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Green Cross Schweiz, die Schweizer Sektion von Green Cross International (GCI), trat Ende Februar 2017 ins Rampenlicht, weil Michail Gorbatschow, ehemaliger Staatspräsident der Sowjetunion, überraschend aus dem Vorstand von GCI austrat und dabei die Schweizer Sektion und deren Stiftungsratspräsidenten, GLP-Nationalrat Martin Bäumle, heftig kritisierte. Gorbatschow hatte die Stiftung 1993 gegründet. Die Nichtregierungsorganisation hat ihren Sitz in Genf und setzt sich weltweit für die Bewältigung von Folgeschäden aus Industriekatastrophen wie Tschernobyl und für die Sanierung militärischer Altlasten aus der Zeit des Kalten Krieges ein. Gorbatschow warf Bäumle im Rücktrittsschreiben vor, die treibende Kraft hinter dem «Versuch einer feindlichen Übernahme des GCI» zu sein. Zudem habe sich die Schweizer Sektion nicht an vertraglich vereinbarte Zahlungen gehalten, weshalb GCI in Finanznot geraten sei. GCI war anfangs 2017 zahlungsunfähig geworden und hatte Gehälter und andere Betriebsaufwände nicht mehr zahlen können. Auch der Präsident von GCI, der Franzose Jean-Michel Cousteau, trat Ende Februar 2017 mit Gorbatschow zurück.

Am 28. Februar 2017 wurde Martin Bäumle, bisher ebenfalls Vorstandsmitglied, an einer GCI-Vorstandssitzung zum neuen Präsidenten ad interim gewählt. In einer Medienmitteilung von Green Cross Schweiz hiess es gleichentags, GCI sei aufgrund der bisher bekannten Zahlen der Jahresrechnung 2016 illiquid und der Vorstand wolle die Geschäftstätigkeit der bisherigen Finanzverantwortlichen «einer genauen Prüfung unterziehen». Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass GCI Gelder aus zweckbestimmten Fonds für die Deckung von Administrationskosten verwendet habe. Im Zuge der Sanierungsmassnahmen werde es auch zu Entlassungen kommen, teilte Green Cross Schweiz mit.

Im April kam Green Cross Schweiz zusätzlich unter Beschuss, weil die Zertifizierungsstelle Zewo die Schweizer Sektion wegen Intransparenz kritisierte. «Es war zu wenig ersichtlich, woher das Geld kommt und wofür es eingesetzt wird», sagte die Geschäftsführerin der Zewo in der NZZ. Gemäss Tages-Anzeiger nahm Green Cross Schweiz 2016 CHF 13 Mio. an Spenden ein und zählte 51'700 Mitglieder.

Im Mai nahm Martin Bäumle in der NZZ Stellung zu den Anschuldigungen. Als Vorstandsmitglied habe er die finanziellen Missstände bei GCI bereits bei der Rechnung 2014 angesprochen. GCI habe mit zweckgebundenen Mitteln statt Hilfsprojekten Löhne und Büros bezahlt, weswegen die Schweizer Sektion den letzten Quartalsbeitrag 2016 in der Höhe von CHF 100'000 zurückbehalten habe. Aufgrund der Illiquidität von GCI bezahle derzeit Green Cross Schweiz sämtliche Rechnungen auf internationaler Ebene. Er habe das Amt des Präsidenten bei GCI nicht gesucht und wolle es nach der Generalversammlung im Herbst gern weitergeben, um sich auf die Schweizer Sektion konzentrieren zu können. Er sei nach wie vor ein «absoluter Gorbi-Fan», allerdings sei es seit einigen Monaten unmöglich, einen Zugang zu Gorbatschow zu finden. Auf die Kritik von Zewo angesprochen, sagte Bäumle, dass dies und die Situation beim GCI «völlig verschiedene Sachen» seien. Bei GCI habe er nicht einmal als Vorstandsmitglied Einblick in die Finanzlage gehabt. Green Cross Schweiz stehe allerdings finanziell solide da und sei in ständigem Kontakt mit der Zewo. Die verbindlichen Zewo-Auflagen werde man «grösstenteils schon 2017 umsetzen».

Trotz seiner Ankündigung, das Amt abgeben zu wollen, wurde Martin Bäumle im Oktober 2017 von der GCI-Generalversammlung als Präsident ad interim bestätigt.

