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Jahresrückblick 2022: Verbände

In der Schweizer Verbandslandschaft kam es im Jahr 2022 zu einigen Veränderungen. So löste sich etwa die Aktion für eine unabhängige Schweiz (AUNS), die mit dem EWR-Nein vor genau 30 Jahren ihren grössten Erfolg gefeiert hatte, auf Betreiben ihres Gründervaters Christoph Blocher auf und schloss sich mit zwei kleineren EU-kritischen Vereinen zur neuen Organisation «Pro Schweiz» zusammen. Angestrebt wird eine verbesserte Referendums- und Initiativfähigkeit, nachdem es um die AUNS zuletzt relativ ruhig geworden war. Mit der Neutralitätsinitiative beschloss «Pro Schweiz» an ihrer Gründungsversammlung denn auch gleich die Lancierung ihres ersten Initiativprojekts.

Auch bei den grossen Wirtschaftsverbänden gab es Neuerungen. Nachdem sich Economiesuisse, der Arbeitgeberverband (SAV) und der Gewerbeverband (SGV) schon 2021 zu einer engeren Zusammenarbeit bekannt hatten, schlossen sie im Sommer 2022 auch mit dem Bauernverband (SBV) eine «strategische Allianz». Die vier Allianzpartner wollen sowohl bei Abstimmungskämpfen als auch im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen 2023 vermehrt «gemeinsam für eine wirtschafts- und agrarfreundliche Politik kämpfen». Der Schritt wurde weitherum als Reaktion darauf gewertet, dass die Wirtschaftsverbände zuletzt zunehmend Schwierigkeiten bekundet hatten, bei Volksabstimmungen Mehrheiten für ihre Positionen zu erhalten. Auch 2022 mussten sie aus ihrer Sicht schmerzhafte Abstimmungsniederlagen einstecken, einerseits mit der Annahme der Initiative für ein Tabakwerbeverbot und des Filmgesetzes, andererseits mit der Ablehnung der Reformen der Stempelsteuer und der Verrechnungssteuer. Dass sie sich hingegen im September mit dem Ja zur AHV-21-Reform an der Urne knapp durchsetzen konnten, wurde teilweise als erste Frucht der neuen Allianz mit dem SBV interpretiert. Der SBV wiederum konnte sich über das deutliche Nein zur Massentierhaltungsinitiative freuen.

Eine besondere Entwicklung nahm im Jahresverlauf das Verhältnis zwischen den Krankenkassenverbänden Curafutura und Santésuisse, das meist angespannt gewesen war, seitdem sich Curafutura 2013 von Santésuisse abgespaltet hatte: Aufgrund zahlreicher inhaltlicher Differenzen, aber offenbar auch persönlicher Animositäten erreichte dieses Verhältnis im Frühling 2022 zunächst einen Tiefpunkt, und Gesundheitspolitikerinnen und -politiker aus dem gesamten politischen Spektrum äusserten erheblichen Unmut über die schwierige Zusammenarbeit mit den tief zerstrittenen Verbänden. Bis im Herbst entspannte sich das Verhältnis indessen deutlich, und beide Verbandsspitzen sprachen gar öffentlich von einer möglichen Wiedervereinigung.

Keine Fusion wird es bis auf Weiteres zwischen dem VPOD und dem Bundespersonalverband (PVB) geben. Nachdem die beiden Gewerkschaften einen solchen Schritt 2022 zunächst erwogen hatten, wurde diese Option vom PVB schliesslich verworfen. Der PVB will stattdessen eine Lösung aushandeln, bei der er als Kollektivmitglied dem VPOD beitreten könnte, womit seine unabhängige Rechtspersönlichkeit gewahrt bliebe und dennoch eine engere Verzahnung der beiden Gewerkschaften erreicht würde.
Die Syna sorgte einerseits mit internen Konflikten für Aufmerksamkeit und andererseits mit einem von ihr und der Unia intensiv geführten Kampf mit dem Baumeisterverband (SBV) um Anpassungen am Landesmantelvertrag im Bauhauptgewerbe. Die Gewerkschaften veranlassten in dessen Rahmen im Herbst eine landesweite Reihe von Arbeitsniederlegungen auf Baustellen.
An der Abstimmungsurne war die Bilanz auch für die Gewerkschaften gemischt: Während sie bei der Erhöhung des Frauenrentenalters im Rahmen der AHV-Reform und beim Medienpaket schmerzhafte Niederlagen einstecken mussten, standen sie bei den Abstimmungen zur Stempel- und zur Verrechnungssteuer sowie zum Filmgesetz auf der Siegerseite.

Schwierig verlief das Jahr für mehrere Organisationen, die in den letzten Jahren im Rahmen der Protestbewegung gegen die Covid-19-Massnahmen des Bundesrats entstanden waren. So wurden die «Freunde der Verfassung» von internen Konflikten und zwei Rücktrittswellen aus dem Vereinsvorstand erschüttert. Auch bei den Freiheitstrychlern entbrannte ein heftiger Konflikt zwischen zwei Führungspersonen, es kam zu Drohungen und Polizeieinsätzen. Der Verein «Mass-voll» wiederum musste gleich zu Beginn des Jahres eine grössere Abspaltung verkraften, als viele Mitglieder einen neuen Verein mit weniger politischer Ausrichtung gründeten. Insgesamt wurde es um diese Organisationen im Vergleich zum Vorjahr deutlich stiller, teils wohl wegen einer gewissen Lähmung durch diese internen Konflikte und teils wegen des Wegfalls der wichtigsten Triebfeder und Zielscheibe ihrer Proteste: Der Bundesrat hatte im Frühling 2022 die meisten Covid-Massnahmen aufgehoben. Dem Versuch eines Teils der Bewegung, unter dem Namen «Aufrecht Schweiz» bei verschiedenen kantonalen und kommunalen Parlaments- und Regierungswahlen politische Ämter zu erringen, war kein Erfolg beschieden. Die «Freunde der Verfassung» und «Mass-voll» konnten sich immerhin über die Ablehnung des Medienpakets im Februar freuen, zu dessen Gegnerinnen und Gegnern sie zählten.

Auch verschiedene Gruppierungen der Klimabewegung vermochten sich und ihre Forderungen nach griffigeren Klimaschutzmassnahmen ins mediale Scheinwerferlicht zu rücken. Um dies zu erreichen und der Dringlichkeit ihrer Anliegen Nachdruck zu verleihen, bedienten sie sich nebst Demonstrationen auch umstrittener und möglicherweise unerlaubter Aktionsformen. Dazu gehörten beispielsweise ein Aufruf zur Militärdienstverweigerung (Waadtländer Sektion von «Klimastreik Schweiz»), die Blockade von Verkehrsachsen («Renovate Switzerland») oder das Luftablassen aus Reifen von Geländewagen («The Tyre Extinguishers»). Kritikerinnen und Kritiker monierten, dass sich solche Gruppierungen radikalisiert hätten und damit den eigenen Anliegen einen Bärendienst erwiesen, weil sie die breite Öffentlichkeit gegen sich aufbrächten und diese mehr über die Aktionsformen als über die inhaltlichen Forderungen der Klimabewegung diskutiere.

Insgesamt waren die Verbände in den Medien etwa gleich oft Thema wie in den beiden Vorjahren. Erhöhte Aufmerksamkeit gab es im Februar für die doppelte Abstimmungsniederlage der Economiesuisse (Kategorie «Industrieverbände»), im Mai für die Bemühungen der Tourismusverbände um die Einstellung ukrainischer Flüchtlinge, im Frühling für die Konflikte bei den Covid-Protestorganisationen und für die F-35-Initiative der GSoA («ausserparteiliche Interessen») und schliesslich im Herbst für die Arbeitsniederlegungen auf den Baustellen und die Lohnforderungen der Gewerkschaften (siehe die APS-Zeitungsanalyse 2022 im Anhang).

Jahresrückblick 2022: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2022

Im November 2022 bestätigte der Kongress des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) seinen seit 2018 amtierenden Präsidenten Pierre-Yves Maillard (sp, VD) einstimmig für vier weitere Jahre in diesem Amt. Einen Wechsel gab es im Vizepräsidium: Natascha Wey, die wenige Monate davor Generalsekretärin des VPOD geworden war, ersetzte den bisherigen SGB-Vizepräsidenten Giorgio Tuti. Tuti hatte davor bekanntgegeben, anfangs 2023 auch als Präsident der Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) zurückzutreten. Das zweite SGB-Vizepräsidium bleibt bei Unia-Chefin Vania Alleva. Damit werden die beiden Posten des Vizepräsidiums weiterhin von zwei Spitzenvertreterinnen grosser Mitgliedsgewerkschaften des SGB besetzt.

Wechsel im Vizepräsidium des SGB

An der Delegiertenversammlung des Bundespersonalverbandes (PVB) im November 2022 legte die Verbandsleitung dar, dass sie nach einjährigen Prüfarbeiten das Vorhaben einer Fusion mit dem rund viermal grösseren Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) nicht mehr weiterverfolgen möchte. Weil die Mitgliederbeiträge der beiden Verbände unterschiedlich hoch seien und eine Fusion für den PVB finanziell unvorteilhaft wäre, erachtete die Geschäftsleitung eine Fusion bei den Delegierten des PVB nicht als mehrheitsfähig.
Die Geschäftsleitung schlug den Delegierten vor, die Zusammenarbeit mit dem VPOD stattdessen auf andere Art zu verstärken: Sie wolle einen Beitritt des PVB zum VPOD als Kollektivmitglied vorbereiten. Mit dieser Variante würde der PVB ebenfalls Teil des VPOD, behielte aber seine unabhängige Rechtspersönlichkeit. Synergiegewinne und eine stärkere gewerkschaftliche Vertretung im Bereich des öffentlichen Personals liessen sich auch damit erreichen. Die Delegierten folgten diesem Vorschlag und beauftragten die Geschäftsleitung, ihnen im folgenden Jahr einen konkreten Entwurf für einen Vertrag mit dem VPOD für eine Kollektivmitgliedschaft vorzulegen.

