Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Parteien

Akteure

  • Landolt, Martin (bdp/pbd, GL) NR/CN

Prozesse

18 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Die Kantonalsektionen der BDP und der CVP fällten in den Jahren 2020 und 2021 Entscheide über ihren Zusammenschluss zur neuen Partei «Die Mitte». Zusätzlichen Schub erhielt dieser Prozess, nachdem die Delegierten der BDP und der CVP Schweiz Mitte November 2020 einer Fusion der Bundesparteien zugestimmt hatten und diese per 1. Januar 2021 vollzogen worden war. An diesem Datum wurden alle noch bestehenden Kantonalsektionen von BDP und CVP zu Sektionen der fusionierten Mutterpartei, womit die Mitte zunächst in den meisten Kantonen über jeweils zwei Sektionen verfügte. Jede Sektion konnte und musste sodann autonom über ihre Zukunft entscheiden, da die Kantonalparteien (und auch die Lokalparteien) in der Schweiz organisationsrechtlich eigenständige Einheiten sind.
Dabei bedauerten die BDP-Mitglieder zwar allenthalben, dass die Etablierung als eigenständige Partei letztlich gescheitert war. In den meisten Kantonen regte sich unter ihnen aber keine oder keine nennenswerte Opposition gegen die Auflösung ihrer Sektion und den Zusammenschluss mit der jeweiligen CVP-Sektion. Exponentinnen und Exponenten, die damit nicht einverstanden waren, wählten eher den Weg des Parteiaustritts. Auch in den meisten CVP-Sektionen gab es keinen prinzipiellen Widerstand gegen eine Fusion; allerdings war die Fusionsdiskussion eng mit der Umbenennung zu «Die Mitte» und somit der Streichung des «C» aus dem Parteinamen verknüpft, die nicht in allen CVP-Kantonalparteien gleich gut ankam. Zugunsten einer Fusion wurden in den meisten Kantonen die folgenden vier Argumente vorgebracht: Erstens seien die inhaltlichen Überschneidungen der beiden Parteien schon bisher gross. Zweitens erhöhe ein Zusammengehen die Schlagkraft der politischen Mitte. Drittens könne man dadurch parteiintern einen breiteren Pool an motivierten Personen zusammenbringen und eine neue Dynamik entfachen. Und viertens ergänze man sich aufgrund teils unterschiedlich verteilter lokaler Hochburgen der beiden Partner wahlarithmetisch gut: Die CVP war nach wie vor stärker in katholischen Gebieten verankert, die BDP stärker in protestantischen Regionen.

Zu den ersten BDP-Sektionen, die ihre Auflösung und ein Zusammengehen mit der CVP beschlossen, gehörten bemerkenswerterweise jene der beiden BDP-Hochburgen Glarus und Bern, wo der Leidensdruck bei einer rein kantonalen Betrachtungsweise eigentlich geringer war als in anderen Kantonen: In der bernischen wie in der glarnerischen Politik hatte die BDP bis zuletzt noch eine bedeutende Rolle gespielt und sogar etwas (in Glarus) beziehungsweise deutlich (in Bern) mehr Mandate als die CVP inne. Das Aufgehen der BDP in der neuen Mittepartei wurde in diesen beiden Kantonen stark mit dem Wunsch begründet, Teil einer Partei zu sein, die auch auf nationaler Ebene eine nennenswerte Rolle spielt. Auch die Parteibasis liess sich von dieser Überlegung überzeugen: In Glarus entschieden sich die BDP-Mitglieder – darunter auch der BDP-Schweiz-Präsident und erklärte Fusionsbefürworter Martin Landolt – am 3. November 2020 einstimmig für die Fusion, die CVP folgte zwei Tage später mit 84 Prozent Zustimmung. Der Fusionsentscheid fiel in Glarus somit schon rund zwei Wochen vor dem Entscheid der Bundesparteien – und wurde deshalb unter den Vorbehalt gestellt, dass sich auch die nationalen Parteien zum selben Schritt entschliessen würden. Nachdem diese Bedingung erfüllt war und die zunächst auf Januar 2021 angesetzte Gründungsversammlung wegen der Covid-19-Pandemie hatte verschoben werden müssen, wurde der Zusammenschluss in Glarus schliesslich im Mai 2021 formell vollzogen.
Mit Bern traf auch die grösste BDP-Sektion, welche rund die Hälfte aller Schweizer BDP-Mitglieder stellte, schon einige Tage vor den nationalen Mutterparteien ihren Entscheid. Am 11. November 2020 sagten hier bei der BDP 95 Prozent und bei der CVP 93 Prozent der stimmenden Mitglieder Ja zur kantonalen Fusion. Als Grund für den frühen Zeitpunkt gaben die Spitzen der beiden Berner Parteien an, man wolle sich schon als fusionierte Partei auf die kantonalen Gesamterneuerungswahlen vom März 2022 vorbereiten können. Formell vollzogen – mit der Verabschiedung der neuen Statuten und der Wahl des neuen Vorstands – wurde die Berner Fusion dann im März 2021.