Greencross

Die Niederlage in der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III (USR III) brachte die kampagnenführenden Wirtschaftsverbände, insbesondere Economiesuisse, politisch unter Druck. Im Interview mit dem «Blick» eine Woche nach der Abstimmung distanzierte sich FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi, deren Partei sich neben dem SGV und Economiesuisse zuvorderst an der Ja-Kampagne zur USR-III-Abstimmung beteiligt hatte, deutlich von den Wirtschaftsverbänden. Einzelne Wirtschaftsverbände hätten in der Bevölkerung kein gutes Ansehen mehr, schlimmer sei aber, dass die Verbände zwar «reichlich Geld», aber das Gespür verloren hätten, «von wo der politische Wind weht». Das fehlende politische Gespür verortete Gössi im Versagen von Economiesuisse, ein Bindeglied zwischen Politik und Wirtschaft zu sein und auch Missstände in der Wirtschaft aufzeigen zu können. «Warum verdient zum Beispiel ein Manager Abermillionen, wenn das Unternehmen gleichzeitig Verluste einfährt?», fragte Gössi rhetorisch und antwortete gleich selbst, dass dies «kein Mensch» verstehe. Auch zeigte sie sich enttäuscht, dass ihre Partei in der Abstimmungskampagne zu wenig zu Wort gekommen sei. «Eine Kampagne wie bei der Unternehmenssteuerreform III wird es mit der FDP nicht mehr geben», schlussfolgerte Gössi. In Zukunft sehe sie keinen anderen Weg, als dass in Abstimmungskampagnen die Parteien wieder die Führung übernehmen müssten. In der «Schweiz am Sonntag» griff auch Ulrich Giezendanner (svp, AG) die Führung von Economiesuisse an. Er beanstandete, dass der Wirtschaftsverband im Parlament an Bedeutung verliere und dessen Präsident Heinz Karrer und die Direktorin Monika Rühl öffentlich zu wenig präsent seien, um das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen zu können. Giezendanner forderte die Absetzung der Economiesuisse-Führung, musste sich aber im Gegenzug den Vorwurf gefallen lassen, dass er sich als SVP-Politiker eine europapolitisch kritischere Verbandsspitze wünsche und ihm ein Wechsel im Führungsstab in dieser Hinsicht gelegen käme. Giezendanner forderte jedoch auch, dass die Kampagnenführung vom Dachverband getrennt werden solle – eine Idee, die der ehemalige Direktor von Avenir Suisse, Gerhard Schwarz, nach der USR-III-Abstimmung in der NZZ aufgeworfen hatte. Bis im Jahr 2000 habe es neben Economiesuisse, dem Arbeitgeberverband und dem SGV noch die «Wirtschaftsförderung» als Kampagnenorganisation der Wirtschaftsverbände gegeben. Würden das Lobbying und die Kampagnenführung eines Wirtschaftsverbandes nicht getrennt, könnten sie sich gegenseitig beschädigen, so Schwarz, weil Lobbying persönliche Kontakte und grosse Detailgenauigkeit in politischen Geschäften erfordere, die Kampagne hingegen Massenkommunikation sei und meist Vereinfachungen verlange. In der «Nordwestschweiz» verwies der Mediensprecher von Economiesuisse darauf, dass man im Verband eine Aufteilung von Lobbying und Kampagnenführung nach der verlorenen Abzocker-Initiative ernsthaft geprüft habe und damals zum Schluss gekommen sei, die beiden Bereiche nur intern zu trennen. Bei der Analyse der USR III werde dies aber erneut Thema sein. Monika Rühl und Heinz Karrer verwiesen nach der Abstimmung darauf, dass man die Kampagne noch sorgfältig analysieren müsse. Sicher wolle man bei zukünftigen Kampagnen vermehrt die persönliche Betroffenheit bei den Stimmbürgern aufzeigen, so wie dies den Gegnern der USR III gelungen sei, so Rühl in der Luzerner Zeitung. Aber auch das Economiesuisse-Projekt «Wirtschaft und Gesellschaft», mit welchem Economiesuisse seit zwei Jahren versucht, den Dialog zur Bevölkerung herzustellen, müsse fortgeführt werden. Heinz Karrer gab in der Basler Zeitung zu bedenken, dass Auftritte von Persönlichkeiten wie alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und der ehemalige Solothurner FDP-Regierungsrat Christian Wanner ebenfalls das Abstimmungsresultat beeinflusst haben dürften und die Niederlage nicht alleine auf Fehler in der Kampagnenführung zurückzuführen sei. Ein Rücktritt seinerseits sei derzeit kein Thema.

Wirtschaftsverbände USR III

Ende Oktober 2016 wurde Alt-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf zur neuen Präsidentin von Pro Senectute Schweiz gewählt. Sie trat das Amt im April 2017 an, im Jahr des 100-jährigen Bestehens der Stiftung, die sich für das Wohl von älteren Menschen einsetzt.

Alt-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf wird Präsidentin von Pro Senectute Schweiz

Im Vorfeld der Abstimmung über die Volksinitiative „Für den geordneten Ausstieg aus der Atomenergie“ (Atomausstiegs-Initiative) gerieten sich der Schweizerische Gewerbeverband (SGV) und die Grüne Partei in die Haare. Der SGV verbreitete über Twitter eine provokative Fotomontage, die den Grünen-Nationalrat Bastien Girod (ZH) als Terroristen mit Turban und Panzerfaust zeigte; darunter stand: „Anschlag der Grünen auf die Schweiz“. Die Grüne Partei verurteilte die „inakzeptable Diffamierung“ in einem offenen Brief an die Verbandsspitze des Schweizerischen Gewerbeverbands. Die Darstellung Girods als Terrorist sei „ehrverletzend, primitiv und ausserhalb jeder politischen Rationalität“, hiess es im Brief, der von sämtlichen Vorstandsmitgliedern der Grünen Partei mit Ausnahme Girods unterzeichnet worden war. Auslöser war Girods Veröffentlichung eines Kampagnenvideos der Grünen Partei, das die Schweizer Atomkraftwerke als mögliches Ziel von Terroristen darstellte und etwa von SVP-Nationalrat Thomas Hurter als „pure Angstmacherei“ kritisiert worden war. Es war nicht das erste Mal, dass die Kampagnenführung des SGV unter Direktor Hans-Ulrich Bigler in Kritik geriet. Bereits 2015 machte der Gewerbeverband mit einer aggressiven und als gehässig aufgefassten Kampagne gegen die RTVG-Vorlage auf sich aufmerksam.

Der SGV stellt Grüne-Nationalrat Bastien Girod als Terroristen dar

Im September 2016 trat Hanspeter Lebrument nach 13 Jahren als Präsident des Verbands Schweizer Medien (VSM), der Branchenorganisation der privaten Medienunternehmen, zurück. Neuer VSM-Präsident wurde der bisherige Vizepräsident Pietro Supino, Verwaltungsratspräsident von Tamedia. Nachdem Ringier 2015 aus dem VSM ausgetreten war und Etienne Jornod, Verwaltungsratspräsident der NZZ-Gruppe, nicht für das Amt zur Verfügung stand, war die Wahl Supinos als einzig verbliebener Kandidat der drei grössten Schweizer Medienhäuser keine Überraschung. Neuer Vizepräsident wurde Peter Wanner, Verwaltungsratspräsident und Verleger der AZ Medien.

