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Der Präsident des Schweizer Bauernverbands (SBV), Markus Ritter, verkaufte anfangs 2023 seinen Bauernhof an seine beiden Söhne. Nach eigenen Angaben wird er auf dem Biohof jedoch auch weiterhin mithelfen. In der Politik gedenkt sich der 55-jährige Ritter, der dem Bauernverband seit 2012 vorsteht und in der Öffentlichkeit gemäss Medien als äusserst geschickter und erfolgreicher Vertreter der Landwirtschaftsinteressen gilt, nicht aufs Altenteil zurückzuziehen: Er wolle bei den eidgenössischen Wahlen 2023 sein Amt als Mitte-Nationalrat verteidigen und 2024 zur Wiederwahl als SBV-Präsident antreten.

Bauernverbands-Präsident gibt Hof ab

Im Sommer 2022 wurde bekannt, dass die drei grossen Unternehmerinnen- und Unternehmerverbände Economiesuisse, Gewerbeverband und Arbeitgeberverband zusammen mit dem Bauernverband eine strategische Allianz eingegangen waren. Gemäss einem internen Papier, aus dem die «NZZ am Sonntag» zitierte, wollten die vier Verbände künftig «gemeinsam für eine wirtschafts- und agrarfreundliche Politik kämpfen» und etwa in Abstimmungskämpfen vermehrt zusammenspannen, um ihre Durchschlagskraft zu erhöhen. Auch im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen 2023 sei eine Zusammenarbeit geplant. Ziel sei die grundsätzliche Stärkung des bürgerlichen Lagers in der nationalen Politik. SGV-Präsident Fabio Regazzi (mitte, TI) liess verlauten, es gehe um «ein Gegengewicht zum rot-grünen Lager».
Das Bekenntnis zur verstärkten und langfristigen Zusammenarbeit erfolgte vor dem Hintergrund, dass die Wirtschaftsverbände bei Volksabstimmungen zuletzt immer wieder Schwierigkeiten gehabt hatten, eine Mehrheit der Stimmberechtigten von ihrer Position zu überzeugen. Nach einigen Reibereien zwischen dem SAV sowie Economiesuisse einerseits und dem SGV andererseits hatten sich diese drei Verbände schon Ende 2021 im Schulterschluss geübt. Mit dem SBV wurde diese Allianz nun noch erweitert.
Zum ersten Anwendungsfall der neuen Allianz wurde der Abstimmungskampf für den Urnengang vom 25. September 2022, bei dem eine Vorlage mit landwirtschaftlichem Fokus (Massentierhaltungsinitiative) und drei mit Wirtschaftsfokus (Verrechnungssteuerreform und AHV 21) zur Abstimmung kamen. Die vier Verbände demonstrierten an einer gemeinsamen Medienkonferenz Einigkeit, und der SBV forderte alle seine Mitglieder auf, auf ihren Feldern und Höfen nebst Plakaten gegen die Massentierhaltungsinitiative auch solche für die AHV 21 und für die Teilabschaffung der Verrechnungssteuer aufzuhängen. Die «NZZ am Sonntag» wertete diese «flächendeckende Präsenz» in der ländlichen Schweiz als «unbezahlbaren Vorteil im Abstimmungskampf».
Der Boden für die Partnerschaft war gemäss Recherchen der «NZZ am Sonntag» indessen schon länger gelegt worden, als Architekt habe der Zürcher FDP-Ständerat Ruedi Noser gewirkt. Er habe «den grossen Kuhhandel» von 2020 eingefädelt, als der SBV die Wirtschaftsverbände beim Kampf gegen die Konzernverantwortungsinitiative unterstützte und diese im Gegenzug mithalfen, dass das Parlament die Agrarpolitik 22+ sistierte. Auch im Abstimmungskampf gegen die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative im Sommer 2021 konnte der SBV wieder auf die Unterstützung der Wirtschaftsverbände zählen. All dies habe dafür gesorgt, dass das Verhältnis zwischen SBV und Wirtschaftsverbänden wieder enger geworden sei, nachdem es aufgrund von Differenzen in der Freihandels- und Agrarzollpolitik lange ramponiert gewesen war, berichtete die «NZZ am Sonntag». Politgeograf Michael Hermann äusserte die Vermutung, dass der gestiegene Druck ökologischer Kreise auf die Landwirtschaft etwa beim Trinkwasserschutz für den Schulterschluss verantwortlich sei: «Sie haben mit ihren Angriffen auf die Bauern übermarcht und sie in die Hände der Wirtschaft getrieben.»
Ökologische und linke Stimmen äusserten sich denn auch wenig erfreut über die neue Allianz. Die Grünliberale Kathrin Bertschy (glp, BE) bedauerte, dass Economiesuisse nun mit dem «agrarprotektionistischen Lager» zusammenspanne, statt sich wie früher für einen «Abbau der überdimensionierten Giesskannensubventionen» in der Landwirtschaft einzusetzen. SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (sp, AG) seinerseits fand, mit dem Pakt würden «die Interessen der Bauern an die Wirtschaft verkauft»; die neue Allianz sei vor allem ein Zeichen dafür, wie nervös man bei den Wirtschaftsverbänden sei.

