gegen die Fusion, im Aargau und in Freiburg wurden die CVP-Beschlüsse in der Presse nicht thematisiert.

Einen besonderen Weg wählte im Juni 2021 die BDP Thurgau: Auch sie löste sich auf, beschloss aber – soweit ersichtlich als einzige BDP-Kantonalpartei – kein Zusammengehen mit der kantonalen CVP. Man wolle es den einzelnen Mitgliedern überlassen, ob und welcher anderen Partei sie sich anschliessen möchten, erklärte die Kantonalpartei. Gemäss Medienberichten gab es unter den zuletzt rund 50 Thurgauer BDP-Mitgliedern etliche, die ihre Zukunft in der GLP sahen; andere traten zur Mitte über, wiederum andere wollten keiner Partei mehr angehören.

Als letzte Kantonalsektionen der BDP verschwanden schliesslich die Baselbieter und die Genfer BDP von der politischen Landkarte. Die BDP Basel-Landschaft hatte vor ihrem Entscheid über eine Fusion abwarten wollen, ob die potenzielle Fusionspartnerin das «C» aus dem Namen streichen und sich zum neuen Parteinamen «Die Mitte» bekennen würde – ein Schritt, der in der CVP Basel-Landschaft zunächst umstritten war, letztlich aber doch vollzogen wurde. Nachdem diese Vorbedingung der BDP erfüllt und zudem klargestelt war, dass sich auch BDP-Mitglieder in kommunale und kantonale Leitungsfunktionen der neuen Mittepartei wählen lassen könnten, entschied sich die BDP-Basis Ende September 2021 schliesslich einstimmig dafür, ihre Sektion in der künftigen «Mitte» aufgehen zu lassen. Nicht alle der zuletzt rund 60 Baselbieter BDP-Mitglieder traten indessen in die neue Mittepartei über; so schloss sich etwa eine Gemeinderätin der GLP an und der kantonale Parteipräsident entschied sich für die Parteilosigkeit. Die BDP Genf war schliesslich die letzte BDP-Kantonalpartei, die über ihr Schicksal entschied: Im Dezember 2021 beschlossen auch hier die Mitglieder einstimmig, ihre Sektion in die «Mitte» einzugliedern.
Die Parteifusionen in Basel-Landschaft und Genf wurden per 1. Januar 2022 vollzogen. Genau ein Jahr nach der Bildung der nationalen «Mitte» war der Fusionsprozess somit in den Kantonen abgeschlossen und die BDP hörte auch auf kantonaler Ebene auf zu existieren. Einzelne CVP-Sektionen bestanden hingegen noch weiter, weil sie den Namenswechsel zumindest vorerst nicht mitmachten.

Auflösung der BDP und Zusammenschluss mit der CVP zur Mitte

Kathrin Bertschy (glp, BE) forderte mittels parlamentarischer Initiative die Änderung des Parlamentsressourcengesetzes insofern, dass Fraktionsbeiträge nur noch an jene Fraktionen verteilt werden, deren Parteien jedes Jahr die Herkunft und den Betrag ihrer Spenden offenlegen. Gemäss der Grünliberalen fehlt es in der Schweiz an Transparenz in der Parteifinanzierung, was unter anderem dazu geführt habe, dass die Schweiz mehrmals von der Antikorruptionsbehörde Greco kritisiert worden war.
Im November 2018 prüfte die SPK-NR die parlamentarische Initiative und beantragte mit 14 zu 8 Stimmen, dieser keine Folge zu geben; die Bürgerinnen und Bürger könnten in naher Zukunft über die Transparenz-Initiative abstimmen und falls diese angenommen werde, könne man die Forderung Bertschys bei der Umsetzung der Volksinitiative wieder diskutieren, begründete die Kommission ihren Entscheid. Des Weiteren stellte die Vermischung von Fraktionen und politischen Parteien ein Problem für die Kommission dar, zumal einer Fraktion nicht nur Mitglieder einer Partei angehörten, sondern sich auch Mitglieder anderer Parteien oder Parteilose anschliessen könnten. Zudem seien Bundesbeiträge an Fraktionen zweckgebunden und müssten zur Deckung der Kosten der Fraktionen verwendet werden. Sie dürften somit nicht zur Finanzierung der Aktivitäten von Parteien ausserhalb des Parlaments eingesetzt werden. Schliesslich schaffe der Vorstoss von Kathrin Bertschy eine Bestrafung für diejenigen Parteien, welche die Herkunft und den Betrag ihrer Spenden nicht offenlegten: Sie würden keine Fraktionsbeiträge mehr erhalten. Anfang Juni 2019 gab der Nationalrat dem Anliegen mit 122 zu 62 Stimmen (bei 3 Enthaltung) keine Folge.