Verhältnis zwischen VPOD und Bundespersonalverband

Der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) erhielt im Juni 2022 eine neue Generalsekretärin. Die Delegiertenversammlung der Gewerkschaft wählte einstimmig Natascha Wey (sp, ZH). Als Generalsekretärin wird Wey operative Leiterin der Gewerkschaft, die 33'000 Mitglieder aus dem Service public zählt. Nötig geworden war die Wahl, weil der bisherige, seit 2008 amtierende Generalsekretär Stefan Giger in Pension ging. Präsidiert wird die Gewerkschaft weiterhin von Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH), die seit 2010 im Amt ist.
Ihre Bewerbung als Generalsekretärin stellte die 40-jährige Wey unter das Motto «Raus aus der Defensive, rein in die Betriebe». Wie sie gegenüber dem Tages-Anzeiger erklärte, wolle sie sich für einen kämpferischen Kurs der Gewerkschaft einsetzen und bei Bedarf zu «mehr Protestaktionen und notfalls Streiks» greifen. Mit einem selbstbewussteren Auftreten hoffe sie auch den Mitgliederschwund des VPOD zu stoppen.
Wey hatte bereits seit 2015 als Zentralsekretärin beim VPOD gearbeitet, 2021 war sie zur stellvertretenden Generalsekretärin aufgestiegen. Schwerpunkte ihrer bisherigen Tätigkeit für den VPOD waren gemäss einer Medienmitteilung unter anderem die Belange des Wartungs- und Reinigungspersonals, eine bessere Organisation stark weiblich geprägter Branchen wie der Kinderbetreuung oder das Engagement für den Frauenstreik von 2019. Für die Gleichstellung hatte sich Wey 2016 bis 2020 auch als Co-Präsidentin der SP Frauen Schweiz eingesetzt. Ihr Mandat als Zürcher Gemeinderätin, das sie seit 2019 innegehabt hatte, gab Wey kurz nach ihrer Wahl zur VPOD-Generalsekretärin ab.

VPOD mit neuer Generalsekretärin

Jahresrückblick 2021: Verbände

2021 wurde die Verbandslandschaft in der Schweiz wie schon im Vorjahr wesentlich durch das Coronavirus und die Massnahmen zu dessen Bekämpfung geprägt. So versuchten die Dachverbände der Arbeitgebenden und der Gewerkschaften wie auch zahlreiche Branchenverbände wiederholt mit Positionsbezügen auf die Pandemiepolitik der Behörden Einfluss zu nehmen. Während in der Unterstützung für Hilfsgelder und Kurzarbeit im Grossen und Ganzen Einigkeit zwischen Gewerkschaften und Verbänden der Arbeitgebenden aus verschiedenen Branchen herrschte, traten bei anderen Massnahmen deutliche Interessengegensätze zutage. Besonders stark profilierte sich in der Öffentlichkeit GastroSuisse mit seinem Präsidenten Casimir Platzer, der sich im Frühjahr immer wieder mit markigen Worten gegen die Schliessung der Innenräume von Gastbetrieben und im Herbst gegen die Zertifikatspflicht in Restaurants äusserte. Diese Forderungen brachten Platzer nicht nur mit manchen Gegenstimmen aus den eigenen Reihen in Konflikt, sondern auch mit Economiesuisse und dem Schweizer Arbeitgeberverband (SAV): Die beiden Dachverbände befürworteten die Zertifikatspflicht, forderten aber vom Bundesrat verbindliche Aussagen darüber, ab welchen Impfquoten er welche Lockerungsschritte ausrufen werde. Der Gewerbeverband (SGV) gab wie der SAV und Economiesuisse bei beiden Abstimmungen über das Covid-19-Gesetz die Ja-Parole heraus, markierte aber ansonsten grössere Distanz zu den Massnahmen des Bundes.
Auch die Gewerkschafts-Dachverbände SGB und Travail.Suisse unterstützten die beiden Covid-Vorlagen. Darüber hinaus wiesen die Gewerkschaften immer wieder auf die zentrale Bedeutung der Kurzarbeit, des Erwerbsersatzes und der Unterstützungsgelder für betroffene Unternehmen hin, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu begrenzen. Mit der Argumentation, dass ein vorsichtiger Weg letztlich schneller aus der Krise führe, mahnten SGB und Travail.Suisse bei Diskussionen über Massnahmenlockerungen meist zu behutsamen Schritten. Zu ihren Hauptforderungen zählten im Weiteren die Umsetzung und Kontrolle von Schutzkonzepten am Arbeitsplatz sowie die Sicherstellung der Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden auch im Homeoffice.

Eine strikte oder sogar absolute Beachtung individueller Freiheitsrechte und ein verhältnismässiges Vorgehen des Staats gehörten zu den Hauptforderungen mehrerer politischer Gruppierungen, die im Zuge der Proteste gegen die Covid-19-Massnahmen entstanden und in der öffentlichen Debatte teilweise starke Beachtung fanden. Zu den prominentesten dieser neuen Organisationen zählten die «Freunde der Verfassung», die im Herbst 2021 bereits über 12'000 Mitglieder zählten und die gleich bei mehreren Referenden und Initiativen eine bemerkenswerte Fähigkeit zum Sammeln von Unterschriften an den Tag legten. Weitere Organisationen, die sich zu Sprachrohren der Covid-Protestbewegung entwickelten, waren die an die jüngere Generation gerichtete Gruppierung «Mass-voll!», das «Aktionsbündnis Urkantone für eine vernünftige Corona-Politik» sowie die «Freiheitstrychler». Auch wenn es zwischen diesen Organisationen bisweilen Differenzen über Inhalte und Stil gab, waren sie in ihrer Opposition gegen das Covid-19-Gesetz und gegen dessen zweite Revision geeint; sie unterlagen indessen in beiden Volksabstimmungen klar.

Aber auch unabhängig von der Pandemie machten Verbände und Organisationen im Jahr 2021 von sich reden, so beispielsweise die Operation Libero, die sich gleich zu Beginn des Jahres mit einem medienwirksamen Crowdfunding erfolgreich aus einem Engpass bei der Finanzierung ihrer Fixkosten befreite, im Oktober mit Sanija Ameti eine profilierte neue Co-Präsidentin präsentierte und kurz darauf zusammen mit den Grünen eine Volksinitiative für eine engere Zusammenarbeit der Schweiz mit der EU ankündigte.

Eher gegen den eigenen Willen geriet im Herbst die Gewerkschaft Unia in die Schlagzeilen, weil der beträchtliche Umfang ihres Vermögens bekannt wurde. Die Unia musste sich in der Folge gegen verschiedene Kritikpunkte verteidigen. Die Diskussion befeuerte aber auch übergeordnete Debatten, die bereits davor am Laufen gewesen waren, namentlich jene um eine angemessene Transparenz in der Politikfinanzierung und jene um eine korrekte Abgeltung der Sozialpartner für ihre quasistaatlichen Aufgaben bei der Kontrolle der Einhaltung allgemeinverbindlicher Gesamtarbeitsverträge.

Auf der Seite der Arbeitgeber-Dachverbände bekannten sich Economiesuisse, der SGV und der SAV 2021 zum Ziel, in Zukunft eine stärkere und harmonischere Zusammenarbeit zugunsten der gemeinsamen Interessen zu pflegen. Das Bekenntnis ist als Neuanlauf zu werten, nachdem in den Vorjahren – etwa vor der Abstimmung zur Konzernverantwortungsinitiative Ende 2020 – beträchtliche Spannungen zwischen SGV und Economiesuisse zutage getreten waren und sich die Wirtschaftsverbände bei verschiedenen Volksabstimmungen nur mit Mühe oder gar nicht hatten durchsetzen können. Dasselbe war im Jahr 2021 namentlich bei den Abstimmungen über das Freihandelsabkommen mit Indonesien und das E-ID-Gesetz der Fall.

Auch andere Verbände engagierten sich mit wechselndem Erfolg in Abstimmungskämpfen. So konnte etwa der Bauernverband nach einer von ihm angeführten Kampagne, die zu einer aussergewöhnlich starken Mobilisierung der ländlichen Bevölkerung beitrug, im Juni die Ablehnung der Trinkwasserinitiative und der Pestizidinitiative feiern. Intern gespalten war bei der Parolenfassung zur Trinkwasserinitiative der Interessenverband der biologischen Landwirtschaft BioSuisse, eine Mehrheit seiner Delegierten entschied sich schliesslich für eine Nein-Empfehlung; die Pestizidinitiative wurde von BioSuisse hingegen unterstützt. Bei der Ablehnung des CO2-Gesetzes gehörten Verbände des Autogewerbes und der Erdölindustrie, der Hauseigentümerverband und GastroSuisse zu den Siegern. Die Gewerkschaften wiederum konnten mit der Ablehnung des E-ID-Gesetzes und der Annahme der vom Berufsverband der Pflegefachleute (SBK) lancierten Pflegeinitiative Erfolge feiern; dies ist umso bemerkenswerter, als davor noch nie in der Schweizer Abstimmungsgeschichte eine gewerkschaftlich initiierte Volksinitiative an der Urne angenommen worden war. Auf ähnlich erfolgreiche Kampagnen in der Zukunft hoffen nebst der Operation Libero mit der oben erwähnten Europainitiative auch GastroSuisse mit seiner im März angekündigten Volksinitiative für «gerechte Entschädigungen» in künftigen Pandemiefällen sowie die GSoA mit ihrer Volksinitiative «Stopp F-35», welche die vom Bund geplante Beschaffung von Kampfflugzeugen des Typs F-35 unterbinden soll und für die 2021 bereits die Unterschriftensammlung begann.

Der Anteil der Verbände an der Presseberichterstattung bewegte sich 2021 auf ähnlichem Niveau wie in den beiden Vorjahren (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Im Jahresverlauf nahmen Verbände zwischen September und November am meisten Raum ein (vgl. Abbildung 1). Dies hatte zum einen mit der Berichterstattung zum Unia-Vermögen und zum SBK als Initiant der Pflegeinitiative zu tun. Noch mehr trug die Kategorie «Andere Verbände» bei, von denen neben der Operation Libero und GastroSuisse vor allem Gruppierungen der Klimabewegung – unter anderem mit Protestaktionen von Extinction Rebellion und einer Klage der Klimaseniorinnen – in der Presse von sich reden machten.

