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  • Radio und Fernsehen

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  • Guhl, Bernhard (bdp/pbd, AG) NR/CN
  • Thorens Goumaz, Adèle (gp/verts, VD) NR/CN

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Mit dem Jahreswechsel 2018/2019 änderte sich die Ausgangslage für das neue Mediengesetz grundlegend: Nach dem Rücktritt von Medienministerin Doris Leuthard, unter deren Aufsicht der Vorentwurf entstanden war, übernahm Simonetta Sommaruga Anfang 2019 das entsprechende Dossier. Im Mai 2019 lud die neue Medienministerin zu einem Austausch über die Zukunft der Medien ein, bei dem über den Service public in Radio und Fernsehen sowie über mögliche Massnahmen zur Unterstützung der elektronischen Medien und der Presse diskutiert wurde. Die Argumente der Teilnehmenden würden in die laufenden Arbeiten aufgenommen, erklärte das BAKOM. In den Medien wurden nach den negativen Rückmeldungen in der Vernehmlassung jedoch Stimmen laut, die davon ausgingen, dass Sommaruga das neue Gesetz verwerfen werde. Dieses würde von allen Seiten kritisiert und habe daher im Parlament keine Chance, zumal sogar CVP-Präsident Gerhard Pfister (cvp, ZG) die Notwendigkeit des neuen Gesetzes in einer Rede im Januar 2019 in Frage gestellt habe. Stattdessen wurde vermutet, dass Sommaruga die Probleme einzeln angehen werde. Als dringlichste Massnahme identifizierten die Medien die Erhöhung der indirekten Presseförderung von CHF 30 Mio. auf CHF 120 Mio., wie sie der Präsident des VSM, Pietro Supino, aber auch zwei parlamentarische Vorstösse Savary (sp, VD; Pa.Iv. 18.480) und Engler (cvp, GR; Pa.Iv. 18.479) gefordert hatten. Als zentral erachteten die Medien aber auch eine Änderung des Medienartikels in der Verfassung, die ein vollständiges Mediengesetz, das neben Radio und Fernsehen sowie allenfalls dem Onlinebereich auch die Presse beinhaltet, ermöglichen sollte. Diesbezüglich hatten Matthias Aebischer (sp, BE; Pa.Iv. 18.470), Bernhard Guhl (bdp, AG; Pa.Iv. 18.471), Olivier Feller (fdp, VD; Pa.Iv. 18.472) und Filippo Lombardi (cvp, TI; Pa.Iv. 18.473) gleichlautende parlamentarische Initiativen eingereicht.
Ende August 2019 bestätigte der Bundesrat in einer Medienmitteilung die bisherigen Gerüchte und erklärte, dass er auf das neue Mediengesetz verzichten und stattdessen das RTVG punktuell mit einem Massnahmenpaket anpassen wolle. Demnach sollten neu auch Onlineportale einen Teil der Radio- und Fernsehabgabe (insgesamt CHF 50 Mio. pro Jahr) erhalten, sofern sie kostenpflichtig seien. Dies betreffe – im Unterschied zum vorherigen Gesetzesvorschlag – nicht nur audio- und audiovisuelle, sondern auch textlastige Beiträge. Zudem solle die indirekte Presseförderung, konkret also die finanzielle Unterstützung der Postzustellung, auf zusätzliche Titel ausgeweitet und erhöht werden – jedoch nur auf CHF 50 Mio. statt auf CHF 120 Mio., wie von den Verlagen gefordert worden war. Der VSM kritisierte die Unterstützung in der Folge auch als zu niedrig. Aus dem Bundesgesetz über elektronische Medien übernommen werden solle die Förderung von Presseagenturen, Weiterbildungen und IT-Projekten.
Auch dieses Projekt erntete jedoch Kritik: Christian Wasserfallen (fdp, BE) etwa befürchtete gegenüber den Medien, dass nun auch die Onlinemedien an den «Staatstropf» gehängt werden sollten, Gregor Rutz (svp, ZH) kritisierte, dass durch die Unterstützung der Onlinemedien die Konkurrenz für die Printmedien sogar noch künstlich verstärkt werde. Die NZZ fragte sich überdies auch bei diesen Massnahmen, ob der Bund wirklich über die Kompetenz zur Regulierung und Förderung der Onlinemedien verfüge. Diesbezüglich bestehe ein Dissens in der juristischen Lehre. Die Präsidentin der KVF-NR, Edith Graf-Litscher (sp, TG), begrüsste hingegen die kurzfristigen Massnahmen.