Anreize für mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung (Pa.Iv. 17.940)
Dossier: Finanzierung der Politik

Auch 2015 erregte die Frage der Partei- und Politikfinanzierung mediale Aufmerksamkeit. Mitte Jahr reichte die Juso des Kantons Freiburg eine kantonale Volksinitiative ein, mit der gefordert wurde, dass die Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen transparenter wird. Ein ähnliches Anliegen der Juso des Kantons Aargau war im Vorjahr an der kantonalen Abstimmungsurne gescheitert. Hingegen gibt es im Kanton Genf bereits seit 2011 eine entsprechende Regelung. Le Temps veröffentlichte im August die offengelegten Budgets der kantonalen Parteien für das Jahr 2014, die sich zwischen CHF 1.4 Mio. (FDP) und CHF 710'000 (SVP) bewegten (SP: CHF 957'000; EaG: CHF 859'000; MCG: CHF 835'000; CVP: CHF 826'000; GP: CHF 713'000), wobei sich der Anteil an Spenden, die ebenfalls ausgewiesen werden müssen, zwischen den Parteien deutlich stärker unterschied: So stammte fast ein Viertel des Budgets der FDP aus Donationen, während dieser Anteil bei der SVP 11.2 Prozent, bei der CVP 9.5 Prozent und beim MCG 8.3 Prozent betrug. Deutlich geringer war der Anteil an Spenden am Budget der SP (1.1%), der Grünen (1.2%) und der extremen Linken (2.1%). Die links-grünen Parteien finanzierten sich vor allem aus Mandatsabgaben, berichtete Le Temps.
Mitte August ereilte die Schweiz erneut eine Rüge der Greco. Als einziger der 49 Mitgliederstaaten kenne die Schweiz keinerlei Regeln zur Parteienfinanzierung. Sowohl der Befund und die Bewertung im Bericht – Note ungenügend und keine nennenswerten Fortschritte – als auch die Erklärung durch den Bundesrat, wonach sich Transparenz der Politikfinanzierung nicht mit dem speziellen schweizerischen politischen System vertrage, unterschieden sich nicht vom Vorjahresbericht.
Zu reden gaben im Oktober 2015 auch die hohen Ausgaben für die eidgenössischen Wahlen. Der Tages-Anzeiger rechnete – gestützt auf eine Studie aus dem Jahr 2012 – vor, dass im Vergleich von Wahl zu Wahl total jeweils rund CHF 7 Mio. mehr ausgegeben würden als in den jeweils vergangenen eidgenössischen Wahlen. Weil 2003 etwa CHF 28. Mio. aufgewendet worden seien, könne für 2015 entsprechend mit Ausgaben von rund CHF 49 Mio. gerechnet werden. Grund dafür sei auch, dass der Wahlkampf immer früher beginne.
Die SP-Spitze kündigte kurz vor den Wahlen an, die seit einiger Zeit diskutierte Volksinitiative für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung definitiv zu lancieren. Die Delegiertenversammlung gab dafür Anfang Dezember 2015 grünes Licht und im April begann die Partei mit der Unterschriftensammlung. Bei den bürgerlichen Parteien stiess das Anliegen allerdings auf Skepsis.

Kritik an der Politikfinanzierung aus dem Ausland - Greco
Dossier: Finanzierung der Politik

Welche Partei steht ihrer Basis am nächsten? Dieser Frage ging eine Studie nach, die sich auf die VOX-Abstimmungsnachanalysen stützte und einen Vergleich des Abstimmungsentscheids der Stammwählerinnen- und Stammwählerschaft mit der Parteiparole anstellte. Dabei zeigte sich, dass die Basis der Grünen lediglich bei 6 Prozent aller eidgenössischen Abstimmungen zwischen 2004 und 2014 mehrheitlich von der Parole ihrer präferierten Partei abwichen, die BDP-Basis hingegen bei 16 Prozent. Zwischen diesen beiden Extremen fanden sich die SP (7%), die FDP und die GLP (je 13%), die SVP (14%) und die CVP (15%).
Die Verortung der Abstimmungen in einen politischen Raum, der die Dimensionen «links-rechts» und «konservativ-progressiv» umfasste, zeigte zudem, dass sich die Basis aller Parteien jeweils weniger extrem positioniert als die Partei selber. Mit anderen Worten finden sich die Sympathisantinnen und Sympathisanten von SP und GP im politischen Raum weniger weit links und weniger progressiv als ihre Partei, während die Anhängerinnen und Anhänger von GLP, BDP, CVP und FDP relativ zur Parteiposition jeweils etwas stärker links und konservativer verortet werden als ihre präferierte Partei. Weniger stark rechts als ihre Partei scheinen sich auch die Stammwählerinnen und Stammwähler der SVP einzuschätzen. Auf der Achse «konservativ-progressiv» verorten sich die Anhängerinnen und Anhänger der SVP allerdings gar noch konservativer als die Position ihrer Partei dies vermuten liesse.

