Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Geflüchtete
  • Strafrecht

Akteure

Prozesse

905 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

Die Kommissionen zur Vorberatung der Totalrevision der Bundesverfassung stimmten der vom Bundesrat beantragten Vereinheitlichung der kantonalen Strafprozessordnungen zu. Gemäss dem Entwurf ist sowohl beim Zivil- als auch beim Strafrecht allein der Bund für die Regelung der Verfahren zuständig. In der Kompetenz der Kantone verbleibt die Organisation der Gerichte und der Vollzug.

Justizreform (BRG 96.091)
Dossier: Totalrevision der Bundesverfassung 2/2: BRG 96.091 (1996 bis 2000)

In der Differenzbereinigung fasste der Nationalrat das Zeugnisverweigerungsrecht wieder etwas enger. Von seiner ursprünglichen Position, die Interessenabwägung zwischen Quellenschutz und Strafverfolgung dem Ermessen des Richters zu überlassen, kam er ab und erweiterte auf Anregung von Rolf Engler (cvp, AI) den vom Ständerat beschlossenen Ausnahmekatalog vom Zeugnisverweigerungsrecht auf 21 Tatbestände. Neben den Gewaltdelikten listete er abschliessend unter anderem harte Pornographie, Pädophilie, Geldwäscherei, Korruption und die organisierte Kriminalität auf. Der Ständerat fügte diesem noch Fälle von schwerem Drogenhandel an, was auch die Zustimmung des Nationalrates fand. Insgesamt müssen Journalisten ihre Quellen damit bei 22 Strafrechts-Tatbeständen offenlegen.

Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts

Die im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motion der Sozialdemokratin Aeppli (ZH) für die Verwahrung von Gewalttätern mit schweren Persönlichkeitsstörungen fand auch im Ständerat ungeteilte Zustimmung. Die Absicht eines Mitglieds der Jungen SVP des Kantons Bern, eine Volksinitiative für die Wiedereinführung der Todesstrafe zu lancieren, erzeugte zwar grosses Aufsehen in den Medien, verlief aber im Sande. Die Leitung der Berner SVP hatte für den Fall der Lancierung mit einem Parteiausschluss gedroht.

Motion Aeppli zur Verwahrung von Gewalttätern (Mo. 96.3504)
Dossier: Lebenslängliche Verwahrung von Straftätern (Volksinitiative und Gesetz)

Der Bundesrat gab im Sommer den Vorentwurf für ein Telefonüberwachungsgesetz in die Vernehmlassung. Dieser sieht vor, dass Telefonabhörungen grundsätzlich nur noch bei schweren Delikten (d.h. solchen, die mit Zuchthaus bestraft werden), nicht aber bei Vergehen zulässig sein sollen. Damit würde die Anzahl der Straftatbestände, bei denen eine Abhörung vom Richter angeordnet werden kann, auf rund die Hälfte reduziert. Bei Vergehen soll eine Überwachung nur unter bestimmten Bedingungen erlaubt sein (z.B. bei Delikten mit hohen Schadensummen). Als Konsequenz aus der auf Anfang 1998 geltenden Liberalisierung der Telekommunikation möchte der Bundesrat zudem eine neue zentrale Stelle für die bisher von der PTT durchgeführte Telefonabhörung schaffen. Die Reaktionen der Parteien fielen geteilt aus. Die Bürgerlichen möchten den Richtern erlauben, auch zukünftig bei Vergehen eine Überwachung anzuordnen, da oft die Aufklärung kleinerer Delikte auf die Spuren des organisierten Verbrechens führen würden. Für die SP hingegen waren die Vorschläge zu wenig restriktiv. Sie befürworteten eine Liste, welche die Verbrechen, bei denen eine Abhörung erlaubt ist, abschliessend aufzählt.

Bundesgesetz: Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und verdeckte Ermittlung (BRG 98.037)
Dossier: Revision des Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehr (2003)

Der Bundesrat gab im April einen Gesetzesentwurf in die Vernehmlassung, der die heute noch kantonal geregelte Berufsausübung der Anwälte vereinheitlichen will. Vorgesehen ist, dass die Kantone die Anwaltstarife nicht mehr verbindlich festlegen, sondern nur noch Empfehlungen abgeben können. Zudem soll der Wettbewerb durch die Bestimmung intensiviert werden, dass ein Anwalt, der in einem Kanton registriert ist, seinen Beruf in der ganzen Schweiz ausüben darf. Der Schweizerische Anwaltsverband seinerseits hob das als Standesregel geltende Werbeverbot auf, da dieses dem neuen Kartellgesetz widerspreche. Die Umsetzung dieser Liberalisierung muss allerdings durch die kantonalen Anwaltsverbände erfolgen.
(Siehe auch Motion Stamm für die Schaffung eines eidgenössischen Anwaltsregisters.)

