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Auf Antrag des Bundesrates oder eines Viertels der Mitglieder des Nationalrats – sowie seit 2000 auch auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Ständerats – werden beide eidgenössischen Räte zu einer ausserordentlichen Session einberufen. Seit 2000 verlangten die Mitglieder des Nationalrats insgesamt beinahe 40 Mal eine ausserordentliche Session, jedoch nur einmal ein Viertel der Ständeratsmitglieder und zwar im Frühling 2020 zur Bewältigung der Covid-19-Krise. Das Einberufungsrecht von fünf Kantonen war bis zu seiner Abschaffung im Jahr 1999 nie benutzt worden. Seit einer Revision des Parlamentsgesetzes (Pa.Iv. 10.440) können ausserordentliche Sessionen, sofern sie zu Vorstössen und nicht zu Erlassentwürfen, Wahlen oder Erklärungen des Bundesrates oder der Räte verlangt werden, nur beantragt werden, wenn in beiden Parlamentskammern gleichlautende Motionen hängig sind. Damit sollte gewährleistet werden, dass sich – wie es die Verfassung verlangt – beide Räte zur ausserordentlichen Session versammeln. In der Vergangenheit war es vereinzelt vorgekommen, dass der Ständerat zur ausserordentlichen Session zusammenfand, jedoch in diesem Rahmen gar keine Beschlüsse zu fassen hatte. Durch diese neue Regelung liegt die Traktandierung der ausserordentlichen Sessionen zumindest teilweise bei der Ratsminderheit, die diese beantragt: Neben den von den Antragsstellenden ausgewiesenen, in beiden Räten hängigen Beratungsgegenständen können die Büros der beiden Räte die ausserordentliche Session um weitere Beratungsgegenstände erweitern.

Im Jahr 2023 fanden in den eidgenössischen Räten insgesamt sechs ausserordentliche Sessionen statt. Damit schliesst das Jahr 2023 zu den Spitzenreitern auf; im Wahljahr 2011 sowie im Vorjahr 2022 gab es ebenso viele ausserordentliche Sessionen. Neben der dreitägigen ausserordentlichen Session zur CS im April 2023 wurden fünf weitere ausserordentliche Sessionen einberufen, die jedoch – was dem Regelfall entspricht – an eine ordentliche Session angehängt werden konnten. Neben einer ausserordentlichen Session zur Gleichstellung am Tag des feministischen Streiks vom 14. Juni sowie einer ausserordentlichen Session zum Thema «Wohnen und Mieten» angehängt an die Herbstsession 2023 führten National- und Ständerat auf Verlangen der SVP im Jahr 2023 drei ausserordentliche Sessionen zum Thema Asyl durch. Dies stellt einen alleinigen Rekord dar; bisher war es erst im Jahr 2015 beim Höchstwert an Asylgesuchen seit 1999 zu mehr als einer ausserordentlichen Session zu diesem Thema im gleichen Jahr gekommen.

Die während den drei ausserordentlichen Sessionen zum Thema Asyl behandelten Vorstösse aus der Feder der SVP waren kaum von Erfolg gekrönt. In der ausserordentlichen Session «Migration» im Anschluss an die Sommersession 2023 waren insgesamt fünf gleichlautende Motionen der SVP-Fraktion oder von deren Mitgliedern in beiden Räten traktandiert. Von diesen fünf Vorstössen wurden drei von beiden Räten abgelehnt (Mo. 22.4397 und Mo. 23.3086; Mo. 23.3074 und Mo. 23.3085; Mo. 23.3200 und Mo. 23.3211). Zwar vermochten die zwei verbleibenden Forderungen der SVP zur Aussetzung des Resettlement-Programms 2024/25 (Mo. 23.3096) und zur Erhöhung der Rückführungen und Ausweisungen (Mo. 23.3082) jeweils eine bürgerliche Mehrheit im Ständerat zu überzeugen, nicht so jedoch im Nationalrat, der die Forderungen ablehnte (Mo. 23.3072; Mo. 23.3073). Darüber hinaus behandelte der Nationalrat im Rahmen dieser ausserordentlichen Session drei weitere Vorstösse von Mitgliedern anderer Parteien, die allesamt angenommen wurden, darunter eine Motion Romano (mitte, TI; Mo. 22.4186) für ein Rückübernahmeabkommen mit Österreich, ein Postulat Marti (sp, BL; Po. 23.3203) zur Evaluation der privaten Unterbringung von Flüchtlingen oder vorläufig Aufgenommenen sowie ein Postulat Bellaiche (glp, ZH; Po. 23.3042) zum Aufzeigen von Chancen und Herausforderungen einer 10-Millionen-Schweiz.

In der im Anschluss an die Herbstsession 2023 stattfindenden ausserordentlichen Session «Zuwanderung und Asyl» lagen dem Ständerat zwei Motionen von Marco Chiesa (svp, TI) vor, während im Nationalrat zwei gleichlautende Vorstösse der SVP-Fraktion respektive von Gregor Rutz (svp, ZH) traktandiert waren. Weder die Forderung mit dem Titel «Keine 10-Millionen-Schweiz!» (Mo. 23.3777 und Mo. 23.3832) – ebenso lautet der Titel einer von der SVP aktuell lancierten Volksinitiative – noch die Forderung nach der Durchführung von Asylverfahren ausserhalb der Schweiz (Mo. 23.3851 und Mo. 23.3950) fanden in den Räten breitere Zustimmung über die Fraktionsgrenzen hinaus. Erfolgreich waren im September 2023 die beiden anderen, in der ausserordentlichen Session des Nationalrats traktandierten Geschäfte: eine Motion der FDP-Fraktion zur Verringerung der irregulären Sekundärmigration (Mo. 23.3533) sowie ein Postulat Pfister (mitte, ZG; Po. 23.3859) zur Auslotung der Chancen, die eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems für die Schweiz brächte. Vier weitere Vorstösse von Mitte-Links, insbesondere zur Erhöhung der humanitären Hilfe an die Ukraine – drei davon gleichlautend – waren vom Büro-NR ursprünglich ebenfalls für die ausserordentliche Session im Nationalrat traktandiert gewesen, wurden aufgrund eines erfolgreichen Ordnungsantrags Bregy (mitte, VS) jedoch zunächst an die zuständige Kommission zur Vorberatung zugewiesen (Mo. 23.3422; Mo. 23.3423; Mo. 23.3425; Mo. 23.3255).

Die in der Wintersession 2023 von Mitgliedern der SVP-Fraktion einberufene ausserordentliche Session war gegen eine im Sommer vom SEM beschlossene Praxisänderung gerichtet, gemäss welcher weiblichen afghanischen Asylsuchenden grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Im Rahmen dieser ausserordentlichen Session behandelten beide Räte insgesamt je eine Motion, die diese Praxis rückgängig machen wollte: der Nationalrat die Motion Rutz (svp, ZH; Mo. 23.4241) und der Ständerat die gleichlautende Motion Bauer (fdp, NE; Mo. 23.4247), die nach den eidgenössischen Wahlen von Damian Müller (fdp, LU) übernommen worden war. Einen Beschluss fassten die Räte im Rahmen der ausserordentlichen Session indes nicht; zwecks vertiefter Abklärungen und der Erstellung einer grundlegenden Auslegeordnung stimmten die Räte aber je einem Ordnungsantrag auf Zuweisung an die Kommission zu.

Der nach den eidgenössischen Wahlen im Oktober 2023 neu zusammengesetzte Nationalrat beugte sich in der Wintersession über die beiden Motionen von SVP-Mitgliedern, die der Ständerat im Rahmen der ausserordentlichen Session im Juni befürwortet hatte. Während er die Motion zur Aussetzung des Resettlement-Programms 2024/2025 ablehnte, befürwortete er eine abgeänderte Version der Motion Salzmann (svp, BE) mit der Forderung nach einer Rückführungsoffensive (Mo. 23.3082), die nun zurück an den Ständerat geht. Der Nationalrat fasste diesen Beschluss auf Anraten einer breiten Kommissionsmehrheit, nachdem diese unter anderem die Kantone angehört hatte. Bereits definitiv überwiesen werden konnte die Motion Romano (Mo. 22.4186), die ein Rückübernahmeabkommen mit Österreich anstrebt: In der ersten Session der 52. Legislatur bekräftigte der Ständerat die im Rahmen der ausserordentlichen Session im Juni durch den Nationalrat ausgedrückte positive Haltung zum Anliegen. Damit gehört letzterer Vorstoss zu einer der wenigen der äusserst zahlreichen Motionen im Bereich Asyl, die 2023 Zustimmung in beiden Räten fanden – die meisten dieser Motionen scheiterten bereits im Erstrat.

Die SVP verlangt 2023 drei ausserordentliche Sessionen zu Asyl

Mit 38 zu 128 Stimmen (27 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat kurz vor Weihnachten 2023 einen Raum der Stille im Bundeshaus ab. Die in einer Motion von Rocco Cattaneo (fdp, TI) vorgebrachte Forderung, einen Raum für «Atempausen des Gebets und der Kontemplation» zu schaffen, wurde vom Büro-NR zur Ablehnung empfohlen. Laurent Wehrli (fdp, VD), der das Anliegen von seinem nicht mehr zu den Wahlen angetretenen Ratskollegen übernommen hatte, wies in der Ratsdebatte vergeblich darauf hin, dass im Bundeshaus auch Räume für Raucherinnen und Raucher oder andere Bedürfnisse geschaffen worden seien. Roland Rino Büchel (svp, SG), der für das Büro-NR das Wort ergriff, machte deutlich, dass der Wunsch nach einem Rückzugsort aus der parlamentarischen Hektik in der Kommission sehr gut nachvollzogen worden sei. Allerdings gebe es bereits zwei geschlechtergetrennte Ruheräume im Bundeshaus Ost, die kaum genutzt würden. Hauptgrund für die ablehnende Haltung des Büros sei aber die Raumknappheit im Bundeshaus; es sei momentan fast nicht möglich, genügend Sitzungszimmer zu Verfügung zu stellen. Ein «Raum der Stille» müsste also ausserhalb des Bundeshauses geschaffen werden, womit er wohl seinen Zweck nicht mehr erfüllen würde. Die 38 Ja-Stimmen und die Enthaltungen kamen aus allen Fraktionen, hatten aber gegen die Ratsmehrheit keine Chance.

Raum der Stille im Bundeshaus (Mo. 23.4091)

Als Zweitrat diskutierte der Ständerat in der Wintersession 2023 den Entwurf für einen zwingenden Einbezug der Finanzkommissionen bei Vorlagen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen sowie für eine Änderung der Behandlung des Bundesbeschlusses über die Planungsgrössen des Voranschlags. Die Kommissionssprecherin Johanna Gapany (fdp, FR) empfahl dem Rat, im ersten Teilprojekt zu den Planungsgrössen den Änderungen des Nationalrats zu folgen, was der Ständerat auch stillschweigend tat. Im zweiten Teilprojekt zur Einbeziehung der Finanzkommission empfahl sie ebenfalls dem Nationalrat zu folgen und somit der Streichung der Kompetenzerweiterungen für die Finanzkommission zuzustimmen. Der Ständerat folgte der Empfehlung der Kommissionssprecherin auch hier stillschweigend. Uneinigkeit herrschte jedoch bezüglich des Verfahrens bei Erlassentwürfen von Kommissionen, wobei die FK-SR vorschlug, dem Nationalrat zu folgen, welcher vorsah, die Finanzkommission bei Erlassentwürfen der Kommissionen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen stärker einzubeziehen und zeitgleich mit dem Bundesrat zur Stellungnahme einzuladen. Ein Gegenantrag der SPK-SR beantragte hingegen, bei geltendem Recht zu bleiben und den stärkeren Einbezug der Finanzkommission nicht gesetzlich zu verankern. Daniel Fässler (mitte, AI) begründete den Antrag der SPK-SR damit, dass Finanzkommissionen bereits heute das Recht hätten, Mitberichte zu erlassen, und die finanzpolitische Bewertung nicht nur Aufgabe der Finanzkommissionen, sondern auch der Sachbereichskommissionen sei. Ausserdem seien im Ständerat alle Mitglieder der Finanzkommissionen ebenfalls in Sachbereichskommissionen vertreten, womit die finanzpolitische Kompetenz in den Sachbereichskommissionen bereits sichergestellt sei. Peter Hegglin (mitte, ZG) hingegen argumentierte für die Finanzkommission, dass es im Nationalrat selten bis nie vorkomme, dass ein Mitglied sowohl in einer Sachbereichskommission als auch in der Finanzkommission vertreten sei. Daher könne es passieren, dass Vorlagen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen, die in Sachbereichskommissionen vorbereitet werden, der Finanzkommission nicht zur Kenntnis gebracht würden. Der Antrag der SPK-SR wurde schliesslich mit 20 zu 17 Stimmen gegenüber dem Antrag der Finanzkommission, dem Nationalrat zu folgen, angenommen. In der Gesamtabstimmung sprach sich der Ständerat mit 36 zu 1 Stimmen deutlich für den veränderten Entwurf aus, womit das Geschäft zurück an den Nationalrat ging.