Allianz von Bauernverband und Wirtschaftsverbänden

Der Schweizer Bauernverband (SBV) feierte 2022 sein 125-Jahr-Jubiläum. Das Jubiläum wurde mit verschiedenen Aktivitäten begangen, unter anderem mit der Zubereitung der grössten jemals gebratenen Rösti auf dem Bundesplatz.
Gegründet worden war der SBV am 7. Juni 1897, um die Interessen der Landwirtinnen und Landwirte in der Schweiz angesichts zunehmenden internationalen Nahrungsmittelhandels und wachsender Industrialisierung wirksamer zu vertreten. Seither hat sich der Verband gemäss einer Medienmitteilung stets «für angemessene Produzentenpreise, geeignete politische Rahmenbedingungen, eine faire Abgeltung der gemeinwirtschaftlichen Leistungen und generell für die Interessen der einheimischen Bauernfamilien» eingesetzt. Wie Vizedirektor Francis Egger in einem Interview mit «Le Temps» erklärte, hätten sich dabei immer wieder neue Herausforderungen für die Landwirtschaft gestellt; in den kommenden Jahren würden das voraussichtlich die Klimaerwärmung und die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sein.
In einem Rückblick auf die Geschichte des Verbands in der Zeitung «Schweizer Bauer» hob der Politikwissenschafter Karel Ziehli insbesondere einen Aspekt hervor, der sich wie ein roter Faden durch das 125-jährige Bestehen des SBV ziehe: die erfolgreiche Etablierung und Aktivierung des «Bauernmythos», welcher den Berufsstand als Träger von Schweizer Tradition und Moral heroisiere. So bestehe in weiten Teilen der Schweizer Bevölkerung bis heute eine starke emotionale Verbundenheit mit der einheimischen Landwirtschaft, auch wenn der Agrarsektor nur noch drei Prozent der Erwerbstätigen stelle. Die gute Reputation in der Bevölkerung stellt für den SBV denn auch ein politisches Kapital dar, welches er auch in regelmässige Erfolge in Volksabstimmungen umzusetzen versteht – zuletzt etwa bei den vom SBV intensiv bekämpften Pestizid- und Trinkwasserinitiativen 2021. Wohl auch um dieses Kapital angesichts des gesellschaftlichen Wandels nicht aufs Spiel zu setzen und mit Verweis auf die aktuellen Gender-Diskussionen entschloss sich der SBV in seinem Jubiläumsjahr dazu, in seiner Werbekommunikation künftig konsequent von «Bäuerinnen und Bauern» statt nur von «Bauern» zu sprechen, so etwa im neuen Slogan «Schweizer Bäuerinnen & Bauern: Für Dich». Von dieser Umstellung nicht betroffen war allerdings der Name des Schweizer Bauernverbands, der weiterhin das generische Maskulin verwendet.
Auch abseits der Abstimmungsurnen, etwa im Parlament, verfügt der Verband über beträchtlichen politischen Einfluss, wie auch SBV-Vizepräsident Egger betonte. Erleichtert werde dies dadurch, dass der SBV auf dem Feld der Landwirtschaft die unangefochtene Nummer 1 sei, weit vor Konkurrenzorganisationen wie der Kleinbauern-Vereinigung (VKMB) oder der Bäuerinnen- und Bauerngewerkschaft Uniterre. Mit seinen über 80 Mitgliedsorganisationen – darunter die 25 kantonalen Bauernverbände und 58 Branchenverbände wie etwa die Fleisch- und die Getreideproduzenten, aber auch BioSuisse oder seit Kurzem der Bisonzuchtverband – sei der Dachverband ein «Mammut», so Egger. Trotz der Heterogenität, die diese breite Basis mit sich bringt, bemühe sich der SBV um eine «geeinte Interessenvertretung». Zur wirksameren Durchsetzung dieser Interessen ging der SBV im Übrigen ebenfalls im Sommer 2022 eine «strategische Allianz» mit Economiesuisse, Gewerbeverband und Arbeitgeberverband ein. Kritischer schätzte derweil die Weltwoche den Einfluss des SBV ein: Einst habe der Verband «eine der einflussreichsten, wenn nicht die einflussreichste» Lobby im Bundeshaus gebildet, in den letzten Jahren habe er in Parlament und Bundesrat aber an Durchsetzungskraft eingebüsst; so sei er jüngst etwa mit dem Widerstand gegen den Abbau der Industriezölle und gegen Emissions-Reduktionsziele im Verordnungspaket für sauberes Trinkwasser und eine nachhaltigere Landwirtschaft gescheitert.

125-Jahr-Jubiläum des Schweizer Bauernverbands

Der Bauernverband (SBV) nahm anfangs 2022 eine vielbeachtete Neupositionierung zur Gentech-Politik vor, indem er die Prüfung einer Aufweichung des Verbots für den kommerziellen Anbau gentechnisch veränderter Organismen (GVO) befürwortete. Davor hatte der SBV die Nutzung gentechnischer Verfahren im Pflanzenbau rund zwei Jahrzehnte lang konsequent abgelehnt, so namentlich in der erfolgreichen Abstimmungskampagne zugunsten der Gentech-Moratoriums-Initiative 2005 und bei den seitherigen Entscheiden des Parlaments zur dreimaligen Verlängerung des Moratoriums.
In einem Interview mit der NZZ führte SBV-Präsident Markus Ritter (mitte, SG) zwei zentrale Gründe für den Kurswechsel an: Erstens könnten gentechnologische Verfahren die Krankheitsresistenz von Pflanzen verbessern. Dies würde es der Landwirtschaft erleichtern, den Pestizideinsatz zu reduzieren und damit dem zuletzt gestiegenen politischen Druck in diesem Bereich nachzukommen. Zweitens erhoffe sich der SBV von den Verfahren die Entwicklung von Pflanzensorten, die mit dem Klimawandel besser zurechtkommen. Gleichzeitig relativierte Ritter die Tragweite der Neupositionierung: Der SBV wolle weiterhin eine gentechfreie Landwirtschaft. Es stelle sich aber die Frage, ob die neuen Verfahren der sogenannten Genom-Editierung überhaupt zur «Gentechnik im klassischen Sinn» gehörten oder ob sie vielmehr als Methoden der Pflanzenzüchtung betrachtet werden und somit vom Gentechgesetz ausgenommen werden könnten. Indem der SBV eine Klärung dieser Frage durch den Bundesrat befürworte, biete er lediglich Hand für eine offene Diskussion. Im Verbandsvorstand sei diese Position denn auch einstimmig beschlossen worden, wobei der SBV-Präsident nicht verhehlte, dass er selbst «innerhalb der Landwirtschaft zur kritischeren Hälfte» gehöre. Denn es gelte das Risiko im Auge zu behalten, dass die Konsumentinnen und Konsumenten die neuen Methoden nicht akzeptierten und deshalb das Vertrauen in die Schweizer Landwirtschaft leide – darin sähe Ritter «den Super-GAU für die Landwirtschaft». Aus ebendieser Sorge und weil sie eine Einführung der «Gentechnik durch die Hintertür» befürchteten, machten der Kleinbauernverband und Bio Suisse die Neupositionierung des SBV nicht mit.
Im Parlament konnte sich die SBV-Haltung in der Frühlingssession 2022 bei der Beratung der Änderung des Gentechnikgesetzes indessen durchsetzen. Die NZZ sah den SBV dabei als Schlüsselakteur: Als «direkte Folge» von dessen Neupositionierung seien auch die SVP- und die Mitte-Fraktionen auf diese Haltung umgeschwenkt und hätten der Änderung zusammen mit FDP und GLP zu einer Mehrheit verholfen.