In Graubünden, dem dritten BDP-Gründerkanton nebst Bern und Glarus, verlief der Fusionsprozess harziger. Sowohl die CVP als auch die BDP gehörten hier zu den drei stärksten Parteien im Kanton, die beiden potenziellen Fusionspartner standen sich kantonal auf Augenhöhe gegenüber. Historisch hatte im konfessionell gemischten Kanton Graubünden zwischen ihren Vorläufern – den katholischen Konservativen und den reformierten Demokraten (welche sich 1971 der SVP Schweiz angeschlossen hatten) – lange eine ausgeprägte Rivalität geherrscht, in den 1940er Jahren war sogar von einem «Kulturkampf» die Rede (Südostschweiz vom 9.6.2021). Vielleicht spielte auch diese historische Erblast eine Rolle dafür, dass in den Reihen der Bündner BDP 2020 zunächst nicht nur eine Vereinigung mit der CVP, sondern auch ein Zusammengehen mit der FDP oder der GLP erwogen wurde. Auch ein Weiterbestehen der kantonalen BDP mit einer blossen Intensivierung der Zusammenarbeit mit der CVP wurde diskutiert. Die Bündner CVP-Führung wiederum äusserte Bedenken, dass eine Fusion gut etablierte Parteistrukturen gefährden und in CVP- respektive BDP-Stammlanden eine Abwanderung von Wählenden bringen könnte: «Eins plus eins muss nicht zwingend zwei ergeben», liess CVP-Kantonalpräsident Stefan Engler verlauten. Es gab Befürchtungen, dass man als fusionierte Partei die drei von fünf Regierungssitzen und die über 50 von 120 Grossratssitzen schlechter halten könnte. Zudem war in der CVP Graubünden zunächst nicht klar, ob sich eine Mehrheit zu einer Streichung des «C» aus dem Parteinamen würde durchringen können – was wiederum in den Reihen der BDP als Bedingung für ein Zusammengehen galt. Nachdem die beiden Mutterparteien Ende 2020 ihre Fusion auf nationaler Ebene besiegelt hatten, nahm der Prozess aber auch in Graubünden stärker Fahrt auf – auch deshalb, weil die Parteispitzen rechtzeitig vor den kantonalen Gesamterneuerungswahlen vom Mai 2022 Klarheit schaffen wollten. Die BDP-Mitglieder bekannten sich bei einer Mitgliederversammlung informell zum Ziel einer Fusion, eine Projektgruppe aus beiden Parteien nahm ihre Arbeit auf und im Januar 2021 gaben die Junge BDP und die Junge CVP ihre Unterstützung für eine Fusion bekannt. Ende März 2021 sprach sich schliesslich auch die kantonale Parteileitung der CVP erstmals offiziell für eine Fusion – und für eine Umbenennung in «Die Mitte» – aus. In einer gemeinsamen Medienmitteilung der Bündner BDP- und CVP-Geschäftsleitungen wurden die Fusionsbestrebungen auch mit dem anstehenden Wechsel Graubündens vom Majorz- zum Doppelproporzsystem für die Grossratswahlen begründet: Mit dem neuen Wahlsystem werde eine flächendeckende Präsenz im ganzen Kanton wichtiger, deshalb würden die beiden regional unterschiedlich verankerten Fusionspartner einander gut ergänzen. Im April 2021 folgten eine konsultative Urabstimmung bei der CVP und eine Mitgliederumfrage bei der BDP, wobei sich 86 Prozent der CVP- und fast 95 Prozent der BDP-Mitglieder für die Fusion aussprachen. Die NZZ ging davon aus, dass die Nein-Stimmen in der BDP ideologisch begründet waren, da die Bündner BDP aufgrund ihres historischen Erbes etwas weiter rechts zu verorten sei als die CVP; dies gelte für jüngere BDP-Mitglieder allerdings nicht mehr und wie die Südostschweiz aufzeigte, waren sich die beiden Sektionen bei den kantonalen und nationalen Abstimmungsparolen ab 2016 praktisch immer einig. Im Mai 2021 wurden die Statuten für die neue Partei vorgestellt. Sie basierten auf jenen der CVP Graubünden, seien aber «vollständig überarbeitet worden» und sahen für Partei und Fraktion für eine Übergangszeit eine Doppelspitze vor, um beiden Fusionspartnern eine gleichwertige Vertretung zu garantieren. Nach diesen langwierigen Vorarbeiten war es am 7. Juni 2021 schliesslich auch in Graubünden so weit: Zunächst noch in getrennten Delegiertenversammlungen wurde die Fusion von der CVP mit 74 zu 1 Stimmen bei 4 Enthaltungen, von der BDP einstimmig gutgeheissen. Noch am selben Abend folgte die erste gemeinsame Delegiertenversammlung der «Mitte Graubünden» mit der Wahl der neuen paritätischen Doppelspitze. Bis zum Schluss blieb der Fusionsprozess aber von Nebengeräuschen begleitet: Zwischen Dezember 2020 und Juni 2021 traten insgesamt drei BDP-Grossräte zur FDP und einer zur SVP über, aus den Reihen der CVP wechselte ein Grossrat zur SP; auch der dreiköpfige Vorstand der BDP-Ortssektion Chur war geschlossen zur FDP übergetreten, weil für ihn ein Zusammengehen mit der CVP «keine Option» war.

