Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Strafrecht
  • Eisenbahn

Akteure

Prozesse

1333 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Nachdem der Bundesrat die DNA-Löschfristen im Rahmen der Revision des DNA-Profil-Gesetzes evaluiert und damit das Postulat der RK-NR mit ebendieser Forderung erfüllt hatte, schrieb der Nationalrat den Vorstoss im Mai 2021 ab.

Prüfung der Aufbewahrungsfristen für DNA-Profile (Po. 16.3003)
Dossier: DNA-Profile

Im April 2021 und damit zwei Jahre nach der Abschreibung der parlamentarischen Initiative Flach (glp, AG) beantragte die RK-NR ihrem Rat mit 14 zu 7 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) die Aufhebung des Majestätsbeleidigungs-Artikels 296 StGB, welcher die Beleidigung eines fremden Staates unter Strafe stellt.

Lèse-majesté. Abroger l'article 296 CP (Iv. pa. 16.430)

Ende November 2020 publizierte der Bundesrat in Erfüllung eines Postulats Rickli (svp, ZH) einen Bericht über die Massnahmen gegen die weibliche Genitalverstümmelung. In diesem Bericht wird unter anderem hervorgehoben, dass es unklar sei, ob und in welchem Ausmass weibliche Genitalverstümmelung in der Schweiz stattfindet. Die Forderung nach einer diesbezüglichen Verschärfung des Strafrechts lehnte die Regierung ab. Während sie die Wichtigkeit des expliziten Straftatbestandes der weiblichen Genitalverstümmelung (Art. 124 StGB) aus dem Jahre 2012 hervorhob, betonte sie, dass ein erhöhtes Mass an strafrechtlicher Verfolgung gesundheitliche Konsequenzen für Betroffene mit sich ziehen könne. Denn diese nähmen unter Umständen aus Angst vor Strafen keine medizinische Versorgung in Anspruch. Des Weiteren verfüge die Schweiz bereits über eine hinreichende Strafverfolgung bei weiblicher Genitalverstümmelung, welche gar weiter gehe als bei anderen europäischen Migrationszielstaaten. Zudem betonte der Bundesrat, dass die weibliche Genitalverstümmelung oftmals eng an ein entsprechendes Wertesystem gekoppelt sei und deshalb eine Revision des Strafrechts alleine nicht zu einem Umdenken der Betroffenen führen könne.
Stattdessen empfahl er, sich vermehrt auf die Präventionsarbeit innerhalb betroffener Migrationsgruppen zu fokussieren. Dies sehe unter anderem die Sensibilisierung bestimmter Berufsgruppen vor, die mit potenziell bedrohten Frauen und Mädchen in Kontakt kommen, und verlange insbesondere nach interdisziplinärer Zusammenarbeit der Behörden. Des Weiteren sah der Bundesrat eine «bedarfsgerechte medizinische Versorgung der betroffenen Mädchen und Frauen» in Form von Folgebehandlungen nach einer Genitalverstümmelung vor.

Ende April 2021 beriet die RK-NR die Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043) zu Ende und befürwortete die Revision in der Gesamtabstimmung mit 16 zu 7 Stimmen (1 Enthaltung). Während den Beratungen kam die Kommissionsmehrheit unter Kenntnisnahme des Berichts des Bundesrats zum Schluss, dass der bestehende Tatbestand der weiblichen Genitalverstümmelung momentan keiner Veränderung bedarf.

Massnahmen gegen Mädchenbeschneidung (Po. 18.3551)

Der Bundesrat veröffentlichte Ende März 2021 einen Bericht in Erfüllung des Postulates Aebischer (sp, BE) «Anpassung der Bussen bei Blaulichtfahrern im Notfalleinsatz». Um die im Postulat gestellten Fragen zu beantworten, hatte der Bundesrat ein Rechtsgutachten erstellen lassen. Dieses kam zum Schluss, «dass die bestehenden gesetzlichen Grundlagen genügten, damit verhältnismässige Verkehrsregelverletzungen von Führerinnen und Führern von Dienstfahrzeugen im Notfalleinsatz nicht bestraft würden und auch kein Führerausweisentzug erfolge». Lediglich beim so genannten «Rasertatbestand» hätten die Gerichte das Mindeststrafmass bislang grundsätzlich nicht unterschritten. Daher möchte der Bundesrat dieses Thema im Rahmen der anstehenden Teilrevision des Strassenverkehrsgesetzes aufgreifen. Gemäss Vorschlag des Bundesrates soll bei einer grossen Tempolimitüberschreitung nicht mehr automatisch ein Delikt wegen Raserei vorliegen; die Gerichte müssten dies im Einzelfall entscheiden können. Zudem dürfe der Rasertatbestand nicht zur Anwendung kommen, wenn kein hohes Risiko eines gravierenden Unfalls vorlag oder wenn die Tempoüberschreitung auf Fahrlässigkeit zurückgeführt werden kann. Auch soll bei einem festgestellten Rasertatbestand keine Mindestfreiheitsstrafe mehr verhängt werden. Schliesslich werde bei der SVG-Teilrevision auch vorgeschlagen, dass die zuständigen Instanzen bei der Beurteilung von grundlegenden Verkehrsübertretungen im Rahmen von Einsätzen in jedem Fall eine Strafmilderung vorsehen sollen, damit der besonderen Lage bei Blaulichtfahrten Rechnung getragen werden könne.

Anpassung der Bussen bei Blaulichtfahrern im Notfalleinsatz (Po. 19.4113)

Diskussionslos überwies der Nationalrat in der Frühjahrssession 2021 ein Postulat Feri (sp, AG) für eine Evaluation des Bundesgesetzes über Kindesentführungen. Der Bundesrat soll in einem Bericht beleuchten, wie die Bundesbehörden internationale Kindesentführungsfälle im Zusammenhang mit dem Haager Kindesentführungsübereinkommen bearbeiten. Dabei soll untersucht werden, ob sie alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Interessen der entführten Kinder wahrzunehmen.

Evaluation des Bundesgesetzes über internationale Kindesentführungen (Po. 20.4448)

Die mittels vier parlamentarischen Initiativen Poggia (mcg, GE; Pa.Iv. 12.463, 12.492) und Jositsch (sp, ZH; Pa.Iv. 12.495, 12.497) geforderten Anpassungen der Strafprozessordnung wurden von der RK-NR im Rahmen der laufenden StPO-Revision diskutiert. Dabei nahm sie die Forderungen nach der Möglichkeit zur Untersuchungshaft bei qualifizierter Wiederholungsgefahr (Pa.Iv. 12.495) sowie nach der Ausweitung der Beschwerdeberechtigung bei Haftentscheiden auf die Staatsanwaltschaft (Pa.Iv. 12.497) in die StPO-Revision auf. Bei den anderen beiden Anliegen betreffend die Privatklägerschaft im Strafprozess (Pa.Iv. 12.463) und die Zulassung zum Bundesgericht (Pa.Iv. 12.492) sah sie keinen Handlungsbedarf. Nach ihrer intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik beantragte die RK-NR ihrem Rat, die vier parlamentarischen Initiativen abzuschreiben, was dieser in der Frühjahrssession 2021 stillschweigend tat.