Vernehmlassung zum Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte
Dossier: Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (2002)

Gemäss der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS), welche die Anzeigen der Polizei bei den Gerichten – d.h. die ermittelten, aber noch nicht verurteilten Täter – erfasst, hat die Kriminalität 1997 nochmals stark zugenommen. Nachdem im Vorjahr ein markanter Anstieg bei den Gewaltverbrechen (namentlich Tötung und Raub) zu verzeichnen war, nahmen 1997 vor allem die Einbruchsdiebstähle und die Sexualdelikte zu. Der Anteil der Ausländer am Total der ermittelten Täter überstieg erstmals 50 Prozent. Davon hatte rund ein Viertel den Wohnsitz nicht in der Schweiz. Diese wachsende Anzahl von international tätigen ausländischen Kriminellen führte auch zu Vorstössen im Parlament. Der Nationalrat überwies zwei Postulate von Freund (svp, AR) bzw. Bircher (cvp, AG) (Po. 97.3171) für eine bessere Überwachung der Landesgrenzen, namentlich durch eine Aufstockung des Grenzwachtkorps.

Kriminalität 1997 nochmals stark zugenommen international tätigen ausländischen Kriminellen
Dossier: Polizeiliche Kriminalstatistik

Im Gegensatz zum Nationalrat und zum Bundesrat erweiterte der Ständerat das Zeugnisverweigerungsrecht für Medienschaffende. Mit 20 zu 13 Stimmen folgte er einem Antrag Zimmerli (svp, BE), der ein absolutes Redaktionsgeheimnis festschreiben wollte, das nur in zwei Situationen durchbrochen werden kann. Erstens, wenn dadurch eine Person aus einer unmittelbaren Gefahr für Leib und Leben gerettet werden kann, oder zweitens, wenn ohne das Zeugnis ein Tötungsdelikt oder ein anderes, mit einer Mindeststrafe von drei Jahren Zuchthaus bedrohtes Verbrechen nicht aufgeklärt werden kann. Das gilt für zehn Straftatbestände. Bundespräsident Koller bedauerte, dass mit dieser Regelung neuere Tatbestände wie das organisierte Verbrechen oder Geldwäscherei nicht abgedeckt wären. In bezug auf die Veröffentlichung von amtlich geheimen Dokumenten folgte der Ständerat der restriktiven Linie des Nationalrates und beschloss - jedoch knapp, mit 16 zu 15 Stimmen - dass diese weiterhin strafbar bleiben soll.

Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts

Selbst wenn sie diese Sicht der Dinge nicht teilte, hatte eine Mehrheit der vorberatenden Kommission doch eine Ausweitung des Begriffs der Schutzbedürftigkeit vorgenommen. Insbesondere sollte der vorläufige Aufnahme auch in Situationen allgemeiner Gewalt oder systematischer und schwerer Verletzung der Menschenrechte gewährt werden. Eine Minderheit aus Vertretern von SVP, FDP, CVP und FP lehnte diese Erweiterung ab, da sie einen Rechtsanspruch auf Schutz suggeriere und gegenüber gewissen Ländern zu einem zeitlich nicht absehbaren Zustand führen könnte. Zudem vermische die Linke Schutz- und Asylwürdigkeit, was die Rückkehr der vorläufig Aufgenommenen nach Aufhebung des Status erschwere.

Bundespräsident Koller wehrte sich erfolglos gegen diese Ausweitung der Definition. Der Rat hiess mit 71 zu 60 Stimmen den Kommissionsvorschlag gut. Kommissionspräsidentin Fankhauser (sp, BL) erinnerte an die Judenverfolgung in Deutschland; dabei habe es sich nicht um einen Krieg- oder Bürgerkrieg, sondern um systematische Verfolgung gehandelt. Heutige Gewaltsituationen beträfen zunehmend schwere Verletzungen der Menschenrechte, weshalb es unverständlich sei, dass des Bundesrat diesen Begriff nicht von sich aus in das Gesetz aufgenommen habe, meinte auch David (cvp, SG). Mit 74 zu 56 Stimmen lehnte der Rat hingegen einen Antrag von Felten (sp, BS) ab, der die spezifischen Formen der Gewalt gegen Frauen zumindest hier einführen wollte.

