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Jahresrückblick 2022: Wirtschaftspolitik

Die Wirtschaftspolitik des Jahres 2022 war geprägt vom Thema der Inflation – einer «Krise der Lebenskosten», wie dies von den Medien betitelt wurde. Dieses mediale Interesse zeichnet auch die APS-Zeitungsanalyse nach, welche vor allem im Sommer einen Anstieg der Berichterstattung in diesem Themenbereich verzeichnete. Während die Preissteigerung allerdings in vielen Ländern Europas über die Marke von 10 Prozent gegenüber dem Vorjahr kletterte, blieb sie in der Schweiz bei maximal 3.5 Prozent (August 2022) und sank danach auf 3 Prozent im Oktober und November. Dies stellte dennoch einen Höchstwert dar: Seit den 1990er Jahren war in der Schweiz keine so hohe Inflation mehr gemessen worden. Vor allem die hohen Preise für Energie auf dem internationalen Markt trieben die Inflation an. Dies bekamen nicht nur die Unternehmen, sondern insbesondere auch die Bevölkerung bei Strom-, Gas- und Heizölrechnungen zu spüren. In den Läden stiegen zudem die Preise gewisser Güter wie Speiseöle oder Kleider stark an. In einer ausserordentlichen Session präsentierten die Parteien in der Folge einen bunten Strauss an möglichen Entlastungsmassnahmen. Unter anderem aufgrund der hohen Energiepreise und der Inflation erwartete das SECO im Herbst eine Verlangsamung des jährlichen BIP-Wachstums für das Jahr 2022: Bei einem prognostizierten Wachstum von gut 2 Prozent sei eine «deutliche Abschwächung» der Konjunktur zu erwarten.

Im Bereich der Strukturpolitik stand erneut das Thema «Covid-19» im Fokus – wenn auch weniger stark als in den zwei Jahren zuvor, in welchen die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie deutlich stärker in den Medien diskutiert wurden, wie die APS-Zeitungsanalyse zeigt. Im Januar 2022 beschloss der Bundesrat, die Covid-19 Härtefallverordnung bis im Sommer 2022 zu verlängern. Er wollte damit betroffene Unternehmen weiterhin unkompliziert finanziell unterstützen. Ende März 2022 rief die Regierung dann mit der Aufhebung sämtlicher verpflichtender Corona-Schutzmassnahmen die Rückkehr in die normale Lage aus. Die Erfahrungen mit der Covid-19-Pandemie, aber auch der Krieg in der Ukraine hatten freilich gewisse Vulnerabilitäten in der wirtschaftlichen Versorgungssicherheit aufgezeigt. Dies löste einige Debatten zu Themen wie Pflichtlager, die Versorgungssicherheit mit Metallen und seltenen Erden sowie eine allgemeine Verringerung der wirtschaftlichen Abhängigkeit vom Ausland bei essenziellen Gütern aus. In einem im Sommer veröffentlichten Bericht erklärte der Bundesrat, dass die Schweiz bei Energieträgern und Nahrungsmitteln in der Tat stark vom Ausland abhängig sei. Im Verlaufe des Jahres mussten gar Pflichtlager für Schmerzmittel oder für Treibstoffe freigegeben werden, da der freie Markt die Nachfrage nicht ausreichend decken konnte.

Die Tourismusbranche erfuhr im Jahr 2022 verschiedenste strukturelle Verbesserungen: National- und Ständerat verboten künftig enge und weite Preisbindungsklauseln von Online-Buchungsplattformen gegenüber Beherbergungsstätten. Zudem überwiesen die Räte eine Motion, die im Rahmen bestehender Fördermassnahmen ein Programm zur Förderung der Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Tourismus fordert. Drei weitere überwiesene Motionen verlangten die Schaffung von langfristigen Finanzierungsmöglichkeiten für Tourismusprojekte im Bereich der Nachhaltigkeit und Digitalisierung, eine Ausweitung des Förderperimeters der SGH auf städtische Individualbetriebe sowie eine Digitalisierung der Meldescheinprozesse in der Beherbergung. Der Bundesrat wiederum präsentierte im Sommer eine Botschaft für eine befristete Erhöhung der Beteiligung des Bundes bei Innotour-Projekten von 50 auf 70 Prozent.

Beide Rechtskommissionen gaben im Mai und September im Bereich der Strukturpolitik einer parlamentarischen Initiative betreffend die Ausweitung der Sorgfaltspflicht zwecks Bekämpfung von Zwangsarbeit Folge. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Umsetzung des indirekten Gegenvorschlags der Konzernverantwortungsinitiative würden damit um den Sachverhalt der Zwangsarbeit ergänzt werden. Für politische Diskussionen sorgte schliesslich auch der im Februar 2022 von der EU-Kommission präsentierte Entwurf für ein neues Lieferkettengesetz, welches Unternehmen in ihrer sozialen Verantwortung stärken soll. Er ähnelte der 2020 abgelehnten Konzernverantwortungsinitiative in vielen Punkten stark und setze den Bundesrat unter «Zugzwang», in diesem Bereich ebenfalls vorwärts zu machen, berichteten die Medien.

Im Bereich der Wettbewerbspolitik waren die angekündigte Teilrevision des Kartellrechts sowie die noch bevorstehende Totalrevision des Zollgesetzes zentral. Letztere soll dazu führen, dass die rechtlichen Grundlagen für die Arbeiten des BAZG harmonisiert und die Digitalisierung der Prozesse weiter vorangetrieben werden. Bei der Teilrevision des Kartellgesetzes wollte der Bundesrat vorrangig die Zusammenschlusskontrolle modernisieren. Zudem sollen laut Vorentwurf gewisse Anpassungen im Kartellzivilrecht und im Widerspruchsverfahren vorgenommen werden. Eine im Sommer überwiesene Motion verlangt zudem, dass der Grundsatz der Unschuldsvermutung im Kartellgesetz gewahrt und der Untersuchungsgrundsatz explizit genannt werden. Eine weitere Anpassung des Kartellgesetzes nahm das Parlament im Frühling vor: Mittels Motion wird ein effektiver Vollzug des Kartellgesetzes im Kraftfahrzeughandel gefordert, um «Knebelverträge» zwischen internationalen Autoherstellen und Schweizer Garagen zu bekämpfen. Diskutiert wurden des Weiteren verschiedenste parlamentarische Vorstösse zur Frage der Wettbewerbsverzerrungen durch Staatsunternehmen. Mit zwei gleichlautenden Motionen verlangten die Räte, dass bundesnahe Betriebe prinzipiell auf ihre Kernaufgaben des Service Public beschränkt werden sollen. Im Bereich der Wettbewerbspolitik trat per Jahresbeginn zudem der indirekte Gegenvorschlag zur Fair-Preis-Initiative in Kraft. Er soll die Position von Konsumentinnen und Konsumenten stärken. Dieses Ziel verfolgen auch zwei vom Nationalrat angenommene Postulate zur Prüfung rechtlicher Konsequenzen bei einer absichtlichen Verkürzung der Produktlebensdauer sowie zur Nutzung von sogenannten Dark Patterns im Internet, die Konsumentinnen und Konsumenten zu einem erwünschten Konsumverhalten verleiten sollen.