Pietro Supino wird neuer Präsident des Verbands Schweizer Medien

Die Frage, wie die Volksinitiative „Gegen Masseneinwanderung“ der SVP umgesetzt werden sollte, liess die drei grossen Wirtschaftsverbände auch im Jahr 2016 gespalten. Bevor das Geschäft in den Nationalrat kam, liess der Gewerbeverband (SGV) verlauten, dass er Kontingente und Höchstzahlen ablehne und sich stattdessen für einen „niederschwelligen“ Inländervorrang einsetze. Das Bekenntnis des Gewerbeverbands zu einer sanften Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative war für die Medien eine Überraschung, da der Verband zuletzt durch seine Nähe zur SVP aufgefallen war. Verbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler sagte diesbezüglich in einem Interview mit dem Tagesanzeiger, dass es intern „keine grosse Opposition“ gegen diese Position gegeben habe und sich auch SVP-Vertreter dafür ausgesprochen hätten. Economiesuisse und der Arbeitgeberverband (SAV) hingegen sprachen sich vor der Nationalratsdebatte für eine strengere Umsetzung der Volksinitiatve aus. Zwar befürworteten auch sie in einer ersten Phase eine milde Umsetzung. Sollte sich diese aber als wirkungslos herausstellen, sollte der Bundesrat in einer zweiten Phase die Möglichkeit haben, strengere Massnahmen zu ergreifen, notfalls auch ohne Einwilligung der EU. Economiesuisse schwenkte jedoch um, nachdem sich der Nationalrat Mitte September für einen „Inländervorrang light“ ausgesprochen hatte, der mit den Bilateralen Verträgen kompatibel war. Man sei „erfreut“ über den Entscheid des Nationalrats, hiess es in einer Medienmitteilung des Verbands. Der Arbeitgeberverband hingegen pochte weiterhin darauf, dass die Schweiz auch ohne Zustimmung der EU Abhilfemassnahmen einführen können solle – jedoch erfolglos, wie die endgültige Ausarbeitung des Gesetzes im Dezember zeigte.
Kritik musste in der Folge vor allem Economiesuisse einstecken, deren Verbandsspitze um Präsident Heinz Karrer und Direktorin Monika Rühl Führungsschwäche vorgeworfen wurde. Anstatt bei einem Europa-Geschäft – einem Kerndossier von Economiesuisse – eine Führungsrolle einzunehmen, habe man sich hinter dem Arbeitgeberverband versteckt, resümierte etwa die NZZ.

Umsetzungsvorschläge der Wirtschaftsverbände zur Masseneinwanderungsinitiative (2016)
Dossier: Masseneinwanderungsinitiative

Im Frühling 2016 gab der Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg), Patrick Odier, bekannt, dass er am Bankiertag Mitte September als Präsident zurücktreten werde. Der Bankier der Genfer Privatbank "Lombard Odier" war dem Branchenverband der Schweizer Banken seit 2009 vorgestanden. Auf der Suche nach Odiers Nachfolger musste die dreiköpfige Findungskommission unter der Führung von SBVg-Vizepräsident und Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse, Urs Rohner einige Absagen in Kauf nehmen, bevor sie in der Person von Herbert Scheidt, Verwaltungsratspräsident der Zürcher Privatbank Vontobel, fündig wurde. Am Bankiertag wurde Scheidt offiziell zum neuen Präsidenten der Bankiervereinigung gewählt. Mit Scheidt wurde erstmals seit Gründung des Verbands im Jahr 1912 kein Bankier einer Genfer oder Basler Privatbank Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Bankiervereinigung 2016

Im September 2016 kam es zum Eklat bei der Gewerkschaft Unia. Der landesweit bekannte Gewerkschafter Roman Burger, Leiter der Unia-Sektion Zürich-Schaffhausen, gab seinen Rücktritt bekannt, nachdem eine unabhängige Rechtsstelle in einem von der Unia in Auftrag gegebenen Untersuchungsbericht zum Schluss gekommen war, dass Burger eine Mitarbeiterin mit SMS-Nachrichten sexuell belästigt hatte. Der Rücktritt Burgers bedeutete einen grossen Verlust für die grösste Schweizer Gewerkschaft. Der 39-Jährige hatte die Streitkultur der Gewerkschaft mit seinem auf Konfrontation und Medienwirksamkeit bedachten Stil wesentlich geprägt und damit oft Erfolg gehabt.

Wenig später weitete sich die Affäre Burger zur Affäre Unia aus. In einem Artikel der WOZ kritisierten mehrere anonymisierte Unia-Mitarbeiter die Betriebskultur der Unia massiv. Der Gewerkschaft wurde unter anderem vorgeworfen, dass Burger seinen Rücktritt erst einreichte, als die Tageszeitung Blick vom Rechtsgutachten Wind bekommen hatte. Der Verdacht lag nahe, dass Burger Chef der Sektion Zürich-Schaffhausen geblieben wäre, wäre das Vergehen Burgers nicht an die Öffentlichkeit durchgedrungen. Aus rechtlicher Sicht wäre das jedoch nicht problematisch gewesen, kam Arbeitsrechtsprofessor Thomas Geiser von der Universität St. Gallen in einem Rechtsgutachten zum Schluss. Das Anstellungsreglement der Unia sieht als erste Sanktionsstufe für langjährige, fehlbare Mitarbeitende eine Ermahnung vor, im Wiederholungsfall käme es zu einer weiteren Verwarnung und erst im erneuten Wiederholungsfall käme eine Kündigung in Frage. Da Burger bereits 18 Jahre bei der Unia gearbeitet und seine ganze berufliche Karriere bei der Gewerkschaft absolviert hatte, konnte ihm aufgrund seines Vergehens nicht gekündigt werden.

Auch wenn der Unia damit rechtlich kein Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte, blieben moralische Bedenken: Als Wächterin der Arbeitsbedingungen fordere die Unia von anderen Unternehmen eine Nulltoleranz gegenüber sexueller Belästigung am Arbeitsplatz, während Burger weiterhin geschützt werde, monierten Kritiker auch aus den eigenen Reihen, wie etwa die Personalkommission der Unia. Burgers Rücktritt führte aufgrund des starken internen Arbeitnehmerschutzes nicht zu dessen Kündigung, sondern lediglich zu dessen Freistellung; der Lohn wurde ihm somit bis auf weiteres ausbezahlt. Im Oktober einigten sich dann Burger und die Unia auf eine Kündigung Ende Januar 2017, bis dahin erhielt Burger den regulären Lohn. Ebenfalls werde die Unia effektiv anfallende Weiterbildungskosten bis zu CHF 40'000 für Burgers berufliche Neuorientierung übernehmen. In einem Interview mit der Sonntagszeitung Ende Oktober räumte Unia-Präsidentin Vania Alleva ein, dass bei der Unia zwischen der verlangten Nulltoleranz für sexuelle Belästigung und dem starken internen Kündigungsschutz „offensichtlich ein Widerspruch“ bestehe und dies derzeit rechtlich überprüft werde.