Einbezug der Finanzkommissionen bei Vorstössen und Erlassentwürfen von Sachbereichskommissionen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen sicherstellen (Pa.Iv. 22.483)

In seinem Antrag zur Ablehnung des Postulats von Mike Egger (svp, SG) zur Verbesserung der Miliztauglichkeit des Parlaments führte das Büro-NR einen ganzen Strauss an bisher gescheiterten ähnlichen Anliegen auf. Eine Anpassung der Sessions- und Sitzungszeiten – Mike Egger hätte die Prüfung einer Verkürzung der Sessionen von drei auf zwei Wochen mit gleichzeitiger Verlängerung der Sitzungszeiten und Verringerung der Mittagspause verlangt – sei etwa im Rahmen von Vorstössen abgelehnt worden, die den Freitag der dritten Sessionswoche streichen oder eine bessere Vereinbarung der Sessionszeiten und der Sessionsrhythmen mit Beruf und Familie erzielen wollten. Auch die entsprechenden Anliegen für eine Ausweitung auf monatliche Sessionen seien im Parlament stets auf taube Ohren gestossen. Dies gelte auch für den zweiten Teil des Postulats von Egger, der mit einer Revision des Entschädigungssystems die Parlamentsarbeit für berufstätige Abgeordnete attraktiver machen und so ein Mandat auch für Unternehmerinnen und Unternehmer sowie für Angestellte zugänglicher machen wollte. Diese beiden Berufsgattungen seien im eidgenössischen Parlament untervertreten, so das Argument Eggers. Auch hier zitierte das Büro-NR eine Reihe von gescheiterten Vorstössen, die, egal, ob sie einen Ausbau oder eine Einschränkung der Entschädigungen gefordert hatten, vom Parlament allesamt abgelehnt worden waren. Das Büro sei zwar «grundsätzlich offen für Verbesserungen der Miliztauglichkeit des Parlaments», im Postulat seien aber keine neuen und deshalb wohl nach wie vor chancenlosen Ideen angeregt.
In der Ratsdebatte machte sich nicht nur Mike Egger sondern auch Roland Rino Büchel (svp, SG), der für die Minderheit des Büros sprach, für das Anliegen stark. Beide argumentierten, dass der Professionalisierung des Parlamentsmandats Einhalt geboten werden müsse. Mit einer Annahme des Postulats könnten auch alle bisherigen Vorstösse noch einmal angeschaut und diskutiert werden, um das Milizsystem wieder zu stärken. Philipp Matthias Bregy (mitte, VS), der die Mehrheit des Büros vertrat, warnte freilich davor, dass mit einer Annahme lediglich die zahlreichen bereits getätigten Abklärungen wiederholt würden, die sich bereits in der Vergangenheit als nicht zielführend erwiesen hätten. Mit 132 zu 36 Stimmen (3 Enthaltungen) folgte die grosse Kammer der Mehrheit ihres Büros und lehnte das Postulat ab. Nur der Grossteil der SVP-Fraktion unterstützte die Minderheitsposition.

Verbesserung der Miliztauglichkeit des Parlaments (Po. 23.3659)

In der Herbstsession 2023 beriet der Nationalrat als Erstrat den Entwurf für einen zwingenden Einbezug der Finanzkommissionen bei Vorlagen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen sowie für eine Änderung der Behandlung des Bundesbeschlusses über die Planungsgrössen des Voranschlags. Die beiden Kommissionssprecher Jean-Paul Gschwind (mitte, JU) und Roland Fischer (glp, LU) präsentierten dem Rat die beiden Teilprojekte, wobei sie die besseren Einflussmöglichkeiten für die Finanzkommissionen respektive den grösseren Handlungsspielraum für das Parlament bei den Planungsgrössen hervorhoben. Während die Änderungen zu den Planungsgrössen wenig umstritten waren und stillschweigend angenommen wurden, beantragte eine Minderheit Gysi (sp, SG) die Ablehnung der Kompetenzerweiterungen für die Finanzkommissionen. Barbara Gysi sprach dabei auch als Vizepräsidentin der SGK-NR, die ebenfalls eine Streichung dieser Neuerung forderte. Man wehre sich dagegen, dass die Finanzkommissionen mehr Rechte erhielten als die Sachbereichskommissionen, erklärte sie. Die Finanzkommissionen könnten sich bereits jetzt gegenüber den Sachbereichskommissionen äussern und hätten zudem bereits teilweise die Möglichkeit, Anträge zu stellen. Eine Formalisierung dieser Kompetenzen lehne man aus Zeitgründen und zur Verhinderung einer «Übersteuerung der Sachpolitik durch die Finanzpolitik» ab. Mit 92 zu 86 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) setzte sich die Minderheit auf Streichung dieser neuen Bestimmung in der folgenden Abstimmung durch, wobei der Minderheitsantrag von Mehrheiten der SP, FDP, Mitte und Grünen sowie von einer Minderheit der SVP unterstützt wurde. In der Gesamtabstimmung sprach sich der Nationalrat mit 127 zu 53 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) für den so veränderten Entwurf aus. Die ablehnenden Stimmen stammten von einer Mehrheit der SP-Fraktion sowie von Minderheiten der SVP-, Mitte- und Grünen-Fraktionen. Das SP-Votum auf Ablehnung des Entwurfs hatte Samuel Bendahan (sp, VD) zuvor damit begründet, dass auch die weniger umstrittenen Punkte des Entwurfs die Parlamentsarbeit administrativ verkomplizieren würden.

Einbezug der Finanzkommissionen bei Vorstössen und Erlassentwürfen von Sachbereichskommissionen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen sicherstellen (Pa.Iv. 22.483)

Rétrospective de la 51e législature : La gestion du système politique face aux (grandes) crises

Auteures: Anja Heidelberger et Marlène Gerber

Traduction: Lloyd Fletcher et Karel Ziehli

Etat au 17.08.2023

Les événements, histoires et débats politiques qui ont eu lieu en très grand nombre au cours de la 51e législature peuvent être retracés de manière détaillée dans nos rapports de législature, classés par thèmes politiques. Toutefois, on se souviendra sans doute surtout des différentes crises qui ont secoué la Suisse au cours de cette législature. En effet, pratiquement aucun domaine politique n'a échappé à au moins une grande crise au cours des quatre dernières années. Par conséquent, nous mettons l'accent, dans cette rétrospective transversale de la 51e législature, sur ces crises et leurs nombreuses répercussions sur la politique et la société.

La pandémie de Covid-19
La pandémie de Covid-19 a eu des répercussions sur presque tous les domaines politiques. En effet, outre le système de santé fortement touché et mis à contribution, les mesures de lutte contre la pandémie ont posé de gros problèmes à différentes branches et catégories de personnes – en particulier aux entreprises et aux indépendants, que le Conseil fédéral a aidés en étendant les allocations pour perte de gain et le chômage partiel et en créant des crédits-relais et des aides pour les cas de rigueur. Les médias, les acteurs culturels, les ligues et associations sportives ainsi que les transports publics et le transport aérien ont également bénéficié de soutiens financiers, tandis que des mesures d’un autre type ont été réclamées dans le domaine des écoles ainsi que pour les loyers commerciaux. Les mesures exhaustives prises pour lutter contre la pandémie ont entraîné un déficit budgétaire considérable, amenant le Parlement à prolonger le délai du remboursement de la dette afin d’éviter des coupes budgétaires draconiennes. La pandémie a également été une charge pour la population, avec des baisses de salaires (lors du chômage partiel), la garde d'enfants en télétravail ou encore l'anxiété. En outre, la pandémie a également posé un problème à la société dans son ensemble, en entraînant (ou en renforçant) une perte de confiance d'une partie de la population dans le gouvernement. Une partie de la population suisse s’est montrée sceptique quant à la vaccination contre le Covid-19, ce qui a suscité des débats émotionnels autour de l'introduction dudit certificat Covid-19. En revanche, tant l'armée, la protection civile et le service civil – en effectuant de nombreuses heures dans des interventions, notamment dans le domaine de la santé – que le monde de la recherche qui a développé des vaccins et des médicaments contre le Covid-19 ont pu démontrer leur utilité dans le cadre de la pandémie. Enfin, la pandémie a également stimulé le télétravail et, plus généralement, la flexibilisation et la numérisation du monde du travail. Au cours de la 51e législature, le peuple et les cantons ont également accepté l'initiative sur les soins, qui contenait des mesures visant à garantir les soins infirmiers de base, dont l'importance a été soulignée pendant la pandémie.

La pandémie a également eu des répercussions sensibles sur le système institutionnel. Au début, le gouvernement a clairement pris les choses en main, prenant toutes les décisions importantes après la proclamation de la situation extraordinaire au sens de la loi sur les épidémies grâce à des décrets d'urgence fondés sur la Constitution et à la loi sur les épidémies, tandis que le Parlement a interrompu prématurément sa session de printemps en raison du début de la pandémie. Le Parlement a obtenu davantage de marge de manœuvre lorsque les ordonnances d'urgence ont dû être remplacées par une loi au bout de six mois, conformément à la Constitution – l'examen de la loi Covid 19 et de ses cinq révisions à ce jour ont donné lieu à des débats animés au Parlement et parfois à des modifications centrales des projets du Conseil fédéral. Les droits populaires ont également connu un coup d'arrêt temporaire, bien que le corps électoral a pu ensuite s'exprimer à trois reprises sur les révisions de la loi Covid 19, qu'il a à chaque fois approuvées. Non seulement les relations entre l'exécutif et le législatif, mais aussi la position des cantons dans la pandémie ont fait l'objet de discussions récurrentes. Ainsi, la déclaration de la situation extraordinaire avait clairement fait basculer le rapport de force en faveur de la Confédération. Certaines phases durant lesquelles les cantons ont temporairement pris le contrôle ont abouti à des patchworks de réglementations entre cantons et à des appels fréquents pour que la Confédération prennent à nouveau les décisions. L'année 2022 a finalement été marquée par les premières tentatives de résoudre politiquement la crise de la Covid-19, avec des propositions discutées pour rendre la Confédération et le Parlement plus résistants aux crises.

La guerre en Ukraine et les problèmes d'approvisionnement en énergie
Immédiatement après la pandémie, la guerre d'agression contre l'Ukraine a attiré l'attention sur des thèmes qui étaient auparavant moins mis en lumière. Ainsi, la guerre a déclenché en Suisse des discussions animées sur l'orientation de la politique étrangère et de la neutralité, après que la Confédération a repris les sanctions décidées par l'UE contre la Russie et que la question de la livraison d’armes à l’Ukraine s’est posée. Cette crise a conduit à l'accueil de réfugié.e.s ukrainien.ne.s en Suisse et à la première utilisation du statut de protection S, ainsi qu'à l'augmentation du budget militaire jusqu'en 2030 et à des discussions sur la sécurité de l'approvisionnement dans le secteur agricole. De plus, la Banque nationale suisse (BNS) a enregistré une perte de 150 milliards de CHF en 2022, qu'elle a notamment attribué aux conséquences de la guerre en Ukraine sur l'économie mondiale.

Conséquence directe de la guerre en Ukraine, les problèmes d'approvisionnement en énergie se sont intensifiés, entraînant une hausse des prix de l'énergie, ce qui s'est répercuté sur les autres prix. En réaction à une possible pénurie d'énergie, le Conseil fédéral a principalement misé sur les énergies renouvelables, tout en faisant construire des centrales de réserve à gaz en cas d'urgence. Des débats sur les avantages de l'énergie nucléaire ont également refait surface dans le monde politique. Enfin, on suppose que la crise énergétique a contribué à la majorité en faveur du contre-projet indirect à l'initiative des glaciers, bien que des projets d'expansion de l'approvisionnement en électricité en hiver aient été privilégiés au Parlement par rapport aux préoccupations environnementales.

Dans l'ensemble, les différentes crises survenues au cours de la 51e législature ont mis en évidence une vulnérabilité d’une ampleur inattendue en matière de sécurité de l'approvisionnement dans de nombreux domaines, en particulier dans le domaine médical, comme les unités de soins intensifs et les médicaments, ainsi que dans le domaine économique, notamment en matière d'énergie et d'agriculture.

Ce qui a également été important
Bien entendu, la 51e législature a également été marquée par des événements, des choix et des décisions politiques importants, indépendamment des crises.