In den Kantonen Aargau im Januar 2021, in Zürich im März 2021 und in Freiburg im Juni 2021 fielen die Entscheide der BDP-Basis zugunsten der Fusion einstimmig aus, wobei zumindest in den ersten beiden Kantonen ein kleiner Teil der BDP-Mitglieder und -Mandatsträger nicht in die neue Mitte-Partei übertrat, sondern zur GLP oder zur FDP wechselte oder aber parteilos wurde. Seitens der CVP gab es in Zürich bloss eine einzige Gegenstimme gegen die Fusion, im Aargau und in Freiburg wurden die CVP-Beschlüsse in der Presse nicht thematisiert.

Einen besonderen Weg wählte im Juni 2021 die BDP Thurgau: Auch sie löste sich auf, beschloss aber – soweit ersichtlich als einzige BDP-Kantonalpartei – kein Zusammengehen mit der kantonalen CVP. Man wolle es den einzelnen Mitgliedern überlassen, ob und welcher anderen Partei sie sich anschliessen möchten, erklärte die Kantonalpartei. Gemäss Medienberichten gab es unter den zuletzt rund 50 Thurgauer BDP-Mitgliedern etliche, die ihre Zukunft in der GLP sahen; andere traten zur Mitte über, wiederum andere wollten keiner Partei mehr angehören.

Als letzte Kantonalsektionen der BDP verschwanden schliesslich die Baselbieter und die Genfer BDP von der politischen Landkarte. Die BDP Basel-Landschaft hatte vor ihrem Entscheid über eine Fusion abwarten wollen, ob die potenzielle Fusionspartnerin das «C» aus dem Namen streichen und sich zum neuen Parteinamen «Die Mitte» bekennen würde – ein Schritt, der in der CVP Basel-Landschaft zunächst umstritten war, letztlich aber doch vollzogen wurde. Nachdem diese Vorbedingung der BDP erfüllt und zudem klargestelt war, dass sich auch BDP-Mitglieder in kommunale und kantonale Leitungsfunktionen der neuen Mittepartei wählen lassen könnten, entschied sich die BDP-Basis Ende September 2021 schliesslich einstimmig dafür, ihre Sektion in der künftigen «Mitte» aufgehen zu lassen. Nicht alle der zuletzt rund 60 Baselbieter BDP-Mitglieder traten indessen in die neue Mittepartei über; so schloss sich etwa eine Gemeinderätin der GLP an und der kantonale Parteipräsident entschied sich für die Parteilosigkeit. Die BDP Genf war schliesslich die letzte BDP-Kantonalpartei, die über ihr Schicksal entschied: Im Dezember 2021 beschlossen auch hier die Mitglieder einstimmig, ihre Sektion in die «Mitte» einzugliedern.
Die Parteifusionen in Basel-Landschaft und Genf wurden per 1. Januar 2022 vollzogen. Genau ein Jahr nach der Bildung der nationalen «Mitte» war der Fusionsprozess somit in den Kantonen abgeschlossen und die BDP hörte auch auf kantonaler Ebene auf zu existieren. Einzelne CVP-Sektionen bestanden hingegen noch weiter, weil sie den Namenswechsel zumindest vorerst nicht mitmachten.