Unia

Nachdem die Schweizerische Public Affairs Gesellschaft (SPAG) 2014 ihre Standesregeln verschärft hatte und fortan alle Mitglieder verpflichtet waren, ihre Mandate auf der Webseite offenzulegen, erfüllten nach Ansicht des Vorstands einige Mitglieder diese Vorgabe rund zwei Jahre später immer noch nicht. Im April 2016 forderte der Verband sämtliche Mitglieder auf, bis Mitte des Monats ihre Online-Profile zu aktualisieren und so ihre Mandate transparent zu machen. Anfang Juni ermahnte der Verband 18 Mitglieder, dass sie die Liste ihrer Mandate vervollständigen sollen – würden sie ihrer Pflicht bis Ende Juni nicht nachkommen, würden sie vom Verband ausgeschlossen. Für den rund 200 Mitglieder zählenden Dachverband der Lobbyisten wäre dies ein Verlust von fast 10 Prozent seiner Mitglieder gewesen. In einer Medienmitteilung am 1. Juli gab die SPAG bekannt, dass fünf Mitglieder aus dem Verband ausgeschlossen wurden, weil diese ihr Profil innerhalb der gesetzten Frist nicht aktualisiert hätten.

SPAG schliesst fünf Lobbyisten aus, die sich der Transparenz-Regel verweigerten

Beim ACS kam es 2016 zum Eklat, als im Frühsommer ein schwelender interner Machtkampf zwischen einigen kantonalen Sektionen und dem Zentralvorstand ausbrach. Anfang Juni nominierte der ACS den Berner FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen zuhanden der Delegiertenversammlung (DV) am 23. Juni für das Amt des Zentralpräsidenten. Der amtierende Präsident, Mathias Ammann, gab wenig später bekannt, dass er nicht abtreten wolle, sondern von einzelnen kantonalen Sektionen aus dem Amt gedrängt werde. Danach überschlugen sich die Ereignisse beim ACS, der mit 110‘000 Mitgliedern ungefähr zehn Mal kleiner ist als sein „grosser Bruder“ TCS. Ammann suspendierte zuerst den operativen Leiter des ACS, Stefan Holenstein, mit der Begründung, Holenstein habe Treue- und Informationspflichten verletzt, worauf die ACS-Sektionen Graubünden und Zürich Strafanzeige gegen Ammann wegen Urkundenfälschung und ungetreuer Geschäftsführung einreichten. Der Streit eskalierte in derselben Woche, als Holenstein per sofort entlassen wurde. In der Folge setzte der amtierende Vorstand um Ammann eine Kommission zur Überprüfung der gegenseitigen Vorwürfe ein und verschob die DV vom 23. Juni auf September, bis die Resultate der Kommission vorliegen würden.

Mehrere kantonale Sektionen widersetzten sich der Verschiebung mit dem Argument, diese könne nur von der Versammlung selber beschlossen werden. So hielten 13 von 19 kantonalen Sektionen die DV am 23. Juni in Yverdon trotzdem ab und wählten Christian Wasserfallen zum ACS-Zentralpräsidenten. Weil der bisherige Vorstand die Wahl für ungültig erklärte, hatte der ACS zu diesem Zeitpunkt irritierenderweise zwei Präsidenten. Mitte Juli einigten sich die beiden Lager, dass die Wahl am 16. September wiederholt werden solle. Ammann würde auf diesen Tag hin zurücktreten, während Wasserfallen an seiner Kandidatur festhielt. Anfang August bekam Wasserfallen Konkurrenz von SVP-Nationalrat Thomas Hurter, der ebenfalls ACS-Präsident werden wollte. Weil sich Wasserfallen zunehmend in den internen Konflikt im ACS einmischte und sich dadurch mit einer Zivilklage und einer Strafanzeige konfrontiert sah, geriet seine Person zunehmend in den medialen Fokus. Angesichts der Turbulenzen im Verband fragten sich selbst FDP-Parlamentarier, wieso Wasserfallen nicht in den Ausstand trete bis der Konflikt gelöst sei. Auch seine Nähe zum ACS wurde in Frage gestellt, da er dem Verband erst kurz vor seiner Nomination zum Präsidenten beigetreten war. Negativer Höhepunkt war für Wasserfallen, als ihm die Berner ACS-Sektion die Unterstützung versagte und stattdessen Hurter wählen wollte. Ende August gab Wasserfallen bekannt, dass er doch nicht zur Wahl antreten werde. Damit solle der Verband zur Ruhe kommen, sagte Wasserfallen der NZZ am Sonntag. Das Regionalgericht Bern-Mittelland beurteilte nur wenige Tage später die Wahl Wasserfallens im Juni als illegitim, weil nicht sämtliche Sektionen über die Durchführung der Delegiertenversammlung informiert worden waren. An der DV im September wurde der einzige verbliebene Kandidat Thomas Hurter mit 114 von 118 Stimmen deutlich zum neuen ACS-Zentralpräsidenten gewählt.

Machtkampf beim ACS zwischen Zentralvorstand und kantonalen Sektionen

Im Sommer 2016 reichte Regula Rytz (gp, BE) eine parlamentarische Initiative ein, mit welcher sie das Vereinsrecht so anpassen wollte, dass Verbände mit hohen Umsätzen und Vermögen, die wirtschaftliche Zwecke verfolgen, nicht mehr als Vereine gelten können. Rytz zielte mit ihrem Vorstoss insbesondere auf internationale Sportgrossverbände mit Sitz in der Schweiz ab, wie zum Beispiel die UEFA, das IOC oder die FIFA. Die FIFA etwa machte gemäss Rytz zwischen 2011 und 2015 einen Umsatz von CHF 5.718 Mrd., wovon 52 Prozent in die Durchführung der Weltmeisterschaft 2014 investiert wurden, was gemäss der Initiantin als wirtschaftliches Projekt eingestuft werden solle. Nur 20 Prozent des Umsatzes sei in Entwicklungsprojekte geflossen, was gemäss Statuten der Hauptzweck der FIFA sei. Diese wirtschaftliche Ausrichtung der FIFA und anderer Grossverbände verstosse gegen das im ZGB geregelte Vereinsrecht. Deshalb forderte Rytz, dass grosse Verbände mit hohen Umsätzen und mehrheitlich wirtschaftlichem Zweck nicht mehr als Vereine gemäss ZGB konstituiert werden dürfen oder aber dass sie innerhalb des Vereinsrechts einer Spezialgesetzgebung unterstehen sollten, gemäss der sie höher besteuert werden könnten.

