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  • Umstrittene Ausfuhren
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  • Jositsch, Daniel (sp/ps, ZH) SR/CE

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Die sicherheitspolitischen Kommissionen beider Räte beschlossen im Februar 2023 beinahe identische parlamentarische Initiativen zur Änderung des Kriegsmaterialgesetzes. Die SiK-SR (Pa. Iv. 23.402) wollte bei Lieferungen an Staaten, welche die Werte der Schweiz teilen und über ein vergleichbares Exportkontrollregime verfügen, die Nichtwiederausfuhr-Erklärung unter gewissen Bedingungen auf fünf Jahre befristen. Voraussetzung dafür sei, dass das betroffene Drittland nicht in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt sei – ausgenommen davon sei die Anwendung des völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrechts. Darüber hinaus dürfe der Drittstaat die Menschenrechte nicht in schwerwiegender Weise verletzen und es dürfe kein Risiko bestehen, dass das Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werde. Die Kommission wollte zudem vorsehen, dass Nichtwiederausfuhr-Erklärungen, die mehr als fünf Jahre vor Inkrafttreten der vorgeschlagenen Gesetzesänderung mit Ländern aus Anhang 2 der Kriegsmaterialverordnung unterzeichnet wurden, durch den Bundesrat für hinfällig erklärt werden. In diesen Fällen müssten die obigen Bedingungen also nicht eingehalten werden.
Die SiK-NR gab der Initiative ihrer Schwesterkommission Mitte Februar keine Folge und reichte im Gegenzug eine parlamentarische Initiative ein, die in zwei Punkten von den Vorschlägen ihrer Schwesterkommission abwich. Einerseits sollen Drittländer nach Ablauf der Fünfjahresfrist auch dann für die Wiederausfuhr in Frage kommen, wenn sie sich an UNO-Sicherheitsrat-Massnahmen nach Art. 42 der UNO-Charta beteiligen. Andererseits soll der Bundesrat ältere Nichtwiederausfuhr-Erklärungen nur auf Gesuch ausländischer Regierungen – und nicht automatisch, wie von der SiK-SR verlangt – für aufgehoben erklären. Zudem sollen bei der Weitergabe an Drittstaaten die gleichen Bedingungen auch für diese gelten.

Obwohl die SiK-NR also der parlamentarischen Initiative (23.402) keine Folge gegeben hatte, prüfte die SiK-SR ihre eigene Initiative Anfang Mai 2023 vor und beschloss, sie dem Ständerat mit dem Antrag auf Folge geben vorzulegen. Die Kommissionsmehrheit sah Handlungsbedarf und argumentierte, dass der in der eigenen Initiative vorgesehene Entscheidungsautomatismus das Neutralitätsrecht nicht verletze. Eine Minderheit widersprach dieser Ansicht, da die Änderung während eines laufenden zwischenstaatlichen Krieges erfolgen würde. Der parlamentarischen Initiative der SiK-NR (22.403) stimmte die Kommission zu, brachte aber den Wunsch einer Textänderung für die Umsetzungsphase vor. Wie schon bei ihrem eigenen Entwurf wollte die SiK-SR Nichtwiederausfuhr-Erklärungen, die älter als fünf Jahre alt sind, automatisch aufheben.