Auflösung der BDP und Zusammenschluss mit der CVP zur Mitte

In allen drei Stammlanden der BDP (GL, GR, BE) fanden im Berichtjahr kantonale Wahlen statt – laut Parteipräsident Martin Landolt zum ersten Mal unter normalen Vorzeichen. Die Resultate dieser Wahlen waren überaus gemischt. Eine veritable Schlappe musste die junge Partei im Kanton Bern einstecken, wo ihr nicht weniger als elf Sitze und fast fünf Prozentpunkte an Wählerstärke verlustig gingen (neu: 14 Sitze und 11,2%). Die Befürchtungen, dass sich die Niederlage auch in den Kantonen Graubünden und Glarus wiederholen könnte, bewahrheiteten sich dann allerdings nicht. In Glarus verlor die BDP zwar einen Sitz (neu: 9 Sitze), konnte sich aber als drittstärkste Partei (hinter der SVP und der FDP) halten. In Graubünden konnten die Bürgerlich-Demokraten gar um einen Sitz zulegen. Insgesamt verfügte die BDP Ende 2014 in zehn Kantonen noch über 77 Legislativsitze. In Glarus, Graubünden und Bern verteidigte die BDP zudem ihre insgesamt vier Regierungssitze relativ souverän. Kein Erfolg war der Partei bei der Ständeratsersatzwahl im Kanton Glarus beschieden. Zwar war sie dort mit ihrem Parteipräsidenten Martin Landolt angetreten, dieser hatte aber gegen Thomas Hefti (fdp), der mehr als doppelt so viele Stimmen holte, letztlich keine Chance.

Wahlresultate der BDP seit ihrer Entstehung
Dossier: Gründung und Entwicklung der BDP

Die geplante schrittweise Annäherung zwischen CVP und BDP war auch 2014 im medialen Fokus, kam aber nicht voran. Nachdem man sich bereits 2013 gegen eine Fusion ausgesprochen hatte, wurden im Februar 2014 auch Pläne für eine gemeinsame Fraktion begraben. Während sich Neo-Fraktionspräsident Filippo Lombardi (cvp, TI) in einem Interview für eine gemeinsame Fraktion aussprach, relativierte BDP-Parteipräsident Martin Landolt (bdp, GL) diese Idee. In der Presse wurde gemutmasst, dass eine interne Arbeitsgruppe aus BDP- und CVP- Vertretern (Christophe Darbellay, Gerhard Pfister und Pirmin Bischof bei der CVP sowie Martin Landolt, Lorenz Hess und Rosmarie Quadranti bei der BDP) Pläne für eine Union nach dem Vorbild der CDU-CSU in Deutschland schmiede. Ziel sei vor allem die Verteidigung der jeweiligen Bundesratssitze. Gemeinsam kämen die beiden Parteien auf 17,7% Wählerstärke, was mindestens eine mathematische Legitimierung von zwei Sitzen in der Regierung bedeuten würde. Die medialen Spekulationen wurden von den Parteienvertretern wenn überhaupt nur sehr zurückhaltend interpretiert. Geplant sei eine Kooperation, nicht mehr aber auch nicht weniger. Angestrebt würden vor allem flächendeckende Listenverbindungen für die eidgenössischen Wahlen 2015. Die Basis der BDP, die bereits einer mittlerweile nicht mehr spruchreifen Fusion sehr skeptisch gegenüber stand, befürchtete auch in einer Union einen Identitätsverlust der noch jungen Partei. Ende August informierte die Arbeitsgruppe die Öffentlichkeit, dass die Fraktionen von CVP und BDP künftig unter dem Namen BDP-CVP-Union die Bundespolitik gemeinsam gestalten wollten. Beschlossen sei aber noch nichts, weil zuerst die Kantonalsektionen vertieft informiert werden müssten. Anfang Oktober wehte dem Plan dann aus eben diesen Kantonen ein steifer Wind entgegen. Insbesondere die BDP Graubünden, Heimatkanton der BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf, lehnte jede strukturelle Verschmelzung kategorisch ab. Die Wählerschaft würde ein Zusammengehen mit der katholischen CVP nicht goutieren. In anderen Kantonen war man ebenfalls vonseiten der BDP nicht grundsätzlich gegen eine Zusammenarbeit, wollte aber nicht auf Eigenständigkeit verzichten. Definitiv war die Absage dann Ende Oktober. Die Gründe für das Nein – die in den letzten Jahren vorgenommene, beschwerliche Aufbauarbeit einer neuen Partei, die mit einer Union obsolet würde, sowie die in einzelnen Kantonen schwierige Zusammenarbeit – waren zwar nachvollziehbar. In der Presse, und hinter vorgehaltener Hand auch in der CVP, wurde aber von einem Fehlentscheid der BDP gesprochen. Die Unterstützung für Bundesrätin Widmer-Schlumpf werde durch den BDP-Entscheid nicht grösser, liess sich Gerhard Pfister (cvp, ZG) zitieren. Die CVP werde ihre Zusammenarbeit vermehrt wieder auf andere Parteien ausrichten. Es sei eine historische Chance verpasst worden. Die BDP war demgegenüber bemüht, den Ball flach zu halten. Die Kantonalsektionen hätten sich nicht nur zu einer Absage der Union, sondern auch zu einer Stärkung der lösungsorientierten Mitte bekannt. Daran wolle man weiterhin zusammen mit der CVP arbeiten.