Bauernverband ändert langjährige Haltung zum Gentechverbot

Der Schweizerische Freibergerverband (Fédération suisse du franches-montagnes), der sich für die Zucht von Freiberger-Pferden einsetzt, wählte im Juli 2021 den Berner SVP-Nationalrat Albert Rösti (svp, BE) zu seinem neuen Präsidenten. Rösti stammt selbst aus einer Bauernfamilie, die Freiberger-Pferde züchtete. Nachdem der bisherige Vizepräsident Christoph Haefeli seine Kandidatur fürs Präsidium zur Vermeidung einer Kampfwahl zurückgezogen hatte, war die Wahl an der Delegiertenversammlung letztlich unumstritten – Röstis Berner Herkunft und SVP-Mitgliedschaft wurden ihm im stark im Jura verankerten Verband offenbar nicht zur Last gelegt, wie der Quotidien Jurassien feststellte. Mit Rösti steht nach dem jurassischen Mitte-Nationalrat Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) somit weiterhin ein nationaler Parlamentarier an der Spitze des Verbands. Laut Quotidien Jurassien trat Rösti sein Amt in einer für den Verband schwierigen Zeit an, die von einem deutlichen Rückgang der Anzahl Freiberger-Fohlen, Nachwuchsproblemen und verbandsinternen Spannungen geprägt sei.
Im Weiteren stimmte die Delegiertenversammlung für den Beitritt ihres Verbands zum Dachverband Schweizer Pferdezuchtorganisationen (VSP), während sie eine Angliederung an den Schweizerischen Verband für Pferdesport (SVPS) ablehnte.

Albert Rösti als neuer Präsident des Schweizerischen Freibergerverbands

Der Verband der Schweizer Gemüseproduzenten hat den Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann zu seinem neuen Präsidenten gewählt. Salzmann löste in diesem Amt seinen Rats- und Parteikollegen Hannes Germann (SH) ab. Der Verband wies in seiner Mitteilung auf die gute politische Vernetzung Salzmanns und dessen Erfahrung in der Landwirtschaft hin.

Neuer Präsident für den Verband der Schweizer Gemüseproduzenten

Jacques Bourgeois trat, wie bereits im November 2019 angekündigt, per Ende März 2020 nach fast zwei Jahrzehnten von seinem Amt als Direktor des SBV zurück. Die Wahl des Nachfolgers Martin Rufer, welcher das Amt per 1. April übernahm, wurde von der Landwirtschaftskammer im Februar bestätigt, wie einer Medienmitteilung des SBV zu entnehmen war.

Jacques Bourgeois trat als Direktor des SBV zurück

Jacques Bourgeois (fdp, FR) gab im November 2019 seinen Rücktritt als Direktor des SBV per März 2020 bekannt. Bourgeois war seit 2002 Direktor des Verbands gewesen. Als Begründung für seinen Rücktritt gab er demografische Gründe an: Der Verband leide an Überalterung und für einen starken Verband sei eine gewisse Kontinuität wichtig. Laut Verbandspräsident Markus Ritter (cvp, SG) habe man intern bereits eine Nachfolgelösung gefunden. Im Dezember empfahl der Vorstand den Delegierten den Solothurner Martin Rufer (SO, fdp) einstimmig als Bourgeois' Nachfolger. Rufer sei Kantonsrat, diplomierter Agraringenieur, Vater und Bauernsohn, wie die Solothurner Zeitung berichtete; Markus Ritter sprach von einem «Glücksfall» für den Verband. Die Delegiertenversammlung wird im Februar 2020 über die Nachfolge abstimmen.

Jacques Bourgeois trat als Direktor des SBV zurück

In der Debatte um die Pestizidinitiative und die Trinkwasserinitiative machte sich der Bauernverband im Juni 2019 im Nationalrat für eine Ablehnung sowohl der beiden Initiativen als auch eines möglichen indirekten Gegenvorschlags stark. SBV-Präsident Markus Ritter (cvp, SG) sprach sich gegenüber den Medien gegen die Anliegen aus, da er die Empfehlungen im «Aktionsplan Pflanzenschutzmittel» des Bundes für ausreichend hielt und eine Annahme der Initiativen die Bäuerinnen und Bauern unnötig unter Druck setzen würde. Stattdessen sprach sich Ritter für den freiwilligen Verzicht aus: Es genüge, wenn man der Branche aufzeige, dass der sparsamere Einsatz von Pestiziden nicht nur ökologischer, sondern auch günstiger sei. Nicht nur Präsident Ritter, auch Verbandsdirektor Jacques Bourgeois (fdp, FR) – welcher per März 2020 von diesem Amt zurückzutreten plante – setzte sich für eine Ablehnung der Initiativen ein, indem er im Nationalrat argumentierte, die von den Initiativen geforderten Verbote würden derart viele Unsicherheiten verursachen, dass letztlich der Aktionsplan des Bundes, an welchem sich die Landwirtschaft orientiere, nur ungenügend umgesetzt werden könne. Der Tages-Anzeiger kommentierte die Bekenntnisse des Verbandes als zu lasch: Ritter spiele hier mit «maximalem Einsatz», wenn er sich – wie auch Bundesrat Guy Parmelin – auf den «Aktionsplan Pflanzenschutzmittel» berufe, denn dieser sei nicht verpflichtend, obwohl die Initiativen eben genau eine Verpflichtung forderten. Sie riskierten damit gemäss Tages-Anzeiger, dass das Volk die beiden Initiativen annehme – was die Landwirtschaftsbranche «unnötig hart treffen» oder gar «umpflügen» würde.

Bauernverband und Trinkwasser-Initiative
Dossier: Pestizidbelastung in Fliessgewässern
Dossier: Reduzierung und Verbot des Pestizideinsatzes

Der wirtschaftsliberale Think-Tank Avenir Suisse und der Schweizer Bauernverband (SBV) lieferten sich im Herbst 2019 in der NZZ einen kleinen Schlagabtausch. In einem Gastkommentar kritisierte Patrick Dümmler von Avenir Suisse den wiederholten Widerstand des SBV gegen das Freihandelsabkommen zwischen den EFTA- und den MERCOSUR-Staaten. Solcher Widerstand sei ernst zu nehmen, meinte Dümmler, habe doch der innenpolitische Druck der «Landwirtschaftslobbyisten» bereits 2006 zum Abbruch der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA geführt.

