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Jahresrückblick 2022: Parteien

Die Parteien als wichtige politische Akteure werden in der Öffentlichkeit besonders stark im Zusammenhang mit Wahlen und Abstimmungen wahrgenommen. Mit den Bundesratsersatzwahlen vom Dezember 2022 schnellte insbesondere die Medienpräsenz der SVP und der SP, in geringerem Mass auch jene der Grünen in die Höhe (siehe Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse 2022 im Anhang).
Die SVP hatte dabei den zurücktretenden Ueli Maurer zu ersetzen. Zu reden gab dabei, dass die in den letzten Jahrzehnten tonangebende Zürcher Kantonalsektion erst nach längerer Suche überhaupt eine Kandidatur präsentieren konnte (alt Nationalrat Hans-Ueli Vogt), während die Berner Sektion mit Nationalrat Albert Rösti und Ständerat Werner Salzmann gleich zwei Kandidaten ins Rennen schicken konnte. Relativ früh zeichnete sich ab, dass es anders als bei früheren Bundesratswahlen bei der SVP zu keiner Zerreissprobe und allfälligen Parteiausschlüssen kommen würde, da die anderen Fraktionen keine Ambitionen erkennen liessen, eine Person ausserhalb des offiziellen SVP-Tickets zu wählen, für das die SVP-Fraktion letztlich Vogt und Rösti auswählte. Schliesslich erhielt die SVP mit Albert Rösti einen Bundesrat, der als linientreu und gleichzeitig umgänglich im Ton gilt.
Die SP wiederum hatte nach dem überraschenden Rücktritt von Simonetta Sommaruga nur wenig Zeit für die Nominierung ihrer Kandidaturen. Für gewisse Turbulenzen sorgte hier der von der Parteispitze rasch und offensiv kommunizierte Antrag an die Fraktion, sich auf Frauenkandidaturen zu beschränken. Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) rebellierte zunächst dagegen und gab seine eigene Kandidatur bekannt, zog diese aber wieder zurück, nachdem die SP-Fraktion dem Antrag der Parteispitze deutlich zugestimmt hatte. Mit einer «Roadshow» der Kandidatinnen in verschiedenen Landesteilen versuchte die SP trotz der knappen Zeit noch vom Schaufenstereffekt der Bundesratswahlen zu profitieren. Aufs Ticket setzte die Fraktion schliesslich die beiden Ständerätinnen und ehemaligen Regierungsrätinnen Eva Herzog (BS), die Mitglied der SP-Reformplattform ist und eher dem rechten Parteiflügel zugerechnet wird, und Elisabeth Baume-Schneider (JU), die als umgänglicher und weiter links stehend gilt. Im Parlament gingen in den ersten Wahlgängen überraschend viele Stimmen an den nicht auf dem Ticket stehenden Jositsch, bevor schliesslich Baume-Schneider den Vorzug vor Herzog erhielt. Wenig erbaut zeigte sich die SP von der anschliessenden Departementsverteilung, bei der Baume-Schneider das EJPD zugeteilt und Alain Berset ein angeblich gewünschter Wechsel aus dem EDI verwehrt wurde.
Dass weder die SVP noch die SP um ihre zweiten Bundesratssitze bangen mussten, hatte auch damit zu tun, dass sich die Grünen, die bei den letzten Gesamterneuerungswahlen noch mit einer Sprengkandidatur angetreten waren, selbst früh aus dem Rennen nahmen. Manche Beobachterinnen und Beobachter warfen den Grünen deswegen Harmlosigkeit und mangelnden Machtinstinkt vor. Die Grünen argumentierten dagegen, dass ein Angriff auf den SP-Sitz dem rot-grünen Lager keine Stärkung bringen würde und ein Angriff auf den SVP-Sitz aussichtslos gewesen wäre, weil das «Machtkartell» der bisherigen Bundesratsparteien keine Sitzverschiebungen wolle.

Alle 2022 durchgeführten kantonalen Wahlen wurden von den Medien auch als Tests für den Formstand der Parteien im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen im Herbst 2023 interpretiert. Die grossen Zwischenbilanzen, die im März nach den kantonalen Wahlen in Bern, der Waadt, Obwalden und Nidwalden gezogen wurden, bestätigten sich im Wesentlichen auch in den folgenden Glarner und Zuger Wahlen (allerdings nicht in Graubünden, das wegen einem Wechsel des Wahlsystems jedoch einen Sonderfall darstellt): Die «grüne Welle» rollte weiter, zumal die Grünen und noch stärker die GLP fast durchwegs Zugewinne verbuchen konnten. Demgegenüber büssten alle vier Bundesratsparteien Stimmenanteile ein, am deutlichsten die SP. Spekulationen über Gewinne und Verluste bei den nationalen Wahlen und mögliche Auswirkungen für die Sitzverteilung im Bundesrat sind freilich zu relativieren, weil sich Themen- und Parteienkonjunktur bis im Oktober 2023 noch deutlich verändern können und sich kantonale Wahlergebnisse aus mehreren Gründen nicht einfach auf die nationale Ebene übertragen lassen.

Misst man den Rückhalt der Parteien an ihrem Erfolg in den Volksabstimmungen, so ergibt sich ein etwas anderes Bild: Am häufigsten – nämlich bei 8 von 11 Abstimmungsvorlagen – stand dieses Jahr die EVP mit ihren Parolen auf der Siegerseite, gefolgt von EDU, FDP, GLP und Mitte (je 7). Seltener jubeln konnten die Parteien an den linken und rechten Polen des Spektrums (Grüne, PdA, SP und SVP: je 6). Freilich ist nicht jede Abstimmungsvorlage für jede Partei gleich wichtig. So war etwa für die SP das knappe Ja zur AHV-21-Reform mit der Frauenrentenaltererhöhung besonders schmerzhaft, die beiden Nein zu den Teilabschaffungen von Stempel- und Verrechnungssteuer hingegen besonders erfreulich. Für FDP und SVP war es gerade umgekehrt, daneben war für sie auch die Ablehnung des Medienpakets ein bedeutender Erfolg.

Mit Blick auf ihre Mitgliederzahlen sahen sich derweil fast alle grösseren Parteien im Aufwind: GLP, Grüne, Mitte, SP und SVP meldeten im Vergleich zu 2020 Mitgliederzuwächse im vierstelligen Bereich, die FDP hatte keine Informationen zu ihrer aktuellen Mitgliederentwicklung. Ein Grund für die vermehrte Hinwendung zu den Parteien könnte sein, dass die stark alltagsrelevante Covid-19-Pandemie, die intensivierte Diskussion um den Klimawandel und aussergewöhnlich intensive Abstimmungskämpfe etwa zur Konzernverantwortungsinitiative im November 2020 und zu den beiden Covid-19-Gesetzesvorlagen im Juni und im November 2021 viele Bürgerinnen und Bürger stärker politisiert haben.

Das Jahr brachte in der Schweizer Parteienlandschaft auch einige strukturelle Veränderungen. So ist mit der Gründung einer Kantonalsektion in Uri die GLP nun erstmals in sämtlichen Kantonen präsent. Bei der BDP fand zum Jahresbeginn der umgekehrte Weg seinen Abschluss: Am 1. Januar 2022 hörten die letzten beiden BDP-Kantonalsektionen auf zu existieren, nachdem die Partei auf nationaler Ebene schon ein Jahr davor in der Mitte aufgegangen war. Ganz aufgelöst wurde sodann die Partei national orientierter Schweizer (Pnos), die als parteipolitischer Arm der rechtsextremen Szene in der Schweiz gegolten hatte. Sie war im Parteiensystem nie über eine marginale Rolle hinausgekommen. Ihre Auflösung bedeutet allerdings nicht das Aussterben rechtsextremer Ideologien im Land, sondern lediglich das – vorläufige – Ende der parteipolitischen Aktionsform des Milieus.

Nachdem der Bundesrat im zu Ende gehenden Jahr das Gesetz und eine konkretisierende Verordnung zur Transparenz der Politikfinanzierung in Kraft gesetzt hat, werden sich die Parteien im neuen Jahr erstmals an die entsprechenden Regeln halten müssen. Die Parteien, die in der Bundesversammlung vertreten sind, haben unter anderem ihre Gesamteinnahmen sowie Zuwendungen von über CHF 15'000 offenzulegen.

Jahresrückblick 2022: Parteien
Dossier: Jahresrückblick 2022

Wer die Schweizer Politik finanziert, ist eine Frage, die ebendiese Schweizer Politik schon seit Langem umtreibt. Just zu der Zeit, als auf Bundesebene erstmals eine Transparenzgesetzgebung in Kraft trat und in mehreren Kantonen ähnliche Bestrebungen liefen, um mehr Licht ins Dunkel von Parteien- und Kampagnenfinanzen zu bringen, knöpfte sich anfangs 2022 auch ein neues Buch das Thema vor. Verfasst hatten es Peter Buomberger, ehemaliger Chefökonom der UBS, und Daniel Piazza (LU, mitte), früherer Finanzchef der CVP Schweiz und mittlerweile Mitte-Kantonsrat in Luzern. Für die Jahre 2019 – ein eidgenössisches Wahljahr – und 2020 – das Jahr mit dem äusserst intensiv geführten Abstimmungskampf zur Konzernverantwortungsinitiative – untersuchten sie, wie viel Geld Parteien, Verbände, NGOs und Komitees für Abstimmungs- und Wahlkampagnen sowie sonstige politische Arbeit eingesetzt und aus welchen Quellen sie sich finanziert hatten. Dabei stützten sich die Autoren mangels öffentlicher Angaben auf Interviews mit Insidern und Expertinnen und leiteten daraus Schätzungen ab. Die Aargauer Zeitung und der Tages-Anzeiger hoben unter anderem die folgenden Erkenntnisse aus dem Buch hervor:

Erstens seien die Parteien in finanzieller Hinsicht bei weitem nicht die potentesten Akteure der Schweizer Politik: Rechne man die Budgets der untersuchten Wirtschaftsverbände und links-grünen NGOs zusammen, sei die Summe doppelt so gross wie für alle Parteien zusammen. Mit anderen Worten: Von den insgesamt gegen 65 Millionen, die 2019 für die politische Arbeit eingesetzt worden seien, sei nur ein Drittel auf die Parteien entfallen. Wie Buomberger in der NZZ erklärte, weise der Trend sogar in Richtung eines noch geringeren Anteils der Parteien an den politischen Spendengeldern, sowohl auf bürgerlicher als auch auf linker Seite. Der Grund dafür sei gemäss seinen Erkenntnissen, dass ein zunehmender Teil der Spenderinnen und Spender sich sicherer seien, wofür eine NGO oder ein monothematischer Politakteur stehe, während Parteien offenbar als weniger greifbar gelten. Viele seiner Auskunftspersonen dächten deshalb, dass man «mehr konkreten Nutzen für sein Geld [bekommt], wenn man es beispielsweise eher dem WWF statt einer linken Partei gibt und eher Avenir Suisse statt einer bürgerlichen Partei», so Buomberger.

Zweitens seien links-grüne NGOs mittlerweile finanzstärker als Wirtschaftsverbände: Das Buch kam zum Schluss, dass links-grüne Nichtregierungsorganisationen einschliesslich der Gewerkschaften bei den Abstimmungskämpfen in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt etwa einen Drittel mehr Geld eingesetzt hätten als die bürgerlichen Wirtschaftsverbände. Gemäss dem Tages-Anzeiger zeigten sich die beiden Buchautoren «sicher», dass sich das Blatt somit gewendet habe, seit 2011 eine Studie des Politgeografen Michael Hermann festgehalten hatte, dass die Linke sich in fast allen Kampagnen mit einer finanziellen Übermacht der Bürgerlichen konfrontiert sehe. Die Medien wiesen indessen darauf hin, dass der Untersuchungszeitraum der neuen Studie mit zwei Jahren relativ limitiert war und einige Kampagnen umfasste, die von NGO-Seite aussergewöhnlich intensiv geführt worden waren, so etwa die Konzernverantwortungsinitiative 2020; als weiteres Beispiel für eine ungewöhnlich starke NGO-Kampagne wäre das Jagdgesetz 2020 zu nennen (Flückiger/Bühlmann 2020).

Drittens bildeten gemäss Piazzas und Buombergers Erkenntnissen nicht etwa Firmen oder der Staat, sondern Einzelpersonen das Rückgrat der Schweizer Politikfinanzierung: Insgesamt seien im Wahljahr 2019 rund CHF 100 Mio. für Wahl- und Abstimmungskampagnen zusammengekommen, im Jahr 2020 rund CHF 63 Mio. Davon stammten jeweils rund zwei Drittel von Privaten (69 bzw. 40 Mio.), was die Beiträge der Unternehmen (24 bzw. 19 Mio.) sowie die staatliche Finanzierung in Form von Fraktionsbeiträgen (7 bzw. 4 Mio.) deutlich übertroffen habe. Zu den Privatpersonen zählten die Buchautoren dabei auch die Mandatsbeiträge, die Amtsträgerinnen und -träger an ihre Parteien abliefern.