Jahresrückblick 2021: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2021

Der Bundespersonalverband (PVB) und der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste (VPOD) begannen Ende 2021 mit der Vorbereitung eines Zusammenschlusses. Die Delegiertenversammlungen beider Gewerkschaften hatten davor jeweils einstimmig ihre zuständigen Gremien beauftragt, bis Ende 2023 die Entscheidungsgrundlagen für einen definitiven Beschluss über eine Fusion auszuarbeiten.
In einer gemeinsamen Medienmitteilung gaben die beiden Verbände an, dass sie schon seit vielen Jahren eng zusammenarbeiteten, in allgemeinen gewerkschaftspolitischen Fragen ähnliche Positionen verträten und ähnliche Strukturen unterhielten. Von einem Zusammenschluss erhofften sie sich eine Stärkung der Gewerkschaftsarbeit im Bereich des Service Public. Der VPOD vertritt rund 32'000 Mitglieder, die in der Verwaltung des Bundes, eines Kantons oder einer Gemeinde oder bei einem Unternehmen des Service Public angestellt sind. Der PVB ist mit gut 8’000 Mitgliedern der grösste Arbeitnehmendenverband im Bereich des Bundespersonals, der bundesnahen Betriebe und des ETH-Bereichs.

Verhältnis zwischen VPOD und Bundespersonalverband

Die grossen Dachverbände der Arbeitgebenden und der Gewerkschaften sowie zahlreiche Branchenverbände bezogen zu verschiedenen Zeitpunkten im Jahr 2021 Position zur Pandemiepolitik der Behörden und stellten Forderungen dazu auf. Während Arbeitgebendenverbände aus verschiedenen Branchen wie auch die Gewerkschaften sich in ihrer Unterstützung für Hilfsgelder und Kurzarbeit im Grossen und Ganzen einig waren, traten bei anderen Massnahmen deutliche Interessengegensätze zutage.

Die Gewerkschafts-Dachverbände SGB und Travail.Suisse unterstützten die beiden Covid-Vorlagen in den Abstimmungen vom Juni und November 2021. Auch darüber hinaus wiesen die Gewerkschaften immer wieder auf die zentrale Bedeutung der Kurzarbeit, des Erwerbsersatzes und der Unterstützungsgelder für betroffene Unternehmen hin, um die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu begrenzen; Travail.Suisse forderte überdies die Verlängerung dieser Massnahmen, bis die Wirtschaft das Niveau vor März 2020 wieder erreicht hat. Bei Diskussionen über Massnahmenlockerungen mahnten SGB und Travail.Suisse meist zu behutsamen Schritten, denn ein vorsichtiger Weg führe letztlich schneller aus der Krise. Zu ihren Hauptforderungen zählten im Weiteren die Umsetzung und Kontrolle von Schutzkonzepten am Arbeitsplatz sowie die Sicherstellung der Fürsorgepflicht der Arbeitgebenden auch im Homeoffice. Der SGB wies darauf hin, dass es als Folge der Pandemie zu einer Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse etwa bei Kurierdiensten oder im Onlinehandel gekommen sei, was die Notwendigkeit von Gesamtarbeitsverträgen für diese Branchen verstärke. Travail.Suisse setzte sich zudem für eine Beibehaltung der öffentlichen Finanzierung der Testkosten ein und erklärte sich mit der Zertifikatspflicht im Grundsatz einverstanden, warnte aber vor deren Anwendung am Arbeitsplatz.

Besonders stark profilierte sich der Arbeitgebendenverband des Gastgewerbes, GastroSuisse, mit seinem Präsidenten Casimir Platzer, in der Öffentlichkeit. Platzer äusserte sich im Frühjahr immer wieder mit markigen Worten gegen die Schliessung der Innenräume von Gastbetrieben und sprach von einer drohenden «Zerstörung der Branche». Die Öffnung der Innenräume kam schliesslich im Rahmen eines Lockerungspakets per Anfang Juni, freilich mit gewissen Einschränkungen – etwa einer Sitzpflicht und einer Begrenzung auf vier Personen pro Tisch. Vor der Abstimmung vom 13. Juni sprach sich GastroSuisse für ein Ja zum Covid-19-Gesetz aus, das unter anderem die gesetzliche Grundlage für die Härtefallgelder an die Gastrobranche enthielt. Auch wenn Platzer in diesem Abstimmungskampf auf derselben Seite stand wie der Bundesrat, wiederholte er in einem Interview mit der BZ im selben Monat eine Aussage, die er schon im Vorjahr gemacht hatte: Er bewerte die Coronapolitik des Bundesrats weiterhin mit der Note «ungenügend». Seit Ende 2020 machten die Behörden «Panik mit diesen Varianten und Mutanten», was aus Platzers Sicht übertrieben sei, die bis Ende Mai 2021 anhaltenden Einschränkungen der Wirtschaft seien nicht gerechtfertigt. Zudem flössen die Hilfsgelder an die Gastrobetriebe unregelmässig und langsam; damit dies bei einer künftigen Pandemie rascher gehe, hatte GastroSuisse bereits im März eine Volksinitiative angekündigt.
Nach den Sommerferien opponierte GastroSuisse dann scharf, aber vergeblich, gegen die Pläne des Bundesrats zur Ausweitung der Zertifikatspflicht auf die Innenräume von Gastrobetrieben. Weil Ungeimpfte nicht bereit sein dürften, sich für jeden Restaurantbesuch testen zu lassen, befürchtete GastroSuisse – unter anderem gestützt auf eine Umfrage unter seinen Mitgliedern – massive Umsatzeinbussen insbesondere bei Betrieben auf dem Land, wo die Impfquote geringer war als in der Stadt. GastroSuisse-Präsident Platzer sprach in dem Zusammenhang davon, dass der Bundesrat die Impfquote auf dem Buckel des Gastgewerbes steigern wolle; zumindest müsse der Bund die zusätzlichen Umsatzverluste durch Hilfsgelder entschädigen.
In der Folge äusserten nicht nur Medien öffentliche Kritik an Platzer – der Blick nannte ihn etwa «den Dauerempörten», für den «immer die Beizer die Opfer sind» –, sondern vermehrt auch Stimmen aus der Branche selbst. Dazu zählten etwa die Direktorin der Hotelfachschule Luzern Christa Augsburger, der langjährige Präsident des Zürcher Wirteverbands Ernst Bachmann und Präsidenten weiterer Kantonalverbände. Sie machten geltend, dass es auch im Sinn des Gastgewerbes sei, wenn die Zertifikatspflicht zu einer Reduktion der Fallzahlen führe; andernfalls drohe mit einem erneuten Lockdown ein weit schlimmeres Szenario. Ausserdem bedeute das «ewige Gejammer» einen Imageschaden für die Branche. Die Energie solle besser auf den Einsatz für angemessene Hilfsgelder konzentriert werden. Mit Blick auf die Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes im November, bei der sich die Diskussion vor allem um das Zertifikat drehte, beschloss GastroSuisse dann Stimmfreigabe. Hotelleriesuisse und der Schweizer Tourismusverband unterstützten die Vorlage hingegen, auch weil eine Zertifikatspflicht vielen Gästen – gerade auch aus dem Ausland – Sicherheit gebe.

Manche dieser Forderungen von GastroSuisse waren nicht nur intern umstritten, sondern wurden auch von den grossen Dachverbänden Economiesuisse und Schweizer Arbeitgeberverband (SAV) nicht geteilt. Zu Dissonanzen führte zunächst, dass die beiden Dachverbände im Februar einen Vorschlag für eine stufenweise Lockerung des Lockdowns vorlegten, der die Öffnung der Restaurants erst relativ spät, nach Impfung aller Risikopersonen, ansetzte. Economiesuisse begründete dies damit, dass man mit dem Plan ein «ausgewogenes» Konzept habe vorlegen wollen, «mit dem alle Planungssicherheit gewinnen». Ein erneuter Konflikt mit GastroSuisse entbrannte, als sich Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder im August für eine Zertifikatspflicht auch in Gastbetrieben aussprach. GastroSuisse und Hotelleriesuisse zeigten sich irritiert darüber, dass sie als direkt betroffene Branchenverbände von Economiesuisse vorgängig nicht einmal konsultiert worden seien.
Im Allgemeinen gaben sich Economiesuisse und SAV in ihren Positionen zur Pandemiepolitik vergleichsweise staatstragend und versuchten insbesondere auf mehr Planungssicherheit hinzuwirken. Zumindest in ihren öffentlich vorgetragenen Forderungen war ein gewisses Bestreben zu erkennen, auf Maximalforderungen zugunsten kurzfristiger Wirtschaftsinteressen zu verzichten und vielmehr eine nachhaltige, letztlich auch im Interesse der Wirtschaft liegende Pandemiebewältigung zu unterstützen. Im April handelten sich die beiden Verbände allerdings heftige Kritik ein, als sie davon sprachen, dass bis zu 30'000 Covid-19-Neuinfektionen pro Tag «verkraftbar» seien, sobald die Risikopersonen geimpft seien. Sie mussten diese Aussage in der Folge relativieren, hielten aber daran fest, dass sich die Massnahmen nach einer Impfung breiterer Bevölkerungsgruppen weniger an den Ansteckungszahlen und mehr an den Hospitalisationszahlen orientieren sollten. Ebenfalls im April forderten Economiesuisse und SAV eine Öffnung der Restaurantterrassen und die Umwandlung der Homeoffice-Pflicht in eine Empfehlung. Im Herbst befürworteten die beiden Dachverbände die Zertifikatspflicht, um drastischere Einschränkungen zu vermeiden, und vertraten diese Haltung auch im Abstimmungskampf über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes. Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder argumentierte in einem Gastbeitrag in der NZZ, das Zertifikat helfe «ein Stück Normalität im Alltag» zu ermöglichen und weitere Lockdowns zu vermeiden. Ausserdem erleichtere es den internationalen Reiseverkehr, was gerade für Geschäftsreisen wichtig sei. Ein Wunsch nach Planungssicherheit war auch in der Forderung von Economiesuisse und SAV vom Herbst zu erkennen, dass der Bund verbindlich erklären solle, ab welchen Impfquoten er einen Ausstieg aus den Massnahmen beschliessen werde. Der Bundesrat lehnte einen solchen Automatismus indessen ab, da die Entwicklung der Pandemie zu unberechenbar sei.