Beim Gesellschaftsrecht nahmen National- und Ständerat in der Frühjahrssession 2022 ein Bundesgesetz im Kampf gegen die missbräuchliche Verwendung von Konkursverfahren an. Es soll primär verhindern, dass das Konkursrecht bewusst dazu verwendet wird, Konkurrenzfirmen preislich zu unterbieten und zu schädigen, um später nach mehrfachen Konkursverfahren und Neugründungen eine dominante Marktstellung einnehmen zu können. Weitere Anpassungen wollte das Parlament beim Genossenschaftsrecht prüfen und nahm ein entsprechendes Postulat für eine Auslegeordnung über eine Gesamtrevision an. Prüfen wollte der Nationalrat zudem, ob für die Gründung einer GmbH die Einführung einer Option zur Teileinzahlung des nötigen Startkapitals von CHF 20'000 sinnvoll wäre. Des Weiteren möchte das Parlament ermöglichen, dass Unternehmen künftig vollständig digital gegründet werden können.

Jahresrückblick 2022: Wirtschaftspolitik
Dossier: Jahresrückblick 2022

Jahresrückblick 2022: Rechtsordnung

Im Jahr 2022 standen im Themenbereich Rechtsordnung mehrere grosse zivil- und strafrechtliche Gesetzesrevisionen auf der Agenda, so etwa die beiden langjährigen Grossprojekte zur Verbesserung der Praxistauglichkeit der Straf- und der Zivilprozessordnung. Beide Gesetze waren in den 2000er-Jahren geschaffen worden, um die bis dahin verschiedenen kantonalen Verfahrensregeln schweizweit zu vereinheitlichen. Knapp zehn Jahre nach Inkrafttreten wurden die beiden Prozessordnungen – nicht zuletzt in Reaktion auf zahlreiche parlamentarische Vorstösse – einer Gesamtschau unterzogen und wo nötig überarbeitet.

Bei der Revision der Strafprozessordnung, die im Sommer 2022 abgeschlossen wurde, blieb der ganz grosse Wurf nach umfangreichen Debatten letztlich aus. Mit seinem Hauptanliegen, der Einschränkung der Teilnahmerechte, konnte der Bundesrat nicht beide Parlamentskammern überzeugen, weshalb die heutige Regelung bis auf Weiteres unverändert bestehen bleibt. Die Regierung hatte mit der Möglichkeit, Beschuldigte unter gewissen Umständen von den Einvernahmen mitbeschuldigter Personen auszuschliessen, verhindern wollen, dass mehrere Beschuldigte ihre Aussagen einander anpassen können. Das in der juristischen Praxis festgestellte Problem, das gemäss Bundesrätin Karin Keller-Sutter einer der Hauptauslöser für die Vorlage gewesen war, blieb damit ungelöst. Dennoch wurden an der Strafprozessordnung viele punktuelle Neuerungen vorgenommen, etwa bei den Grundlagen zur Erstellung von DNA-Profilen oder bei den Verfahrensrechten. Das vom links-grünen Lager aufs Tapet gebrachte Konzept der restaurativen Gerechtigkeit wurde zwar im Zuge dieser Revision noch abgelehnt, ist aber damit nicht vom Tisch: Mit der Annahme einer entsprechenden Motion der RK-SR beauftragten die eidgenössischen Räte den Bundesrat, eine Gesetzesgrundlage zur Verankerung der «justice restaurative» in der Strafprozessordnung auszuarbeiten.

Bei der Revision der Zivilprozessordnung schlug das Parlament die wichtigsten Pflöcke ein, wenngleich Ende 2022 noch einige Differenzen bestanden. So wurden verschiedene Massnahmen getroffen, um die Prozesskosten zu senken und so den Zugang zum Gericht zu erleichtern. Zudem sollten Erleichterungen in der Verfahrenskoordination sowie die Stärkung des Schlichtungsverfahrens die Effizienz der Prozesse steigern. Im Parlament waren vor allem die Frage der zulässigen Verfahrenssprachen an kantonalen Gerichten sowie eine Lockerung der Voraussetzungen für vorsorgliche Massnahmen gegen Medien hoch umstritten. Gegen den Willen des Bundesrats setzten die eidgenössischen Räte durch, dass es einfacher sein soll, die Veröffentlichung von rufschädigenden Medienberichten mittels superprovisorischer Verfügung vorläufig zu verhindern. Erfolgreich war der Bundesrat hingegen mit seinem Ansinnen, die Einrichtung internationaler Handelsgerichte in den Kantonen zu fördern: Den Kantonen ist es künftig freigestellt, in internationalen Handelsstreitigkeiten an ihren Gerichten auch Englisch und alle Schweizer Landessprachen als Verfahrenssprachen zuzulassen.