Viertens allerdings unterschieden sich die Gewichte der Finanzierungsquellen je nach Partei deutlich: Bei den bürgerlichen Parteien machten Beiträge von Firmen gut einen Drittel des Budgets aus, Beiträge von Privaten etwas weniger als einen Drittel. Bei den links-grünen Parteien stammten hingegen über 70 Prozent der Einnahmen von Einzelpersonen und weniger als 10 Prozent von Unternehmen. Die staatlichen Fraktionsbeiträge machten bei allen Parteien rund einen Viertel aus.

Fünftens würden Wahlkampagnen zu einem deutlich grösseren Teil von den Kandidierenden als von den Parteien bestritten, jedenfalls im eidgenössischen Wahljahr 2019: Von insgesamt rund CHF 60 Mio. Wahlkampfausgaben seien 80 Prozent auf die einzelnen Kandidierenden entfallen und nur etwa 20 Prozent auf die Parteien. Die Kandidierenden wiederum hätten ihre Mittel grösstenteils von Privatpersonen erhalten.

Buch «Wer finanziert die Schweizer Politik?»
Dossier: Finanzierung der Politik

Jahresrückblick 2021: Institutionen und Volksrechte

Der Bundesrat stand auch 2021 vor allem aufgrund seiner Entscheide im Rahmen der Covid-19-Pandemie im Fokus – wobei er je nach Verlauf der Fallzahlen dafür kritisiert wurde, mit zu viel Macht ausgestattet zu sein und zu viele Massnahmen zu ergreifen, oder aber dafür, in Anbetracht der Lage zu wenig zu tun. Die über 60 Prozent Ja-Stimmen bei beiden Covid-Referenden (im Juni und im November) können freilich auch als ziemlich breite Unterstützung der bundesrätlichen Massnahmen-Politik interpretiert werden. Covid-19 bzw. vielmehr das Argument, dass gerade die Pandemie zeige, wie stark die Arbeitsbelastung der sieben Mitglieder der Landesregierung zunehme, stand Pate für die Forderung nach einer Erhöhung der Zahl der Bundesratsmitglieder auf neun – eine Forderung, die seit 1848 schon zwölf Mal gescheitert war. Zwar stiess die Idee in der Wintersession im Nationalrat auf offene Ohren, das Anliegen wird aber im nächsten Jahr im Ständerat wohl auf mehr Widerstand stossen – die SPK-SR hatte sich bereits im Juni dagegen ausgesprochen. Als Institution war die Regierung ansonsten im Vergleich zu früheren Jahren seltener Gegenstand der medialen Berichterstattung. Das dürfte auch damit zu tun haben, dass im Berichtsjahr für einmal vergleichsweise selten über mögliche Rücktritte von Magistratinnen und Magistraten spekuliert wurde. Seit nunmehr drei Jahren ist die Zusammensetzung der Exekutive unverändert.

Auch für die Mitarbeitenden der Bundesverwaltung wird Covid-19 Folgen haben. Aufgrund der Erfahrungen, die beim Lockdown gemacht worden waren, forderten mehrere Vorstösse, dass der Bund mittels dezentralisierter und digitalisierter Arbeitsplätze im Sinne von Homeoffice nachhaltiges Arbeiten ermöglichen soll. Beide Räte hiessen eine entsprechende Motion gut und rannten damit beim Bundesrat offene Türen ein. Nicht einig waren sich die Räte hingegen bei der Frage, ob für die obersten Kader der sieben grossen Bundesunternehmen ein Lohndeckel gesetzlich festgeschrieben werden soll. Der Ständerat lehnte die Forderung, die auf eine parlamentarische Initiative aus dem Jahr 2016 zurückgeht, ab, der Nationalrat wollte auch in der Wintersession weiter an ihr festhalten.

Auch im Parlament war Covid-19 nach wie vor Thema Nummer 1. Nicht nur war das Virus Gegenstand zahlreicher inhaltlicher Debatten, sondern es zwang auch im Bundeshaus zu unterschiedlichen Verhaltensmassnahmen: Zwar konnten im Gegensatz zu 2020 alle Sessionen im Bundeshaus stattfinden, allerdings mussten auch im Parlament je nach Pandemiesituation die Masken- oder Zertifikatspflicht eingehalten werden. Zudem sollten Plexiglasscheiben an den Plätzen in den Ratssälen zusätzlichen Schutz vor dem Virus gewähren. Auch unter Pandemie-bedingt erschwerten Arbeitsbedingungen wurden Beschlüsse gefasst, die den Parlamentsbetrieb wohl nachhaltig verändern werden: So einigten sich beide Kammern auf ein neues Differenzbereinigungsverfahren bei Motionen. Nicht zuletzt sollen im Ständerat künftig sämtliche Abstimmungsresultate veröffentlicht werden. Nach 20-jähriger Opposition und nicht weniger als acht gescheiterten Vorstössen wird also auch die «Dunkelkammer Ständerat», wie Thomas Minder (parteilos, SH) sie nach der 2014 eingeführten elektronischen Abstimmung bei Gesamt- und Schlussabstimmungen bezeichnet hatte, vollständig ausgeleuchtet. Ob dies nun zu einem «Transparenzexzess» und einer Änderung der Diskussionskultur in der «Chambre de réflexion» führen wird, wie dies die ablehnende Minderheit befürchtete, wird sich weisen.

Das Verhältnis zwischen Legislative und Judikative war im vergangenen Jahr aus zwei gewichtigen Gründen Gegenstand von Diskussionen. Auf der einen Seite führten die im November an der Urne mit 31.9 Prozent Ja-Stimmenanteil recht deutlich abgelehnte Justizinitiative sowie der im Parlament verworfene Gegenvorschlag zur Frage, ob die Wahl von Bundesrichterinnen und Bundesrichtern durch das Parlament die Unabhängigkeit der dritten Gewalt beeinträchtige. Auf der anderen Seite zeigten die Schwierigkeiten mit der Besetzung der Bundesanwaltschaft – gleich dreimal musste die Stelle ausgeschrieben werden, bis in der Herbstsession ein neuer Bundesanwalt gewählt werden konnte – und die vorgängigen Diskussionen um die Erhöhung der Alterslimite in der höchsten Strafbehörde, wie schwierig es für das Parlament ist, bei der Besetzung von Gerichtsstellen ideologische Gesichtspunkte der Sachpolitik unterzuordnen – so die Kommentare in einigen Medien.

Auch das Funktionieren der direkten Demokratie war 2021 Gegenstand politischer Diskussionen. Das Parlament hiess einen Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative gut, der teilweise weiter geht, als von den Initiantinnen und Initianten verlangt. Das Initiativkomitee zog in der Folge sein Begehren zurück. Mit der Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte müssen Parteien ab dem Herbst 2022 ihre Budgets und insbesondere Spenden über CHF 15'000 offenlegen und auch Komitees von Wahl- und Abstimmungskampagnen, die mehr als CHF 50'000 aufwenden, haben ihre Finanzeinkünfte auszuweisen.
Vom Tisch ist hingegen die Möglichkeit, Staatsverträge dem obligatorischen Referendum zu unterstellen. Der Ständerat hatte sich zwar für diesen Ausbau der direkten Demokratie eingesetzt, der Nationalrat wollte aber definitiv nichts davon wissen. Noch hängig ist hingegen ein Entscheid, mit dem allenfalls ein Ausbau partizipativer Elemente im politischen System der Schweiz umgesetzt würde. Noch 2020 hatte sich der Nationalrat dafür ausgesprochen, einer parlamentarischen Initiative, mit der die Einführung des Stimmrechtsalters 16 gefordert wird, Folge zu geben. Auch die SPK-SR konnte sich für den Vorstoss erwärmen. Allerdings machte die SPK-NR im November mit Verweis auf einige kantonale Abstimmungen, bei der die Senkung des Stimm- und Wahlrechtsalters auf grosse Skepsis gestossen war, einen medial stark beachteten Rückzieher – dieses Anliegen wird wohl zukünftig noch zu reden geben. Viel zu reden und zu schreiben gab im Berichtsjahr zudem ein Jubiläum, das auch als Zeugnis dafür gelesen werden kann, dass die direkte Demokratie strukturelle Minderheiten ausserhalb des Entscheidsystems tendenziell benachteiligt: 1971 – also vor 50 Jahren – war das Frauenstimm- und -wahlrecht eingeführt worden – allerdings erst im zweiten Versuch und sehr lange nach den meisten anderen demokratischen Staaten.

Im Gegensatz zum Vorjahr, als eine Volksabstimmung hatte verschoben und verschiedene Fristen hatten verlängert werden müssen, hatte die Pandemie 2021 keine unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren der direkten Demokratie. Ganz ohne Covid-19 ging es aber auch 2021 nicht: Die Schweizer Stimmbevölkerung war dabei die einzige weltweit, die – wie eingangs erwähnt – zweimal an die Urne gerufen wurde, um über denjenigen Teil der Massnahmen zu befinden, der von Bundesrat und Parlament in ein separates Gesetz gegossen worden war. Zwar wurde die Kampagne insbesondere zur zweiten Revision des Covid-19-Gesetzes teilweise sehr emotional geführt, im Anschluss an den Urnengang legten sich die Emotionen aber zumindest gegen aussen wieder etwas. Die nicht nur beim zweiten Covid-Referendum, sondern auch bei der Kampagne zum CO2-Gesetz, der Trinkwasser- und der Pestizidinitiative aussergewöhnlich hart geführten Auseinandersetzungen dürften mit ein Grund sein, weshalb die direkte Demokratie mehr Medienaufmerksamkeit generierte als in den beiden Jahren zuvor.

Jahresrückblick 2021: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2021

Nachdem der Nationalrat entgegen der Mehrheit seiner APK-NR der parlamentarischen Initiative von Jacques Nicolet (svp, VD) Folge gegeben hatte, musste sich auch der Ständerat zur Idee einer Stärkung der demokratischen Rolle des Parlamentes bei Handelsabkommen äussern. Auch die APK-SR empfahl mit 5 zu 3 Stimmen (2 Enthaltungen), dem Anliegen keine Folge zu geben. Es gebe für das Parlament genügend Mitwirkungsmöglichkeiten in der internationalen Handelspolitik der Schweiz und ein stärkeres Einmischen würde den nötigen Verhandlungsspielraum für den Bundesrat zu stark beschränken, argumentierte die Kommissionsmehrheit im Rat, vertreten durch Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU). Die Minderheit hingegen befürwortete die Schaffung gesetzlicher Grundlagen, um der Aushandlung von Handelsabkommen Leitplanken zu geben. Die kleine Kammer folgte der Kommissionsmehrheit und versenkte den Vorstoss ohne Diskussion.

Stärkung der demokratischen Rolle des Parlamentes bei Handelsabkommen (Pa.Iv. 19.477)

Er könne sich kurz halten, da es keine neuen Argumente gebe und auch in der neuerlichen Debatte keine aufgetaucht seien, gab Gerhard Pfister (mitte, ZG) in der Wintersession 2021 bei der Diskussion um die Einführung eines obligatorisches Referendums für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter für die Kommission zu Protokoll: Die Mehrheit der SPK-NR beantrage Festhalten am ursprünglichen Nichteintretensentscheid, weil sie keinen Handlungsbedarf sehe und die Vorlage zu wenig ausgereift sei. Eine erstarkte Minderheit – ursprünglich hatte die Kommission die Vorlage mit 17 zu 8 Stimmen abgelehnt, im zweiten Durchgang standen sich 13 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung gegenüber – wolle vor allem auch den Kantonen mit Berücksichtigung des Ständemehrs mehr Gewicht geben.
Die erneute Debatte war nötig geworden, weil der Ständerat auf die Vorlage eintreten wollte, obwohl die grosse Kammer zuvor schon nichts von der Idee hatte wissen wollen. Die Sprecherinnen und Sprecher der Fraktionen hatten vor dem Votum Pfisters ihre Positionen noch einmal ausgeführt. Marco Romano (mitte, TI) sprach sich im Namen der Mitte für eine Stärkung der Volksrechte, für die Zustimmung zum Beschluss des Ständerats und also für Eintreten aus. Die SP-Fraktion – vertreten durch Samira Marti (sp, BL) – war für Festhalten. Marti warf dem Ständerat vor, mit der Forderung nach dem obligatorischen Referendum die Macht der Kantone über Gebühr stärken zu wollen. Damit würden nicht nur «die Stimme der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger» und damit das «Demokratieprinzip» an und für sich geschwächt, zudem bedeute die notwendige Zustimmung der Kantone insbesondere bei Verträgen, in denen es um Grundrechte gehe, «höhere Hürden für einen effektiven Menschenrechtsschutz». Mit der Einführung des Ständemehrs würde überdies die im Moment auch im Rahmen der Covid-19-Pandemie viel diskutierte Spaltung der Gesellschaft noch weiter vorangetrieben. Gregor Rutz (svp, ZH) warb im Namen der SVP-Fraktion für Eintreten: Es gebe immer mehr Staatsverträge, die «direkt oder indirekt auf unsere Kompetenzordnung zugreifen», weshalb es notwendig sei, solche Abkommen Volk und Ständen zu unterbreiten. Nachdem Nationalratsvizepräsident Martin Candinas (mitte, GR) die Positionen der drei restlichen Fraktionen bekannt gegeben hatte – die FDP-Fraktion unterstütze die Minderheit, die GLP- und die GP-Fraktionen die Mehrheit – erklärte Kommissionssprecher Pfister den Grund für die Erstarkung der Kommissionsminderheit: Verschiedene Kommissionsmitglieder hatten entschieden, dem Ständerat entgegenzukommen. Dies wollte aber eine deutliche Mehrheit der grossen Kammer nicht: Zum zweiten Mal lehnten die SP-, GLP- und die GP-Fraktionen die Vorlage geschlossen ab. Die Mitte-Fraktion war gespalten und auch die FDP-Liberale Fraktion stimmte trotz anderslautender Fraktionsempfehlung grossmehrheitlich gegen Eintreten. Damit standen 114 Stimmen 69 Stimmen, die vor allem aus der SVP- und der Mitte-Fraktion stammten, gegenüber und versenkten die Vorlage endgültig.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (BRG. 20.016)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Weil die Referendumsfrist zum Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative abgelaufen sei und damit ab den eidgenössischen Wahlen 2023 erstmals Transparenz hinsichtlich Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen geschaffen werden müsse, brauche es ihr Postulat nicht mehr, gab Mattea Meyer (sp, ZH) in der Herbstsession 2021 als Begründung für den Rückzug ihres Anliegens zu Protokoll. In ihrem Postulat hätte sie eine Studie zur Wahlkampf- und Abstimmungsfinanzierung bei den eidgenössischen Wahlen 2011, 2015 und 2019 sowie bei drei umstrittenen Abstimmungsvorlagen gefordert. Der Bundesrat hatte das Postulat zur Ablehnung empfohlen, weil die Studie auf einer freiwilligen Selbstdeklaration der Kampagnenführenden beruht hätte und die Ergebnisse deshalb wohl kaum überprüfbar gewesen wären.