Zusammenarbeit zwischen CVP und BDP

BDP-Parteipräsident Martin Landolt erzeugte mit seiner Etikettierung der SVP-Politik als braune Politik einigen medialen Wirbel. Er stelle „erschreckende Parallelen zu den 30er-Jahren“ fest, die sich in der Sprache, der Rhetorik und den Inseraten der SVP zeigten. Landolt wörtlich: „Bis zu welchem Punkt muss eine Politik noch brauner werden, bis alle merken, dass sie stinkt?“ Der Glarner Parteipräsident echauffierte sich vor allem über verschiedene Vorstösse der SVP – etwa die Idee, die Antirassismusstrafnorm wieder abzuschaffen – die von den Medien verharmlost würden. Auch das Stillschweigen sei eine erschreckende Parallele zu den 1930er-Jahren. Er habe Angst, dass die SVP die Schweiz in eine totale Isolation gegenüber Europa führe, so Landolt in einem Interview mit dem Tages Anzeiger. Er forderte deshalb, der extremistischen SVP dürfe kein Bundesratssitz zugesprochen werden. An der Delegiertenversammlung Mitte Oktober in Liestal doppelte der Glarner Nationalrat nach und kritisierte eine Rede Christoph Blochers, bei der sich dieser nationalsozialistischer Rhetorik bedient habe.

BDP braune Politik

Die Annahme der Masseneinwanderungsinitiative und die Forderungen der SVP in der Asylpolitik sowie hinsichtlich des Völkerrechts (fremde Richter) wurden in den Medien als neue, in ihrer Schärfe aussergewöhnliche und zunehmende Radikalität der SVP beschrieben. Die radikalen Forderungen weckten vor allem auch Kritik der anderen Parteien, die an der Regierungsfähigkeit der Volkspartei zweifelten. Die Radikalität schade letztlich dem Anspruch der SVP auf einen zweiten Bundesratssitz, so die Kritik nicht nur der Linken, sondern auch der CVP und der BDP. Auch einzelne FDP-Vertreter distanzierten sich immer vehementer von der SVP und sprachen sich laut gegen mögliche Listenverbindungen für die Wahlen 2015 aus. Die zunehmende Radikalisierung wurde mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative erklärt: Die SVP habe nicht mit einem Ja gerechnet, nun aber bemerkt, dass man mit radikalen Ideen mehr Wählerstimmen gewinnen könne als angenommen. Um bei den Wahlen 2015 noch einmal zulegen zu können, stellte die Volkspartei deshalb immer weiterreichende Forderungen auf. CVP-Präsident Christophe Darbellay verglich die Volkspartei mit kleinen Kindern, die immer mehr wollten, sobald sie etwas bekämen. Die Wählerschaft müsse 2015 Stopp sagen und dieser destruktiven Politik Einhalt gebieten. BDP-Parteichef Martin Landolt warf der SVP grässlichen Populismus und eine braune Tendenz vor. Auch SP-Präsident Christian Levrat unterstellte der SVP faschistoide Tendenzen. Die Nazi-Vorwürfe wurden allerdings von verschiedener Seite als kontraproduktiv und falsch verurteilt.
Mitte August schaltete sich alt-Bundesrat Adolf Ogi mit einem Interview in der Sonntagspresse in die Diskussion ein. Er sprach von einem Weckruf, den es brauche, um die „Allmachtsfantasien“ von Christoph Blocher zu stoppen. Ogi sprach auch davon, dass sich viele in der Partei an der neuen, „zerstörerischen“ und kompromisslosen Politik stiessen, sich aber nicht getrauten, dies öffentlich zu machen. Ogi bleibe in der SVP, auch um an seine Parteikollegen zu appellieren, diesem Irrweg ein Ende zu bereiten. Die Aussagen Ogis weckten einige Reaktionen. Parteipräsident Toni Brunner wies auf die bestehenden Differenzen zwischen Ogi und seiner Partei in der Aussenpolitik hin. Gegen "fremde Richter" und die Forderung, Volksinitiativen richtig umzusetzen, hätte Ogi aber bestimmt nichts einzuwenden. Die von Ogi als mögliche parteiinterne Kritiker bezeichneten Personen – etwa Albert Rösti (BE), Hannes Germann (SH) oder Roland Eberle (TG) – gaben an, hinter den Initiativprojekten der SVP zu stehen. Zudem sollten solche Fragen parteiintern und nicht via Medien gelöst werden. Ogi selber gab zu Protokoll, dass er auf seinen Aufruf nur positive Reaktionen aus dem In- und Ausland erhalten habe. Sein Weckruf würde Wirkung zeigen, so der alt-Bundesrat, wenn nicht heute, dann morgen.