Vergleich Parteiposition und Stammwähler

Eine von der Handelszeitung finanzierte Umfrage bei den 20 SMI-Unternehmen und 10 weiteren Firmen zeigte, dass Parteispenden immer häufiger offengelegt werden. Die UBS, die CS (total je CHF 1 Mio.), Nestlé, Raiffeisen (total je CHF 250'000), die Swiss (total CHF 200'000) und die Axa-Winterthur würden transparent darlegen, wie viel Geld sie Parteien spenden. Kein Auskünfte geben Novartis, Roche, die Zurich und die Swiss Re.
Laut der Sonntagspresse soll die UBS allerdings lediglich noch CHF 750'000 spenden. Die Bank macht ihre Spende neben einer gewissen Grösse einer Partei auch von deren Bekenntnis zu Wettbewerb und Marktwirtschaft abhängig. Die SP und die GP beziehen deshalb keine Spende von der UBS. Bisher sei das von den Linken nicht abgeholte Geld (laut Schweiz am Sonntag rund CHF 250'000) auf die restlichen Bezügerparteien SVP, FDP, CVP, BDP, GLP und (wahrscheinlich) Lega verteilt worden, dies sei aber nicht mehr der Fall.

Parteispenden

Bis Ende 2014 hatten seit den letzten nationalen Wahlen 2011 in total 19 Kantonen Gesamterneuerungswahlen stattgefunden. Obwohl sich die Kantone dabei natürlich sehr stark unterscheiden, konnten als Trends eine Stärkung der Pole aus SP und SVP, eine Schwächung von GP und CVP, ambivalente Entwicklungen bei BDP und FDP sowie ein anhaltender Erfolg der GLP ausgemacht werden. Auf den ersten Blick schien sich damit das nach den eidgenössischen Wahlen 2011 postulierte tripolare System zu halten, das sich aus einem rechten und einem linken Block sowie der so bezeichneten ‚neuen Mitte‘ konstituiert. Freilich lag dabei die Antwort auf die Frage, wer denn den einzelnen Gruppen angehört, im Auge des Betrachters. Zwar war die Besetzung der beiden Pole mit SP und GP auf der linken und der SVP auf der rechtskonservativen Seite klar. Allerdings erlebten auch im Berichtsjahr in einigen kantonalen Wahlen bürgerliche Schulterschlüsse aus CVP, FDP und SVP eine Renaissance. Die letztlich geplatzte Union zwischen BDP und CVP liess zudem die ‚neue Mitte‘, die je nach Geschäft aus CVP, BDP, EVP und GLP, bei anderen Gelegenheiten aber auch nur aus der CVP alleine bestand, als sehr labiles Gebilde erscheinen. Wie sich das Nein der BDP zu einem engeren Zusammengehen mit der CVP für die junge Partei, aber auch für das gesamte Parteiensystem auswirken wird, muss sich weisen. Die Volatilität des Parteiensystems 2011 bis 2015 zeigte sich auch am Umstand, dass es zu einigen Mitte-Links-Koalitionen kam – insbesondere bei der Energiepolitik. Nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative gesellte sich gar die FDP zu dieser Zusammenarbeit, um die Rettung der Bilateralen zu erwirken. Im Zuge der Vorwürfe gegen die SVP aus beinahe allen Parteien wurden teilweise sogar Nazivergleiche angestellt – ein eher unrühmliches Zeichen dafür, dass sich die SVP isolierte. Eine Weile lang wurde heftig um die FDP gebuhlt, die von der SVP mit der Idee eines rechtsbürgerlichen Blocks einerseits und von der CVP mit dem Ziel einer kohärenten Mitte andererseits gelockt wurde. Interessant war diesbezüglich eine Analyse von Politools im Auftrag der NZZ am Sonntag zu Abstimmungen im Nationalrat, die zeigte, dass FDP und SVP in rund einem Drittel der Geschäfte nicht mehr gleicher Meinung waren. Zu Spitzenzeiten hatte die Übereinstimmungsquote zwischen den beiden rechtsbürgerlichen Parteien noch bei 81,7% gelegen. Mit der CVP (75,6%), der BDP (75,9%) und der GLP (69,9%) schien die FDP in der laufenden Legislatur mehr Berührungspunkte zu haben als mit der SVP. Die höchste Übereinstimmung wurde zwischen GP und SP festgestellt. Die beiden Fraktionen stimmten nur bei weniger als 10% der Abstimmungen anders. Die CVP sah sich als wichtiges Scharnier zwischen Links und Rechts; die SVP warf den Christlichdemokraten hingegen vor, nur noch mit den Linken zu paktieren. Faktisch zeigten sich bei unterschiedlichen Geschäften fallweise Koalitionen, wobei sich die so genannte neue Mitte als relativ heterogen erwies. Das lange Zeit vorherrschende dualistische System mit einem linken und einem bürgerlichen Block bestand freilich nur noch in Ansätzen. Auf der einen Seite wurde dies bedauert, weil das alte System mit hoher Stabilität gleichgesetzt wurde. Auf der anderen Seite wurden fallweise Koalitionen allerdings durchaus auch als ein Zeichen für eine lebendige Politik gesehen.
Über den Diskussionen um die Zugehörigkeit zu den einzelnen Blöcken schwebte auch immer die Frage nach der Sitzverteilung im Bundesrat: Wird Eveline Widmer-Schlumpf noch einmal antreten und den Sitz der BDP verteidigen? Wird die BDP bei einem Verzicht auf eine Union mit der CVP überhaupt noch einmal einen Anspruch auf einen Regierungssitz erheben dürfen und wird die CVP sie darin noch unterstützen? Soll eine rechtsbürgerliche Mehrheit in der Regierung Tatsache werden oder soll die FDP zugunsten der SVP auf einen Sitz verzichten? Die Antworten auf diese Fragen fielen je nach Partei natürlich unterschiedlich aus. Eine definitive Antwort wird sich frühestens im Dezember 2015 finden.

