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Im Zuge ihrer Beratung der StPO-Revision sprach sich die Mehrheit der RK-NR im Frühling 2020 für eine Teilung der Vorlage aus. Die Auslagerung der Artikel 364a und 364b StPO in einen separaten Entwurf soll deren baldige Inkraftsetzung ermöglichen, um eine Gesetzeslücke bei der Sicherheitshaft im Nachverfahren rasch zu schliessen. Der EGMR hatte im Dezember 2019 die Schweiz verurteilt, weil sie gegen eine Person eine dreimonatige Sicherheitshaft verhängt hatte, um damit die Zeit bis zur gerichtlichen Bestätigung der Verlängerung einer stationären Massnahme zu überbrücken. Dafür habe keine gesetzliche Grundlage bestanden, weshalb die Schweiz eine Menschenrechtsverletzung begangen habe, so die Feststellung des EGMR. Mit der Priorisierung der beiden genannten Artikel wollte die Kommission daher verhindern, dass gefährliche Täterinnen und Täter mangels Rechtsgrundlage in die Freiheit entlassen werden müssen. Eine Kommissionsminderheit war gegen die Teilung der Vorlage. Mit 15 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen lehnte die Kommission überdies die Rückweisung der Vorlage an den Bundesrat ab.

Änderung der Strafprozessordnung (BRG 19.048)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Mittels Standesinitiative deponierte der St. Galler Kantonsrat bei der Bundesversammlung das Anliegen, die Verjährungsfrist für die schwersten Verbrechen, die eine lebenslängliche Freiheitsstrafe nach sich ziehen, aufzuheben. Die heutigen technischen Hilfsmittel zur Ermittlung und Fahndung ermöglichten es, vermehrt auch lange zurückliegende Straftaten aufzuklären, was durch die dreissigjährige Verjährungsfrist verhindert werden könnte, so die Begründung für die Initiative. Die RK-SR beantragte ihrem Rat mehrheitlich die Ablehnung der Initiative, da sie das Prinzip der Verjährung als wichtigen Teil unseres Rechtssystems und als «zentral für die Wiederherstellung des Rechtsfriedens» erachtete. Die strafrechtliche Beweisführung erweise sich mit zunehmendem Zeithorizont – auch mit moderner Technologie – noch immer als schwierig. Der technische Fortschritt trage sogar dazu bei, dass Verbrechen schneller aufgeklärt werden können. Eine Minderheit argumentierte hingegen, die Änderung betreffe nur die Tatbestände Mord und qualifizierte Geiselnahme und damit nur sehr wenige Fälle, womit das Konzept der Verjährung an sich nicht in Frage gestellt, aber etwas für die Einzelfallgerechtigkeit getan würde. Der Ständerat führte in der Frühjahrssession 2020 eine lebhafte Debatte über das Anliegen. Von der Gegnerseite wurde angeführt, die Abschaffung der Verjährung wecke bei Angehörigen von Mordopfern falsche Hoffnungen und die Gesellschaft brauche die Möglichkeit, mit einem Ereignis abzuschliessen. Die Befürworterinnen und Befürworter waren indes der Ansicht, in solchen Fällen heile die Zeit die Wunden nicht und die Bevölkerung würde es nicht verstehen, wenn ein nach Jahrzehnten zweifelsfrei identifizierter Mörder nicht bestraft werden könne. Die Kantonskammer sprach sich schliesslich mit 20 zu 18 Stimmen knapp gegen Folgegeben aus.

Keine Verjährungsfristen für Schwerstverbrecher (Kt.Iv. 19.300)

Im Frühjahr 2020 verlängerte der Ständerat die Frist für die Berner Standesinitiative mit der Forderung nach einer zwingenden Freiheitsstrafe bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte um zwei Jahre. Über den einschlägigen Strafrahmen könne das Parlament im Zuge der laufenden Strafrahmenharmonisierung entscheiden, deren Verabschiedung deshalb abgewartet werden solle, begründete die zuständige Rechtskommission das Vorgehen.

