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Die im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motion der Sozialdemokratin Aeppli (ZH) für die Verwahrung von Gewalttätern mit schweren Persönlichkeitsstörungen fand auch im Ständerat ungeteilte Zustimmung. Die Absicht eines Mitglieds der Jungen SVP des Kantons Bern, eine Volksinitiative für die Wiedereinführung der Todesstrafe zu lancieren, erzeugte zwar grosses Aufsehen in den Medien, verlief aber im Sande. Die Leitung der Berner SVP hatte für den Fall der Lancierung mit einem Parteiausschluss gedroht.

Motion Aeppli zur Verwahrung von Gewalttätern (Mo. 96.3504)
Dossier: Lebenslängliche Verwahrung von Straftätern (Volksinitiative und Gesetz)

Der Bundesrat gab im Sommer den Vorentwurf für ein Telefonüberwachungsgesetz in die Vernehmlassung. Dieser sieht vor, dass Telefonabhörungen grundsätzlich nur noch bei schweren Delikten (d.h. solchen, die mit Zuchthaus bestraft werden), nicht aber bei Vergehen zulässig sein sollen. Damit würde die Anzahl der Straftatbestände, bei denen eine Abhörung vom Richter angeordnet werden kann, auf rund die Hälfte reduziert. Bei Vergehen soll eine Überwachung nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt sein (z.B. bei Delikten mit hohen Schadensummen). Als Konsequenz aus der auf Anfang 1998 geltenden Liberalisierung der Telekommunikation möchte der Bundesrat zudem eine neue zentrale Stelle für die bisher von der PTT durchgeführte Telefonabhörung schaffen. Die Reaktionen der Parteien fielen geteilt aus. Die Bürgerlichen möchten den Richtern erlauben, auch zukünftig bei Vergehen eine Überwachung anzuordnen, da oft die Aufklärung kleinerer Delikte auf die Spuren des organisierten Verbrechens führen würden. Für die SP hingegen waren die Vorschläge zu wenig restriktiv. Sie befürworteten eine Liste, welche die Verbrechen, bei denen eine Abhörung erlaubt ist, abschliessend aufzählt.

Bundesgesetz: Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und verdeckte Ermittlung (BRG 98.037)
Dossier: Revision des Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehr (2003)

Der Bundesrat gab im April einen Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung, der die heute noch kantonal geregelte Berufsausübung der Anwälte vereinheitlichen will. Vorgesehen ist, dass die Kantone die Anwaltstarife nicht mehr verbindlich festlegen, sondern nur noch Empfehlungen abgeben können. Zudem soll der Wettbewerb durch die Bestimmung intensiviert werden, dass ein Anwalt, der in einem Kanton registriert ist, seinen Beruf in der ganzen Schweiz ausüben darf. Der Schweizerische Anwaltsverband seinerseits hob das als Standesregel geltende Werbeverbot auf, da dieses dem neuen Kartellgesetz widerspreche. Die Umsetzung dieser Liberalisierung muss allerdings durch die kantonalen Anwaltsverbände erfolgen.
(Siehe auch Motion Stamm für die Schaffung eines eidgenössischen Anwaltsregisters.)

Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte
Dossier: Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (2002)

Gemäss der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), welche die Anzeigen der Polizei bei den Gerichten – d.h. die ermittelten, aber noch nicht verurteilten Täter – erfasst, hat die Kriminalität 1997 nochmals stark zugenommen. Nachdem im Vorjahr ein markanter Anstieg bei den Gewaltverbrechen (namentlich Tötung und Raub) zu verzeichnen war, nahmen 1997 vor allem die Einbruchsdiebstähle und die Sexualdelikte zu. Der Anteil der Ausländer am Total der ermittelten Täter überstieg erstmals 50 Prozent. Davon hatte rund ein Viertel den Wohnsitz nicht in der Schweiz. Diese wachsende Anzahl von international tätigen ausländischen Kriminellen führte auch zu Vorstössen im Parlament. Der Nationalrat überwies zwei Postulate von Freund (svp, AR) bzw. Bircher (cvp, AG) (Po. 97.3171) für eine bessere Überwachung der Landesgrenzen, namentlich durch eine Aufstockung des Grenzwachtkorps.