Parlamentarische Initiativen zur Anpassung der Strafprozessordnung (Pa.Iv. 12.463, 12.492, 12.495 und 12.497)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Das Anliegen der mittlerweile seit achtzehn Jahren hängigen parlamentarischen Initiative Abate (fdp, TI), die Erhöhung des Strafmasses bei sexuellen Handlungen mit Kindern, sollte nach dem Ansinnen der RK-NR nicht in einer separaten Vorlage, sondern im Rahmen der Strafrahmenharmonisierung umgesetzt werden, weshalb deren Behandlungsfrist immer wieder verlängert worden war. In der Zwischenzeit war die Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen zwar in der parlamentarischen Beratung angekommen, die Normen des Sexualstrafrechts waren vom Erstrat jedoch in einen separaten Entwurf ausgelagert worden, der Anfang Februar 2021 in die Vernehmlassung gegeben wurde. Damit die parlamentarische Initiative im Rahmen dieses Entwurfs umgesetzt werden kann, verlängerte der Nationalrat in der Frühjahrssession 2021 deren Behandlungsfrist auf Antrag seiner Rechtskommission um ein weiteres Jahr.

Höheres Strafmass für sexuelle Handlungen mit Kindern (Pa.Iv. 03.424)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

In der Frühjahrssession 2021 begrüsste Kommissionssprecher Beat Flach (glp, AG) seine Ratskolleginnen und -kollegen zur «kleinen Monsterdebatte» über die Revision der Strafprozessordnung. Der Nationalrat nahm sich der punktuellen Anpassung der StPO zur Verbesserung ihrer Praxistauglichkeit (in Umsetzung der Mo. 14.3383) als Erstrat an. Er trat ohne Gegenantrag auf die Vorlage ein. Zwei Minderheitsanträge Nidegger (svp, GE) und Addor (svp, VS) auf Rückweisung an den Bundesrat mit dem Auftrag, noch verschiedene zusätzliche Punkte in die Revision zu integrieren, fanden ausserhalb der SVP-Fraktion keine Zustimmung und blieben damit chancenlos.
Erster Kernpunkt der Diskussion war die Einschränkung der Teilnahmerechte der beschuldigten Person. Die aktuell geltende Regelung wurde in der Debatte immer wieder als einer der Auslöser für die vorliegende StPO-Revision genannt. Der Bundesrat hatte im Entwurf vorgesehen, dass die beschuldigte Person von einer Einvernahme ausgeschlossen werden kann, solange sie sich zum Gegenstand der Einvernahme noch nicht selber einlässlich geäussert hat. Er wollte damit der Strafverfolgung die Wahrheitsfindung erleichtern, wie Justizministerin Karin Keller-Sutter erklärte. Indem Beschuldigte unter bestimmten Voraussetzungen von der Einvernahme anderer Personen ausgeschlossen werden können, soll verhindert werden, dass sie ihre Aussagen einander anpassen. Befürworterinnen und Befürworter im Nationalrat argumentierten überdies, dass Zeuginnen und Zeugen durch die Anwesenheit der beschuldigten Person – oder letztere durch die Anwesenheit des «Bandenboss[es]» (Barbara Steinemann, svp, ZH) – eingeschüchtert und unter Druck gesetzt werden könnten, was die Qualität der Aussagen beeinträchtige. Vertreterinnen und Vertreter der Gegenseite warnten dagegen vor der Einführung einer «faktische[n] Mitwirkungspflicht» (Ursula Schneider Schüttel, sp, FR): Die neue Regelung bewirke, dass die beschuldigte Person sich zur betreffenden Sache im Detail äussern – d.h. auf ihr Aussageverweigerungsrecht verzichten – müsse, um bei den Beweiserhebungen dabei sein zu dürfen. Für jemand Unschuldiges sei das besonders schwierig, führte Philipp Matthias Bregy (mitte, VS) aus, «[d]enn der kann nämlich nichts anderes sagen, als dass er unschuldig ist». Den Beweiserhebungen nicht beizuwohnen und daher nicht genau zu wissen, was einem vorgeworfen werde, erschwere indessen die eigene Verteidigung, so Ursula Schneider Schüttel weiter. Zwar gab auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter den Gegenstimmen recht, dass das Teilnahmerecht der Beschuldigten «als Ausgleich für die strukturell starke Stellung der Staatsanwaltschaft notwendig» sei, hielt die vorgeschlagene Einschränkung jedoch für «massvoll und zurückhaltend». Für ihre Fraktion sei der Artikel allerdings die «Pièce de Résistance» der Vorlage, bekundete SP-Vertreterin Ursula Schneider Schüttel ebenso wie Christian Lüscher (fdp, GE), der für die Mehrheit der FDP-Fraktion sprach. Sinngleich erklärte auch Sibel Arslan (basta, BS), im Falle der Annahme der neuen Einschränkung werde die Grüne Fraktion «die ganze Vorlage infrage stellen müssen». Mit 103 zu 85 Stimmen bei zwei Enthaltungen folgte die grosse Kammer schliesslich ihrer Kommissionsmehrheit, die beim Status quo bleiben wollte. SP und Grüne setzten sich mit Unterstützung von Teilen der FDP- und der Mitte-Fraktionen durch.
Erfolgreicher war der Bundesrat mit seinem Ansinnen, die Voraussetzungen für die Untersuchungs- und Sicherheitshaft bei Wiederholungsgefahr zu lockern, wobei der Nationalrat seiner Kommissionsmehrheit folgend eine vom Bundesrat abweichende Formulierung wählte. Justizministerin Karin Keller-Sutter stellte im Rat jedoch fest, dass nach Ansicht des Bundesrates kein materieller Unterschied zwischen den beiden Formulierungen bestehe. Eine weitere Niederlage musste der Bundesrat bei der vorgesehenen Beschwerdemöglichkeit für die Staatsanwaltschaft gegen Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts hinnehmen. Er hatte diese in der StPO festschreiben wollen, um die ohnehin bereits vom Bundesgericht angewandte Praxis gesetzlich zu verankern. «Es ist unbefriedigend, wenn sich weder die Legitimation noch das Verfahren aus dem Gesetz ergeben», begründete die Justizministerin diese Neuerung. Der Nationalrat folgte auch in dieser Frage mit 98 zu 89 Stimmen seiner Kommissionsmehrheit und strich den betreffenden Absatz aus der Vorlage. Die geschlossen für die Version des Bundesrates stimmenden Fraktionen der SVP und der FDP sowie einzelne Stimmen aus der Mitte- und der GLP-Fraktion befürchteten, ohne Beschwerdemöglichkeit für die Staatsanwaltschaft könnte «eine zu Unrecht erfolgte Nichtanordnung von Haft» in gewissen Fällen «eine Fortsetzung der Strafuntersuchung illusorisch» machen, wie es Christa Markwalder (fdp, BE) formulierte. Die Ratsmehrheit folgte indessen der Argumentation von Mitte-Vertreter Philipp Matthias Bregy: Wenn die Staatsanwaltschaft Beschwerde gegen die Nichtanordnung, Nichtverlängerung oder Aufhebung der Untersuchungshaft einlegen könne, könne die Untersuchungshaft «durch systematische Beschwerden der Staatsanwaltschaften unnötig verlängert» werden. Selbst Bundesrätin Karin Keller-Sutter gab zu bedenken, es sei «alles andere als klar», ob sich die Beschwerdeberechtigung für die Staatsanwaltschaft mit den Vorgaben der EMRK vereinbaren lasse. Weil die Überführung der bundesgerichtlichen Praxis in das Gesetz von einer angenommenen parlamentarischen Initiative Jositsch (sp, ZH; Pa.Iv. 12.497) gefordert und in der Vernehmlassung mehrheitlich begrüsst worden sei, habe sich die Regierung «trotz aller Bedenken und Unsicherheiten» entschieden, die nun im Nationalrat durchgefallene Regelung in den Entwurf aufzunehmen, so die Justizministerin.
Weiter sollten DNA-Profile gemäss dem Entwurf des Bundesrates neu auch dann erstellt werden dürfen, wenn «erhebliche und konkrete Anhaltspunkte» für eine Verwicklung der beschuldigten Person in bereits begangene oder künftige Delikte bestimmter Schwere bestünden, und nicht mehr nur zur Aufklärung von Verbrechen, die Gegenstand des aktuellen Verfahrens sind. Die Kommissionsmehrheit wollte hier einerseits einen Schritt weiter gehen und schlug vor, dass bei vergangenen Straftaten eine «gewisse Wahrscheinlichkeit» bereits genügen sollte; für die Aufklärung zukünftiger Straftaten lehnte sie andererseits die Erstellung eines DNA-Profils gänzlich ab. Die Volkskammer folgte diesen beiden Anträgen, wobei die Verschärfung bezüglich der vergangenen Straftaten gegen den Widerstand des links-grünen Lagers und die Streichung bezüglich der zukünftigen Straftaten gegen die SVP- und Teile der Mitte-Fraktion durchgesetzt wurde.
Überdies nahm der Nationalrat mit grosser Mehrheit auch einen Einzelantrag Regazzi (mitte, TI) an, der darauf zielte, die Möglichkeiten zur verdeckten Ermittlung im Bereich der Kinderpornografie zu erweitern. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatte vergeblich darauf hingewiesen, dass der Antrag in die sorgfältig austarierte Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Kantonen eingreife und deshalb abzulehnen sei. Ebenfalls gegen den Willen des Bundesrates fügte die grosse Kammer einen neuen Artikel über die restaurative Gerechtigkeit («justice restaurative», Wiedergutmachungsjustiz) in die StPO ein. Die Kommission habe sich mit 15 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen zu diesem «mutigen Schritt» entschieden, berichtete Kommissionssprecher Beat Flach. Wenn beide Seiten damit einverstanden sind, soll neu eine Art Mediation zwischen Opfern und Tätern durchgeführt werden können. Es gehe nicht darum, wie von ablehnenden Stimmen aus SVP und Mitte kritisiert, die Verfahren zu verlängern oder «dem Straftäter gegenüber irgendwie Milde walten zu lassen», sondern dem Opfer eine Möglichkeit zu geben, sich mit dem Geschehenen zu beschäftigen und es aufzuarbeiten. Erfahrungen aus der Westschweiz und aus Belgien zeigten, dass solche Prozesse das «rein[e] Aburteilen und Strafen» gut ergänzen und vor allem für die Opfer «eine Hilfe auf dem weiteren Lebensweg» sein könnten. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte, dass der Bundesrat die «justice restaurative» nicht generell ablehne, mahnte den Nationalrat aber zur Vorsicht, nicht übereilt zu handeln. Sie kritisierte die unpräzise Formulierung, die sowohl den Anwendungsbereich als auch die Folgen einer allenfalls erfolgreichen Wiedergutmachung zu stark offen lasse; das sei «unter dem Aspekt der rechtsgleichen Behandlung heikel». Auch müsste die Frage zuerst mit den Kantonen diskutiert werden, die die StPO schliesslich anwendeten. Den Einwand, das Konzept sei zu wenig ausgereift, liess Kommissionssprecher Flach nicht gelten: Der Ständerat könne als Zweitrat noch «nachjustieren». Mit 122 zu 71 Stimmen sah das auch der Nationalrat so und hiess den Vorschlag seiner Kommissionsmehrheit gut, wobei sich die SVP-Fraktion geschlossen und die Mitte-Fraktion mehrheitlich gegen die Einführung der Wiedergutmachungsjustiz aussprach.
Eine weitere Neuerung, die der Bundesrat nicht durchsetzen konnte, war das Ansinnen, die Staatsanwaltschaft zu verpflichten, die beschuldigte Person im Strafbefehlsverfahren zwingend einzuvernehmen, wenn ihr eine unbedingte Freiheitsstrafe droht. Eine Einvernahme erhöhte die Akzeptanz eines Strafbefehls, begründete die Justizministerin diesen Schritt. Während eine links-grüne Minderheit die Einvernahme auch bei hohen Geldstrafen verpflichtend machen wollte, erachtete die bürgerliche Ratsmehrheit die heutige Regelung als ausreichend und strich den Artikel gänzlich aus dem Entwurf.
Damit hatte der Nationalrat der Revisionsvorlage einige Zähne gezogen, die insbesondere den Strafverfolgungsbehörden zugute gekommen wären. Von der Ratslinken hatte sich der Bundesrat zunächst vorwerfen lassen müssen, einer «durchaus beeindruckende[n] PR-Offensive» (Min Li Marti, sp, ZH) der Staatsanwaltschaft erlegen zu sein. Gegen die Vorlage, wie sie nun vom Nationalrat angepasst worden war, regte sich in der Gesamtabstimmung von linker Seite aber kein Widerstand mehr. «Den Ton gaben Anwältinnen und Anwälte an», resümierte denn auch die NZZ die Debatte. Mit dem Ergebnis explizit unzufrieden zeigte sich die SVP-Fraktion. Die versprochene Verbesserung der Praxistauglichkeit der StPO für die Strafverfolgungsbehörden sei «heute in diesem Saal nicht passiert», so SVP-Vertreter Pirmin Schwander (svp, SZ), weil die Ratsmehrheit die zentralen Neuerungen verworfen habe. Die grosse Kammer verabschiedete den Entwurf schliesslich mit 139 zu 54 Stimmen an den Zweitrat. Stillschweigend schrieb er die Motionen 09.3443, 11.3223, 11.3911, 12.4077 und 14.3383 sowie die Postulate 15.3447 und 15.3502 ab. Die vom Bundesrat ebenfalls beantragte Abschreibung des Postulats 18.4063 zur Wiedergutmachungsjustiz lehnte er jedoch ab.