tripolare System

Eine an der Universität Lausanne durchgeführte Studie untersuchte auf der Basis des Schweizer Haushaltspanels, einer seit 1999 wiederholt bei Schweizer Haushalten durchgeführten Befragung, das fiktive Wahlverhalten der ausländischen Bevölkerung. Hätten Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz Wahlrecht, so würden sie vor allem SP (28,5%) und GP (17,8%) wählen. Die SVP erhielte von der ausländischen Bevölkerung 14,3% Wähleranteil, gefolgt von der FDP (13,9%) und der CVP (9%). Während die GP vor allem bei zugewanderten Deutschen hoch im Kurs steht, würden Zuzügerinnen und Zuzüger aus ehemals kommunistischen Ländern die SVP präferieren, so die Studie. Dass die ausländische Bevölkerung weiter links stehe als die Schweizer Bevölkerung zeige sich auch bei der Haltung zu Sachthemen, wie etwa bei der höheren Präferenz für mehr Sozialleistungen, für mehr Umweltschutz und für mehr Chancengleichheit.

fiktive Wahlverhalten der ausländischen Bevölkerung

Im Januar 2014 hatte die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrates (RK-NR) Handlungsbedarf hinsichtlich mehr Transparenz bei Zuwendungen an Parteien oder politische Einzelakteure von jenen Unternehmen geortet, die grösstenteils von der öffentlichen Hand bestimmt werden. Die Kommission betonte – bezugnehmend auf eine parlamentarische Initiative Thomas Minder (parteilos, SH) –, dass es einen Unterschied mache, ob ein privates, börsenkotiertes Unternehmen für Politik Geld spendet oder ob öffentliche Mittel als Zuwendungen verwendet werden. Für von der öffentlichen Hand beherrschte Unternehmen müsse deshalb eine Offenlegungspflicht herrschen. Eine Kommissionsminderheit und die ständerätliche Schwesterkommission lehnten das Begehren ab: Es stelle erstens einen Eingriff in die gesetzgeberische Zuständigkeit der Kantone und Gemeinden dar, weil auch diese an Unternehmen beteiligt sind. Zweitens könne man im Rahmen einer echten Offenlegung der Parteienfinanzierung die privaten Unternehmen nicht von einer Transparenzpflicht ausnehmen. Eine knappe Ratsmehrheit, bestehend aus den geschlossenen FDP- und BDP-Fraktionen, vier Fünfteln der SVP-Fraktion und der Hälfte der CVP, entschied sich mit 92 zu 86 Stimmen gegen Folge geben, womit das Anliegen versenkt war.