Der Gewerbeverband (SGV) gab wie der SAV und Economiesuisse bei beiden Abstimmungen über das Covid-19-Gesetz die Ja-Parole heraus, markierte aber ansonsten grössere Distanz zu den Massnahmen des Bundes. So forderte er etwa bereits im April eine sofortige Öffnung aller damals aufgrund der zweiten Pandemiewelle geschlossenen Wirtschaftszweige. Als der Bundesrat Ende Juni die Homeoffice-Pflicht und das Testregime für Unternehmen aufhob, begrüsste der SGV dies, forderte aber weitergehende Schritte: So sollten etwa auch die Einschränkungen für Gruppengrössen in Restaurants und – von deutlich grösserer Tragweite – die besondere Lage gemäss Epidemiengesetz aufgehoben werden. Die «Sonderrechte», welche die besondere Lage dem Bundesrat verschaffe, drohten gemäss SGV «die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten ins Unermessliche steigen» zu lassen. Der SGV drang mit dieser Forderung indessen nicht durch; wie die NZZ zu bedenken gab, hätte eine Aufhebung der besonderen Lage zur Folge, dass Massnahmen wie etwa die Maskenpflicht im ÖV oder Vorgaben für Veranstaltungen dann wieder den Kantonen obliegen würden, womit ein Flickenteppich uneinheitlicher Massnahmen drohen würde.

Arbeitgebendenverbände und Gewerkschaften zu Corona-Massnahmen

Die Gewerkschaft Unia legte im Oktober ihre Jahresrechnungen für die Jahre 2016 bis 2020 offen. Sie tat dies unter medialem Druck, nachdem erste Zahlen als Nebenprodukt eines Gerichtsurteils bekannt geworden waren und bereits auf ein beträchtliches Vermögen der Gewerkschaft hatten schliessen lassen. Tatsächlich wies die Unia Ende 2020 ein Nettovermögen von CHF 457 Mio. aus. Das Bruttovermögen vor Abzug der Hypothekarschulden und Abschreibungen betrug CHF 836 Mio. Die Aktivposten umfassten Immobilien im Wert von CHF 444 Mio. und Finanzanlagen im Umfang von CHF 329 Mio. Das Immobilienportfolio bestand aus 151 Liegenschaften und 2'861 Wohnungen. Würden die Immobilien nicht nach den Anschaffungskosten, sondern nach dem Marktwert eingestuft, läge das Vermögen gemäss Schätzungen des Blick sogar nochmals rund eine Viertelmilliarde Franken höher. Der Tages-Anzeiger ging angesichts dieser Grössenverhältnisse davon aus, dass die Unia «mit hoher Wahrscheinlichkeit die finanzkräftigste politische Organisation der Schweiz [ist] – potenter als alle Parteien, Wirtschaftsverbände und NGOs». Die offengelegten Zahlen gelten für den gesamten Unia-Konzern. Zu diesem gehören neben der als Verein organisierten eigentlichen Gewerkschaft Unia auch die Unia-Stiftung und sechs Aktiengesellschaften, darunter drei Immobilienfirmen. Zu ihrem Liegenschaftsbesitz erklärte die Unia, dass dieser historisch gewachsen sei, indem die Vorgängergewerkschaften GBI, SMUV und VHTL den grössten Teil ihres Vermögens in Liegenschaften investiert hätten. Ein Teil der Gebäude werde von der Unia selbst genutzt, so die beiden Hauptsitze in Bern und Zürich sowie über 100 Unia-Sekretariate im ganzen Land. Andere Immobilien würden vermietet, hauptsächlich als Wohnhäuser. Der Personalaufwand für die über 1'200 Mitarbeitenden der Unia belief sich im Jahr 2020 auf CHF 115 Mio. Dazu gehörten auch die Gehälter der sieben Geschäftsleitungsmitglieder von durchschnittlich CHF 150'930.

Die Zahlen wurden in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert. Abgesehen davon, dass manche Bürgerliche und Medien etwas schadenfreudig die Frage aufwarfen, ob die Unia noch glaubwürdig gegen Kapitalisten und Grosskonzerne auftreten könne, wenn sie doch selbst ein solcher sei, wurden die folgenden vier Kritikpunkte geäussert:

Erstens stelle sich die Frage, ob die Höhe der Jahresbeiträge für die Gewerkschaftsmitglieder zu rechtfertigen sei, wenn die Unia auf solch hohen Vermögenswerten sitze. Die Mitgliederbeiträge der Unia, die Arbeitnehmende aus den Wirtschaftssektoren Bau, Gewerbe, Industrie und private Dienstleistungen vertritt, sind einkommensabhängig; bei einem Monatslohn von 4'000 Franken betragen sie 40 Franken im Monat. Die Kritik ging dahin, dass die Vermögenserträge auch während des Aktien- und Immobilienbooms der letzten Jahre in die Gewerkschaftsbürokratie geflossen seien, statt damit die Mitgliederbeiträge zu senken. Kritisiert wurde in dem Zusammenhang auch, dass die Vermögenslage auch den 182'000 zahlenden Mitgliedern der Gewerkschaft bisher nicht bekannt gewesen sei, sondern nur den 129 Delegierten, die einmal pro Jahr die Konzernrechnung absegneten. Die Unia hielt dem entgegen, dass es sich beim Vermögen um das gemeinsame Vermögen der Mitglieder handle. Die Erträge daraus würden vollständig für die Finanzierung von Gewerkschaftsaktivitäten verwendet und trügen dazu bei, «den hohen Standard der Mitgliederdienstleistungen und die finanzielle Unabhängigkeit der Gewerkschaft zu sichern». Niemand ziehe daraus einen persönlichen Vorteil.

Zweitens sahen bürgerliche Kritikerinnen und Kritiker sowie manche Medien einen Widerspruch darin, dass die Linke stets mehr Transparenz in der Politikfinanzierung fordere, die Unia aber bisher selbst nicht transparent gewesen war. Dabei sei es aus demokratiepolitischen Gründen wichtig, die Vermögensverhältnisse von politisch gewichtigen Akteuren wie den Gewerkschaften oder Arbeitgeberverbänden zu kennen. Die Unia rechtfertigte die bisherige Geheimhaltung damit, dass das Vermögen gleichzeitig auch die Streikkasse der Unia sei; es würde die Verhandlungsposition der Unia bei Arbeitskonflikten schwächen, wenn die Gegenseite ihre Vermögensverhältnisse – und damit ihre Durchhaltefähigkeit in einem Streik – kenne. Unia-Chefin Vania Alleva forderte zudem, die Medien sollten mit Transparenzforderungen alle politischen Akteure mit gleichen Ellen messen; so sind die meisten Wirtschaftsverbände und anderen Gewerkschaften nicht transparenter als bisher die Unia, was ihre Finanzlage angeht. Zu den wenigen Gegenbeispielen zählt der Baumeisterverband (SBV), einer der Hauptkontrahenten der Unia in Arbeitsfragen: Dieser weist rund CHF 20 Mio. Eigenkapital aus.

Ein dritter Kritikpunkt knüpfte an eine bereits vorher laufende Debatte an und betraf die Tatsache, dass ein Teil der Unia-Einkünfte aus öffentlichen Geldern und gesetzlichen Pflichtabgaben stammt, nämlich aus dem Betrieb von Arbeitslosenkassen und aus den Entschädigungen für Vollzugskosten von allgemeinverbindlichen Gesamtarbeitsverträgen (GAV). Aus diesen beiden Bereichen zusammen nahm die Unia 2020 rund CHF 80 Mio. ein, während ihr die Mitgliederbeiträge CHF 58 Mio. einbrachten. Ob aber die Einnahmen aus dem Betrieb von Arbeitslosenkassen und der Kontrolle des GAV-Vollzugs für die Gewerkschaft einen Gewinn abwerfen oder lediglich den Aufwand für diese Aufgaben decken, lässt sich auch anhand der neu veröffentlichten Zahlen nicht feststellen. Bürgerliche Stimmen glauben, dass die Unia damit Gewinne erzielt und ihr Vermögen auch damit geäufnet habe. Die Unia beteuert jedoch, dass dies nicht zutreffe – das gehe aus Abrechnungen hervor, die beim zuständigen SECO hinterlegt seien. Die FDP.Liberale-Fraktion reichte in der Folge zwei Interpellationen zum Thema ein (Ip. 21.4121 und Ip. 21.4122), die vom Bundesrat Auskunft zu diesen Geldflüssen verlangten. Bereits vor dem Bekanntwerden der Zahlen zur Unia war zudem eine Kommissionsmotion der WAK-NR hängig gewesen, die eine Offenlegung der Abrechnungen über die Entschädigungen für die GAV-Kontrollen verlangte.

Ein vierter Kritikpunkt schliesslich kam von linker Seite: Es sei problematisch, dass die Unia bei der Vermietung ihrer Wohnungen nicht nur kostendeckende Mieten verlange, sondern sich bei der Festlegung der Mieten am Marktpreis orientiere – und deshalb in den letzten Jahren mit ihrem ansehnlichen Immobilienportfolio Gewinne auf Kosten von Mietenden gemacht habe. Die Unia verteidigte sich damit, dass die Mieten in ihren Liegenschaften gerade in den Ballungszentren mit besonders angespanntem Wohnungsmarkt unterhalb des Marktniveaus lägen und sie mit ihren Immobilien keine Renditenmaximierung betreibe; insgesamt lägen die Mieten in den Unia-Liegenschaften «laut einer unabhängigen Bewertung» rund 30 Prozent unter Marktniveau.

Vermögen der Unia

L'Union syndicale suisse s'est engagée contre la loi sur l'e-ID soumise à votation le 7 mars 2020. Dans son communiqué de presse, l'USS ne remet pas en cause la nécessité de disposer d'une identification sécurisée et fiable en ligne, mais veut à tout prix éviter de confier cette tâche à des entreprises privées, comme l'a affirmé son président Pierre-Yves Maillard: «Tout le monde admet désormais la pénétration marchande de nos intimités par des géants commerciaux, qui accumulent et commercialisent nos données, ouvre des dangers inédits. Ce danger touche désormais la base même de nos démocraties. Dans ce contexte, privatiser notre identité numérique est une folie.»
La loi sur l'identité électronique est en revanche soutenue par Economiesuisse, l'association des communes suisses et l'union des villes suisses.