Radikalität der SVP

Nach wie vor war die BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf eine wichtige Klammer, mit welcher die Partei zusammengehalten wurde. Der BDP-Bundesratssitz erwies sich allerdings auch 2014 weiterhin als Spielball der anderen Parteien. Während die Linke immer wieder antönte, die BDP-Bundesrätin weiterhin zu unterstützen und die CVP – zumindest bis zur endgültigen Absage einer Union mit der BDP – eine amtierende Bundesrätin nicht abwählen will, machten sich die FDP und die SVP für einen zweiten SVP-Sitz zulasten der BDP stark. Uneinheitlich war die Position der GLP, die sich eher bedeckt gab. Ob Eveline Widmer-Schlumpf noch einmal antreten wird oder nicht, blieb auch 2014 unklar. Wie eng die Partei nach wie vor mit ihrem „Zugpferd“ verknüpft wahrgenommen wird, zeigt der Umstand, dass der Ausgang der kantonalen Wahlen, aber auch die gescheiterte Union, von den Medien als Zeichen für ein mehr oder weniger starkes Wackeln des Bundesratssitzes interpretiert wurden. Das Schicksal der Partei sei unweigerlich mit ihrer Bundesrätin verknüpft. Das häufig vorgebrachte Statement von Parteipräsident Landolt, man wolle sich von der eigenen Bundesrätin emanzipieren, verhallte scheinbar ungehört.

BDP-Bundesrätin

Die Wahlschlappe der BDP bei den Wahlen im Kanton Bern wurde von der Parteispitze unter anderem damit erklärt, dass sich die BDP zu stark an die SVP und die FDP angenähert habe. Der Slogan „erfrischend anders“ sei von der eigenen Partei nicht richtig umgesetzt worden und man habe sich zu sehr auf bisherigen Erfolgen ausgeruht. Man könne nicht einfach eine „SVP-light“ sein, sondern müsse sich als Mittepartei neu positionieren. Mit mehreren, teilweise sehr harschen Angriffen auf die SVP versuchte Parteichef Martin Landolt seine Partei von der Volkspartei abzugrenzen. Mitte November forderte er gar, dass die SVP bei einem allfälligen Rücktritt von Bundesrat Ueli Maurer nicht mehr in der Regierung vertreten sein dürfe. Landolt sprach davon, gleichzeitig modern und konservativ sein zu wollen. Er rief Anfang April die Delegierten auf, mehr auf die Inhalte der Partei aufmerksam zu machen. Die BDP sei eine Partei, die sich ökologischen Herausforderungen stelle und dem gesellschaftlichen Wandel Rechnung trage. Man müsse zeigen, dass man konstruktiv und vernünftig und eben nicht rechtskonservativ sei.

Inhaltliche Entwicklung der BDP
Dossier: Gründung und Entwicklung der BDP

Auch die BDP brachte ihre Lösung für eine mögliche Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative zur Diskussion: In einem Mitte März ausgearbeiteten Papier schlug die Partei eine partielle Personenfreizügigkeit vor. Bis zu einem gesamteuropäischen Zuwanderungsschnitt würde die Schweiz die volle Personenfreizügigkeit akzeptieren. Sobald aber dieser variable Schnitt überschritten sei, müssten Kontingente eingesetzt werden, wobei der Bundesrat die Höchstzahl an zusätzlicher Zuwanderung festsetze. Vielleicht sei diese Lösung das Ei des Kolumbus, so Parteipräsident Landolt, da sie verfassungskonform sei und der EU die Möglichkeit gebe, Hand zu bieten. Im Papier wurde auch eine Einschränkung des Familiennachzugs gefordert, um mehr Manövriermasse zu haben. Zudem müsse mehr im Inland gegen den Fachkräftemangel vorgegangen werden – etwa mit zusätzlichen Ausbildungsplätzen in Bereichen, in denen Mangel herrsche. Mitte Juni forderte Landolt dann eine möglichst rasche Volksabstimmung über die Kündigung der Personenfreizügigkeit. Damit würden nicht nur die langwierigen Verhandlungen mit der EU obsolet, die voraussichtlich negativ enden würden, sondern auch die lange Rechtsunsicherheit während dieser Zeit verkürzt. Landolt zeigte sich überzeugt, dass die Bevölkerung eine Kündigung der Bilateralen Verträge nicht gutheissen würde. Unterstützung erhielt er von der SP. Economiesuisse warnte hingegen vor der Gefahr einer möglichen Ablehnung.