Ausgangspunkt des Disputs war der Abschluss des Abkommens im Sommer 2019, welcher gemäss Dümmler alsbald von einer «unheiligen Allianz aus links-grünen Kreisen und Agrarlobbyisten» beanstandet worden sei, da man «mit einer Regierung von Regenwaldzerstörern» keine Geschäfte machen wolle. Zwar stelle sich der SBV nicht prinzipiell gegen ein Abkommen, aber er sehe die Interessen der einheimischen Landwirtschaft nicht genügend berücksichtigt. Konkret kritisiere der SBV am jetzigen Abkommen mit den MERCOSUR-Staaten, wie Dümmler darlegte, die Tierhaltung, den Umgang mit Pflanzenschutzmitteln und die mangelnde landwirtschaftliche Nachhaltigkeit in den südamerikanischen Vertragsländern – obwohl in der Schweiz längst nicht alles «Bilderbuchvorstellungen» entspreche. Dümmlers Vorwürfe lauteten schliesslich, auch die Schweizer Landwirtschaft verhalte sich in den kritisierten Punkten alles andere als vorbildlich: So seien im Jahr 2018 in der Schweiz 600 Nutztierhalterinnen und -halter wegen schlechter Tierhaltung verzeigt worden; bis ins Jahr 2016 sei trotz «milliardenschwerer Unterstützung» keines der 13 im Jahr 2008 festgelegten Umweltziele für die Landwirtschaft erreicht worden; das Grundwasser sei vielerorts, besonders im Mittelland, mit landwirtschaftlichen Pestiziden verschmutzt. Die Kritik an der brasilianischen Regierung bezüglich des Regenwalds sei angebracht, resümierte Dümmler seine Anklage, doch ein Schweizer Bauernverband, welcher «im hochsubventionierten Glashaus» sitze, solle mit Kritik vorsichtiger sein.
Die Reaktion von SBV-Präsident Markus Ritter (svp, SG) folgte prompt: Es sei immer «die gleiche Leier, die Avenir Suisse in Sachen Landwirtschaft herunterbetet», schrieb Ritter in seiner Replik, doch würden falsche Aussagen «durch Wiederholung nicht wahrer». Nicht der SBV habe 2006 das Abkommen verhindert, vielmehr seien es die Banken mit ihrer Angst um das Bankgeheimnis sowie die Pharmabranche gewesen. Ferner seien die vermeintlich verfehlten Umweltziele für die Landwirtschaft sehr wohl erreicht worden, etwa sämtliche Ziele betreffend die Biodiversität, und auch sonst liege der «Zielerreichungsgrad zwischen 80 und 95 Prozent», korrigierte Ritter. Auch der Vorwurf bezüglich des «vielerorts» verschmutzten Grundwassers könne er nicht gelten lassen: Bei 98 Prozent aller Messstellen sei der Grenzwert eingehalten worden und was die Überschreitungen betreffe, müsse nicht nur die Landwirtschaft, sondern vielmehr auch die Industrie etwas gegen die Verschmutzung unternehmen.
Zustimmung von Ritter erhielt Dümmler nur in einem Punkt: Die Landwirtschaftsbranche geniesse grosse staatliche Unterstützung und gerade deswegen sitze sie tatsächlich in einem Glashaus. Durch diese stete Beobachtung sei es umso wichtiger, dass «wir sagen, was wir tun, und tun, was wir sagen», schlussfolgerte Ritter.

Freihandel Bauern

Der im Herbst vergangenen Jahres vom SBV durchgeführte Test, in Hofläden Zahlungen mit der Bezahl-App «Twint» zu ermöglichen, war ein Erfolg, wie die Aargauer Zeitung im Januar berichtete. Während der dreimonatigen Testphase im Kanton Aargau nutzten über 400 Kunden das Angebot. Man habe sich deshalb dazu entschieden, schweizweit Hofläden bei der Einrichtung des bargeldlosen Zahlungssystems zu unterstützen, erklärte Andrea Oldani vom Bauernverband gegenüber der Zeitung.

Twint hofläden

Der SBV setzte sich zum Jahresbeginn 2019 für mehr Anerkennung der wirtschaftlichen Leistung des Landwirtschaftssektors ein. Wie der Tages-Anzeiger und die Basler Zeitung berichteten, wehrte sich Verbandspräsident Markus Ritter an einer Medienkonferenz im Januar gegen die gängige Betrachtungsweise, wonach die Leistung des Landwirtschaftssektors anhand des Anteils am BIP berechnet wird, wie dies auch bei anderen Branchen der Fall sei. «Dem effektiven Wert der Urproduktion» werde diese Berechnungsweise nicht gerecht, so Ritter, denn die Bauern stellten nicht nur in ländlichen Gebieten einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Die Landwirtschaft sei eng mit dem Handel oder der Industrie verflochten, indem sie etwa Rohstoffe zur Weiterverarbeitung produziere, Lebensmittel an Detailhändler ausliefere oder der Landmaschinenhandel und das Veterinärwesen von ihnen abhänge. Der tatsächliche Wert der Landwirtschaft sei deshalb viel höher anzusetzen, meinte Ritter: Die Branche, beziehe man sowohl Handel als auch Verarbeitung mit ein, mache acht Prozent der Schweizer Arbeitsplätze aus und habe einen Marktwert von gegen CHF 60 Mrd. Zum Vergleich: In einer Publikation von 2019 gab das Bundesamt für Statistik für das Jahr 2016 einen Gesamtproduktionswert der Landwirtschaft von lediglich CHF 10.29 Mrd. an.
Dass der Verband diese «Informationsoffensive» im Frühjahr ansetzte, sei kalkuliert gewesen, urteilte die Presse. Einerseits standen im Herbst die eidgenössischen Wahlen an, anderseits wurden mit der Revision des Raumplanungsgesetzes, einem neuen Freihandelsabkommen sowie den Volksinitiativen «Für sauberes Trinkwasser» und «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» politische Entscheide diskutiert, die den Landwirtschaftssektor direkt betrafen. Alle diese Traktanden hätten laut Ritter das Potenzial, die Schweizer Landwirtschaft zu schwächen. Es sei daher notwendig, sich gegen die «Marginalisierung der wirtschaftlichen Leistung der Landwirtschaft» einzusetzen.

Wie viel sind die Bauern wert?

