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Einstimmig hiess in der Herbstsession 2020 auch der Ständerat die aus der StPO-Revision ausgegliederten Bestimmungen zur Sicherheitshaft gut. Damit werde eine Gesetzeslücke geschlossen, die der Schweiz bereits eine Verurteilung durch den EGMR eingebracht habe, wie Kommissionssprecher Daniel Jositsch (sp, ZH) dem Ratsplenum erklärte. Das Problem sei, so Justizministerin Karin Keller-Sutter, dass zwischen dem Ablauf einer freiheitsentziehenden Massnahme und dem Entscheid über deren Verlängerung oder Ersatz eine gewisse Zeit verstreichen könne, weil dazu ein Gutachten eingeholt werden müsse. Wenn von der betroffenen Person eine Gefahr für Dritte ausgehe, sei es tatsächlich oft nötig, die Person bis zum Entscheid in Gewahrsam zu behalten, wofür die geltende StPO jedoch keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage biete. Die Kantone hätten den Bund gebeten, diese Lücke möglichst rasch zu schliessen, weil sie im Nachgang des EGMR-Urteils befürchteten, im schlimmsten Fall eine gefährliche Person in die Freiheit entlassen zu müssen. In den Schlussabstimmungen nahmen beide Räte die Änderung einstimmig an.

Änderung der Strafprozessordnung (BRG 19.048)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Nachdem beide Räte den Bundesbeschluss über die Genehmigung und Umsetzung des Europarats-Übereinkommens zur Terrorismusverhütung und des dazugehörigen Zusatzprotokolls sowie über die Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität einmal beraten hatten, wies die Vorlage noch zwei inhaltliche Differenzen auf. Die erste betraf die explizite Ausnahme der Tätigkeit humanitärer Organisationen aus dem Straftatbestand der organisierten Kriminalität, die zweite die Voraussetzungen für die dynamische Rechtshilfe.
Der Ständerat behielt in der Herbstsession 2020 zunächst beide Differenzen bei, wobei er dem Nationalrat in der Frage der Ausnahme für humanitäre Organisationen ein Stück weit entgegenkam. Die Ratsmehrheit gewichtete die Gefahr der Kriminalisierung von humanitären Aktionen höher als jene, dass die Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Organisation als humanitäre Hilfe getarnt werden könnte und folgte mit 23 zu 17 Stimmen bei einer Enthaltung einer Minderheit Juillard (cvp, JU), die das Anliegen des Nationalrats aufnahm, aber neu formulierte und das IKRK nicht mehr explizit nannte. Die vorzeitige Übermittlung von Informationen und Beweismitteln an ausländische Ermittlungsbehörden (sogenannte dynamische Rechtshilfe) wollte die Ständekammer im Gegensatz zum Nationalrat aber nicht generell, wenn die ausländischen Ermittlungen sonst unverhältnismässig erschwert würden, sondern nur zur Abwendung schwerer und unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben sowie nur nach schriftlicher Verpflichtung der ausländischen Behörden, sich an die Einschränkungen zur Verwendung der übermittelten Informationen zu halten, erlauben. Damit liess der Ständerat seine Kommissionsmehrheit mit 23 zu 19 Stimmen und einer Enthaltung auch hier im Regen stehen und hielt an seinem letzten Beschluss fest, wie es eine Minderheit Zopfi (gp, GL) beantragt hatte.
Der Nationalrat konnte mit der Version des Ständerates indes wenig anfangen und entschied mit 111 zu 75 Stimmen bei 9 Enthaltungen, an seiner Ausnahmenorm für humanitäre Organisationen, die das IKRK beispielhaft erwähnt, festzuhalten. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatte sich abermals für die gänzliche Streichung der Bestimmung ausgesprochen und gewarnt, die explizite Ausnahme humanitärer Organisationen könnte ungewollt zur Straflosigkeit führen – etwa wenn ein Fahrer einer humanitären Organisation nicht nur Personen transportiere, sondern auch Waffen für eine Konfliktpartei schmuggle –, blieb damit jedoch Ruferin in der Wüste. Allerdings bewegte sich die grosse Kammer bei der zweiten Differenz etwas auf ihre Schwesterkammer zu, indem sie die dynamische Rechtshilfe auf Fälle von organisierter Kriminalität oder Terrorismus beschränkte. Die darüber hinausgehenden Einschränkungen des Ständerates waren indes gar nicht zur Diskussion gestanden; der Kompromissvorschlag der Kommissionsmehrheit setzte sich mit 140 zu 55 Stimmen gegen eine Minderheit Addor (svp, VS) durch, die beim Entwurf des Bundesrats bleiben wollte. Justizministerin Keller-Sutter erklärte ihre Unterstützung für die Mehrheit «im Sinne der Differenzbereinigung», bedauerte aber, dass die dynamische Rechtshilfe damit in wichtigen Kriminalitätsfeldern wie Drogenhandel, Geldwäscherei und bei Sexualdelikten ausgeschlossen sei.
Da sich die beiden Räte nun in beiden Streitpunkten einen Schritt näher gekommen waren, unterstützte die SiK-SR die vorliegende «Einigungsversion», wie Kommissionssprecher Daniel Jositsch (sp, ZH) erklärte. Sie beantragte ihrem Rat, beide Differenzen auszuräumen, was dieser dann auch stillschweigend tat. In den Schlussabstimmungen wurde der Bundesbeschluss vom Nationalrat mit 128 zu 34 Stimmen bei 34 Enthaltungen und vom Ständerat mit 37 zu 5 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen. Die Fraktionen der SP und der Grünen vertraten damit auch hier konsequent ihren bereits in der Eintretensdebatte geäusserten Standpunkt, für die Einführung des Gesinnungsstrafrechts, die ihrer Ansicht nach mit dem Verbot des Anwerbens, Ausbildens und Reisens im Hinblick auf eine terroristische Straftat erfolge, nicht Hand zu bieten.

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

In der Herbstsession 2020 überwies der Ständerat stillschweigend ein Postulat seiner Rechtskommission zur Einführung der Redlichkeitskultur im Schweizer Recht. Darunter wird der Ansatz verstanden, dass bei einem Vorfall – typischerweise einem Unfall oder Beinahe-Unfall in der Luftfahrt – nicht die Einzelpersonen für die Fehler bestraft, sondern die Schwachstellen in der Organisation aufgedeckt werden sollen, die kumulativ zum Ereignis geführt haben. Mit der Überweisung des Postulats erhielt der Bundesrat den Auftrag, zu prüfen, wie dieses generelle Prinzip in hochsicherheitsrelevanten Bereichen wie der Luftfahrt oder dem Gesundheitswesen verankert werden könnte. Die Kommission hatte das Postulat eingereicht, weil sie das Anliegen einer entsprechenden parlamentarischen Initiative Rutz (svp, ZH; Pa.Iv. 19.478) für unterstützungswürdig hielt, die mit der Initiative angestrebte Umsetzung jedoch als problematisch erachtete. Gemäss geltender Rechtsprechung könne eine Person, die sich mit einer Fehlermeldung selbst belaste, auf dieser Grundlage strafrechtlich verfolgt werden, erklärte Kommissionssprecher Daniel Jositsch (sp, ZH) den Stein des Anstosses. Als Lösung hatte die parlamentarische Initiative vorgesehen, unter bestimmten Umständen auf die Strafverfolgung zu verzichten. Dies liefe in der Ansicht der Kommission aber den Interessen der Strafverfolgung, insbesondere der Rechtsgleichheit und dem Anspruch der Opfer auf Durchsetzung des Strafrechts sowie auf Schadenersatz, zuwider. Mit dem Postulat soll nun aufgezeigt werden, wie die Redlichkeitskultur verankert werden könnte, ohne mit dem Strafrecht in Konflikt zu kommen.