Änderung der Strafprozessordnung (BRG 19.048)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Eine im Februar 2021 eingereichte Motion der FK-SR verlangte, dass der Bundesrat die Verschuldungsobergrenze der SBB vorübergehend anhebt, damit es bei den bereits fortgeschrittenen Immobilienprojekten der SBB zu keinem Marschhalt komme. Die Kommission befürchtete, dass dem Bund bei einem Stopp wichtige Ertragseinbussen drohen würden und auch die Sanierung der SBB-Pensionskasse negativ tangiert würde. Dieser Motion vorausgegangen war ein Entscheid der SBB, circa 40 ihrer Immobilienprojekte aufgrund der angespannten finanziellen Situation vorübergehend zu stoppen.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Er erläuterte, dass die strategischen Ziele für die SBB dem Parlament respektive der zuständigen Kommission jeweils vorgelegt würden. Mit der Konsultation über die strategischen Ziele 2019-2022 sei das Parlament folglich über die aktuell geltende Begrenzung der verzinslichen Nettoverschuldung informiert worden. Die Sistierung der Investitionen in einige Immobilienprojekte seien Teil von Sparmassnahmen gewesen, welche die SBB als Reaktion auf die Verschlechterung ihrer finanziellen Lage aufgrund der Covid-19-Krise vorgenommen habe. Ende Februar 2021 habe die SBB jedoch bereits kommuniziert, dass diese sistierten Projekte dank einer Änderung der Finanzierungsmodalitäten bei Beschaffungen nun doch teilweise realisiert werden könnten. Die temporäre Anhebung ihrer Verschuldungsobergrenze sei somit nicht nötig, meinte der Bundesrat, da vorübergehende Überschreitungen bereits möglich seien. Eine dauerhafte Anpassung der Verschuldungsobergrenze werde er überdies in den nächsten Jahren prüfen.
In der ständerätlichen Debatte in der Frühjahrssession 2021 meldeten sich mehrere gegenüber der Motion positiv eingestellte Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu Wort. So argumentierte beispielsweise Olivier Français (fdp, VD), dass das Problem der Verschuldung bei der SBB und weiteren Eisenbahnunternehmen akut sei und dass der Bundesrat mit der Annahme der Motion gezwungen würde, dem Parlament Vorschläge zu unterbreiten, wie mit diesem Problem umgegangen werden solle. Eva Herzog (sp, BS) fügte an, dass es wichtig sei, in der coronabedingten Krise antizyklisch zu handeln. Stefan Engler und Andrea Gmür-Schönenberger wiesen überdies darauf hin, wie wichtig diese SBB-Immobilienprojekte auch für verschiedene Gemeinden und Städte seien, zum Beispiel durch die Schaffung von Arbeitsplätzen oder durch Steuereinnahmen. Verkehrsministerin Sommaruga ihrerseits bat um Ablehnung der Motion und warnte davor, diese Obergrenze zukünftig zu weit zu erhöhen. Man könne nämlich nicht davon ausgehen, dass es in der Immobilienwirtschaft immer nur gute Phasen geben werde.
Die Worte von Sommaruga vermochten den Ständerat aber nicht zu überzeugen. Er stimmte der Motion mit 30 zu 8 Stimmen bei 2 Enthaltungen deutlich zu.