Geplantes Bundesgesetz über elektronische Medien scheitert
Dossier: Diskussionen zur Förderung von Online-Medien

Vier gleichlautende und Ende 2018 im Nationalrat eingereichte parlamentarische Initiativen wurden im September 2019 durch die KVF-NR behandelt. Die Initianten Aebischer (sp, BE; Pa. Iv. 18.470), Guhl (bdp, AG; 18.471), Feller (fdp, VD; 18.472) und Grossen (glp, BE; 18.474) zielten auf eine Anpassung von Artikel 93 der Bundesverfassung, der neu zu einem «Medienartikel» werden sollte. Dazu sollte BV Art. 93, der bisher dem Radio und Fernsehen gegolten hatte, abstrahiert und für die Medien generell formuliert werden; wie auch die Titel der Initiativen, «Medien in die Bundesverfassung», bereits ankündigten.
Begründet wurden die Vorstösse einerseits mit der mangelnden Klarheit der geltenden Regelung, die gemäss den Initianten einen sehr offenen Begriff von Formen fernmeldetechnischer Verbreitung von Inhalten verwende. Dies führte in ihren Augen zu medienpolitischen und -rechtlichen Auseinandersetzungen. Andererseits sei gegenwärtig die Presse explizit aus dem Artikel ausgenommen, obwohl sie eine wichtige Rolle in der politischen Meinungsbildung spiele. Dadurch sei die Presse auch von möglichen Fördermassnahmen ausgeschlossen, obwohl sie unter grossem ökonomischen Druck stehe. Gleichwohl erbringe sie einen Service public, weshalb generell von «Medien» gesprochen werden sollte.
Die Initiative Grossen (glp, BE) unterschied sich von den übrigen drei Initiativen insofern, als sie noch einen fünften Absatz beinhaltete. Dieser sah vor, dass nach wie vor – das entsprach dem bisher geltenden Wortlaut des Verfassungsartikels – eine unabhängige Beschwerdeinstanz für Einwände gegen die Inhalte zuständig sein soll.

Medien in die Bundesverfassung (Pa.Iv. 18.473)