Redlichkeitskultur im Schweizer Recht (Po. 20.3463)

2016 hatte die Schweiz ein Rechtshilfeersuchen des UNO-Sondertribunals für den Libanon, das die Aufklärung des Attentats auf den ehemaligen libanesischen Präsidenten Hariri zum Ziel hat, ablehnen müssen, weil eine gesetzliche Grundlage zur Zusammenarbeit mit dem Tribunal gefehlt hatte; das schweizerische Rechtshilfegesetz (IRSG) beschränkt sich bis anhin ausschliesslich auf die Zusammenarbeit mit Staaten. Dabei hätte die Gewährung der Rechtshilfe durchaus den Interessen der Schweiz entsprochen. Um diese unbefriedigende Situation in Zukunft zu vermeiden, schlug der Bundesrat dem Parlament eine Änderung von Artikel 1 des Rechtshilfegesetzes vor, so dass die Zusammenarbeit gemäss IRSG auf internationale Strafinstitutionen ausgedehnt werden kann. Das bis Ende 2023 befristete Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den Internationalen Gerichten zur Verfolgung schwerwiegender Verletzungen des humanitären Völkerrechts, das die Zusammenarbeit der Schweiz mit den Sondertribunalen für Ex-Jugoslawien (ICTY) und Ruanda (ICTR) regelt, soll im Zuge dessen vorzeitig aufgehoben werden.
Die in der Vernehmlassung nur vereinzelt kritisierte Vorlage kam in der Herbstsession 2020 vor den Nationalrat, der den Entwurf mit 142 zu 51 Stimmen unverändert verabschiedete. Gegen das Gesetz stimmte die geschlossene SVP-Fraktion, die gar nicht erst auf das Geschäft hatte eintreten wollen und stattdessen lieber die bisherige Praxis einer Spezialgesetzgebung für jedes neue internationale Straftribunal weiterverfolgt hätte. Gescheitert waren ebenfalls zwei inhaltliche Änderungsanträge, die einerseits die Rechtshilfe an internationale Strafinstitutionen auf völkerrechtliche Verbrechen sowie Delikte gegen Leib und Leben einschränken und andererseits dem Bundesrat die Kompetenz hätten streichen wollen, unter bestimmten Bedingungen per Verordnung die Zusammenarbeit mit internationalen Strafinstitutionen ausserhalb des UNO-Rahmens zuzulassen.

Änderung von Art. 1 IRSG: Rechtshilfe an internationale Strafinstitutionen (BRG 19.063)

In der Herbstsession 2020 schrieb der Nationalrat das Postulat der RK-NR betreffend eine Bussenkompetenz für Transportunternehmen stillschweigend ab, da der Bundesrat in Erfüllung des Postulats im August 2019 einen gleichnamigen Bericht veröffentlicht hatte. Darin war er zum Schluss gekommen, dass die Ermächtigung öffentlicher Transportunternehmen zur Ausstellung von Ordnungsbussen nicht vorteilhaft sei und deshalb nicht eingeführt werden solle. Die Einführung einer solchen Bussenkompetenz setze nämlich voraus, dass bestimmte Antragsdelikte in Offizialdelikte umgewandelt werden müssten, was zu Missverhältnissen zwischen der Verfolgung verschiedener Straftatbeständen führen würde.

Bussenkompetenz für Transportunternehmen (Mo. 15.4080, Po. 16.3004)

Mittels Standesinitiative forderte der Kanton Tessin die eidgenössischen Räte auf, das Strafmass für Delikte gegen die sexuelle Integrität zu erhöhen. Konkret verlangte der Südkanton, eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe und Höchststrafen von mindestens zehn Jahren für Sexualdelikte zu prüfen. Der Ständerat folgte in der Herbstsession 2020 mit 29 zu 6 Stimmen bei 3 Enthaltungen der Empfehlung seiner Rechtskommission und gab der Initiative keine Folge. Im Hinblick auf die bereits aufgegleiste Revision des Sexualstrafrechts erachtete es die Kommission als wenig sinnvoll, im Rahmen der Standesinitiative zusätzlich aktiv zu werden.

Erhöhung des Strafmasses für Straftaten im Zweiten Buch, Fünften Titel des Schweizerischen Strafgesetzbuches (Kt.Iv. 19.301)

Eine von Frédéric Borloz (fdp, VD) im März 2020 eingereichte Motion forderte die Klärung der Regelungen der Haftpflicht im Gütertransport auf der Schiene. Diese Klärung solle insbesondere die Verteilung der Risiken und die Regelung der Rechtsmittel zwischen den Eisenbahnunternehmen (beispielsweise die SBB) und den Wagenhaltern sowie die rechtlichen Folgen von Vorfällen mit gefährlichen Gütern betreffen. Es müsse also geklärt werden, wer für die Qualität des Materials verantwortlich ist, respektive bei Unfällen haftbar gemacht wird. Hintergrund des Vorstosses war eine Entgleisung von Tankwagen im Jahr 2015. Borloz argumentierte, dass der Wagenhalter bei einem Unfall nach geltendem Recht nur hafte, wenn das Eisenbahnunternehmen nachweisen kann, dass diesen ein Verschulden trifft. Deshalb schlug der Motionär vor, die Rechtsmittel der Eisenbahnunternehmen gegenüber den Wagenhaltern zu überprüfen.
Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion, welche von der grossen Kammer in der Sommersession 2020 stillschweigend angenommen wurde.

Regelungen der Haftpflicht im Gütertransport auf der Schiene klären (Mo. 20.3084)
Dossier: Massnahmen für mehr Sicherheit bei Chlortransporten

Stillschweigend verlängerte der Nationalrat im Sommer 2020 die Behandlungsfrist der parlamentarischen Initiative Leutenegger (fdp, ZH), deren Ziel die Straflosigkeit von Whistleblowing ist, zum dritten Mal. Die zuständige RK-NR erklärte, nach dem Scheitern der privatrechtlichen Regelung im Obligationenrecht wolle sie das weitere Vorgehen prüfen und sich mit den strafrechtlichen Aspekten des Whistleblowings befassen.

Whistleblowing straflos machen (Pa.Iv. 12.419)
Dossier: Whistleblowing

Im Sommer 2020 schrieben die eidgenössischen Räte die Motion der RK-SR zur Änderung der Strafbestimmungen zu organisierter Kriminalität stillschweigend ab. Das Anliegen wurde mit der Vorlage zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität umgesetzt.