Standesinitiative BE fordert Freiheitsstrafe bei Gewalt gegen Beamte (Kt.Iv. 16.317)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Wie vom Ständerat im Rahmen der Rückweisung gefordert, wiederholte die SiK-SR im Februar 2020 die Detailberatung der Vorlage zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität (Genehmigung und Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus mit dem dazugehörigen Zusatzprotokoll) unter Einbezug eines Mitberichts der RK-SR. Im Zuge dessen beschloss sie, an allen ihren ursprünglichen Anträgen festzuhalten, wobei die Anträge der RK-SR zum Teil von Minderheiten der SiK-SR vertreten wurden.
Der Ständerat beugte sich somit in der Frühjahrssession 2020 als Erstrat über den Entwurf. Die Debatte beschränkte sich auf fünf neuralgische Punkte: Erstens stand die Frage im Raum, ob beim Strafmass zwischen der Beteiligung an einer kriminellen und der Beteiligung an einer terroristischen Organisation unterschieden werden soll, wie es im Entwurf des Bundesrates mit Höchststrafen von fünf bzw. zehn Jahren vorgesehen war, oder ob die Beteiligung an beiden Arten von Organisationen einheitlich mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren geahndet werden soll, wie es die Mehrheit der SiK-SR beantragte. Die Ratsmehrheit war der Ansicht, dass zwischen «gewöhnlichen» kriminellen und terroristischen Organisationen kein grundsätzlicher Unterschied in der Gefährlichkeit für die Gesellschaft bestehe und unterstützte den Antrag der Kommissionsmehrheit.
Zweitens entschied die Kantonskammer, dass die Unterstützung einer solchen Organisation in ihrer Tätigkeit generell, und nicht nur spezifisch «in ihrer verbrecherischen Tätigkeit», strafbar sein soll. Sie folgte damit ihrer Kommissionsmehrheit und dem Bundesrat und lehnte den entsprechenden Minderheitsantrag Sommaruga (sp, GE), der beim geltenden Recht bleiben wollte und auch von der Mehrheit der RK-SR unterstützt worden war, ab. Der Genfer Ständerat hatte sich besorgt gezeigt, dass humanitäre Organisationen der Unterstützung einer terroristischen Organisation beschuldigt werden könnten, wenn sie humanitäre Hilfe leisteten, die vielleicht indirekt auch einer terroristischen Organisation zugutekomme. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatte jedoch versichert, die neutrale und unabhängige Hilfe an die Opfer von Konflikten bleibe straflos, denn der Vorsatz zur Unterstützung der Organisation – in Form von Wissen und Willen – müsse zur Erfüllung des Tatbestands gegeben sein.
Drittens bestätigte die Ständekammer den neuen Tatbestand des Anwerbens, Ausbildens und Reisens im Hinblick auf eine terroristische Straftat und lehnte eine Minderheit Zopfi (gp, GL) ab, für die die neue Bestimmung zu nah am Gesinnungsstrafrecht lag. Die Justizministerin hatte dieses Argument nicht gelten lassen, da nur das Anwerben, nicht aber das Sich-anwerben-lassen unter Strafe gestellt werde, und damit eine breite Ratsmehrheit überzeugt.
Viertens erörterte die kleine Kammer die Möglichkeit zur vorzeitigen Übermittlung von Informationen und Beweismitteln an ausländische Behörden zur Ermittlung in einem Terrorismusverfahren, die der Bundesrat neu im Rechtshilfegesetz vorgesehen hatte. Ständerat Beat Rieder (cvp, VS) verlieh mit seinem Einzelantrag den Einwänden des Anwaltsverbands Ausdruck, diese neue Regelung gleiche einem «Dammbruch» beim Rechtsschutz im Rechtshilfeverfahren, weil die Übermittlung von Informationen so nicht mehr oder erst viel später richterlich überprüft werden könne und somit faktisch alleine die Staatsanwälte über die Gewährung von Rechtshilfe entscheiden könnten. Um den Rechtsschutz besser zu garantieren, beantragte er, die vorzeitige Übermittlung nur zur Abwehr von schweren, unmittelbaren Gefahren für Leib und Leben – da sei, so räumte er ein, «schnelles Handeln angesagt» – und nicht zur Abwehr jeglicher auslieferungsfähiger Straftaten zu erlauben. Mit 26 zu 17 Stimmen folgte die Ständekammer diesem Antrag Rieder; Bundesrätin Keller-Sutter hatte vergeblich argumentiert, dass nicht alle Terrorakte eine direkte Gefahr für Leib und Leben darstellten, so etwa Cyberattacken oder Angriffe auf die Infrastruktur, aber dennoch enormen Schaden verursachen könnten.
Fünftens bestätigte die Ständeratsmehrheit den neuen Abschnitt über internationale gemeinsame Ermittlungsgruppen im Rechtshilfegesetz und lehnte einen Einzelantrag Hefti (fdp, GL) auf Streichung der entsprechenden Bestimmungen ab, nachdem die EJPD-Vorsteherin erklärt hatte, es handle sich hierbei um die Niederschrift der bereits gängigen Praxis.
In der Gesamtabstimmung nahm die kleine Kammer die gegenüber dem Bundesratsentwurf in zwei Punkten veränderte Vorlage einstimmig (bei acht Enthaltungen) an. Stillschweigend stimmte sie auch der Abschreibung der beiden Motionen 14.4187 zur Ratifizierung des Europaratseinkommens zur Verhütung von Terrorismus und 15.3008 für wirksamere Strafbestimmungen zur Verfolgung der organisierten Kriminalität zu.