Studie zur Wahlkampf- und Abstimmungsfinanzierung (Po. 19.4186)

Weil der Nationalrat als Zweitrat in seiner Sondersession im Mai 2021 nicht auf den Entwurf des Bundesrats für ein obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter eingetreten war, gelangte das Geschäft wieder in die kleine Kammer. Dort machte sich Andrea Caroni (fdp, AR) als Kommissionssprecher für die Mehrheitsposition der SPK-SR stark, die mit 9 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung Festhalten am bereits gefassten Eintretensentscheid beantragte. Die Vorlage stärke die Volksrechte, schaffe mehr Transparenz und erhöhe die Rechtsstaatlichkeit – so Caroni. Das bestehende obligatorische Staatsvertragsreferendum weise Lücken auf und müsse ergänzt werden. Es dürfe nicht dem Gutdünken des Parlaments überlassen werden, welche Verträge obligatorisch von Volk und Ständen gutgeheissen werden sollen, wie dies jetzt eigentlich der Fall sei. In der Schwesterkommission sei vor allem diskutiert worden, mit welcher Regel entschieden werden solle, wann ein Vertrag Verfassungscharakter habe und dem obligatorischen Referendum unterstellt werden müsse. Es gebe hier unterschiedliche Stossrichtungen, die, falls Eintreten bestätigt würde, auch im Nationalrat noch einmal diskutiert werden könnten: Mit dem ersten vom Bundesrat vorgeschlagenen Ansatz würde beurteilt, ob der Inhalt eines internationalen Vertrags auch innerstaatlich in die Verfassung geschrieben werden würde. Die Bejahung dieser Frage würde ein obligatorisches Referendum nach sich ziehen. Ein neu diskutierter Ansatz würde auf die politische Bedeutung und die Tragweite eines Vertrags abstellen. Nur «Verträge von politisch grosser Tragweite» würden Volk und Ständen zur Beurteilung vorgelegt. Da die neu diskutierten, auf diesen Ansätzen beruhenden Lösungen «verheissungsvoll» seien und aus Sicht der Kommission nach wie vor Handlungsbedarf bestehe, plädierte sie auf Festhalten am Eintretensentscheid.
Für die Kommissionsminderheit ergriff Daniel Jositsch (sp, ZH) das Wort. Er erinnerte daran, dass Verträge, mit denen die Verfassung tangiert würden, nur «alle paar Jahrzehnte einmal» vorliegen würden. Er sehe nicht ein, weshalb das bisherige Vorgehen, mit dem das Parlament ein obligatorisches Staatsvertragsreferendum sui generis beschliesse, geändert werden müsse. Auch sei die Gefahr einer Politisierung von Staatsverträgen geringer, wenn weiterhin das Parlament entscheide, Staatsverträge dem Volk «sua sponte» vorzulegen, als wenn jemand darüber befinden müsse, wann von politisch grosser Tragweite gesprochen werden könne.
Zwar machte Paul Rechsteiner (sp, SG) in der Folge auf die recht deutliche Opposition im Nationalrat aufmerksam, die Nicht-Eintreten auch im Ständerat opportun mache, sowohl Daniel Fässler (mitte, AI) als auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter warben aber dafür, der SPK-NR und dem Nationalrat noch einmal eine Chance für weitere Reflexionen zu diesem wichtigen Thema zu verschaffen. Dies schien die Mehrheit der kleinen Kammer ebenso zu sehen. Mit 29 zu 10 Stimmen (2 Enthaltungen) wurde Festhalten beschlossen und das Geschäft noch einmal zurück in die Volkskammer geschickt.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (BRG. 20.016)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Ende August verabschiedete der Bundesrat die Verordnung über die Transparenz bei der Politikfinanzierung. Das geänderte Bundesgesetz über die politischen Rechte wurde per 23. Oktober 2022 in Kraft gesetzt. Die neue Regelungen basieren auf einem indirekten Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative, welche in der Folge zurückgezogen worden war. Die Revision der Verordnung sah nun zwei grundlegende Änderungen vor:
Erstmals für das Kalenderjahr 2023 müssen einerseits alle Parteien sowie alle Parteilosen, die im eidgenössischen Parlament vertreten sind, sämtliche Einnahmen melden. Zudem sind die Namen von Spenderinnen und Spendern von Beträgen über CHF 15'000 sowie alle Beiträge von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern (z.B. Parteimitglieder im Bundesrat oder in eidgenössischen Gerichten) einzeln in dieser Jahresrechnung aufzuführen. Parteilose Parlamentsmitglieder müssen ebenfalls alle Spenden ausweisen. Als Spenden gelten dabei monetäre wie auch nichtmonetäre Zuwendungen. Anonyme Zuwendungen oder Spenden aus dem Ausland dürfen nicht angenommen werden. Die Angaben sind jeweils spätestens bis Mitte des Folgejahres der EFK vorzulegen.
Andererseits wird auch mehr Transparenz bei Abstimmungs- und Wahlkampagnen geschaffen. Politische Akteure, die solche Kampagnen führen, müssen deren Finanzierung offenlegen, wenn diese mehr als CHF 50'000 beträgt. Auch in diesem Fall sind Zuwendungen von mehr als CHF 15'000 einzeln auszuweisen – auch wenn diese über die Zeit verteilt von der gleichen Urheberin oder dem gleichen Urheber stammen. 45 Tage vor einer Wahl oder einer Abstimmung müssen zudem die Kampagnenbudgets gemeldet werden. Die Schlussrechnungen müssen spätestens 60 Tage nach einem Urnengang ebenfalls bei der EFK eingereicht werden. Führen mehrere Akteure eine Kampagne gemeinsam, werden die Finanzen zusammengezählt. Erreichen diese CHF 50'000 oder mehr, gelten für die Akteure die gleichen Regeln.
Sonderregeln gelten für Ständeratswahlen. Kandidierende für die kleine Kammer müssen kein Budget vorlegen, wohl aber eine Schlussrechnung, in der Zuwendungen über CHF 15'000 ebenfalls einzeln offenzulegen sind.
Der Bundesrat machte die EFK zur verantwortlichen Prüfstelle. Sie muss die eingereichten Parteibudgets spätestens am 31. August eines Jahres im Folgejahr und die Kampagnenbudgets jeweils 15 Tage nach deren Eintreffen, also spätestens 30 Tage vor einem Urnengang, veröffentlichen. Die EFK hat dabei die Einhaltung der Fristen zu kontrollieren. Sie kann Stichproben zur Korrektheit der Angaben durchführen, wobei sie aber lediglich materielle Kontrollen vornimmt, also lediglich prüft, ob die Angaben inhaltlich korrekt und die Quellen, Zuwendungen und Beträge vermutlich vollständig sind. Bei Mängeln muss die sie eine Frist zur Nachmeldung setzen und bei Verdacht auf Verstösse Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden erstatten. Sanktionen – vorgesehen sind Bussen bis zu CHF 40'000 – können lediglich von einem Gericht ausgesprochen werden.
Diese endgültige Fassung der Verordnung entsprach praktisch gänzlich dem Entwurf, der in der Vernehmlassung von der Mehrheit der Teilnehmenden grundsätzlich positiv aufgenommen worden war. Einzelne Verbesserungsvorschläge wurden in Form von Präzisierungen vor allem in einer begleitenden Erörterung aufgenommen – so etwa die genauen Anforderungen an Parteien und Kampagnenführende oder eine präzise Definition von «gemeinsamen Kampagnen». Vor allem die Wirtschaftsverbände (Economiesuisse, SAV, SGV, SBV) hatten sich in der Vernehmlassung freilich sehr kritisch gezeigt und von «Scheintransparenz» gesprochen, weil es nach wie vor zu viele Schlupflöcher gebe.
Der Bundesrat entschied zudem, dass die Regeln erstmals bei den eidgenössischen Wahlen 2023 gelten sollen.

Transparenz in der Politikfinanzierung (Pa. Iv. 19.400)
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

Kurz nach der Schlussabstimmung der Räte kündigte das Initiativkomitee an, seine Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» bedingt zurückzuziehen. Ein bedingter Rückzug bedeutet, dass das Begehren dann definitiv vom Tisch ist, wenn der indirekte Gegenvorschlag offiziell in Kraft tritt. Eine Bedingung hierfür, nämlich das Verstreichen der Referendumsfrist, wurde am 7. Oktober 2021 erreicht. Der Bundesrat hatte in der Zwischenzeit angekündigt, dass die Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte voraussichtlich im Herbst 2022 in Kraft treten werde.

Eidgenössische Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)»
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

In der Sommersession 2021 räumten die Räte die noch bestehenden Differenzen beim indirekten Gegenvorschlag für mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung aus, der die Anliegen der Transparenzinitiative aufnehmen will. Als erstes war der Ständerat an der Reihe. Daniel Fässler (mitte, AI), der für die SPK-SR Bericht erstattete, informierte die Mitglieder der kleinen Kammer vorab, dass der Trägerverein der Transparenzinitiative in einem an die Kommission gerichteten Schreiben von Ende Mai 2021 den bedingten Rückzug der Initiative in Aussicht stellte, wenn der Ständerat in zwei der vier beim Gegenvorschlag verbleibenden Differenzen auf die Linie des Nationalrats umschwenke – bei der Höhe der Offenlegungspflicht von Zuwendungen an Parteien und Initiativkomitees sowie bei der Regelung der Kontrollen. Beide Differenzen wurden in der Folge ohne Diskussion gutgeheissen: Damit müssen neu Geld- oder Sachspenden, die an Parteien oder Komitees gerichtet werden und über einem Schwellenwert von CHF 15'000 liegen, offengelegt werden. Die Initiative hätte hier einen Wert von CHF 10'000 und der Ständerat ursprünglich CHF 25'000 gefordert. Bereits geeinigt hatten sich die Räte auf die Obergrenze der offenzulegenden Wahl- und Abstimmungsbudgets von CHF 50'000. Zudem muss eine Behörde, die vom Bundesrat noch zu bestimmen sein wird, die Einhaltung der Offenlegungspflichten und die Vollständigkeit der eingereichten Dokumente kontrollieren und die Angaben veröffentlichen. Auch der Ständerat war dafür, dass diese Behörde darüber hinaus Stichprobenkontrollen durchführen muss, mit denen die Richtigkeit der Angaben verifiziert werden soll. Der Vorschlag der SPK-SR, eine sprachliche Anpassung hinsichtlich der Offenlegungspflicht der so genannten Mandatssteuern, also der Abgaben, die von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern an ihre Parteien erbracht werden, vorzunehmen, wurde ebenfalls stillschweigend gutgeheissen. Zu diskutieren gab allerdings die letzte Differenz, nämlich die Frage, ob die Offenlegungspflicht auch für Wahlkampfkampagnen von Ständerätinnen und Ständeräten gelten soll. Die Mehrheit der kleinen Kammer hatte sich bei der ersten Beratung auf den Standpunkt gestellt, dass Wahlen von Kantonsvertreterinnen und -vertretern kantonalem Recht unterstünden und hierfür deshalb keine nationale Regel gelten dürfe. Kommissionssprecher Daniel Fässler wies darauf hin, dass das Initiativkomitee diesen Punkt nicht als Bedingung für den Rückzug der Initiative betrachte. Der Nationalrat habe in seiner Debatte in der Frühjahrssession 2021 allerdings gefordert, dass alle Mitglieder des gesamten Parlaments gleichgestellt werden müssten. Die SPK-SR schlage eine Offenlegungspflicht nur für jene Ständeratsmitglieder vor, die auch tatsächlich gewählt würden, erklärt Fässler den Kompromissvorschlag seiner Kommission. Nur diese gehörten ja aufgrund der erfolgten Wahl einer Bundesbehörde an und würden dann auch nationalem Recht unterstellt. Eine Minderheit beantragte allerdings Festhalten am ursprünglichen Entscheid. Begründet wurde diese Position von Thomas Hefti (fdp, GL) damit, dass in einigen Kantonen bereits Transparenzregeln eingeführt worden seien und man dies also getrost den Kantonen überlassen dürfe, die zudem spezifischer auf die unterschiedlichen Wahlkampfanforderungen für den Ständerat Rücksicht nehmen könnten. Obwohl vor allem die Ratslinke in Person von Lisa Mazzone (gp, GE) oder Hans Stöckli (sp, BE) für die Mehrheit argumentierte und gleichberechtigte Transparenz auch für die kleine Kammer forderte, folgte eine Mehrheit von 25 zu 19 Stimmen dem Minderheitsantrag und beharrte somit auf dieser letzten Differenz.