Nach einem fast zweiwöchigen Unterbruch der Beratungen befasste sich der Nationalrat noch einmal mit dem Status der Gewaltflüchtlinge. Gegen den Antrag des Bundesrates beschloss er mit 82 zu 53 Stimmen, dass die Asylgesuche von Personen, die ihr Gesuch noch vor der Schutzgewährung gestellt haben, lediglich sistiert werden und nach Aufhebung des vorläufigen Schutzes behandelt werden müssen. Auf Asylgesuche, die nach der Schutzgewährung eingereicht werden, soll später hingegen nur dann eingetreten werden, wenn eine Anhörung Hinweise auf eine individuelle Verfolgung ergibt. Ein Antrag Dormann (cvp, LU), wonach Schutzbedürftige mit sistiertem Gesuch nach fünf Jahren das Recht auf ein Asylverfahren erhalten sollen, wurde abgelehnt. Hingegen wurde die Bestimmung aufgenommen, dass der Bundesrat nicht allein über die gruppenweise Aufnahme entscheiden kann; mit Stichentscheid der Ratspräsidentin setzte sich eine Kommissionsmehrheit durch, welche verlangte, dass der Bundesrat vor dem Entscheid über die Gewährung des vorübergehenden Schutzes auch die Hilfswerke konsultieren muss.

Totalrevision des Asylgesetzes
Dossier: Totalrevision Asygesetz 94-98

In der Frühlingssession kam die Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts ins Parlament. Deren Beratung fand unter dem Eindruck von zwei Vorfällen statt. Einerseits dem Fall Jagmetti: Die "SonntagsZeitung" hatte im Januar aus einer vertraulichen Lageanalyse über die Forderungen jüdischer Organisationen im Zusammenhang mit den Holocaust-Geldern von US-Botschafter Carlo Jagmetti zitiert, worauf dieser zurücktrat. Der Fall Jagmetti führte im bürgerlichen Lager teilweise zu einem Meinungsumschwung in Richtung Disziplinierung der Medien. Andererseits wurde Ende Februar publik, dass die Bundesanwaltschaft, nachdem im letzten Jahr ein erster Fall bekannt geworden war, in zwei weiteren Fällen - bei "Facts" und beim "Bund" - Telefonüberwachungen vorgenommen hatte, um Indiskretionen in den Reihen der Verwaltung auf die Spur zu kommen. Die Medienschaffenden reagierten empört.

Der Nationalrat entschied sich als Erstrat für ein restriktives Medienstrafrecht. In der Kernfrage des Quellenschutzes folgte er dem bundesrätlichen Konzept und entschied, dass es Sache der Gerichte sein soll, ob das Zeugnisverweigerungsrecht gewährt wird, oder ob die Interessen der Strafjustiz vorgehen. Ein von der Mehrheit seiner vorberatenden Rechtskommission und der Ratslinken vorgeschlagenes generelles Zeugnisverweigerungsrecht für Medienschaffende, das nur unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn es um ein schweres Verbrechen geht, aufgehoben werden könnte, lehnte er mit 84 zu 67 Stimmen ab. Um ein Haar hätte dagegen ein Antrag Vallender (fdp, AR) auf Streichung Erfolg gehabt; die Votantin argumentierte, dass die Verfassungsgrundlage für ein Zeugnisverweigerungsrecht fehle. Gegen den Willen des Bundesrates und der Kommissionsmehrheit lehnte eine bürgerliche Ratsmehrheit mit 74 zu 64 Stimmen ausserdem die Streichung der umstrittenen Strafvorschrift über die Veröffentlichung amtlich geheimer Verhandlungen ab. Vergeblich wiesen Bundespräsident Koller und die Linke darauf hin, dass diese Strafnorm bereits heute keine Wirkung habe und dass der indiskrete Beamte, nicht der Journalist zu bestrafen sei. Mit 75 zu 49 Stimmen lehnte es der Nationalrat ausserdem ab, die Anwendung des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG) in bezug auf Journalisten aufzuheben. Eine Kommissionsmehrheit hatte vorgeschlagen, das Gesetz auf Medienschaffende nicht anzuwenden, wenn diese nicht mit Wettbewerbsabsicht gehandelt haben. Mit 75 zu 37 Stimmen, gegen den Willen der Fraktionen von SP und GPS, hiess der Rat die Revision schliesslich gut.

Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts

Der Ständerat wandelte die im Vorjahr vom Nationalrat überwiesene Motion Chiffelle (sp, VD) (Mo. 96.3247) für eine Neufestlegung der Sätze bei der Umwandlung von Geldbussen in Haftstrafen in ein Postulat um. Eine Anpassung an die Teuerungsentwicklung sei seiner Ansicht nach zwar erwünscht, das Problem sei aber nicht so dringend, dass es vor der geplanten Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs gelöst werden müsse. Unter bestimmten Voraussetzungen werden Arbeitseinsätze anstelle von Freiheitsstrafen als sinnvolle Sanktionen betrachtet. Mit einer überwiesenen Motion Wiederkehr (ldu, ZH) beauftragte der Nationalrat die Regierung, im Rahmen der erwähnten Revision solche Arbeitseinsätze auch anstelle von bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen vorzusehen.

Arbeitseinsätze auch anstelle von bedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafen (Mo. 97.3532)
Dossier: Revision des StGB, MStG und dem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht (2006)

Im Berichtsjahr beantragten 18 001 Personen in der Schweiz Asyl, 5,8% mehr als im Vorjahr. Wie bereits in den letzten Jahren stammte über ein Drittel (34,6%) der Gesuchsteller aus der Bundesrepublik Jugoslawien (Serbien mit Kosovo und Montenegro). Der Anteil der Asylsuchenden aus Bosnien ging dagegen von 20,8% auf 7% zurück. Wieder von 6% auf 10,9% zugenommen haben die Asylanträge von Tamilen aus Sri Lanka. Weitere grössere Gruppen von Asylbewerbern kamen aus der Türkei (7,3%) sowie aus Somalia und aus Zaire (je 3,9%).

Die Anerkennungsquote ging wegen der verbesserten Situation in Bosnien von 14,9% auf 12% zurück. Überdurchschnittliche Anerkennungsquoten hatten Gesuche aus Vietnam (90,3%), dem Irak (70,5%), der Türkei (43,8%) und Bosnien (29,2%). Von den Personen aus der Bundesrepublik Jugoslawien erhielten 7,5% Asyl, von den srilankischen Staatsangehörigen 1,3%.

Von den 130 879 Personen, die sich Ende Dezember aufgrund eines Asylgesuchs in der Schweiz aufhielten, waren 22 537 anerkannte Flüchtlinge, 20 109 Personen hatten eine kantonale fremdenpolizeiliche Bewilligung aus humanitären oder anderen Gründen, 33 767 waren vorläufig aufgenommen. Bei 22 570 Asylsuchenden mit negativem Entscheid war der Vollzug der Ausreise hängig oder blockiert.

5,8% mehr als im Vorjahr über ein Drittel Jugoslawien Anerkennungsquote 12%

Bei der Behandlung der Drogen-Initiativen diskutierte der Ständerat auch eine Standesinitiative des Kantons Solothurn aus dem Jahr 1992 (St.Iv 92.312). Diese beantragte insbesondere die Entkriminalisierung des Drogenkonsums, ein Staatsmonopol für Anbau, Herstellung, Einfuhr, Handel und Vertrieb von illegalen Betäubungsmitteln sowie einen Ausbau von Prävention, Betreuung und Behandlung. In ihren Erwägungen stellte die vorberatende Kommission fest, dass seit 1992 ein grundsätzlicher Wandel in der schweizerischen Drogenpolitik stattgefunden habe (Ausbau der 4-Säulen-Strategie, medizinisch kontrollierte Abgabe usw.), der es ermögliche, einen für alle akzeptablen Mittelweg zu gehen. Aus diesem Grund wollte sie der Standesinitiative nicht direkt Folge geben. Sie hielt aber die Grundabsicht, Raum für neue Lösungsmöglichkeiten zu öffnen, für prüfenswert und formulierte deshalb ein Kommissionspostulat, das sich stark an den Solothurner Text anlehnt, dessen imperativen Charakter jedoch abschwächt. Das Postulat wurde mit 23 zu 13 Stimmen angenommen.

Ständerat diskutiert über Standesinitiative des Kantons Solothurn zur Entkriminalisierung des Drogenkonsums (Po. 95.3077)
Dossier: Revision Betäubungsmittelgesetz (BetmG) 2001-2004

Mit einer ohne Gegenstimme verabschiedeten Motion forderte der Nationalrat den Bundesrat auf, besondere Vollzugsanstalten für die Verwahrung von Gewalttätern mit schweren Persönlichkeitsstörungen vorzuschreiben. Die von der Sozialdemokratin Aeppli (ZH) eingereichte Motion verlangt zudem hohe Anforderungen für die Beendigung einer Verwahrung. Insbesondere soll ein durch den behandelnden Therapeuten verfasstes Gutachten für eine Entlassung nicht mehr ausreichen.