Wirksamere Strafbestimmungen zur Verfolgung der organisierten Kriminalität (Pa.Iv. 14.401 und Mo. 15.3008)
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

In der Sommersession 2020 beriet der Nationalrat als Zweitrat die Vorlage zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität, die auch die Genehmigung des Europarats-Übereinkommens über die Terrorismusprävention und dessen Zusatzprotokolls beinhaltete. Während die vorberatende SiK-NR die Stossrichtung des Geschäfts mehrheitlich unterstützte, wie deren Sprecher Mauro Tuena (svp, ZH) dem Ratsplenum bekannt gab, beantragte eine Minderheit Schlatter (gp, ZH) die Rückweisung an den Bundesrat, weil sie eine klare Definition von terroristischen Organisationen vermisste und diese nicht der Rechtsprechung überlassen wollte. Welche Organisation terroristisch sei, sei keine juristische, sondern eine politische Entscheidung, begründete die Grüne Nationalrätin ihren Antrag. Zudem forderte sie, dass sich die Strafrechtsverschärfung darauf beschränken müsse, was das internationale Abkommen zwingend verlange. Votantinnen und Votanten gegen die Rückweisung wandten ein, es gebe keine allgemeingültige, globale Definition von Terrorismus, auf die man sich stützen könnte, und betonten das Vertrauen in die Schweizer Justizbehörden. So einig wie die Fraktionen der SP und der Grünen die Rückweisung unterstützen, stellten sich jene der GLP, der Mitteparteien, der FDP und der SVP dagegen, sodass der Antrag mit 127 zu 67 Stimmen deutlich abgelehnt wurde.
In der Detailberatung wandte sich die grosse Kammer in einem ersten Block den Änderungen im Nachrichtendienstgesetz zu und erörterte die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Bundesrat eine Organisation, die die innere oder äussere Sicherheit der Schweiz bedroht, verbieten können soll. Eine Minderheit Addor (svp, VS) blieb mit der Forderung, dass der Bundesrat dies im Sinne von mehr Sicherheit und Souveränität allein entscheiden können müsse, erfolglos. Die Mehrheit blieb beim Entwurf des Bundesrates, demgemäss sich ein Verbot auf einen Verbots- oder Sanktionsbeschluss der UNO gegen die fragliche Gruppierung stützen muss. Diese Bedingung sei wichtig für die Neutralität der Schweiz, erläuterte Bundesrätin Karin Keller-Sutter, weil sonst andere Staaten die Schweiz politisch oder diplomatisch unter Druck setzen könnten, eine bestimmte Organisation zu verbieten.
Im zweiten Block widmete sich der Nationalrat den Anpassungen im Strafrecht. Der mit sechs Minderheitsanträgen meistdiskutierte Artikel 260ter StGB definiert den Tatbestand der Beteiligung an und Unterstützung einer kriminellen bzw. terroristischen Organisation und legt das einschlägige Strafmass fest. Die Kommissionsmehrheit wich mit ihrem Vorschlag insofern von der ständerätlichen Fassung ab, als sie humanitäre Dienste einer unparteiischen humanitären Organisation wie dem IKRK explizit von der Strafbarkeit ausschliessen wollte. Dieser Vorschlag setzte sich deutlich gegen alle Minderheitsanträge durch, sowohl jene, die diese Ausnahmebestimmung für humanitäre Organisationen einerseits als überflüssig oder andererseits mit der Nennung des IKRK als zu eng gefasst in Frage stellten, als auch jene, die den Strafrahmen insgesamt verkleinern, den Kampf für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nicht als Terrorismus klassifizieren, die zusätzliche Bestrafung für weitere im Rahmen einer Organisation begangene Straftaten explizit machen oder die Definition terroristischer Organisationen ganz streichen wollten. Der zweite grosse Streitpunkt der Vorlage lag im neuen Art. 260sexies StGB, der die Anwerbung und Ausbildung sowie das Reisen im Hinblick auf eine terroristische Straftat unter Strafe stellt. Eine Minderheit Seiler Graf (sp, ZH) wollte den ganzen Artikel streichen, weil sie diese Vorverlagerung der Strafbarkeit als rechtsstaatlich problematisch ansah. Man befinde sich hier «definitiv im Gesinnungsstrafrecht», urteilte die Antragstellerin. Terroristen liessen sich kaum durch eine Strafandrohung abschrecken; Prävention und Ursachenbekämpfung – etwa gestützt auf den Nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus – wären an dieser Stelle zielführender als repressive Massnahmen, schloss sie. Im Gegensatz dazu bezeichnete Justizministerin Keller-Sutter den umstrittenen Artikel als «de[n] zentrale[n] Pfeiler des Europaratsübereinkommens» und dessen Streichung als «empfindlich[e] Schwächung des Strafrechts». Gegen die bis auf eine Ausnahme (Philipp-Matthias Bregy, cvp/VS) geschlossen stimmenden Fraktionen der bürgerlichen Parteien sowie der Grünliberalen blieb das links-grüne Lager schliesslich chancenlos.
Der dritte und letzte Block betraf die Änderungen im Rechtshilfegesetz. Auch hier folgte der Nationalrat in allen Punkten seiner Kommissionsmehrheit und lehnte drei Minderheitsanträge Roth (sp, SO) hochkant ab, die internationale Rechtshilfe bei Steuerhinterziehung zulassen, die Voraussetzungen für die vorzeitige Übermittlung von Informationen und Beweismitteln an ausländische Ermittlungsbehörden (sog. dynamische Rechtshilfe) erhöhen und grenzüberschreitende Ermittlungsgruppen der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft unterstellen wollten. Bei den Bedingungen für die dynamische Rechtshilfe kehrte der Nationalrat diskussionslos zu den lockereren Voraussetzungen des Bundesrats zurück, anstatt sich der vom Ständerat beschlossenen Verschärfung anzuschliessen.
In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer die gegenüber dem Ständerat in zwei Punkten veränderte Vorlage mit 127 zu 54 Stimmen bei 13 Enthaltungen an. Die Fraktionen der SP und der Grünen machten damit ihre bereits in der Eintretensdebatte geäusserte Drohung wahr, dem Entwurf ihre Zustimmung zu verweigern, sollten die Tatbestände des Anwerbens, Ausbildens und Reisens im Hinblick auf einen Terrorakt im Strafgesetzbuch festgeschrieben werden. Stillschweigend schrieb der Nationalrat zudem die beiden Motionen 14.4187 für die Ratifizierung des Europaratseinkommens zur Terrorismusverhütung und 15.3008 für wirksamere Strafbestimmungen zur Verfolgung der organisierten Kriminalität ab.

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

Nachdem die RK-SR im Januar 2019 der parlamentarischen Initiative Rickli (svp, ZH) betreffend die Erhöhung des Strafmasses für Vergewaltigungen keine Folge gegeben hatte, weil sie die Frage stattdessen im Zuge der Harmonisierung der Strafrahmen klären wollte, beschloss sie – im Einvernehmen mit EJPD-Vorsteherin Karin Keller-Sutter –, eine materielle Revision des Sexualstrafrechts anzupacken. Dafür wollte sie einen separaten Entwurf ausarbeiten, der dann auch Gegenstand einer regulären Vernehmlassung sein sollte. Im Februar 2020 lenkte auch die Mehrheit der RK-NR auf die Position ihrer Schwesterkommission ein und beantragte ihrem Rat mit 14 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung, der Initiative Rickli keine Folge zu geben. Eine Minderheit aus SVP und FDP bestand jedoch auf Folgegeben: Sie wolle damit ein Signal senden, dass sie die vorgeschlagenen Änderungen in der Strafrahmenharmonisierung auch wirklich berücksichtigt sehen möchte.
In der Sommersession 2020 forderte Minderheitsvertreterin Andrea Geissbühler (svp, BE) den Nationalrat auf, der Initiative Folge zu geben, da man die Revision des Sexualstrafrechts nun schon zu lange – seit 2008 – vor sich her schiebe und eine von der Harmonisierung der Strafrahmen getrennte Vorlage diesen Prozess noch einmal verlängern würde. Tatsächlich vermochte diese Argumentation eine Mehrheit des Nationalrates zu überzeugen und so gab die grosse Kammer – entgegen der Empfehlung ihrer Kommissionsmehrheit – der Initiative knapp mit 77 zu 72 Stimmen bei 14 Enthaltungen Folge. Möglich wurde dieses Resultat, weil neben der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion auch die Fraktionen der Mitteparteien und der FDP grossmehrheitlich für Folgegeben stimmten und sich gleichzeitig mehrere Vertreterinnen und Vertreter aus dem links-grünen Lager enthielten (5 SP, 4 GP und 2 GLP).