Kriminalität 1997 nochmals stark zugenommen international tätigen ausländischen Kriminellen
Dossier: Polizeiliche Kriminalstatistik

Im Gegensatz zum Nationalrat und zum Bundesrat erweiterte der Ständerat das Zeugnisverweigerungsrecht für Medienschaffende. Mit 20 zu 13 Stimmen folgte er einem Antrag Zimmerli (svp, BE), der ein absolutes Redaktionsgeheimnis festschreiben wollte, das nur in zwei Situationen durchbrochen werden kann. Erstens, wenn dadurch eine Person aus einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben gerettet werden kann, oder zweitens, wenn ohne das Zeugnis ein Tötungsdelikt oder ein anderes, mit einer Mindeststrafe von drei Jahren Zuchthaus bedrohtes Verbrechen nicht aufgeklärt werden kann. Das gilt für zehn Straftatbestände. Bundespräsident Koller bedauerte, dass mit dieser Regelung neuere Tatbestände wie das organisierte Verbrechen oder Geldwäscherei nicht abgedeckt wären. In bezug auf die Veröffentlichung von amtlich geheimen Dokumenten folgte der Ständerat der restriktiven Linie des Nationalrates und beschloss - jedoch knapp, mit 16 zu 15 Stimmen - dass diese weiterhin strafbar bleiben soll.

Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts

Bei dem als indirekter Gegenvorschlag zur Volksinitiative «S.o.S. – Schweiz ohne Schnüffelpolizei» konzipierten Bundesgesetz über die Wahrung der inneren Sicherheit konnte die letzte Runde der Differenzbereinigung abgeschlossen werden. In der Frage des Einbezugs des organisierten Verbrechens übernahm der Ständerat einen in der Zwischenzeit von Bundesrat Koller ausgearbeiteten Kompromissvorschlag. Dieser sieht vor, dass die Bundespolizei ihre Erkenntnisse über organisiertes Verbrechen, die sie beispielsweise im Rahmen der Zusammenarbeit mit ausländischen Diensten gewinnt, den kriminalpolizeilichen Zentralstellen mitteilen darf. Für die Ermittlung selbst bleiben aber ausschliesslich letztere und die kantonalen Polizeikorps zuständig. Der Nationalrat war damit grundsätzlich einverstanden, wollte diese Tätigkeit der Bundespolizei zunächst aber auf ein reines Weiterleiten der von ausländischen Nachrichtendiensten erhaltenen Informationen beschränken. Bundesrat Koller hatte vergeblich damit argumentiert, dass aus Gründen des Quellenschutzes ein direktes Weiterleiten von Geheimdienstinformationen nicht praktikabel sei; die Konsequenz davon wäre der Ausschluss der schweizerischen Stellen vom internationalen Nachrichtenaustausch. In der Einigungskonferenz unterlag dann aber der Nationalrat. In der Schlussabstimmung stimmten die Grünen und die SP gegen das neue Gesetz. Sie kritisierten, dass man aus dem sogenannten Fichenskandal nichts gelernt, sondern bloss «das Überwachungssystem perfektioniert» habe.

Neues Staatsschutzgesetz und Volksinitiative «S.o.S. – Schweiz ohne Schnüffelpolizei» (BRG 94.028)
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

In der Frühlingssession kam die Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts ins Parlament. Deren Beratung fand unter dem Eindruck von zwei Vorfällen statt. Einerseits dem Fall Jagmetti: Die "SonntagsZeitung" hatte im Januar aus einer vertraulichen Lageanalyse über die Forderungen jüdischer Organisationen im Zusammenhang mit den Holocaust-Geldern von US-Botschafter Carlo Jagmetti zitiert, worauf dieser zurücktrat. Der Fall Jagmetti führte im bürgerlichen Lager teilweise zu einem Meinungsumschwung in Richtung Disziplinierung der Medien. Andererseits wurde Ende Februar publik, dass die Bundesanwaltschaft, nachdem im letzten Jahr ein erster Fall bekannt geworden war, in zwei weiteren Fällen - bei "Facts" und beim "Bund" - Telefonüberwachungen vorgenommen hatte, um Indiskretionen in den Reihen der Verwaltung auf die Spur zu kommen. Die Medienschaffenden reagierten empört.