Kein Stopp der Immobilienprojekte der SBB, damit dem Bund und der Wirtschaft keine zukunftsweisenden und rentablen Projekte entgehen (Mo. 21.3023)

Der Ständerat behandelte in der Frühjahressession 2021 eine Motion Pasquier-Eichenberger (gp, GE) zum Monitoring des alpenquerenden Gefahrguttransports. Marianne Maret (mitte, VS) erläuterte, dass die KVF-SR einstimmig zum Entscheid gelangt sei, dass der Gefahrguttransport über die Alpen, und insbesondere über den Simplon, überwacht und dokumentiert werden müsse. Dadurch könnten die Risiken eingedämmt und die Sicherheit im alpenquerenden Strassenverkehr gestärkt werden. Verkehrsministerin Sommaruga pflichtete dieser Einschätzung bei und erläuterte, dass das BAV bei Annahme der Motion beim Kanton Wallis die Erhebung der Zahlen zum alpenquerenden Gefahrguttransport über den Simplon in Auftrag geben werde. Die Motion war im Ständerat ebenso unumstritten wie zuvor im Nationalrat und wurde folglich einstimmig gutgeheissen.

Monitoring des alpenquerenden Gefahrguttransports
Dossier: Verlagerung von der Strasse auf die Schiene

Nachdem der Ständerat im Herbst 2020 dem Postulat ihrer Schwesterkommission (Po. 20.3463) zugestimmt hatte, entschied die RK-NR im Februar 2021, ihrem Rat die Ablehnung der parlamentarischen Initiative Rutz (svp, ZH) zur Verankerung der Redlichkeitskultur im Schweizer Recht zu beantragen. In ihrem Bericht unterstrich sie die Wichtigkeit des Anliegens, hielt es jedoch für angezeigt, den Postulatsbericht abzuwarten und vorerst nicht selber tätig zu werden. Daraufhin zog der Initiant in der Frühjahrssession sein Begehren zurück.

Verbesserung der öffentlichen Sicherheit durch Verankerung der Redlichkeitskultur (Pa.Iv. 19.478)

Im März 2021 publizierte der Bundesrat die umfassende Botschaft zur Genehmigung des Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit (Prümer Zusammenarbeit), des Eurodac-Protokolls, des Abkommens mit den USA über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten und einen Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus.
Mithilfe dieser Fülle an Abkommen wollte der Bundesrat der grenzüberschreitenden Kriminalität durch eine vertiefte internationale Zusammenarbeit begegnen. Herzstück der Unternehmung war das Prümer Abkommen mit der EU. Dabei handelt es sich nicht um eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands, weshalb die Schweiz ein separates Assoziierungsabkommen mit der EU abschliessen musste. Bisher mussten Schweizer Ermittlungsbehörden für einen Abgleich von DNA-Profilen, Fingerabdrücken oder Fahrzeughalterdaten via Interpol alle Länder einzeln kontaktieren, was sehr aufwändig und langwierig war. Durch das Abkommen sollten sich derartige Abfragen erheblich vereinfachen, da die schweizerischen Informationssysteme direkt mit denen anderer europäischer Staaten vernetzt werden könnten.
Das Eurodac-Protokoll zwischen der Schweiz und der EU wiederum regelt die Nutzung der Eurodac-Datenbank, welche Fingerabdruckdaten von Asylsuchenden aus Drittstaaten beinhaltet. Die Umsetzung des Prümer Abkommens gilt dabei als Voraussetzung für die Inkraftsetzung des Eurodac-Protokolls, weshalb die beiden Vorlagen gemeinsam behandelt werden. Durch die Unterzeichnung des Protokolls erhalten schweizerische Strafverfolgungsbehörden Zugriff auf die Datenbank, aber nur in Fällen schwerwiegender Straftaten oder bei Verdacht auf einen terroristischen Hintergrund.
Parallel zur technischen Umsetzung des Prümer Abkommens soll auch das PCSC-Abkommen (Cooperation in Preventing and combating Serious Crime) mit den USA in Kraft treten. Dieses verfolgt inhaltlich ähnliche Ziele, ist jedoch auf den Austausch von DNA- und Fingerabdruckdaten beschränkt. Die Umsetzung des PCSC-Abkommens war zudem eine Bedingung dafür, dass die Schweiz weiterhin am Visa Waiver Programm – welches maximal neunzigtägige, visumsfreie Aufenthalte in den USA ermöglicht – teilnehmen konnte.
Da die drei Abkommen technische und juristische Gemeinsamkeiten aufweisen, wurden sie im politischen Prozess und bei der technischen Umsetzung parallel unter dem Begriff «Programm Prüm Plus» geführt. Im Rahmen dieser Dossiers sollten finanzielle Verpflichtungen für Informatik-Investitionen über das Voranschlagsjahr 2022 hinaus eingegangen werden, weshalb der Bundesrat dem Parlament einen Verpflichtungskredit über CHF 11 Mio. vorlegte.

Genehmigung des Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, des Euroda-Protokolls, des Abkommens über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten sowie zu deren Umsetzung und über einen Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus

La motion Barazzone (cvp, GE) a été classée, le Conseil fédéral ayant présenté un projet de modification de la Loi sur les espèces protégées (LCITES) afin de renforcer les sanctions en cas de commerce illicite d'espèces menacées.

Illegaler Handel mit bedrohten Arten. Schärfere strafrechtliche Sanktionen in der Schweiz (Mo. 15.3958)

In der Frühjahrssession 2021 konnte das Parlament das Bundesgesetz über administrative Erleichterungen und die Entlastung des Bundeshaushalts bereits bereinigen – jedoch vorerst noch ohne die Bestimmungen zur Einführung von Pauschalen bei der Berechnung der Kostenbeteiligung für die Post- und Fernmeldeüberwachung (ÜPF), die der Nationalrat in ein zweites Projekt ausgelagert und dieses der RK-NR zur Vorberatung zugewiesen hatte.
Die verbliebenen Bestimmungen waren im Ständerat nicht umstritten. Die FK-SR hatte sich zuvor einstimmig für den Entwurf ausgesprochen. Finanzminister Maurer wies noch einmal darauf hin, dass mit diesem Gesetz zwar «nur» ein tiefer dreistelliger Millionenbetrag eingespart werden könne, dass damit aber Prozesse und Abläufe optimiert werden könnten. Der Prozess sei deshalb wertvoll, weil sich die gesamte Verwaltung mit dem Thema «Effizienzsteigerung» befasst habe. Einstimmig, mit 43 zu 0 Stimmen, nahm der Ständerat den Entwurf an.
Auch in den Schlussabstimmungen hiess das Parlament das Gesetz ohne Gegenstimmen gut (Ständerat: 44 zu 0 Stimmen; Nationalrat: 193 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen).

