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Der Abstimmungskampf zur RTVG-Vorlage wurde von Beginn an kontrovers geführt und von den Medien in einer Ausführlichkeit begleitet, die im Vergleich zu den anderen zur Abstimmung stehenden Vorlagen beispiellos blieb. Dabei liess sich nicht verhindern, dass die Debatte nicht nur eine technische und die Umstellungen im Gebührensystem betreffende blieb, sondern gemäss Medien eher in eine Grundsatzdebatte zum Service public und zur Rolle der SRG mündete. Rückblickend ist jedoch auch dieser Beschrieb des Abstimmungskampfes nicht ganz zutreffend, denn die Debatte enthielt wenig Substanz und dafür umso mehr Polemik.
Bereits Mitte Februar und somit gut vier Monate vor dem angesetzten Abstimmungstermin, dem 14. Juni 2015, war der Direktor des Gewerbeverbandes (SGV) und Referendumsergreifer – gemäss dem Blick – "stinksauer". In einem Brief warf er der SRG vor, dass diese ihre redaktionelle Neutralität nicht wahre und "völlig einseitig" und "auf Kosten der Gebührenzahler" über die Referendumsvorlage berichte. Der SGV und mit ihm die SVP zogen aus diesen Gründen ihre Teilnahme an einer Podiumsdiskussion zur RTVG-Vorlage zurück, welche von Karin Frei, der Moderatorin der Diskussionssendung "Club" und somit SRG-Mitarbeiterin, geleitet worden wäre. Laut Daten des BAKOM erhält die SRG 92% aller Gelder aus dem Gebührentopf. Diskutieren wollte der Gewerbeverband hingegen in einem anderen Forum, und zwar in der Frühjahrssession im Parlament, wo von der UVEK-Vorsteherin Auskünfte über die Rolle der SRG verlangt wurden. Im Abstimmungskampf zeigte sich die SRG nicht präsent im gekauften Raum, listete auf ihrer Webseite jedoch ausführliche Pro-Argumente auf, wobei sie sich auf den Standpunkt stellte, dass sie sich bereits in der Vernehmlassung und somit für alle einsehbar positiv zur Vorlage geäussert habe. Ferner gehöre die Förderung der Diskussion über den Service public zum Leistungsauftrag der SRG. Die Diskussion um den Service public lieber vertagen wollte hingegen Bundesrätin Leuthard, welche an der Eröffnung zum Abstimmungskampf betonte, man solle mit dieser Diskussion bis zum Erscheinen des vom Bundesrat zu erarbeitenden Berichts zu den Service-public-Leistungen warten.
Die Referendumsergreifer äusserten ihre Empörung zum Vorgehen der SRG in einem Brief an das BAKOM sowie mit der Forderung, die Finanzkontrolle solle die Finanzströme der SRG untersuchen – dies aufgrund eines Berichts der Zentralschweiz am Sonntag, wonach die Regionalgesellschaften mit Mittelzuweisungen der SRG Abstimmungskampf betreiben würden. Ebenfalls unzufrieden zeigte sich die Gegnerschaft mit dem Text im Abstimmungsbüchlein und reichte eine Stimmrechtsbeschwerde ein. Bei der Formulierung der gegnerischen Argumente durch das Referendumskomitee hatte die Bundeskanzlei korrigierend eingegriffen, indem sie ergänzte, dass "nach Ansicht des Komitees" in den nächsten Jahren bereits mit 1000 Franken Mediensteuer pro Haushalt und Jahr zu rechnen sei (der Bundesrat ging von einem Betrag von CHF 400 aus). Vizekanzler André Simonazzi wies die Anschuldigungen des Referendumskomitees zurück, bezeichnete diese als "tout bonnement absurde" und betonte, dass sich die vom Bundesrat eingebrachten Änderungen darauf beschränkt hätten, dem Stimmbürger die Urheberschaft dieser Behauptung erkennbar zu machen.