Mehr Transparenz bei Parteispenden (Pa.Iv. 14.400)
Dossier: Finanzierung der Politik

Thomas Minder (parteilos, SH) begründete seine in einer parlamentarischen Initiative vorgebrachte Forderung nach der Offenlegung von Zuwendungen an politische Akteure mit dem Umstand, dass börsenkotierte Aktiengesellschaften mitunter sechs- bis siebenstellige Beträge pro Jahr an Parteien spenden würden. Die Aktionäre hätten aber keine detaillierte Kenntnis, welche Parteien wie viele Mittel erhielten. Minder forderte deshalb, dass börsenkotierte Unternehmen im Geschäftsbericht die Gesamtsumme der Zuwendungen an politische Akteure angeben und bei Beträgen über CHF 10'000 auch den Namen der Empfänger auflisten müssen. Gesellschaften der öffentlichen Hand sollten zudem in der Jahresrechnung darlegen, welche Zuwendungen an welche politischen Akteure gemacht wurden. Während sich die ständerätliche Kommission für Rechtsfragen (RK-SR) bereits im Mai für Folge geben ausgesprochen hatte, sprach sich die RK-NR im Januar 2014 knapp mit 10 zu 9 Stimmen bei 5 Enthaltungen gegen das Begehren aus. Die RK-SR machte geltend, dass gegenüber Aktionären Transparenz herrschen müsse und dass dadurch als willkommener, indirekter Nebeneffekt auch der Transparenz hinsichtlich Parteienfinanzierung Vorschub geleistet würde. Die Kommission zitierte eine Forderung der Stiftung Ethos, die in einer Studie aufgezeigt hatte, dass lediglich eine Minderheit der im SMI-Index figurierenden Unternehmen transparent machten, ob und an wen sie Spendengelder bezahlten. Auch Ethos empfehle eine transparente Kommunikation, argumentierte die RK-SR. Die 26-stimmige Ratsmehrheit versenkte das Begehren jedoch gegen 12 Stimmen. In der Debatte wurden vor allem Zweifel an der Praktikabilität des Anliegens geäussert. Zudem würden sich die Aktionäre selber wehren, wenn Transparenz tatsächlich ein Bedürfnis sei.

Offenlegung von Parteispenden (Pa.Iv. 12.499)
Dossier: Finanzierung der Politik

Eine im Auftrag des Tages-Anzeigers von sotomo durchgeführte Analyse der Abweichungen der Kantonalsektionen bei Parolenfassungen zeigte eine eindrückliche Entwicklung: Lag die Wahrscheinlichkeit, dass eine kantonale Partei eine von der Mutterpartei abweichende Parole ergreift, zu Beginn der 1990er Jahre noch bei rund acht Prozent, wichen Kantonalparteien aktuell nur noch sehr selten von der Abstimmungsempfehlung der nationalen Partei ab (Wahrscheinlichkeit von 4%). Als Erklärung führte die Studie eine höhere Mobilität und eine Nationalisierung der einst regional verankerten Medien ins Feld. Am wenigsten häufig weichen laut der Untersuchung die Kantonalsektionen der SP und der Grünen ab. Bis 2003 war es die SVP, die mit den häufigsten abweichenden Kantonalparolen auffiel. Seit der Abspaltung der BDP wichen die kantonalen SVP-Sektionen allerdings etwa gleich häufig ab wie diejenigen der CVP und der FDP. Grund für die strammere Haltung innerhalb der SVP sei aber nicht nur die Spaltung, sondern vor allem die Verschiebung des Gedankenguts der SVP von rechtsliberal-bürgerlich zu rechtskonservativ - so die Studie weiter. Diese Lesart weckte allerdings harsche Kritik. In einem Beitrag in der Weltwoche Anfang Mai stellte (Noch-)Nationalrat Christoph Blocher klar, dass sich nicht die SVP aus dem bürgerlichen Lager entfernt habe, sondern die CVP und die FDP. Zäsur sei die Abstimmung zum EWR gewesen, wo einzig die SVP mit einer "konsequent liberal-konservativen Politik" die Unabhängigkeit der Schweiz verteidigt habe, was laut Blocher auch ihren nachfolgenden Erfolg begründete.

Abweichungen der Kantonalsektionen bei Parolenfassungen

Wenn Unternehmen Parteien im Interesse der Unternehmensziele Geld spenden, so dürfen sie dies als geschäftsmässig begründeten Aufwand von den Steuern abziehen. Diese unter dem Begriff Politsponsoring bekannte Praxis sollte durch eine parlamentarische Initiative Leutenegger Oberholzer (sp, BL) eingeschränkt werden und nur noch möglich sein, wenn die Spende öffentlich bekannt gemacht wird. Die SPK-NR lehnte den Vorstoss, der im Rahmen einer seit einigen Jahren breiter geführten Diskussion um Parteienfinanzierung erörtert wurde, ab und wies darauf hin, dass private Zuwendungen für die vom Staat nicht finanzierten Parteien in der Schweiz sehr wichtig seien. Es bestehe die Gefahr, dass höhere Transparenz Politsponsoring weniger attraktiv machen könnte. Bei der mehrheitlichen Ablehnung des Vorstosses im Nationalrat zeigte sich ein klarer Links-Rechts-Graben: Während die geschlossenen SP- und GP-Fraktionen der Initiative Folge geben wollten, stimmten die GLP-, CVP/EVP-, FDP und SVP-Fraktionen ebenso geschlossen dagegen.