Umsetzungsvorschlag der BDP zur Masseneinwanderungsinitiative
Dossier: Masseneinwanderungsinitiative

Die BDP stehe – wie andere Parteien auch – wahrscheinlich vor einer Durststrecke, warnte Parteipräsident Martin Landolt (GL) an einem Vortrag Anfang März in Bern. Es werde schwierig werden, bei den eidgenössischen Wahlen 2015 den Status quo zu halten. Dies auch deshalb, weil die konstruktive, sachorientierte Politik der BDP in den Medien keine Aufmerksamkeit erhalte und die BDP deshalb in Umfragen auch kaum mit konkreten Themen in Verbindung gebracht werde. Die Sitze zu halten wird auch deshalb schwer, weil voraussichtlich mehrere Schwergewichte der Partei zu den Wahlen 2015 nicht mehr antreten werden – so etwa Ursula Haller (BE) oder Hansjörg Hassler (GR). Ein Ersatz dieser Abgänge sei aufgrund der jungen Strukturen der Partei schwierig, wurde in den Kommentarspalten der Medien gemutmasst. Auch Parteimitgründer Hans Grunder (BE) hatte sich eigentlich einen Rücktritt überlegt, er wolle aber noch einmal kandidieren, um Gegensteuer gegen rechts geben zu können. Mitte Oktober gab Parteipräsident Landolt an, vor allem in jene Kantone investieren zu wollen, wo noch Wachstumschancen bestünden. Zudem sollen mit der CVP möglichst viele Listenverbindungen eingegangen werden. Ende Jahr wurde der Berner Nationalrat Lorenz Hess zum Wahlkampfleiter erkoren. Der Wahlauftakt soll Anfang 2015 in Winterthur erfolgen.

BDP Wahlen 2015

An der Delegiertenversammlung der BDP Mitte Januar in Thun wetterte Parteipräsident Martin Landolt (GL) gegen die Initiativenflut und die schädlichen Volksbegehren von links und rechts. Zwar sei es gut, die Bürgerinnen und Bürger zu konsultieren, noch besser sei es aber, lösungsorientierte Sachpolitik wie die BDP zu betreiben. Mit Initiativen rumzufuchteln stelle die bisherigen Rahmenbedingungen und Erfolgsfaktoren der Schweiz infrage.

BDP gegen die Initiativenflut

Der Rücktritt der langjährigen BDP-National- und Kommunalpolitikerin Ursula Haller (BE) drückte den Altersschnitt der BDP-Fraktion, die die mit durchschnittlich 55 Jahren älteste Fraktion stellte, ein wenig nach unten. Sie wolle das Amt als Gemeinderätin der Stadt Thun und als Nationalrätin, das sie seit 1999 für die SVP und später für die BDP ausübte, gleichzeitig beenden, so die Berner Oberländerin. Ihr Nachfolger – der 58-jährige Heinz Siegenthaler – war allerdings nur sieben Jahre jünger. Parteipräsident Martin Landolt zeigte sich für die Zukunft optimistisch. In den Kantonen würden viele junge Leute für die BDP kandidieren.

Organisatorische Entwicklung der BDP
Dossier: Gründung und Entwicklung der BDP

Ende Jahr beteiligte sich die BDP mit einem neuen Vorschlag an der Debatte um die Rentenreform. Die Diskussion um die Höhe des Rentenalters sei von Ideologie geprägt, befand Parteipräsident Landolt. Man könne die Debatte entpolitisieren, wenn ökonomische Fakten berücksichtigt würden. Konkret schlug die BDP mit einem parlamentarischen Vorstoss vor, das Rentenalter an die Lebenserwartung zu knüpfen. Die Idee ist, dass das Rentenalter 80% der durchschnittlichen Lebenserwartung bei Frauen und Männern betragen soll. 2013 wäre das Rentenalter also bei 66 Jahren zu liegen gekommen. Der Vorschlag wurde von SVP und FDP positiv, von der CVP skeptisch und von der Linken mit Ablehnung aufgenommen.

Rentenreform

Die Zusammenarbeit zwischen CVP und BDP war auch im Berichtjahr Diskussionsgegenstand. Von einer Fusion war zwar 2013 explizit nicht mehr die Rede, anhand institutionalisierter Treffen der Bundeshausfraktionen und gemeinsam geführter Abstimmungskampagnen sollte aber eine schrittweise Annäherung vorgenommen werden. So wurden in der Presse etwa der gemeinsame Auftritt in der Abstimmungskampagne für den Preisaufschlag der Autobahnvignette oder ein gemeinsam verfasstes Diskussionspapier zu Migration und Personenfreizügigkeit als Zeichen einer weiteren Annäherung der beiden Parteien gewertet. Die Zusammenarbeit sollte aber nicht nur inhaltlich, sondern auch praktisch intensiviert werden. BDP-Präsident Landolt (GL) kündigte an, dass eine gemeinsame Wahlkampagne, die komplementär zu den je eigenständigen Kampagnen geführt werden solle, sowie möglichst flächendeckende Listenverbindungen geplant seien.