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

Im März 2020 gab der Bundesrat ein Massnahmenpaket zur Verbesserung der Sicherheit im Straf- und Massnahmenvollzug in die Vernehmlassung, das zwei Vorlagen zu Änderungen im Strafgesetzbuch und im Jugendstrafgesetz beinhaltete. Gemäss Tages-Anzeiger sollten die vorgeschlagenen «Mindeststandards im Umgang mit hochgefährlichen Straftätern» den «Wildwuchs im kantonalen Strafvollzug» eindämmen. Dieser sei in den vergangenen Jahren immer wieder öffentlich angeprangert worden, nachdem Täterinnen und Täter während des Urlaubs oder auf Bewährung Verbrechen begangen hätten. Mit den Anpassungen im Strafgesetzbuch beabsichtigte der Bundesrat, die Motionen Rickli (svp, ZH; Mo. 11.3767), Guhl (bdp, AG; Mo. 17.3572) und der RK-NR (Mo. 16.3002) umzusetzen. So sollen verwahrte Straftäterinnen und Straftäter nur noch in Begleitung von Sicherheitspersonal in gesetzlich vorgesehene Urlaube entlassen werden und die Weiterführung der Verwahrung nur noch alle drei Jahre – statt wie bisher jedes Jahr – von Amtes wegen überprüft werden, wenn die bedingte Entlassung zuvor dreimal in Folge abgelehnt wurde. Zudem sollen die Zuständigkeiten bei der Aufhebung, Änderung oder Verlängerung einer therapeutischen Massnahme schweizweit vereinheitlicht und die Rolle der Fachkommission zur Beurteilung der Gefährlichkeit von Straftäterinnen und Straftätern gestärkt werden. Gewalt- und Sexualstraftäterinnen und -täter, die nach Verbüssung der Strafe oder stationären Therapie immer noch als gefährlich gelten, sollen in Freiheit enger betreut und kontrolliert werden können. Dazu sollen neu auch elektronische Fussfesseln eingesetzt werden können. Im Jugendstrafrecht sah die Regierung vor, dass bei gefährlichen jugendlichen Straftäterinnen und Straftätern im Anschluss an die jugendstrafrechtliche Sanktion künftig eine Massnahme des Erwachsenenstrafrechts angeordnet werden kann, wie es eine Motion Caroni (fdp, AR; Mo. 16.3142) gefordert hatte. Damit soll verhindert werden, dass sie bei Erreichen der Altersobergrenze des Jugendstrafrechts trotz Gefährlichkeit in die Freiheit entlassen werden müssen.