Deutlich ausführlicher war die Debatte zur Initiative zur Abschaffung der Billag-Gebühren im Nationalrat. Die ursprünglich veranschlagte Zeit reichte aufgrund der langen Liste an Einzelrednerinnen und -rednern nicht aus, so dass eine zusätzliche Open-End-Sitzung eingelegt werden musste. Eine Kommissionsminderheit Rutz (svp, ZH) hatte zuvor einen direkten Gegenvorschlag formuliert, der die Abgabe für Haushalte auf höchstens 200 Franken begrenzen und für Unternehmen gänzlich streichen wollte. Somit würde das Budget der SRG und der regionalen Radio- und Fernsehsender ungefähr halbiert. Gregor Rutz bewarb seinen Gegenvorschlag als Mittelweg zwischen den Extremvarianten „keine Einsparungen“ und „vollständige Streichung der Gebühren“. Der Gegenvorschlag solle es der SRG trotz Einsparungen erlauben, ihre Aufgaben – den Schutz sprachlicher Minderheiten und die Förderung der nationalen Kohäsion – zu erfüllen. Eine zweite Minderheit Rutz beantragte, die Initiative Volk und Ständen zur Annahme zu empfehlen.
Anklang fand der Gegenvorschlag vor allem bei Parlamentarierinnen und Parlamentariern der SVP. So wurden wie bereits im Ständerat insbesondere die Abgabe für Unternehmen und das Machtmonopol der SRG, gegen das private Anbieter nicht ankämen, kritisiert. Einen Schritt weiter ging Adrian Amstutz (svp, BE), der das Machtmonopol der SRG auch auf die Politik bezog: Die Abhängigkeit zwischen Politik und der SRG sei so gross geworden, dass man sich auf Seiten der anderen Parteien nicht mehr traue, die SRG zu kritisieren. Dies führe umgekehrt zu mehr Kritik an der SVP in den SRG-Programmen. Toni Brunner (svp, SG) wies überdies darauf hin, dass sich die SRG die sogenannte No-Billag-Initiative durch ihr rücksichtsloses Handeln selbst eingebrockt habe. Als „stolzes Mitglied des Initiativkomitees der No-Billag-Initiative“ meldete sich auch Lukas Reimann (svp, SG) zu Wort. Er kritisierte die „Zwangsgebühren“, die auch Personen zahlen müssten, die keinen Fernseher haben oder die das Programm der SRG nicht brauchen. So führe die Annahme der No-Billag-Initiative zu einer grösseren Medienvielfalt, gar zum Durchbruch der Medienfreiheit, weil die Dominanz durch die SRG wegfalle. Sie setze zudem die Kaufkraft von 1,35 Milliarden Franken pro Jahr frei und kurble so die Wirtschaft an.
Ganz so positiv beurteilten nur die wenigsten Nationalrätinnen und Nationalräte die Initiative oder den Gegenvorschlag, dennoch betonten auch mehrere ihrer Kritiker, dass die SRG heute zu marktmächtig sei. So bedürfe es einer gründlichen Diskussion zum Umfang des Service public in den Medien, welche aber mit dem Service-public-Bericht nicht zufriedenstellend geführt worden sei, betonte zum Beispiel Thierry Burkart (fdp, AG). Zudem hätten einige einen weniger extremen Gegenvorschlag befürwortet, zum Beispiel in Form der bereits von Thomas Maier (glp, ZH) geforderten Plafonierung der Empfangsgebühren. Frédéric Borloz (fdp, VD) kündigte überdies im Namen der FDP-Fraktion ein grosses Reformprogramm zur Medienlandschaft in der Schweiz an.
Auf der anderen Seite gab es aber auch deutliche Kritik an der Initiative und am Gegenvorschlag. So warnte zum Beispiel Bernhard Guhl (bdp, AG), dass es bei Annahme der Initiative oder des Gegenvorschlags zu italienischen Verhältnissen kommen könnte, bei denen eine Person ganze Medienhäuser besitze. Eine solche Entwicklung sei tendenziell bereits bei der Presse feststellbar. Matthias Aebischer (sp, BE) wies darauf hin, dass Personen, die eine Vorlage wie die „No Billag“-Initiative einreichen, beabsichtigten, „die Macht von anderen Medienunternehmen, zum Teil mit politischem Hintergrund, aus[zu]bauen“. Wie bereits im Ständerat betonten die Gegner der Initiative und des Gegenvorschlags vor allem, dass eine Vielzahl der Leistungen der Medienunternehmen ohne respektive nur mit der Hälfte der Gebühren nicht erbracht werden könnten, was eine Gefahr für die Kohäsion der Schweiz und für die Randregionen darstelle. Sie wurden auch nicht müde zu erklären, dass zum Beispiel mit der Annahme der Shared-Content-Motion, welche es privaten Schweizer Medienanbietern erlauben soll, ausgestrahlte Beiträge der SRG niederschwellig zu verwenden, bereits Bestrebungen zur Verringerung der Marktmacht der SRG im Gange seien.
Schliesslich entschied sich der Nationalrat mit 108 zu 70 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gegen ein Eintreten auf den Gegenvorschlag und mit 122 zu 42 Stimmen dafür, Volk und Ständen die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Für den Gegenvorschlag sprach sich die geschlossene SVP-Fraktion sowie Teile der FDP-Fraktion aus; für den Antrag auf Annahme der Initiative entschieden sich Teile der SVP-Fraktion sowie vereinzelte Parlamentarierinnen und Parlamentarier der FDP. Gespalten zeigte sich die SVP-Fraktion bei der Schlussabstimmung im Nationalrat: Die Mehrheit der Fraktion lehnte die Nein-Empfehlung ab, ein relativ grosser Teil enthielt sich der Stimme und eine Minderheit hiess sie gut. Insgesamt entschieden sich der Nationalrat mit 129 zu 33 Stimmen (bei 32 Enthaltungen) und der Ständerat mit 41 zu 2 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für eine Nein-Empfehlung zur Initiative. Somit wird die Initiative zur Abschaffung der Billag-Gebühren im März 2018 Volk und Ständen ohne Gegenvorschlag und mit der Empfehlung zur Ablehnung zur Abstimmung vorgelegt werden.