Transparenteres Politsponsoring (Pa.Iv. 12.488)
Dossier: Finanzierung der Politik

Die Fraktionsbeiträge – eine wichtige Finanzierungsquelle der Parteien und quasi-staatliche Parteienfinanzierung – waren der SVP auch 2014 ein Dorn im Auge. 2013 war ihre parlamentarische Initiative für eine Referendumspflicht bei Erhöhung dieser Beiträge zwar gescheitert; im Zuge der Diskussionen um die Budgetkürzungen brachte die SVP allerdings den Vorschlag, auch bei den sich auf total CHF 7.6 Mio. belaufenden Fraktionsbeiträgen zu kürzen. Der Vorschlag fand letztlich allerdings keine Gnade. Die meisten Parteien sind nicht nur auf die Fraktionsbeiträge angewiesen, sondern verlangen auch einen Anteil der Mandatsentschädigung ihrer Abgeordneten. Diese machen etwa bei der SP rund 4 Prozent des Budgets aus, wobei auch die Abgeordneten auf kantonaler und kommunaler Ebene Abgaben tätigen. Bei der CVP und der SVP betragen die Mandatsbeiträge rund 3 Prozent des nationalen Budgets. Eine internationale Studie zeigte auf, dass die höheren Beiträge, die Mandatsträger von linken Parteien ihren Zentralen abgeben müssen, ein gesamteuropäisches Phänomen darstellen.

Fraktionsbeiträge werden nicht gekürzt (2014)
Dossier: Entschädigung von Parlamentsmitgliedern

Die Diskussionen um die Parteienfinanzierung rissen auch 2014 nicht ab. Dabei zeigte sich in vielen Bereichen ein Graben zwischen Links und Rechts. Während die SP und die GP relativ transparent Zuwendungen summarisch veröffentlichten, Spenden von Wirtschaftsunternehmen in der Regel nur sehr zurückhaltend annahmen und bei der mangelnden Transparenz von einem Demokratiedefizit sprachen, schwiegen sich die Bürgerlichen normalerweise über Zuwendungen aus. Politische Parteien würden eine Dienstleistung erbringen, die durchaus auch von Wirtschaftsunternehmen honoriert werden könne, liess etwa die CVP verlauten. Die FDP nehme keine Spenden an, die sieben Prozent des Parteibudgets übersteigen würden - es wüssten aber lediglich der Generalsekretär und der Parteipräsident, woher Spenden fliessen würden. Damit vermeide man politische Abhängigkeiten. Nach wie vor offen war die Forderung der Greco, der Groupe d'Etats contre la Corruption des Europarats, nach gesetzlichen Regelungen für die Parteien- und Kampagnenfinanzierung. Die Schweiz musste aufgrund eines Nichtkonformitätsverfahrens bis Ende April 2014 einen Bericht vorlegen, indem diesbezügliche Bemühungen dargelegt werden sollten. Darin versuchte der Bundesrat, die mangelnde Transparenz hinsichtlich Parteienfinanzierung mit den Spezifika des schweizerischen Systems zu erklären. Die Greco zeigte sich allerdings wenig beeindruckt und stellte der Schweiz in einem Zwischenbericht ein schlechtes Zeugnis aus. Die Mehrheit der Empfehlungen sei nach wie vor nicht umgesetzt. Zu befürchten hatte die Schweiz dadurch höchstens einen Reputationsschaden. Dagegen kämpfte insbesondere Justizministerin Simonetta Sommaruga, die zwar verschiedene Varianten für eine Verstärkung der Transparenz bei der Parteienfinanzierung erarbeitete, aber bei den bürgerlichen Parteien und im Gesamtbundesrat kein Gehör fand.
Dafür, dass es in naher Zukunft kaum ein Gesetz für Parteienfinanzierung geben wird, sorgte auch das Parlament. Gleich drei Vorstösse für mehr Transparenz in der Legislative wurden abgelehnt: Die parlamentarischen Initiativen von Thomas Minder (parteilos, SH), von Susanne Leutenegger Oberholzer (sp, BL) und von der Rechtskommission des Ständerates (RK-SR) wurden allesamt versenkt. Mit ein Argument war dabei, dass man durch zu viel Transparenz die Spender vergraulen könnte, was für die staatlich nicht finanzierten Parteien ein Problem darstellen würde.
Auch in den Kantonen fand das Thema Transparenz in der Politik keine Mehrheit. Im Kanton Aargau wurde Ende September eine entsprechende Initiative mit 56% Nein-Stimmen abgelehnt. Das Thema wird freilich nicht so schnell verschwinden. Vor allem die Juso, aber auch Lukas Reimann (svp, SG) dachten laut über nationale Volksinitiativen zum Thema Finanzierung der Politik nach. Zudem gaben die investierten Summen bei verschiedenen Abstimmungskampagnen immer wieder viel zu reden.