In der Sommersession 2023 wurde die ständerätliche Initiative (23.402) gemeinsam mit einer Kommissionsmotion der SiK-NR (Mo. 22.3005) im Ständerat behandelt und sorgte dort für Diskussionen. Kommissionssprecher Charles Juillard (mitte, JU) erklärte, dass das Ausland immer weniger Verständnis für die Weigerung der Schweiz, die Wiederausfuhr von Kriegsmaterial zu genehmigen, aufbringe. Ständerat Juillard lobte zwar die Guten Dienste und die humanitäre Hilfe der Schweiz, hielt dem Rat aber vor Augen, dass inmitten des Krieges Waffen eine wichtige Rolle spielten. Die Kommissionsmehrheit sei der Ansicht, dass die gegenwärtige Regelung zu restriktiv und die Gesetzgebung Teil des nationalen Rechts sei, welches das Neutralitätsrecht nicht tangiere, insbesondere weil der Bundesrat keine Einzelentscheidungen treffen müsse. Man hoffe zudem, durch die Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Rüstungsindustrie zu steigern. Matthias Zopfi (gp, GL), der die Minderheit auf keine Folge geben anführte, erinnerte daran, dass der Ständerat eine inhaltlich praktisch identische Motion Burkart (fdp, AG; Mo. 22.3557) in der Frühjahrssession 2023 bereits abgelehnt hatte. Zopfi befürchtete, dass die Nichtwiederausfuhr-Erklärung durch die parlamentarische Initiative ausgehöhlt werden könnte und Schweizer Waffen in Kriegsgebieten und Bürgerkriegen landeten. Der Ukraine solle man Hilfe zukommen lassen, indem man sie bei der Entminung, beim Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur und nicht zuletzt durch das IKRK unterstütze. Daniel Jositsch (sp, ZH) wies schliesslich darauf hin, dass man sich nicht auf den Ukraine-Krieg fixieren dürfe, da die Gesetzesänderung bei einer Annahme der Initiative Jahre bis zur Umsetzung benötigen würde. Die Schweiz dürfe jedoch ihre Rolle als neutraler Staat langfristig nicht durch eine solche Gesetzesänderung gefährden, da sie als Vermittlerin viel mehr zur Beendigung von Konflikten beitragen könne, als durch marginale Waffenexporte.
Letztendlich gab der Ständerat der Kommissionsinitiative jedoch mit 22 zu 17 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) Folge, womit das Geschäft erneut zur sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrates wanderte.

Änderung des Kriegsmaterialgesetzes (Pa.Iv. 23.402 und Pa.Iv. 23.403)
Dossier: Vorstösse zur Änderung des Kriegsmaterialgesetzes (Wiederausfuhr von Kriegsmaterial)
Dossier: Der Krieg in der Ukraine und die Schweizer Armee: Sicherheitsfragen

In der Herbstsession 2022 kam die Änderung des Embargogesetzes zur Differenzbereinigung in den Ständerat. Der Nationalrat hatte in der Sommersession 2022 auf Antrag der APK-NR einen Artikel eingefügt, durch den der Bundesrat ermächtigt werden sollte, unter Berücksichtigung der Positionen der wichtigsten Handelspartner eigenständig Zwangsmassnahmen gegen Personen oder Entitäten zu erlassen, die für schwere Verletzungen des humanitären Völkerrechts oder der Menschenrechte verantwortlich zeichneten. Eine Mehrheit der APK-SR beantragte dem Rat, diesen Artikel wieder zu streichen, eine Minderheit Sommaruga (sp, GE) wollte diesen jedoch beibehalten. Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) erklärte der kleinen Kammer, dass sich die SiK-SR in ihrem Mitbericht an die APK-SR klar gegen die Möglichkeit autonomer Schweizer Sanktionen ausgesprochen habe, da dies einen drastischen Wandel in der Schweizer Sanktionspolitik bedeuten würde. Die SiK-SR erachtete die Ergänzung des Nationalrats auch in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und Neutralität als problematisch. Die APK-SR sei daher mit 10 zu 2 Stimmen (bei 1 Enthaltung) dem Antrag der sicherheitspolitischen Kommission gefolgt.
Carlo Sommaruga gestand im Namen der Kommissionsminderheit zwar ein, dass die Änderung, die der Nationalrat vorgenommen hatte, einen Paradigmenwechsel darstelle würde. Dieser führe jedoch zu mehr Kohärenz zwischen den Verfassungswerten der Schweiz zur Achtung der Völkerrechte und der Menschenrechte auf der einen Seite und der Aussenpolitik auf der anderen Seite. Mit dem UNO-Beitritt oder der kürzlich erfolgten Übernahme der EU-Sanktionen gegen Russland habe man in der Vergangenheit ebenso Paradigmenwechsel vollzogen, ohne dass sich diese negativ auf die Neutralität, die Aussen- oder die Handelspolitik ausgewirkt hätten. Sommaruga zeigte sich nicht einverstanden mit der Einschätzung der SiK-SR bezüglich möglicher Probleme in Bezug auf die Schweizer Neutralität. Denn einerseits beziehe sich der neue Artikel auf Personen und Entitäten, nicht auf Staaten, andererseits verhalte man sich angesichts von schweren Völkerrechtsverbrechen ohnehin nicht neutral. Daniel Jositsch (sp, ZH), der ebenfalls der Kommissionsminderheit angehörte, erklärte zudem, dass derartige Sanktionen durchaus rechtsstaatlich seien. Die betroffenen Personen hätten auf alle Fälle Beschwerdemöglichkeit, entweder bei einer Ombudstelle – wie von der parlamentarischen Initiative Molina (sp, ZH; Pa. Iv. 19.501) gefordert – oder im Rahmen des Verwaltungsrechts. Der im Rat anwesende Bundesrat Parmelin bat die kleine Kammer, der Mehrheit zu folgen und den Artikel zu streichen. Der Vorschlag des Nationalrats berge die Gefahr von Gegenmassnahmen, darüber hinaus wären eigenständige Sanktionen ohne multilaterale Koordinierung ineffizient. Ausserdem sei unklar, nach welchen objektiven Kriterien man die Sanktionen aussprechen würde. Der Ständerat folgte der Empfehlung der Kommissionsmehrheit und strich den fraglichen Artikel wieder aus dem Gesetzesentwurf. Damit schuf er eine neuerliche Differenz zum Nationalrat, womit die Differenzbereinigung noch in der gleichen Session in eine weitere Runde ging.