Im Juni 2017 wurde die Initiative von der RK-NR geprüft. Die Kommission empfahl mit 17 zu 6 Stimmen, ihr keine Folge zu geben. Das Hauptproblem von grossen Sportverbänden sei die Korruption und dagegen sei nicht einfacher vorzugehen, wenn die Rechtsform der Organisation geändert werde: Die bestehenden Vorschriften betreffend Buchführung und Rechnungslegung seien für Vereine praktisch die gleichen wie für Aktiengesellschaften. Stattdessen sollten bereits bestehende Instrumente zur Korruptionsbekämpfung besser ausgeschöpft werden. Zudem sah die Kommission eine rechtliche Abgrenzungsschwierigkeit im Begriff «Grossverbände». So würden viele umsatzstarke Berufsverbände ebenfalls unter die neue Norm fallen, obwohl Rytz' Initiative nicht auf diese abziele. Daraufhin zog Rytz ihren Vorstoss zurück.

Verbandsrecht für Verbände mit hohen Umsätzen und wirtschaftlichem Zweck reformieren

Heinz Karrer, Präsident von Economiesuisse, verlor 2016 sein gewichtigstes Verwaltungsratsmandat. Der bis dato schweizerische Reisekonzern Kuoni, dessen Verwaltungsratspräsident Karrer seit 2014 war, wurde im Mai an die schwedische Beteiligungsgesellschaft EQT verkauft, wodurch sämtliche Verwaltungsräte von Kuoni ihre Posten räumen mussten. Nach dem Rücktritt bei Kuoni hatte Karrer zwar noch drei Verwaltungsratsmandate inne, jedoch war er nirgends mehr Präsident. Damit erfüllte er eine vage formulierte Vorgabe in den Verbandsstatuten von Economiesuisse nicht mehr, wonach der Verbandspräsident „in der Regel“ ein Verwaltungsratspräsidium ausüben sollte.

Präsident von Economiesuisse ohne Verwaltungsratspräsidium

Nachdem der Lobbyismus des Bauernverbands bereits 2015 Gegenstand von Kritik war, liessen diverse Schweizer Medien auch 2016 nicht davon ab. Stein des Anstosses war die Zustimmung des Nationalrats in der Sondersession Ende April zu einem umstrittenen Gesetzesentwurf, der Bauern beim Verkauf von Bauland steuerlich entlasten sollte. Eine solche Regelung war bis 2011 in Kraft gewesen, bevor das Bundesgericht Ende 2011 entschied, dass Bauern Gewinne aus dem Verkauf von Bauland vollumfänglich versteuern müssen. Der Schweizerische Bauernverband (SBV), allen voran dessen Präsident Markus Ritter (cvp, SG), hatte vor der Abstimmung im Nationalrat intensiv für die Wiedereinführung dieses Gesetzes geweibelt. Gemäss Medienberichten entgingen dem Bund insgesamt 400 Millionen Franken an Steuer- und AHV-Einnahmen, wenn das Gesetz wieder eingeführt werden würde.

Überrascht über den Entscheid des Nationalrats untersuchten die Medien in der Folge die Einflussnahme Ritters auf seine Ratskollegen. Die CVP-Fraktion würde merklich öfter die Anliegen der Bauern unterstützen seit Ritter 2012 Präsident des SBV wurde. Damit sei eine „Agrar-Allianz“ im Nationalrat entstanden, bestehend aus der CVP-, der SVP- und der BDP-Fraktion, die im Nationalrat über eine Mehrheit verfügen. Durch das Betreiben von Kuhhandel würden dabei unentschlossene Parlamentarier überzeugt: Die Unternehmenssteuerreform III sei von Ritter zuerst kritisiert worden, bevor er den Wirtschaftsvertretern die Unterstützung der Bauern zusicherte, um im Gegenzug deren Stimmen für das eigene Anliegen zu erhalten. In einem Interview mit der Aargauer Zeitung verteidigte sich der höchste Schweizer Bauer: Mit der steuerlichen Entlastung für Bauern, die ihr Bauland verkauften, solle eine Gleichbehandlung von Bauern, Privatpersonen und Firmeninhabern geschaffen werden – etwas, das vom Schweizerischen Gewerbeverband (SGV) jedoch bestritten wurde. Es sei zudem „kein Selbstläufer“, Politiker der CVP-, SVP- und BDP-Fraktionen, in denen die Bauern allesamt nicht in der Mehrheit sind, von den Anliegen des Bauernverbands zu überzeugen. Zum Vorwurf des Kuhhandels sagte Ritter, dass der Bauernverband grundsätzlich jedes Geschäft einzeln prüfe und es dem Verband nicht um Gegengeschäfte gehe, sondern um „das Finden von Mehrheiten“.

Ständeräte zeigten sich im Sommer jedoch sehr skeptisch gegenüber dem Entscheid der grossen Kammer. Die Bauern würden ihren Rückhalt in der Bevölkerung überschätzen, sagte Ruedi Noser (fdp, ZH) und Anita Fetz (sp, BS) unterstellte den Bauernvertretern im Parlament, dass sie „unverfroren überall zugreifen“. Auch die Bauland-Affäre von Bundesrat Guy Parmelin (svp) dürfte zum schweren Stand des Gesetzesvorhabens bei den Ständeräten beigetragen haben. Denn anfangs Mai enthüllte der Blick, dass sich Parmelin im Bundesrat für die Annahme des Gesetzes stark machte, von dem er selber als Miteigentümer einer Baulandparzelle profitiert hätte. In der Dezembersession beschloss der Ständerat mit 27:12 Stimmen denn auch deutlich, nicht auf die Vorlage einzutreten, womit das Geschäft an den Nationalrat zurückging.