La rupture des négociations sur l'accord-cadre institutionnel en avril 2021 a particulièrement marqué les relations entre la Suisse et l'UE. Le refus de l'accord-cadre a conduit tant à un blocage de la participation suisse au programme de recherche européen « Horizon Europe »; une situation que même le déblocage du deuxième milliard de cohésion ne changera pas. Après plusieurs autres entretiens exploratoires entre la Suisse et l'UE, le Conseil fédéral a adopté en 2023 des lignes directrices pour un nouveau mandat de négociation avec l'UE.

L'effondrement de Credit Suisse en mars 2023 et son rachat par UBS ont également suscité une attention particulière. C’est pour enquêter sur ces événements que le Parlement a décidé d’instituer la cinquième commission d'enquête parlementaire de l'histoire suisse.

Les femmes ont écrit l'histoire en augmentant de manière significative leur représentation dans les deux chambres lors des élections fédérales de 2019. Près de cinquante ans après l'introduction du droit de vote des femmes – la 51e législature a également été l'occasion de célébrer le 50e anniversaire –, la proportion de femmes au Conseil national a dépassé pour la première fois les 40 pour cent, tandis que celle au Conseil des États s'élevait à 26 % après les élections.

Bien que le Parlement soit devenu plus vert avec les dernières élections fédérales, les questions climatiques ont surtout été au centre de l'attention en 2021, lorsque le corps électoral a rejeté de justesse la révision totale de la loi sur le CO2. En revanche, la loi sur le climat et l'innovation, qui constituait un contre-projet indirect à l'initiative des glaciers, été approuvée en votation populaire en 2023.

De manière générale, le taux d'acceptation des projets soumis au référendum facultatif au cours de la 51e législature a été relativement faible par rapport aux législatures précédentes, avec 7 échecs sur un total de 21 référendums. De plus, la participation électorale a été élevée de 5 points de pourcentage en plus par rapport à la moyenne depuis 1990, ce qui pourrait être lié au climat politique enflammé pendant la pandémie de Covid-19. Le taux d'acceptation des initiatives lors de la 51e législature a été relativement élevé (3 initiatives sur 13), tandis que le nombre d'initiatives populaires soumises au vote a été moins élevé que lors des législatures précédentes. En revanche, le Conseil fédéral et le Parlement ont élaboré de nombreux contre-projets directs ou indirects aux initiatives populaires au cours de cette législature.


Vous trouverez des informations sur les votations populaires ainsi que des explications sur les objets parlementaires et des descriptions des événements centraux de la 51e législature dans les différentes rétrospectives thématiques de la législature ainsi que dans les rétrospectives annuelles qui y sont liées.

Liens vers les rapports de législature, classés par thèmes politiques:
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Rückblick auf die 51. Legislatur: Vom Umgang des politischen Systems mit (grossen) Krisen
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Rückblick auf die 51. Legislatur: Vom Umgang des politischen Systems mit (grossen) Krisen

Autorinnen: Anja Heidelberger und Marlène Gerber

Stand: 17.08.2023

Die unzähligen Geschichten, Ereignisse und politischen Diskussionen, die sich während der 51. Legislatur ereigneten, lassen sich ausführlich in unseren thematischen Legislaturrückblicken nachlesen. In Erinnerung bleiben werden aber wohl in erster Linie die verschiedenen Krisen, welche die Schweiz in dieser Legislatur beschäftigt haben. So war denn auch kaum ein Themenbereich nicht von mindestens einer grossen Krise betroffen. Folglich stellen wir die Krisen und deren zahlreiche Auswirkungen für Politik und Gesellschaft in den Fokus dieses themenübergreifenden Rückblicks auf die 51. Legislatur.

Die Covid-19-Pandemie
Insbesondere die Covid-19-Pandemie hatte Auswirkungen auf fast alle Politikfelder, denn neben dem stark betroffenen und belasteten Gesundheitssystem stellten die Massnahmen im Kampf gegen die Pandemie verschiedene Branchen und Personengruppen vor grosse Probleme – insbesondere auch die Unternehmen und Selbständigerwerbenden, denen der Bundesrat etwa durch Ausdehnung des Erwerbsersatzes und der Kurzarbeit sowie mit der Schaffung von Corona-Krediten und Härtefallhilfen entgegen kam. Finanziell unterstützt wurden insbesondere auch die Medien, die Kulturunternehmen und Kulturschaffenden, die Sportligen und -vereine sowie der öffentliche Verkehr und der Luftverkehr, während etwa im Bereich der Schulen, aber auch bei den Geschäftsmieten alternative Regelungen gefragt waren. Die umfassenden Massnahmen gegen die Pandemie führten in der Folge zu einem grossen Loch im Bundeshaushalt, dessen Abbaufrist das Parlament verlängerte, um einschneidende Sparrunden zu verhindern. Eine Belastung war die Pandemie auch für die Bevölkerung, welche etwa durch tiefere (Kurzarbeits-)Löhne, Kinderbetreuung im Home-Office oder Angstgefühle. Zudem stellte die Pandemie auch ein Problem für die Gesellschaft als Ganzes dar, indem sie bei Teilen der Bevölkerung zu einem Vertrauensverlust in die Institutionen führte (oder diesen verstärkte). Teile der Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz standen denn auch der Covid-19-Impfung skeptisch gegenüber, was zu besonders emotionalen Diskussionen rund um die Einführung des sogenannten Covid-19-Zertifikats führte. Hingegen konnten Armee, Zivilschutz und Zivildienst in zahlreichen Einsatzstunden v.a. im Gesundheitsbereich, aber etwa auch die Forschung bei der Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten gegen Covid-19 ihren Nutzen im Rahmen der Pandemie unter Beweis stellen. Schub bedeutete die Pandemie schliesslich für die Förderung von Homeoffice und allgemein für die Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt. In der 51. Legislatur nahmen Volk und Stände auch die Pflegeinitiative an, welche Massnahmen enthielt, um die pflegerische Grundversorgung zu sichern, deren Wichtigkeit im Zuge der Pandemie noch verdeutlicht worden war.

Spürbare Auswirkungen hatte die Pandemie auch auf das Institutionengefüge. Zu Beginn nahm eindeutig die Regierung das Zepter in die Hand, welche nach Ausrufen der ausserordentlichen Lage gemäss Epidemiengesetz mithilfe von auf der Verfassung beruhenden Notverordnungen und dem Epidemiengesetz alle wichtigen Entscheidungen traf, während das Parlament wegen des Ausbruchs der Pandemie die eigene Frühjahrssession vorzeitig abbrach. Mehr Spielraum erhielt das Parlament, als die Notverordnungen nach sechs Monaten verfassungsmässig durch ein Gesetz ersetzt werden mussten – die Beratung des Covid-19-Gesetzes und seine bisher fünfmalige Revision führten zu angeregten Debatten im Parlament und teilweise zu zentralen Änderungen an den bundesrätlichen Entwürfen. Zwischenzeitlich zum Stillstand kamen auch die Volksrechte, zu den Revisionen der Covid-19-Gesetze konnte sich die Stimmbevölkerung jedoch dann insgesamt dreimal äussern, wobei sie diese jeweils guthiess. Doch nicht nur das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative, sondern auch die Stellung der Kantone in der Pandemie sorgte immer wieder für Diskussionen. So hatte die Ausrufung der ausserordentlichen Lage die Kräfteverhältnisse eindeutig zugunsten des Bundes verschoben. Einzelne Phasen, in denen die Entscheidungsgewalt temporär bei den Kantonen lag, endeten zudem jeweils in sogenannten Flickenteppichen an Regelungen zwischen den Kantonen und nicht selten auch in dem Ruf nach erneuten Entscheidungen durch den Bund. Das Jahr 2022 stand schliesslich im Zeichen erster politischer Aufarbeitung der Covid-19-Krise, wobei insbesondere Vorstösse diskutiert wurden, mit denen Bund und Parlament krisenresistenter gemacht werden sollten.

Krieg in der Ukraine und Energiekrise
Gleich im Anschluss an die Pandemie erhielten mit dem Angriffskrieg auf die Ukraine zuvor etwas weniger beleuchtete Themenbereiche aussergewöhnlich hohe Aufmerksamkeit. So löste der Krieg in der Schweiz hitzige Diskussionen zur Ausrichtung der Aussen- und Neutralitätspolitik aus, nachdem der Bund die von der EU beschlossenen Sanktionen gegen Russland und in der Folge auch alle Ausweitungen übernommen hatte und überdies über Waffenlieferungen an die Ukraine diskutiert wurde. Der Krieg führte in der Schweiz unter anderem zur Aufnahme von Flüchtenden aus der Ukraine und zur ersten Ausrufung des Schutzstatus S, aber auch zur Aufstockung des Militärbudget bis 2030 sowie zu Diskussionen über die Versorgungssicherheit im Landwirtschaftsbereich. Darüber hinaus verzeichnete die SNB im Jahr 2022 einen Verlust von CHF 150 Mrd., den sie unter anderem auf die weltwirtschaftlichen Folgen des Ukrainekriegs zurückführte.

Als direkte Folge des Ukraine-Krieges verstärkte sich zudem die Versorgungsproblematik im Energiebereich, woraufhin die Energiepreise anstiegen, was sich auch auf die übrigen Preise auswirkte. Als Reaktion auf die mögliche Energieknappheit wollte der Bundesrat in erster Linie auf erneuerbare Energien setzen, für den Notfall liess er jedoch Reservegaskraftwerke bauen. Auch flammten in der Politik gleichzeitig Diskussionen um die Vorteile von Atomkraft auf. Schliesslich wird vermutet, dass die Energiekrise dem indirekten Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative zu einer Mehrheit verhalf, gleichzeitig wurde aber Ausbauprojekten zur Stromversorgung im Winter im Parlament Vorrang gegenüber Umweltbedenken gegeben.

Insgesamt zeigten die verschiedenen Krisen während der 51. Legislatur eine ungeahnt grosse Vulnerabilität bezüglich der Versorgungssicherheit in zahlreichen Bereichen auf, insbesondere im medizinischen Bereich, etwa bei den Intensivstationen und den Medikamenten, aber auch im wirtschaftlichen Bereich, hier insbesondere bei der Energie und in der Landwirtschaft.

Was sonst noch wichtig war
Natürlich brachte die 51. Legislatur auch unabhängig von den Krisen wichtige Ereignisse, Weichenstellungen und politische Entscheide mit sich.

Der im April 2021 erfolgte Abbruch der Verhandlungen über das institutionelle Rahmenabkommen prägte die Beziehungen der Schweiz mit der EU in besonderem Masse. So führte der Verhandlungsabbruch etwa auch zu einer Blockierung der Teilnahme am EU-Forschungsprogramm «Horizon Europe», woran auch die Freigabe der zweiten Kohäsionsmilliarde nichts änderte. Nach verschiedenen weiteren Sondierungsgesprächen zwischen der Schweiz und der EU verabschiedete der Bundesrat 2023 Eckwerte für ein neues Verhandlungsmandat mit der EU.

Für besonderes Aufsehen sorgte auch der im März 2023 bekannt gewordene Untergang der Credit Suisse respektive deren Übernahme durch die UBS. Zur Aufarbeitung dieser Geschehnisse wurde die fünfte parlamentarische Untersuchungskommission der Schweizer Geschichte initiiert.

Geschichte schrieben auch die Frauen, die bei den eidgenössischen Wahlen 2019 ihre Vertretung in den beiden Räten signifikant hatten steigern können. Fast fünfzig Jahre nach Einführung des Frauenstimmrechts – in der 51. Legislatur fanden auch die Feierlichkeiten zum 50-jährigen Jubiläum statt – betrug der Frauenanteil im Nationalrat erstmals über 40 Prozent, derjenige im Ständerat belief sich nach den Wahlen auf 26 Prozent.

Generell war die Annahmequote von durch das fakultative Referendum initiierten Abstimmungsvorlagen in der 51. Legislatur im Vergleich zu vorherigen Legislaturen eher niedrig, so scheiterten 7 von insgesamt 21 solcher Referendumsvorlagen. Zudem lag die Abstimmungsbeteiligung im langjährigen Schnitt (seit 1990) um 5 Prozentpunkte höher, was mit der während der Covid-19-Pandemie aufgeheizten politischen Stimmung in Zusammenhang stehen könnte. Die Annahmequote von Initiativen in der 51. Legislatur war vergleichsweise hoch (3 von 13 Initiativen), während gleichzeitig eher über weniger Volksbegehren abgestimmt wurde als in früheren Legislaturen. Dafür erarbeiteten Bundesrat und Parlament in dieser Legislatur auch zahlreiche direkte Gegenentwürfe oder indirekte Gegenvorschläge zu Volksinitiativen.