Bereits im Frühjahr 2018 beschloss der SBV unter Markus Ritter (cvp, SG) für die beiden Agrarinitiativen, die Volksinitiative für Ernährungssouveränität sowie die Fair-Food-Initiative, die Stimmfreigabe. Die Initiativen kämen von Menschen, welche sich um die Landwirtschaft sorgten, und es sei daher falsch, diese zu bekämpfen, begründete Ritter den Entscheid im St. Galler Tagblatt. Ritter sowie die Vize-Präsidentin des SBV, Christine Bühler, wollten zumindest die Fair-Food-Initiative annehmen, wie sie den Medien gegenüber bekannt gaben. Der SBV sei durch die beschlossene Stimmfreigabe einerseits und die Annahme durch Ritter und Bühler andererseits gespalten, urteilte die Aargauer Zeitung. Die CVP zeigte sich darob irritiert, Isidor Baumann (cvp, UR), welcher sich für den ständerätlichen Gegenvorschlag einsetzte, sah durch Ritters Support für die Fair-Food-Initiative laut Aargauer Zeitung gar die «Fraktionsloyalität gegenüber der Landwirtschaft» in Gefahr. Entsprechend standen auch nicht alle Bauernvertretenden hinter dem Entscheid des SBV: Der St. Galler Bauernverband sowie ein überparteiliches Bauernkomitee bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern der CVP, BDP, FDP und SVP stellten sich gegen die beiden Agrarinitiativen.

Agrarinitiativen

Der Fleischverband Proviande verkalkulierte sich mit den Fleischimporten, wie die Aargauer Zeitung berichtete. Proviande ging davon aus, dass die inländische Fleischproduktion nicht ausreichen würde, um den Bedarf zu decken, weshalb sich der Verband im Juli für ein Importkontingent von 800 Tonnen Kuhhälften aussprach. Weil die anhaltende Trockenheit im Sommer und eine Angst vor tieferen Preisen die Bauern schliesslich dazu trieb, ihre Kühe möglichst schnell zu schlachten, entstand ein Preiszerfall. Pro Kilo erhielten die Bauern daher nur CHF 7.- anstelle der von Proviande vorgerechneten CHF 8.20. Laut AZ informierte der Verband im Anschluss per Communiqué, dass für den Monat August keine weiteren Kontingente beantragt worden seien, sodass sich der Markt wieder beruhigen könne.

Proviande verkalkulierte sich mit den Fleischimporten

Die Bauern litten im Sommer 2018 unter der Hitze und der anhaltenden Trockenheit. Der SBV kündigte deshalb unter Markus Ritter (cvp, SG) an, vom Bund Entschädigungszahlungen zu fordern, sollte sich der Klimawandel verschlimmern, wie der «Blick» berichtete. Jürg Grossen (glp, BE), dessen Partei sich etwa für eine Lenkungsabgabe auf Treibstoffen im Strassenverkehr und in der Zivilluftfahrt einsetze, so die Zeitung weiter, könne aber der Forderungsliste des SBV wenig abgewinnen. Denn stets seien es die Bauernvertreterinnen und -vertreter sowie die «selbsternannte Bauernpartei SVP» gewesen, welche Anliegen im Parlament zur Bekämpfung des Klimawandels vehement abgelehnt hätten. Dies, obwohl doch gerade die Bäuerinnen und Bauern beispielsweise kaum von einer erhöhten Flugsteuer betroffen wären, weil diese «sowieso nicht in der ganzen Welt herumjetten», so Grossen weiter. Die Landwirtschaft sehe er daher in gewissen Anliegen der GLP als potenziellen Partner, doch «erst wenn Bauernvertreter mithelfen, die Ursachen des Klimawandels wirksam zu bekämpfen», sei auch er dazu bereit, die Bäuerinnen und Bauern stärker zu unterstützen.

Bauern leiden unter Hitze
Dossier: Landwirtschaft und Klimawandel

Wie der Tages-Anzeiger im Juli 2018 berichtete, stecke die Bauerngewerkschaft Uniterre in finanziellen Schwierigkeiten. Der kleine Verband, welcher sich unter anderem für bessere Arbeitsbedingungen und eine nachhaltigere Produktion von Lebensmitteln einsetzt, war Co-Initiant der Initiative für Ernährungssouveränität. Der Abstimmungskampf beanspruche für eine kleine Organisation wie Uniterre enorm viel Geld, meinte das Vorstandsmitglied Rudi Berli gegenüber dem Tages-Anzeiger. Die Gewerkschaft rief deshalb ihre Sympathisanten dazu auf, ihr finanziell unter die Arme zu greifen. Dennoch sei nicht allein die Initiative Grund für den Geldmangel, bis zur Abstimmung im September reiche das Geld nämlich noch. Ab Oktober müsse man dann aber, sollten nicht genügend Spenden eingehen, den Betrieb reduzieren. Doch «wenn man als Gewerkschaft keine finanziellen Sorgen hat», so Berli ferner, laufe etwas falsch. Für Uniterre sei es denn auch nicht ungewöhnlich, mit knappen Mitteln zu arbeiten.

Uniterre geht das Geld aus

In seiner neuesten Broschüre betonte der SBV in Bezug auf die Trinkwasser- und die Pestizid-Initiative, dass der Gebrauch von Pestiziden für viele Bauern von existenzieller Bedeutung sei. Dass es aber Handlungsbedarf gebe, räumte der Präsident des Verbandes Markus Ritter (cvp, SG) ein. Man wolle sich konsequent an den Aktionsplan Pflanzenschutz des Bundes halten. Jedoch, so Ritter weiter, müsse die Qualität der Lebensmittel gewahrt werden können, denn die «Toleranz der Kunden» bei Qualitätsabweichungen sei klein. Es sei daher nicht gerecht, wenn nun die Bauern als Sündenbock herhalten müssten. Dass der SBV die Probleme anerkennt, lobte derweil die Landwirtschaftsexpertin des WWF Daniela Hoffmann. Allerdings sei der hohe Pestizidverbrauch tatsächlich problematisch. Sie appellierte deshalb an die Bauern, den Worten auch Taten folgen zu lassen und Lösungen zu erarbeiten.