Der Einfluss des Bauernverbands im Parlament (2016)

Für seine Verhältnisse ungewohnt aktiv war der Hauseigentümerverband (HEV) im Vorfeld der Abstimmung über die Änderung des Asylgesetzes, welche auf den 5. Juni 2016 datiert war und wogegen der Verband die Nein-Parole beschlossen hatte. Der HEV beschloss, eine eigene Kampagne gegen das neue Asylgesetz zu führen, unabhängig von der SVP, die gegen das Gesetz das Referendum ergriffen hatte. Dem HEV ging das Gesetz insofern zu weit, als das EJPD mit dem vorgesehenen Plangenehmigungsverfahren für die Unterbringung von Asylsuchenden nötigenfalls Enteignungen durchführen könnte. In einem offenen Brief, adressiert an Bundesrätin Simonetta Sommaruga, wollte der Verband im April 2016 wissen, wann Enteignungen zur Anwendung kommen und ob konkret mit solchen gerechnet werden müsse. Im Antwortbrief, der auch auf der Webseite des EJPD veröffentlicht wurde, hielt Sommaruga fest, dass es „keinen einzigen Standort“ für die geplanten Bundesasylzentren gebe, an dem eine Enteignung in Betracht gezogen werde. Alle für die Umsetzung des neuen Asylgesetzes vorgesehenen Bundeszentren würden sich entweder bereits im Besitz des Bundes bzw. der Kantone befinden oder durch den Bund noch erworben oder gemietet werden. Zudem wies sie den HEV darauf hin, dass das Enteignungsrecht als ultima ratio auch im Bereich des Verkehrs, der Stromversorgung und des Militärs Anwendung findet. Diese Worte vermochten den HEV-Präsidenten Hans Egloff nicht zu überzeugen. „Das Eigentum gerät zunehmend in Gefahr, auch durch dieses Gesetz“, sagte er gegenüber dem Tages-Anzeiger. Daher hielt der Verband an seiner Nein-Parole und der damit einhergehenden Kampagne fest.
Weil der HEV das Enteignungsrecht des Bundes in anderen Bereichen bisher nicht in Frage gestellt hatte, warfen ihm der ehemalige SP-Nationalrat Rudolf Strahm und der emeritierte Staatsrechtsprofessor Georg Müller vor, SVP-Politik zu betreiben. Egloff bestritt dies und verwies darauf, dass nicht er, sondern der Vorstand die Parole gegen die Asylreform gefasst habe und dieser aus deutlich mehr Vertretern der CVP und der FDP bestehe als aus Vertretern der SVP.

Der Hauseigentümerverband führte eine eigene Kampagne gegen das neue Asylgesetz

Anfangs Oktober 2015 war bekannt geworden, dass Peter Grünenfelder, seit 2004 Staatsschreiber des Kantons Aargau, neuer Direktor von Avenir Suisse werden würde. Der Zürcher löste im April 2016 den bisherigen Direktor Gerhard Schwarz ab, der nach vollendetem 65. Lebensjahr in Pension ging. Dass die Wahl des Stiftungsrats auf Grünenfelder gefallen war, überraschte die Medien, da der von Unternehmen getragene Think Tank Avenir Suisse fortan von einer Person geführt werden würde, deren bisherige berufliche Laufbahn fast ausschliesslich in der Verwaltung verlaufen war. Insgesamt war das mediale Echo aber äusserst positiv, da dem „Modernisierer“ Grünenfelder als Staatsschreiber ein wesentlicher Beitrag an der Entwicklung des Kantons Aargau zum Wirtschafts- und Forschungsstandort zugeschrieben wurde.

Peter Grünenfelder wird neuer Direktor von Avenir Suisse

Am 28. Februar wurde im Kanton Zürich die von der Unia lancierte kantonale Volksinitiative zur Durchsetzung der minimalen Lohn- und Arbeitsbedingungen (Lohndumping-Initiative) mit 63,3 Prozent Nein-Stimmen deutlich abgelehnt. Die kantonale Initiative wurde als Testlauf für die Unia gedeutet: Bei einer Annahme im bürgerlichen Kanton Zürich hätte die Gewerkschaft auf Bundesebene massiv bessere Karten gehabt, den Ausbau der flankierenden Massnahmen zu fordern. Die Initiative, die insbesondere auf die Baubranche zielte, hätte die kantonalen Behörden dazu verpflichtet, bei einem Unternehmen einen Arbeitsunterbruch zu erlassen, wenn die Kontrollinstanz, bestehend aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern, einen begründeten Verdacht auf Verstoss gegen Minimallohnbestimmungen vorlegen würde. Das Anliegen wurde bereits im Kantonsparlament für seine Unverhältnismässigkeit kritisiert, weil ein Verdacht genügen würde, um ein Unternehmen rechtlich zu sanktionieren.

Lohndumping-Initiative Kanton Zürich

Nachdem 2015 ein Dutzend Personen das Schweizer Pendant zur deutschen Bewegung Pegida gegründet und die Städte Basel und Frauenfeld erfolglos um Demonstrationsbewilligungen ersucht hatte, blieben auch 2016 sämtliche Kundgebungsversuche von Pegida Schweiz ohne Erfolg. Zwar erteilten die Stadtbasler Behörden dem Verein im Januar eine Bewilligung für eine Demonstration, nachdem jedoch gewaltbereite Gruppierungen aus rechts- und linksextremen Kreisen ihre Teilnahme an jener Kundgebung respektive an einer Gegenkundgebung angekündigt hatten, wurde die Bewilligung aus Sicherheitsgründen wieder entzogen. Alle weiteren Gesuche für Demonstrationen in den Städten Aarau, Frauenfeld und Luzern wurden von den jeweiligen Behörden ebenfalls nicht bewilligt. Auch wenn Pegida Schweiz-Präsident Mike Spielmann, Mitglied der rechten Kleinstpartei Direktdemokratische Partei, in der Folge unbewilligte Demonstrationen angekündigt hatte, kam es nie zu einer solchen. Gegenüber der NZZ sagte ein Beobachter der rechtsextremen Szene, Pegida Schweiz verfüge über eine geringe Mobilisierungsfähigkeit und sei in erster Linie ein „aufgeblasenes Medienprodukt“.