Änderung des Embargogesetzes (BRG 19.085)
Dossier: Von der Schweiz ergriffene Sanktionen gegen andere Staaten
Dossier: Schweizer Reaktion auf die russischen Aggressionen in der Ukraine (ab 2014)

In der Sommersession 2021 befasste sich der Ständerat mit der Motion Seiler Graf (sp, ZH), welche den Stopp aller Kriegsmaterialexporte an die Jemen-Kriegsallianz forderte. Thierry Burkart (fdp, AG) – Sprecher der SiK-SR – beantragte im Namen der Kommission die Ablehnung der Motion. Man sei zwar besorgt über die humanitäre Krise in Jemen und über die Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien, da sich die Intervention der Jemen-Koalition aber auf eine Resolution des UNO-Sicherheitsrats stütze, sei diese völkerrechtlich legitimiert. Zudem liefere man nur defensive Waffensysteme an Saudi-Arabien. Auch sei das Parlament nicht für die Rechtsanwendung zuständig, weshalb eine Annahme der vorliegenden Motion das Prinzip der Gewaltenteilung verletzen würde, führte Burkart aus. Eine Minderheit Jositsch (sp, ZH) setzte sich hingegen für die Annahme der Motion ein. Der Minderheitssprecher erklärte, dass aufgrund der Situation in Saudi-Arabien und Jemen die Natur der Waffenlieferungen, ob offensiv oder defensiv, keine Rolle spiele. Zudem fordere die Motion zwar die Anwendung von Artikel 19 des Kriegsmaterialgesetzes, welche eigentlich dem Bundesrat vorbehalten sei, doch die Motion ermutige den Bundesrat ja nur, dies zu tun, und breche daher nicht mit der Gewaltenteilung. Der anwesende Bundesrat Guy Parmelin erinnerte daran, dass der Bundesrat die militärische Intervention in Jemen bereits 2016 bei seiner Beurteilung der saudischen Exportanträge berücksichtigt habe und aus seiner Sicht nach wie vor keine «aussergewöhnlichen Umstände» vorlägen, welche die Anwendung von Artikel 19 rechtfertigen würden. Parmelin forderte daher die Ablehnung der Motion, auch weil die Schweiz im internationalen Vergleich sehr restriktiv agiere. Während sich der Nationalrat noch über den Wunsch des Bundesrats hinweggesetzt hatte, tat dies der Ständerat nicht. Er lehnte die Motion mit 28 zu 14 Stimmen ab.

Stopp aller Kriegsmaterialexporte an die Jemen-Kriegsallianz