Kritik an der Politikfinanzierung aus dem Ausland - Greco
Dossier: Finanzierung der Politik

Die CSP Obwalden gehört nicht zur CSP, sondern politisierte bis 2002 unter dem Dach der CVP Schweiz. Aufgrund von internen Streitigkeiten verselbständigte sich die CSP-OW und war zwischen 2005 und 2009 assoziiertes Mitglied der CSP Schweiz. Seit 2010 ist die CSP-OW aber wieder eine eigenständige, nur auf kantonaler Ebene agierende Partei. Allerdings wurde 2011 mit Karl Vogler ein CSP-OW-Mitglied in den Nationalrat gewählt, das sich für den Anschluss an die CVP-Fraktion entschied.

CSP Obwalden

Der Druck der Groupe d’Etats contre la Corruption (Greco), einem Gremium des Europarats, auf die Schweiz, in Sachen Parteienfinanzierung mehr Transparenz zu schaffen, nahm im Berichtsjahr noch einmal zu. 2011 hatte die Greco auf der Basis eines Länderexamens die Schweiz diesbezüglich gerügt, gegen Europarats-Empfehlungen von 2003 zu verstossen. Der Bundesrat hatte noch 2012 beschlossen, das Gespräch mit der Greco zu suchen und das Gremium darauf hinzuweisen, dass Tradition und Besonderheiten des politischen Systems der Schweiz (direkte Demokratie, Föderalismus) nicht vereinbar seien mit Regelungen zur Finanzierung von Politik. Das Schweizer Parteiensystem könne nicht mit dem anderer Länder verglichen werden. Die im April des Berichtjahres geführten Gespräche fruchteten aber nicht. Die Greco anerkannte zwar die Eigenheiten der Schweiz, konnte aber die Nichtvereinbarkeit des Systems mit höherer Transparenz in der Parteienfinanzierung nicht nachvollziehen. Als Konsequenz wurde die Schweiz in ein so genanntes Nichtkonformitätsverfahren versetzt. Dies hat zwar keine rechtlichen Konsequenzen, der politische Druck auf die Schweiz, die mit ihrem 2006 erfolgten Beitritt implizit auch die Empfehlungen der Greco zur Parteienfinanzierung akzeptiert hatte, sollte aber so weit erhöht werden, bis Massnahmen eingeleitet werden. Im Berichtsjahr weiterhin hängig waren die parlamentarischen Initiativen Leutenegger Oberholzer (sp, BL) und Minder (parteilos, SH). Beide zielen auf eine Regelung der Parteispenden von Unternehmen bzw. börsenkotierten Gesellschaften ab. Immerhin hatte sich die Kommission für Rechtsfragen des Ständerats Anfang Mai mit 7 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung für Folgegeben der Initiative Minder entschieden. Die Schwesterkommission hatte sich bis Ende 2013 noch nicht dazu geäussert. Die fehlenden Regelungen führten auch im Berichtjahr dazu, dass verschiedene Unternehmen von sich aus öffentlich bekannt gaben, Parteien zu finanzieren. So kündigte etwa die Fluggesellschaft Swiss an, ab 2014 die Bundesratsparteien nach einem fixen Verteilschlüssel jährlich finanziell mit total CHF 200'000 unterstützen zu wollen. Die Finanzierung wurde dabei offiziell nicht an Bedingungen geknüpft, die Swiss wünsche sich allerdings auch in Zukunft politische Unterstützung. Die SVP gab bekannt, die Spende anzunehmen, die SP kündigte an, darauf zu verzichten, um sich nicht in Abhängigkeiten zu verstricken. Keine Auskunft gaben die anderen drei Regierungsparteien. In den Kantonen Genf und Tessin kennt man kantonale Transparenzvorschriften. Eine Volksinitiative der Juso im Kanton Basel-Landschaft, die ebenfalls mehr Transparenz in der Parteienfinanzierung gefordert hätte, hatte an der Urne keine Chance und wurde mit einem Ja-Anteil von 43% abgelehnt. Im Kanton Zürich wurde eine parlamentarische Initiative der SP mit dem Ziel der Offenlegung von Parteispenden von der zuständigen Kommission und dem Regierungsrat abgelehnt.