Pegida Schweiz ohne Mobilisierungsfähigkeit

Im vergangenen Jahr hat die Mitgliederzahl der Schweizer Gewerkschaften weiter abgenommen. 2015 waren 737'850 Personen Mitglied einer Gewerkschaft. Die grösste Schweizer Gewerkschaft Unia bildet eine Ausnahme von diesem Trend: Erstmals seit 2006 konnte sie wieder über 200'000 Mitglieder verzeichnen.

Mitgliederbewegungen der Schweizer Gewerkschaften

Im Herbst 2015 legte der Bundesrat Sparmassnahmen für die Legislaturperiode 2018 bis 2021 vor. Auch die Bauern sollen davon betroffen sein, denn die Regierung will die Gesamtausgaben für die Landwirtschaft über die vier Jahre um rund 800 Millionen Franken reduzieren. Der SBV zeigte sich empört und rief zu einer Grosskundgebung in Bern auf. Rund 10’000 Bauern folgten Ende November dem Ruf des Dachverbands und zogen unter massivem Glockengeläut vom Bärengraben zum Bundesplatz. Dort warf SBV-Präsident Markus Ritter (cvp, SG) dem Bundesrat vor versammelter Menge Verrat vor. Die Agrarreform 2014 bis 2017, die von den Bauern mehr Leistung verlangt, sei vom Bauernverband nur im Vertrauen darauf unterstützt worden, dass der Zahlungsrahmen für die Landwirtschaft beibehalten werde. Mit den angekündigten Sparmassnahmen breche der Bundesrat sein Wort, so Ritter. Es war die erste Grosskundgebung des SBV seit dem Protest der Bauern gegen die WTO im Jahr 2005.

10000 Bauern demonstrieren auf dem Bundesplatz

Nach achtjähriger Führung trat Martin Flügel als Präsident des zweitgrössten Gewerkschaftsdachverbands Travail.Suisse zurück. Als neuer Präsident wurde der 35-jährige Adrian Wüthrich gewählt, der für die SP im Berner Kantonsparlament politisiert, auf nationaler Ebene aber ein unbeschriebenes Blatt ist. Man wolle weiterhin versuchen, aktiv neue Themen zu setzen, statt sich ständig von der grössten Dachgewerkschaft, dem SGB, abzugrenzen, sagten sowohl der neue als auch der scheidende Präsident zur Strategie von Travail.Suisse.

Neuer Präsident bei Travail.Suisse

Mitte 2015 entbrannte ein Streit zwischen den Gewerkschaften Unia und Syna einerseits und dem Schweizerischen Baumeisterverband (SBV) andererseits. Streitpunkt war die Verlängerung des Landesmantelvertrags (LMV), wie der Gesamtarbeitsvertrag (GAV) im Bauhauptgewerbe genannt wird, welcher Ende Jahr auslief. Das Phänomen ist nicht neu; schon in vergangenen Jahren gerieten sich die Sozialpartner in der Baubranche zum Zeitpunkt der Erneuerung des LMV jeweils heftig in die Haare (etwa 2011 und 2007). Die Gewerkschaften forderten eine Neuverhandlung des bestehenden Vertrags, während der Baumeisterverband auf einer unveränderten Weiterführung des Vertrags bestand. Letzteres war den Gewerkschaften nicht genug, weil sie sich insbesondere um die Sicherung der Frührente ab 60 – dem üblichen Pensionsalter für Arbeitnehmer auf dem Bau – Sorgen machten. Mit dem bestehenden Vertrag drohten demnächst Rentenkürzungen, wenn die geburtenstarke Babyboomer-Generation das Pensionsalter erreiche, weshalb die Gewerkschaften höhere Rentenbeiträge, insbesondere von Seiten der Arbeitgeber, forderten. Weitere Forderungen waren verbesserte Kontrollen gegen Lohndumping und eine neue Regelung für Schlechtwettertage, an denen die meisten Bauunfälle passieren.
Der Baumeisterverband weigerte sich jedoch, mit den Gewerkschaften zu verhandeln, solange die Unia ihre Fachstelle Risikoanalyse betreibt. Im Auftrag von Baufirmen prüft diese Fachstelle Subunternehmen auf deren Risiko, Lohndumping zu betreiben. Aus Sicht des Baumeisterverbands verstösst die Unia damit gegen die Sozialpartnerschaft, da solche Überprüfungen nicht nur vonseiten der Arbeitnehmervertretung, sondern gemeinsam mit Vertretern der Arbeitgeber durchgeführt werden müssten. Eine Schliessung dieser Fachstelle stand für die Unia wiederum nicht zur Diskussion. In der Zwischenzeit griff der Baumeisterverband zu einem ungewöhnlichen Mittel, um die Gewerkschaften zu einer Einigung zu bewegen: 26'000 Bauarbeiter – gemäss Verbandspräsident 40 Prozent der Betroffenen – bezeugten mit ihrer Unterschrift, dass sie sich eine unveränderte Weiterführung des bestehenden LMV wünschen. Die Unia ihrerseits zeigte sich von diesem – aus rechtlicher Sicht belanglosen – Verhalten unbeeindruckt und organisierte Mitte November landesweit Streiks, die jeweils einen Tag dauerten und an denen sich einige tausend Bauarbeiter beteiligten. In Zürich, Bellinzona, Genf, Neuenburg und Delsberg kam es auch zu Demonstrationen.
Auch wenn sich der Baumeisterverband in der Folge darüber beklagte, die Gewerkschaften hätten die vertragliche Friedenspflicht verletzt, gewannen die Gewerkschaften mit den Streiks das Kräftemessen der Sozialpartner. Denn einen Monat später, kurz vor Ablauf des bestehenden Vertrags, einigte man sich auf einen neuen LMV für die nächsten drei Jahre, der das Kernanliegen der Gewerkschaften enthielt: Die Rentenbeiträge wurden um zwei Prozentpunkte erhöht, wovon drei Viertel die Arbeitgeber übernahmen. Damit sollte das bisherige Rentenniveau der Frühpensionierten gesichert sein. Auch wurde das Ausbezahlen von Löhnen in bar verboten, eine Massnahme, die die Kontrolle von Lohndumping etwas vereinfachen sollte. Der Baumeisterverband hingegen konnte sein Anliegen – die Schliessung der Fachstelle Risikoanalyse der Unia – nicht durchsetzen.