Der Nationalrat entschied sich als Erstrat für ein restriktives Medienstrafrecht. In der Kernfrage des Quellenschutzes folgte er dem bundesrätlichen Konzept und entschied, dass es Sache der Gerichte sein soll, ob das Zeugnisverweigerungsrecht gewährt wird, oder ob die Interessen der Strafjustiz vorgehen. Ein von der Mehrheit seiner vorberatenden Rechtskommission und der Ratslinken vorgeschlagenes generelles Zeugnisverweigerungsrecht für Medienschaffende, das nur unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn es um ein schweres Verbrechen geht, aufgehoben werden könnte, lehnte er mit 84 zu 67 Stimmen ab. Um ein Haar hätte dagegen ein Antrag Vallender (fdp, AR) auf Streichung Erfolg gehabt; die Votantin argumentierte, dass die Verfassungsgrundlage für ein Zeugnisverweigerungsrecht fehle. Gegen den Willen des Bundesrates und der Kommissionsmehrheit lehnte eine bürgerliche Ratsmehrheit mit 74 zu 64 Stimmen ausserdem die Streichung der umstrittenen Strafvorschrift über die Veröffentlichung amtlich geheimer Verhandlungen ab. Vergeblich wiesen Bundespräsident Koller und die Linke darauf hin, dass diese Strafnorm bereits heute keine Wirkung habe und dass der indiskrete Beamte, nicht der Journalist zu bestrafen sei. Mit 75 zu 49 Stimmen lehnte es der Nationalrat ausserdem ab, die Anwendung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) in bezug auf Journalisten aufzuheben. Eine Kommissionsmehrheit hatte vorgeschlagen, das Gesetz auf Medienschaffende nicht anzuwenden, wenn diese nicht mit Wettbewerbsabsicht gehandelt haben. Mit 75 zu 37 Stimmen, gegen den Willen der Fraktionen von SP und GPS, hiess der Rat die Revision schliesslich gut.

Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts

Der Ständerat wandelte die im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motion Chiffelle (sp, VD) (Mo. 96.3247) für eine Neufestlegung der Sätze bei der Umwandlung von Geldbussen in Haftstrafen in ein Postulat um. Eine Anpassung an die Teuerungsentwicklung sei seiner Ansicht nach zwar erwünscht, das Problem sei aber nicht so dringend, dass es vor der geplanten Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs gelöst werden müsse. Unter bestimmten Voraussetzungen werden Arbeitseinsätze anstelle von Freiheitsstrafen als sinnvolle Sanktionen betrachtet. Mit einer überwiesenen Motion Wiederkehr (ldu, ZH) beauftragte der Nationalrat die Regierung, im Rahmen der erwähnten Revision solche Arbeitseinsätze auch anstelle von bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen vorzusehen.

Arbeitseinsätze auch anstelle von bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen (Mo. 97.3532)
Dossier: Revision des StGB, MStG und dem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht (2006)

Die für die Aufklärung von organisiertem Verbrechen oft hinderliche föderale Kompetenzordnung soll revidiert werden. Das EJPD hatte im Vorjahr einen Vorentwurf für eine Teilrevision des Strafgesetzbuchs in die Vernehmlassung gegeben. Dieser sah vor, der Bundesanwaltschaft mehr Kompetenzen bei der Ermittlung einzuräumen. Als Reaktion auf die Kritik der Kantone, die eine weiter gehende Reform gewünscht hatten, kündigte der Bundesrat im Berichtsjahr einige Modifikationen an. So sollen die Bundesbehörden in bestimmten Fällen nun nicht mehr, wie ursprünglich vorgesehen, nur die Untersuchung durchführen, und die Sache dann den Kantonen übergeben, sondern auch als Ankläger vor den kantonalen Gerichten auftreten.

Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz und der Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung

Bei der Behandlung der Drogen-Initiativen diskutierte der Ständerat auch eine Standesinitiative des Kantons Solothurn aus dem Jahr 1992 (St.Iv 92.312). Diese beantragte insbesondere die Entkriminalisierung des Drogenkonsums, ein Staatsmonopol für Anbau, Herstellung, Einfuhr, Handel und Vertrieb von illegalen Betäubungsmitteln sowie einen Ausbau von Prävention, Betreuung und Behandlung. In ihren Erwägungen stellte die vorberatende Kommission fest, dass seit 1992 ein grundsätzlicher Wandel in der schweizerischen Drogenpolitik stattgefunden habe (Ausbau der 4-Säulen-Strategie, medizinisch kontrollierte Abgabe usw.), der es ermögliche, einen für alle akzeptablen Mittelweg zu gehen. Aus diesem Grund wollte sie der Standesinitiative nicht direkt Folge geben. Sie hielt aber die Grundabsicht, Raum für neue Lösungsmöglichkeiten zu öffnen, für prüfenswert und formulierte deshalb ein Kommissionspostulat, das sich stark an den Solothurner Text anlehnt, dessen imperativen Charakter jedoch abschwächt. Das Postulat wurde mit 23 zu 13 Stimmen angenommen.