Begleitet von einer regen gesellschaftlichen Debatte begannen die eidgenössischen Räte die Beratung der Revision des Sexualstrafrechts. Der aus der Harmonisierung der Strafrahmen herausgetrennte Entwurf war in der Vernehmlassung grundsätzlich positiv aufgenommen worden und der Reformbedarf war auch in der Gesellschaft nahezu unbestritten. In einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage hielten nur 13 Prozent der Befragten die geltenden Normen für ausreichend. Mit dem neuen Sexualstrafrecht soll etwa der Straftatbestand der Vergewaltigung neu definiert werden, so dass nicht mehr nur Frauen davon betroffen sein können und dass keine Nötigung mehr vorausgesetzt wird. Hauptstreitpunkt war sowohl im Parlament als auch ausserhalb, ob anstelle von abgenötigten sexuellen Handlungen neu Handlungen «gegen den Willen» des Opfers oder «ohne Einwilligung» des Opfers unter Strafe stehen sollen. Während sich der Bundesrat und der Ständerat als Erstrat für die sogenannte Widerspruchslösung («Nein heisst Nein») aussprachen, schwenkte der Nationalrat als Zweitrat auf die Zustimmungslösung – die in der gesellschaftlichen Debatte lautstark geforderte «Nur-Ja-heisst-Ja»-Variante – um. Der Ball liegt 2023 wieder beim Ständerat. Wie die APS-Zeitungsanalyse zeigt, war die Reform des Sexualstrafrechts ein Treiber der medialen Debatte im Bereich Rechtsordnung: Über den Jahresverlauf waren im April, im Juni sowie gegen Ende Jahr drei kleine Spitzen in der Medienaufmerksamkeit zu verzeichnen, als jeweils die Stellungnahme des Bundesrats und die Behandlung in den beiden Parlamentskammern aktuell waren.

Im Bereich Innere Sicherheit trat Anfang Juni 2022 das Bundesgesetz über präventiv-polizeiliche Massnahmen zur Terrorismusbekämpfung (PMT) in Kraft. Obwohl sich Bundesrat und Parlament bei der Ausarbeitung des PMT-Gesetzes aus Menschenrechtsbedenken gegen die Präventivhaft als zusätzliche Massnahme entschieden hatten, beschäftigte diese die eidgenössischen Räte auch nach Inkrafttreten des Gesetzes weiter. Eine 2020 eingereichte parlamentarische Initiative, die eine gesicherte Unterbringung für staatsgefährdende Personen forderte, wurde erst in der Wintersession 2022 erledigt. Derselbe Casus Belli – die fragliche Vereinbarkeit mit den Menschenrechten – lag auch der umstrittenen Abschreibung einer Motion zur Ausweisung von Terroristinnen und Terroristen in Folterstaaten zugrunde. Ein rechtsbürgerlicher Teil des Parlaments wollte sich nicht damit abfinden, dass der Bundesrat die Motion nicht umgesetzt hatte. Die Regierung hatte argumentiert, dass eine Umsetzung nicht opportun sei, da die Motion den Bruch von zwingendem Völkerrecht gefordert habe. Beide Räte stimmten letztlich aber der Abschreibung zu.

Mit Ausnahme des Sexualstrafrechts bewegte sich die Medienberichterstattung über den Bereich Rechtsordnung recht gleichförmig auf eher tiefem Niveau übers Jahr 2022 (vgl. Abbildung 1: Anteil Zeitungsberichte pro Monat). Insgesamt erhielt der Bereich Rechtsordnung im Jahr 2022 deutlich weniger mediale Aufmerksamkeit als in den Vorjahren (vgl. Abbildung 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr). Zum einen stand 2022 keine Volksabstimmung im Bereich Rechtsordnung an und die in den vergangenen Jahren virulente Diskussion über die Corona-Massnahmen war 2022 deutlich weniger relevant. Zum anderen vereinnahmten der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Debatten über die Aufnahme von Flüchtenden, über Sanktionen und Neutralität sowie über eine drohende Energiekrise einen Grossteil der Medienaufmerksamkeit. Der Bereich Rechtsordnung war davon nur marginal tangiert.

Jahresrückblick 2022: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2022

Im Dezember 2022 publizierte der Bundesrat einen kurzen Bericht in Erfüllung des Postulats Clivaz (gp, VS) zur Aktualisierung der «Strategie Digitale Schweiz» aufgrund der Erfahrungen mit der Covid-19-Krise. Im Postulat wurde verlangt, die Chancen und Risiken der Nutzung digitaler Hilfsmittel im Beruf und im privaten Rahmen in den Bereichen «Familienleben und Telearbeit», «digitale Bildung», «Datenschutz und Privatsphäre», «Datennetzwerke» und «Bildschirmarbeit» aufzuzeigen. Der Bundesrat erläuterte im Bericht, dass all diese Forderungen des Postulats mit der aktualisierten Strategie, die er gleichentags beschloss, abgedeckt und damit erfüllt würden. So wurde etwa die Forderung von Clivaz, dass die Digitalisierung der Bildung so ausgestaltet sein müsse, dass Kompetenzen und Sinn für Kritik gestärkt würden, angegangen, indem das SBFI einen Aktionsplan mit dem Titel «Digitalisierung im BFI-Bereich in den Jahren 2019–2020» erarbeitete. Dieser verfolgte das Ziel, die digitalen Kompetenzen in den Bereichen Bildung und Forschung zu stärken und damit dafür zu sorgen, dass die Schweiz weiterhin eine Spitzenposition bei der Entwicklung und Anwendung digitaler Technologien einnimmt. In der Folge wurden die im Aktionsplan erarbeiteten Massnahmen in die BFI-Botschaft 2021-2024 integriert und würden nun von den entsprechenden Akteuren weitergeführt. Zudem würden auf allen Ebenen des Schweizer Bildungssystems digitale Kompetenzen in den Unterricht integriert. Gemessen werden könne der Erfolg dieser Massnahmen aufgrund der beiden Messgrössen «Anteil der Bevölkerung mit erweiterten digitalen Kompetenzen» sowie «Anteil IKT-Spezialistinnen und -Spezialisten auf dem Schweizer Arbeitsmarkt», die im Wirkungsbereich «Bildung und Kompetenzen» in der aktualisierten «Strategie Digitale Schweiz» aufgeführt sind. Auch in allen vier anderen Bereichen verwies der Bundesrat auf laufende Arbeiten. Beim Thema Telearbeit habe das SECO beispielsweise eine Empfehlungsbroschüre für Arbeitgebende herausgegeben, im Bereich des Datenschutzes bestehe eine nationale Strategie zum Schutz vor Cyberrisiken, die Datennetzwerke würden mit einer schnelleren Grundversorgung gestärkt und die negativen körperlichen Folgen von Bildschirmarbeit würden etwa mit der Strategie Gesundheit2030 angegangen. Der Bundesrat war deshalb der Ansicht, dass die aktualisierte Strategie des Bundes und die «Aktivitäten der federführenden Organisationen» die Forderungen des Postulats erfüllt hätten und kein weiterer Handlungsbedarf bestehe.