Associations E-ID positions

Jahresrückblick 2020: Verbände

Verschiedene Branchenverbände befürchteten aufgrund der zur Eindämmung des Coronavirus verhängten Massnahmen drastische Folgen für die durch sie vertretenen Wirtschaftssektoren. Entsprechend forderten sie während des Lockdowns und danach bessere Kreditbedingungen oder Ausnahmeregelungen für ihre Branchen: Beispielsweise forderten die Verbände Hotelleriesuisse und Gastrosuisse vom Bundesrat einen Erlass der Covid-19-Kredite und eine rasche Wiedereröffnung der Restaurants und Bars; der Industrieverband Swissmem wollte, dass dringend benötigte Spezialistinnen und Spezialisten die verhängten Einreisesperren umgehen können. Unterstützt wurde die Forderung durch Economiesuisse. Beide Verbände erhofften sich zudem eine Abschaffung der Industriezölle, um Unternehmen finanziell zu entlasten.
Auch eine Forderung der Unia bezüglich des Lockdowns sorgte für Aufsehen. Weil gemäss der Gewerkschaft Arbeitnehmende in Industrie und Gewerbe während des Lockdowns nicht ausreichend geschützt waren – ein Banker könne etwa im Homeoffice arbeiten und dadurch die vom Bund empfohlenen Hygiene- und Abstandsregeln gut einhalten, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Industrie, im Detailhandel, im Gewerbe oder auf dem Bau müssten weiterhin ungeschützt ihren beruflichen Tätigkeiten nachgehen –, forderte Unia-Chefin Vania Alleva landesweit eine Schliessung von Baustellen und Betrieben, bis auch dort umsetzbare und greifende Schutzmassnahmen und -konzepte erarbeitet worden seien. Seitens der Tagespresse musste sich Alleva aufgrund der hohen Kosten, welche diese Massnahme für Industrie und Gewerbe mit sich gebracht hätte, teils scharfen Vorwürfen stellen.

Abseits von Corona ging das Verbandswesen seinen gewohnten Gang. So kam es beispielsweise zu Personalmutationen (nicht abschliessende Auflistung): Jacques Bourgeois trat Ende März nach fast zwei Jahrzehnten von seinem Amt als Direktor des Schweizerischen Bauernverbands (SBV) zurück und wurde von Martin Rufer abgelöst. Flavia Kleiner gab ihr Amt als Co-Präsidentin bei Operation Libero per 20. Juni ab, nachdem sie dieses seit der Gründung der Bewegung 2014 innegehabt hatte, zuletzt zusammen mit Laura Zimmermann. Ihre Nachfolge trat Stefan Manser-Egli an. Einen Wechsel gab es auch bei Economiesuisse, hier trat Christoph Mäder per 1. Oktober die Nachfolge des bis dahin amtierenden Economiesuisse-Präsidenten Heinz Karrer an. Karrer hatte zuvor zwölf Jahre im Vorstand des Wirtschaftsverbands geamtet, sieben davon als Präsident. Ebenfalls im Oktober wurde am Gewerbekongress in Freiburg der Tessiner Fabio Regazzi (cvp) als neuer Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) bestätigt, Diana Gutjahr (svp, TG) wurde in den Vorstand gewählt. Gemäss NZZ wäre die Wahl Gutjahrs anstelle Regazzis wünschenswert gewesen, denn sie, so analysierte die Zeitung, hätte unter anderem in Anbetracht der tiefen Frauenquote beim SGV frischen Wind in den Verband gebracht.

Ferner fanden 2020 mehrere Volksabstimmungen statt. Auch die Verbände nahmen zu den Anliegen Stellung und fassten Parolen.
Medienwirksam diskutiert wurde die von der AUNS zusammen mit der SVP lancierte Begrenzungsinitiative. Sowohl die grossen Wirtschaftsverbände – vertreten durch den SGV und Economiesuisse – als auch die Arbeitnehmerverbände – vertreten durch den Schweizerischen Gewerkschaftsbund (SGB), Travail.Suisse sowie die Gewerkschaften Unia, Syna und VPOD – lehnten die Initiative ab. Ein besonders wichtiges Gegenargument war die Befürchtung einer Kündigung des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU, die eine Annahme der Initiative womöglich zur Folge gehabt hätte.
Die grossen Schweizer Wirtschaftsdachverbände Economiesuisse, der Schweizerische Arbeitgeberverband (SAV), der SGV sowie der SBV fassten ferner gemeinsam die Nein-Parole zur ebenfalls viel diskutierten Konzernverantwortungsinitiative, über die im November abgestimmt wurde. Diese verlangte, dass Unternehmen rechtlich belangt werden können, sollten diese oder ihre Tochterfirmen im Ausland gegen geltende Menschenrechte und Umweltstandards verstossen. Die Wirtschaft, so hiess es seitens der Verbände, stehe ohne Wenn und Aber zu den Menschenrechten und Umweltstandards, doch, so die Argumentation, würde eine Annahme der Initiative Betroffenen im Ausland kaum helfen, zu Rechtsunsicherheit führen und dabei die Schweizer Wirtschaft unter Generalverdacht stellen. Der Gegenvorschlag, welcher bei Ablehnung der Initiative in Kraft treten würde und anstelle von rechtlichen Konsequenzen mehr Transparenz forderte, genoss von den Verbänden Unterstützung. Eine noch grössere Anzahl an Verbänden und insbesondere NGOs stand hingegen für die Initiative ein: Amnesty International, Greenpeace, Swissaid oder die Gesellschaft für bedrohte Völker gehörten zu den Trägerorganisationen der Konzernverantwortungsinitiative. Die Operation Libero, die Unia, der WWF, Terre des Femmes, der SGB und zahlreiche weitere Umweltschutz-, Menschenrechts- und Arbeitsrechtsorganisationen sicherten dem Anliegen ihre Unterstützung zu.

Auch historische Jubiläen konnten im Coronajahr begangen werden: Die Dachorganisation für lokale und regionale Behindertenorganisationen Pro Infirmis feierte ihr 100-jähriges Bestehen; Economiesuisse konnte diese Zahl gar noch überbieten: Seit 150 Jahren gibt es den Dachverband der Schweizer Wirtschaft, wenngleich nicht immer in gleicher Form wie heute.

Zu Jahresbeginn erreichte der Anteil der Zeitungsberichte zum Thema «Verbände» gemessen an allen anderen 2020 durch Année Politique Suisse erfassten Berichte seinen höchsten Wert und sank dann, mit einem erneuten leichten Anstieg im Sommer, bis Ende Jahr deutlich ab. Am stärksten in den Medienberichterstattungen vertreten waren die Industrieverbände sowie die Gewerkschaften und Arbeitnehmerverbände. Ebenfalls öfters Thema der medialen Berichterstattung waren die Gewerbeverbände, wenig vertreten waren hingegen die Landwirtschaft und die übrigen Arbeitgeberverbände.

Jahresrückblick 2020: Verbände
Dossier: Jahresrückblick 2020

L'Union syndicale suisse (USS) réclame une augmentation des salaires pour l'année 2021. Selon l'association qui défend les droits des travailleurs et travailleuses, la crise économique liée à la pandémie ne doit pas constituer une excuse pour le patronat. Au contraire, nombres de salarié.e.s ont dû fournir un effort particulier pendant la crise, par exemple dans le secteur hospitalier. L'USS relève que d'autres branches ont pu tirer profit de la situation et sont donc en capacité d'offrir des hausses de salaire à leurs collaborateurs et collaboratrices. C'est pour ces raisons que le syndicat réclame dans un communiqué de presse des augmentations allant jusqu'à CHF 100.- par mois ou jusqu'à 2% dans les branches et les entreprises qui en ont les moyens.
D'autres syndicats tels que Travail.Suisse, Syna et Transfair ont également revendiqué des hausses salariales. Ils ont cependant fait part de leur déception, nombre de leurs revendications ayant été rejetées. Dans les domaines de la santé, l'artisanat et l'industrie, peu d'augmentations, voire aucune, n'ont pu être observées, au grand regret des syndicats. Ceux-ci cautionnent en revanche le gel des salaires dans l'hôtellerie, la gastronomie et les autres secteurs du tourisme, durement touchés par la crise. De plus, ils saluent les mesures prises dans le commerce de détail. Coop et Fenaco – à qui appartient le distributeur Volg – ont augmenté leurs masses salariales respectives de 1 pour cent et envoient ainsi un signal positif à leurs collaborateurs et collaboratrices, eux aussi fortement sollicités durant la pandémie. La hausse de 0.2 à 0.5 pour cent communiquée par Migros reste en revanche insuffisante aux yeux des syndicats.
Parallèlement à cela, les syndicats ont poursuivi en 2020 leur engagement pour les droits des travailleurs et travailleuses, se battant entre autre pour des hausses des indemnités de chômage partiel pour les travailleurs à faible revenu ou pour un meilleur contrôle de plans de protection sur les chantiers et dans les entreprises.

Exigences des syndicats pour faire face à la crise du Covid-19

Der SGB und der Arbeitnehmerdachverband Travail.Suisse und damit einhergehend auch die grossen Gewerkschaften Unia, Syna und VPOD fassten im Februar 2020 die Nein-Parole zur Begrenzungsinitiative, wie der SGB per Medienmitteilung kommunizierte.
Die Initiative wolle den Lohnschutz aufweichen, die Arbeitsbedingungen verschlechtern und die Schweiz isolieren, so die Hauptargumente der ablehnenden Arbeitnehmerverbände. VPOD-Präsidentin Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH) betonte zudem, für migrantische Arbeitskräfte drohe sich bei einer Annahme der Initiative die arbeitsrechtliche Situation besonders zu verschlechtern, da deren Rechte mit der Initiative geschwächt und sie so leichter ausgebeutet werden könnten.
Die Gewerkschaften kündigten mit der Parolenfassung ebenfalls eine grossangelegte Gegenkampagne an, die sodann in den Medien thematisiert wurde. Wie die Initiativgegnerinnen und -gegner bekannt gaben, planten sie, eine Abstimmungszeitung in jeden Schweizer Haushalt verschicken zu wollen. Damit würden die Gewerkschaften auf ein «bevorzugtes Kampagneninstrument der SVP» setzen, konstatierte der Tages-Anzeiger und titelte: «Gewerkschaften greifen SVP mit deren eigenen Mitteln an».
Aufgrund der Corona-Pandemie wurde die ursprünglich für Mai vorgesehene Abstimmung auf September verschoben, weshalb auch die Kampagne unterbrochen wurde. Im Juni gab der SGB schliesslich bekannt, die Kampagne gegen die Begrenzungsinitiative fortzuführen.