Der Nationalrat befasste sich zwei Tage später somit nur noch mit der Frage, ob Ständeratsmitglieder gleich behandelt werden sollen wie Nationalratsmitglieder. Die SPK-NR, für die Corina Gredig (glp, ZH) das Wort ergriff, sprach sich für die Bejahung dieser Frage aus. Der Wählerschaft diesen Unterschied zu erklären sei schwierig. Dennoch wolle die Kommission dem Ständerat entgegenkommen und übernehme deshalb den im Ständerat gescheiterten Vorschlag der Mehrheit der Schwesterkommission, eine Offenlegungspflicht nur von effektiv gewählten Kantonsvertreterinnen und -vertretern zu verlangen. Eine von Andri Silberschmidt (fdp, ZH) angeführt Minderheit beantragte, dem ständerätlichen Entscheid zu folgen und auf eine Offenlegung der Wahlbudgets für Ständerätinnen und Ständeräte ganz zu verzichten, um das gesamte Projekt nicht mit einem Element zu gefährden, dass letztlich «nicht matchentscheidend» sei. Die Mehrheit war hingegen anderer Meinung. Marianne Binder-Keller (mitte, AG) zeigte sich erstaunt über die «grandiose Pirouette» des Ständerats, der ja eigentlich den Gegenvorschlag angestossen habe, um mehr Transparenz zu schaffen, sich selber jetzt aber davon ausnehmen wolle. Nachdem Bundesrätin Karin Keller-Sutter versicherte, dass der Vorschlag der Offenlegungspflicht nach erfolgter Wahl verfassungskonform sei, weil ein Ständeratsmitglied mit der Wahl dem Bundesrecht unterstellt werde, erhielt der Kommissionsvorschlag 114 Stimmen. Die 30 Stimmen, die den Ständerat gänzlich von der Offenlegungspflicht der Wahlkampfbudgets befreien wollten, stammten aus der FDP (21) und der SVP-Fraktion (9).

Damit musste eine Einigungskonferenz eingesetzt werden, die es in Anbetracht der Ausgangslage aber relativ einfach hatte und mit 21 zu 3 Stimmen beschloss, die Version des Nationalrats bzw. die im Ständerat abgelehnte Version der Mehrheit der SPK-SR als Kompromissvorschlag zu unterbreiten. Im Ständerat gab es zwar noch einige Stimmen, die sich mit diesem Kompromiss nicht anfreunden konnten – so nannte Jakob Stark (svp, TG) die Regelung einen «nicht zulässigen Kunstgriff», weil während der Wahl kantonales Recht, nach der Wahl aber eidgenössische Recht gelte – nachdem die Justizministerin aber davor warnte, dass die Initiative, die wohl bei einer Volksabstimmung «grosse Chancen» hätte, wesentlich weitgehendere Offenlegungspflichten für alle eidgenössischen Wahlen fordere, schwenkte die kleine Kammer mit 31 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen auf den Kompromissvorschlag ein. Auch der Nationalrat stimmte dem Kompromissvorschlag mit 132 zu 50 Stimmen erwartungsgemäss zu – nur die fast geschlossene SVP-Fraktion mit Ausnahme von Lukas Reimann (svp, SG) stimmte dagegen.

Am Schluss der Sommersession 2021 hiess der Nationalrat die Vorlage mit 139 zu 52 Stimmen (4 Enthaltungen) und der Ständerat mit 35 zu 7 Stimmen (2 Enthaltungen) gut. In der Folge zog das Initiativkomitee sein Begehren bedingt zurück. Nach Ablauf der Referendumsfrist kündete der Bundesrat an, das die neuen Regelung im Bundesgesetz über die politischen Rechte im Herbst 2022 in Kraft treten sollen.

Transparenz in der Politikfinanzierung (Pa. Iv. 19.400)
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

Obwohl der Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» auf gutem Wege war und das Initiativkomitee bereits den Rückzug seines Initiativbegehrens angekündigt hatte, falls sich die Räte auf die noch ausstehenden Differenzen einigen könnten, liess es sich der Nationalrat nicht nehmen, in der Sommersession 2021 über besagtes Volksbegehren zu debattieren. In nicht weniger als 59 Wortmeldungen wurde gestritten, ob es mehr Transparenz in der Politikfinanzierung brauche, um das Vertrauen in die Politik zu erhöhen, oder ob die Offenlegungspflichten mit den Besonderheiten des politischen Systems der Schweiz unvereinbar seien, weil das Milizsystem auf Grund der fehlenden staatlichen Parteienfinanzierung auf Spenden angewiesen sei. Hinterfragt wurden zudem die Machbarkeit von Kontrollen und die Definition von Zuwendungen.
Für mehr Transparenz argumentierte die Ratslinke: Nadine Masshardt (sp, BE), Mitglied des Initiativkomitees, argumentierte, dass die Idee durchaus mit dem Milizsystem vereinbar sei, weil lediglich Grossspenden offengelegt werden müssten: «Meine Grossmutter, die meine Wahlkampagne mit 100 Franken unterstützt, oder auch der Bäcker im Dorf, der 500 Franken an eine Abstimmungskampagne bezahlt, werden nicht entblösst.» Samira Marti (sp, BL) ergänzte, dass Bürgerinnen und Bürger wissen müssten, wer bei Wahlen und Abstimmungen mit grossen Geldsummen Einfluss auf die Politik nehmen wolle. In die gleiche Kerbe schlug Irene Kälin (gp, AG), die zudem daran erinnerte, dass die Schweiz aufgrund der mangelnden Transparenz in der Politikfinanzierung immer wieder gerügt worden sei. Es seien «mutmasslich ausländische Grosskonzerne wie Shell und BP, die über die Erdölvereinigung Avenergy Suisse den Abstimmungskampf gegen das CO2-Gesetz massgeblich mitfinanzieren» würden, erörterte Céline Widmer (sp, ZH) ein aktuelles Beispiel. Weil die Kampagnenfinanzierung aber bisher geheim sei, könne man darüber nur spekulieren. Gerade in Abstimmungskampagnen müsse aber Transparenz darüber herrschen, woher Grossspenden stammten.
Die Ratsrechte echauffierte sich hingegen etwa in der Person von Gregor Rutz (svp, ZH), mehr Transparenz bringe nicht mehr Vertrauen, sondern im Gegenteil mehr Misstrauen, weil hinter jeder Grossspende Korruption vermutet werde. Es gehe den Initianten letztlich um die Einführung eines Berufsparlaments und einer staatlichen Parteienfinanzierung. Es gebe keine Probleme, die mit mehr Transparenz gelöst werden müssten, fand auch Thomas Burgherr (svp, AG). Hier würden «Probleme anderer Länder auf unser eigenes übertragen». Eigenverantwortung und Vertrauen in der Bevölkerung gehe verloren, wenn Politik nicht mehr anonym unterstützt werden könne und eine «Amerikanisierung» der Politik verstärkt werde. Schliesslich stärke die durch eine solche Regelung notwendige Kontrolle der Transparenzregeln nur die Bürokratie. Kurt Fluri (fdp, SO) fragte rhetorisch, ob die Kenntnis der Spenden überhaupt aufschlussreich sei: Es sei doch kaum zu erwarten, dass Grossspender entgegen ihren eigenen Interessen Geld in Kampagnen steckten. Es gebe zudem vielfältige Umgehungsmöglichkeiten, wie Sachleistungen, Zerstückelung von Beträgen oder das Zwischenschalten von Vereinen oder Stiftungen, «die Parteispenden auf wunderbare Art und Weise neutralisieren können». Forderung nach mehr Transparenz entspreche deshalb keinem echten Problem, sondern einem «opportunistischen Zeitgeist». Auch Andri Silberschmidt (fdp, ZH) gab zu Protokoll, dass er nicht davon ausgehe, dass die Diskussionen um Transparenz in der Politikfinanzierung bald ein Ende nehmen würden. Es sei unlängst bekannt geworden, dass die SVP und die SP «Finanzierungsgefässe in Form von Stiftungen» geschaffen hätten, mit denen die Transparenzvorschriften wahrscheinlich umgangen werden könnten, wodurch dann wieder neue Regeln nötig würden.
Die Ratsmitte, etwa in Person von Gerhard Pfister (mitte, ZG), bedauerte, dass weder mit der Initiative noch mit dem Gegenvorschlag vollständige Transparenz geschaffen werde: Die «indirekte Parteienunterstützung», die etwa durch die Anstellung von Parlamentsmitgliedern bei Interessenorganisationen oder NGOs erfolge, beeinflusse die Politik wesentlich stärker als Parteispenden. Weitere Vorstösse würden deshalb wohl folgen, die letztlich die Parteien weiter unter Druck setzen würden. Wollten die Parteien ihrer vor allem aufgrund der direkten Demokratie wichtigen, aber aufwändigen Arbeit weiter nachkommen, so müsse wohl irgendwann «staatliche finanzielle Unterstützung» gefordert werden. Jörg Mäder (glp, ZH) bat darum, die Sache nicht zu stark zu dramatisieren: «Wenn Sie also in Zukunft dank der neuen Regelung oder anderweitig erfahren, dass der Velohändler Ihres Vertrauens einer anderen Partei gespendet hat oder ein Wahlplakat eines anderen Kandidaten ins Schaufenster gehängt hat, machen Sie doch bitte kein Drama daraus». Die Politik funktioniere in der Schweiz vor allem auch deshalb gut, weil sie auf Zusammenarbeit und Vertrauen beruhe. Information könne dies noch weiter fördern.
Auch weil der Gegenvorschlag auf gutem Wege sei, bat die Sprecherin der SPK-NR, Marianne Binder-Keller (mitte, AG), den Rat, die Initiative zur Ablehnung zu empfehlen, was dieser schliesslich mit 110 zu 73 Stimmen auch tat. Entsprechend der Debatte stimmten die geschlossenen Fraktionen der SP und der Grünen – unterstützt von 5 Angehörigen der Mitte-Fraktion – für eine Empfehlung auf Annahme der Initiative.

In den Schlussabstimmungen am Ende der Sommersession 2021 empfahl der Nationalrat die Initiative mit 121 zu 73 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) und der Ständerat mit 29 zu 14 (bei 1 Enthaltung) zur Ablehnung. Auch in der kleinen Kammer, die das Begehren bereits in der Wintersession 2019 debattiert hatte, hatten sich die links-grünen Parteien für eine Unterstützung der Volksinitiative ausgesprochen.