Informationen zu den Abstimmungsvorlagen sowie Ausführungen zu den in den jeweiligen Themenbereichen zentralen Geschäften und Ereignissen der 51. Legislatur finden Sie in den einzelnen thematischen Legislaturrückblicken sowie in den dort verlinkten Jahresrückblicken.

Zu den thematischen Legislaturrückblicken:
Politische Grundfragen
Rechtsordnung
Institutionen und Volksrechte
Föderativer Aufbau
Wahlen
Aussenpolitik
Landesverteidigung
Wirtschaftspolitik
Geld, Währung, Kredit
Landwirtschaft
Öffentliche Finanzen
Energie
Verkehr und Kommunikation
Raumplanung und Wohnungswesen
Umweltschutz
Bevölkerung und Arbeit
Gesundheit
Sozialversicherungen
Soziale Gruppen
Bildung und Forschung
Kultur, Sprache, Kirche
Medien

Rückblick auf die 51. Legislatur: Vom Umgang des politischen Systems mit (grossen) Krisen
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Im Juni 2023 präsentierte die FK-NR ihren Entwurf für einen zwingenden Einbezug der Finanzkommissionen bei Vorlagen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen in Umsetzung ihrer parlamentarischen Initiative. Damit sollen die Finanzkommissionen zwischen Ausarbeitung eines Entwurfs und Behandlung durch den Erstrat mehr Einflussmöglichkeiten erhalten. Bei Erlassentwürfen «mit erheblichen finanziellen Auswirkungen» sollten sie zukünftig zwingend zum Mitbericht eingeladen werden und dabei auch finanzpolitische Anträge an die Räte stellen dürfen – bisher war die Einladung an sie freiwillig, ausser bei Entwürfen für Verpflichtungskredite und Zahlungsrahmen. Stammen entsprechende Erlassentwürfe von anderen Kommissionen, müssten zukünftig nicht nur der Bundesrat, sondern auch die Finanzkommissionen zur Stellungnahme eingeladen und ihre Änderungsvorschläge vor der Debatte im Erstrat beraten werden. Gleichzeitig soll die FK-interne Schwelle für «Vorlagen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen» erhöht werden: Neu sollen sich die Kommissionen zu Erlassentwürfen mit wiederkehrenden Ausgaben, Mehr- oder Mindereinnahmen von über CHF 50 Mio. (anstelle der bisherigen CHF 25 Mio.) oder zu Erlassentwürfen mit neuen einmaligen Ausgaben, Mehr- oder Mindereinnahmen von CHF 200 Mio. (anstelle der bisherigen CHF 100 Mio.) äussern dürfen.
Also zweiter Bestandteil des vorgelegten Entwurfs schlug die FK-NR in Übereinstimmung mit einer zweiten durch sie lancierten parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 21.503) eine Änderung des Differenzbereinigungsverfahrens bei den Planungsgrössen vor: Neu sollte die Einigungskonferenz nicht mehr nur bei den Bundesbeschlüssen über die Legislaturplanung und über den Finanzplan, sondern auch beim Bundesbeschluss über die Planungsgrössen im Voranschlag «zu jeder Differenz einen Einigungsantrag» stellen können, über welche die Räte anschliessend einzeln abzustimmen hätten. Bisher konnte der Vorschlag der Einigungskonferenz zu den Planungsgrössen nur als Ganzes angenommen oder abgelehnt werden, wobei bei Ablehnung auch die übereinstimmenden Entscheide der beiden Räte entfielen und stattdessen die vom Bundesrat in seiner Botschaft vorgeschlagenen Planungsgrössen galten. Um aber zukünftig inkohärente Beschlüsse etwa zwischen Planungsgrössen und Voranschlag zu verhindern, sollten nun neu auch bei den Planungsgrössen einzelne Anträge gestellt werden können.

Im August 2023 veröffentlichte der Bundesrat seine Stellungnahme zum Kommissionsvorschlag. Er verzichtete darauf, die Änderungen zum Einbezug der Finanzkommissionen beim Mitberichtsverfahren oder den Stellungnahmen zu kommentieren, da diese «parlamentsinterne Prozesse» beträfen. Hingegen befürwortete er die Änderung der Einigungsregeln bei den Planungsgrössen, da damit in umstrittenen Fällen eine Ablehnung des ganzen Bundesbeschlusses verhindert werden könne. Dadurch werde auch «das Instrument der Planungsgrössen sowie der Ziele, Messgrössen und Sollwerte zu Leistungsgruppen» gestärkt.

Einbezug der Finanzkommissionen bei Vorstössen und Erlassentwürfen von Sachbereichskommissionen mit erheblichen finanziellen Auswirkungen sicherstellen (Pa.Iv. 22.483)

Anfang Mai 2023 äusserte sich das Büro-NR in einer Medienmitteilung zu seinen Erkenntnissen, die es auf der Basis eines Schlussberichtes der Firma Econcept erlangt hatte, welcher zur Beantwortung des Postulats von Yvonne Feri (sp, AG) für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Politik in Auftrag gegeben worden war.
Der Bericht war zum Schluss gekommen, dass sich die Herausforderungen für eine bessere Vereinbarkeit in den letzten 20 Jahren kaum verändert hätten. Haupthindernisse seien nach wie vor die hohe Arbeitsbelastung durch ein Parlamentsmandat und die notwendige Anwesenheit während der Sessionen. Diese Hindernisse hätten demokratiepolitisches Problempotenzial, weil sie bestimmte Gesellschafts- und Berufsgruppen von einer Kandidatur ausschlössen. Im Moment sei es unabdingbar, dass während Sessionen Familien- und Berufsarbeit reduziert oder abgegeben werden müssten. Dies könnten sich aber nicht alle Menschen leisten. Der Bericht diskutierte verschiedene Massnahmen, mit denen dieses Problem gelindert werden könnte: eine zeitliche Verkürzung der Sessionen; höhere Entlohnung persönlicher Mitarbeitender, die dadurch mehr Unterstützung leisten können; Stellvertretungslösungen; digitale Teilnahmemöglichkeiten; oder Gleichstellung der Parlamentstätigkeit mit einer unselbständigen Tätigkeit, um den Versicherungsschutz zu erhöhen. Der letzte Punkt beruhte auf einer Zusatzstudie, die bei der Versicherungsdeckung von Parlamentarierinnen und Parlamentariern Lücken und Doppelspurigkeiten aufgezeigt hatte.
Das Büro beschloss laut Medienmitteilung, die Punkte zur Versicherungsdeckung und zur besseren Unterstützung der Ratsmitglieder durch persönliche Mitarbeitende weiterzuverfolgen und entsprechende parlamentarische Initiativen einzureichen, und beantragte, das Postulat abzuschreiben.
In der Sommersession 2023 kam der Nationalrat diesem Antrag stillschweigend nach.

Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Politik (Po. 18.4252)
Dossier: Entschädigung von Parlamentsmitgliedern
Dossier: Frauenanteil im Parlament
Dossier: Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf

Er verstehe und begrüsse, dass die SPK-NR selber eine parlamentarische Initiative einreichen wolle, um dem Problem der Abschreibung zahlreicher Vorstösse aufgrund des Mangels an Beratungszeit Herr zu werden, ergriff Matthias Jauslin (fdp, AG) in der Sommersession 2023 das Wort, um seine eigene parlamentarische Initiative zu bewerben, mit der er die «Guillotine-Klausel» bei hängigen Vorstössen abschaffen wollte. Eine grosse Zahl eingereichter Motionen und Postulate werde nämlich gar nicht behandelt, weil sie nach zwei Jahren abgeschrieben, also eben dieser Guillotine-Klausel zum Opfer fallen würden. Er sei selber Mitglied der SPK-NR gewesen und wisse, dass dieses Problem zwar schon lange diskutiert werde, bisher aber nichts geschehen sei. Deshalb wolle er dem Nationalrat seine eigene parlamentarische Initiative schmackhaft machen, damit in der Folge Lösungen für diese Probleme diskutiert werden könnten. Er befürchte, dass das Anliegen «in der nächsten Amtsperiode» wieder in Vergessenheit gerate, wenn man es nicht «fest einbuche».
Mit 135 zu 44 Stimmen (11 Enthaltungen) teilte die Mehrheit des Nationalrats diese Befürchtung allerdings nicht und gab der parlamentarischen Initiative Jauslin keine Folge. Einzig eine grosse Mehrheit der Fraktion des Initianten (26 Stimmen), die geschlossen stimmende GLP-Fraktion (13) und einzelne Mitglieder der Fraktionen der SP (3), der Mitte-EVP (1) und der Grünen (1) sprachen sich für Folgegeben aus.

Guillotine-Klausel bei hängigen Vorstössen verhindern! (Pa.Iv. 22.480)

Im Mai 2022, also rund ein Jahr nach ihrer Schwesterkommission, die der parlamentarischen Initiative von Ada Marra (sp, VD) für eine Änderung der Arbeitsorganisation des Parlamentes knapp Folge gegeben hatte, sprach sich die SPK-SR mit 8 zu 3 Stimmen gegen den Vorschlag aus. Die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Parlamentsmandat, die vom Vorstoss bezweckt werde, würde allenfalls gar erschwert, wenn der Sessionsrhythmus geändert würde und mehr kürzere Sitzungen stattfinden würden, an denen dann berufliche und familiäre Pflichten hintanstehen müssten. Einen Sessionsrhythmus zu finden, der allen Bedürfnissen gerecht werde, sei nicht möglich. Auch die Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisen sei nicht vom Sessionsrhythmus abhängig, weil stets auch ausserordentliche Sessionen einberufen werden könnten.

Wiederum ein Jahr später beugte sich die SPK-NR den Überlegungen ihrer Schwesterkommission und empfahl dem Nationalrat mit 12 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung, der Initiative keine Folge zu geben. Sie schliesse sich hinsichtlich der Handlungsfähigkeit in Krisen den Überlegungen ihrer Schwesterkommission an, so die SPK-NR in ihrer Medienmitteilung. Monatliche Sessionen im Normalbetrieb würden zudem verhindern, dass ein Parlamentsmandat noch nebenberuflich ausgeübt werden könne. Zudem müsste die Parlamentsorganisation – etwa die Kommissionssitzungen oder die Zusammenarbeit mit dem Bundesrat – ganz neu geregelt werden. Die Mehrheit sehe deshalb keinen Handlungsbedarf. Die starke Kommissionsminderheit war jedoch weiterhin der Meinung, dass die Vereinbarkeit «mit anderen Verpflichtungen» leichter sei, wenn Sessionen häufiger, dafür kürzer stattfinden würden. Das Geschäft geht an den Nationalrat.

Arbeitsorganisation des Parlamentes anpassen (Pa.Iv. 20.476)
Dossier: Parlament in Krisensituationen
Dossier: Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf

Eine im Oktober 2022 von der APK-NR eingereichte Motion forderte das Büro des Nationalrates dazu auf, die Zusammenarbeit des Nationalrates und der taiwanesischen Legislative zu verstärken. Eine intensivere Zusammenarbeit trage dazu bei, Demokratie sowie Frieden und Stabilität in der Region zu fördern. Die vorliegende Motion diene quasi der praktischen Umsetzung des überwiesenen Postulats 21.3967 zur Verbesserung der Beziehungen mit Taiwan. Das Büro des Nationalrates sprach sich mehrheitlich für Annahme der Motion aus.
Der Nationalrat befasste sich in der Sondersession im Mai 2023 mit dem Anliegen. Die Kommissionssprecher Fabian Molina (sp, ZH) und Nicolas Walder (gp, GE) stellten die Motion vor. Nicolas Walder erläuterte für die Mehrheit, dass die geforderte parlamentarische Diplomatie eine gute Ergänzung zur Diplomatie des Bundesrates darstelle. Weiter vertrete die Kommission die Auffassung, dass es im Interesse der Schweiz liege, wenn der Status von Taiwan von den betroffenen Parteien politisch und friedlich geregelt werde. Eine bewaffnete Auseinandersetzung in der Region würde aufgrund der starken wirtschaftlichen Verflechtungen auch in der Schweiz zu negativen Konsequenzen führen, so Walder. Hans-Peter Portmann (fdp, ZH), der die starke Minderheit für Ablehnung der Motion vertrat, widersprach diesen Ausführungen. Es sei eine grosse Provokation gegenüber China, wenn das Schweizer Parlament offiziell mit der taiwanesischen Legislative zusammenarbeiten würde, da Taiwan kein international anerkannter Staat sei. Die Schweiz riskiere mit dieser Zusammenarbeit ihre Glaubwürdigkeit und stelle die Beziehungen zu China ganz generell infrage. Die grosse Kammer nahm die Motion letztlich mit 97 zu 87 Stimmen bei 8 Enthaltungen an. Die ablehnenden Stimmen stammten von den geschlossen stimmenden SVP- sowie FDP.Liberalen-Fraktionen sowie von einigen Mitgliedern der Mitte-Fraktion. Mit Annahme der Motion im Nationalrat war diese überwiesen.