Ständerat diskutiert über Standesinitiative des Kantons Solothurn zur Entkriminalisierung des Drogenkonsums (Po. 95.3077)
Dossier: Revision Betäubungsmittelgesetz (BetmG) 2001-2004

Mit einer ohne Gegenstimme verabschiedeten Motion forderte der Nationalrat den Bundesrat auf, besondere Vollzugsanstalten für die Verwahrung von Gewalttätern mit schweren Persönlichkeitsstörungen vorzuschreiben. Die von der Sozialdemokratin Aeppli (ZH) eingereichte Motion verlangt zudem hohe Anforderungen für die Beendigung einer Verwahrung. Insbesondere soll ein durch den behandelnden Therapeuten verfasstes Gutachten für eine Entlassung nicht mehr ausreichen.

Motion Aeppli zur Verwahrung von Gewalttätern (Mo. 96.3504)
Dossier: Lebenslängliche Verwahrung von Straftätern (Volksinitiative und Gesetz)

Im Vorjahr hatte das Parlament mehrere Vorstösse für eine Vereinheitlichung der kantonalen Strafprozessordnungen überwiesen. Im Berichtsjahr gaben der Ständerat und der Nationalrat nun auch sechs entsprechenden Standesinitiativen der Kantone Aargau (Kt.Iv. 95.307), Basel-Stadt (Kt.Iv. 95.301), Basel-Land (Kt.Iv. 95.305), St. Gallen (Kt.Iv. 95.304), Solothurn (Kt.Iv. 95.302) und Thurgau (Kt.Iv. 96.300) Folge. Bundesrat Koller gab in diesem Zusammenhang bekannt, dass er eine Expertenkommission beauftragt habe, bis zum Sommer 1997 ein Konzept vorzulegen.

Standesinitiativen für Vereinheitlichung der kantonalen Strafprozessordnungen
Dossier: Vereinheitlichung des Strafprozessrechts (2010)

Nicht zuletzt die im Berichtsjahr in Belgien aufgedeckten Verbrechen an Kindern lenkten die Aufmerksamkeit auch in der Schweiz verstärkt auf dieses Thema. In Lausanne verurteilte das erstinstanzliche Strafgericht zum ersten Mal einen Schweizer für Unzucht mit Kindern, welche er als Tourist im Ausland (Sri Lanka und Haiti) begangen hatte. In den beiden Ländern war der Verurteilte nicht angeklagt worden.

Verbrechen an Kindern

In der Differenzbereinigung hielt der Ständerat an dem vom Bundesrat gewünschten und von ihm in der ersten Lesung gutgeheissenen Einbezug der Bekämpfung des organisierten Verbrechens in den Staatsschutz fest. Mit knappem Mehr (16 zu 14 Stimmen) beschloss er hingegen, auf die von der grossen Kammer abgelehnte Überwachung des Telefon- und Postverkehrs sowie den Einsatz von elektronischen Abhörgeräten zur präventiven Informationsbeschaffung ebenfalls zu verzichten. Er verabschiedete jedoch ein Postulat (Po. 96.3382), welches den Bundesrat auffordert, die rechtlichen Voraussetzungen für den Einsatz solcher Mittel im Falle ernsthafter Gefährdung der inneren und äusseren Sicherheit abzuklären. Der Nationalrat beharrte – trotz eines engagierten Votums von Bundesrat Koller – mit 138 zu 35 Stimmen auf der Ausklammerung des organisierten Verbrechens. In bezug auf die Dateneinsicht nahm er zudem die Ergänzung auf, dass, in Ausnahmefällen und wenn dadurch die innere oder äussere Sicherheit nicht gefährdet wird, der Datenschutzbeauftragte auch materielle Auskünfte über gespeicherte Daten erteilen kann.