Motion Aeppli zur Verwahrung von Gewalttätern (Mo. 96.3504)
Dossier: Lebenslängliche Verwahrung von Straftätern (Volksinitiative und Gesetz)

Im Vorjahr hatte das Parlament mehrere Vorstösse für eine Vereinheitlichung der kantonalen Strafprozessordnungen überwiesen. Im Berichtsjahr gaben der Ständerat und der Nationalrat nun auch sechs entsprechenden Standesinitiativen der Kantone Aargau (Kt.Iv. 95.307), Basel-Stadt (Kt.Iv. 95.301), Basel-Land (Kt.Iv. 95.305), St. Gallen (Kt.Iv. 95.304), Solothurn (Kt.Iv. 95.302) und Thurgau (Kt.Iv. 96.300) Folge. Bundesrat Koller gab in diesem Zusammenhang bekannt, dass er eine Expertenkommission beauftragt habe, bis zum Sommer 1997 ein Konzept vorzulegen.

Standesinitiativen für Vereinheitlichung der kantonalen Strafprozessordnungen
Dossier: Vereinheitlichung des Strafprozessrechts (2010)

Nicht zuletzt die im Berichtsjahr in Belgien aufgedeckten Verbrechen an Kindern lenkten die Aufmerksamkeit auch in der Schweiz verstärkt auf dieses Thema. In Lausanne verurteilte das erstinstanzliche Strafgericht zum ersten Mal einen Schweizer für Unzucht mit Kindern, welche er als Tourist im Ausland (Sri Lanka und Haiti) begangen hatte. In den beiden Ländern war der Verurteilte nicht angeklagt worden.

Verbrechen an Kindern

Der Bundesrat beabsichtigt die 1993 in die Vernehmlassung gegebene Revision des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuchs im Sommer 1997 dem Parlament vorzulegen. Der Nationalrat stimmte nun aber zwei Motionen zu, welche verlangen, gewisse Elemente vorzuziehen. Die erste Motion (Mo. 96.3370) stammte von seiner Rechtskommission und forderte eine vollständige Garantie der Trennung von Jugendlichen und Erwachsenen beim Freiheitsentzug, damit auf den entsprechenden Vorbehalt beim Übereinkommen über die Rechte des Kindes verzichtet werden kann. Der Ständerat sah, wie auch der Bundesrat, keinen Anlass für ein Vorziehen und wandelte diesen Vorstoss in ein Postulat um. Die zweite Motion war von Chiffelle (sp, VD) eingereicht worden und verlangt, dass bei der Umwandlung von Geldbussen in Haftstrafen nicht mehr der für heutige Verhältnisse tiefe Tagessatz von CHF 30 gelten soll, sondern das mittlere Nettotageseinkommen des Delinquenten. Bundesrat Koller bekämpfte diesen Antrag vergeblich, indem er geltend machte, dass davon vor allem gutverdienende Verurteilte profitieren würden.

Motion Chiffelle, Umwandlung von Geldbussen in Haftstrafen (Mo. 96.3247)
Dossier: Revision des StGB, MStG und dem Bundesgesetz über das Jugendstrafrecht (2006)

Der im Vorjahr in die Vernehmlassung gegebene Vorentwurf für ein Gesetz über den Einsatz von verdeckten Ermittlern bei der Polizei gab bei den Kantonen und den bürgerlichen Parteien zu wenig Kritik Anlass. Die SP und der Schweizerische Anwaltsverband lehnten das neue Gesetz hingegen ab; erstere, weil die Verfassung dem Bund keine entsprechenden Kompetenzen einräume, letzterer, weil die Arbeit von verdeckten Ermittlern gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstossen würde. Trotz dieser grundsätzlichen Kritik beauftragte der Bundesrat das EJPD mit der Ausarbeitung einer entsprechenden Vorlage. Als zusätzliche Massnahme vor allem im Kampf gegen das organisierte Verbrechen forderte Bundesanwältin Del Ponte wiederholt die Einführung einer Kronzeugenregelung nach italienischem oder deutschem Vorbild, welche aussagewilligen Delinquenten Strafmilderung oder -verschonung zusichert.