Zusammenarbeit von Nationalrat und Legislative Yuan (Taiwan) verstärken (Mo. 22.4259)

In den letzten Jahren gab es einige Vorstösse, mit denen Parlamentsmitglieder etwas gegen die wachsende Geschäftslast im Parlament unternehmen wollten. Freilich blieben diese Anliegen stets ohne Erfolg. Einen neuen Ansatz in dieser Sache verfolgte Matthias Jauslin (fdp, AG): Der FDP-Nationalrat wollte mit seiner parlamentarischen Initiative «Guillotine-Klausel bei hängigen Vorstössen verhindern!» dafür sorgen, dass das Parlament dank Optimierungen zukünftig mehr Vorstösse behandelt. Der Aargauer Nationalrat stiess sich an Art. 119 Absatz 5 des Parlamentsgesetzes, der vorsieht, dass innert zwei Jahren unbehandelte Vorstösse automatisch abgeschrieben werden. Diese unbehandelten Abschreibungen könnten insbesondere im Nationalrat durch verschiedene Massnahmen reduziert werden, etwa durch eine Verkürzung der Beratungszeiten, durch die Behandlung gewisser Vorstösse in einem schriftlichen Verfahren, durch einen Verzicht auf Debatten, durch eine Priorisierung von Vorstössen zu wichtigen Themen, in denen eine hohe Zahl von Vorstössen auf die Behandlung wartet, oder durch die Abkürzung von Beratungen zu parlamentarischen Initiativen, bei der sich eine Kommission gegen Folgegeben ausgesprochen hatte. Um die Geschäftslast dennoch zu begrenzen, schlug Jauslin darüber hinaus vor, die Zahl der Vorstösse, die ein Ratsmitglied pro Session einreichen darf, zu begrenzen.
Mit 18 zu 6 Stimmen wollte die SPK-NR den Auftrag zur Prüfung von Optimierungsmöglichkeiten allerdings nicht entgegennehmen und empfahl entsprechend, der Initiative keine Folge zu geben. Sie teile zwar die Meinung des Initianten, dass das zentrale Recht der Parlamentsmitglieder, mittels Vorstössen den Auftrag ihrer Wählerinnen und Wähler umzusetzen, durch die Guillotine-Klausel beschnitten werde, die von Jauslin vorgeschlagenen Massnahmen seien jedoch nicht zielführend. So seien zwischen 2008 und 2022 jedes Jahr durchschnittlich 1.7 Motionen pro Ratsmitglied eingereicht worden. Eine Optimierung könne lediglich mit einer Senkung dieser Zahl erreicht werden, was einer Begrenzung auf eine Motion pro Jahr und Ratsmitglied und damit einer gravierenden Einschränkung der parlamentarischen Rechte gleichkäme. Zudem würde mit einer Verschriftlichung der Beratungen eine ebenfalls ungewollte Einschränkung der wichtigen politischen Debatte in Kauf genommen. Das diskussionslose Überweisen zahlreicher Motionen an den Zweitrat wäre nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ eine Überforderung des Letzteren, weil dieser keine Anhaltspunkte habe, mit welchen Argumenten der Erstrat eine Motion annehmen oder einer parlamentarische Initiative Folge geben wolle.
In ihrem Bericht versprach die SPK-NR allerdings, sich des Problems der Guillotine-Klausel anzunehmen. Sie wolle verschiedene Vorschläge prüfen und allenfalls eine Kommissionsinitiative dazu einreichen. So könnte etwa über Motionen und Postulate, die nach zwei Jahren nach wie vor unbehandelt sind, ohne Debatte abgestimmt werden, thematisch ähnliche Vorstösse könnten gebündelt und ohne Rederecht der Urheberinnen und Urheber behandelt werden. Auch könnte geprüft werden, ob hängige Motionen in Anträge in einem Bundesratsgeschäft umformuliert werden könnten, es könnten vermehrt Sondersessionen zur Behandlung von Vorstössen genutzt werden oder man könnte den Kommissionen die Möglichkeit geben, von der Guillotine-Klausel bedrohte Motionen und Postulate als Kommissionsvorstösse neu einzureichen.
Der Nationalrat wird in der Sommersession 2023 über den Antrag der SPK-NR entscheiden.

Guillotine-Klausel bei hängigen Vorstössen verhindern! (Pa.Iv. 22.480)

Nach den Schlussabstimmungen zur fünften Änderung des Covid-19-Gesetzes machten sich die Freunde der Verfassung, Mass-voll sowie etwa zwei Dutzend weitere massnahmenkritische Organisationen an die Unterschriftensammlung für ein erneutes Referendum. Ihre Hauptkritik richtete sich erneut gegen das Covid-19-Zertifikat – dessen Rechtsgrundlage durch die fünfte Revision verlängert wird –, da dieses zu einer «Beschneidung der Grundrechte» und zu einer Spaltung der Gesellschaft führe, wie sie online auf ihrer Kampagnenseite erklärten.
Die mediale Aufmerksamkeit für die Unterschriftensammlung blieb deutlich unter den ersten beiden zum Covid-19-Gesetz ergriffenen Referenden zurück. In einzelnen Zwischenmeldungen wurde jedoch darüber berichtet, dass sich die Referendumsführenden mit der Unterschriftensammlung schwerer täten als zuvor. Als Grund dafür machten die Medien vor allem die gesunkene Sorge vor Covid-19 aus. Noch Anfang März berichtete etwa die Aargauer Zeitung, dass das Referendum wohl nicht zustande kommen werde – einen Monat vor dem Ende der Sammelfrist seien erst 40'000 der angestrebten 60'000 Unterschriften zusammengekommen, bestätigte auch der Präsident von Mass-voll, Nicolas Rimoldi gegenüber den Medien. Ende März 2023 verkündeten die Freunde der Verfassung und Mass-voll jedoch, dass sie mit Einsatz von «viel Zeit und Geld» (Rimoldi) genügend Unterschriften gesammelt hätten, was die Bundeskanzlei Anfang April 2023 bestätigte: Mit 56'184 gültigen von 59'211 eingereichten Unterschriften war das Referendum zustandegekommen. Somit werden die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im Juni 2023 über die fünfte Revision und über die weitere Gültigkeit des Covid-19-Gesetzes abstimmen.

Fünfte Revision des Covid-19-Gesetzes (Verlängerung und Änderung ausgewählter Bestimmungen; BRG 22.046)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der Frühjahrssession 2023 beugten sich die Räte über die Differenzen der Vorlage, die aus zwei parlamentarischen Initiativen der SPK-NR, mit denen die Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisensituationen (Pa.Iv. 20.437) sowie die Kontrolle des bundesrätlichen Notrechts in Krisen (Pa.Iv. 20.438) verbessert werden soll, hervorgegangen war.
Die einzige, aber umstrittene verbliebene Differenz bestand in der Frage, ob eine neue Verwaltungskommission geschaffen werden soll, mit der die aktuelle Verwaltungsdelegation (VD) ersetzt werden soll. Im Unterschied zu Letzterer, die aus sechs Mitgliedern besteht (je drei aus dem Büro-SR und dem Büro-NR), bestünde das neue Gremium aus 10 Mitgliedern (je vier gewählte Stände- bzw. Nationalrätinnen oder -räte und die beiden Ratspräsidien), wäre neu eine ständige Kommission und entsprechend unabhängiger von den wechselnden Ratspräsidien und den Büros. Die Skepsis gegen eine solche «parlamentarische Führungsreform» sei gross, erörterte Andrea Caroni (fdp, AR) im Ständerat für die SPK-SR. Eine von den anderen Leitungsorganen derart abgekoppelte Kommission würde in einer Krise Abläufe wohl eher verzögern. Die SPK-SR verschliesse sich nicht einer Diskussion über Änderungen der Organe, aber eine solche solle nicht in dieser Vorlage umgesetzt werden, welche ja primär auf die Krisenresistenz des Parlaments fokussiere. Die Kommission empfehle entsprechend Festhalten am ursprünglichen ständerätlichen Entscheid, also ein gänzlicher Verzicht auf eine Verwaltungskommission. Dafür biete man gerne Hand für eine neue Vorlage, mit der aber nicht unbedingt ein neues Gremium eingeführt, sondern die VD gestärkt werden könne, um die Aufsicht über die Parlamentsdienste zu verbessern. Auch Thomas Hefti (fdp, GL) meldete sich zu Wort. Er habe fünf Jahre im Büro und drei Jahre in der VD gesessen und frage sich, was der Nationalrat bzw. die SPK-NR an der VD zu bemängeln hätten. Die aus den Ratsprotokollen herleitbaren Vorwürfe – Mangel an Kontinuität, an Legitimität, an Sozialkompetenz und an Unabhängigkeit – seien einfach zu entkräften und er hoffe, dass der Nationalrat die Vorlage in einen unbestrittenen Teil und den Teil mit der Frage nach der Verwaltungskommission splitte, um die Vorlage nicht zu gefährden. Diskussionslos folgte die kleine Kammer in der Folge ihrer SPK-SR und entschied sich für Festhalten.

In der zweiten Sessionswoche wurde die Differenz im Nationalrat diskutiert. Für die SPK-NR sprachen Gregor Rutz (svp, ZH) und Damien Cottier (fdp, NE). Sie berichteten, dass die Kommission in der Tat zwei Teile der Vorlage sehe, einen unbestrittenen Teil, dank dem sich das Parlament in Krisenzeiten neu rascher versammeln und Beschlüsse fassen kann, sowie den Teil mit der Leitung von Parlament und Parlamentsdiensten. Es sei eben für die Handlungsfähigkeit des Parlaments wichtig, dass dessen Leitung unabhängig sei und über genügend Ressourcen verfüge, um Sitzungen auch in Krisenzeiten vorbereiten zu können. Dieser Teil lasse sich darum eben eigentlich nicht abtrennen, wie vom Ständerat mit seinem Festhalteentscheid vorgeschlagen. Trotzdem empfehle die SPK-NR, dem Ständerat zu folgen und die Idee einer Verwaltungskommission ganz aus der Vorlage zu streichen. Es werde aber eine Kommissionsinitiative lanciert, mit der die Diskussion um eine Reform über die Parlamentsleitung neu angestossen werden soll. Auch die grosse Kammer folgte ihrer Kommission diskussionslos.

Die Vorlage musste in der Folge noch einmal in den Ständerat, weil dieser vor der Differenzbereinigung als Entgegenkommen eine interne Revisionsstelle in der VD vorgeschlagen hatte. Diese war nun hinfällig und musste auch von der kleinen Kammer noch gestrichen werden, was wiederum diskussionslos geschah.

In den Schlussabstimmungen passierten Bundesgesetz und Verordnung beide Kammern einstimmig (NR: 197 zu 0 Stimmen, keine Enthaltung; SR: 42 zu 0 Stimmen, keine Enthaltung). Neu können also in Krisenzeiten ausserordentliche Sessionen rascher einberufen, virtuelle Teilnahmen an Ratssitzungen ermöglicht sowie Rats- oder Kommissionssitzungen gänzlich virtuell durchgeführt werden. Darüber hinaus muss der Bundesrat zu einer gleichlautenden, von den Kommissionen beider Räte und spätestens eine Woche vor einer Session eingereichten Motion noch in der gleichen Session bis zur Beratung der entsprechenden Motion Stellung nehmen.

Kontrolle von Notrecht und Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisensituationen verbessern (Pa.Iv. 20.437, Pa.Iv 20.438))
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Es sei für ein Parlamentsmitglied frustrierend, Millionen für Hilfsmassnahmen sprechen zu müssen, die nicht vom Parlament, sondern von der Exekutive beschlossen worden seien, wie dies während der Covid-19-Pandemie der Fall gewesen sei, führte Manuel Strupler (svp, TG) in der Begründung seiner im März 2021 eingereichten Motion aus, mit der er den Einbezug des Parlaments bei der Bekämpfung zukünftiger Pandemien forderte. Das Epidemiengesetz sei so zu revidieren, dass das Parlament in besonderen und ausserordentlichen Lagen besser mitbestimmen könne.
In seiner Antwort, welche mit derjenigen auf eine Motion Burgherr (svp, AG; Mo. 21.3323) identisch war, empfahl der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 19. Mai 2021 den Vorstoss zur Ablehnung, weil bereits eine Revision des Epidemiengesetzes geplant sei und weil in einer Vorlage der SPK-NR der Einbezug des Parlaments in Krisenzeiten grundlegend geregelt werde. Die Motion Strupler würde diesen Arbeiten vorgreifen und sei abzulehnen.
Da der Vorstoss während zwei Jahren nicht behandelt worden war, wurde er im März 2023 abgeschrieben.