Bauernverband und Trinkwasser-Initiative
Dossier: Pestizidbelastung in Fliessgewässern
Dossier: Reduzierung und Verbot des Pestizideinsatzes

Am 1. November 2017 verabschiedete der Bundesrat die Gesamtschau zur mittelfristigen Weiterentwicklung der Agrarpolitik, deren Ziel es war, dass die Schweiz innerhalb der nächsten vier Jahre neue Handelsabkommen abschliessen sollte, was mit einem partiellen Abbau der Zölle für ausländische Agrarprodukte einhergehen würde. Der Schweizer Bauernverband (SBV) wehrte sich vehement gegen den angestrebten Zollabbau des Bundesrats. Ein Dorn im Auge war dem SBV insbesondere ein Satz auf Seite 59 der Gesamtschau: «Vor diesem Hintergrund wird der Bundesrat in der mittelfristigen Weiterentwicklung der Agrarpolitik einen Grenzschutzabbau im Agrarbereich anstreben, der die Preisdifferenz zwischen dem In- und Ausland um 30 bis 50 Prozent reduziert.» In einer gleichentags veröffentlichten Stellungnahme mit dem Titel «Bundesrat missachtet Volkswillen und will Landwirtschaft opfern» machte der SBV geltend, dass es für die Schweizer Bauern ohne Grenzschutz keine «auch nur annähernd kostendeckende Produzentenpreise» mehr geben würde, was auch die Direktzahlungen des Bundes nicht kompensieren könnten. Auch stehe der im September 2017 von der Stimmbevölkerung klar angenommene Verfassungsartikel über die Ernährungssicherheit im Widerspruch zu den agrarpolitischen Absichten des Bundesrates. Mehr Freihandel würde eine nachhaltige und tierfreundliche einheimische Produktion nicht stärken, im Gegenteil, dadurch würde sich der Strukturwandel verschärfen und der Rückgang von landwirtschaftlichen Betrieben weiter vorangetrieben, monierte der SBV. Der Bauernverband riet dem Bundesrat, die Gesamtschau zu «schreddern» – neue Ideen, nicht alte Ideologien seien gefragt. In einem Interview mit der Berner Zeitung verteidigte der zuständige Bundesrat Schneider-Ammann den Kurs des Bundesrates. Die EU stehe kurz vor einem Freihandelsabkommen mit den vier Staaten des Mercosur-Wirtschaftsraums (Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay), was es in Zukunft etwa der deutschen Industrie aufgrund von Zollreduktionen erlauben werde, viel billiger in diese Staaten zu exportieren. Wolle die Schweizer Wirtschaft im Exportmarkt gegenüber der europäischen Industrie konkurrenzfähig bleiben und keine Arbeitsplätze an die Nachbarstaaten verlieren, dann müsse man beim Mercosur-Abkommen nachziehen. Er versuchte die Bauern damit zu besänftigen, dass «kein Mensch von komplett zollfrei [redet]» und im äussersten Fall die Hälfte des heutigen Schutzes aufgegeben werden müsste. Niemand wolle die Landwirtschaft abschaffen, das sei eine masslose Übertreibung, so Schneider-Ammann. Zu beruhigen vermochte das den Bauernverband jedoch nicht; an der Jahresmedienkonferenz im Januar 2018 im solothurnischen Derendingen bekräftigte der SBV seine Haltung. «Fairer Handel statt Freihandel» war das Credo des Bauernverbandes, denn eine nachhaltige, umweltschonende und tierfreundliche Landwirtschaft sei nicht möglich zu Weltmarktpreisen.

Kurz darauf spitzte sich die Lage zwischen Bauernverbandspräsident Markus Ritter und Wirtschaftsminister Schneider-Ammann zu. Der SBV wollte bei Schneider-Ammann persönlich vorsprechen und bat in einem Brief um ein Gespräch, um die «Zusammenarbeit und die Kommunikation zu besprechen», so Ritter im St. Galler Tagblatt. Die Verbandsspitze hatte sich bei der Erarbeitung der Gesamtschau des Bundesrates übergangen gefühlt, da sie vorgängig nicht angehört worden sei. Schneider-Ammann schlug das Angebot jedoch aus: «Ein separates Treffen mit Vertretern des Bauernverbandes ist nicht geplant», liess sich das WBF in einigen Medien zitieren. Stattdessen wolle man im Februar 2018 alle Beteiligten an einen runden Tisch zum Mercosur-Agrar-Gipfel einladen, um ein Freihandelsabkommen mit dem südamerikanischen Wirtschaftsraum zu diskutieren. Diese Einladung schlug am 24. Januar 2018 wiederum der Bauernverband aus. Die Gesamtschau des Bundesrates stelle keine Grundlage für eine zukunftsfähige Landwirtschaft dar, hiess es in einer Medienmitteilung des SBV. Einige vom Bundesrat gemachte Annahmen seien «komplett unrealistisch», so etwa die Kostenentwicklung bei den meisten Vorleistungen oder was die Löhne für die landwirtschaftlichen Angestellten angehe. Hinzu komme, dass ein Plan fehle, wie die «massiven Verluste der Bauernfamilien» aufgefangen würden.

Nachdem der Mercosur-Agrar-Gipfel in Bern tatsächlich ohne Bauernverband abgehalten worden war – andere agrarwirtschaftliche Verbände wie die Schweizer Milchproduzenten, IP-Suisse, Bio-Suisse, die Agrarallianz oder Proviande hatten daran teilgenommen – äusserten die Medien Skepsis gegenüber der Strategie des SBV. «Trotzende Bauern befremden» übertitelte die «Nordwestschweiz» ihren Kommentar, in welchem der Bauernverband aufgefordert wurde, die Marktöffnung aktiv mitzugestalten, anstatt sich «trotzig im Reduit zu verschanzen». Die NZZ sprach von einem «Eigentor des Bauernverbands», weil die Bauern mit der Gesprächsverweigerung die Sympathien der breiten Bevölkerung und der Wirtschaft aufs Spiel setzen würden.

Im April 2018 reiste eine 50-köpfige Delegation unter der Leitung Schneider-Ammanns nach Südamerika in die Mercosur-Staaten, um Informationen aus erster Hand zu erhalten; auch dieser Reise blieb der SBV fern. Es war der negative Höhepunkt in der Beziehung zwischen dem Bauernverband und dem WBF; danach trat etwas Entspannung ein. Glaubt man den Mutmassungen in den Medien, so dürften insbesondere erste Zahlen in den Verhandlungen zwischen den Mercosur-Staaten und der EU dazu beigetragen haben. Nach aktuellstem Angebot wollte die EU jährlich einen Import von rund 100'000 Tonnen Rindfleisch zulassen; auf die Bevölkerung der Schweiz umgerechnet wären das rund 2'000 Tonnen Rindfleisch, dessen Import die Schweiz zu tieferen Zolltarifen zulassen müsste, würde das Schweizer Abkommen inhaltlich jenem der EU gleichen. Bei einem jährlichen Schweizer Konsum von 100'000 Tonnen Rindfleisch, wovon bereits heute 45'000 Tonnen importiert würden, scheine das verkraftbar, kommentierte die «Nordwestschweiz».