Erhöhung des Strafmasses bei Vergewaltigungen (Pa.Iv. 16.483)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Der Bundesrat soll die Regeln zur Gesamtstrafenbildung überprüfen und mögliche Alternativen zum geltenden Recht mit ihren Vor- und Nachteilen aufzeigen. So verlangte es der Ständerat, als er in der Sommersession 2020 ein entsprechendes Postulat seiner Rechtskommission überwies. Eine Gesamtstrafe wird gebildet, wenn jemand mehrere Delikte gleichzeitig begangen hat, und fällt nach dem sogenannten Asperationsprinzip immer geringer aus als die Summe der Einzelstrafen. Im Ratsplenum machte Kommissionssprecher Andrea Caroni (fdp, AR) auf zwei konkrete Probleme der heutigen Regeln aufmerksam: Einerseits bedinge die festgeschriebene maximale Anzahl von 180 Tagessätzen, dass eine Gesamtstrafe nie höher als 180 Tagessätze sein kann, selbst wenn zum Beispiel von drei begangenen Delikten jedes einzelne 90 Tagessätze Strafe nach sich zöge; so könne man ab einem gewissen Punkt «gratis delinquieren». Andererseits werde auch bei Delikten, die in der Probezeit einer bedingten Strafe begangen werden, mit der ursprünglichen, bedingten Strafe eine Gesamtstrafe gebildet, womit man gerade dann einen «Rabatt» auf die Strafe erhalte, wenn man sich eigentlich bewähren sollte.

Überprüfung der Regeln zur Gesamtstrafenbildung (Po. 20.3009)