Strategie «Digitale Schweiz» nach dem Coronavirus (Po. 20.3363)

In der Wintersession 2022 verlängerte der Nationalrat die Behandlungsfrist für eine parlamentarische Initiative Hutter (fdp, ZH) für längere Fristen für Mängelrügen bereits zum vierten Mal – diesmal bis zur Wintersession 2024.

Faire Rügefristen im Werkvertragsrecht (Pa.Iv. 12.502)

In der Wintersession 2022 nahm der Ständerat eine Motion Silberschmidt (fdp, ZH) für eine vollständig digitale Unternehmensführung stillschweigend an. Sowohl der Bundesrat als auch die vorberatende RK-SR hatten sich im Vorfeld für die Annahme der Forderung ausgesprochen. Eine Herausforderung bei der Umsetzung dürfte es sein, eine Fernauthentifizierung vorzunehmen – also eine Beurkundung der bei der Gründung beteiligten Personen, ohne deren physische Anwesenheit vorauszusetzen –, wie Kommissionssprecher Carlo Sommaruga (sp, GE) im Rat erläuterte. Mit der Annahme im Zweitrat wurde der Bundesrat damit beauftragt, einen Entwurf zur Umsetzung des Anliegens auszuarbeiten.

Création d'entreprises par voie entièrement numérique (Mo. 21.3180)

Polizeigewalt zu verhindern, sei ein berechtigtes Anliegen, man sei damit aber über das Ziel hinausgeschossen, konstatierte Nationalrätin Céline Amaudruz (svp, GE) in der Begründung ihrer Ende 2021 eingereichten parlamentarischen Initiative. «Wir haben ein System geschaffen, das die Polizeiangehörigen völlig demotiviert», so die Initiantin: Aufgrund der drohenden disziplinarischen und rechtlichen Probleme bei einem gewaltsamen Eingreifen sei es für Polizistinnen und Polizisten die einfachste Lösung, einfach nichts zu tun. Mit der parlamentarischen Initiative forderte sie daher, die Vermutung der Notwehr und des Notstands bei der Dienstausübung von Polizeiangehörigen rechtlich zu verankern. Amaudruz äusserte die Hoffnung, dass Angreiferinnen und Angreifer unter diesen neuen Voraussetzungen zurückhaltender agierten. Im Herbst 2022 prüfte die RK-NR die Initiative vor und kam mehrheitlich zum Schluss, dass diese weder die Zahl noch die Dauer der Strafverfahren gegen Polizeiangehörige vermindern würde. Ausserdem existiere das Konzept der Vermutung in der schweizerischen Strafprozessordnung nicht, weshalb die Initiative abzulehnen sei. Eine Minderheit Addor (svp, VS) unterstützte die Initiative, unterlag damit aber im Rat. Mit 118 zu 68 Stimmen bei 4 Enthaltungen gab der Nationalrat der Initiative in der Wintersession 2022 keine Folge. Das Anliegen war damit erledigt.

Die Vermutung der Notwehr und des Notstands bei der Dienstausübung von Polizeiangehörigen rechtlich verankern (Pa.Iv. 21.521)

Die WBK-SR forderte den Bundesrat mit einer Motion auf, ein Rahmengesetz für die Sekundärnutzung von Daten zu schaffen. «Von Wert sind Daten, wenn sie aus ihren Silos befreit, geteilt, zusammengeführt und für neue (sekundäre) Zwecke genutzt werden», so die Kommission in der Begründung des Vorstosses. Daten seien eine «wichtige Basis für wirtschaftlichen Erfolg und Fortschritt, gesellschaftliche Wohlfahrt und staatliches Handeln» und die Datennutzung somit «eine Schlüsselkompetenz in Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Bildung». Handlungsbedarf für eine bessere Datennutzung sah die Kommission im Verkehrs-, Gesundheits-, Energie-, Forschungs-, Bildungs-, Agrar-, Umwelt- und Tourismusbereich sowie bei den kritischen Infrastrukturen. Um eine wertschöpfende Sekundärnutzung von Daten zu ermöglichen und zu fördern, brauche es aber vertrauenswürdige Rahmenbedingungen. Der Bundesrat anerkannte in seiner Stellungnahme das Potenzial der Sekundärnutzung, wies aber auf die Einschränkungen der Datennutzung gemäss Datenschutzgesetz hin. Dennoch erklärte er sich bereit zu prüfen, wo eine Sekundärnutzung relevant und verhältnismässig sein könnte und welche Infrastrukturen und Rahmenbedingungen dafür notwendig wären. Auf Antrag des Bundesrates nahm der Ständerat die Motion in der Wintersession 2022 stillschweigend an.

Rahmengesetz für die Sekundärnutzung von Daten (Mo. 22.3890)

Die RK-NR hielt im Herbst 2022 mehrheitlich an ihrer Unterstützung der parlamentarischen Initiative Regazzi (mitte, TI) mit dem Ziel, Pädokriminalität im Internet wirksam zu bekämpfen, fest. Sie argumentierte, die Annahme der Initiative würde den Weg für weitergehende Abklärungen zum Thema ebnen, etwa bezüglich allfälliger Unvereinbarkeiten mit der Bundesverfassung oder der Notwendigkeit, weitere Rechtsbestimmungen neben der StPO zu ändern. Die starke Minderheit – der Entscheid fiel mit 11 zu 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen – wollte dagegen nicht in die Zuständigkeit der Kantone eingreifen, die sich in diesem Bereich zwischenzeitlich Know-how und ein wertvolles Netzwerk angeeignet hätten. Mit 102 zu 90 Stimmen bei einer Enthaltung schloss sich der Nationalrat in der Wintersession 2022 der Kommissionsmehrheit an und gab der Initiative Folge. Während das Anliegen in den Fraktionen der Mitte, der GLP und der SVP auf Anklang stiess, stimmten die Fraktionen der Grünen und der SP (mit zwei Ausnahmen), die grosse Mehrheit der FDP-Fraktion sowie zwei SVP-Vertreter gegen die Initiative.