Bundesgesetz: Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs und verdeckte Ermittlung (BRG 98.037)
Dossier: Revision des Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehr (2003)

Der Bundesrat gab die Frage, ob der Drogenkonsum straffrei werden solle, in eine breite Vernehmlassung. Die FDP sprach sich grundsätzlich für eine Strafbefreiung des Konsums aus, wollte diesen aber auf den privaten Bereich beschränken. Die SP forderte eine möglichst rasche Entkriminalisierung nicht nur beim Konsum, sondern auch beim Erwerb und Besitz kleiner Drogenmengen für den Eigenverbrauch. Beide Parteien stimmten der Kommission Schild bezüglich der ärztlichen Verschreibung von Betäubungsmitteln zu. Ihr Nein zur Strafbefreiung bekräftigte die SVP. In der Frage der Drogenabgabe wollte sich die SVP nicht definitiv festlegen, sondern vorerst den Abschluss der Versuche abwarten. Die CVP, die 1994 noch zusammen mit FDP und SP das Programm "für eine kohärente Drogenpolitik" unterstützt hatte, welches die Entkriminalisierung des Konsums vorsah, sprach sich nun ebenfalls für den Beibehalt der Strafverfolgung aus, wobei ihrer Meinung nach die Richter aber vom Grundsatz der Opportunität sollen Gebrauch machen können. Der Weiterführung der Heroinabgabe stimmte sie zu. Die Kantone zeigten sich gespalten. Graubünden und Baselland befürworteten die Entkriminalisierung grundsätzlich, der Tessin zeigte sich nicht abgeneigt. Als falschen Weg stuften hingegen Thurgau, St. Gallen und Wallis die Strafbefreiung ein, wobei St. Gallen aber, wie Schaffhausen und Zürich eine Strafbefreiung für den Konsum von Cannabis unterstützte. Von den Organisationen verlangte der Verband Sucht- und Drogenfachleute (VSD) nicht nur eine Strafbefreiung für Konsum, sondern ein Staatsmonopol für die Abgabe verschiedener Suchtmittel. Für eine Strafbefreiung sprachen sich auch die Eidg. Kommission für Jugendfragen (EKJ), die Dachorganisation der Jugendverbände (SAJV), der Dachverband schweizerischer Lehrerinnen und Lehrer (LCH) sowie die Stiftung Pro Juventute aus. Der Bundesrat fühlte sich durch die Ergebnisse der Vernehmlassung in seiner Vier-Säulen-Politik bestätigt, kündigte aber an, dass er mit weiteren Beschlüssen zuwarten wolle, bis das Ergebnis der Volksabstimmung über die verbotsorientierte Initiative "Jugend ohne Drogen" vorliegt.

Straffreiheit Drogenkonsum Vernehmlassung

Der Nationalrat befasste sich als Zweitrat mit der Volksinitiative «S.o.S. – Schweiz ohne Schnüffelpolizei» und dem als indirekten Gegenvorschlag konzipierten Bundesgesetz über die Wahrung der inneren Sicherheit. Mit 116 zu 61 Stimmen empfahl der Rat die von der SP und der GP unterstützte Volksinitiative zur Ablehnung.

Mit derselben Stimmenzahl lehnte er auch den Antrag der Kommissionsminderheit auf Nichteintreten auf das neue Bundesgesetz ab. Die SP und die Grünen begründeten ihre Opposition gegen die Schaffung von gesetzlichen Grundlagen für eine präventiv wirkende Polizei damit, dass ein solches Gesetz überflüssig sei und nur dazu dienen würde, der Polizei unkontrollierbaren Handlungsspielraum zur Überwachung der Bürger zu verschaffen. Wo es um die Bekämpfung echter Gefahren gehe, sei das bestehende Instrumentarium ausreichend: insbesondere sei die Bekämpfung des politischen Nachrichtendienstes (Spionage) bereits rechtlich abgesichert, und bei Sprengstoffdelikten und schweren Gewaltverbrechen seien seit 1981 auch vorbereitende Handlungen strafbar. Diese Einschätzung wurde von den Sprechern der bürgerlichen Parteien und Bundesrat Koller zurückgewiesen. Letzterer argumentierte damit, dass die von der Linken befürchtete Überwachung der Ausübung politischer Rechte im neuen Gesetz explizit ausgeschlossen sei. Andererseits sei die Überwachung der Aktivitäten bestimmter politischer Gruppierungen (z.B. der kurdischen PKK oder der islamischen Heilsfront) auch dann erforderlich, wenn deren Mitglieder die Schweiz nur als logistische Basis benutzen würden, ohne hier aber kriminelle Akte zu begehen. Das Gesetz sei deshalb auch im Hinblick auf die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch mit anderen europäischen Staaten notwendig.