Eidgenössische Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)»
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

Mit der Beratung der Vorlage des Bundesrats zur Idee eines obligatorischen Referendums für völkerrechtliche Verträge mit verfassungsmässigem Charakter schrieben die Räte die dem Entwurf zugrundeliegende Motion von Andrea Caroni (fdp, AR) ab.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge (Mo. 15.3557)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Der Nationalrat beugte sich in seiner Sondersession im Mai 2021 über den Vorschlag des Bundesrats für ein obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter. Im Gegensatz zum Ständerat wollte eine 18 zu 7-Mehrheit der SPK-NR nicht auf die Vorlage eintreten. Kommissionssprecherin Greta Gysin (gp, TI) und Kommissionssprecher Gerhard Pfister (mitte, ZG) machten geltend, dass es keine befriedigende Definition geben könne, mit der festgelegt wird, wann ein Staatsvertrag dem obligatorischen Referendum unterstellt werden soll und wann nicht. Pfister pflichtete jedoch Andrea Caroni (fdp, AR), auf dessen Motion (Mo. 15.3557) der Vorschlag zurückging, bei, dass es nicht befriedigend sei, wenn einzig das Parlament bestimme, ob und wann ein Staatsvertrag dem obligatorischen Referendum unterstellt werden solle. In der Tat stehe ja das obligatorische Staatsvertragsreferendum seit 1977 in der Verfassung, sei aber erst einmal – beim Beitritt der Schweiz zur UNO 1986 – zur Anwendung gekommen. Selbst die EWR-Abstimmung von 1992 hätte die Bedingungen nicht erfüllt und sei vom Parlament selbst «sui generis» zum obligatorischen Referendum bestimmt worden. Mit der Volksinitiative «Staatsverträge vors Volk!» und dem Gegenvorschlag, auf den das Parlament freilich nicht eingetreten sei, sei vergeblich versucht worden, Präzisierungen festzulegen, mit denen bestimmt werden könne, wann ein Staatsvertrag genug wichtig für ein obligatorisches Referendum sei – so Pfister in seinen Ausführungen. Die Mehrheit der Kommission sei zum Schluss gekommen, dass diese Präzisierung auch mit der vorliegenden Vorlage nicht gelungen sei – weder in der bundesrätlichen Botschaft, noch in den ständerätlichen Präzisierungen. Deshalb beantrage sie, nicht auf die Vorlage einzutreten.
Eine aus SVP-Mitgliedern bestehende Kommissionsminderheit stellte hingegen einen Eintretensantrag. Die Mitspracherechte für die Bevölkerung und die Kantone müssten gestärkt werden, führte Gregor Rutz (svp, ZH) für diese Minderheit aus. Heute habe eine Mehrheit der bundesrätlichen Bestimmungen ihren Ursprung in internationalen Verträgen, zu denen die Bevölkerung aber nichts zu sagen habe. Nicht einverstanden mit dieser Argumentation war Hans-Ueli Vogt (svp, ZH), der in einem schriftlichen Antrag mit einer anderen Begründung ebenfalls für Nichteintreten warb: Würden Staatsverträge mittels obligatorischem Referendum gutgeheissen, erhielten sie in der Verfassung eine zu starke Position, wodurch ein Vorrang von Verfassungsrecht durch Staatsverträge «gegenüber dem rein schweizerischen Verfassungsrecht» geschaffen würde.
Die Mehrheit der Fraktionssprecherinnen und -sprecher, die sich in der Folge zu Wort meldeten, argumentierte, dass es stets ein politischer Entscheid bleibe, ob ein Staatsvertrag dem obligatorischen Referendum unterstellt werden müsse oder nicht. Dies lasse sich mit juristischen Bestimmungen nicht klären. Zudem sei der Handlungsbedarf – wie ja auch die Geschichte zeige – eher klein. Am Schluss der Debatte verteidigte Justizministerin Karin Keller-Sutter den Handlungsbedarf und versuchte die vorgeschlagenen Neuerungen zu erklären. Mit geltendem Recht unterstünden Staatsverträge einzig dann dem obligatorischen Referendum, wenn sie den Beitritt zu Organisationen für kollektive Sicherheit oder zu supranationalen Gemeinschaften vorsehen. Neu solle hingegen über alle völkerrechtlichen Verträge obligatorisch abgestimmt werden, die «Bestimmungen von Verfassungsrang» haben. Was konkret «Verfassungsrang» bedeute, sei in der Tat eine komplexe Auslegungssache. Die für eine Konkretisierung vorgeschlagenen Elemente «Grundrechte», «Bürgerrechte», «politische Rechte», «Verhältnis von Bund und Kantonen» sowie «Zuständigkeit des Bundes» und – wie vom Ständerat vorgeschlagen – «Zuständigkeit der Kantone» seien aber genügend präzise und würden kaum zu zahlreichen Abstimmungen, aber eben zu mehr Klarheit führen. Sie habe Verständnis, dass das Parlament diesen politischen Entscheid selber fällen wolle und der Status Quo, also ein Referendum «sui generis», durchaus eine pragmatische Lösung sein könne. Allerdings sollten die «demokratischen Mitwirkungsrechte von Volk und Ständen nicht dem Ermessen des Parlamentes überlassen» werden, so die Bundesrätin abschliessend. Ihre Werbung für Eintreten auf die Vorlage verhallte allerdings fast ungehört. Wie aus den einzelnen Fraktionsvoten nicht anders zu erwarten gewesen war, stimmten lediglich 49 Mitglieder der SVP-Fraktion, unterstützt von Hans-Peter Portmann (fdp, ZH), für Eintreten. Die 140 restlichen anwesenden Nationalratsmitglieder – inklusive Hans-Ueli Vogt (svp, ZH), Thomas Hurter (svp, SH) und Lars Guggisberg (svp, BE), die ebenfalls entgegen ihrer Fraktion stimmten – folgten hingegen der Kommissionsmehrheit.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (BRG. 20.016)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Nachdem der Ständerat in der Wintersession 2020 auf dem indirekten Gegenvorschlag seiner SPK-SR zur Transparenzinitiative beharrt hatte, musste sich die Volkskammer noch einmal über das Geschäft beugen, mit dem mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung hergestellt werden soll. Die SPK-NR wollte der Idee eine zweite Chance geben, beantragte mit 14 zu 10 Stimmen Eintreten und schlug drei Ergänzungen zum Entwurf des Ständerats vor: Parteien sollen auch die Beträge offenlegen müssen, die sie von ihren Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern erhalten, auch Ständeratsmitglieder sollten ihr Wahlkampfbudget offenlegen müssen und die Dokumente, auf denen die verschiedenen Beträge ausgewiesen werden müssen, sollten stichprobenartig kontrolliert werden. Zudem schlug die SPK-NR bei den Schwellenwerten vor, die Vorschläge des Ständerats zu übernehmen: Kampagnenbudgets sollten ab einer Höhe von CHF 50'000 und Spenden ab CHF 25'000 offengelegt werden müssen.
Zur Diskussion standen in der Frühjahrssession 2021 auch einige Minderheitsanträge. Zuerst forderte eine von SVP-Mitgliedern angeführte Kommissionsminderheit, nicht auf die Vorlage einzutreten. Mit dem Gegenvorschlag wie auch mit der Initiative selber würde höchstens «Scheintransparenz» geschaffen und «der Bevölkerung Sand in die Augen» gestreut, argumentierte Martina Bircher (svp, AG) für diese Minderheit. Mit dem «administrativen Monster», das etwa durch Stückelung von Spenden einfach umgangen werden könne, werde über kurz oder lang eine staatliche Parteienfinanzierung eingeführt und das «bewährte Milizsystem zu Grabe» getragen. Die links-grünen Votantinnen (Nadine Masshardt, sp, BE; Ada Marra, sp, VD und Irène Kälin, gp, AG) hoben hingegen im Namen ihrer Fraktionen hervor, dass Transparenz nicht nur immer stärker von der Bevölkerung gefordert werde, sondern auch ein zentrales Element der Demokratie sei, um verlorenes Vertrauen wiederherzustellen. Auch die FDP votierte – gemäss ihrem Sprecher Andri Silberschmidt (fdp, ZH) – für Eintreten, auch wenn volle Transparenz nicht möglich sei und das Vertrauen der Bevölkerung auch heute nach wie vor hoch sei. Auch die GLP sprach sich für einen Gegenvorschlag aus: Niemand könne heute ernsthaft gegen mehr Transparenz eintreten, argumentierte Michel Matter (glp, GE). Gegen Eintreten stimmten dann neben der fast geschlossenen SVP-Fraktion – nur Lukas Reimann (svp, SG) wich von der Fraktionslinie ab und Mike Egger (svp SG) enthielt sich der Stimme – lediglich noch 17 Angehörige der Mitte-Fraktion und vier Freisinnige (5 enthielten sich der Stimme). Die gesamthaft 70 Gegenstimmen waren aber gegen die 115 Stimmen, die für Eintreten votierten, chancenlos.
Eine von Marianne Streiff-Feller (evp, BE) angeführte Minderheit forderte für Spenden einen Mindestbetrag von CHF 10'000 und eine von Andri Silberschmidt angeführte Minderheit wollte diesen Betrag als Kompromissvorschlag bei CHF 15'000 ansetzen. Die Initiative selber sah hier CHF 10'000 vor und der Ständerat hatte sich für CHF 25'000 ausgesprochen. Nachdem die Minderheit Streiff-Feller zugunsten des Kompromissvorschlags zurückgezogen worden war, wurde dieser mit 118 zu 76 Stimmen angenommen, wobei die Gegenstimmen aus der SVP- und der Mitte-Fraktion stammten.
Eine SVP-Minderheit, angeführt von Michael Buffat (svp, VD), beantragte, den Vorschlag der SPK-NR für die Offenlegungspflicht der Beiträge von Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern abzulehnen. Der Vaudois machte geltend, dass das Gesetz mit Aufnahme dieser Offenlegungspflicht noch weiter verkompliziert werde, weil Mandatsbeiträge ja an unterschiedliche Parteistufen (national, kantonal, kommunal) ausbezahlt würden. Auch hier unterlag eine SVP-Mitte-Koalition aus 77 Stimmen einer 117-Stimmen-Mehrheit, die sich für Beibehalten des neuen Vorschlags entschied.
Die gleiche SVP-Minderheit Buffat wollte auch vom Vorschlag der Kommission, Transparenz auch bei Kampagnen zu Ständeratswahlen herzustellen, nichts wissen. Michael Buffat argumentierte, dass es sich bei Ständeratswahlen um eine kantonale Angelegenheit handle und dass der Schwellenwert von CHF 50'000 ungerecht sei, weil dieser zwar bei grossen, aber wohl nicht bei kleinen Kantonen erreicht würde. Auch diese Minderheit scheiterte allerdings und der Nationalrat hiess die neue Regelung mit 139 zu 55 Stimmen gut. Erneut fand sich die SVP-Fraktion in der Minderheit, diesmal allerdings ohne Unterstützung der Mitte-Fraktion.
Eine weitere Minderheit, angeführt von Marianne Binder-Keller (mitte, AG), griff schliesslich auch den dritten Vorschlag der SPK-NR an, der stichprobenweise Kontrollen vorsah. Aufwand und Ertrag stünden hier in keinem Verhältnis, argumentierte die Aargauerin, die in ihrem Votum auch bekannt gab, dass die Mitte-Fraktion sowohl die Initiative als auch den Gegenvorschlag ablehne. Was nämlich bei beiden vergessen ginge, sei die Transparenz bei den «indirekten» Spenden. Eigentlich müssten alle Organisationen, also auch die Gewerkschaften, Wirtschaftsverbände und NGOs ihre Budgets offenlegen, damit wirklich Transparenz in der Politik herrschen könne. Mit 112 zu 82 Stimmen wurde erneut der Vorschlag der SPK-NR unterstützt.
Auch von der linken Ratsseite wurden Minderheitsanträge gestellt. Eine von Irène Kälin (gp, AG) angeführte Minderheit wollte auf einen im Ständerat abgelehnten Vorschlag der SPK-SR zurückkommen und eine Busse von CHF 20'000 für Zuwiderhandlung gegen die Transparenzregeln einführen. Der von den Grünen und der SP-Fraktion unterstützte Vorschlag kam auf 68 Stimmen (unterstützt von den drei EVP-Mitgliedern), wurde aber von den 125 Voten aus den anderen Fraktionen überstimmt.
Zu reden gab schliesslich auch ein kurzfristig schriftlich eingereichter Antrag von Thomas Aeschi (svp, ZG), der die von Marianne Binder geäusserte Kritik aufnahm und Transparenz für «alle politischen Organisationen» forderte. Verbände hätten viel grössere Beträge zur Verfügung als Parteien, weshalb sie ebenfalls in die Pflicht genommen werden müssten, war die schriftliche Begründung des Antrags. Hier schaltete sich Bundesrätin Karin Keller-Sutter in die Diskussion ein und argumentierte, dass es wohl zu «rechtlich kaum lösbaren Abgrenzungsschwierigkeiten» kommen würde, wenn dieser Antrag gutgeheissen würde. Die Argumentation der Justizministerin schien zu verfangen, wurde der Antrag Aeschi doch mit 121 Stimmen abgelehnt. Die 69 Stimmen, die ihn gutgeheissen hätten, stammten aus der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion und einer Mehrheit der Mitte-Fraktion.
In der Gesamtabstimmung standen 113 befürwortende 78 ablehnenden Stimmen gegenüber (3 Enthaltungen). Der Wind hatte damit gedreht, wie die Presse kommentierte: Im Gegensatz zur Gesamtabstimmung in der Herbstsession 2020 stimmten diesmal nicht nur die FDP, sondern auch die SP, die GP und die GLP für den Entwurf. Skepsis weckte er nach wie vor bei der SVP-Fraktion, die ihn mit 51 zu 2 Stimmen ablehnte, und bei der Mitte-Fraktion, bei der sich allerdings von 29 Stimmenden immerhin sieben für die Vorlage aussprachen. Der Ständerat wird sich in der Folge mit den drei neu geschaffenen Differenzen auseinandersetzen müssen.