Bundesgesetz über administrative Erleichterungen und die Entlastung des Bundeshaushalts (BRG 20.067)

Auf Antrag des Bundesrates nahm der Ständerat in der Frühjahrssession 2021 stillschweigend eine Motion Caroni (fdp, AR) zur Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe an. Mit dem Vorstoss wird der Bundesrat aufgefordert, seine im Bericht zu den Postulaten 18.3530 und 18.3531 dargelegten Vorschläge zur Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe umzusetzen. Diese umfassten erstens die spätere erstmalige Prüfung der bedingten Entlassung, zweitens die Abschaffung der ausserordentlichen bedingten Entlassung und drittens die Vereinfachung des Verhältnisses von lebenslanger Freiheitsstrafe und Verwahrung.

Reform der lebenslangen Freiheitsstrafe (Mo. 20.4465)

Ende 2020 und anfangs 2021 kam es rund um den mutmasslichen Umweltskandal im Mitholz-Steinbruch und das Fischsterben im Blausee (Berner Oberland) zu neuen Entwicklungen, die von den Medien aufgegriffen wurden. So vermeldete die Berner Zeitung, dass die Vigier-Gruppe (Betreiberin des Steinbruchs) Ende Januar 2021 an die Berner Staatsanwaltschaft gelangt sei, mit der Bitte, dass die Blausee AG keine Unterlagen mehr an Dritte – insbesondere an die Presse – weiterreichen dürfe, solange das Verfahren andauere. Die Blausee AG ihrerseits sah dies als «Maulkorb» an. Ebenfalls Ende Januar 2021 wurde in einem Artikel des Sonntagsblicks darüber berichtet, dass der Verwaltungsratspräsident und Mitbesitzer der Blausee AG, Stefan Linder, Ende 2020 auf eigene Faust Recherchen angestellt habe. Dies blieb in den Medien nicht unkommentiert und resultierte in eine Strafanzeige der Tochterfirma von Vigier gegen Linder. Letzterer wiederum reichte eine Strafanzeige gegen den Sonntagsblick ein, der über seine Recherchen berichtet hatte.
Nebst diesem juristischen Schauplatz kam es aber auch zu weiteren Geschehnissen rund um die Sanierung des BLS-Scheiteltunnels und die Ablagerung von Materialien im Steinbruch Mitholz. Im Februar 2021 erläuterte die Steinbruchbetreiberin Vigier, dass es gewisse Anhaltspunkte gebe, dass geringe Mengen des im Steinbruch gelagerten Aushub- und Ausbruchmaterials aus dem BLS-Scheiteltunnel «möglicherweise bewusst falsch deklariert angeliefert wurden». Dennoch schloss Vigier weiterhin aus, dass das dort gelagerte Material etwas mit dem Fischsterben im Blausee zu tun haben könnte, wie die Medien berichteten. Die BLS wiederum teilte ebenfalls im Februar mit, dass im Rahmen der Sanierung des Lötschberg-Scheiteltunnels Betonschlamm eventuell nicht sachgerecht entsorgt worden sei. Gemäss Bahnunternehmen sei noch unklar, wie stark dieses Material mit Schadstoffen belastet war und ob Teile dieses Materials auch in den Steinbruch Mitholz gelangt seien. Die BLS werde den Vorfall genau untersuchen und habe auch das BAV und die Staatsanwaltschaft in Kenntnis gesetzt.
Schliesslich vermerkte die Berner Zeitung Ende Februar 2021, dass die GPK des bernischen Grossen Rats wie geplant mit den Untersuchen zur Causa Mitholz/Blausee vorankomme. Bis zum Ende der laufenden Legislatur im Mai 2022 wolle sie die Untersuchungen abschliessen.

Tote Fische im Blausee

Das BAV vermeldete im Februar 2021, dass von insgesamt 1'800 Bahnhöfen und Eisenbahn-Haltstellen inzwischen deren 873 für Personen mit einer Gehbehinderung und für körperlich beeinträchtigte Menschen zugänglich gemacht worden sind. Dies entspreche 54 Bahnhöfen, die im Verlaufe des Jahres 2020 dazugekommen sind. Die baulichen Anpassungen werden vorgenommen, um den Vorgaben des BehiG zu entsprechen, bis Ende 2023 alle Bahnhöfe umzubauen, insofern solche Anpassungen verhältnismässig ausfallen. Das BAV berichtete weiter, dass die Frist bis Ende 2023 bei rund 323 Bahnhöfen nicht werde eingehalten werden können. Bei allen diesen Fällen habe das BAV verbindliche Termin- und Finanzierungspläne verlangt.

Bahnhöfe behindertengerecht umbauen

Im Februar 2021 befasste sich die KVF-SR mit vier parlamentarischen Initiativen, welche vergünstigte Tageskarten für Schulklassen forderten (Pa.Iv. 19.504 Munz (sp, SH); Pa.Iv. 19.505 Roduit (cvp, VS); Pa.Iv. 19.506 Eymann (lpd, BS); Pa.Iv. 19.507 Trede (gp, BE)). Wie bereits in der KVF-NR stiessen die Initiativen auch bei der Schwesterkommission auf Zustimmung; sie begrüsste die finanzielle Unterstützung von schulischen Aktivitäten, die ausserhalb des Klassenzimmers stattfinden. Die Kommission wies darauf hin, dass die Branchenorganisation des öffentlichen Verkehrs Alliance SwissPass für die Tarifregelung zuständig sei. Daher solle diese einen Tarifvorschlag im Sinne der Initiativen ausarbeiten. Erst danach solle geprüft werden, ob eine Änderung gesetzlicher Grundlagen nötig sei. Eine Kommissionsminderheit beantragte, den Initiativen keine Folge zu geben, da die Kompetenz in Bildungsfragen bei den Kantonen und Gemeinden liege.

Vier parlamentarische Initiativen zu vergünstigten Tageskarten für Schulklassen (Pa.Iv. 19.504; Pa.Iv. 19.505; Pa.Iv. 19.506; Pa.Iv. 19.507)