Gewerkschaften sagen Nein zu Begrenzungsinitiative

Die Gewerkschaft Unia forderte wenige Tage nach dem Beschluss der ausserordentlichen Massnahmen zur Eindämmung des Coronavirus im März 2020 auch striktere Massnahmen für Industrie und Gewerbe. Wie die Unia-Chefin Vania Alleva in einem Interview mit dem «Blick» mitteilte, fordere sie, wie dies in den Kantonen Genf und Tessin bereits umgesetzt worden sei, landesweit eine Schliessung von Baustellen und von Betrieben, welche die geltenden Abstands- und Hygienemassnahmen nicht ausreichend durchsetzen können. Denn während etwa ein Banker im Homeoffice arbeiten und dadurch die vom Bund empfohlenen Hygiene- und Abstandsregeln gut einhalten könne, so Alleva, müssten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Industrie, im Detailhandel und im Gewerbe oder auf dem Bau weiterhin ungeschützt ihrer beruflichen Tätigkeit nachgehen. Die Situation sei tatsächlich paradox, meinte auch der Blick: Stünden drei Bauarbeiter nach Feierabend auf der Strasse, ohne die geltenden Abstandsregeln einzuhalten, drohe ihnen eine Busse – auf der Baustelle hingegen nicht. Längerfristig zielte die Forderung der Unia darauf ab, dies teilte Alleva gegenüber dem Tages-Anzeiger mit, dass die Arbeitgebenden nachhaltige und wirksame Schutzkonzepte erarbeiten sollen, um trotz Pandemie den Arbeitsbetrieb aufrechterhalten zu können. Damit sollten letztlich Entlassungen verhindert und ein Umgang mit der Krise gelernt werden.

Die Forderung der Unia, Gewerbe und Industrie weitgehend vorübergehend stillzulegen, war umstritten: Der Tages-Anzeiger etwa fragte Alleva, ob sie «wahnsinnig» geworden sei, und warf ihr vor, die Unia – auch Betreiberin der grössten Arbeitslosenkasse der Schweiz – wolle doch nur von den Folgen der Krise profitieren. Mit den Bundeskrediten zur Unterstützung der Wirtschaft wolle sie ferner der freien Marktwirtschaft den Garaus machen, um den sozialistischen Traum einer reinen Staatswirtschaft wahr zu machen, mutmasste die Zeitung weiter. Alleva tat diese doch happigen Vorwürfe aber als «infame» und «völlig realitätsfremde» Unterstellung ab. Die Unia sei daran interessiert, dass die Wirtschaft nach der Krise wieder in Schwung komme und niemand unter die Räder gerate.
Rückendeckung erhielt Alleva von SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard. Dieser sprach sich nicht für einen totalen Shutdown aus, betonte aber, dass die Gesundheit der Arbeitnehmenden Priorität haben müsse. Die Diskrepanz zwischen den geltenden Regeln im Privatleben und im Berufsleben sei nicht hinnehmbar, so Maillard gegenüber dem «Blick».

Unia forderte striktere Massnahmen für Industrie und Gewerbe

Nachdem in der Presse und innerhalb des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) erst darüber gemutmasst worden war, ob Verbandspräsident Jean-François Rime (svp, FR) im Frühling 2020 nochmals für das höchste Amt im Verband kandidieren würde, obwohl er damit gegen dessen Amtszeitbeschränkung verstossen hätte, war nach der Nicht-Wiederwahl Rimes bei den Nationalratswahlen im Herbst 2019 schnell klar, dass er als Konsequenz auch vom SGV-Präsidium zurücktreten wird. Wie die NZZ danach resümierte, seien die eidgenössischen Wahlen für den Verband ein Debakel gewesen und auch der Tages-Anzeiger hielt fest, der SGV stehe vor einem Scherbehaufen – denn nicht nur Verbandspräsident Rime, auch Verbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler (fdp, ZH) sowie Vorstandsmitglied Hansjörg Brunner (fdp, TG) wurden nicht nochmals in den Nationalrat gewählt. Die Wiederwahl in die grosse Kammer schaffte einzig die Vizepräsidentin des Verbands, Daniela Schneeberger (fdp, BL).
Mehrere Kandidierende brachten sich sodann in Position, um das frei werdende Amt zu beanspruchen: Wie die Presse im Dezember 2019 berichtete, wollten sowohl Diana Gutjahr (svp, TG) als auch Fabio Regazzi (cvp, TI) im April 2020 für das Verbandspräsidium kandidieren. Mit Gutjahr könnte erstmals eine Frau, mit Regazzi erstmals ein Tessiner diese Position beim SGV einnehmen.

Regazzi wird neuer SGV-Präsident

Die Delegierten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) sprachen sich an einer Versammlung im November 2019 für die Lancierung einer Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente aus. Die Initiative sei die Antwort auf das «immer deutlicher sichtbar werdende Rentenproblem» wie der Gewerkschaftsbund in einer Medienmitteilung festhielt. Insbesondere die Rentensituation bei Frauen sei oft problematisch: Sofern diese «überhaupt eine PK-Rente erhalten», sei sie durchschnittlich «nur halb so hoch wie jene der Männer». Aber auch sonst seien die Renten «erschreckend tief», weshalb es eine 13. AHV Rente brauche, «so wie es für viele einen 13. Monatslohn» gebe, teilte der SGB mit. Monatlich ergäbe dies eine Erhöhung der Renten um 8.33 Prozent, wobei auch EL-Beziehende davon profitieren sollen. Um diese Zusatzrente zu finanzieren, so die Idee, sollen die Gewinne der SNB herangezogen werden – dies müsse aber erst noch im Parlament mehrheitsfähig werden. Zum Zeitpunkt der Mitteilung war noch unklar, wann mit der Unterschriftensammlung begonnen werden sollte.

Lancierung einer Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente

Nicht nur der Gewerbeverband (SGV), auch die Gewerkschaften verloren bei den Eidgenössischen Wahlen im Herbst 2019 Sitze im Parlament. Wie der Tages-Anzeiger nach den Wahlen berichtete, wurden Corrado Pardini (sp, BE) und Nicolas Rochat Fernandez (sp, VD) von der Unia, Philipp Hadorn (sp, SO) von der SEV, Thomas Ammann (cvp, SG) von Transfair sowie Adrian Wüthrich (sp, BE) von Travailsuisse nicht wiedergewählt. Der Travailsuisse-Vizepräsident, Jacques-André Maire (sp, NE) hatte zudem bereits im Vorfeld angekündigt, dass er sich aus der Politik zurückziehen werde.
Es gab aber auch Zuwachs und Konstanten: Neu in das Parlament gewählt wurden SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard (sp, VD), VPOD-Präsidentin Katharina Prelicz-Huber (gp, ZH), Greta Gysin (gp, TI), Geschäftsleitungsmitglied von Transfair, sowie die Unia-Gewerkschaftssekretärin Tamara Funiciello (sp, BE). Wiedergewählt wurden die Präsidentin des PVB Barbara Gysi (sp, SG), Transfair-Präsident Stefan Müller-Altermatt (cvp, SO), Irène Kälin (gp, AG), Präsidentin der Gewerkschaft Arbeit Aargau, Samira Marti (sp, BL), Präsidentin des VPOD Region Basel sowie Edith Graf-Litscher (sp, TG) und Mathias Reynard (sp, VS) von den Gewerkschaftsbünden Thurgau und Wallis.

Der Tages-Anzeiger konstatierte, die Gewerkschaften seien mit diesen Wahlresultaten «weit entfernt von der Stärke ihrer besten Tage», etwa als nach den Wahlen 2003 «je nach Zählung» bis zu zwei Dutzend Ratsmitglieder der «gewerkschaftlichen Achse angehörten». SGB-Präsident Maillard hingegen hatte keine Mühe mit dem Resultat – neben dem Klima sei insbesondere auch die Frauenfrage bei diesen Wahlen einfach wichtiger gewesen. Ferner fühle sich ja nach wie vor ein grosser Teil der SP mit den Gewerkschaften verbunden, ohne dabei selbst Mitglied einer Gewerkschaft zu sein, äusserte sich auch der nicht wiedergewählte Hadorn zur Lage. Möglich sei auch, dass die Gewerkschaften längerfristig Opfer ihres eigenen Erfolges würden, liess er zudem verlauten, da offenbar viele Menschen in der Schweiz unterdessen einen gewissen Wohlstand geniessen könnten und dadurch gewerkschaftliche Themen in den Hintergrund rückten.

Wahlen 2019 Gewerkschaften

Erstmals mischte die Operation Libero 2019 bei den nationalen Wahlen mit. Im Zuge der sogenannten «Wandelwahl», so der Name der Aktion, wurden insgesamt 38 Kandidierende aus verschiedenen Parteien mit dem «Gütesiegel von Operation Libero» (NZZ) versehen und von der Organisation im Oktober zur Wahl empfohlen.
Zum Auftakt der Kampagne versammelten sich im Juni die ersten Nominierten, darunter auch der Mitbegründer der Operation Libero Nicola Forster (ZH, glp), welcher den Einzug in den Nationalrat letztlich knapp verpasste, zusammen mit den Co-Präsidentinnen Flavia Kleiner und Laura Zimmermann, die beide nicht zu den Wahlen antraten, in Bern auf dem Casinoplatz. Der Wahlauftakt unterschied sich nicht von anderen Wahlveranstaltungen, wie die NZZ damals festhielt; einziger Unterschied sei, dass die Organisatorin keine Partei sei. Das Ziel der «Wandelwahl» war, die progressiven Kräfte im Parlament zu stärken und den «jahrelangen Stillstand und die Blockade», in welcher sich die Schweizer Politik befinde, aufzubrechen, zitierte die Aargauer Zeitung die Absichten der Operation Libero. Den Kandidierenden wurde bei ihrer Wahlkampagne unter die Arme gegriffen, im Gegenzug mussten diese bei erfolgreicher Wahl die Libero-Ziele unterstützen, beispielsweise durch die Erarbeitung eines griffigen CO2-Gesetzes, der «Ehe für Alle» oder eine im Sinne der Operation Libero konstruktiven Europapolitik.
Aufgrund dieser Forderungen musste die Operation Libero Kritik einstecken: Die WOZ warf ihr Ende August vor, dass sie Kandidatinnen und Kandidaten kaufe und die Demokratie als Supermarkt betrachte. Zudem monierte der «Blick», dass CHF 400'000 der insgesamt CHF 600'000 des Wahlkampfbudgets – geplant waren eigentlich CHF 1.5 Mio. – von einem einzigen Spender eingegangen seien und die Organisation sich dadurch von diesem abhängig mache. Laura Zimmermann wies die Kritik der WOZ zurück: Das Empfehlen von Kandidatinnen und Kandidaten, die parteiübergreifend Politik machen, sei «urdemokratisch». Gegenüber dem «Blick» meinte sie, es sei «kein Rappen an die Kandidierenden geflossen» und man werde analysieren, weshalb von den geplanten CHF 1.5 Mio. nur CHF 600'000 zusammengekommen seien und weshalb das Crowdfunding für die Kampagne diesmal nicht wie gewünscht funktionierte.