Neues Staatsschutzgesetz und Volksinitiative «S.o.S. – Schweiz ohne Schnüffelpolizei» (BRG 94.028)
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Der föderalistische Charakter des Justizsystems, welches dem Bund nur bei wenigen Delikten (im wesentlichen Drogenhandel, Geldfälschung und Sprengstoffanschläge) eigene Ermittlungsbefugnisse zugesteht, erweist sich oft als Hindernis für eine wirksame Bekämpfung des organisierten Verbrechens. Bundesrat Koller gab deshalb im Frühjahr eine Teilrevision des Strafgesetzbuchs in die Vernehmlassung, welche der Bundesanwaltschaft bei kantons- oder grenzübergreifenden sowie bei komplizierten Fällen mehr Kompetenzen bei der Ermittlung einräumen möchte. Dieser Vorschlag wurde mehrheitlich als zu wenig weit gehend beurteilt. Unbestritten war die Kompetenz der Bundesbehörden, namentlich in den Bereichen der Geldwäscherei und des organisierten Verbrechens Voruntersuchungen durchzuführen. Als ineffizient und zu kompliziert wurde hingegen kritisiert, dass danach die gerichtliche Untersuchung wieder an die Kantone delegiert würde, und nicht die Bundesanwaltschaft die Anklage vor den Gerichten vertreten kann. Die Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz schlug vor, die Bundesanwaltschaft zu einer Untersuchungsbehörde für bedeutende und grenzüberschreitende Verbrechen auszubauen und sie als Anklägerin vor einem neuzuschaffenden erstinstanzlichen Bundesstrafgericht antreten zu lassen. Als längerfristige Lösung wurde diese Idee auch von der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektoren unterstützt. Kurzfristig möchten diese, dass die Bundesanwaltschaft in aussergewöhnlichen Fällen subsidiäre Ermittlungskompetenz erhält und vor den kantonalen Gerichten als Anklägerin auftreten darf.

Massnahmen zur Verbesserung der Effizienz und der Rechtsstaatlichkeit in der Strafverfolgung

Der Bundesrat beabsichtigt die 1993 in die Vernehmlassung gegebene Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs im Sommer 1997 dem Parlament vorzulegen. Der Nationalrat stimmte nun aber zwei Motionen zu, welche verlangen, gewisse Elemente vorzuziehen. Die erste Motion (Mo. 96.3370) stammte von seiner Rechtskommission und forderte eine vollständige Garantie der Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen beim Freiheitsentzug, damit auf den entsprechenden Vorbehalt beim Übereinkommen über die Rechte des Kindes verzichtet werden kann. Der Ständerat sah, wie auch der Bundesrat, keinen Anlass für ein Vorziehen und wandelte diesen Vorstoss in ein Postulat um. Die zweite Motion war von Chiffelle (sp, VD) eingereicht worden und verlangt, dass bei der Umwandlung von Geldbussen in Haftstrafen nicht mehr der für heutige Verhältnisse tiefe Tagessatz von CHF 30 gelten soll, sondern das mittlere Nettotageseinkommen des Delinquenten. Bundesrat Koller bekämpfte diesen Antrag vergeblich, indem er geltend machte, dass davon vor allem gutverdienende Verurteilte profitieren würden.

Motion Chiffelle, Umwandlung von Geldbussen in Haftstrafen (Mo. 96.3247)
Dossier: Revision des StGB, MStG und dem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht (2006)

Der im Vorjahr in die Vernehmlassung gegebene Vorentwurf für ein Gesetz über den Einsatz von verdeckten Ermittlern bei der Polizei gab bei den Kantonen und den bürgerlichen Parteien zu wenig Kritik Anlass. Die SP und der Schweizerische Anwaltsverband lehnten das neue Gesetz hingegen ab; erstere, weil die Verfassung dem Bund keine entsprechenden Kompetenzen einräume, letzterer, weil die Arbeit von verdeckten Ermittlern gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstossen würde. Trotz dieser grundsätzlichen Kritik beauftragte der Bundesrat das EJPD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage. Als zusätzliche Massnahme vor allem im Kampf gegen das organisierte Verbrechen forderte Bundesanwältin Del Ponte wiederholt die Einführung einer Kronzeugenregelung nach italienischem oder deutschem Vorbild, welche aussagewilligen Delinquenten Strafmilderung oder -verschonung zusichert.