In der Sommersession 2020 befasste sich der Ständerat als Erstrat mit der Revision des Besonderen Teils des Strafgesetzbuches, deren Ziel die Harmonisierung der Strafrahmen ist. Wie der Kommissionsberichterstatter Daniel Jositsch (sp, ZH) dem Ratsplenum erläuterte, habe sich die vorberatende RK-SR bei der Diskussion der Strafrahmen an zwei Leitfragen orientiert: Erstens, absolut betrachtet, entspricht ein Strafrahmen nach heutigem Empfinden wertmässig dem Verschulden? Und zweitens, relativ betrachtet, passt ein Strafrahmen wertmässig in das System vergleichbarer Strafen hinein? Die thematischen Schwerpunkte verortete Jositsch zum einen im Bereich Gewalt und Drohung gegenüber Beamten und Behörden, zu dem in der jüngeren Vergangenheit sehr viele Vorstösse eingegangen waren, sowie zum anderen bei den Delikten gegen Leib und Leben, wo generell «eine moderate Anhebung der Strafen» vorgesehen sei. Damit werde korrigiert, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Strafgesetzbuchs in den 1940er-Jahren den Schutz des Vermögens im Vergleich zum Schutz von Leib und Leben «relativ stark gewichtet» habe. Diese Werthaltung, die neu ausgelotet werden müsse, veranschaulichte er mit dem Beispiel, dass auf einfachen Diebstahl heute eine Maximalstrafe von fünf Jahren stehe, während eine fahrlässige Tötung mit maximal drei Jahren bestraft werde. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte, es sei wichtig, dass sich die Bevölkerung mit einem Urteil identifizieren könne: «Nur unter dieser Voraussetzung kann der Rechtsstaat auch seine Glaubwürdigkeit und seine Akzeptanz behalten.» Die öffentliche Debatte sei aber oft vom Eindruck einzelner Vorkommnisse geprägt, die die Forderung nach Mindeststrafen befeuerten. Solche habe der Bundesrat allerdings nur «sehr selektiv» vorgesehen, weil der Strafrahmen nicht nur den denkbar schwersten, sondern immer auch den denkbar leichtesten Fall abdecken müsse.
Über weite Strecken war die umfangreiche Vorlage im Ständerat unbestritten. Bis auf drei Punkte, die sie vertiefter diskutierte, folgte die Ständekammer überall stillschweigend den Anträgen ihrer Kommission. Als wichtigste dieser diskussionslosen Neuerungen hervorzuheben sind die Anhebung der Mindeststrafe für schwere Körperverletzung von bisher sechs Monaten auf ein Jahr sowie die Vereinheitlichung der Mindeststrafe für alle gewerbsmässig begangenen Vermögensdelikte auf sechs Monate. Die Bestimmungen des Sexualstrafrechts klammerte der Ständerat in der Debatte aus, weil diese nach dem Willen seiner Kommission und des Bundesrates in einem separaten Entwurf, der zuerst noch in die Vernehmlassung gegeben wird, behandelt werden sollen.
Die erste der drei umstrittenen Änderungen betraf mit Art. 42 StGB eine Bestimmung aus dem Allgemeinen Teil, der eigentlich gar nicht Gegenstand des Geschäfts war. Die Kommissionsmehrheit habe diese Anpassung dennoch vorgenommen, um den Forderungen nach schärferen Strafen entgegenzukommen, ohne die Mindeststrafen zu erhöhen, wie Jositsch erklärte. Sie schlug vor, den Artikel dahingehend abzuändern, dass das Gericht bei einem Ersttäter oder einer Ersttäterin nicht mehr «in der Regel» eine bedingte Strafe aussprechen muss, sondern dass es dies «kann». Durch die etwas offenere Formulierung wollte sie mehr Möglichkeiten für unbedingte Strafen schaffen. Eine Minderheit Vara (gp, NE) und der Bundesrat beantragten hingegen, beim geltenden Recht zu bleiben. Die Änderung gefährde die Rechtssicherheit, weil die vielen Gerichte in der Schweiz die Kann-Bestimmung vielleicht unterschiedlich anwendeten, so deren Argumentation. «Es kann nicht angehen, dass irgendwelche Gründe dazu führen können, dass der bedingte Strafvollzug, selbst bei einer günstigen Prognose, verweigert werden kann», warnte Justizministerin Keller-Sutter vor unzulässiger Willkür. Kommissionssprecher Jositsch wandte ein, dass es für Täterinnen und Täter eben gerade keine Sicherheit geben solle, dass man beim ersten Mal eine bedingte Strafe erhalte. Die Ratsmehrheit liess sich davon überzeugen und folgte mit 26 zu 15 Stimmen der Kommissionsmehrheit.
Als zweites erörterte der Ständerat die konzeptionelle Frage, ob eine Mindestgeldstrafe automatisch auch eine Mindestfreiheitsstrafe bedeute – an einer konkreten Frage: Wenn für ein Delikt eine Geldstrafe nicht unter 30 Tagessätzen oder eine Freiheitsstrafe vorgeschrieben ist, bedeutet dies dann, dass die Freiheitsstrafe auch mindestens 30 Tage betragen muss? Die Kommissionsmehrheit bejahte diese Frage, die in der juristischen Lehre bislang ungeklärt geblieben war, und wollte dies im StGB nun ausdrücklich festschreiben. Sie sah Geld- und Freiheitsstrafen als «weitestgehend gleichwertig» an, wie es Andrea Caroni (fdp, AR) ausdrückte; dies zeige sich nicht zuletzt auch darin, dass eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen bei Nichtbezahlung eins zu eins in eine Freiheitsstrafe von 30 Tagen umgewandelt werde. Eine Minderheit Mazzone (gp, GE) argumentierte dagegen, eine Freiheitsstrafe stelle einen grösseren Eingriff dar als eine Geldstrafe, weshalb auf eine solche ausdrückliche Gleichsetzung im StGB verzichtet werden sollte. Auch EJPD-Vorsteherin Keller-Sutter plädierte gegen die vorgeschlagenen Ergänzungen bei den betreffenden Artikeln, weil aus der Praxis hierzu keine Unklarheiten moniert worden seien und die Änderung aus Sicht des Bundesrates daher nicht notwendig sei. Etwas spitz bemerkte sie: «Es wurde gesagt, im Lehrbuch Jositsch stehe, dass hier Klärungsbedarf bestehe. Herr Jositsch ist in der Minderheit und sieht offensichtlich, entgegen seinem Lehrbuch, keinen so grossen Klärungsbedarf.» Die Ratsmehrheit folgte mit 24 zu 16 Stimmen dennoch der Kommissionsmehrheit.
Der dritte Streitpunkt betraf die Verschärfung der Strafnorm für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Art. 285 StGB). Die Kommissionsmehrheit unterstützte hier das Konzept des Bundesrates, der den Strafrahmen für den Grundtatbestand unverändert liess – d.h. keine Mindeststrafe, maximal drei Jahre Freiheitsstrafe –, während er Gewalttaten, die aus einem zusammengerotteten Haufen heraus begangen werden, neu mit einer Geldstrafe von mindestens 120 Tagessätzen (bisher 30) oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren (wie bisher) bestrafen wollte. Nach dem vorangegangenen Beschluss des Ständerates über die wertmässige Gleichstellung von Geld- und Freiheitsstrafen bedeutete dies, dass Gewalttaten im Kontext einer Zusammenrottung mit einer Geldstrafe von mindestens 120 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe im Umfang von 120 Tagen belegt würden. Eine Minderheit Engler (cvp, GR) wollte die Strafen indes dergestalt verschärfen, dass sie zwar keine Mindeststrafe vorsah, Geldstrafe aber nur in leichten Fällen ausgesprochen werden dürfte. Bei Gewalttaten im Kontext einer Zusammenrottung wäre eine Freiheitsstrafe zwingend. Uneinigkeit herrschte in erster Linie darüber, welche Variante die schärfere war, jene mit der hohen Mindeststrafe oder jene mit der grundsätzlichen Freiheitsstrafe. Wie Beat Rieder (cvp, VS) berichtete, war dies auch der einzige Punkt, in dem sich die Subkommission, die das Geschäft für die RK-SR vorberaten hatte, nicht einig geworden war. Rieder setzte sich für die Minderheit ein, weil es hier um Straftäterinnen und -täter gehe, die «relativ renitent» seien und bei denen Geldstrafen «schlichtweg keine Wirkung» erzielten. Wichtig sei die Signalwirkung der Freiheitsstrafe, sprich, dass Hooligans «am Montag nach dem Samstagsmatch im Büro fehlen». Bundesrätin Keller-Sutter zeigte Verständnis für die Streichung der Geldstrafe in schweren Fällen, gab aber in Bezug auf die Signalwirkung zu bedenken, dass Freiheitsstrafen auch bedingt ausgesprochen werden können. Mit 23 zu 18 Stimmen betreffend den Grundtatbestand und 25 zu 17 Stimmen bezüglich der Zusammenrottungen nahm der Ständerat den Minderheitsantrag Engler an.
In der Gesamtabstimmung opponierte die Grüne Fraktion geschlossen, womit die Kantonskammer das revidierte StGB mit 35 zu 5 Stimmen guthiess. Der zweite Entwurf zur Anpassung des Nebenstrafrechts an das neue Sanktionenrecht, mit dem vor allem formelle Änderungen vorgenommen wurden, passierte die Gesamtabstimmung unverändert mit 36 zu 6 Stimmen, wobei sich hier auch SP-Ständerat Paul Rechsteiner (sp, SG) zur Grünen Opposition gesellte. Stillschweigend schrieb die kleine Kammer zudem die Vorstösse 06.3554, 09.3366, 08.3131, 10.3634 und 17.3265 ab.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Wie zuvor der Bundesrat beantragte auch die RK-SR die Ablehnung der Motion Addor (svp, VS) für die strafrechtliche Sanktionierung böswilliger Betreibungen. Mit der Erfüllung der parlamentarischen Initiative Abate (fdp, TI; Pa.Iv. 09.530) sei das Anliegen dieses Vorstosses bereits weitgehend erfüllt; eine Umsetzung der Motion könne also keinen zusätzlichen Schutz vor missbräuchlicher Strafverfolgung bieten, schrieb die zuständige Kommission in ihrem Bericht. Vielmehr zöge eine solche Strafnorm schwierige Abgrenzungsprobleme nach sich, da «nicht jede ungerechtfertigte Betreibung böswillig oder rechtsmissbräuchlich» sei. Wie Kommissionssprecherin Céline Vara (gp, NE) anfügte, eigneten sich ein Postulat oder eine Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes besser, um die Konsequenzen der strafrechtlichen Sanktionierung von «Schikanebetreibungen» zu analysieren. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatte dem nichts beizufügen. Die Kantonskammer lehnte die Motion in der Sommersession 2020 stillschweigend ab.

Strafrechtliche Sanktionierung böswilliger Betreibungen (Mo. 17.3740)

In der Sommersession 2020 befasste sich der Ständerat mit der parlamentarischen Initiative «Strassenverkehrsgesetz. Zurück zu verhältnismässigen Sanktionen, um dramatische Konsequenzen für Beruf und Familie zu verhindern» von Jean-Pierre Grin (svp, VD). Im Namen der Mehrheit der KVF-SR erläuterte Stefan Engler (cvp, GR) die Argumente, die gegen das Anliegen sprachen. Zum einen solle es immer eine gewisse Mindestdauer geben, wenn es zum Entzug des Führerausweis komme. Damit soll es nicht dazu kommen, dass bei gewissen leichten Verkehrsdelikten von den Betroffenen eine Nachschulung anstelle eines Führerscheinentzugs gewählt würde. Dies würde dem «präventiven Instrument des Warnentzugs» zuwiderlaufen, so Engler. Zum anderen könne auf Personen, die aufgrund ihres Berufs besonders auf den Führerausweis angewiesen sind, bereits heute Rücksicht genommen werden, indem bei diesen die Mindestentzugsdauer unterschritten werden kann. Schliesslich wies Engler noch darauf hin, dass in Kürze eine Revision des SVG anstehe, im Rahmen welcher das gesamte Sanktionssystem unter die Lupe genommen werde. Für die Kommissionsminderheit erläuterte Hansjörg Knecht (svp, AG), dass die vorliegende Initiative nur auf eine Verhinderung von Härtefällen bei erstmaligen leichten oder mittelschweren Widerhandlungen abziele, da diese Vergehen mit einem Führerausweisentzug unverhältnismässig hart bestraft würden. Er appellierte in der Folge, der Initiative zuzustimmen, um solche Härtefälle zu verhindern. Die kleine Kammer folgte jedoch der Mehrheit ihrer Kommission und gab der Initiative mit 28 zu 8 Stimmen bei einer Enthaltung klar keine Folge.