Transparenz in der Politikfinanzierung (Pa. Iv. 19.400)
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

Jamais la population suisse n'a été aussi généreuse qu'en 2020. C'est ce qui ressort d'un sondage réalisé par CH Media auprès de plusieurs organisations. Selon les estimations, le volume de dons pourrait bien dépasser les deux milliards pour l'ensemble de l'année 2020. Ce résultat constitue une bonne surprise, car les organisations caritatives s'attendaient plutôt à vivre une année compliquée en raison de la pandémie. En effet, la crise a fortement touché les entreprises et celles-ci n'ont pas été en mesure de donner autant qu'habituellement. Cette diminution semble cependant avoir été largement compensée par la générosité des privé.e.s. Une étude de l'organisation de bienfaisance britannique Charity Aid Foundation place ainsi la Suisse au treizième rang des pays les plus généreux en ce qui concerne les œuvres caritatives.
Selon la haute école spécialisée zurichoise (ZHAW), cette générosité s'explique par plusieurs facteurs: premièrement, les récessions n'ont jamais eu de grande influence sur le volume des dons. Cela est notamment dû au fait que le groupe de contributeurs et contributrices le plus important est celui des personnes de plus de 60 ans, qui ne sont en général pas touchées par la peur de perdre leur travail. De plus, la crise actuelle a suscité une grande attention médiatique, atteignant des personnes habituellement peu ou pas donatrices. Une autre explication réside dans le fait que la population suisse ait été directement touchée par la crise. Psychologiquement, plus un événement est proche de nous et plus nous nous sentons nous-même concernés par celui-ci, plus grand sera son impact émotionnel, ce qui augmente notre propension à faire des dons. Cela se ressent notamment par la concentration des dons pour des œuvres agissant à l'intérieur des frontières nationales. La chaîne du bonheur a ainsi récolté CHF 42 millions pour l'aide nationale en 2020, contre CHF 8 millions pour l'aide internationale. Les dons se sont, par ailleurs, dirigés principalement vers les organisations actives dans les domaines de la santé et du social, au détriment des organisations de défense de l'environnement par exemple.

Les suisses sont plus généreux que jamais

Nachdem der Nationalrat die als indirekter Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative gedachte Umsetzungsvorlage der parlamentarischen Initiative der SPK-SR für Transparenz bei der Politikfinanzierung in der Gesamtabstimmung deutlich abgelehnt hatte, kam das Geschäft zurück in den Ständerat. Die ständerätliche Kommission wollte nach wie vor auf den Vorschlag eintreten, nahm aber eine redaktionelle Änderung an ihrem Entwurf vor: der Begriff «Zuwendungen» sollte explizit mit den Adjektiven «monetär» und «nicht-monetär» ergänzt werden. Zudem wurden zwei Kommissionsminderheiten angemeldet. Die eine wollte über die Höhe dieser offenzulegenden Zuwendungen diskutieren: Der ursprüngliche Vorschlag sieht CHF 25'000 und der Minderheitsantrag CHF 10'000 vor, was der Forderung der Initiative entsprechen würde. Die zweite Minderheit wollte die Höhe des offenzulegenden Aufwands für Kampagnen auf CHF 50'000 senken. Der ursprüngliche Entwurf hatte CHF 250'000 vorgesehen. Damit wollte die Minderheit gar noch tiefer gehen als die Initiative, die einen Schwellenwert von CHF 100'000 verlangt. In ebendieser Diskussion wurde der Idee für mehr Transparenz bei der Finanzierung von Wahl- und Abstimmungskampagnen erneut viel Wohlwollen zuteil. Transparenz in der Politik sei ein Gebot der Stunde, befand etwa Damian Müller (fdp, LU) bei der erneuten Eintretensdebatte und der Gegenvorschlag schütze die Privatsphäre besser als die Initiative. Eintreten war freilich unbestritten und wurde ohne Gegenantrag beschlossen. Für wenig Diskussionsstoff sorgte auch die redaktionelle Änderung, die gutgeheissen wurde. Mehr zu debattieren gaben erneut die Schwellenwerte. Dabei unterlag der Antrag von Links, den Initiantinnen und Initianten bei der Höhe der Spenden entgegenzukommen, mit 32 zu 12 Stimmen. Hingegen wurde die Höhe der Kampagnenausgaben, die zu einer Offenlegung verpflichtet, auf CHF 50'000 gesenkt – also gar unter den Schwellenwert, wie er von der Volksinitiative vorgesehen ist. Um wirklich Transparenz herstellen zu können, brauche es einen möglichst tiefen Wert, begründete Damian Müller seinen Minderheitsantrag. Es sei nicht einzusehen, weshalb für kleinere Kampagnen keine Offenlegungspflicht gelten solle. Das Ziel der Initianten «grössere Geldbeträge zu skandalisieren und kleinere Beträge zu legitimieren», sei nicht zu unterstützen. Viele kleinere Beträge ergäben am Schluss einen grossen oder mit Verweis auf die Konzernverantwortungsinitiative «sogar einen extrem grossen Betrag.» Es gebe kein gutes oder schlechtes Geld, entsprechend sollten alle Kampagnenorganisationen in die Pflicht genommen werden. Mit 25 zu 15 Stimmen hiess der Ständerat den tieferen Schwellenwert gut.

Transparenz in der Politikfinanzierung (Pa. Iv. 19.400)
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

Handelsabkommen seien wichtig für die Wirtschaft, deren konkreter Inhalt könne aber auch Auswirkungen auf Konsumentinnen und Konsumenten haben, die erst nach der Unterzeichnung dieser Verträge bekannt würden. Die Harmonisierung von Produktionsstandards, die mit Abkommen teilweise eingeführt würden, seien insbesondere in der Agrar- und Ernährungswirtschaft direkt spürbar, begründete Jacques Nicolet (svp, VD) seine parlamentarische Initiative, mit der er eine Stärkung der demokratischen Rolle des Parlamentes bei Handelsabkommen forderte. Das Parlament könne Abkommen lediglich annehmen oder ablehnen, sollte aber die Kompetenz haben, Ziele zu definieren oder rote Linien für die Verhandlung von Abkommen zu setzen.
Die APK-NR empfahl mit 13 zu 5 Stimmen bei 6 Enthaltungen, der Initiative keine Folge zu geben, und begründete dies in einem schriftlichen Bericht. Das Parlament habe heute schon genug Handhabe, um die Handelspolitik mitbeeinflussen zu können. Der Bundesrat müsse jeweils die APK beider Räte konsultieren, zudem sei ein Referendum jederzeit möglich. Der Konsumentenschutz sei darüber hinaus von den Handelsabkommen nicht tangiert, da ausländische Importeure an Schweizer Recht gebunden seien. Zudem wäre das Verhandlungsresultat wohl nicht mehr vorteilhaft, wenn das Parlament öffentlich Verhandlungsmandate debattiere, die vor der anderen Vertragspartei eigentlich geheim gehalten werden sollten. Die Kommissionsmehrheit könne sich freilich gut vorstellen, einst in einem zu erstellenden Aussenhandelsgesetz die Grundzüge der Schweizer Aussenhandelspolitik festzulegen. Eine Kommissionsminderheit gab zu bedenken, dass Handelsabkommen bisher als «apolitisch» betrachtet worden seien. Dies werde zusehends auch in der Öffentlichkeit kritisiert, etwa auch unter dem Aspekt von Zielinkongruenzen zwischen Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpolitik.
In der Wintersession 2020 kam die parlamentarische Initiative aufgrund der ablehnenden Haltung der Kommission in den Rat. Nachdem Jacques Nicolet für seinen Vorstoss geworben hatte, kam es bereits zur Abstimmung: Äusserst knapp mit 86 zu 83 Stimmen bei 17 Enthaltungen wurde dem Anliegen Folge gegeben. Die Ausgangslage der Abstimmung war ziemlich kompliziert: Wer den Antrag der Kommissionsminderheit auf Folgegeben befürwortete und somit gegen den Antrag der Kommissionsmehrheit war, musste Nein stimmen; was die geschlossene Fraktion der Grünen (4 Enthaltungen), 50 Mitglieder der SVP-Fraktion (von 51), 10 Mitglieder der SP-Fraktion (von total 36 bei 12 Enthaltungen) sowie 3 Mitglieder der Mitte-Fraktion (von 30) taten. Die Fraktionen der FDP und der GLP stimmten geschlossen gegen Folge geben. Diese etwas seltsam anmutende Koalition war denn wohl auch einiger Verwirrung über die Bedeutung eines Ja bzw. eines Nein geschuldet. Balthasar Glättli (gp, ZH) stellte deshalb einen Ordnungsantrag für eine Wiederholung der Abstimmung; er selber habe sich auch vertan und man sei es sich schuldig, dass man für das stimme, was man tatsächlich wolle. Der Ordnungsantrag wurde mit 140 zu 29 Stimmen angenommen. Bei der erneuten Abstimmung resultierte mit 99 zu 80 Stimmen (7 Enthaltungen) ein deutlicheres Resultat als zuvor, da vor allem in der SP-Fraktion 18 Mitglieder vom Ja- ins Nein-Lager gewechselt und damit der parlamentarischen Initiative zum deutlicheren Erfolg verholfen hatten. Umgekehrt waren vier Mitglieder der SVP-Fraktion vom Nein- ins Ja-Lager gewechselt.

Stärkung der demokratischen Rolle des Parlamentes bei Handelsabkommen (Pa.Iv. 19.477)

In der Herbstsession 2020 beugte sich der Nationalrat als Zweitrat über den von der SPK-SR ausgearbeiteten indirekten Gegenvorschlag zur Transparenzinitiative, mit dem mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung geschaffen werden soll. Nicht weniger als 40 Wortmeldungen zeugen von der Bedeutung, die der Vorlage auch in der grossen Kammer entgegengebracht wurde. Die beiden Sprecher der SPK-NR – Andri Silberschmidt (fdp, ZH) und Damien Cottier (fdp, NE) – plädierten für Eintreten und warben für einige von ihrer Kommission vorgenommene gewichtige Änderungen des ständerätlichen Vorschlags: Die Mehrheit der Kommission stelle sich, anders als von der kleinen Kammer vorgeschlagen, gegen jegliche Offenlegung des Namens von Spenderinnen und Spendern, verlange aber nebst der Offenlegung der Einnahmen auch jene der Ausgaben von politischen Akteuren, jedoch ohne dass hier erhaltene Zuwendungen offengelegt werden müssten. Ebenfalls abweichend zum Ständerat schlage die Mehrheit der Kommission vor, dass bei Abstimmungen und Wahlen bereits Kampagnenbudgets von CHF 50'000 offengelegt werden – der Ständerat hatte hier eine Obergrenze von CHF 250'000 vorgesehen und auch die Initiative sah eine höhere Obergrenze von CHF 100'000 vor. Schliesslich – so die beiden Kommissionssprecher – müsse diese Offenlegungspflicht nicht nur für Kandidierende für den Nationalrat, sondern auch für jene für den Ständerat gelten.
Zuerst wurde über Eintreten verhandelt. Eine Kommissionsminderheit bestehend aus Mitgliedern der SVP-Fraktion begründete ihren Nichteintretensantrag mit den zu komplizierten Transparenzregeln, die vom Vorschlag vorgesehen seien; das Vertrauen in die Politik würde so eher geschwächt als gestärkt. Gregor Rutz (svp, ZH) bezeichnete die Vorlage gar als «Absurdität»: Es bestehe kein Handlungsbedarf und der Vorwurf, die Schweizer Politik sei korrupt, – Rutz nahm Explizit auf die Vorwürfe der GRECO Bezug – sei «Unsinn». Transparenz brauche man dort, wo demokratische Defizite bestünden, was in der Schweiz nicht der Fall sei. Nadine Masshardt (sp, BE), ihres Zeichens Co-Präsidentin des Trägervereins der Transparenz-Initiative, plädierte für die SP-Fraktion für Eintreten: Die SPK-NR habe den Gegenvorschlag wirkungslos gemacht, was insbesondere hinsichtlich der Offenlegung der Spenderinnen und Spender wieder zu korrigieren sei. Ins gleiche Horn stiess Irène Kälin (gp, AG) für die Fraktion der Grünen. Ohne Offenlegung von Spenden könne nicht von Transparenz gesprochen werden. Ihre Fraktion sei deshalb für Eintreten, um hier Korrekturen anzubringen. Auch die Mitte-Fraktion plädierte via ihre Sprecherin Marianne Binder-Keller (cvp, AG) für Eintreten, auch wenn die CVP sowohl gegen die Initiative als auch gegen den hier vorliegenden Vorschlag sei. Dies einerseits, weil die Bestrebungen letztlich auf eine staatliche Parteienfinanzierung hinausliefen, und andererseits, weil eine Forderung der CVP nicht erfüllt sei, nämlich die Offenlegung von indirekten Spenden und Querfinanzierungen beispielsweise durch Gewerkschaften und Wirtschaftsverbände. Doris Fiala (fdp, ZH) sprach von «Zeitgeist», der im Moment mehr Transparenz fordere. Allerdings sei diese Forderung in einem Milizsystem umsichtiger umzusetzen als bei einem System mit Profipolitikerinnen und -politikern – Fiala nahm Bezug auf ihr Mandat im Europarat, bei dem sie einer sehr strengen Offenlegungspflicht unterworfen sei. Auch die FDP wolle keine staatliche Parteienfinanzierung und die Wahrung der Privatsphäre auch bei politischen Zuwendungen. Der Trend für mehr Transparenz werde «auch vor den Türen der Schweizer Parteien keinen Halt machen», vermutete Corina Gredig (glp, ZH) und plädierte für ihre GLP-Fraktion nicht nur für Eintreten, sondern auch für die Offenlegung der Namen von Spenderinnen und Spendern. Vor der Abstimmung über Eintreten meldete sich auch Justizministerin Karin Keller-Sutter zu Wort. Sie erinnerte daran, dass ein gänzlicher Verzicht der Offenlegung von Spenden ein Kernstück der Transparenzinitiative entfernen würde. Der wesentlich tiefere Schwellenwert von CHF 50'000 für die Offenlegung von Kampagnen wiederum ziehe wohl vor allem bürokratischen Aufwand nach sich. Zudem sei die Forderung nach einer Offenlegung der Kampagnenzuwendungen von Ständeratskandidierenden deshalb heikel, weil ja eigentlich die Kantone für die Wahlen in die kleine Kammer verantwortlich seien. Sie bat den Rat aber auch deshalb um Eintreten, weil es sinnvoller sei, eine Regelung auf Gesetzesstufe anzubringen als in der Verfassung. Wie aufgrund der Sprecherinnen und Sprecher nicht anders zu erwarten war, stimmte die Mehrheit der anwesenden Nationalrätinnen und Nationalräte für Eintreten. Die 57 Nein-Stimmen stammten aus der SVP- (52 Stimmen) und der FDP-Fraktion (5 Stimmen), hatten aber gegen die 136 Ja-Stimmen keine Chance.