Pädokriminalität im Internet endlich wirksam bekämpfen (Pa.Iv. 19.486)

À l'air du numérique, la sécurité a pris une toute autre couleur. Cette nouvelle fenêtre doit, elle aussi être protégée. Ainsi, la sécurité des données et des infrastructures, les cyberrisques ou encore la collaboration entre les différents acteurs sont des sujets qui ne cessent de revenir sous la coupole fédérale tout comme dans les médias. En décembre 2022, le Conseil fédéral a publié un message sur la mise en place d’une obligation de signaler les cyberattaques contre les infrastructures critiques. Dans le cadre de ce message, différentes options ont été envisagées pour formuler une nouvelle loi afin de consolider la sécurité cyber. Le Conseil fédéral a mis l'accent sur la collaboration et l'efficacité.

En 2016, après l'acceptation par l'EU d'une directive concernant le signalement des cyberattaques visant les infrastructures critiques et de discussions internes, la Suisse a chargé le département fédéral des finances (DFF) de fournir, d'ici fin 2021, les bases légales pour introduire une obligation de signaler les cyberattaques contre les infrastructures critiques, dont le secteur bancaire, l'armée, le système de soins médicaux ou encore les infrastructures relatives au transport routier. Cette analyse a également révélé des manquements au niveau du centre national pour la cybersécurité (NCSC). C'est pourquoi une partie du projet final est réservée à la spécification des tâches assignées au NCSC. En cas de cyberattaques concernant les infrastructures critiques suisses, le NCSC devra réceptionner les signalements obligatoires mais aussi les signalements volontaires pour permettre à la Confédération d'avoir une vue d'ensemble sur les failles du système.

Sur la base des propositions du DFF, le Conseil fédéral a estimé que la seule option qui permettait de renforcer les relations entre le gouvernement et les infrastructures critiques, mais aussi l'efficacité et la sécurité reposait sur l'obligation de reporter les cyberattaques touchant aux infrastructures critiques. En effet, les suggestions basées sur la bonne volonté des infrastructures critiques et l'extension des mesures existantes n'étaient pas suffisantes et s'accompagnaient de lourds désavantages comme des procédures trop compliquées ou de la confiance aveugle de la part du gouvernement envers les infrastructures critiques.

Finalement, le Conseil fédéral a fait attention à ce que le projet final repose sur des procédures simples, que les signalements soient récompensés par un service de conseil assuré par le NCSC, et que le non-respect des conditions soit puni par une sanction pécuniaire pouvant s'élever jusqu'à CHF 100'000, dont CHF 20'000 directement à la charge de l'entreprise exploitant l'infrastructure critique concernée. Toutefois, le Conseil fédéral estime que cette dernière mesure restera symbolique en raison d'une collaboration de longue date entre les infrastructures critiques et le gouvernement.

Loi sur la sécurité de l'information. Inscription d'une obligation de signaler les cyberattaques contre les infrastructures critiques (MCF 22.073)

Im September 2022 beschloss die RK-SR einstimmig, der parlamentarischen Initiative ihrer Schwesterkommission für ein zeitgemässes Genossenschaftsrecht keine Folge zu geben, da sie zuerst den Bericht zum angenommenen Postulat Guggisberg (svp, BE; Po. 21.3783) abwarten wollte. Die parlamentarische Initiative hätte verlangt, dass das Genossenschaftsrecht, welches zu grossen Teilen noch aus dem Jahr 1936 stammt, vereinfacht und modernisiert wird. Daraufhin zog die RK-NR ihre Initiative zurück.

Moderniser le droit de la société coopérative (Iv. pa. 21.479)
Dossier: Revision Genossenschaftsrecht

In der Herbstsession 2022 wies der Ständerat eine Motion von Lisa Mazzone (gp, GE) zur Schaffung von mehr Transparenz bezüglich ausländischer Investitionen in hiesige Handelsgesellschaften der RK-SR zur Vorberatung zu. Einen entsprechenden Ordnungsantrag von Ruedi Noser (fdp, ZH) nahm der Ständerat mit dem Einverständnis von Mazzone stillschweigend an. Die Genfer Ständerätin erklärte, dass im Schweizer Handelsregister nicht ersichtlich sei, wer die wirtschaftlich Berechtigten von Schweizer Handelsgesellschaften sind. Dies berge Risiken, wenn hiesige Unternehmen in grösserem Ausmass von risikobehafteten, ausländischen Grossanlegerinnen und -anlegern – beispielsweise Oligarchen auf einer Sanktionsliste – abhängig seien. Daten dazu könne die eidgenössische Steuerverwaltung dank der Rückerstattungsanträge zur Verrechnungssteuer bereitstellen, schlug Mazzone als Lösung vor. Der Bundestat hielt in seiner Stellungnahme fest, dass er die Motion für nicht nötig halte, da zum Teil bereits gesetzliche Grundlagen zur Erfüllung dieses Anliegens bestünden und von der Verwaltung aktuell – auf Basis internationaler Entwicklungen im Rahmen der FATF – eine Anpassung der Normen ausgearbeitet werde. Wie Ruedi Noser erklärte, könne die Motion dank der Zuweisung an die Kommission zusammen mit jener Vorlage des Bundesrates behandelt werden.

Transparenz im Handelsrgister bezüglich den wirtschaftlich Berechtigten (Mo. 22.3637)
Dossier: Transparenz ausländischer Beteiligungen in Schweizer Handelsgesellschaften

Nachdem die eidgenössischen Räte im Rahmen der ZPO-Revision die Regel für die Fristenberechnung im Zivilprozess geändert hatten – bei am Samstag zugestellten A-Post-Briefen beginnt die Frist neu erst am darauffolgenden Montag zu laufen –, zog der Bundesrat seinen Ablehnungsantrag zur Motion der RK-NR für eine Harmonisierung der Fristenberechnung zurück. Der Nationalrat hatte der Motion bereits im Sommer 2022 zugestimmt. In der Herbstsession tat es ihm der Ständerat stillschweigend gleich. Es mache keinen Sinn, dass im Zivilprozess eine andere Regel gelte als im übrigen Recht, waren sich der Bundesrat, die RK-SR und das Ständeratsplenum einig. Der Bundesrat wurde damit angehalten, die neue Regel auch in die anderen betreffenden Gesetze zu übernehmen.