In der Detailberatung strich der Nationalrat die Bekämpfung des organisierten Verbrechens aus dem Geltungsbereich des Gesetzes; nicht weil dieser keine Bedeutung zuerkannt wurde, sondern weil dies eine Aufgabe der strafrechtlichen Ermittlungsbehörden sei und auf Bundesebene mit den polizeilichen Zentralstellen bereits ein Koordinationsorgan bestehe. Bundesrat Koller argumentierte vergeblich damit, dass in vielen europäischen Staaten (allerdings nicht in Deutschland) die präventive Polizei auch in diesem Aufgabenbereich tätig sei. Eine gewichtige Differenz schuf der Rat bei den zulässigen Mitteln der präventiven Informationsbeschaffung. Gegen die Stimmen der FP, der Liberalen und eines Teils der FDP-Fraktion strich er die vom Ständerat aufgenommene Bestimmung, dass dazu auch ohne richterliche Anordnung der Telefon- und Postverkehr überwacht und elektronische Abhörgeräte eingesetzt werden können. Den Antrag der vorberatenden Kommission, dass im Staatsschutz grundsätzlich die im Datenschutzgesetz garantierten Einsichtsrechte gelten sollen, fand keine Mehrheit. Beschlossen wurde eine gleiche Regelung wie im Gesetz über die polizeilichen Zentralstellen, bei welcher der Datenschutzbeauftragte nur überprüft, ob eventuell vorliegende Daten rechtmässig bearbeitet werden, aber keine materiellen Auskünfte erteilt. In der Gesamtabstimmung wurde das neue Gesetz gegen die Stimmen der SP und der GP angenommen.

Neues Staatsschutzgesetz und Volksinitiative «S.o.S. – Schweiz ohne Schnüffelpolizei» (BRG 94.028)
Dossier: Der Fichenskandal und seine Folgen

Um der veränderten Medienwelt Rechnung zu tragen, leitete der Bundesrat dem Parlament eine Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts im Strafgesetzbuch und im Militärstrafgesetz zu. Die geltenden strafrechtlichen Vorschriften über die Medien wurden seit 1942 nicht mehr grundlegend revidiert und sollen auf Radio, Fernsehen und die weiteren elektronischen Medien ausgeweitet werden. Neu sollen Medienschaffende ein beschränktes Zeugnisverweigerungsrecht erhalten. Der vorgeschlagene Artikel 27bis StGB sieht vor, dass gegen Medienschaffende keine Strafen oder prozessuale Zwangsmassnahmen verhängt werden dürfen, wenn diese beispielsweise über die Identität eines Autors oder über Quellen und Inhalt ihrer Informationen keine Auskunft geben wollen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn das Interesse am Quellenschutz das Interesse der Strafverfolgung überwiegt. Dies abzuschätzen soll Sache des Richters sein, wobei der Revisionsentwurf Leitplanken festlegt. Vorrang hätte der Quellenschutz, wenn eine Übertretung auch mit anderen Mitteln als der Zeugenaussage eines Journalisten aufgedeckt werden kann. Dasselbe gilt, wenn das geforderte Zeugnis anderem dienen soll als der unmittelbaren Aufklärung eines Delikts. Dagegen überwiegt das Strafverfolgungsinteresse, wenn das Zeugnis zur Rettung eines Menschenlebens erforderlich ist, oder wenn ohne die Aussage eines Medienschaffenden ein Tötungsdelikt oder ein anderes schweres Verbrechen nicht aufgeklärt oder der mutmassliche Täter nicht gefasst werden kann. Gleichzeitig will der Bundesrat weitere Bestimmungen im Medienstrafrecht anpassen. So soll der verantwortliche Redaktor nur noch für eigenes Verschulden haften; eine Übernahme der Schuld des nicht belangbaren Autors findet dagegen nicht mehr statt. Weiter soll die umstrittene Strafvorschrift über die Veröffentlichung amtlich geheimer Handlungen (Art. 293 StGB) ersatzlos aufgehoben werden. Wichtige staatliche und militärische Geheimnisse bleiben jedoch weiterhin vor einer Weiterverbreitung in den Medien geschützt. In seiner Begründung bezeichnete es der Bundesrat als unbillig, dass der Journalist, der vertrauliche Informationen veröffentlicht, bestraft wird, während der Beamte oder Behördenvertreter, der ihm die Publikation ermöglicht hat, regelmässig straflos ausgeht, da seine Identität nicht ermittelt werden kann. Anstelle der bisherigen Gleichstellung von Landesverrat und der unerlaubten Veröffentlichung bestimmter Geheimnisse durch ein Medium schlägt der Revisionsentwurf eine differenzierte Beurteilung der Geheimnisverletzungen vor.