Nachdem sich der Ständerat im Sommer 2020 dafür ausgesprochen hatte, die Normen des Sexualstrafrechts aus der Vorlage zur Strafrahmenharmonisierung zu streichen und in einem separaten Entwurf zu behandeln, beauftragte die RK-SR die Verwaltung, eine Vernehmlassungsvorlage zum Sexualstrafrecht auszuarbeiten. Am 1. Februar 2021 eröffnete die Kommission das Vernehmlassungsverfahren. In ihrem Bericht führte die Kommission aus, das Ziel der Vorlage sei keine grundlegende Neugestaltung des Sexualstrafrechts; vielmehr würden punktuelle Änderungen vorgeschlagen. So soll ein neuer Artikel 187a ins Strafgesetzbuch eingefügt werden, um «den entgegenstehenden Willen von sexuell mündigen Opfern zu schützen», wie die Kommission den Grundgedanken des neuen Tatbestands des sexuellen Übergriffs in der Medienmitteilung erläuterte. Die neue Bestimmung soll Fälle abdecken, in denen jemand eine sexuelle Handlung gegen den Willen des Opfers vornimmt oder vornehmen lässt, aber ohne das Opfer zu nötigen oder eine Notlage oder Abhängigkeit auszunützen, wie es bisher für die Strafbarkeit verlangt wird. Zur Anwendung kommen soll der neue Artikel beispielsweise, wenn sich der Täter oder die Täterin vorsätzlich über den geäusserten Willen des Opfers hinwegsetzt, eine sexuelle Handlung überraschend vornimmt oder eine solche bei der Ausübung einer Tätigkeit im Gesundheitsbereich vornimmt oder vornehmen lässt, indem der Irrtum des Opfers über den Charakter der Handlung ausgenutzt wird. Ein sexueller Übergriff soll mit maximal drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden.
Weiter soll in Umsetzung einer Genfer Standesinitiative (Kt.Iv. 14.311) die Definition der Vergewaltigung, die unverändert mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe bedroht wird, dahingehend ausgedehnt werden, dass nicht mehr nur der Beischlaf, sondern auch beischlafsähnliche Handlungen darunterfallen und auch männliche Opfer erfasst werden können. Weiterhin soll jedoch eine Art von Zwang, also Nötigung durch Gewalt, Druck oder Drohung, Voraussetzung für eine Vergewaltigung sein; die in der Öffentlichkeit als Zustimmungslösung («nur ja heisst ja») diskutierte Variante war im Vorentwurf nicht enthalten. Wie die Medienberichterstattung vermuten liess, dürfte es hierzu noch eine lebhafte Debatte geben, regte sich doch von verschiedenen Seiten, u.a. von den Grünen oder von Amnesty International Schweiz, bereits Widerstand gegen den Vorschlag.
Wie von einer parlamentarischen Initiative Amherd (cvp, VS; Pa.Iv. 18.434) gefordert, soll zudem das Anbahnen sexueller Kontakte mit Kindern, das sogenannte Cybergrooming, künftig unter Strafe gestellt werden. Für sexuelle Handlungen mit Kindern unter 12 Jahren sind neu generell schärfere Strafen vorgesehen. Demgegenüber sollen Jugendliche nicht unnötig kriminalisiert werden, wenn sie pornografisches Material von sich selber oder von Gleichaltrigen mit deren Einverständnis herstellen, weiterleiten oder besitzen, indem dies unter gewissen Umständen straflos bleiben kann. Nicht in den Vorentwurf aufgenommen wurde indessen das Anliegen einer Motion Rickli (svp, ZH; Mo. 14.3022), einen Straftatbestand zu Posing-Bildern von Kindern zu schaffen. Die Vernehmlassungsfrist endet am 10. Mai 2021.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Wie bereits die KVF-SR und der Ständerat, sah auch die KVF-NR keinen Anlass, im Bereich der Schliessungen von Verkaufsstellen von Eisenbahnunternehmen gesetzgeberisch tätig zu werden, da diese Thematik in den Kompetenzbereich der Kantone falle. Entsprechend empfahl sie im Januar 2021, einer Standesinitiative des Kantons Jura mit 15 zu 3 Stimmen bei 5 Enthaltungen keine Folge zu geben.

Transparenz und Vorankündigungsfrist bei Schliessungen von Verkaufsstellen von Eisenbahnunternehmen (Kt. Iv. 20.310)

Jahresrückblick 2020: Verkehr und Kommunikation

Die Verkehrspolitik war im Jahr 2020, wie andere Politikfelder auch, massgeblich von der Corona-Pandemie beeinflusst. Der öffentliche Verkehr litt stark unter der Krise respektive dem mangelnden Passagieraufkommen. In der Folge gleiste der Bundesrat rasch Massnahmen auf, um dem Verkehrssektor unter die Arme zu greifen. Für den öffentlichen Verkehr, inklusive touristische Angebote wie etwa die Schifffahrt oder Seilbahnen, verabschiedete das Parlament das dringliche Bundesgesetz über die Unterstützung des öffentlichen Verkehrs in der Covid-19-Krise. Dieses war in den Räten unbestritten und brachte dem öffentlichen Verkehr eine Hilfe in der Höhe von rund CHF 900 Mio. Umstrittener war die Unterstützung für die ebenfalls gebeutelte Luftfahrtbranche. In beiden Räten gingen Anträge von links-grüner Seite ein, um die Kredite an klimapolitische Auflagen zu binden. Diese fanden aber ausserhalb des links-grünen Lagers keine Zustimmung. Schliesslich wurden im Rahmen des Nachtrags I zum Voranschlag 2020 Verpflichtungskredite über CHF 1.275 Mrd. für die Luftverkehrsunternehmen und CHF 600 Mio. für flugnahe Betriebe sowie ein Nachtragskredit über 600 Mio. für flugnahe Betriebe gewährt. Auch in der Presse fand die Unterstützung für die Luftfahrtbranche einige Beachtung. Währenddem die Unterstützung generell begrüsst wurde, waren einige Zeitungen der Ansicht, dass es der Bundesrat und das Parlament verpasst hätten, den Fluggesellschaften dafür auch Bedingungen zu stellen.

Die Postauto-Affäre, die 2018 ans Licht gekommen war, beschäftigte die Schweizer Politik auch im Jahr 2020 noch. Der Bundesrat äusserte sich im Februar 2020 zum ausführlichen Bericht der GPK-SR in dieser Angelegenheit und kam zum Schluss, dass die Governance-Strukturen des Bundes funktioniert hätten, zumal es das BAV gewesen sei, welches das fehlerhafte Verhalten der Postauto AG überhaupt erst aufgedeckt habe. Zudem sah der Bundesrat keinen grossen Handlungsbedarf hinsichtlich der strategischen Ziele für die Postauto AG. Im Zuge der Postauto-Affäre wurden 2020 auch vier Postulate (Po. 19.4385; Po. 19.4387; Po. 19.4388 und Po. 19.4389) angenommen. In diesen wurde eine Prüfung verschiedenster Bereiche und Kompetenzen im regionalen Personenverkehr gefordert sowie eine Gesamtsicht zur Postauto-Affäre verlangt. Noch während der politischen Aufarbeitung dieser Problematik wurden im Jahr 2020 weitere Ungereimtheiten bei anderen Anbietern im öffentlichen Verkehr publik: So mussten die BLS, die SBB sowie die Verkehrsbetriebe Luzern mehrere Millionen Franken an zu viel erhaltenen Subventionen zurückerstatten, wie die Medien berichteten.
Ein erfreulicheres Ereignis stellte hingegen die Eröffnung des Ceneri-Basistunnels dar. In den Medien wurde ausführlich über den Festakt berichtet, der aufgrund der Corona-Krise leider nur in einem kleinen Rahmen über die Bühne gehen durfte. Der Ceneri-Basistunnel sei für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene und insbesondere für die Vollendung der NEAT von immenser Bedeutung, resümierten die Medien. Zudem sei er auch für den Zusammenhalt der beiden Tessiner Kantonsteile Sopraceneri und Sottoceneri von grossem Belang.