Einbezug des Parlaments bei der Bekämpfung zukünftiger Pandemien (Mo. 21.3315)
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Während zwischen 1974 und 1997 im Schnitt rund 680 parlamentarische Vorstösse pro Jahr eingereicht worden seien, seien es im Jahr 2020 total 1'936 und im Jahr 2021 deren 1'897 gewesen – die rund 1'200 Fragen pro Jahr nicht eingerechnet, erklärte Fabio Regazzi (mitte, TI) in der Begründung einer im Juni 2022 eingereichten parlamentarischen Initiative. Diese Zahl sei auch deshalb «beängstigend», weil Vorstösse Kosten verursachten, etwa für die Bearbeitung durch die Verwaltung, aber auch, wenn etwa Expertinnen und Experten zur Beantwortung eines Postulats einen Bericht verfassten. Aufgrund einer Interpellation Spuhler (svp, TG; Ip. 07.3176) seien diese Kosten pro Vorstoss einst auf CHF 6'120 veranschlagt worden; in der Zwischenzeit dürften sie gestiegen sein. Der Bundesrat stelle sich zwar bei entsprechenden Vorstössen auf den Standpunkt, dass es unverhältnismässig sei, die Kosten von parlamentarischen Vorstössen auszuweisen, jedes KMU müsse aber Zeit und Aufwand im Vorfeld eines Projektes für die Offertstellung schätzen. Dies könne man daher auch von der Verwaltung im Vorfeld von Vorstössen verlangen, argumentierte Regazzi, was er mit seiner parlamentarischen Initiative denn auch tat.
In der Ratsdebatte während der Frühjahrssession 2023, die nötig geworden war, weil die SPK-NR der parlamentarischen Initiative mit 13 zu 11 Stimmen (1 Enthaltung) keine Folge gegeben hatte, fügte Regazzi das Beispiel seines Heimatkantons an, der eine solche Kosteneinschätzung für Vorstösse vornehme; wenn dies für den Kanton Tessin möglich sei, müsse dies auch für die Bundesverwaltung gelingen. Zudem könne mit dem Wissen über die Kosten, die letztlich die Steuerzahlenden berappen müssten, im Parlament einfacher entschieden werden, ob sich die Investition lohne, ein Vorstoss also angenommen werden solle oder nicht. Letztlich gehe es ihm mit seinem Vorschlag auch um eine Sensibilisierung: Parlamentsmitglieder müssten sich bewusster werden, dass Vorstösse Kosten verursachen. Dies solle auch dazu führen, dass weniger Vorstösse eingereicht würden, so der Initiant.
Die Mehrheit der SPK-NR habe das Setzen eines «Preisschildes» unter jeden Vorstoss aus verschiedenen Gründen als nicht zielführend erachtet, argumentierten Greta Gysin (gp, TI) und Corina Gredig (glp, ZH): In den zwei Kantonen, in denen diese Massnahme eingeführt worden sei (TI, AG), habe sich der erhoffte Rückgang der Zahl der Vorstösse nicht gezeigt; fundierte Antworten aus der Verwaltung hätten ihren Preis und es helfe letztlich niemandem, wenn Kostendruck entstehe und sich die Qualität der Arbeit der Verwaltung dadurch verringere. Die «Balance zwischen Parlament und Verwaltung» würde zudem zugunsten der Verwaltung aus dem Gleichgewicht geraten, wenn das Preisschild nicht nur an einen Vorstoss, sondern indirekt auch an ein Parlamentsmitglied geheftet werden könne. Letztlich liessen sich Demokratie und die Ausübung der Parlamentsrechte nicht mit finanziellen Kriterien messen, weshalb die SPK-NR empfehle, der Initiative keine Folge zu geben.
Gregor Rutz (svp, ZH) ergriff das Wort für die starke Kommissionsminderheit. Er habe bei der Diskussion um die parlamentarische Initiative bemerkt, dass die Bundesangestellten nicht aufschrieben, für welche Projekte sie wie viel Zeit benötigten. Dies müsse sich dringend ändern. Zudem sei das von der Mehrheit der SPK-NR vorgebrachte Argument, die parlamentarischen Rechte würden eingeschränkt, wenn die Kosten für Vorstösse ausgewiesen würden, «absurd». Auch Diana Gutjahr (svp, TG), die kurz vor der Behandlung der Initiative Regazzi mit einem ähnlichen Vorstoss gescheitert war, wollte in der Folge wissen, was die Kommission davon halte, dass in der Verwaltung keine Stundenerfassung bestehe. Kommissionssprecherin Gredig erklärte, dass es im Gegensatz zur Privatwirtschaft, wo mehrere Offerten eingeholt werden könnten, in Bundesbern nur eine Verwaltung gebe, die genau jene Arbeit verrichte, die für einen Vorstoss nötig sei.
Mit 98 zu 91 Stimmen folgte der Nationalrat schliesslich seiner Kommission. Eine knappe Mehrheit der Mitte-EVP-Fraktion, ein Mitglied der FDP-Fraktion und die geschlossen stimmenden Fraktionen von SP, GLP und GP lehnten den Vorstoss ab.

Kosten von parlamentarischen Vorstössen ausweisen (Pa.Iv. 22.435)
Dossier: Massnahmen gegen zu viele parlamentarische Vorstösse

Der Ständerat machte kurzen Prozess mit der Motion von Marcel Dobler (fdp, SG), die Kostentransparenz bei der Erfüllung von Postulaten forderte. Der Nationalrat hatte die leicht veränderte Motion noch ohne Diskussion an die kleine Kammer weitergeleitet, mit 33 zu 0 Stimmen (4 Enthaltungen) wollte Letztere aber nichts von dieser Forderung wissen. Die Position der Kommission, welche die Motion mit 8 zu 2 Stimmen (2 Enthaltungen) zur Ablehnung empfohlen hatte, wurde von Heidi Z'graggen (mitte, UR) erläutert: Die veränderte Motion wolle, dass die Kosten für die Erstellung eines Postulatsberichts in diesem Bericht erwähnt werden. Es sei zwar löblich, etwas gegen die Zunahme an Vorstössen unternehmen zu wollen, so Z'graggen; die SPK-SR befürchte aber, dass diese Kostentransparenz zu einer Einschränkung des Parlamentsmandats führen könnte. Wenn man damit rechnen müsse, «in allfälligen Rankings als teuerstes Ratsmitglied zu gelten», würde man sich selber zensieren. Demokratie sei aber nicht gratis und aus Kostengründen auf ein wichtiges Instrument zu verzichten, sei nicht zielführend. Die Prüfung auch komplexer Fragen dürfe ihren Preis haben. Würden zudem nur die Kosten von Postulaten ausgewiesen, sei damit zu rechnen, dass andere Instrumente – etwa die Interpellation, die auch Kosten verursache – häufiger genutzt würden. Bundeskanzler Walter Thurnherr hieb in dieselbe Kerbe. Für den Bundesrat sollten Postulate eigentlich nach ihrem Nutzen hinsichtlich der Lösung eines Problems beurteilt werden. Der Ausweis der Kosten eines Berichts nach Erfüllung eines Postulats könne nach Einschätzung der Regierung allerdings durchaus zu einer «Verbesserung der Kostentransparenz» beitragen. Es werde ja immer wieder diskutiert, wie viel ein Vorstoss durchschnittlich koste. Dennoch lehnte der Ständerat die Motion deutlich ab.

Kostentransparenz bei Erfüllung von Postulaten (Mo. 21.4327)
Dossier: Massnahmen gegen zu viele parlamentarische Vorstösse

Nach dem Sturm auf das Capitol in den Vereinigten Staaten im Januar 2021 provozierte auch der Angriff auf das Regierungsgebäude in Brasilia im Frühjahr 2023 mediale Überlegungen zu den Sicherheitsmassnahmen für das Bundeshaus. Diese seien «ständiges Traktandum» der Verwaltungsdelegation, gab Eric Nussbaumer (sp, BL), Mitglied dieser Kommission, der NZZ zu Protokoll. Man wolle – trotz zunehmender Drohungen – ein «offene[s] Haus bleiben und keine Festung werden». Allerdings würden laufend neue Sicherheitsvorkehrungen getroffen. So seien etwa kürzlich die Scheiben im Eingangsbereich und die vom Bundesplatz aus sichtbaren hohen Fenster des Ständeratssaals gehärtet worden. Bewährt hätten sich im September 2021 bei Demonstrationen von Covid-Gegnerinnen und Gegnern die Einrichtungen für einen mobilen Sicherheitszaun. Zudem sei angedacht, dass Sicherheitsbeamte auch ausserhalb der Sessionszeiten Tag und Nacht «das politische Zentrum des Landes» mit ihrer Präsenz beschützten, so die NZZ.

Am 14. Februar 2023 kam es dann in der Tat zu einem Ernstfall. Ein sich auffällig verhaltener Mann mit Schutzweste und leerem Waffenholster liess sich zwar gegen 14 Uhr widerstandslos festnehmen, wies aber Spuren von Sprengstoff. Zudem wurde bekannt, dass er auf dem Bundesplatz ein Auto abgestellt hatte. Sofort wurden das Parlamentsgebäude, Teile des Bundeshauses und angrenzende Gebäude evakuiert und der Platz grossräumig abgesperrt. Gegen 19 Uhr konnte jedoch Entwarnung gegeben werden. Der geistig verwirrte Mann wurde in eine Klinik eingewiesen.

In der Folge wurde jedoch in den Medien einige Kritik an der Reaktion der Sicherheitskräfte laut. Die zahlreichen in Kommissionssitzungen anwesenden Parlamentarierinnen und Parlamentarier, aber auch Viola Amherd und Guy Parmelin, waren über den Südausgang evakuiert worden, weil die Ausgänge Richtung Bundesplatz aufgrund der Vermutung, dass sich im dort abgestellten Fahrzeug eine Bombe befinden könnte, als nicht sicher erachtet worden waren. Die Evakuation dauerte aufgrund der dort eingerichteten Drehtüren allerdings sehr lange, weil jede Person einzeln durch die Türen geschleust werden musste. Zudem mussten die Evakuierten in der Folge lange Zeit auf der Bundesterrasse hinter dem Bundeshaus verharren, was «sicherheitstechnisch nicht optimal gewesen» sei, wie der Tages-Anzeiger einige Parlamentsmitglieder zitierte. «Jede Landdisco muss sich von Gesetzes wegen schneller evakuieren lassen», enervierte sich etwa Andrea Caroni (fdp, AR) in der NZZ. Kritisiert wurde in den Medien auch, dass zwar im Bundeshaus Ost und West, nicht aber im Parlamentsgebäude ein Alarm zu hören gewesen war und dass das Fahrzeug anscheinend schon lange Zeit vor dem Polizeieingriff auf dem Bundesplatz parkiert gewesen sei, ohne dass jemand eingegriffen habe. Die «Sicherheitslücken im Bundeshaus», wie die NZZ titelte, zeigten sich auch im Umstand, dass die Ständeratspräsidentin «schlicht vergessen ging»: Brigitte Häberli-Koller (mitte, TG) hatte noch lange nach der Evakuation ahnungslos in ihrem Präsidialbüro weitergearbeitet.

Tags darauf nahm der Sicherheitsbeauftragte der Parlamentsdienste, Andreas Wortmann, Stellung zur Evakuation. Es sei nach eingehender Analyse klar gewesen, dass den Evakuierten auf der Südseite keine Gefahr drohe. Die Evakuation sei zwar nicht sehr geordnet, aber sicher gewesen. Da die Polizei das Gebiet grossräumig abgesperrt habe, hätten auch keine Sicherheitslücken bestanden. Verbessert werden müsse aber die Information der Beteiligten. Dennoch kritisierte der Tages-Anzeiger den Vorfall als «Behördenversagen», da es etwa im Ausland niemals möglich wäre, dass ein verwirrter Mann unbehelligt in ein politisches Zentrum vordringen könne. Die Schweiz verliere ihre «Glaubwürdigkeit» und müsse dafür sorgen, dass «der Anschein von Dilettantismus» vermieden werde.