Harmonisierung der Fristenberechnung (Mo. 22.3381)

In der Herbstsession 2022 stand die Behandlung der Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung in beiden Kammern auf der Traktandenliste. Beide Räte waren sich schon zuvor grundsätzlich einig, dass der Zugang zu amtlichen Dokumenten gebührenfrei möglich sein muss. Allerdings – dies hatte bereits die parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG), auf die die Vorlage zurückging, so vorgesehen – sollten in hohe Kosten verursachenden Ausnahmefällen den Gesuchsstellenden Rechnungen ausgestellt werden dürfen. Nicht einig waren sich National- und Ständerat darüber, ob für diese Ausnahmefälle eine Kostenobergrenze festgelegt werden soll. Der Nationalrat hatte diese auf CHF 2'000 fixieren wollen. Der Ständerat hielt allerdings – unterstützt vom Bundesrat – diskussionslos und einstimmig daran fest, keine solche Obergrenze festzulegen. Sie seien zwar sehr selten, es gebe aber durchaus Gesuche, die Kosten von weit mehr als CHF 2'000 verursachten, argumentierte der Sprecher der SPK-SR, Mathias Zopfi (gp, GL). Die Kommission sei zudem der Meinung, dass der Erlass von Gebühren Sache des Bundesrats sei.
Tags darauf schwenkte der Nationalrat auf diesen Beschluss des Ständerats ein. Die Kommission sei zwar «inhaltlich» nicht einverstanden, sie wolle aber auf «eine aussichtslose Differenzbereinigungsrunde» verzichten. Mit einer Gebührenobergrenze hätte die Unterwanderung des grundsätzlich gebührenfreien Zugangs zu amtlichen Dokumenten verhindert werden können; trotzdem sei auch die ständerätliche Lösung noch ein «Schritt zur Stärkung des Öffentlichkeitsprinzips», argumentierte die Sprecherin der SPK-NR, Céline Widmer (sp, ZH) in der grossen Kammer. Diese folgte anschliessend stillschweigend dem Kommissionsantrag.
In den Schlussabstimmungen hiess der Nationalrat die Vorlage mit 193 zu 0 Stimmen gut und der Ständerat stimmte ihr mit 44 zu 1 Stimme zu.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

L'initiative parlementaire déposée par Charles Juillard (centre, JU) a été traitée en même temps que l'objet 21.495 par la CPS-CE. Des conclusions similaires ont été tirées. De ce fait, le rejet a été proposé par 6 voix contre 2 et une abstention. Une nouvelle initiative pourrait voir le jour, après réévaluation du dossier, car la commission soutient le but visé par l'initiative parlementaire mais pas la manière de l'atteindre.

Cybersécurité. Mettre en place une infrastructure numérique souveraine et des standards de sécurité de gouvernance (Iv.pa. 21.507)
Dossier: Ratifizierung des Übereinkommens über Cyberkriminalität des Europarates (2011)
Dossier: Eigenständige digitale Infrastruktur für die Schweiz

Nachdem das Anliegen im Rahmen der Revision der Strafprozessordnung diskutiert und verworfen worden war, zog die RK-NR ihre parlamentarische Initiative zur Verrechnung von Genugtuungsansprüchen mit den Gerichtskosten im Juni 2022 zurück.

Verrechnung der Gerichtskosten mit den Genugtuungsansprüchen aufgrund rechtswidriger Zwangsmassnahmen (Pa.Iv. 13.466)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Après sa modification par le Conseil des États en mars 2022, le texte est validé par les deux Conseils trois mois plus tard. A la mi-juin, le texte final a passé avec succès l'épreuve du vote final. Au Conseil national, il a été adopté par 192 voix contre 1 (4 abstentions) et au Conseil des États, son adoption a été unanime. La date limite pour un référendum est fixée au 6 octobre 2022. Jusque-là, les débats sont clos.

Loi fédérale sur les systèmes d'information de l'armée. Modification (BRG 21.069)

In der Sommersession 2022 stimmte der Ständerat den drei Entwürfen zur Regelung des Arbeitsverhältnisses der oder des EDÖB unverändert und einstimmig zu, worauf sie auch in den Schlussabstimmungen von beiden Kammern einhellig gutgeheissen wurden.

Verordnung über das Arbeitsverhältnis der Leiterin oder des Leiters des Eidgenössischen Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragten (Pa.Iv. 21.443)