Schliesslich bewegte auch die fünfte Generation des Mobilfunkstandards (5G) die Gemüter der Politikerinnen und Politiker, der Medien und der Bevölkerung. Im November 2019 war ein lange erwarteter Bericht der Expertengruppe «Mobilfunk und Strahlung» detailliert auf die Fakten rund um die Mobilfunkanlagen, die Datenübertragung und die dabei auftretende Strahlung eingegangen. Der Bericht hielt fest, dass nicht abschliessend ausgeschlossen werden könne, dass die Strahlung von 5G gesundheitsschädlich sei. Zur Kernfrage einer allfälligen Anpassung der geltenden vorsorglichen Anlagegrenzwerte für Mobilfunkantennen und zur Weiterentwicklung des Mobilfunknetzes hatte sich die Arbeitsgruppe in der Folge nicht einigen können. Sie gab deshalb dazu keine Empfehlung ab, sondern skizzierte lediglich fünf Optionen, wie der Ausbau von 5G und die damit einhergehenden Auswirkungen aussehen könnten. Sie schlug aber sechs begleitende Massnahmen zum Umgang mit Mobilfunk vor. Der Bundesrat legte sodann im April 2020 das weitere Vorgehen in Sachen Mobilfunk und 5G fest. In diesem Rahmen beschloss er die Umsetzung der von der Arbeitsgruppe vorgeschlagenen Massnahmen. Zudem sollte das UVEK eine Vollzugshilfe für den Umgang mit den neuen adaptiven 5G-Antennen erarbeiten. Auch versprach der Bundesrat das Postulat Häberli-Koller (cvp, TG; Po. 19.4043) zu erfüllen, welches den Aufbau eines nachhaltigen Mobilfunknetzes verlangte, das einerseits einen optimalen Schutz vor Strahlung gewährleisten, andererseits aber auch die Einführung von 5G und nachfolgender Technologien innert einer vernünftigen Frist ermöglichen müsse. Bezüglich der Strahlung entschied der Bundesrat weiter, die Anlagegrenzwerte nicht zu lockern. Die Medien werteten dieses Vorgehen als Stillstand, während aus der Bevölkerung weiterhin kritische Stimmen zu vernehmen waren: So befanden sich zu diesem Zeitpunkt zwei 5G-kritische Volksinitiativen im Stadium der Unterschriftensammlung und im Januar 2020 war es in verschiedenen Städten auch zu Demonstrationen gegen diese neue Technologie gekommen. Im Berichtsjahr wurde sodann auch seitens einiger Kantone Kritik am Aufbau des 5G-Netzes laut; die Kantone Neuenburg und Genf reichten je eine Standesinitiative zu einem 5G-Moratorium ein.

In den Medien fanden die Themenbereiche Verkehr und Kommunikation etwas weniger Beachtung als in den Jahren zuvor. Insgesamt befassten sich im Jahr 2020 ca. 6 Prozent aller von APS erfassten Artikel mit diesen beiden Themen, in 2019 waren es noch ca. 8.5 Prozent gewesen.

Jahresrückblick 2020: Verkehr und Kommunikation
Dossier: Jahresrückblick 2020
Dossier: Verlagerung von der Strasse auf die Schiene

Jahresrückblick 2020: Rechtsordnung

Die innere und äussere Sicherheit der Schweiz waren im Kapitel Rechtsordnung aufgrund der fortwährenden internationalen Terrorismusgefahr auch 2020 dominante Themen. So verabschiedeten die eidgenössischen Räte gleich drei Gesetzesvorlagen zur Umsetzung der Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung. Erstens wurden mit der Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus und das dazugehörige Zusatzprotokoll umgesetzt. Damit sind neu bereits bestimmte Handlungen im Vorfeld eines geplanten terroristischen Aktes strafbar, insbesondere das Anwerben und Ausbilden von Terroristinnen und Terroristen, das Reisen für terroristische Zwecke (sog. Dschihadreisen) und die entsprechende Finanzierung. Das Vorläuferstoffgesetz reguliert zweitens den Zugang von Privatpersonen zu bestimmten Chemikalien, die zur Herstellung von Sprengstoff missbraucht werden können. Das dritte und umstrittenste der drei neuen Antiterrorgesetze war das Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT), auf dessen Grundlage die Polizei präventiv gegen terroristische Gefährderinnen und Gefährder vorgehen kann. Die PMT umfassen unterschiedlich starke Freiheitseinschränkungen von einer Meldepflicht bis zum Hausarrest und können gegen potenziell gefährliche Personen verhängt werden. Die Gegnerschaft sah damit den Rechtsstaat in Gefahr, weil die betroffenen Personen keine Straftat begangen hätten und die Massnahmen aufgrund blosser Indizien angeordnet würden. Die Jungen Grünen, die Juso und die Junge GLP ergriffen zusammen mit der Piratenpartei und dem Chaos Computer Club das Referendum gegen das Gesetz und begannen im Oktober mit der Unterschriftensammlung. Neben dem Parlament beschäftigte sich auch das Bundesstrafgericht mit der terroristischen Bedrohung, indem es mehrere Prozesse wegen der Unterstützung terroristischer Aktivitäten führte.

Unabhängig von der spezifisch terroristischen Bedrohung trieb das Parlament die Informationssicherheit des Bundes weiter voran, indem es die bereits 2017 begonnenen Beratungen zum Informationssicherheitsgesetz fortführte und in der Wintersession 2020 zum Abschluss brachte. Im Februar erschütterte überdies die sogenannte Crypto-Affäre die Schweizer Politlandschaft, als bekannt wurde, dass die Zuger Firma Crypto AG über Jahrzehnte von der CIA und dem BND manipulierte Chiffriergeräte in alle Welt verkauft hatte. Über Wochen wurde in den Medien gemutmasst, wer wie viel darüber wusste, welche Rolle der NDB, die Armee, die Bundesanwaltschaft, das Fedpol und der Bundesrat gespielt hatten und inwiefern sich die Schweizer Behörden und einzelne Führungsfiguren damit zu Komplizen ausländischer Nachrichtendienste gemacht hatten. Die ausgiebige Berichterstattung liess die Anzahl Zeitungsartikel im Themenbereich innere und äussere Sicherheit im Februar denn auch markant nach oben schnellen, während er über das ganze Jahr 2020 im Vergleich mit den Vorjahren medial eher schwach abgedeckt war (vgl. Abb. 1: Anteil Zeitungsberichte pro Monat und Abb. 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr). Das Ansinnen der Grünen und der sozialdemokratischen Fraktion, zur Aufarbeitung der Ereignisse rund um die Crypto AG eine PUK einzusetzen, scheiterte vorerst am Widerstand des Büros-NR, das den beiden entsprechenden parlamentarischen Initiativen im November keine Folge gab. Es erachtete die Untersuchung der GPDel, die kurz zuvor ihren Bericht veröffentlicht hatte, als ausreichend.

Im Bereich Strafrecht schlossen die eidgenössischen Räte den ersten Teil der Revision der Strafprozessordnung ab. Die Bestimmungen zur Sicherheitshaft wurden infolge einer Verurteilung der Schweiz durch den EGMR als dringend revidierungsbedürftig eingestuft und der Revision der gesamten Strafprozessordnung deshalb zeitlich vorgezogen. Auch zum zweiten laufenden, umfassenden Revisionsprojekt im Strafrecht, der Revision des Besonderen Teils des Strafgesetzbuchs (BT), nahm das Parlament die Beratungen in Angriff. Hauptbestandteil der BT-Revision bildet die Harmonisierung der Strafrahmen, mit der die im Strafgesetzbuch aus den 1940er-Jahren angedrohten Strafen mit den heutigen Werthaltungen in Einklang gebracht und deren Verhältnis zueinander neu ausgelotet werden sollen. Die von der Öffentlichkeit mit Spannung erwartete Anpassung der sexualstrafrechtlichen Normen wurde vorerst jedoch weiter aufgeschoben, da der Ständerat diese Bestimmungen im Einvernehmen mit dem Bundesrat in einen separaten Entwurf auslagerte, der zuerst noch in die Vernehmlassung gegeben werden soll.

Im Bereich Zivilrecht verabschiedete das Parlament sowohl die erste Etappe der Erbrechts-Revision, mit der durch die Verkleinerung der Pflichtteile die Verfügungsfreiheit von Erblasserinnen und Erblassern erhöht wird, als auch die Änderung des Zivilgesetzbuches zur einfacheren Änderung des Geschlechts im Personenstandsregister für Menschen mit Transidentität oder einer Variante der Geschlechtsentwicklung. Betreffend das internationale Privatrecht wurden die Normen über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit modernisiert, um die Schweiz als internationalen Schiedsplatz attraktiv zu halten.