Strassenverkehrsgesetz. Zurück zu verhältnismässigen Sanktionen

In der Sommersession 2020 befasste sich der Nationalrat als Erstrat mit den aus dem Hauptteil der StPO-Revision in einen separaten Entwurf ausgegliederten Bestimmungen in Artikel 364a und 364b zur Sicherheitshaft. Damit sollte eine vom EGMR gerügte Gesetzeslücke zwischen der ordentlichen Haft und einer allfälligen Sicherheitshaft geschlossen werden, damit gefährliche Personen zwischen dem Ende der Freiheitsstrafe und dem Beginn einer anschliessenden stationären Massnahme nicht in die Freiheit entlassen werden müssen.
Eine Kommissionsminderheit hatte Nichteintreten beantragt, weil sie die Auftrennung der Vorlage in zwei Teile nicht guthiess und lieber eine integrale Revision der Strafprozessordnung vorgenommen hätte. Deren Sprecher Christian Lüscher (fdp, GE) erläuterte jedoch, der Antrag sei noch «ante-Covid19» und habe auf dem Glauben basiert, die gesamte Revision könne in der Sommersession beraten werden. Weil eine zeitnahe Behandlung der Gesamtrevision nun nicht mehr möglich sei und die Minderheit die Bestimmungen im vorliegenden Entwurf ausdrücklich begrüsse, wurde der Antrag zurückgezogen.
Nach dem Eintreten hatte sich die grosse Kammer mit einem Rückweisungsantrag einer Minderheit Nidegger (svp, GE) zu befassen, der ausserhalb der SVP-Fraktion jedoch keine Unterstützung fand. Die Antragsteller wollten den Bundesrat beauftragen, mit dem ihrer Ansicht nach übermässigen administrativen Aufwand für die Polizei und der als unzureichend beurteilten Verfahrensrolle der Opfer zwei «ignorierte Kritikpunkte» in die StPO-Revision aufzunehmen. Diese Punkte könnten in der Detailberatung des Hauptteils der Vorlage noch diskutiert werden und seien kein Grund, die Verabschiedung des dringenderen Teils zu verlangsamen, so aber die Mehrheitsmeinung. Die vorgenommene Priorisierung der beiden Artikel 364a und 364b sei «wichtig und im Sinne der öffentlichen Sicherheit», bestätigte auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter.
Nachdem die Mitte-Fraktion den einzigen inhaltlichen Minderheitsantrag zurückgezogen hatte, stimmte der Nationalrat dem unveränderten Entwurf einhellig zu.

Änderung der Strafprozessordnung (BRG 19.048)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Die Rechtskommission des Nationalrates gab im Februar 2020 einstimmig einer parlamentarischen Initiative Rutz (svp, ZH) Folge, die zur Verbesserung der öffentlichen Sicherheit die Redlichkeitskultur im Schweizer Recht verankern wollte. Als Redlichkeitskultur wird gemäss der Begründung der Initiative der Ansatz verstanden, bei einem Vorfall – typischerweise einem Unfall oder Beinahe-Unfall in der Luftfahrt – nicht einfach die Person zu bestrafen, die den letzten Fehler in der Kette begangen hat, sondern stattdessen die Schwachstellen im System zu suchen, durch deren Verzahnung das Ereignis kumulativ herbeigeführt wurde. Dieses Prinzip soll optimale Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass aus Fehlern gelernt und die Sicherheit ständig verbessert werden kann, indem es Einzelpersonen zu sicherheitsbezogenen Meldungen ermutigt. Mit einer Reihe vorgeschlagener Gesetzesänderungen, unter anderem im Strafgesetzbuch, wollte der Initiant sicherstellen, dass der Grundsatz nicht nur in der Aviatik gilt, sondern überall, wo gesetzliche Meldesysteme zur Verbesserung der Sicherheit bestehen.
Die ständerätliche Rechtskommission lehnte die Initiative im Mai desselben Jahres jedoch mit 7 zu 4 Stimmen bei 2 Enthaltungen ab, da sie die parlamentarische Initiative nicht als den richtigen Weg für das Anliegen erachtete. Sie verabschiedete stattdessen ein Postulat (Po. 20.3463) mit dem Auftrag an den Bundesrat, die Verankerung der Redlichkeitskultur im Schweizer Recht zu prüfen.

Verbesserung der öffentlichen Sicherheit durch Verankerung der Redlichkeitskultur (Pa.Iv. 19.478)

Im Zuge ihrer Beratung der StPO-Revision sprach sich die Mehrheit der RK-NR im Frühling 2020 für eine Teilung der Vorlage aus. Die Auslagerung der Artikel 364a und 364b StPO in einen separaten Entwurf soll deren baldige Inkraftsetzung ermöglichen, um eine Gesetzeslücke bei der Sicherheitshaft im Nachverfahren rasch zu schliessen. Der EGMR hatte im Dezember 2019 die Schweiz verurteilt, weil sie gegen eine Person eine dreimonatige Sicherheitshaft verhängt hatte, um damit die Zeit bis zur gerichtlichen Bestätigung der Verlängerung einer stationären Massnahme zu überbrücken. Dafür habe keine gesetzliche Grundlage bestanden, weshalb die Schweiz eine Menschenrechtsverletzung begangen habe, so die Feststellung des EGMR. Mit der Priorisierung der beiden genannten Artikel wollte die Kommission daher verhindern, dass gefährliche Täterinnen und Täter mangels Rechtsgrundlage in die Freiheit entlassen werden müssen. Eine Kommissionsminderheit war gegen die Teilung der Vorlage. Mit 15 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen lehnte die Kommission überdies die Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat ab.

Änderung der Strafprozessordnung (BRG 19.048)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Mittels Standesinitiative deponierte der St. Galler Kantonsrat bei der Bundesversammlung das Anliegen, die Verjährungsfrist für die schwersten Verbrechen, die eine lebenslängliche Freiheitsstrafe nach sich ziehen, aufzuheben. Die heutigen technischen Hilfsmittel zur Ermittlung und Fahndung ermöglichten es, vermehrt auch lange zurückliegende Straftaten aufzuklären, was durch die dreissigjährige Verjährungsfrist verhindert werden könnte, so die Begründung für die Initiative. Die RK-SR beantragte ihrem Rat mehrheitlich die Ablehnung der Initiative, da sie das Prinzip der Verjährung als wichtigen Teil unseres Rechtssystems und als «zentral für die Wiederherstellung des Rechtsfriedens» erachtete. Die strafrechtliche Beweisführung erweise sich mit zunehmendem Zeithorizont – auch mit moderner Technologie – noch immer als schwierig. Der technische Fortschritt trage sogar dazu bei, dass Verbrechen schneller aufgeklärt werden können. Eine Minderheit argumentierte hingegen, die Änderung betreffe nur die Tatbestände Mord und qualifizierte Geiselnahme und damit nur sehr wenige Fälle, womit das Konzept der Verjährung an sich nicht in Frage gestellt, aber etwas für die Einzelfallgerechtigkeit getan würde. Der Ständerat führte in der Frühjahrssession 2020 eine lebhafte Debatte über das Anliegen. Von der Gegnerseite wurde angeführt, die Abschaffung der Verjährung wecke bei Angehörigen von Mordopfern falsche Hoffnungen und die Gesellschaft brauche die Möglichkeit, mit einem Ereignis abzuschliessen. Die Befürworterinnen und Befürworter waren indes der Ansicht, in solchen Fällen heile die Zeit die Wunden nicht und die Bevölkerung würde es nicht verstehen, wenn ein nach Jahrzehnten zweifelsfrei identifizierter Mörder nicht bestraft werden könne. Die Kantonskammer sprach sich schliesslich mit 20 zu 18 Stimmen knapp gegen Folgegeben aus.