In der Sommersession 2022 brachten die eidgenössischen Räte die Revision der Strafprozessordnung zum Abschluss. In der Differenzbereinigung verhärteten sich die Fronten in den zentralen Diskussionspunkten zunächst, sodass Bundesrätin Karin Keller-Sutter bereits mit einer Einigungskonferenz rechnete. Der Ständerat kam dem Nationalrat zuerst nur bei Fristen für die Beschwerdeinstanz und das Berufungsgericht entgegen, die der Nationalrat zwecks Beschleunigung der Verfahren neu in die StPO aufgenommen hatte. Gemäss Berichterstatter Daniel Jositsch (sp, ZH) hielt die RK-SR diese zwar für wenig zweckmässig, aber tolerierbar, weil die Fristen mangels rechtlicher Konsequenzen bei Nichteinhaltung «lediglich als Richtgrösse im Sinne einer Konkretisierung des Beschleunigungsgebots» zu verstehen seien. Der Nationalrat beugte sich seinerseits in einigen Punkten der Argumentation des Schwesterrats und verzichtete auf zwei von ihm eingefügte, aber vom Ständerat abgelehnte Bestimmungen: Erstens strich er die Regelung zur präventiven verdeckten Ermittlung bei Sexualdelikten wieder aus dem Gesetz, weil dies Sache des kantonalen Polizeirechts sei. Zweitens soll eine Genugtuung nun doch nicht mit Geldforderungen des Staates aus dem Verfahren verrechnet werden können; werde der Betrag nicht ausbezahlt, verpuffe der Ausgleichseffekt für die unrechtmässig erlittene Rechtsverletzung. Weiter räumte die grosse Kammer die beiden Differenzen zu den DNA-Profilen aus, sodass dafür nun die vom Bundesrat vorgesehenen Regeln umgesetzt werden: Von einer beschuldigten Person darf während des Strafverfahrens ein DNA-Profil erstellt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass sie weitere Delikte begangen haben könnte. Die SVP-Minderheit, die dafür nur eine «gewisse Wahrscheinlichkeit» voraussetzen wollte, blieb letztlich chancenlos. Zudem darf von einer verurteilten Person am Ende des Strafverfahrens ein DNA-Profil erstellt werden, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass sie weitere Delikte begehen könnte. Hier unterlag die links-grüne Minderheit mit ihrem Streichungsantrag ebenso deutlich.
Bei der Einschränkung der Teilnahmerechte verharrten indessen beide Räte auf ihrer Position. Während sich der Ständerat mit 32 zu 11 Stimmen dafür aussprach, dass eine beschuldigte Person von der ersten Einvernahme einer mitbeschuldigten Person ausgeschlossen werden kann, solange sie selber noch nicht einvernommen worden ist, lehnte der Nationalrat diese Einschränkung mit 137 zu 50 Stimmen (1 Enthaltung) ebenso klar ab. Als Berichterstatter der RK-NR fasste Beat Flach (glp, AG) zusammen: «Für die eine Seite ist es der Hauptinhalt und das wichtigste Element dieser Revision, und für die andere Seite [...] ist das, was vorgeschlagen wird, ein No-Go.» Die ablehnende Seite argumentierte, dieser Eingriff in die Rechte der Beschuldigten bringe das sorgfältig austarierte Kräfteverhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung aus dem Lot und sei darum inakzeptabel. Die Befürworterinnen und Befürworter der Änderung betonten hingegen, dass es sich um einen «moderaten Eingriff» (Karin Keller-Sutter) handle und dass dies der Hauptauslöser für die ganze Revision gewesen sei, weil hier von den Staatsanwaltschaften konkrete Probleme in der Praxis festgestellt worden seien.
Ebenso unversöhnlich standen sich die beiden Kammern beim Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft gegen Haftentscheide gegenüber. Der Ständerat entschied mit 25 zu 19 Stimmen, an der bundesrätlichen Version festzuhalten, die ein solches Beschwerderecht explizit vorsieht. Damit werde nichts Neues eingeführt, sondern die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts kodifiziert; es sei allemal besser, wenn der Gesetzgeber die Grundsätze des Verfahrens in der StPO festschreibe, als dass das Bundesgericht sich wie bisher das Recht nehme, selber zu entscheiden, erklärte der erfolgreiche Antragsteller Daniel Fässler (mitte, AI). Der Nationalrat beschloss demgegenüber mit 109 zu 79 Stimmen, eine solche Beschwerdemöglichkeit für die Staatsanwaltschaft ausdrücklich auszuschliessen, weil die EMRK-Konformität einer solchen Regel mindestens zweifelhaft sei. Es sei problematisch, wenn eine nach Gerichtsentscheid freizulassende Person noch länger in Haft behalten werde, bis die Beschwerde erledigt sei, so die Bedenken. Selbst der Bundesrat war sich in dieser Sache nicht sicher, sagte Justizministerin Keller-Sutter doch, der Bundesrat habe versucht, «das Risiko einer EMRK-Widrigkeit zu reduzieren, indem er für das Verfahren möglichst kurze Fristen festgelegt» habe.
Resigniert stellte der ständerätliche Kommissionssprecher Jositsch am Ende der zweiten Runde der Differenzbereinigung fest, dass man in diesen beiden letzten Fragen keine Lösung gefunden habe. Bei der Beschwerdelegitimation der Staatsanwaltschaft gebe es mit der EMRK-Konformität «tatsächlich einen Punkt, der für die Fassung des Nationalrates spricht», weshalb die Kommission die Zustimmung zum Beschluss der Schwesterkammer beantragte. Dasselbe beantragte die RK-SR auch bei den Teilnahmerechten. Die Fassung des Ständerates sei im Nationalrat nicht mehrheitsfähig und eine zweckmässige Kompromisslösung nicht in Sicht, weshalb man im Zweifelsfall eben beim geltenden Recht bleiben wolle, so Jositsch. «Das heisst, dass wir mit dieser Revision das ursprüngliche Hauptproblem vielleicht nicht haben lösen können, aber wir haben doch einiges gemacht, um diese Strafprozessordnung besser zu machen», resümierte er. Obwohl die Kommission damit in beiden Punkten die bundesrätliche Lösung fallen liess, beantragte Karin Keller-Sutter keine Abstimmung. So räumte die Ständekammer die beiden letzten Differenzen stillschweigend aus. In den Schlussabstimmungen nahm der Ständerat die Vorlage mit 38 zu 6 Stimmen bei einer Enthaltung an. Der Nationalrat stimmte ihr mit 147 zu 48 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu. Unzufrieden zeigten sich in beiden Räten grosse Teile der SVP-Fraktion, die die fehlende Einschränkung der Teilnahmerechte bedauerten. Dadurch werde «die Erforschung der materiellen Wahrheit eminent erschwert», was zu einer «massiven Bevorteilung der Täter» führe und damit indirekt die Stellung des Opfers erheblich schwäche, hatte Nationalrätin Andrea Geissbühler (svp, BE) während der Debatte im Namen ihrer Fraktion erklärt.

Änderung der Strafprozessordnung (BRG 19.048)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

In der Sommersession beschloss der Nationalrat, der Mehrheit seiner SPK-NR zu folgen und an der ursprünglichen Version seiner Revision des Bundesgesetzes über das Öffentlichkeitsprinzip in der Verwaltung festzuhalten. Der Ständerat hatte in der Detailberatung zur Vorlage, die auf eine parlamentarische Initiative von Edith Graf-Litscher (sp, TG) zurückging, eine Differenz geschaffen: In der Regel soll die Einsicht in Dokumente der Bundesverwaltung zwar kostenlos sein, für Gesuche, denen die verantwortliche Verwaltungsstelle nur mit hohem Aufwand nachkommen kann, sollen allerdings Gebühren verlangt werden können. Der Nationalrat hatte dafür eine Obergrenze von CHF 2'000 vorgesehen, der Ständerat wollte hingegen keine Kostenobergrenze beziffern. Eine Minderheit der SPK-NR hatte vergeblich dafür plädiert, die ständerätliche Lösung zu übernehmen. Die Argumente von Minderheitensprecher Damien Cottier (fdp, NE) sowie von Bundesrätin Karin Keller-Sutter, es könne auch Gesuche geben, die Gebühren von mehr als CHF 2'000 rechtfertigten, stiessen lediglich bei der geschlossen stimmenden FDP.Liberalen- und der Mehrheit der Mitte-Fraktion auf Gehör. Mit 130 zu 53 Stimmen (2 Enthaltungen) sprach sich der Nationalrat für Festhalten aus.