Volksinitiative "Ja zur Abschaffung der Radio- und Fernsehgebühren" (No Billag-Initiative)

Nach einer längeren Debatte nahm in der Frühjahrssession 2017 auch der Nationalrat Kenntnis vom Service-public-Bericht und dessen Zusatzbericht. Im Namen der Grünen Fraktion lobte Adèle Thorens Goumaz (VD) die Leistungen der SRG für die lateinische Schweiz und wies auf jüngste Entwicklungen auf dem französischsprachigen Zeitungsmarkt in der Schweiz hin, welche die Notwendigkeit eines marktunabhängigen Mediums zur Erhaltung der Medienvielfalt und Berücksichtigung von Sprachminderheiten aufzeigten. Wie diverse Sprecherinnen und Sprecher aus anderen Fraktionen zeigte sich auch die BDP-Fraktion besorgt ob der zunehmenden Medienkonzentration auf dem Pressemarkt. Aus diesen Gründen bedürfe es auch eines funktionierenden Service public im Online-Bereich, dessen Berichterstattung sich nicht nur an der Anzahl Klicks und Höhe der Werbeeinnahmen orientiere, so die Ausführungen von Bernhard Guhl (bdp, AG). Als Vertreter der FDP-Fraktion äusserten Frédéric Borloz (VD) und Thierry Burkart (AG) hingegen Bedenken zu einem ausgebauten Internetauftritt der SRG, da dies die privaten Medien stark konkurrenzieren könnte. Eine verstärkte Digitalisierung der SRG verlangte hingegen die SP und erhofft sich damit, die jüngere Generation in Zukunft besser anzusprechen, so Edith Graf-Litscher (TG). Martin Candinas (GR) lobte als Sprecher der CVP-Fraktion die Qualität des Service public in allen vier Landesteilen, betonte jedoch, dass diese auch weiterhin ohne Aufstockung der finanziellen Mittel und in erster Linie durch Wahrung des Informationsauftrags gewährleistet werden solle; der Einkauf von Fernsehserien und Filmen soll kritisch überprüft werden. Kritischer äusserten sich Vertreter der SVP-Fraktion, stellten dabei jedoch nicht die Existenzgrundlage der SRG in Frage, wie den Voten von Natalie Rickli (ZH) und Gregor Rutz (ZH) zu entnehmen ist. Ihre Kritik richtete sich in erster Linie gegen diejenigen Tätigkeiten der SRG, die stärker in Konkurrenz zu privaten Angeboten stehen, so etwa Angebote im Unterhaltungs- und Sportsektor. Verstärkte Subsidiarität forderte etwa auch Jürg Grossen (BE) im Namen der GLP-Fraktion.
Im Rahmen dieser parlamentarischen Beratung äusserte sich die grosse Kammer auch zu drei Geschäften, die in nahem Bezug zu Inhalten des Berichts, resp. zur Service-public-Debatte im Allgemeinen, stehen. Einer mitte-linken Kommissionsminderheit folgend lehnte der Nationalrat ein Anliegen seiner KVF ab, das eine duale Konzessionskompetenz für Parlament und Bundesrat forderte und somit den Einfluss des Parlaments in diesem Bereich stärken wollte. Ebenso verweigerte er seine Zustimmung zu einer weitergehenden parlamentarischen Initiative, die eine ausschliessliche Konzessionsvergabe durch das Parlament forderte. Letzteres tat der Nationalrat auf Anraten seiner Kommissionsmehrheit, die ordnungspolitische Bedenken geäussert und das Vorhaben als nicht realisierbar eingestuft hatte. Allenfalls geändert werden soll hingegen der im Bericht festgestellte Umstand, dass die Schweiz zu einigen wenigen demokratischen Ländern gehört, die über keine verwaltungsunabhängige Aufsichtsbehörde für Radio und Fernsehen verfügen. Ein Postulat, welches Möglichkeiten zur Schaffung einer solchen Instanz aufzeigen soll, stiess im Rat auf stillschweigende Zustimmung. Die parlamentarische Beratung der in Reaktion auf den Zusatzbericht eingereichten Vorstösse steht noch aus.

Bericht (und Zusatzberichte) zum Service public (BRG 16.043)
Dossier: Bericht zum Service public im Medienbereich: Anforderungen, Ergebnisse und Stellungnahmen
Dossier: Service public-Diskussion nach knappem Volks-Ja zum RTVG (2015)