Ende April nahmen Schneider-Ammann und Ritter den Gesprächsfaden wieder auf und vereinbarten ein Treffen, bei dem es jedoch zu keiner sachlichen Einigung kam – Schneider-Ammann hielt nach wie vor an jenem Satz auf Seite 59 fest, aufgrund dessen der Bauernverband auf die Barrikaden gegangen war. Immerhin gestand Ritter anfangs Mai in der NZZ ein, dass er nicht grundsätzlich gegen Freihandel sei, dass es aber rote Linien gebe, beispielsweise solle auch in Zukunft zugunsten der Ernährungssicherheit der heutige Anteil der importierten Lebensmittel von rund 40 Prozent beibehalten werden und nicht weiter steigen. Zeit für eine «Versachlichung der Diskussion» bleibe, so Ritter, weil acht betroffene EU-Länder zum EU-Mercosur-Abkommen Vorbehalte geäussert hätten und damit jene Verhandlungen noch andauern dürften. Einig seien sich Schneider-Ammann und Ritter jedoch gewesen, dass es in der Kommunikation zwischen dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) und dem Bauernverband Verbesserungspotenzial gebe; seither tausche man sich wieder aus.

Am 4. Juni 2018 wurde die Gesamtschau des Bundesrates im Nationalrat behandelt und mit 108 zu 74 Stimmen (7 Enthaltungen) zur Überarbeitung an den Bundesrat zurückgewiesen, womit sich die Aggrarlobby im Parlament vorerst gegen den Bundesrat durchsetzen konnte.

Bauern gegen Freihandel
Dossier: Freihandelsabkommen mit den MERCOSUR-Staaten

Nachdem der Lobbyismus des Bauernverbands bereits 2015 Gegenstand von Kritik war, liessen diverse Schweizer Medien auch 2016 nicht davon ab. Stein des Anstosses war die Zustimmung des Nationalrats in der Sondersession Ende April zu einem umstrittenen Gesetzesentwurf, der Bauern beim Verkauf von Bauland steuerlich entlasten sollte. Eine solche Regelung war bis 2011 in Kraft gewesen, bevor das Bundesgericht Ende 2011 entschied, dass Bauern Gewinne aus dem Verkauf von Bauland vollumfänglich versteuern müssen. Der Schweizerische Bauernverband (SBV), allen voran dessen Präsident Markus Ritter (cvp, SG), hatte vor der Abstimmung im Nationalrat intensiv für die Wiedereinführung dieses Gesetzes geweibelt. Gemäss Medienberichten entgingen dem Bund insgesamt 400 Millionen Franken an Steuer- und AHV-Einnahmen, wenn das Gesetz wieder eingeführt werden würde.

Überrascht über den Entscheid des Nationalrats untersuchten die Medien in der Folge die Einflussnahme Ritters auf seine Ratskollegen. Die CVP-Fraktion würde merklich öfter die Anliegen der Bauern unterstützen seit Ritter 2012 Präsident des SBV wurde. Damit sei eine „Agrar-Allianz“ im Nationalrat entstanden, bestehend aus der CVP-, der SVP- und der BDP-Fraktion, die im Nationalrat über eine Mehrheit verfügen. Durch das Betreiben von Kuhhandel würden dabei unentschlossene Parlamentarier überzeugt: Die Unternehmenssteuerreform III sei von Ritter zuerst kritisiert worden, bevor er den Wirtschaftsvertretern die Unterstützung der Bauern zusicherte, um im Gegenzug deren Stimmen für das eigene Anliegen zu erhalten. In einem Interview mit der Aargauer Zeitung verteidigte sich der höchste Schweizer Bauer: Mit der steuerlichen Entlastung für Bauern, die ihr Bauland verkauften, solle eine Gleichbehandlung von Bauern, Privatpersonen und Firmeninhabern geschaffen werden – etwas, das vom Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) jedoch bestritten wurde. Es sei zudem „kein Selbstläufer“, Politiker der CVP-, SVP- und BDP-Fraktionen, in denen die Bauern allesamt nicht in der Mehrheit sind, von den Anliegen des Bauernverbands zu überzeugen. Zum Vorwurf des Kuhhandels sagte Ritter, dass der Bauernverband grundsätzlich jedes Geschäft einzeln prüfe und es dem Verband nicht um Gegengeschäfte gehe, sondern um „das Finden von Mehrheiten“.

Ständeräte zeigten sich im Sommer jedoch sehr skeptisch gegenüber dem Entscheid der grossen Kammer. Die Bauern würden ihren Rückhalt in der Bevölkerung überschätzen, sagte Ruedi Noser (fdp, ZH) und Anita Fetz (sp, BS) unterstellte den Bauernvertretern im Parlament, dass sie „unverfroren überall zugreifen“. Auch die Bauland-Affäre von Bundesrat Guy Parmelin (svp) dürfte zum schweren Stand des Gesetzesvorhabens bei den Ständeräten beigetragen haben. Denn anfangs Mai enthüllte der Blick, dass sich Parmelin im Bundesrat für die Annahme des Gesetzes stark machte, von dem er selber als Miteigentümer einer Baulandparzelle profitiert hätte. In der Dezembersession beschloss der Ständerat mit 27:12 Stimmen denn auch deutlich, nicht auf die Vorlage einzutreten, womit das Geschäft an den Nationalrat zurückging.

Der Einfluss des Bauernverbands im Parlament (2016)

Im Herbst 2015 legte der Bundesrat Sparmassnahmen für die Legislaturperiode 2018 bis 2021 vor. Auch die Bauern sollen davon betroffen sein, denn die Regierung will die Gesamtausgaben für die Landwirtschaft über die vier Jahre um rund 800 Millionen Franken reduzieren. Der SBV zeigte sich empört und rief zu einer Grosskundgebung in Bern auf. Rund 10’000 Bauern folgten Ende November dem Ruf des Dachverbands und zogen unter massivem Glockengeläut vom Bärengraben zum Bundesplatz. Dort warf SBV-Präsident Markus Ritter (cvp, SG) dem Bundesrat vor versammelter Menge Verrat vor. Die Agrarreform 2014 bis 2017, die von den Bauern mehr Leistung verlangt, sei vom Bauernverband nur im Vertrauen darauf unterstützt worden, dass der Zahlungsrahmen für die Landwirtschaft beibehalten werde. Mit den angekündigten Sparmassnahmen breche der Bundesrat sein Wort, so Ritter. Es war die erste Grosskundgebung des SBV seit dem Protest der Bauern gegen die WTO im Jahr 2005.