Kritik an der Politikfinanzierung aus dem Ausland - Greco
Dossier: Finanzierung der Politik

Die Zusammenarbeit zwischen CVP und BDP war auch im Berichtjahr Diskussionsgegenstand. Von einer Fusion war zwar 2013 explizit nicht mehr die Rede, anhand institutionalisierter Treffen der Bundeshausfraktionen und gemeinsam geführter Abstimmungskampagnen sollte aber eine schrittweise Annäherung vorgenommen werden. So wurden in der Presse etwa der gemeinsame Auftritt in der Abstimmungskampagne für den Preisaufschlag der Autobahnvignette oder ein gemeinsam verfasstes Diskussionspapier zu Migration und Personenfreizügigkeit als Zeichen einer weiteren Annäherung der beiden Parteien gewertet. Die Zusammenarbeit sollte aber nicht nur inhaltlich, sondern auch praktisch intensiviert werden. BDP-Präsident Landolt (GL) kündigte an, dass eine gemeinsame Wahlkampagne, die komplementär zu den je eigenständigen Kampagnen geführt werden solle, sowie möglichst flächendeckende Listenverbindungen geplant seien.

Zusammenarbeit zwischen CVP und BDP

Da die drei grossen bürgerlichen Parteien keine zentralen Mitgliederverzeichnisse führen, ist es praktisch nicht möglich, Entwicklungen hinsichtlich ihrer Organisationsstärke zu analysieren. International zeigt sich seit langem ein teilweise beträchtlicher Mitgliederschwund. Die SP, die ein zentrales Register führt, ist von dieser Entwicklung nicht ausgenommen. Zwischen 1992 und 2011 verloren die Sozialdemokraten rund 15% ihrer Mitglieder, wie der TA berichtete. Die SP wies 2011 noch 31'226 Mitglieder aus. Die von der FDP (120'000 Mitglieder), der CVP (100'000 Mitglieder) und der SVP (90'000 Mitglieder) auf Anfrage genannten Zahlen und insbesondere die Behauptung, dass diese über die letzten 20 Jahre stabil geblieben seien, wurden von Experten angezweifelt. Genauere Angaben lassen sich bei den kleineren Parteien machen, bei denen sich ein gegenteiliger Trend zeigt. Die Mitgliederzahl der Grünen nahm zwischen 2003 und 2012 von 4'779 auf 7'523 zu. Die BDP wuchs zwischen 2008 und 2012 von 3'500 auf 6'000 Mitglieder und die GLP hatte ihre Mitgliederzahl zwischen 2007 und 2012 verdreifacht (2012: 3'600 Mitglieder).

Mitgliederschwund

Die 2008 beschlossene Fusion zwischen der nationalen FDP und der nationalen LP ist bis anhin noch nicht in allen Kantonalsektionen vollzogen worden. Im Berichtsjahr vertieften die Liberalen und die FDP in den Kantonen Genf und Waadt ihre Fusionspläne. Kein Thema ist ein Zusammengehen vorderhand im Kanton Basel-Stadt, wo die Liberale Partei im Berichtsjahr mit der Rückkehr zur Bezeichnung Liberaldemokraten, ihren alten Namen wieder annahm.

Fusion der LPS und der FDP
Dossier: Die Fusion von LPS und FDP

Nachdem die CVP und die BDP nach den Nationalratswahlen und vor den Bundesratswahlen laut über eine mögliche Fusion nachgedacht hatten, wurde Ende 2011 eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Ende Mai 2012 zum Schluss kam, dass eine Fusion nicht geeignet sei. Allerdings werde ein Kooperationsmodell angestrebt, in dessen Rahmen Koordinationstreffen zwischen den Parteispitzen und den Fraktionen stattfinden sollen. Darüber hinaus sollen Listenverbindungen und gemeinsame Wahlplattformen bei nationalen Wahlen sowie gemeinsame Aktivitäten bei Abstimmungen angestrebt werden. Ein Zusammenschluss sei zwar in der Arbeitsgruppe als theoretische Option ebenfalls diskutiert worden, es hätte sich aber gezeigt, dass eine Fusion von der Basis beider Parteien nicht goutiert würde.

CVP und BDP denken über Fusion nach

Anfang September regte Bundesrat Didier Burkhalter in einem Interview an, dass auch die Nichtregierungsparteien an die Von-Wattenwyl-Gespräche eingeladen werden sollten, da sich vor allem die GP und die GLP als verantwortungsvolle Partner bei aussenpolitischen Themen erweisen würden.

Von-Wattenwyl-Gespräche