Öffentlichkeitsprinzip (Pa.Iv. 16.432)
Dossier: Öffentlichkeitsprinzip in der Bundesverwaltung

Im Juni 2022 schrieben National- und Ständerat eine Motion der WAK-NR betreffend die wettbewerbsfähige steuerliche Behandlung von Start-ups inklusive deren Mitarbeiterbeteiligungen stillschweigend ab. Wie der Bundesrat im Bericht über Motionen und Postulaten der gesetzgebenden Räte im Jahr 2021 erläuterte, sei das Anliegen mit dem per Jahresbeginn 2021 in Kraft getretenen Kreisschreiben der Schweizerischen Steuerkonferenz umgesetzt worden. Die Konferenz hatte in zwei Schreiben Angaben zur Besteuerung von Mitarbeiterbeteiligungen sowie zur Bewertung von Wertpapieren ohne Kurswert für die Berechnung der Vermögenssteuer veröffentlicht.

Modifier le traitement fiscal des start-up et des participations détenues par leurs collaborateurs (Mo. 17.3261)

Im Sommer 2022 schrieb der Ständerat das Postulat Abate (fdp, TI) zur Frage der Eignerstrategie für die verselbstständigten Einheiten des Bundes stillschweigend ab, nachdem der Bundesrat im Mai 2021 einen entsprechenden Bericht zuhanden des Parlaments verabschiedet hatte. Im August 2022 beschäftigte sich zudem die KVF-SR im Rahmen einer Motion der FDP-Fraktion (Mo. 19.4004) mit der Thematik und nahm Kenntnis vom bundesrätlichen Bericht.

Stratégie du propriétaire pour les entités de la Confédération devenues autonomes (Po. 18.4274)
Dossier: Strategie und Führung bundesnaher Betriebe

Im Rahmen der Revision der Zivilprozessordnung beschäftigte sich die RK-NR unter anderem mit verschiedenen Lösungsansätzen zur Problematik, wie die Fristen bei Eingaben an die Gerichte berechnet werden können. Diese Diskussion habe die Frage aufgeworfen, ob es nicht möglich und sinnvoll wäre, die Fristenberechnung über die verschiedenen Gesetze und Rechtsbereiche hinweg zu vereinheitlichen – davon betroffen wären neben der Zivilprozessordnung etwa die Strafprozessordnung, das Bundesgerichtsgesetz, das Verwaltungsverfahrensgesetz, das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts und das Obligationenrecht. So schilderte Kommissionssprecher Beat Flach (glp, AG) den Ursprung der Kommissionsmotion für eine Harmonisierung der Fristenberechnung, die der Nationalrat in der Sommersession 2022 behandelte. Obwohl der Bundesrat das Vorgehen aus verschiedenen Gründen als wenig sinnvoll erachtete – unter anderem zweifelte er daran, dass eine allgemeingültige Lösung für alle Rechtsgebiete sachgerecht wäre – und die Ablehnung der Motion beantragte, nahm die grosse Kammer den Vorstoss einstimmig bei einer Enthaltung an. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatte für diesen Fall angekündigt, im Zweitrat die Umwandlung in ein Postulat zu beantragen.

Harmonisierung der Fristenberechnung (Mo. 22.3381)

Im Sommer 2022 schrieb der Nationalrat stillschweigend ein Postulat Schwaab (sp, VD) betreffend die Einschränkung der Tätigkeiten von Wirtschaftsauskunfteien im Rahmen des Berichts über Motionen und Postulate der eidgenössischen Räte im Jahr 2021 ab. Der Postulatsbericht vom Mai 2021 hatte dargelegt, inwiefern Unternehmen, welche die Bonität von Privatpersonen und KMU mittels Informationsbeschaffung prüfen, in ihren Methoden eingeschränkt werden sollen.

Encadrement des pratiques des sociétés de renseignement de solvabilité (Po. 16.3682)

Im Sommer 2022 genehmigte der Nationalrat die Abschreibung eines Postulats Reynard (sp, VS) zur Verbesserung der Sicherheit von mit dem Internet verbundenen Produkten. Der Bundesrat hatte sich im Bericht zu Sicherheitsstandards für Internet-of-Things-Geräte mit dem Postulat befasst und im Anschluss dessen Abschreibung beantragt.

Verbesserung der Sicherheit von mit dem Internet verbundenen Produkten (Po. 19.3199)

Der Nationalrat überwies in der Sommersession 2022 ein Postulat Bellaiche (glp, ZH) zur Nutzung anonymisierter persönlicher Daten im öffentlichen Interesse. Der Bundesrat soll Massnahmen zur Förderung der freiwilligen Bereitstellung von anonymisierten persönlichen Daten (Datenspende) auf ihre Machbarkeit hin prüfen. Laut Postulantin Bellaiche habe die Covid-19-Pandemie gezeigt, wie wichtig persönliche Daten für den Schutz der öffentlichen Gesundheit, für die Planung von Massnahmen und für die Forschung im Gesundheitswesen sein können. Wichtig sei dabei aber die Wahrung der Privatsphäre der Datenspenderinnen und -spender.
Der Bundesrat hatte die Ablehnung des Postulats beantragt, da die Bereitstellung persönlicher, gesundheitsrelevanter Daten aus seiner Sicht bereits in der Strategie «Gesundheit 2030» und in einem Postulat Humbel (mitte, AG; Po. 15.4225) ausreichend berücksichtigt werde.
Dieser Empfehlung folgten die SVP-Fraktion geschlossen und die FDP-Fraktion grossmehrheitlich, was aber nicht zu einer Ratsmehrheit reichte: Die grosse Kammer nahm das Postulat mit 108 zu 81 Stimmen bei 2 Enthaltungen an. Der Bundesrat wird folglich einen Bericht dazu ausarbeiten müssen.

Nutzung anonymisierter persönlicher Daten im öffentlichen Interesse (Po. 20.3700)