10000 Bauern demonstrieren auf dem Bundesplatz

Im ersten Halbjahr 2015 thematisierten diverse Medien den starken Lobbyismus des Bauernverbandes im Bundeshaus. Hintergrund waren Erfolge der Bauern im Parlament. So unterstützte die grosse Kammer etwa eine parlamentarische Initiative des SBV-Direktors und Nationalrats Jaques Bourgeois (fdp, FR; Pa.Iv. 10.538). Die Initiative wollte Lebensmittel vom Cassis-de-Dijon-Prinzip ausnehmen. Seit der Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips 2010 können Produkte, die in der EU rechtmässig in Verkehr sind, grundsätzlich auch in der Schweiz frei zirkulieren. In der Öffentlichkeit wurde insbesondere der Gegensatz des Lobbying-Erfolgs des Bauernverbandes bei gleichzeitig stetig abnehmender Zahl von Berufsbauern diskutiert. Weil die Zahl der Bauernbetriebe zurückgeht, würden die Direktzahlungen des Bundes an immer weniger Betriebe ausbezahlt, wodurch jeder Bauer im Schnitt mehr Geld erhalte. Die Bauern würden auf hohem Niveau klagen, lautete das Fazit in den Medien. In einem Interview mit der NZZ räumte SBV-Präsident Markus Ritter (cvp, SG) ein, dass die verbliebenen Höfe mehr Direktzahlungen erhalten würden, betonte gleichzeitig aber auch, dass sie im Gegenzug auch mehr leisten müssten, etwa in den Bereichen Biodiversität, Sömmerungsgebiete und in der Landschaftsqualität. Zudem kritisierte Ritter die Medien für ihre angeblich einseitige Darstellung, wenn über die Bauern geschrieben werde. Im Herbst des gleichen Jahres dämpfte der Ständerat den Höhenflug des Bauernverbands allerdings wieder: Er trat nicht auf die parlamentarische Initiative Bourgeois’ ein, wodurch diese vom Tisch war.

Der Einfluss des Bauernverbands im Parlament (2015)

Im Mai 2014 wurde erstmals seit ihrer Gründung 1947 ein Westschweizer zum Präsidenten der Schweizerischen Berghilfe gewählt. Willy Gehriger hatte zuvor zehn Jahre die landwirtschaftliche Genossenschaft fenaco geleitet, wodurch er die ländliche Diversität der Schweiz bereits eingehend kennenlernen konnte. Für seine neue Tätigkeit nahm er sich vor, die Berghilfe auch in der Romandie bekannter zu machen. Die Stiftung erhielt 2013 CHF 26 Mio. Spenden, womit sie insgesamt 617 Projekte unterstützte. Der Hauptfokus der Berghilfe liegt auf der Berg-Landwirtschaft. Das gesammelte Geld wird aber auch in andere Bereiche investiert wie etwa den Tourismus, die Energie oder den Gesundheitssektor, mit dem übergeordneten Ziel, die Besiedlung der schweizerischen Bergregionen aufrecht zu erhalten.

Schweizerischen Berghilfe

Infolge des Umstands, dass bei der Masseneinwanderungsinitiative vor einem Jahr mehrere Mitgliederorganisationen eine vom nationalen Vorstand abweichende Parole herausgegeben hatten, entschied sich der Schweizerische Bauernverband (SBV) 2014 zu einer Modifikation seines Entscheidungsprozesses. Ob eine eidgenössische Vorlage vom SBV unterstützt wird oder nicht, soll künftig von den hundert Delegierten der Landwirtschaftskammer entschieden werden. Der Vorstand wird Parolenfassungen nur noch vorschlagen, aber nicht mehr selbstständig beschliessen. Präsident Markus Ritter erhoffte sich dadurch eine erhöhte Legitimität des Verbandes in politischen Debatten.

Schweizerische Bauernverband Modifikation seines Entscheidungsprozesses

Der Schweizerische Bauernverband (SBV) vermochte im Frühjahr 2014 mit seinem ausserordentlichen Mobilisierungspotenzial zu beeindrucken: Nach nur zwei Monaten Sammelzeit waren die 100'000 Unterschriften zur Initiative für Ernährungssicherheit zusammengekommen. Die Dachorganisation liess sich daraufhin demonstrativ drei weitere Monate Zeit, um im Juli über 147'800 Unterschriften bei der Staatskanzlei einzureichen. Damit übertraf sie die geforderte Anzahl um beinahe 50 %. Aussenstehende erklärten diese Meisterleistung mit der höchst effizienten Vorbereitung und Durchführung der Sammlung. Die Kantonalsektionen hatten für jede Gemeinde ein Mitglied als zuständig erklärt, welches dann vor Ort wiederum Leute zum Sammeln der Unterschriften bewegte. Ausserdem legte der Verband diversen landwirtschaftlichen Publikationen Unterschriftenbögen bei, welche jeweils einen Grossteil der Bäuerinnen und Bauern in der Schweiz erreichen.

Volksinitiative "Für Ernährungssicherheit" (BRG 15.050)
Dossier: Volksinitiativen zur Förderung ökologischer Bedingungen in der Landwirtschaft

Die Bauerngewerkschaft Uniterre startete 2014 in ihrer Mitgliederzeitung einen Notruf: Es würden CHF 100'000 fehlen, um die Kosten für das laufende Jahr zu decken, und wenn dieser Betrag nicht bald zusammenkomme, sei die Existenz der Gewerkschaft gefährdet. Die in der Romandie verankerte Organisation hatte schon seit Längerem finanzielle Schwierigkeiten. Der Mitgliederbeitrag von CHF 200 pro Jahr wird grundsätzlich freiwillig gezahlt. Dadurch fänden sich insbesondere in Zeiten wie den gegenwärtigen, wo viele Bauernfamilien um ihr Einkommen kämpfen müssten, kaum genügend Ressourcen. Präsident Charles-Bernard Bolay erläuterte, dass man versucht habe, in der Deutschschweiz die Basis von Uniterre zu erweitern. Dies habe sich aber als schwierig erwiesen; offenbar sei die Organisation dort zu sehr als Aufwieglerin verschrien. Mit der Volksinitiative für Ernährungssouveränität setzte die Gewerkschaft im Oktober zum Befreiungsschlag an. Nebst dem inhaltlichen Anliegen soll das Begehren Uniterre bekannter machen und damit neues Geld in die Kasse spülen. Ob die Taktik erfolgreich sein oder die bestehenden Probleme nur noch verschärfen wird, blieb bis Ende des Jahres unklar.

Existenz der Gewerkschaft gefährdet