Auf der äussersten Linken machte sich vermehrt ein Bestreben nach engerer Zusammenarbeit geltend. Die Autonomen Sozialisten des Tessins (Partito socialista autonomo, PSA) hatten im Vorjahr der Partei der Arbeit (PdA) und den Progressiven Organisationen (POCH) eine Institutionalisierung der Kontakte vorgeschlagen. Aus mehrmonatigen Besprechungen ergab sich das Vorhaben einer gemeinsamen Initiative für Verlängerung der gesetzlichen Ferien, an der man auch die Sozialdemokraten zu beteiligen gedachte. Doch diese lehnten ein Zusammenwirken ab und beschlossen, mit dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund eine schon 1976 grundsätzlich beschlossene eigene Ferieninitiative zu lancieren. Da zog es die PdA vor, das Unternehmen der beiden grossen Organisationen zu unterstützen, womit die gemeinsame Aktion der radikaleren Linken gescheitert war.

Die PdA wie die POCH führten über Pfingsten Parteikongresse durch. Beide gaben erstmals den Massenmedien Zutritt zu ihren Verhandlungen. Die PdA richtete das zehn Jahre zuvor aufgehobene Amt des Generalsektretärs wieder ein und übergab es dem Genfer A. Magnin. Dieser übernahm damit die Funktion J. Vincents, der seit 1974 die Partei als Präsident geleitet hatte und der nun, mit einem Ehrenpräsidium bedacht, nur noch Mitglied des Politbüros ist. Am Kongress fiel die grosse Zahl junger Delegierter auf: fast die Hälfte hatte das 35. Altersjahr noch nicht überschritten. Bewegt war die Diskussion über die Energiepolitik, in der sich eine atomkraftwerkgegnerische Tendenz gegen die eher wachstumsorientierte Politik der Parteileitung wandte.

Der POCH-Kongress beschäftigte sich mit dem Entwurf für ein Parteiprogramm, das dann im Dezember von einer Delegiertenversammlung definitiv verabschiedet wurde. Dieses fasst einerseits die bisher in Schriften und Aktionen zum Ausdruck gekommenen Bestrebungen der POCH systematisch zusammen, anderseits richtet es sich auf die Sammlung einer breiten Volkseinheit zum Kampf gegen die Herrschaft der «Monopole» aus. Dabei wird versucht, alle potentiellen Oppositionskräfte – Arbeitnehmer, Kleinbauern, Frauen, Jugendliche, Einwanderer, Mieter, Rentner, Umweltschützer, Atomkraftgegner und selbst die südjurassischen Separatisten – anzusprechen und um die als Motor wirkende Arbeiterbewegung zu scharen. «Demokratische Erneuerung» heisst das neue Leitmotiv, und der historisch gewordene Pluralismus wird ausdrücklich anerkannt. Zwar erscheint der POCH nach wie vor eine Überwindung des Kapitalismus nur durch weltweites Zusammenwirken aller revolutionären und demokratischen Bewegungen einschliesslich der kommunistischen Parteien möglich, doch fliesst nun eine gewisse Kritik am «Machtmissbrauch» in den Oststaaten ein.

Auch die Revolutionäre marxistische Liga (RML) führte – allerdings nicht öffentlich – einen Kongress durch. Obwohl sie entschiedener gegen die Unterdrückung der Opposition im kommunistischen Machtbereich Stellung nimmt als PdA und POCH, wird sie nach ihren Aussagen weiterhin polizeilich überwacht. Immerhin konnte der Sekretär der trotzkistischen Internationale, Ernest Mandel, erstmals wieder in der Schweiz auftreten (im April hob der BR die Einreisesperre endgültig auf). Auch die RML befürwortet eine grössere Aktionsgemeinschaft der Linken, doch lehnt sie eine Fusion, wie sie namentlich PSA und POCH ins Auge fassen, ab. Noch stärker isoliert sind die Maoisten; sie sind erst damit beschäftigt, unter sich zu einer gewissen Zusammenarbeit zu gelangen (im März 1978 vereinigten sich drei Gruppen zur Schweizerischen Kommunistischen Organisation (SKO), die mit der Kommunistischen Partei der Schweiz (KPS) eine Zusammenarbeit anstrebt. Abseits steht die Kommunistische Partei der Schweiz/Marxisten-Leninisten (KPS/ML)).

Äusserste Linke (PdA, POCH, RML, PSA) im Jahr 1978