Keine Verjährungsfristen für Schwerstverbrecher (Kt.Iv. 19.300)

Im Frühjahr 2020 verlängerte der Ständerat die Frist für die Berner Standesinitiative mit der Forderung nach einer zwingenden Freiheitsstrafe bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte um zwei Jahre. Über den einschlägigen Strafrahmen könne das Parlament im Zuge der laufenden Strafrahmenharmonisierung entscheiden, deren Verabschiedung deshalb abgewartet werden solle, begründete die zuständige Rechtskommission das Vorgehen.

Standesinitiative BE fordert Freiheitsstrafe bei Gewalt gegen Beamte (Kt.Iv. 16.317)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Wie vom Ständerat im Rahmen der Rückweisung gefordert, wiederholte die SiK-SR im Februar 2020 die Detailberatung der Vorlage zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität (Genehmigung und Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus mit dem dazugehörigen Zusatzprotokoll) unter Einbezug eines Mitberichts der RK-SR. Im Zuge dessen beschloss sie, an allen ihren ursprünglichen Anträgen festzuhalten, wobei die Anträge der RK-SR zum Teil von Minderheiten der SiK-SR vertreten wurden.
Der Ständerat beugte sich somit in der Frühjahrssession 2020 als Erstrat über den Entwurf. Die Debatte beschränkte sich auf fünf neuralgische Punkte: Erstens stand die Frage im Raum, ob beim Strafmass zwischen der Beteiligung an einer kriminellen und der Beteiligung an einer terroristischen Organisation unterschieden werden soll, wie es im Entwurf des Bundesrates mit Höchststrafen von fünf bzw. zehn Jahren vorgesehen war, oder ob die Beteiligung an beiden Arten von Organisationen einheitlich mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren geahndet werden soll, wie es die Mehrheit der SiK-SR beantragte. Die Ratsmehrheit war der Ansicht, dass zwischen «gewöhnlichen» kriminellen und terroristischen Organisationen kein grundsätzlicher Unterschied in der Gefährlichkeit für die Gesellschaft bestehe und unterstützte den Antrag der Kommissionsmehrheit.
Zweitens entschied die Kantonskammer, dass die Unterstützung einer solchen Organisation in ihrer Tätigkeit generell, und nicht nur spezifisch «in ihrer verbrecherischen Tätigkeit», strafbar sein soll. Sie folgte damit ihrer Kommissionsmehrheit und dem Bundesrat und lehnte den entsprechenden Minderheitsantrag Sommaruga (sp, GE), der beim geltenden Recht bleiben wollte und auch von der Mehrheit der RK-SR unterstützt worden war, ab. Der Genfer Ständerat hatte sich besorgt gezeigt, dass humanitäre Organisationen der Unterstützung einer terroristischen Organisation beschuldigt werden könnten, wenn sie humanitäre Hilfe leisteten, die vielleicht indirekt auch einer terroristischen Organisation zugutekomme. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatte jedoch versichert, die neutrale und unabhängige Hilfe an die Opfer von Konflikten bleibe straflos, denn der Vorsatz zur Unterstützung der Organisation – in Form von Wissen und Willen – müsse zur Erfüllung des Tatbestands gegeben sein.
Drittens bestätigte die Ständekammer den neuen Tatbestand des Anwerbens, Ausbildens und Reisens im Hinblick auf eine terroristische Straftat und lehnte eine Minderheit Zopfi (gp, GL) ab, für die die neue Bestimmung zu nah am Gesinnungsstrafrecht lag. Die Justizministerin hatte dieses Argument nicht gelten lassen, da nur das Anwerben, nicht aber das Sich-anwerben-lassen unter Strafe gestellt werde, und damit eine breite Ratsmehrheit überzeugt.
Viertens erörterte die kleine Kammer die Möglichkeit zur vorzeitigen Übermittlung von Informationen und Beweismitteln an ausländische Behörden zur Ermittlung in einem Terrorismusverfahren, die der Bundesrat neu im Rechtshilfegesetz vorgesehen hatte. Ständerat Beat Rieder (cvp, VS) verlieh mit seinem Einzelantrag den Einwänden des Anwaltsverbands Ausdruck, diese neue Regelung gleiche einem «Dammbruch» beim Rechtsschutz im Rechtshilfeverfahren, weil die Übermittlung von Informationen so nicht mehr oder erst viel später richterlich überprüft werden könne und somit faktisch alleine die Staatsanwälte über die Gewährung von Rechtshilfe entscheiden könnten. Um den Rechtsschutz besser zu garantieren, beantragte er, die vorzeitige Übermittlung nur zur Abwehr von schweren, unmittelbaren Gefahren für Leib und Leben – da sei, so räumte er ein, «schnelles Handeln angesagt» – und nicht zur Abwehr jeglicher auslieferungsfähiger Straftaten zu erlauben. Mit 26 zu 17 Stimmen folgte die Ständekammer diesem Antrag Rieder; Bundesrätin Keller-Sutter hatte vergeblich argumentiert, dass nicht alle Terrorakte eine direkte Gefahr für Leib und Leben darstellten, so etwa Cyberattacken oder Angriffe auf die Infrastruktur, aber dennoch enormen Schaden verursachen könnten.
Fünftens bestätigte die Ständeratsmehrheit den neuen Abschnitt über internationale gemeinsame Ermittlungsgruppen im Rechtshilfegesetz und lehnte einen Einzelantrag Hefti (fdp, GL) auf Streichung der entsprechenden Bestimmungen ab, nachdem die EJPD-Vorsteherin erklärt hatte, es handle sich hierbei um die Niederschrift der bereits gängigen Praxis.
In der Gesamtabstimmung nahm die kleine Kammer die gegenüber dem Bundesratsentwurf in zwei Punkten veränderte Vorlage einstimmig (bei acht Enthaltungen) an. Stillschweigend stimmte sie auch der Abschreibung der beiden Motionen 14.4187 zur Ratifizierung des Europaratseinkommens zur Verhütung von Terrorismus und 15.3008 für wirksamere Strafbestimmungen zur Verfolgung der organisierten Kriminalität zu.