Zehn der 38 empfohlenen Kandidierenden wurden schliesslich in den Nationalrat gewählt, wie die Operation Libero nach der Wahl in einer Medienmitteilung kommunizierte: Gerhard Andrey (gp, FR), Susanne Vincenz-Stauffacher (fdp, SG), Roland Fischer (glp, LU) und Marionna Schlatter (gp, ZH) zogen dabei neu in den Nationalrat ein. Wiedergewählt wurden Yvonne Feri (sp, AG), Beat Flach (glp, AG), Sibel Arslan (gp/basta, BS), Philipp Kutter (cvp, ZH), Eric Nussbaumer (sp, BL) und Kathrin Bertschy (glp, BE).

Operation Libero «Wandelwahl» 2019

Die Unia hatte in der ersten Jahreshälfte 2019 mit Intrigen und Mobbingvorwürfen zu kämpfen, wie die Presse berichtete. Insbesondere die Regionalstelle Berner Oberland geriet in den Konflikt mit der Zentrale in Bern. Auch an der Unia-Präsidentin Vania Alleva wurde Kritik laut.

Erst hatte ein Gewerkschafter 2018 im Berner Oberland einem Mitglied ungefragt Nacktbilder zugeschickt, worauf die Belästigte die Gewerkschaft damit konfrontierte. Eine interne Untersuchung wurde 2019 abgeschlossen und ergab, dass ein solches Fehlverhalten theoretisch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zur Folge hätte, die Anschuldigungen aber auch unbegründet oder inszeniert sein könnten. Alleva hatte das Gefühl, dass an der Sache etwas «lusch» sei, weshalb man auf eine Kündigung verzichtete, so die Aargauer Zeitung Anfang April. Der Fall wäre eigentlich ein Fall für eine Gewerkschaft, konstatierte die Zeitung weiter, hätte er sich nicht innerhalb einer solchen abgespielt. Der beschuldigte Mitarbeiter kündigte letztlich freiwillig.
Doch das Berner Oberland kam damit nicht zur Ruhe: Dort suchten Alleva zusammen mit Regionalpräsident Hans Ulrich Balmer seit 2018 vergeblich die Nachfolge eines zurückgetretenen Regionalleiters. Im April 2018 liess Balmer schliesslich Wahlen durchführen, obwohl im Vorfeld keine Kandidaten und Kandidatinnen von der zuständigen Kommission vorgeschlagen worden waren. Die Delegierten der Unia und die nationale Geschäftsleitung distanzierten sich daraufhin von der Wahl und akzeptierten diese nicht: Die beiden ungültig gewählten Funktionäre wurden ihres Amtes wieder enthoben, die nationale Geschäftsstelle ernannte Giuseppe Reo als Übergangsleiter im Oberland. Dieser Disput vertiefte die Gräben zwischen Bern und Thun: «Wer ihnen nicht passt, wird eliminiert», kritisierte Balmer in der Berner Zeitung die Unia-Führung. Nach über zehn Jahren im Amt wurde Balmer an der Delegiertenversammlung im April 2019 in Thun schliesslich abgewählt; dieser sprach darauf von einem «Putsch gegen die Demokratie» und meinte, die Delegierten seien im Vorfeld «gezielt ausgewechselt» worden.
Nach der Abwahl Balmers war in der Gewerkschaft die Rede von Mobbing, doch als Alleva in einem Interview im April mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, stellte sie klar, eine externe Kommission habe den Fall untersucht und befunden, «dass kein Mobbing vorlag». Für Balmer war dies typisch: Untersuchungen «gehen fast immer zugunsten der nationalen Führung um Vania Alleva aus», selten zugunsten der Mitarbeiter. Balmer, aber auch andere Mitarbeitende, warfen den «Gewerkschaftsbossen» in Bern wiederholt vor, die Unia in eine «straff geführte Organisation» umbauen zu wollen.
Der Unmut über die kritisierten Zustände bei der Unia fand am 1.-Mai-Umzug seinen Höhepunkt: Einige «Unia-Separatisten» marschierten in Basel getrennt vom offiziellen Umzug, darunter auch Balmer, um gegen die Führung um Alleva zu demonstrieren: Man attestierte ihr Macht- und Geldgier, einen «nordkoreanische[n] Führungsstil» und zog Parallelen zu Sekten wie Scientology. Irgendwann sei dann der Protest aber von den lauten Gewerkschafterinnen übertönt worden, welche auf den Frauenstreiktag im Juni aufmerksam machten und, wie sie sagten, «dieser Machoszene» keinen Raum geben wollten. Die Unia, so resümierte die Presse, sei am für sie wichtigsten Datum im Jahr, dem Tag der Arbeit, mit sich selbst beschäftigt gewesen.
Alex Zeller, Mitglied des Zentralvorstands, teilte indes das Unbehagen der Demonstrierenden und forderte an der Vorstandssitzung Ende Mai schliesslich den Rücktritt Allevas: Es brenne bei der Unia, die Arbeitsbedingungen seien schlecht, Sozialleistungen gekürzt und der Kündigungsschutz aufgeweicht worden. Der Fisch stinke vom Kopf, weshalb Alleva gehen müsse. Soweit kam es aber nicht, denn diese genoss nach wie vor Rückhalt in der Gewerkschaft. Alleva verwies zudem darauf, dass sich die Führung stets korrekt gemäss den Statuten verhalten habe.

Dass aber Unstimmigkeiten zwischen der Gewerkschaftsbasis und der Führung vorhanden seien, zeigten nicht zuletzt die sinkenden Mitgliedszahlen, wie die Medien analysierten: Von einst über 200'000 Mitgliedern im Jahr 2005 waren es noch 193'000 im Jahr 2019.

Interne Konflikte bei der Unia

Wie der Sonntagsblick im September 2018 berichtete, wolle die Operation Libero bei den Nationalratswahlen 2019 eine aktive Rolle spielen. Die Bürgerbewegung plane, «frische Gesichter» ins Parlament zu bringen und «Nachwuchskräfte und Politikerinnen» zu fördern. Bedingung für eine Unterstützung sei, dass potenzielle Kandidaten und Kandidatinnen die «aussenpolitische Öffnung der Schweiz» befürworteten, sich für die Rechtsstaatlichkeit einsetzten, eine liberale Migrationspolitik verfolgten und sich für zukunftsorientierte Themen wie die Digitalisierung engagierten. Denn das Parlament, so die Ansicht von Laura Zimmermann, Co-Präsidentin der Operation Libero, im Sonntagsblick, habe in den letzten vier Jahren «in der Europapolitik und anderen zukunftsweisenden Themen» versagt.
Im Dezember 2018 titelte auch die NZZ, die Operation Libero wolle «die Wahlen aufmischen». Die «konservative Koalition, die die Politik zum Stillstand gebracht» habe, solle in eine Minderheit versetzt werden. Noch sei aber nicht klar, wie dies gelingen solle, gab Projektleiter Philipp Brandenstein zu. Man sei aber auf der Suche nach einem kreativen Ansatz, welcher über eine reine Wahlempfehlung hinausgehe. Selbst zu einer politischen Partei werden wolle Operation Libero indes nicht – es gehe aber darum, das «bisherige zivilgesellschaftliche Engagement in ein politisches» zu überführen, damit man den Reformstau in Bern aufzulösen vermöge. Kurzgefasst strebe die Operation Libero im Nationalrat statt der heutigen Mitte-rechts- eine Mitte-links-Mehrheit an – nur würde das die Bewegung offiziell nie zugeben, resümierte die NZZ.

Operation Libero mischt die Wahlen auf

Am 1. Dezember 2018 wurde Pierre-Yves Maillard zum neuen Präsidenten des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes gewählt. Maillard setzte sich mit 115 Stimmen gegen Nationalrätin Barbara Gysi (sp, SG) durch, die 82 Stimmen erhielt. Bereits im September hatten sowohl Marina Carobbio (sp, TI) als auch Mathias Reynard (sp, VS) ihre Kandidaturen zurückgezogen.
Mit dem Entscheid der Delegierten ging auch eine Debatte zu Ende, die seit der Rücktrittsverkündigung Rechsteiners im März angedauert hatte. Viele Delegierte wünschten sich nun, nachdem Rechsteiner das Amt zwanzig Jahre ausgeübt hatte, eine Frau an der Spitze des SGB. Der Wahlkampf zwischen Gysi und Maillard, insbesondere die Diskussion um die Gleichstellungsfrage, wurde landesweit in der Tagespresse aufgegriffen – ganz im Zeichen des diesjährig abgehaltenen Frauenstreiks. Zwar unterschieden sich die politischen Profile Gysis und Maillards kaum, wie die WOZ festhielt, doch verkörpere Maillard eine «vergangene Epoche, in der in den gewerkschaftlich organisierten Branchen fast ausschliesslich Männer arbeiteten», während die Zukunft aber weiblicher sein müsse. Gysi verfolgte mit der Wahl denn auch das Ziel, sich vermehrt gegen arbeitnehmerische Missstände wie eine schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder tiefe Frauenlöhne einzusetzen, wie sie gegenüber dem St. Galler Tagblatt im September bekannt gab. Zudem sei die knapp eingehaltene Mindestquote von einem Drittel Frauen in den Leitungsgremien des SGB zu tief angesetzt und es gelte, vermehrt Frauen für eine Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft anzuwerben – besonders im Hinblick auf den Mitgliederschwund, mit welchem die Gewerkschaften zu kämpfen hätten. Für ihre Anliegen, so das Tagblatt weiter, spüre die St. Gallerin aus allen Landesteilen Rückhalt, doch erhalte sie diesen nicht nur aufgrund der Gleichstellungsanliegen: Sie könne auf eine jahrelange Tätigkeit im Nationalrat zurückblicken und sei seit 1989 gewerkschaftlich aktiv.
Ihre Niederlage im Dezember begründete die Presse jedoch weder mit ihrem Geschlecht noch mit ihrer Herkunft – auch Rechsteiner ist St. Galler –, sondern mit dem Umstand, dass Maillard als Macher bekannt sei. Mit der Einführung eines dreizehnten Monatslohns sowie fünf Wochen Ferien für alle Arbeitnehmenden wolle Maillard realisierbare Projekte anpacken. Gysi habe indes auch die Einführung einer Viertagewoche in Erwägung gezogen, die, wäre es in der Folge zu einer Abstimmung kommen, an der Urne wohl gescheitert wäre, wie die Presse prognostizierte. Auch die NZZ porträtierte Maillard als Macher, indem sie den Wahlerfolg damit begründete, dass es ihm als Regierungsrat der Waadt gelungen sei, aus einem «rechten Kanton» einen Kanton mit einer «linksdominierten Regierung» zu machen. Höhere Kinderzulagen, Prämienverbilligungen und Ergänzungsleistungen für Alleinerziehende seien in der Folge im Kanton auf Akzeptanz gestossen. Ausschlaggebend sei ferner gewesen, dass Maillard als Streikführer und Funktionär des SMUV mehr «gewerkschaftlicher Stallgeruch» angehaftet habe als Gysi.
Die grösste Herausforderung für den neuen SGB-Präsidenten, da war sich die Tagespresse einig, werde indes sein, den Lohnschutz der Bilateralen erfolgreich im Rahmenvertrag mit der EU unterzubringen.