Zusammenarbeit zwischen CVP und BDP

Bei der Parolenfassung Anfang September wurde die Position der BDP gegenüber den Bilateralen Verträgen mit der EU verdeutlicht. Die Masseneinwanderungsinitiative, bei der die Delegierten ohne Diskussion einstimmig die Nein-Parole empfahlen, würde das Verhältnis zwischen der EU und der Schweiz auf die Probe stellen. Es gelte sachlich und nicht emotional zu urteilen, warnte BDP-Parteipräsident Landolt. Nationalrätin Ursula Haller (BE) kritisierte den SVP-Präsidenten Toni Brunner, der den Bundesrat im Zusammenhang mit dessen Europapolitik als Landesverräter bezeichnet hatte.

Europapolitik

Nachdem BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf mit der Lex USA eine empfindliche Niederlage einstecken musste, wählte BDP-Präsident Martin Landolt die Strategie Angriff. In einem Interview in der Sonntagspresse betrieb er zwei Jahre vor den Nationalratswahlen Wahlkampf, indem er seine Vorstellung einer idealen Regierungszusammensetzung erörterte. Während der SVP und der FDP insgesamt drei und der Linken zwei Sitze zustehen würden, müsse die Mitte mit zwei Sitzen – je ein BDP und ein CVP-Mandat – vertreten sein. Die Freisinnigen würden derart ähnlich wie die SVP politisieren, dass die Rechte nicht vier Sitze haben dürfe. Sukkurs erhielt Landolt von der SP, die der FDP ebenfalls die Legitimation auf einen zweiten Bundesratssitz absprach.

Regierungszusammensetzung

Auf Anfang Mai trat der Berner Nationalrat Hans Grunder als Parteipräsident zurück. Grunder war bei der Gründung der BDP in Bern im Herbst 2008 ein führender Kopf und zusammen mit Eveline Widmer-Schlumpf verantwortlich für den raschen Aufbau der Partei. Mit dem Rücktritt wolle er für eine personelle und programmatische Weiterentwicklung sorgen. Neu wurde das Präsidium mit zwei Vizepräsidenten und einem Präsidenten aufgebaut. Als neuer Präsident wurde Anfang Mai der Glarner Martin Landolt per Akklamation gewählt, auch er ein BDPler der ersten Stunde. Zu reden gab die Kaderposition Landolts bei der UBS, die zu Interessenskonflikten mit der BDP-Finanzministerin sowie zu einem Bankenimage der Partei führen könnten. Landolt selber sagte, dass seine Tätigkeit in der Bank kein Lobbying umfasse. Er reduziere sein berufliches Pensum zudem auf 40%. Landolt hatte in Näfels (GL) die SVP-Lokalsektion neu aufgebaut, bevor es zum Bruch mit der Volkspartei kam, deren Zürcher Linie er nicht teilen wollte. Er trat nach dem Ausschluss der SVP Graubünden aus der SVP aus und gründete zuerst eine Liberale Fraktion bevor er dann zusammen mit der Bündner und der Berner BDP die Glarner Sektion aufbaute. Als erster BDP-Politiker überhaupt war Landolt bei Ersatzwahlen 2009 als Nachfolger des 2008 zurücktretenden SP-Nationalrates Werner Marti in ein nationales Amt gewählt worden und hatte damit den vier übergelaufenen BDP-Nationalräten unverhofft zu Fraktionsstärke im eidgenössischen Parlament verholfen. Als wichtigstes Ziel bezeichnete Landolt den Ausbau der jungen Partei und die Gründung neuer kantonaler Sektionen. Ins Vizepräsidium wurden der Berner Nationalrat Lorenz Hess und die Bündner Regierungsrätin Barbara Janom Steiner gewählt.

Organisatorische Entwicklung der BDP
Dossier: Gründung und Entwicklung der BDP

Im September wählte die BDP-Fraktion, die erst mit der Wahl des Glarner Nationalrats Martin Landolt Anfang 2009 Fraktionsstärke erreicht hatte, Hansjörg Hassler (GR) zum neuen Fraktionspräsidenten. Er löste die nicht mehr kandidierende Brigitta Gadient (GR) ab.

Organisatorische Entwicklung der BDP
Dossier: Gründung und Entwicklung der BDP

Im Februar wurde im Kanton Glarus Martin Landolt (bdp) als Nachfolger von Werner Marti (sp) in den Nationalrat gewählt. Dies stellte für die BDP einen Meilenstein dar, da sie mit der Wahl Landolts eine eigene Bundeshausfraktion bilden konnte.

eigene Bundeshausfraktion