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

Im März 2020 gab der Bundesrat ein Massnahmenpaket zur Verbesserung der Sicherheit im Straf- und Massnahmenvollzug in die Vernehmlassung, das zwei Vorlagen zu Änderungen im Strafgesetzbuch und im Jugendstrafgesetz beinhaltete. Gemäss Tages-Anzeiger sollten die vorgeschlagenen «Mindeststandards im Umgang mit hochgefährlichen Straftätern» den «Wildwuchs im kantonalen Strafvollzug» eindämmen. Dieser sei in den vergangenen Jahren immer wieder öffentlich angeprangert worden, nachdem Täterinnen und Täter während des Urlaubs oder auf Bewährung Verbrechen begangen hätten. Mit den Anpassungen im Strafgesetzbuch beabsichtigte der Bundesrat, die Motionen Rickli (svp, ZH; Mo. 11.3767), Guhl (bdp, AG; Mo. 17.3572) und der RK-NR (Mo. 16.3002) umzusetzen. So sollen verwahrte Straftäterinnen und Straftäter nur noch in Begleitung von Sicherheitspersonal in gesetzlich vorgesehene Urlaube entlassen werden und die Weiterführung der Verwahrung nur noch alle drei Jahre – statt wie bisher jedes Jahr – von Amtes wegen überprüft werden, wenn die bedingte Entlassung zuvor dreimal in Folge abgelehnt wurde. Zudem sollen die Zuständigkeiten bei der Aufhebung, Änderung oder Verlängerung einer therapeutischen Massnahme schweizweit vereinheitlicht und die Rolle der Fachkommission zur Beurteilung der Gefährlichkeit von Straftäterinnen und Straftätern gestärkt werden. Gewalt- und Sexualstraftäterinnen und -täter, die nach Verbüssung der Strafe oder stationären Therapie immer noch als gefährlich gelten, sollen in Freiheit enger betreut und kontrolliert werden können. Dazu sollen neu auch elektronische Fussfesseln eingesetzt werden können. Im Jugendstrafrecht sah die Regierung vor, dass bei gefährlichen jugendlichen Straftäterinnen und Straftätern im Anschluss an die jugendstrafrechtliche Sanktion künftig eine Massnahme des Erwachsenenstrafrechts angeordnet werden kann, wie es eine Motion Caroni (fdp, AR; Mo. 16.3142) gefordert hatte. Damit soll verhindert werden, dass sie bei Erreichen der Altersobergrenze des Jugendstrafrechts trotz Gefährlichkeit in die Freiheit entlassen werden müssen.

Massnahmenpaket Sanktionenvollzug (BRG 22.071)
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

En mars 2020, la députée Céline Amaudruz (udc, GE) a défendu deux initiatives parlementaires au contenu semblable. Ces deux textes visent à lutter contre l'augmentation des violences envers les femmes. Selon la conseillère nationale, cette augmentation est imputable à deux phénomènes: premièrement le planétaire mouvement #metoo, qui a permis à de nombreuses femmes de briser la loi du silence et de dénoncer les agressions sexuelles dont elles ont été victimes; deuxièmement, l'arrivée en Suisse de nombreux hommes immigrés. Selon Céline Amaudruz, «le mode vestimentaire occidental emprunté par les femmes est perçu à tort par certains migrants comme un consentement présumé à toutes leurs avances», le refus de ces avances entraînerait alors des violences contre les femmes. La solution proposée par la députée consiste à relever les maximums légaux des peines prévues pour les infractions dont sont victimes les femmes en raison de leur appartenance au sexe féminin (initiative parlementaire 18.453) ainsi que d'augmenter les peines minimales (initiative parlementaire 18.454). Les agents et agentes des services d'urgence de l'Etat (police, pompiers, sécurité, etc.) étant eux et elles aussi victimes de l'augmentation des violences selon Céline Amaudruz, elle propose qu'ils soient protégés par les deux modifications du code pénal, au même titre que les femmes.
Les objets ont été traités en catégorie V, ce qui veut dire que la procédure s'est faite sans débat, par écrit, au grand regret de la députée UDC. La CAJ-CN s'était prononcée par 16 voix contre 4 et 4 abstentions défavorablement sur les deux initiatives, jugeant que les principes de proportionnalité et d'égalité devant la loi, inscrits dans la Constitution, ne pourraient pas être respectés en cas d'acceptation de l'initiative. Les seules voix en faveur des initiatives provenaient de l'UDC, qui n'a pourtant pas voté unanimement, deux, respectivement trois députés s'y étant opposés. Les deux initiatives ont ainsi été refusées par 141 voix contre 50 et par 144 voix contre 49.

Violence à l'égard des femmes et des agents de police cantonale ou communale en fonction. Circonstances aggravantes

Lors de la session de printemps 2020, le Conseil national a débattu de l'initiative Mazzone (verts, GE) «Art. 116 LEtr. En finir avec le délit de solidarité», reprise par Katharina Prelicz-Huber (pes, ZH), ainsi que de la pétition du groupe St-François, qui visait les mêmes objectifs. Prelicz-Huber a ouvert le débat, en rappelant que la LEtr comportait jusqu'en 2008 une mention des motifs honorables, annulant la peine le cas échéant. Elle a ensuite rappelé que les véritables cibles de cet article étaient les passeurs, au contraire des personnes agissant par amour du prochain, qu'elle estime être une valeur importante du système de pensée chrétien dont beaucoup de Suisses se réclament. La verte zurichoise a ensuite affirmé que l'immigration en Suisse était pratiquement impossible pour les personnes venant de l'extérieur de l'Europe, ce qui rend leur situation très vite illégale. Enfin, elle a rappelé que le Palais fédéral comportait depuis 2018 une salle Carl Lutz, en l'honneur du diplomate suisse qui, pendant la deuxième guerre mondiale avait enfreint la loi pour sauver la vie de dizaines de milliers de personnes juives. Samira Marti (ps, BL), qui représentait la minorité en faveur de l'initiative a repris les mêmes arguments et évoqué trois personnes récemment condamnées pour délit de solidarité: Norbert Valley, Anni Lanz et Lisa Bosia. Gerhard Pfister (pdc, ZG) et Jean-Luc Addor (udc, VS) ont présenté la position de la majorité de la commission. Ils ont précisé qu'une telle modification de l'article ne serait pas pertinente en Suisse, puisqu'aucun pays limitrophe ne représente de danger pour les personnes exilées. Ils ont les deux estimés que l'allusion à Carl Lutz n'avait pas de lien avec la situation actuelle, selon eux très différente de la deuxième guerre mondiale. L'initiative a finalement été rejetée par 102 voix contre 89 et une abstention. Les groupes socialiste et vert ont voté à l'unanimité en faveur de l'initiative. Le groupe vert'libéral affichait 12 voix pour, une contre et une abstention. Cinq membres du groupe du centre ont plébiscité le texte, ainsi que deux libéraux-radicaux et un membre de l'UDC, le reste de leurs partis s'y est opposé.

Article 116 LEtr. En finir avec le délit de solidarité
Dossier: Kriminalisierung der Solidarität

Der Nationalrat lehnte in der Frühjahrssession 2020 die Motion Abate (fdp, TI) zur Lockerung der Voraussetzungen, unter denen die Öffentlichkeit über ein hängiges Strafverfahren informiert werden darf, ab. Mit 132 zu 52 Stimmen folgte er seiner Kommissionsmehrheit und mass dem Persönlichkeitsschutz der betroffenen Personen sowie den Interessen der Strafverfolgung höheres Gewicht bei als dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Nur die SVP-Fraktion unterstützte den Vorstoss.

Lockerung der Voraussetzungen für die Orientierung der Öffentlichkeit im Strafprozess (Mo. 19.3739)