Streit zwischen Gewerkschaften und dem Schweizerischen Baumeisterverband

Im Jahr 2015 wurde der Co-Präsident der Unia, Renzo Ambrosetti, pensioniert. An der Delegiertenversammlung der grössten Schweizer Gewerkschaft im Juni wurde die bisherige Co-Präsidentin Vania Alleva mit klarer Mehrheit zur neuen, alleinigen Präsidentin der Unia gewählt. Dass Alleva, die seit 2012 als Co-Präsidentin amtierte, das Präsidium alleine übernehmen würde, kam insofern nicht überraschend als keine Zweit- bzw. Gegenkandidatur vorlag. Allerdings ist ein Einzelpräsidium seit der Fusion der beiden grossen Gewerkschaften GBI und SMUV zur Unia im Jahr 2004 ein Novum. Bisher wurde die Gewerkschaftsleitung immer zwischen einem ehemaligen SMUV-Vertreter und einem ehemaligen Mitglied des GBI aufgeteilt. Das Einzelpräsidium sei als Zeichen zu verstehen, dass der Fusionsprozess nun abgeschlossen sei, hiess es seitens der Unia.

Vania Alleva alleinige Präsidentin der Unia

Im ersten Halbjahr 2015 thematisierten diverse Medien den starken Lobbyismus des Bauernverbandes im Bundeshaus. Hintergrund waren Erfolge der Bauern im Parlament. So unterstützte die grosse Kammer etwa eine parlamentarische Initiative des SBV-Direktors und Nationalrats Jaques Bourgeois (fdp, FR; Pa.Iv. 10.538). Die Initiative wollte Lebensmittel vom Cassis-de-Dijon-Prinzip ausnehmen. Seit der Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips 2010 können Produkte, die in der EU rechtmässig in Verkehr sind, grundsätzlich auch in der Schweiz frei zirkulieren. In der Öffentlichkeit wurde insbesondere der Gegensatz des Lobbying-Erfolgs des Bauernverbandes bei gleichzeitig stetig abnehmender Zahl von Berufsbauern diskutiert. Weil die Zahl der Bauernbetriebe zurückgeht, würden die Direktzahlungen des Bundes an immer weniger Betriebe ausbezahlt, wodurch jeder Bauer im Schnitt mehr Geld erhalte. Die Bauern würden auf hohem Niveau klagen, lautete das Fazit in den Medien. In einem Interview mit der NZZ räumte SBV-Präsident Markus Ritter (cvp, SG) ein, dass die verbliebenen Höfe mehr Direktzahlungen erhalten würden, betonte gleichzeitig aber auch, dass sie im Gegenzug auch mehr leisten müssten, etwa in den Bereichen Biodiversität, Sömmerungsgebiete und in der Landschaftsqualität. Zudem kritisierte Ritter die Medien für ihre angeblich einseitige Darstellung, wenn über die Bauern geschrieben werde. Im Herbst des gleichen Jahres dämpfte der Ständerat den Höhenflug des Bauernverbands allerdings wieder: Er trat nicht auf die parlamentarische Initiative Bourgeois’ ein, wodurch diese vom Tisch war.

Der Einfluss des Bauernverbands im Parlament (2015)

Der Arbeitgeberverband veröffentlichte im Frühling eine Liste mit 400 Frauen, die sich für ein Verwaltungsratsmandat eignen. 200 davon waren zu jener Zeit bereits in einem Verwaltungsrat bei einem grösseren Schweizer Unternehmen tätig. Die weiteren 200 Frauen könnten gemäss Arbeitgeberverband aufgrund ihres Leistungsausweises als Verwaltungsrätinnen für ein Unternehmen mit mehr als CHF 100 Mio. Umsatz oder 400 Mitarbeitenden in Betracht gezogen werden und seien für Anfragen offen. Gemäss einer im Jahr 2013 durchgeführten Umfrage hätten etliche Verwaltungsratspräsidenten angegeben, den Frauenanteil in ihren Gremien erhöhen zu wollen. Die Liste solle nun das weitverbreitete Argument entkräften, es würde nicht genügend qualifizierte Frauen für die Besetzung von Verwaltungsräten geben, hiess es von Seiten des Arbeitgeberverbands.

Die Publikation ist insbesondere vor dem Hintergrund der Forderung nach einer Frauenquote zu sehen. Der Bundesrat will im Zuge der Aktienrechtsrevision für grosse börsenkotierte Unternehmen eine Geschlechterquote von 30 Prozent einführen. Demnach sollen weder Frauen noch Männer mit weniger als 30 Prozent im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung vertreten sein. Die publizierte Liste des Arbeitgeberverbands sollte der bundesrätlichen Regulierungsabsicht den Wind aus den Segeln nehmen. Gemäss dem jährlich publizierten Schilling-Report betrug Ende 2014 der Frauenanteil in den Verwaltungsräten der hundert grössten Schweizer Unternehmen 15 Prozent und hat damit im Vergleich zum Vorjahr um zwei Prozentpunkte zugenommen. Anders sieht es in den Geschäftsleitungen der hundert grössten Schweizer Unternehmen aus: Der Frauenanteil betrug dort Ende 2014 lediglich sechs Prozent.

Arbeitgeberverband präsentiert Frauen für Verwaltungsrat

Im Frühling 2015 wurde von einer Koalition aus Wirtschaft und Politik der Verein Vorteil Schweiz gegründet mit dem Ziel, die bilateralen Verträge mit der EU zu erhalten. Vorteil Schweiz wolle eine Koordinationsfunktion wahrnehmen und damit eine Verzettelung jener Gruppierungen verhindern, die sich nach dem Ja zur Masseneinwanderungsinitiative für die Rettung der bilateralen Verträge einsetzten, sagte Mitinitiant und BDP-Nationalrat Hans Grunder gegenüber dem Tagesanzeiger. Neben anderen Nationalräten aus den Parteien FDP, CVP, SP, GLP und Grüne wird der Verein auch von zahlungskräftigen Vertretern aus der Wirtschaft unterstützt, wie etwa von Unternehmer Jobst Wagner, der Unternehmerin Nicole Loeb oder dem Milliardär Hansjörg Wyss.

Gründung des Vereins Vorteil Schweiz