In der Folge ging es um die bereits in der Eintretensdebatte angekündigten Änderungsanträge. Eine Mehrheit von 135 zu 56 Stimmen folgte dem Kommissionsvorschlag, dass Parteien nicht nur wie vom Ständerat vorgesehen ihre Einnahmen, sondern auch ihre Ausgaben offenlegen müssen. Der SVP-Minderheitsantrag, der dem Ständerat folgen wollte, scheiterte also deutlich. Wesentlich knapper scheiterte der Minderheitsantrag Streiff (evp, BE), mit dem die Offenlegung von Spenden gefordert worden wäre, nicht aber wie vom Ständerat vorgesehen mit einer Obergrenze von CHF 25'000, sondern mit einer Obergrenze von CHF 10'000. Die 94 Stimmen der geschlossenen Fraktionen von SP und Grünen, unterstützt von 15 Stimmen der Grünliberalen – einzig Martin Bäumle (glp, ZH) sprach sich für die Mehrheit aus, die die Offenlegung der Spenden ganz streichen wollte – sowie von 9 Stimmen aus der Mitte-Fraktion und den 2 SVP-Stimmen von Mike Egger (svp, SG) und Lukas Reimann (svp, SG) reichten gegen die 96 Stimmen für die Kommissionsmehrheit nicht aus. Der Vorschlag der Kommission obsiegte auch bei der Frage nach der Höhe der Kampagnenausgaben. Nicht CHF 250'000 wie vom Ständerat und einer Minderheit Bircher (svp, AG) vorgesehen (130 zu 60 Stimmen), aber auch nicht CHF 100'000, wie von der Minderheit Streiff vorgeschlagen (171 zu 18 Stimmen), sondern Kampagnenausgaben von CHF 50'000 sollen neu eine Offenlegung zwingend machen. Angenommen wurde auch der Vorschlag, dass die einzureichenden Dokumente stichprobenweise zu kontrollieren seien.
Da damit aber keiner der Minderheitsanträge eine Mehrheit gefunden hatte und die von praktisch allen Fraktionen kritisierte, von der SPK-NR ziemlich verwässerte Vorlage so insgesamt zu viele Gegnerinnen und Gegner hatte, kam es bei der Gesamtabstimmung wenig überraschend zu einer deutlichen Abfuhr. Lediglich noch 17 Stimmen aus der FDP-Fraktion sowie eine Stimme aus der Mitte-Fraktion (Martin Landolt (bdp, GL)) unterstützten die Vorlage; standen aber gegen die 168 Gegenstimmen (9 Enthaltungen) auf verlorenem Posten. Damit wird der Ball dem Ständerat zurückgespielt.

Transparenz in der Politikfinanzierung (Pa. Iv. 19.400)
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

In der Herbstsession 2020 beugte sich der Ständerat als Erstrat über die Vorlage des Bundesrats, mit der durch eine Verfassungsänderung ein obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter eingeführt werden soll. Eintreten war umstritten. Für die Kommission nahm Andrea Caroni (fdp, AR) Stellung, der mit einer Motion am Ursprung der Vorlage gestanden hatte. Er pries diese als optimale Ergänzung zum bereits bestehenden obligatorischen Staatsvertragsreferendum an. Dieses sei unvollständig, weil es lediglich den Beitritt zu supranationalen Organisationen regle. Es gebe aber Staatsverträge, welche die Verfassung ebenfalls beeinflussten, ohne einen Beitritt zu verlangen. Das neu geschaffene Instrument könne diese Lücke schliessen und der Bundesrat habe es geschafft, klare Kriterien für die Anwendung zu definieren. Betroffen seien Verträge, die zwingend eine Verfassungsänderung mit sich bringen, und solche, die materiell Verfassungsrang haben – also wenn Grundrechte, der Föderalismus oder die Organisation der Bundesbehörden tangiert werden. Dieses neue Referendum würde die Legitimität eines Vertrags stärken, wobei die Zahl solcher Abstimmungen gemäss Caroni gering bleiben werde.
Eine Minderheit Jositsch (sp, ZH) beantragte Nichteintreten. Der Zürcher SP-Ständerat begründete seinen Antrag damit, dass eine neue Regelung nicht notwendig sei. Es gebe gar kein Problem, das einen neuen Verfassungsartikel rechtfertigen würde. Dem widersprach Daniel Fässler (cvp, AI): Weil die internationale Vernetzung zunehme, werde auch der Konflikt zwischen Landesrecht und Völkerrecht zunehmen, betonte er. Deshalb sei es wichtig, hier frühzeitig eine gute Regelung zu finden. Eine 28 zu 14-Merhheit beschloss in der Folge Eintreten.
In der Detailberatung scheiterte ein Einzelantrag Rechsteiner (sp, SG), der bei der Präzisierung der Kriterien die «Grundrechte» nicht erwähnt haben wollte. Der St. Galler Ständerat argumentierte vergeblich, dass zahlreiche Verträge unter dieses Kriterium fallen würden, die dann nicht mehr einfach ratifiziert werden könnten, sondern von Volk und Ständen abgesegnet werden müssten. Als Beispiel nannte er die Kinderrechtskonvention oder die Behindertenkonvention. Die anwesende Bundesrätin Karin Keller-Sutter verneinte jedoch, dass diese Beispiele unter die neue Bestimmung fallen würden. Abgelehnt wurde auch ein Minderheitsantrag Chiesa (svp, TI), der gefordert hätte, dass das Referendum nicht nur die allfällige Verfassungsänderung, sondern auch den Vertrag umfassen müsse. Dadurch sollte vermieden werden, dass eine Verfassungsänderung faktisch nicht mehr abgelehnt werden könnte, weil man den Vertrag ja schon eingegangen wäre. Die Mehrheit wandte sich gegen dieses Ansinnen, weil es auch die Möglichkeit geben müsse, die Umsetzung eines Vertrags auf Gesetzesstufe zu regeln, wie die Justizministerin ausführte.
Somit nahm der Rat im Vergleich zur bundesrätlichen Vorlage lediglich eine sprachliche Präzisierung vor und schickte das Geschäft nach der Gesamtabstimmung, in der sich 27 Rätinnen und Räte für und 12 gegen den Entwurf aussprachen, an den Nationalrat.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (BRG. 20.016)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

Anfang März 2020 hiess der Nationalrat stillschweigend einen Antrag seiner SPK-NR für eine Fristverlängerung der Behandlung der eidgenössischen Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» gut. Für gewöhnlich hat das Parlament nach Einreichung eines Volksbegehrens 30 Monate Zeit, dieses zur Annahme oder zur Ablehnung zu empfehlen. Diese Behandlungsfrist kann allerdings um ein Jahr verlängert werden, wenn ein direkter Gegenentwurf oder ein indirekter Gegenvorschlag zur Debatte stehen. Dies war mit der parlamentarischen Initiative der SPK-SR (19.400), die der Ständerat in der Wintersession 2019 angenommen hatte, die aber noch vom Nationalrat behandelt werden musste, der Fall.

Eidgenössische Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)»
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

Anfang 2020 legte der Bundesrat die Botschaft zum obligatorischen Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter vor. Die Idee ging auf eine Motion Caroni (fdp, AR; Mo. 15.3557) zurück, die von den Räten fast oppositionslos durchgewunken worden war. Im Ständerat gab es freilich eine kleine Minderheit, die auf das hohe Konfliktpotenzial der Idee verwiesen hatte, völkerrechtliche Verträge mit Verfassungsrang oder Verträge, deren Umsetzung eine Verfassungsänderung nach sich ziehen, dem obligatorischen Referendum zu unterstellen.
Der Bundesrat begründete in seiner Botschaft, dass wichtige völkerrechtliche Verträge heute schon als obligatorische Referenden der Stimmbevölkerung und den Kantonen vorgelegt würden, dass dies also Teil ungeschriebenen Rechts sei («Referendum sui generis»). Die ausdrückliche Verankerung in der Bundesverfassung, wie sie von der Botschaft vorgesehen sei, werde also vor allem Rechtssicherheit schaffen. Dem verfassten obligatorischen Staatsvertragsreferendum untersteht bisher der Beitritt zu internationalen Organisationen und supranationalen Gemeinschaften. Mit dem vorgelegten Entwurf sollen nun auch völkerrechtliche Verträge, die Bestimmungen mit Verfassungsrang aufweisen – also etwa Grundrechte oder die föderalistische Aufgabenteilung tangieren oder institutionelle Änderungen nach sich ziehen – oder deren Umsetzung eine Änderung der Bundesverfassung erforderlich macht, dem obligatorischen Referendum unterstehen. In ihrer Botschaft verwies die Regierung auf drei Fälle, die in der Vergangenheit einem (ungeschriebenen) obligatorischen Staatsvertragsreferendum unterstellt wurden: Ein Referendum «sui generis» lag beim Beitritt der Schweiz zum Völkerbund 1920 vor. Auch der Abschluss des Freihandelsabkommens mit der EWG von 1972 wurde vom Parlament dem obligatorischen Referendum unterstellt. Bundesrat und Parlament beurteilten zudem, dass der Vertrag über einen Beitritt zum EWR Verfassungscharakter hatte. Auch dieser wurde dem obligatorischen Staatsvertragsreferendum sui generis unterstellt – nicht aber die Abstimmung über die Bilateralen II, welche «keine tiefgreifenden Änderungen unseres Staatswesens herbeiführen», so die damalige Begründung, nur das fakultative Staatsvertragsreferendum zuzulassen. Auch in Zukunft werde das obligatorische Staatsvertragsreferendum wohl nur selten zur Anwendung kommen. Die Botschaft basierte zum Teil auf dem vom Bundesrat damals vorgeschlagenen direkten Gegenentwurf zur Initiative «Staatsverträge vors Volk!», den das Parlament allerdings abgelehnt hatte.

In der Vernehmlassung war der bundesrätliche Entwurf mehrheitlich auf Zustimmung gestossen. Von den Parteien verlangte die SVP Anpassungen und die SP lehnte den Entwurf ab. Der Grossteil der Kantone unterstütze den Vorentwurf und von den teilnehmenden Interessengruppen und Privatpersonen hielten sich Gegner und Befürworter die Waage – so die Botschaft. Die Kritiker hoben einerseits hervor, dass kein Handlungsdruck bestehe. Es wurde davor gewarnt, dass es bei ungenügender Konkretisierung zahlreiche Verträge geben könnte, bei denen ein Grundrechtsbezug hergestellt werden könnte und deren Abschluss dann mit dem erforderlichen Volks- und Ständemehr erheblich erschwert würde. Auf der anderen Seite wurde ein Ausbau gefordert. Auch Instrumente, die zum Zeitpunkt der Unterzeichnung zwar nicht bindend, später aber eine Bindungswirkung entfalteten (Soft Law), sollten dem obligatorischen Referendum unterstellt werden. Damit spiegelten sich die aktuellen Diskussionen über die Einbindung des Parlaments beim Abschluss von Soft Law – etwa beim UNO-Migrationspakt – und vor allem über den Rahmenvertrag mit der EU in den Vernehmlassungsantworten. Dies wird sich wohl auch bei den parlamentarischen Beratungen zeigen, die wohl noch im Jahr 2020 stattfinden werden.

Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter (BRG. 20.016)
Dossier: Obligatorisches Referendum für völkerrechtliche Verträge mit Verfassungscharakter

In der Wintersession 2019 beriet der Ständerat den indirekten Gegenvorschlag seiner SPK-SR für mehr Transparenz bei der Politikfinanzierung, der in Folge der erfolgreich zustande gekommenen Transparenz-Initiative als parlamentarische Initiative ausgearbeitet worden und sowohl in der Vernehmlassung wie auch im Bundesrat auf mehrheitliche Zustimmung gestossen war.
Andrea Caroni (fdp, AR) beantragte Nichteintreten. Er sei zwar ein «grosser Freund der Transparenz in der Politik», hier handle es sich aber um eine schlecht ausbalancierte Vorlage, die zudem eher zu «Scheintransparenz» führe. Die Forderungen seien erstens ein Eingriff in die Privatsphäre, weil sie politische Präferenzen und finanzielle Möglichkeiten von Spenderinnen und Spendern offenlegten. Zweitens würden die Regelungen mit viel Bürokratie einhergehen und könnten wohl, drittens, sehr einfach umgangen werden, da zwangsläufig grosse Lücken bestehen blieben. In Ländern, die scharfe Regeln kennen, sei das Vertrauen in die Politik nicht grösser als in der Schweiz, betonte er. Viel Geld und Demokratie stünden in einem heiklen Verhältnis, zitierte in der Folge Paul Rechsteiner (sp, SG) Gottfried Keller. Demokratische Entscheide dürfe man nicht kaufen können. Die Transparenz-Initiative verbiete zwar den Einsatz grosser Geldmittel nicht, sie verlange aber Transparenz. Wer viel investiere, der solle auch dazu stehen. Dass die Sensibilität in der Bevölkerung wachse, zeigten die Volksabstimmungen in den Kantonen Schwyz und Freiburg, wo die Forderung nach Transparenzregeln an der Urne Erfolg hatte. Das Argument, dass Regeln umgangen werden könnten, dürfe nicht gelten, weil man ansonsten überhaupt keine Regeln mehr aufstellen dürfe; man denke dabei etwa an den Strassenverkehr. Christian Levrat (sp, FR) schliesslich erörterte den in seinen Augen erfolgreichen Fall Freiburg und zitierte den aktuellen Sorgenbarometer, der einen Rückgang des politischen Vertrauens zeige. Dem könne vor allem mit vermehrter Transparenz begegnet werden. Beide SP-Vertreter forderten nicht nur Eintreten, sondern auch ein Ja zur Volksinitiative. Justizministerin Karin Keller-Sutter erörterte die Position der Regierung. Der Bundesrat habe in der ursprünglichen Botschaft für die zur Ablehnung empfohlene Initiative keinen Gegenentwurf vorgesehen, weil er Regelungen der Politikfinanzierung kritisch gegenüberstehe, da sie administrativ aufwändig und schwierig umsetzbar seien. Zudem sei der Bundesrat der Meinung, dass sich das Volk nicht kaufen lasse. Es gebe mehrere Beispiele von Abstimmungskampagnen, bei denen grosse Geldmittel eingesetzt worden seien, bei denen sich die Stimmbevölkerung aber auf die finanziell weniger gut bemittelte Seite geschlagen habe. Der jetzt durch die SPK-SR vorgelegte indirekte Gegenvorschlag habe gegenüber der Initiative Vorzüge und es sei sicherlich besser, Finanzierungsregeln auf Gesetzesstufe und nicht auf Verfassungsstufe einzuführen. Aus diesem Grund unterstütze der Bundesrat – nach wie vor mit einer gehörigen Portion Skepsis – den Gegenvorschlag, bei dem er allerdings einige Änderungswünsche anbringe.
Bevor über diese Änderungen debattiert wurde, wurde der Minderheitsantrag Caroni auf Nichteintreten mit 29 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Eine Minderheit Stöckli (sp, BE), die von Christian Levrat übernommen worden war, weil Hans Stöckli als Präsident amtete, wollte den Katalog der Offenlegungspflichten für politische Parteien erweitern. Neben den Einnahmen hätten auch Ausgaben und Vermögenslage ausgewiesen werden sollen. Dieser Antrag scheiterte aber genauso wie ein Antrag, die Obergrenze für Zuwendungen nicht bei CHF 25'000, sondern schon bei CHF 10'000 festzulegen. Angenommen wurde ein Antrag des Bundesrats, auf eine Offenlegungspflicht bei Unterschriftensammlungen zu verzichten. Die SPK-SR war hier auf die Linie des Bundesrats umgeschwenkt, weil das öffentliche Interesse an Transparenz in diesem frühen Stadium weniger gross sei, wie Daniel Fässler (cvp, AI) für die Kommission ausführte. Zu diskutieren gab die Frage nach einem Verbot von Zuwendungen aus dem Ausland. Der Bundesrat hatte beantragt, dieses Verbot zu streichen und lediglich den Passus für ein Verbot von anonymen Zuwendungen zu belassen. Die SPK-SR hatte nach längerer Diskussion mit 7 zu 5 Stimmen entschieden, dem Antrag des Bundesrats zu folgen. Eine Minderheit Bischof (svp, SZ) wollte allerdings – auch gestützt auf eine parlamentarische Initiative Fournier (cvp, VS;Pa.Iv. 18.423) – am ursprünglichen Verbot festhalten. Pirmin Bischof warnte davor, dass Wahlen und Abstimmungen in verschiedenen Ländern durch ausländische Geldgeberinnen und Geldgeber finanziert worden seien. Dies sei beim Geldspielgesetz nachweislich auch in der Schweiz der Fall gewesen. Es stehe wohl nächstens eine Abstimmung über den Kauf von Kampfflugzeugen an, wo es um Milliardenbeträge gehe, an denen auch ausländische Player ein Interesse hätten. Im Inland müsse man für Transparenz sorgen, aber die direkte Demokratie werde gegen ausländische Gelder nur durch ein Verbot geschützt. Karin Keller-Sutter entgegnete, dass nicht auszuschliessen sei, dass ausländisches Geld in Abstimmungskampagnen fliesse. Dies werde aber in der Regel bekannt und es werde darüber diskutiert. Ein Verbot sei hingegen mittels Geldkurieren sehr leicht zu umgehen. Das magistrale Votum verhallte jedoch ungehört; der Antrag der Minderheit wurde mit 25 zu 18 Stimmen gutgeheissen.
In der Gesamtabstimmung wurde der Entwurf mit 29 zu 13 Stimmen (2 Enthaltungen) angenommen.

Transparenz in der Politikfinanzierung (Pa. Iv. 19.400)
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

Zusammen mit dem indirekten Gegenvorschlag beriet der Ständerat in der Wintersession 2019 auch die eidgenössische Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)». Zur Initiative selber wurde allerdings kaum debattiert. Immerhin musste über einen links-grünen Minderheitsantrag abgestimmt werden, der der Stimmbevölkerung die Annahme der Transparenzinitiative beantragen wollte. Die Mehrheit der kleinen Kammer wollte jedoch mit 32 zu 12 Stimmen dem Antrag des Bundesrats zur Ablehnung folgen. Da die Beratung des Gegenvorschlags noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird, stimmte der Ständerat einem Antrag auf Verlängerung der Behandlungsfrist der Transparenz-Initiative bis zum 10. April 2021 stillschweigend zu.

Eidgenössische Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)»
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

Nachdem der Bundesrat seine Botschaft zur Volksinitiative «Für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung (Transparenz-Initiative)» vorgelegt und das Begehren zur Ablehnung empfohlen hatte, beschloss die SPK-SR mit 8 zu 3 Stimmen (2 Enthaltungen), Abklärungen für einen möglichen Gegenentwurf zu treffen. Es bestehe Handlungsbedarf, aber Regelungen für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung sollten nicht Gegenstand der Verfassung sein. Mit einer Kommissionsinitiative sollte deshalb ein indirekter Gegenentwurf zur Volksinitiative geschaffen werden. Weil dieser Idee noch im Februar 2019 auch von der SPK-NR, wenn auch denkbar knapp mit 12 zu 11 Stimmen und einer Enthaltung, Folge gegeben worden war, machte sich die ständerätliche SPK an die Ausarbeitung einer Vorlage.
Der bereits im März präsentierte Vorschlag für eine Ergänzung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte sah Regelungen zur Offenlegung der Finanzierung politischer Akteure vor. Konkret sollten alle im Parlament vertretenen Parteien jährlich ihre Einnahmen sowie Spenden über CHF 25'000 offenlegen müssen. Natürliche und juristische Personen, die vor Wahlen oder Abstimmungen mehr als CHF 250'000 für Kampagnen und/oder Unterschriftensammlungen aufwenden, müssten deren Finanzierung offenlegen. Verboten werden sollten anonyme Spenden sowie Zuwendungen aus dem Ausland, womit die Kommission das Anliegen einer parlamentarischen Initiative Fournier (cvp, VS) aufnahm.
In der Vernehmlassung, die zwischen Mai und August 2019 durchgeführt wurde, stiess der Vorschlag auf unterschiedliches Wohlwollen. 14 Kantone (AG, BL, BS, FR, GE, GR, JU, NE, NW, OW, SO, TG, VD, VS) sowie fünf Parteien (BDP, EVP, GP, GLP, SP) begrüssten den Vorschlag. Auch der Trägerverein der Transparenzinitiative befürwortete grundsätzlich die Stossrichtung, brachte jedoch Verbesserungsbedarf an. Abgelehnt wurde die Idee von zehn Kantonen (AI, AR, BE, GL, LU, SG, SH, TI, UR, ZG) und den drei bürgerlichen Parteien CVP, FDP und SVP. Keine Stellung beziehen wollten die Kantone Zürich und Schwyz. Die Stellungnahmen gingen teilweise – etwa in der Frage der Höhe der Schwellenwerte, hinsichtlich des Kontrollsystems, aber auch bezüglich der Erlaubnis von Spenden aus dem Ausland – «in völlig unterschiedliche Richtungen», wie im Bericht zusammengefasst wurde. Dies bewog die Kommission dazu, den ursprünglichen Vorschlag mit Ausnahme kleinerer Präzisierungen zu belassen und den Räten vorzulegen. Gleichzeitig empfahl die SPK-SR die Transparenz-Initiative mit 8 zu 4 Stimmen zur Ablehnung.

Transparenz in der Politikfinanzierung (Pa. Iv. 19.400)
Dossier: Finanzierung der Politik
Dossier: Transparenzinitiative und Gegenvorschlag - Änderung des Bundesgesetzes über die politischen Rechte

In der Sommersession beugte sich der Nationalrat über die Frage der Zuständigkeit bei Kündigung von Staatsverträgen. In einer Medienmitteilung Ende Mai hatte die SPK-NR bekannt gegeben, dass sie die von der kleinen Kammer gutgeheissene Vorlage ihrer Schwesterkommission einstimmig unterstütze, den Vorschlag des Bundesrates hingegen ebenfalls ablehne. Zwar habe die Frage, wer für die Kündigung von Verträgen zuständig sei – der Bundesrat oder das Parlament – bisher kaum gestellt werden müssen. Dies müsse aber insbesondere im Hinblick auf Volksinitiativen, deren Annahme eine Kündigung von Verträgen nach sich ziehen könne, geklärt werden. Die Beurteilung der Frage, ob neues Verfassungsrecht in Widerspruch zu einem bestehenden völkerrechtlichen Vertrag stehe, könne nicht der Exekutive alleine überlassen werden. Wie beim Abschluss solcher Verträge müsse dies dem Gesetzgeber, also dem Parlament und im Falle eines Referendums der Stimmbevölkerung, überlassen werden. Dies entspreche der Idee des materiellen Parallelismus, führte Barbara Steinemann (svp, ZH) für die Kommission in der Ratsdebatte aus. Es sei wichtig, dass die Regeln vor einem Spiel und nicht während des Spiels festgelegt würden, weshalb dieser Parallelismus im Gesetz festgehalten werden müsse.
Eine Minderheit Glättli (gp, ZH) beantragte, die Änderung nicht nur auf Gesetzesstufe zu regeln, sondern auch in der Verfassung zu verankern – eine Forderung, wie sie auch vom Bundesrat gestellt worden war, was von der neuen Justizministerin Karin Keller-Sutter unterstrichen wurde. Eine deutliche Mehrheit von 161 zu 10 Stimmen folgte hier allerdings dem Ständerat und sprach sich ebenfalls gegen Eintreten auf den bundesrätlichen Vorschlag aus. Die von der kleinen Kammer noch leicht angepasste Kommissionsvorlage fand dann in der Gesamtabstimmung eine Mehrheit von 179 Stimmen, denen lediglich eine Enthaltung gegenüberstand.
In den Schlussabstimmungen hiessen sowohl der Ständerat (44 Stimmen, keine Enthaltung) als auch der Nationalrat (195 Stimmen, 1 Enthaltung) das neue Gesetz einstimmig gut.

Kündigung von Staatsverträgen