Revision des Medienstraf- und Verfahrensrechts

Das Berufsgeheimnis von Ärzten, Anwälten und anderen Personen soll – wenn es nicht zur Organisation und Begehung von Straftaten missbraucht wird – bei der Überwachung des Post- und Telefonverkehrs durch die Strafverfolgungsbehörden besser geschützt werden. Der Nationalrat überwies eine im Vorjahr vom Ständerat verabschiedete Motion ebenfalls.

Berufsgeheimnis von Anwälten, Ärzten, Geistlichen (Mo. 95.3202)

Die besondere Verwerflichkeit der sogenannten Kinderpornographie verlangt nach einstimmiger Meinung des Nationalrats nach zusätzlichen strafrechtlichen Bestimmungen. Er überwies eine parlamentarische Initiative von Felten (sp, BS), welche zusätzlich zur Herstellung und zum Vertrieb auch den Besitz von Kinderpornographie unter Strafe stellen will.

Parlamentarische Vorstösse zur Strafbarkeit des Besitzes von Kinderpornografie
Dossier: Revision des StGB betreffend Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern

Der Ständerat überwies eine von der grossen Kammer im Vorjahr gutgeheissene Motion Stamm (fdp, AG) für die Schaffung eines eidgenössischen Anwaltsregisters als Postulat. Dieses Verzeichnis soll die Grundlage für die volle kantonale Freizügigkeit bei der Ausübung des Anwaltsberufs bilden.

Motion Stamm (94.3305) zur Schaffung eines eidgenössischen Anwaltsregisters
Dossier: Bundesgesetz über die Freizügigkeit der Anwältinnen und Anwälte (2002)

Auch der Nationalrat folgte dem Antrag des Bundesrates sowie dem Beschluss des Ständerates und erklärte die SD- Volksinitiative „für eine vernünftige Asylpolitik“ für ungültig. Hauptargument war auch hier, dass der Inhalt der Initiative gegen zwingendes Völkerrecht verstosse. Damit ist dieses Volksbegehren das vierte seit 1891, welches auf Parlamentsbeschluss der Volksabstimmung entzogen wird. Die Gründe, welche bisher zur Ungültigkeitserklärung geführt hatten, waren Impraktibilität des Vorgehens (Chevalier-Initiative von 1954) bzw. mangelnde Einheit der Materie (Teuerungsinitiative der PdA 1977 und Rüstungsinitiative der SP 1995). Bei der SD-Initiative wurde erstmals der Begriff des übergeordneten Rechts für die Ungültigerklärung beigezogen.

Volksinitiative „Für eine vernünftige Asylpolitik“
Dossier: Volksinitiativen „Für eine vernünftige Asylpolitik“ und „Gegen die illegale Einwanderung“ (BRG 94.061)

In diesem Vorhaben erhielt die Landesregierung deutlichen Sukkurs von der 1994 eingesetzten, breit abgestützten Expertenkommission für eine Revision des Betäubungsmittelgesetzes, welche vom ehemaligen obersten Drogenfahnder des Bundes und heutigen Basler FDP-Polizeidirektor Jörg Schild geleitet wurde. Das Gremium sprach sich dafür aus, dass der Konsum, der Kauf und der Besitz von geringen Mengen illegaler Drogen zum Eigengebrauch nicht mehr strafbar sein soll. Die Experten empfahlen auch, die ärztliche Verschreibung von Betäubungsmitteln an schwer Süchtige bei positivem Ausgang der laufenden Versuche im Gesetz zu verankern. Ihrer Ansicht nach soll der Fürsorgerische Freiheitsentzug (FFE) zur Zwangsbehandlung von Süchtigen nicht ausgeweitet werden. Das Therapieangebot müsse aber vielfältiger ausgestaltet werden, wobei dem Bund eine wichtige Koordinationsaufgabe zukomme. Grundsätzlich hielt die Expertenkommission fest, dass das Ziel einer drogenfreien Gesellschaft wohl nie erreicht werden könne, schon gar nicht mit gesetzlichen Massnahmen. Das wichtigste sei, eine bessere Gesprächskultur zu finden, Populismus und Polemik seien in diesem Bereich fehl am Platz.

Revision des Betäubungsmittelgesetzes (BRG 01.024)
Dossier: Revision Betäubungsmittelgesetz (BetmG) 2001-2004