Die Verwaltungsdelegation gab in der Folge bekannt, neue Notfallpläne mit verschiedenen Szenarien ausarbeiten zu lassen. Insbesondere müssten die Schnittstellenprobleme angegangen werden, die sich ergäben, weil bei einer Evakuierung «sehr viele [Akteurinnen und Akteure] beteiligt und verantwortlich» seien. Als Sofortmassnahme würden alle Alarmhörner auch im Parlamentsgebäude eingeschaltet – darauf war bisher verzichtet worden, um bei einem grossen Andrang von Besuchenden Panik zu vermeiden – und ein SMS-Notfalldienst für Parlamentsmitglieder eingerichtet.

Ende April 2023 begrüsste der Bundesrat in einer Medienmitteilung die Planung von Sicherheitsszenarien und kam der an ihn gerichteten Aufforderung der Verwaltungsdelegation nach, auch die bundesrätlichen Sicherheitsmassnahmen zu koordinieren und sich mit dem Fedpol an den neuen Sicherheitskonzepten zu beteiligen.

Sicherheit im Bundeshaus

Nachdem die SPK-SR der parlamentarischen Initiative der GP-Fraktion für die Einführung einer abstrakten Normenkontrolle von Notverordnungen keine Folge hatte geben wollen, schwenkte auch die SPK-NR um. Letztere hatte sich Ende Mai 2021 noch knapp für Folgegeben entschieden, lehnte die Idee im Januar 2023 jedoch mit 21 zu 3 Stimmen deutlich ab. In der Zwischenzeit hatte sich einiges getan: So war der Vorschlag einer juristischen Überprüfung von bundesrätlichen Notverordnung im Rahmen der Beratungen der Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisen sowohl vom Nationalrat als auch vom Ständerat deutlich abgelehnt worden. Dies war laut Kommissionsbericht denn auch der Grund für die Positionsänderungen innerhalb der SPK-NR.
In der Nationalratsdebatte in der Frühjahrssession 2023 versuchte Balthasar Glättli (gp, ZH) im Namen seiner Fraktion, dem Rat die parlamentarische Initiative doch noch schmackhaft zu machen: Sowohl der Bundesrat als auch das Parlament könnten – das habe die Covid-19-Krise gezeigt – Notverordnungen beschliessen, die sehr weitreichend in Grundrechte eingreifen würden. Da gegen solche Beschlüsse kein Referendum ergriffen werden könne, brauche es die dritte Gewalt und die Möglichkeit für Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, Notverordnungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Glättlis Aufruf zu «helfen, die Demokratie auch notstandsfest zu machen», verhallte aber praktisch ungehört. Die 31 Parlamentsmitglieder, die der Initiative hätten Folge geben wollen, stammten allesamt aus der geschlossen stimmenden Grünen-Fraktion – einzig unterstützt von Benjamin Fischer (svp, ZH) – und standen einer Mehrheit von 163 ablehnenden Parlamentsmitgliedern gegenüber.

Abstrakte Normenkontrolle von Notverordnungen (Pa.Iv. 20.430)
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Jahresrückblick 2022: Institutionen und Volksrechte

Spätestens seit dem Rücktritt von Ueli Maurer als Bundesrat Ende September dominierte die Suche nach seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger den Themenbereich «Institutionen und Volksrechte» (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse). Mit dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga Ende November standen im Dezember 2022 gleich zwei Bundesratsersatzwahlen an. Maurer hatte seinen Rücktritt mit dem Wunsch begründet, noch einmal etwas Neues machen zu wollen, und Simonetta Sommaruga hatte sich entschieden, in Folge eines Schlaganfalles ihres Mannes ihr Leben neu auszurichten. Wie bei Bundesratsersatzwahlen üblich, überboten sich die Medien mit Spekulationen, Expertisen, Interpretationen und Prognosen. Bei der SVP galt die Kandidatur von Hans-Ueli Vogt (svp, ZH), der sich 2021 aus der Politik zurückgezogen hatte, als Überraschung. Dennoch zog ihn die SVP-Fraktion anderen Kandidatinnen und Kandidaten vor und nominierte ihn neben dem Favoriten Albert Rösti (svp, BE) als offiziellen Kandidaten. Bei der SP sorgte der sehr rasch nach der Rücktrittsrede von Simonetta Sommaruga verkündete Entscheid der Parteileitung, mit einem reinen Frauenticket antreten zu wollen, für Diskussionen. Die medialen Wogen gingen hoch, als Daniel Jositsch (ZH) dies als «Diskriminierung» bezeichnete und seine eigene Bundesratskandidatur verkündete. Die SP-Fraktion entschied sich in der Folge mit Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU) und Eva Herzog (sp, BS) für zwei Kandidatinnen. Zum Nachfolger von Ueli Maurer wurde bereits im 1. Wahlgang Albert Rösti mit 131 von 243 gültigen Stimmen gewählt. Hans-Ueli Vogt hatte 98 Stimmen erhalten (Diverse: 14). Für die SP zog Elisabeth Baume-Schneider neu in die Regierung ein. Sie setzte sich im dritten Wahlgang mit 123 von 245 gültigen Stimmen gegen Eva Herzog mit 116 Stimmen durch. Daniel Jositsch hatte in allen drei Wahlgängen jeweils Stimmen erhalten – deren 6 noch im letzten Umgang. Die Wahl der ersten Bundesrätin aus dem Kanton Jura wurde von zahlreichen Beobachterinnen und Beobachtern nicht nur als Überraschung gewertet, sondern gar als Gefahr für das «Gleichgewicht» der Landesregierung kommentiert (Tages-Anzeiger). Die rurale Schweiz sei nun in der Exekutive übervertreten, wurde in zahlreichen Medien kritisiert.

Der Bundesrat stand aber nicht nur bei den Wahlen im Zentrum des Interesses. Diskutiert wurde auch über Vor- und Nachteile einer Erhöhung der Zahl der Regierungsmitglieder, wie sie eine parlamentarische Initiative Pa.Iv. 19.503 forderte – es war bereits der sechste entsprechende Vorstoss in den letzten 30 Jahren. Die Begründungen hinter den jeweiligen Anläufen variieren zwar über die Zeit – der neueste Vorstoss wollte «die Konkordanz stärken», also mehr Spielraum für parteipolitische aber auch für gendergerechte Vertretung schaffen – die Projekte nahmen bisher aber stets denselben Verlauf: Auch in diesem Jahr bevorzugte das Parlament den Status quo.
Verbessert werden sollte hingegen die Krisenorganisation des Bundesrates. Dazu überwiesen beide Kammern gleichlautende Motionen und Postulate der GPK beider Räte, die Rechtsgrundlagen für einen Fach-Krisenstab sowie eine Gesamtbilanz der Krisenorganisation des Bundes anhand der Lehren aus der Corona-Pandemie verlangten.

Auch das Parlament sollte als Lehre aus der Pandemie krisenresistenter gemacht werden. Aus verschiedenen, von Parlamentsmitgliedern eingereichten Ideen hatte die SPK-NR eine einzige Vorlage geschnürt, die 2022 von den Räten behandelt wurde. Dabei sollten aber weder der Bundesrat in seiner Macht beschränkt, noch neue Instrumente für das Parlament geschaffen werden – wie ursprünglich gefordert worden war. Vielmehr sah der Entwurf Möglichkeiten für virtuelle Sitzungsteilnahme im Falle physischer Verhinderung aufgrund höherer Gewalt und die Verpflichtung des Bundesrates zu schnelleren Stellungnahmen bei gleichlautenden dringlichen Kommissionsmotionen vor. Umstritten blieb die Frage, ob es statt der heutigen Verwaltungsdelegation neu eine ständige Verwaltungskommission braucht. Der Nationalrat setzte sich für eine solche ein, der Ständerat lehnte sie ab – eine Differenz, die ins Jahr 2023 mitgenommen wird.
Nicht nur die Verwaltungskommission, auch die Schaffung einer ausserordentlichen Aufsichtsdelegation war umstritten. Die vom Nationalrat jeweils mit grosser Mehrheit unterstützte Idee, dass es neben der PUK und den Aufsichtskommissionen ein mit starken Informationsrechten ausgerüstetes Gremium geben soll, das als problematisch beurteilte Vorkommnisse in der Verwaltung rasch untersuchen könnte, war beim Ständerat stets auf Unwille gestossen. Auch nach einer Einigungskonferenz konnten sich die Räte nicht auf eine Lösung verständigen, woraufhin der Ständerat das Anliegen versenkte, zumal er die bestehenden Instrumente und Akteure als genügend stark erachtete.

Seit vielen Jahren Zankapfel zwischen den Räten ist die Frage nach der Höhe der Löhne in der Bundesverwaltung. In diesem Jahr beendete der Ständerat eine beinahe sechsjährige Diskussion dazu, indem er auf eine entsprechende Vorlage der SPK-SR auch in der zweiten Runde nicht eintrat, obwohl der Nationalrat deutlich für eine Obergrenze von CHF 1 Mio. votiert hatte. Die SPK-NR sorgte in der Folge mit einer neuerlichen parlamentarischen Initiative für ein Verbot von «goldenen Fallschirmen» für Bundeskader dafür, dass diese Auseinandersetzung weitergehen wird.

In schöner Regelmässigkeit wird im Parlament auch die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit diskutiert. Zwei entsprechende Motionen wurden in diesem Jahr von der Mehrheit des Ständerats abgelehnt, da das aktuelle System, in welchem die Letztentscheidung dem direktdemokratischen Element und nicht der Judikative überlassen wird, so gut austariert sei, dass ein Verfassungsgericht nicht nötig sei. Freilich ist sich das Parlament der Bedeutung der obersten Bundesgerichte durchaus bewusst. Ein Problem stellt dort seit einiger Zeit vor allem die chronische Überlastung aufgrund der hohen Fallzahlen dar. Daher werde gemäss Justizministerin Karin Keller-Sutter mittelfristig eine Modernisierung des Bundesgerichtsgesetzes geprüft, kurzfristig sei eine Entlastung aber nur durch eine Erhöhung der Zahl der ordentlichen Richterinnen und Richter zu erreichen. Eine entsprechende parlamentarische Initiative der RK-NR hiessen beide Kammern gut, allerdings jeweils gegen die geschlossen stimmende SVP-Fraktion, die in der Erhöhung lediglich «Flickwerk» sah.

Die mittels direktdemokratischer Abstimmungen verhandelte Schweizer Politik zeigte sich 2022 einigermassen reformresistent. Nachdem im Februar gleich beide zur Abstimmung stehenden fakultativen Referenden (Gesetz über die Stempelabgaben und Medienpaket) erfolgreich waren, wurde in den Medien gar spekuliert, ob die Bundespolitik sich nun vermehrt auf Blockaden einstellen müsse. Allerdings passierten dann im Mai und im September 4 von 5 mittels Referenden angegriffenen Bundesbeschlüsse die Hürde der Volksabstimmung (Filmgesetz, Organspende, Frontex, AHV21). Einzig die Revision des Verrechnungssteuergesetzes wurde im September an der Urne ausgebremst. 2022 war zudem die insgesamt 25. Volksinitiative erfolgreich: Volk und Stände hiessen die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» gut. Die beiden anderen Volksbegehren (Massentierhaltungsinitiative, Initiative für ein Verbot von Tier- und Menschenversuchen) wurden hingegen abgelehnt.

Dass in der Schweizer Politik manchmal nur ganz kleine Schritte möglich sind, zeigen die erfolglosen Bemühungen, den Umfang an Stimm- und Wahlberechtigten zu erhöhen. Der Nationalrat lehnte zwei Vorstösse ab, mit denen das Stimmrecht auf Personen ohne Schweizer Pass hätte ausgeweitet werden sollen. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Stimmrechtsalter in naher Zukunft auf 16 gesenkt werden wird, hat sich im Jahr 2022 eher verringert: Zwar wies eine knappe Mehrheit des Nationalrats den Abschreibungsantrag für eine parlamentarische Initiative, welche eine Senkung des Alters für das aktive Stimmrecht verlangt und welcher 2021 beide Kammern Folge gegeben hatten, ab und wies sie an die SPK-NR zurück, damit diese eine Vorlage ausarbeitet. In zwei Kantonen wurde die Senkung des Stimmrechtsalters im Jahr 2022 an der Urne aber deutlich verworfen: in Zürich im Mai mit 64.8 Prozent Nein-Stimmenanteil, in Bern im September mit 67.2 Prozent Nein-Stimmenanteil.