Bundesgesetz: Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und verdeckte Ermittlung (BRG 98.037)
Dossier: Revision des Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehr (2003)

Der Bundesrat gab die Frage, ob der Drogenkonsum straffrei werden solle, in eine breite Vernehmlassung. Die FDP sprach sich grundsätzlich für eine Strafbefreiung des Konsums aus, wollte diesen aber auf den privaten Bereich beschränken. Die SP forderte eine möglichst rasche Entkriminalisierung nicht nur beim Konsum, sondern auch beim Erwerb und Besitz kleiner Drogenmengen für den Eigenverbrauch. Beide Parteien stimmten der Kommission Schild bezüglich der ärztlichen Verschreibung von Betäubungsmitteln zu. Ihr Nein zur Strafbefreiung bekräftigte die SVP. In der Frage der Drogenabgabe wollte sich die SVP nicht definitiv festlegen, sondern vorerst den Abschluss der Versuche abwarten. Die CVP, die 1994 noch zusammen mit FDP und SP das Programm "für eine kohärente Drogenpolitik" unterstützt hatte, welches die Entkriminalisierung des Konsums vorsah, sprach sich nun ebenfalls für den Beibehalt der Strafverfolgung aus, wobei ihrer Meinung nach die Richter aber vom Grundsatz der Opportunität sollen Gebrauch machen können. Der Weiterführung der Heroinabgabe stimmte sie zu. Die Kantone zeigten sich gespalten. Graubünden und Baselland befürworteten die Entkriminalisierung grundsätzlich, der Tessin zeigte sich nicht abgeneigt. Als falschen Weg stuften hingegen Thurgau, St. Gallen und Wallis die Strafbefreiung ein, wobei St. Gallen aber, wie Schaffhausen und Zürich eine Strafbefreiung für den Konsum von Cannabis unterstützte. Von den Organisationen verlangte der Verband Sucht- und Drogenfachleute (VSD) nicht nur eine Strafbefreiung für Konsum, sondern ein Staatsmonopol für die Abgabe verschiedener Suchtmittel. Für eine Strafbefreiung sprachen sich auch die Eidg. Kommission für Jugendfragen (EKJ), die Dachorganisation der Jugendverbände (SAJV), der Dachverband schweizerischer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) sowie die Stiftung Pro Juventute aus. Der Bundesrat fühlte sich durch die Ergebnisse der Vernehmlassung in seiner Vier-Säulen-Politik bestätigt, kündigte aber an, dass er mit weiteren Beschlüssen zuwarten wolle, bis das Ergebnis der Volksabstimmung über die verbotsorientierte Initiative "Jugend ohne Drogen" vorliegt.

Straffreiheit Drogenkonsum Vernehmlassung

Der Nationalrat befasste sich als Zweitrat mit der Volksinitiative «S.o.S. – Schweiz ohne Schnüffelpolizei» und dem als indirekten Gegenvorschlag konzipierten Bundesgesetz über die Wahrung der inneren Sicherheit. Mit 116 zu 61 Stimmen empfahl der Rat die von der SP und der GP unterstützte Volksinitiative zur Ablehnung.

Mit derselben Stimmenzahl lehnte er auch den Antrag der Kommissionsminderheit auf Nichteintreten auf das neue Bundesgesetz ab. Die SP und die Grünen begründeten ihre Opposition gegen die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen für eine präventiv wirkende Polizei damit, dass ein solches Gesetz überflüssig sei und nur dazu dienen würde, der Polizei unkontrollierbaren Handlungsspielraum zur Überwachung der Bürger zu verschaffen. Wo es um die Bekämpfung echter Gefahren gehe, sei das bestehende Instrumentarium ausreichend: insbesondere sei die Bekämpfung des politischen Nachrichtendienstes (Spionage) bereits rechtlich abgesichert, und bei Sprengstoffdelikten und schweren Gewaltverbrechen seien seit 1981 auch vorbereitende Handlungen strafbar. Diese Einschätzung wurde von den Sprechern der bürgerlichen Parteien und Bundesrat Koller zurückgewiesen. Letzterer argumentierte damit, dass die von der Linken befürchtete Überwachung der Ausübung politischer Rechte im neuen Gesetz explizit ausgeschlossen sei. Andererseits sei die Überwachung der Aktivitäten bestimmter politischer Gruppierungen (z.B. der kurdischen PKK oder der islamischen Heilsfront) auch dann erforderlich, wenn deren Mitglieder die Schweiz nur als logistische Basis benutzen würden, ohne hier aber kriminelle Akte zu begehen. Das Gesetz sei deshalb auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit anderen europäischen Staaten notwendig.