Durchs Band war die Kampagne geprägt von diversen, beinahe im Akkord präsentierten Enthüllungen, welche von den Medien nicht in ihrer Breite ausgeschlachtet wurden – evtl. auch aus dem Grund, da bereits wenige Tage später der nächste Vorfall darauf wartete, dargelegt zu werden. So etwa wurde im Rahmen der RTVG-Abstimmung über die bekannt gewordene Höhe des Lohns von SRG-Generaldirektor Roger de Weck berichtet, ebenso über die zuerst mutmassliche und danach tatsächliche Ständeratskandidatur vom damaligen SRG-Verwaltungsratspräsidenten Raymond Loretan und über das vom Bundesgericht festgelegte Verbot, die Empfangsgebühren der Mehrwertsteuer zu unterstellen. Ferner zogen sich durch die gesamte Kampagne gegenseitige Beschuldigungen der Falschinformation, wobei der SGV diese nicht etwa ans Pro-Komitee adressierte, sondern in erster Linie an die SRG – so etwa zur Frage, ob die SRG bei Annahme der Vorlage mehr Geld erhalte oder ob die jetzige Regelung tatsächlich keine Möglichkeit zur Gebührenbefreiung für Unternehmen erlaube, wie die SRG in einer Broschüre festhielt. Auf der anderen Seite schlug der Behauptung des SGV, in einigen Jahren werde der Gebührenzahler bereits CHF 1000 pro Jahr entrichten müssen, heftiger Gegenwind entgegen. Ferner wurde Mitte Mai bekannt, dass das Nein-Komitee auf seiner Homepage Personen als Anhänger des gegnerischen Komitees aufführte, welche diesem gar nicht angehörten.
Auch dass die erste Trendumfrage in der ersten Maihälfte von einem Patt zwischen den Befürwortern und Gegnern sprach, trug nicht unbedingt zur Abkühlung des hitzig geführten Abstimmungskampfes bei – obwohl das Ja-Komitee unter der Führung der CVP laut eigenen Aussagen bereits zu diesem Zeitpunkt das gesamte Abstimmungskampfbudget aufgebraucht hatte. Tatsächlich blieb es um das offizielle Pro-Komitee im weiteren Verlauf der Abstimmungskampagne relativ still. Ferner formierten sich regionale Komitees, bestehend aus lokalen Radio- und TV-Stationen, um für ein Ja an der Urne zu werben. Nicht zuletzt war es denn auch die SRG, welche ihre 23'000 Mitglieder in einem Brief aufforderte, aktive Mobilisierungs- und Überzeugungsarbeit zu leisten. Finanziell besser aufgestellt zeigte sich das gegnerische Komitee, welches mit einer provokanten Abstimmungszeitung aufwartete, die mit einer Auflage von 2,5 Mio. in den grösseren Städten und Agglomerationen verteilt wurde. "Not amused" gab sich in diesem Zusammenhang der Zürcher Stadtrat Filippo Leutenegger (fdp), welcher sich auf Seite 3 der Zeitung gegen die SRG wetternd wiederfand. Er habe keine Kenntnisse über seine Rolle in der Abstimmungszeitung gehabt; die Macher hätten Auszüge aus einem vergangenen Interview zusammengeschnitten und aus dem Kontext gerissen. Der Redaktionsleiter der Abstimmungszeitung gab auf Anfrage denn auch zu, dass Leutenegger weder Autor des Artikels sei noch von dessen Erscheinen gewusst habe. Der grundsätzliche Stil der SGV-Kampagnenführung wurde als gehässig aufgefasst, was jedoch aufgrund der Zusammenarbeit mit der Werbeagentur Goal, unter anderem Erfinder der Minarett-Raketen und der Messerstecherplakate, nicht erstaunt: Auf gewissen Inseraten der Gegner war eine blutige Hand mit abgehackten Fingern zu sehen, die in eine Mausefalle (als Metapher für die "Steuerfalle") getappt war. Bezüglich Ausgewogenheit der Inseratekampagne in den Printmedien registrierte Année Politique Suisse beinahe ein Gleichgewicht zwischen Befürwortern und Gegnern in Bezug auf die Anzahl der publizierten Inserate, wobei sich die gegnerische Seite für leicht mehr Inserate verantwortlich zeigte. Die Tonalität der Kampagne in der Berichterstattung der Medien fiel gemäss dem Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) zu Gunsten der Gegner aus.

Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) vom 26. September 2014
Dossier: Revisionen des Bundesgesetzes über Radio- und Fernsehen (RTVG)

Auch die ständerätliche Debatte zur RTVG-Revision kann mit einer Dauer von vier Stunden und verschiedenen Änderungsanträgen als umkämpft bezeichnet werden. Obgleich Eintreten unbestritten war, hatte auch die kleine Kammer über einen Rückweisungsantrag zu befinden: Der Einzelantrag Altherr (fdp, AR) wollte vor der parlamentarischen Debatte zur RTVG-Revision den Bericht über die Service-public-Leistungen der SRG unter Berücksichtigung der Stellung und Funktion privater Rundfunkanbieter abwarten, um die Gesetzesanpassung auf Basis eines klar umrissenen Leistungsauftrags des Service public zu beraten. Obwohl die kleine Kammer mit ebenfalls im Rahmen der RTVG-Debatte erfolgter Zustimmung zu einem Postulat der eigenen Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF) der Erarbeitung eines solchen Berichts zustimmte, wollte die Ratsmehrheit diesen innerhalb zweijähriger Frist zu erarbeitenden Bericht nicht abwarten und lehnte den Rückweisungsantrag mit 31 zu 13 Stimmen deutlich ab. Bundesrätin Leuthard stellte in einem ausführlichen Plädoyer klar, dass es bei der aktuellen Debatte rein um den Systemwechsel gehe; die Debatte um den Service public werde man zu einem späteren Zeitpunkt führen. Ferner verwies sie auf den verfassungsmässig bestehenden Leistungsauftrag, wonach Schweizer Radio und Fernsehen "zur Bildung und kulturellen Entfaltung, zur freien Meinungsbildung und zur Unterhaltung" beitragen.
In der folgenden Detailberatung stimmte der Ständerat in den meisten Fällen der Version des Nationalrats zu. So stützte die Kantonskammer entgegen einer Kommissionsminderheit Theiler (fdp, LU) auch den im Erstrat nur mit Stichentscheid des Präsidenten zustande gekommenen Beschluss, die Unternehmen mit einem Jahresumsatz von CHF 500'000 oder höher nicht von der Abgabe zu befreien, und er tat dies mit einer relativ deutlichen Mehrheit von 25 zu 14 Stimmen. Differenzen zur grossen Kammer schuf der Ständerat namentlich in der Frage zum Opting-out, in der Festlegung der Abgabenhöhe für private Veranstalter mit Abgabenanteil sowie betreffend Fixierung der Gebührenanteile für Radio und Fernsehen; letztere - in der Frühjahrssession vom Nationalrat eingeführte Bestimmung zur Fixierung der Abgabenanteile - strich er aus dem Entwurf. Oppositionslos beschloss der Rat, gänzlich auf die temporäre Möglichkeit zur Abgabebefreiung zu verzichten. Auf Antrag einer bürgerlichen Kommissionsminderheit stimmte der Ständerat mit 28 zu 14 Stimmen einer erneuten Erhöhung der Spannbreite für die Abgabenanteile an die privaten Anbieter zu (4-6%). Bundesrätin Leuthard (cvp), die diesen Entscheid quantifizierte, sprach bei dieser Lösung von einem Betrag von insgesamt CHF 81 Mio.; die vom Nationalrat vorgeschlagene Spannbreite von 4-5% würde zu ungefähren Gebührenanteilen von CHF 67 Mio. führen. Der bundesrätliche Entwurf beinhaltete eine Spannbreite von 3-5%. Eine weitere Differenz schuf der Ständerat bei der Frage zum Umgang mit Überschüssen aus den Gebührenanteilen. Während eine Mehrheit im Nationalrat gemäss bundesrätlichem Entwurf die Überschüsse den Gebührenzahlenden zurückerstatten wollte, stand eine ständerätliche Mehrheit für eine Umverteilung nach festgelegtem Schlüssel an die privaten Veranstalter mit Abgabenanteil ein. Kommissionssprecher Imoberdorf (csp, VS) vertrat die Ansicht, dass die Rückerstattung eines kleinen Betrags an die einzelnen Gebührenzahler einen unverhältnismässigen bürokratischen Aufwand verursachen würde. Bis zu einem Viertel der Überschüsse sollen für die Aus- und Weiterbildung eingesetzt werden, maximal drei Viertel könnten für die Förderung neuer Verbreitungstechnologien oder digitaler Fernsehproduktionsverfahren sowie bis zu 10% für die allgemeine Information der Öffentlichkeit verwendet werden. Mit 25 zu 11 Stimmen aus dem bürgerlichen Lager schickte der Ständerat die so modifizierte Vorlage zur Differenzbereinigung zurück in den Nationalrat.

Änderung des Bundesgesetzes über Radio und Fernsehen (RTVG) vom 26. September 2014
Dossier: Revisionen des Bundesgesetzes über Radio- und Fernsehen (RTVG)