Rechsteiner tritt als Präsident des SGB zurück

Ein Fake-Inserat der Unia sorgte im September 2018 für einen kleinen Eklat. Wie verschiedene Zeitungen berichteten, schaltete die Gewerkschaft bereits im August ein Job-Inserat der fiktiven Firma «Meyer Info» auf mehreren Stellensuchportalen. Das Inserat existierte dabei in zwei fast fast identischen Versionen, wobei es sich jeweils entweder an Männer oder an Frauen richtete. Der frappante Unterschied: Das angegebene Jahresgehalt für Frauen lag bei CHF 64'000, während die Männer für dieselbe Stelle CHF 80'000 erhalten sollten. Dieser Unterschied blieb nicht lange unbemerkt, worauf sich etwa auf dem Westschweizer Newsportal «Le Matin» Nationalrätin Rebecca Ruiz (sp, VD) zum «skandalösen Unterschied» äusserte.
Im September deckte schliesslich das St. Galler Tagblatt mehrere Ungereimtheiten auf, darunter auch, dass die Firma «Meyer Info» nicht im Handelsregister verzeichnet sei. Bald wurden Vermutungen laut, dass die Inserate gefälscht und Teil einer politischen Kampagne sein müssten. Auf Druck der Öffentlichkeit meldete sich schliesslich eine Unia-Mitarbeiterin mit einem Tweet zu Wort: Die Gewerkschaft Unia, zitierte das St. Galler Tagblatt den Tweet, habe das Inserat zur Unterstützung einer Kampagne zugunsten der Lohngleichheit lanciert. Dabei hätten Influencer das Inserat gezielt gestreut, um die Öffentlichkeit für das Anliegen zu sensibilisieren.
Der Zeitpunkt der Aufschaltung war nicht zufällig gewählt: Im Nationalrat wurde gegen Ende September über eine Initiative zur Bekämpfung der Lohndiskriminierung debattiert. Bei einigen Politikerinnen und Politikern sorgte die Unia-Kampagne denn auch für Unmut: Ruiz, nun über die Fälschung aufgeklärt, zeigte sich verärgert, da es genügend reale Fälle von Lohndiskriminierung gebe, die man hätte thematisieren können, wie die Basler Zeitung festhielt. Die gleichen Töne schlug Thierry Burkhart (fdp, AG) an: Wenn die Unia auf Fake-News zurückgreifen müsse, um die Notwendigkeit einer Änderung aufzuzeigen, bestehe ja wohl kein realer Handlungsbedarf, kritisierte er. Derweil hoben Flavia Wasserfallen (sp, BE) und Maya Graf (gp, BL) hervor, dass zwar das Inserat gefälscht gewesen sei, durch die Kampagne aber auf «unkonventionelle» Art auf ein durchaus bestehendes Problem aufmerksam gemacht worden sei.

Fake-Inserat der Unia

Wie der Tages-Anzeiger im Juli 2018 berichtete, stecke die Bauerngewerkschaft Uniterre in finanziellen Schwierigkeiten. Der kleine Verband, welcher sich unter anderem für bessere Arbeitsbedingungen und eine nachhaltigere Produktion von Lebensmitteln einsetzt, war Co-Initiant der Initiative für Ernährungssouveränität. Der Abstimmungskampf beanspruche für eine kleine Organisation wie Uniterre enorm viel Geld, meinte das Vorstandsmitglied Rudi Berli gegenüber dem Tages-Anzeiger. Die Gewerkschaft rief deshalb ihre Sympathisanten dazu auf, ihr finanziell unter die Arme zu greifen. Dennoch sei nicht allein die Initiative Grund für den Geldmangel, bis zur Abstimmung im September reiche das Geld nämlich noch. Ab Oktober müsse man dann aber, sollten nicht genügend Spenden eingehen, den Betrieb reduzieren. Doch «wenn man als Gewerkschaft keine finanziellen Sorgen hat», so Berli ferner, laufe etwas falsch. Für Uniterre sei es denn auch nicht ungewöhnlich, mit knappen Mitteln zu arbeiten.

Uniterre geht das Geld aus

Am 14. März 2018 gab Ständerat Paul Rechsteiner seinen Rücktritt vom SGB-Präsidium bekannt. Nach 20 Jahren sei es an der Zeit für einen Generationenwechsel, teilte er den Medien mit. Der Wechsel an der SGB-Spitze werde im November 2018 erfolgen.
Nach der Rücktrittsverkündung zeichneten mehrere Zeitungen die Marksteine seiner Amtsperiode nach. So sei besonders Rechsteiners Anteil an den flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit mit der EU hervorzuheben: Ende der 1990er-Jahre habe Rechsteiner die Unterstützung der Gewerkschaften für die bilateralen Verträge von Lohnschutzmassnahmen abhängig gemacht. Auch in den nachfolgenden Jahren habe sich der SGB vermehrt für höhere Mindestlöhne stark gemacht, zuletzt mit der Mindestlohninitiative. Diese sei 2014 zwar von der Bevölkerung abgelehnt worden, dennoch habe man damit ein wichtiges Signal gesendet, wie die Aargauer Zeitung vermerkte. Schliesslich sei es aber auch dem SGB nicht gelungen, die AHV zu reformieren: Sowohl die Initiative AHVPlus als auch die Reform der Altersvorsorge 2020 waren am Volk gescheitert.
Im Parlament blieb Rechsteiner unterdessen gut vernetzt, da er seinen Ständeratssitz behielt. Wie die NZZ berichtete, habe er es dort als Gewerkschaftsboss geschafft, den SGB als verlässlichen und berechenbaren Dachverband zu positionieren, welcher sowohl die «aggressive Unia» als auch die «gemässigte Eisenbahngewerkschaft» vereine.

Rechsteiner tritt als Präsident des SGB zurück

Am Syndicom-Kongress im November 2017 wurde Daniel Münger, bisheriger Leiter der Sektion Logistik bei Syndicom, zum neuen Präsidenten der Gewerkschaft Syndicom gewählt. Münger trat die Nachfolge von Alain Carrupt an, der 2016 zurückgetreten war. Syndicom vertritt die Interessen von rund 35'000 Arbeitnehmenden in der Medien- und Kommunikationsbranche.

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Auch wenn die Schlussabstimmung betreffend die Parole des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds (SGB) zur Reform der Altersvorsorge 2020 letztendlich mit 98 zu 21 Stimmen deutlich zugunsten der AHV-Reform ausfiel, zeigte die Delegiertenversammlung am 24. März 2017 eine Spaltung zwischen Deutschschweizer und Westschweizer Gewerkschafterinnen und Gewerkschaftern. Über 30 SGB-Delegierte äusserten sich vor der Parolenfassung; Hauptstreitpunkt war, ob die Erhöhung der AHV um monatlich CHF 70 eine Erhöhung des Frauenrentenalters rechtfertige. Solange die Frauen bei den Löhnen diskriminiert würden, dürfe das Rentenalter nicht erhöht werden, lautete der Tenor bei vielen Delegierten aus der Westschweiz. Ein Waadtländer Delegierter etwa warf SGB-Präsident Paul Rechsteiner Verrat vor, weil sich der Gewerkschaftskongress 2014 in einer Resolution klar gegen eine Erhöhung des Frauenrentenalters ausgesprochen habe. Unia-Präsidentin Vania Alleva entgegnete, dass in der gleichen Resolution die Erhöhung der AHV-Renten gefordert werde. Paul Rechsteiner strich die historische Dimension der Vorlage hervor: «Zum ersten Mal seit 42 Jahren könnte eine Erhöhung der AHV-Rente Realität werden», zitierte ihn die Luzerner Zeitung. Die grosse Mehrheit der Delegierten war sich einig: Würde die Vorlage abgelehnt, würde dies dem Arbeitgeberverband und den rechts-bürgerlichen Parteien nützen, womit deren Forderungen wie Rentenalter 67 und Rentenkürzungen Auftrieb erhielten, schrieb der SGB in einer Medienmitteilung. Dies gelte es zu verhindern, weshalb diese «Kröte», wie der SGB die Erhöhung des Frauenrentenalters bezeichnete, geschluckt werden müsse. Zusätzlich einigten sich die Delegierten darauf, dass die Lohnungleichheit zwischen Mann und Frau «endlich stärker bekämpft werden muss». Sie beauftragten den SGB, die Lancierung einer Volksinitiative mit dem Namen «Schluss mit dem Lohnklau – Lohngleichheit durchsetzen, aber subito!» zu prüfen.

SGB für höheres Frauenrentenalter