In der Detailberatung strich der Nationalrat die Bekämpfung des organisierten Verbrechens aus dem Geltungsbereich des Gesetzes; nicht weil dieser keine Bedeutung zuerkannt wurde, sondern weil dies eine Aufgabe der strafrechtlichen Ermittlungsbehörden sei und auf Bundesebene mit den polizeilichen Zentralstellen bereits ein Koordinationsorgan bestehe. Bundesrat Koller argumentierte vergeblich damit, dass in vielen europäischen Staaten (allerdings nicht in Deutschland) die präventive Polizei auch in diesem Aufgabenbereich tätig sei. Eine gewichtige Differenz schuf der Rat bei den zulässigen Mitteln der präventiven Informationsbeschaffung. Gegen die Stimmen der FP, der Liberalen und eines Teils der FDP-Fraktion strich er die vom Ständerat aufgenommene Bestimmung, dass dazu auch ohne richterliche Anordnung der Telefon- und Postverkehr überwacht und elektronische Abhörgeräte eingesetzt werden können. Den Antrag der vorberatenden Kommission, dass im Staatsschutz grundsätzlich die im Datenschutzgesetz garantierten Einsichtsrechte gelten sollen, fand keine Mehrheit. Beschlossen wurde eine gleiche Regelung wie im Gesetz über die polizeilichen Zentralstellen, bei welcher der Datenschutzbeauftragte nur überprüft, ob eventuell vorliegende Daten rechtmässig bearbeitet werden, aber keine materiellen Auskünfte erteilt. In der Gesamtabstimmung wurde das neue Gesetz gegen die Stimmen der SP und der GP angenommen.

Neues Staatsschutzgesetz und Volksinitiative «S.o.S. – Schweiz ohne Schnüffelpolizei» (BRG 94.028)
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Um der veränderten Medienwelt Rechnung zu tragen, leitete der Bundesrat dem Parlament eine Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts im Strafgesetzbuch und im Militärstrafgesetz zu. Die geltenden strafrechtlichen Vorschriften über die Medien wurden seit 1942 nicht mehr grundlegend revidiert und sollen auf Radio, Fernsehen und die weiteren elektronischen Medien ausgeweitet werden. Neu sollen Medienschaffende ein beschränktes Zeugnisverweigerungsrecht erhalten. Der vorgeschlagene Artikel 27bis StGB sieht vor, dass gegen Medienschaffende keine Strafen oder prozessuale Zwangsmassnahmen verhängt werden dürfen, wenn diese beispielsweise über die Identität eines Autors oder über Quellen und Inhalt ihrer Informationen keine Auskunft geben wollen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn das Interesse am Quellenschutz das Interesse der Strafverfolgung überwiegt. Dies abzuschätzen soll Sache des Richters sein, wobei der Revisionsentwurf Leitplanken festlegt. Vorrang hätte der Quellenschutz, wenn eine Übertretung auch mit anderen Mitteln als der Zeugenaussage eines Journalisten aufgedeckt werden kann. Dasselbe gilt, wenn das geforderte Zeugnis anderem dienen soll als der unmittelbaren Aufklärung eines Delikts. Dagegen überwiegt das Strafverfolgungsinteresse, wenn das Zeugnis zur Rettung eines Menschenlebens erforderlich ist, oder wenn ohne die Aussage eines Medienschaffenden ein Tötungsdelikt oder ein anderes schweres Verbrechen nicht aufgeklärt oder der mutmassliche Täter nicht gefasst werden kann. Gleichzeitig will der Bundesrat weitere Bestimmungen im Medienstrafrecht anpassen. So soll der verantwortliche Redaktor nur noch für eigenes Verschulden haften; eine Übernahme der Schuld des nicht belangbaren Autors findet dagegen nicht mehr statt. Weiter soll die umstrittene Strafvorschrift über die Veröffentlichung amtlich geheimer Handlungen (Art. 293 StGB) ersatzlos aufgehoben werden. Wichtige staatliche und militärische Geheimnisse bleiben jedoch weiterhin vor einer Weiterverbreitung in den Medien geschützt. In seiner Begründung bezeichnete es der Bundesrat als unbillig, dass der Journalist, der vertrauliche Informationen veröffentlicht, bestraft wird, während der Beamte oder Behördenvertreter, der ihm die Publikation ermöglicht hat, regelmässig straflos ausgeht, da seine Identität nicht ermittelt werden kann. Anstelle der bisherigen Gleichstellung von Landesverrat und der unerlaubten Veröffentlichung bestimmter Geheimnisse durch ein Medium schlägt der Revisionsentwurf eine differenzierte Beurteilung der Geheimnisverletzungen vor.

Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts

Das Berufsgeheimnis von Ärzten, Anwälten und anderen Personen soll – wenn es nicht zur Organisation und Begehung von Straftaten missbraucht wird – bei der Überwachung des Post- und Telefonverkehrs durch die Strafverfolgungsbehörden besser geschützt werden. Der Nationalrat überwies eine im Vorjahr vom Ständerat verabschiedete Motion ebenfalls.

Berufsgeheimnis von Anwälten, Ärzten, Geistlichen (Mo. 95.3202)

Die besondere Verwerflichkeit der sogenannten Kinderpornographie verlangt nach einstimmiger Meinung des Nationalrats nach zusätzlichen strafrechtlichen Bestimmungen. Er überwies eine parlamentarische Initiative von Felten (sp, BS), welche zusätzlich zur Herstellung und zum Vertrieb auch den Besitz von Kinderpornographie unter Strafe stellen will.

Parlamentarische Vorstösse zur Strafbarkeit des Besitzes von Kinderpornografie
Dossier: Revision des StGB betreffend Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern

Der Ständerat überwies eine von der grossen Kammer im Vorjahr gutgeheissene Motion Stamm (fdp, AG) für die Schaffung eines eidgenössischen Anwaltsregisters als Postulat. Dieses Verzeichnis soll die Grundlage für die volle kantonale Freizügigkeit bei der Ausübung des Anwaltsberufs bilden.

Motion Stamm (94.3305) zur Schaffung eines eidgenössischen Anwaltsregisters
Dossier: Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (2002)

In diesem Vorhaben erhielt die Landesregierung deutlichen Sukkurs von der 1994 eingesetzten, breit abgestützten Expertenkommission für eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes, welche vom ehemaligen obersten Drogenfahnder des Bundes und heutigen Basler FDP-Polizeidirektor Jörg Schild geleitet wurde. Das Gremium sprach sich dafür aus, dass der Konsum, der Kauf und der Besitz von geringen Mengen illegaler Drogen zum Eigengebrauch nicht mehr strafbar sein soll. Die Experten empfahlen auch, die ärztliche Verschreibung von Betäubungsmitteln an schwer Süchtige bei positivem Ausgang der laufenden Versuche im Gesetz zu verankern. Ihrer Ansicht nach soll der Fürsorgerische Freiheitsentzug (FFE) zur Zwangsbehandlung von Süchtigen nicht ausgeweitet werden. Das Therapieangebot müsse aber vielfältiger ausgestaltet werden, wobei dem Bund eine wichtige Koordinationsaufgabe zukomme. Grundsätzlich hielt die Expertenkommission fest, dass das Ziel einer drogenfreien Gesellschaft wohl nie erreicht werden könne, schon gar nicht mit gesetzlichen Massnahmen. Das wichtigste sei, eine bessere Gesprächskultur zu finden, Populismus und Polemik seien in diesem Bereich fehl am Platz.

Revision des Betäubungsmittelgesetzes (BRG 01.024)
Dossier: Revision Betäubungsmittelgesetz (BetmG) 2001-2004

Nachdem er bereits im Vorjahr ein Postulat Morniroli (lega, TI) (Po. 94.3076) für eine Teilprivatisierung des Strafvollzugs überwiesen hatte, hiess der Nationalrat im Berichtsjahr auch noch eine entsprechende Motion Keller (sd, BL) in Postulatsform gut.

Übertragung des Strafvollzugs an Private