Allerdings fielen 2022 auch Entscheide, aufgrund derer sich das halbdirektdemokratische System der Schweiz weiterentwickeln wird. Zu denken ist dabei einerseits an Vorstösse, mit denen Menschen mit Behinderungen stärker in den politischen Prozess eingebunden werden sollen – 2022 nahmen etwa beide Kammern eine Motion an, mit der Einrichtungen geschaffen werden, die helfen, das Stimmgeheimnis für Menschen mit Sehbehinderung zu gewährleisten. Zudem gaben National- und Ständerat einer parlamentarischen Initiative für die Barrierefreiheit des Live-Streams der Parlamentsdebatten Folge, damit auch hörgeschädigte Menschen diesen folgen können. Andererseits verabschiedete der Bundesrat die Verordnung zu den künftigen Transparenzbestimmungen bei Wahlen und Abstimmungen. Ob und wie die erstmals für die eidgenössischen Wahlen 2023 bzw. für das Finanzjahr 2023 vorzulegenden Kampagnen- und Parteibudgets die politischen Debatten beeinflussen werden, wird sich weisen.

Jahresrückblick 2021: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2022

Nach zwei Rekordjahren – sowohl 2020 als auch 2021 war die Arbeitsbelastung des Parlaments gemessen an der Zahl eingereichter, neu vorgelegter oder erledigter Vorstösse und Geschäfte rekordhoch gewesen – wurde 2022 ein leichter Rückgang verzeichnet.
Noch immer war die Zahl der Vorstösse, mit denen Parlamentsmitglieder Auskünfte bei der Exekutive verlangen (75 Anfragen, 1'018 nur für den Nationalrat vorgesehene Fragen für die Fragestunde, 902 Interpellationen), beinahe 65 Prozent höher als der langjährige Durchschnitt (total 1'257). Im Vergleich zum Vorjahr wurden aber weniger Postulate (202; 2021: 240) und parlamentarische Initiativen (101; 2021: 131) eingereicht. Hingegen nahm die Zahl der 2022 neu eingereichten Motionen im Vergleich zum Vorjahr wieder leicht zu (547; 2021: 528). Praktisch unverändert blieb die Anzahl neu vorgelegter Bundesratsgeschäfte (73; 2021: 72) und Standesinitiativen (25; 2021: 24). 2022 wurden zudem 43 Petitionen eingereicht (2021: 53) und das Parlament hatte über 41 Wahlgeschäfte zu befinden, die grösste Zahl seit dem Jahr 2000 (Schnitt von 2000-2022: 27).

Ein leichter Rückgang – verglichen mit den beiden Vorjahren – konnte 2022 auch bei der Erledigung der Gesamtzahl aller Vorstösse und Geschäfte beobachtet werden. Lag dieser Wert 2021 noch bei 3'530, wurden 2022 insgesamt 3'251 Erledigungen gezählt, was freilich noch weit über dem langjährigen Schnitt zwischen 2000 und 2022 lag (2'081). Der leichte Rückgang zeigte sich allerdings nicht bei allen Kategorien: 2022 beantwortete vor allem die Verwaltung im Vergleich zu 2021 etwas weniger Anfragen (81; 2021: 100; Schnitt 2000-2021: 131), Fragen (1'015; 2021: 1253; Schnitt: 570) und Interpellationen (812; 2021: 921; Schnitt: 534); auch hier war die Aufgabenlast aber nach wie vor überdurchschnittlich hoch. Das Parlament erledigte derweil 344 Postulate (2021: 298) – mehr als jemals zuvor seit dem Jahr 2000 (Schnitt: 187) –, 696 Motionen (Schnitt: 397) und 128 parlamentarische Initiativen (Schnitt: 96). Die starke Aktivität der Kantone im Covid-19-Pandemie-Jahr 2020, als nicht weniger als 45 Standesinitiativen eingereicht worden waren, resultierte 2022 in einer ebenfalls rekordhohen Zahl von 41 erledigten Standesinitiativen (Schnitt: 20). In Anbetracht der hohen Zahl an 2022 eingereichten Parlaments- bzw. Wahlgeschäften kam es auch in dieser Kategorie 2022 zu den meisten Erledigungen (37 erledigte Geschäfte; Schnitt: 26) seit 2000. Unterdurchschnittlich waren 2022 hingegen die Zahl erledigter Bundesratsgeschäfte (69; Schnitt: 81) sowie die Zahl erledigter Petitionen (28; Schnitt: 29).

Die reine Zahl der erledigten Motionen und Postulate führt freilich zu einer Überschätzung der parlamentarischen Arbeitsbelastung. «Erledigt» bedeutet nämlich nicht bloss «debattiert» im Sinne von «angenommen» oder «abgelehnt», sondern auch «unbehandelt abgeschrieben» oder «zurückgezogen». Für Diskussionen sorgte in diesem Zusammenhang die sogenannte «Guillotine-Klausel», also die Regel, dass während zweier Jahre seit Einreichung nicht behandelte Postulate und Motionen automatisch abgeschrieben werden. Gegen diese Guillotine-Klausel reichte Matthias Jauslin (fdp, AG) 2022 eine parlamentarische Initiative ein: Durch eine Optimierung der parlamentarischen Behandlung von Vorstössen solle der Anteil abgeschriebener Postulate und Motionen verringert werden, so die Forderung.
Allerdings war der Anteil abgeschriebener Postulate und Motionen im Jahr 2022 unterdurchschnittlich: Von den 344 erledigten Postulaten wurden 54 abgeschrieben (15.7%; Schnitt 2000-2022: 22.4%) und der Anteil abgeschriebener Motionen lag 2022 gar nur bei 14.4 Prozent (Schnitt: 28.8%). Weil nicht weniger als 140 Motionen im Jahr 2022 zurückgezogen wurden (20.1% aller 696 erledigten Motionen), lag die Zahl effektiv vom Parlament debattierter Motionen bei 456. 178 davon (39%; Schnitt 2000-2022: 36%) wurden angenommen, 144 bereits vom Erstrat und 134 vom Zweitrat abgelehnt. Bei den Postulaten lag die entsprechende Erfolgsquote bei 77 Prozent: Von den 259 behandelten Postulaten (von den total 344 Postulaten waren 31 zurückgezogen und wie erwähnt 54 abgeschrieben worden) wurden 200 angenommen (Schnitt 2000-2022: 69.6%).

Arbeitsbelastung 2022
Dossier: Geschäftsstatistik der Bundesversammlung

Die fünfte Änderung des Covid-19-Gesetzes ging folglich mit zwei Differenzen in das Differenzbereinigungsverfahren, wobei der Nationalrat die Frage nach den Vereinbarungen zwischen den Kantonen zur Finanzierung der ausserkantonalen Covid-19-Patientinnen und -Patienten bereits in der nächsten Behandlungsrunde bereinigte. Nachdem der Ständerat die von der grossen Kammer vorgeschlagene Regelung abgelehnt hatte, verzichtete der Nationalrat darauf, an ihr festzuhalten.

Deutlich länger dauerte die Bereinigung der Frage der Testkosten. Der Ständerat hatte die Übernahme der Testkosten zuvor an die besondere Lage gemäss Epidemiengesetz knüpfen wollen, der Nationalrat konnte sich dafür aber nicht erwärmen und lehnte einen entsprechenden Minderheitsantrag Dobler (fdp, SG) genauso ab wie den Antrag der Minderheit Weichelt (al, ZG), dass der Bund die Kosten bis Ende 2024 übernehmen soll. Stattdessen entschied er sich, das Testregime des Bundes noch bis Ende März 2023 fortzusetzen. Ab dann sollten bei Symptomen wieder die Krankenkassen für die Tests aufkommen, bei Tests ohne Symptome die Testenden. Von einem Ende des Testregimes per Ende Juni 2024 war der Nationalrat also zu einem Ende per März 2023 übergegangen. Der Ständerat zeigte sich damit aber nicht zufrieden, er entschied sich stattdessen, die Tests bereits Ende 2022 – also rund zwei Wochen nach der aktuellen Session – auslaufen zu lassen. Eine Minderheit Stöckli (sp, BE) hatte sich gegen diese «Hauruckpolitik», wie es der Minderheitssprecher formulierte, gewehrt. Obwohl eine nationalrätliche Kommissionsmehrheit in der Folge auf dem Ende des Testregimes per Ende März 2023 beharren wollte, pflichtete der Nationalrat seinem Schwesterrat in der folgenden Behandlungsrunde bei. Mit 93 zu 91 Stimmen (bei 1 Enthaltung) nahm er einen Minderheitsantrag de Courten (svp, BL) an und bereinigte damit die letzte Differenz der Vorlage.

Sowohl die Abstimmungen über die Dringlichkeitsklausel (NR: 129 zu 45 Stimmen bei 6 Enthaltungen; SR: 36 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen) als auch die Schlussabstimmungen (NR: 140 zu 50 Stimmen bei 6 Enthaltungen; SR: 39 zu 1 Stimmen bei 4 Enthaltungen) passierte die Änderung des Covid-19-Gesetzes deutlich. Die SVP-Fraktion lehnte jedoch insbesondere die erneute Dringlichkeitserklärung der Änderung ab – (fast) alle ablehnenden Stimmen oder Enthaltungen stammten folglich von ihren Mitgliedern.

Verschiedene Corona-Massnahmengegnerinnen und -gegner, etwa die «Freunde der Verfassung» oder «Mass-voll», zeigten sich mit dieser Verlängerung nicht einverstanden und kündigten im Anschluss an die Entscheide des Parlaments an, das Referendum ergreifen zu wollen.

Fünfte Revision des Covid-19-Gesetzes (Verlängerung und Änderung ausgewählter Bestimmungen; BRG 22.046)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der Wintersession machte sich der Nationalrat daran, die gewichtige Differenz in der Vorlage für eine bessere Handlungsfähigkeit des Parlamentes in Krisensituationen zum Ständerat zu diskutieren. Zwar waren sich beide Kammern darin einig, dass diese Krisenresistenz mit verschiedenen Massnahmen verbessert werden soll, und der Nationalrat hiess auch alle von der kleinen Kammer angebrachten, vor allem begrifflichen Korrekturen gut. Bei der Frage, ob es eine Verwaltungskommission brauche oder nicht, schieden sich aber die Geister. Der Nationalrat folgte hier seiner SPK-NR und hielt an der Idee fest, dass eine solche neue Kommission geschaffen werden müsse. Der Ständerat hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass die bereits bestehende Verwaltungsdelegation ausreiche und in Krisensituationen Überwachungsaufgaben wahrnehmen könne.

Kontrolle von Notrecht und Handlungsfähigkeit des Parlaments in Krisensituationen verbessern (Pa.Iv. 20.437, Pa.Iv 20.438))
Dossier: Parlament in Krisensituationen

Sollen Abstimmungsresultate aus Kommissionssitzungen veröffentlicht werden? Ja, findet Andreas Glarner (svp, AG) und forderte mittels parlamentarischer Initiative Transparenz über das Abstimmungsverhalten in Kommissionsberatungen. Bürgerinnen und Bürger hätten das Recht darauf zu wissen, ob die von ihnen gewählten Abgeordneten auch in den Kommissionen «die im Wahlkampf und auf Podien versprochenen Positionen» vertreten, so die Begründung des Initianten. Nein, fand hingegen die Mehrheit der SPK-NR, die mit 18 zu 6 Stimmen empfahl, der Initiative keine Folge zu geben. Kommissionsmitglieder müssten frei und ohne Handlungsdruck auch mal ihre Meinung ändern können, damit Kompromisse möglich werden, so die Argumentation im Kommissionsbericht. Zudem sei bereits heute eine gewisse Transparenz gegeben, weil im Falle von Minderheitsanträgen die Namen der entsprechenden Antragstellenden in Kommissionsberichten und auf den Fahnen veröffentlicht würden.
Zwei der sechs Mitglieder der SVP-Fraktion, die die Kommissionsminderheit bildeten, meldeten sich bei der Ratsdebatte zur Initiative in der Wintersession 2022 zu Wort: Zuerst führte der Initiant selber aus, dass es ihm nicht um eine Offenlegung der Kommissionsprotokolle gehe, sondern lediglich um die Publikation der Abstimmungsresultate. Gregor Rutz (svp, ZH) sekundierte mit dem Argument, dass man auch mit der geforderten Transparenz seine Meinung ändern dürfe, um notwendige Kompromisse zu schmieden. In diesem Falle könne man dies den eigenen Wählerinnen und Wählern dann auch erklären. Für die Kommissionsmehrheit sprachen Greta Gysin (gp, TI) und Gerhard Pfister (mitte, ZG). Neben der Notwendigkeit von Vertraulichkeit für Deliberation hinterfragte Pfister auch den Mehrwert einer Publikation von Abstimmungsresultaten, wenn die ihnen zugrundeliegenden Debatten und Argumente nicht ebenfalls veröffentlicht würden. In der Abstimmung folgte einzig die geschlossen stimmende SVP-Fraktion der Minderheit und der Initiative wurde mit 139 zu 51 Stimmen keine Folge gegeben.

Transparenz über das Abstimmungsverhalten in Kommissionsberatungen (Pa.Iv. 21.444)