Mit dem Datenschutzgesetz fand ein weiteres, grosses Gesetzgebungsprojekt 2020 seinen Abschluss. Knapp vier Jahre nach dem Beginn der Vernehmlassung und drei Jahre nach Beginn der parlamentarischen Beratung stimmten die eidgenössischen Räte dem Antrag der Einigungskonferenz zu und brachten damit das hart umkämpfte Geschäft in trockene Tücher. Umstritten waren vor allem die Voraussetzungen, unter denen das sogenannte Profiling, d.h. die Verknüpfung von Daten zur Erstellung von Persönlichkeitsprofilen, zulässig ist. Im Sinne eines Kompromisses setzte sich ein risikobasierter Ansatz durch, der strengere Voraussetzungen, wie beispielsweise die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person, stellt, wenn die Datenverknüpfung die Beurteilung wesentlicher Aspekte der Persönlichkeit der betroffenen Person ermöglicht. Damit hat die Schweiz nun ein modernes Datenschutzrecht, das nach Einschätzung des Bundesrates und des Parlaments dem Datenschutzniveau der EU gleichwertig sein sollte. Der diesbezügliche Äquivalenzbeschluss, der wie ein Damoklesschwert über den Verhandlungen hing und der eigentlich für 2020 angekündigt war, ist indes noch ausstehend.

Die Corona-Krise wurde im Kapitel Rechtsordnung vor allem in zwei Dimensionen sichtbar. Einerseits wurde die Einführung der Corona-Warn-App «SwissCovid» von einer ausführlichen Datenschutz-Diskussion begleitet. Andererseits gab es im ganzen Land zahlreiche Demonstrationen gegen die und trotz der Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Gegen die Corona-Massnahmen wurde ab Anfang Mai demonstriert, weil sich die Bürgerinnen und Bürger in ihren Grundrechten eingeschränkt sahen, nicht zuletzt gerade durch das Versammlungsverbot. Menschen, die nicht an die Gefährlichkeit des Virus glaubten, wehrten sich so gegen die aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Freiheitsbeschränkungen. Der Pandemie zum Trotz demonstrierten im Juni – in Folge der antirassistischen Proteste in den USA als Reaktion auf den durch Polizeigewalt verursachten Tod des Afroamerikaners George Floyd – auch in den Schweizer Städten Tausende unter dem Motto «Black Lives Matter». Die Ereignisse lösten eine grosse gesellschaftliche Debatte über strukturellen Rassismus in der Schweizer Gesellschaft aus, die sich um systematische Benachteiligung nichtweisser Menschen, Polizeigewalt und Racial Profiling, und nicht zuletzt auch um die umstrittene Bezeichnung einer Süssigkeit drehte. Diese Debatte machte zusammen mit der Grundrechtsdiskussion um die Corona-Massnahmen die Bürgerrechte über den Sommer zum in der Presse meistdiskutierten Themenfeld des Kapitels Rechtsordnung (vgl. Abb. 1: Anteil Zeitungsberichte pro Monat). Über das ganze Jahr zeichnete zudem der Themenbereich innere Konflikte und Krisen für einen deutlich höheren Anteil an der Zeitungsberichterstattung verantwortlich als in den Vorjahren (vgl. Abb. 2: Anteil Zeitungsberichte pro Jahr).

Jahresrückblick 2020: Rechtsordnung
Dossier: Jahresrückblick 2020

Völlig unbestritten war im Ständerat in der Wintersession 2020 die Ausdehnung der Zusammenarbeit gemäss IRSG auf internationale Strafinstitutionen. Die angestrebte Änderung von Artikel 1 des IRSG soll es der Schweiz künftig erlauben, Rechtshilfe nicht mehr nur an staatliche, sondern auch an internationale Institutionen zu leisten, und damit die Spezialgesetzgebungen für das Jugoslawien- (ICTY) und das Ruanda-Tribunal (ICTR) ersetzen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter bezeichnete die Zusammenarbeit mit internationalen Strafinstitutionen als «unerlässlich» für das Engagement gegen die Straflosigkeit, das die Schweiz auf der internationalen Ebene «sehr» unterstütze. Die Ständekammer nahm den Entwurf ohne jegliche Änderungsanträge einstimmig an. In der Schlussabstimmung stimmte der Ständerat dem Gesetz mit 38 zu 1 Stimme bei 3 Enthaltungen zu, wobei ihm vier Vertreter der SVP-Fraktion die Zustimmung verweigerten. Im Nationalrat stimmte die SVP-Fraktion geschlossen gegen die Vorlage, womit diese die Schlussabstimmung in der grossen Kammer mit 141 zu 54 Stimmen passierte.

Änderung von Art. 1 IRSG: Rechtshilfe an internationale Strafinstitutionen (BRG 19.063)

Le Conseil fédéral souhaite restreindre le traitement de la justice militaire des infractions commises par des personnes civiles. Ainsi, seules les juridictions pénales ordinaires devraient être habilitées à statuer sur les violations des dispositions relatives à la protection du secret commises en temps de paix par des personnes civiles sans la complicité de militaires. Concernant les autres délits relevant de la compétence militaire, il entend pouvoir, au cas par cas, les attribuer aux autorités civiles lorsqu'aucune raison matérielle ne justifie le recours à la justice militaire. Les modifications légales – relatives au code pénal militaire, au code pénal et la loi fédérale concernant la protection des ouvrages militaires – ont été soumises en consultation. Deux variantes sont proposées: des nouvelles dispositions dans le droit pénal ou la possibilité de déférer devant la justice pénale ordinaire. La procédure de consultation prendra fin en avril 2021.

Restriction du cercle de civils justiciables des tribunaux militaires

In der Wintersession 2020 befasste sich die grosse Kammer mit dem Vorstoss Dittli (fdp, UR) zur Automation des Schienengüterverkehrs. Für die Mehrheit der KVF-NR erläuterte Philipp Kutter (cvp, ZH) die Vorteile des Vorstosses. Die Kommissionsmehrheit sei der Ansicht, dass der Bund Investitionen in technische Neuerungen im Bereich des Gütertransportes auf der Schiene fördern solle. Die Industrie werde dadurch «von den neuen Technologien namentlich durch die Einführung der automatischen Kupplung sowie der automatischen Bremsprüfung [...] profitieren können». Eine Kommissionsminderheit Giezendanner (svp, AG) beantragte die Ablehnung der Motion. Auch die Minderheit sei für die Automatisierung in diesem Bereich; jedoch nicht auf Kosten der Steuerzahlenden. Von dem geforderten Konzept und der finanziellen Unterstützung würden zudem hauptsächlich ausländische Waggon-Anbieter profitieren, prophezeite Giezendanner. Verkehrsministerin Sommaruga sprach sich für Annahme der Motion aus; mit der Automatisierung werde der ganze Rangiervorgang sicherer, dadurch sinke die Verletzungsgefahr für die Rangierarbeiterinnen und -arbeiter. An die Minderheit Giezendanner gerichtet, erläuterte Sommaruga, dass die vorliegende Motion allem voran ein Konzept über die Automation verlange. Dieses Konzept sei dringend notwendig, um das Zusammenspiel der verschiedenen Akteure der Branche zu koordinieren.
Die SVP-Fraktion stimmte geschlossen gegen die Motion, alle anderen Fraktionen sprachen sich hingegen geschlossen für deren Annahme aus. Daraus resultierte die Annahme der Motion mit 136 zu 50 Stimmen.

Durch Automation Güter auf der Schiene effizienter transportieren