Massnahmenpaket Sanktionenvollzug (BRG 22.071)
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

En mars 2020, la députée Céline Amaudruz (udc, GE) a défendu deux initiatives parlementaires au contenu semblable. Ces deux textes visent à lutter contre l'augmentation des violences envers les femmes. Selon la conseillère nationale, cette augmentation est imputable à deux phénomènes: premièrement le planétaire mouvement #metoo, qui a permis à de nombreuses femmes de briser la loi du silence et de dénoncer les agressions sexuelles dont elles ont été victimes; deuxièmement, l'arrivée en Suisse de nombreux hommes immigrés. Selon Céline Amaudruz, «le mode vestimentaire occidental emprunté par les femmes est perçu à tort par certains migrants comme un consentement présumé à toutes leurs avances», le refus de ces avances entraînerait alors des violences contre les femmes. La solution proposée par la députée consiste à relever les maximums légaux des peines prévues pour les infractions dont sont victimes les femmes en raison de leur appartenance au sexe féminin (initiative parlementaire 18.453) ainsi que d'augmenter les peines minimales (initiative parlementaire 18.454). Les agents et agentes des services d'urgence de l'Etat (police, pompiers, sécurité, etc.) étant eux et elles aussi victimes de l'augmentation des violences selon Céline Amaudruz, elle propose qu'ils soient protégés par les deux modifications du code pénal, au même titre que les femmes.
Les objets ont été traités en catégorie V, ce qui veut dire que la procédure s'est faite sans débat, par écrit, au grand regret de la députée UDC. La CAJ-CN s'était prononcée par 16 voix contre 4 et 4 abstentions défavorablement sur les deux initiatives, jugeant que les principes de proportionnalité et d'égalité devant la loi, inscrits dans la Constitution, ne pourraient pas être respectés en cas d'acceptation de l'initiative. Les seules voix en faveur des initiatives provenaient de l'UDC, qui n'a pourtant pas voté unanimement, deux, respectivement trois députés s'y étant opposés. Les deux initiatives ont ainsi été refusées par 141 voix contre 50 et par 144 voix contre 49.

Violence à l'égard des femmes et des agents de police cantonale ou communale en fonction. Circonstances aggravantes

Lors de la session de printemps 2020, le Conseil national a débattu de l'initiative Mazzone (verts, GE) «Art. 116 LEtr. En finir avec le délit de solidarité», reprise par Katharina Prelicz-Huber (pes, ZH), ainsi que de la pétition du groupe St-François, qui visait les mêmes objectifs. Prelicz-Huber a ouvert le débat, en rappelant que la LEtr comportait jusqu'en 2008 une mention des motifs honorables, annulant la peine le cas échéant. Elle a ensuite rappelé que les véritables cibles de cet article étaient les passeurs, au contraire des personnes agissant par amour du prochain, qu'elle estime être une valeur importante du système de pensée chrétien dont beaucoup de Suisses se réclament. La verte zurichoise a ensuite affirmé que l'immigration en Suisse était pratiquement impossible pour les personnes venant de l'extérieur de l'Europe, ce qui rend leur situation très vite illégale. Enfin, elle a rappelé que le Palais fédéral comportait depuis 2018 une salle Carl Lutz, en l'honneur du diplomate suisse qui, pendant la deuxième guerre mondiale avait enfreint la loi pour sauver la vie de dizaines de milliers de personnes juives. Samira Marti (ps, BL), qui représentait la minorité en faveur de l'initiative a repris les mêmes arguments et évoqué trois personnes récemment condamnées pour délit de solidarité: Norbert Valley, Anni Lanz et Lisa Bosia. Gerhard Pfister (pdc, ZG) et Jean-Luc Addor (udc, VS) ont présenté la position de la majorité de la commission. Ils ont précisé qu'une telle modification de l'article ne serait pas pertinente en Suisse, puisqu'aucun pays limitrophe ne représente de danger pour les personnes exilées. Ils ont les deux estimés que l'allusion à Carl Lutz n'avait pas de lien avec la situation actuelle, selon eux très différente de la deuxième guerre mondiale. L'initiative a finalement été rejetée par 102 voix contre 89 et une abstention. Les groupes socialiste et vert ont voté à l'unanimité en faveur de l'initiative. Le groupe vert'libéral affichait 12 voix pour, une contre et une abstention. Cinq membres du groupe du centre ont plébiscité le texte, ainsi que deux libéraux-radicaux et un membre de l'UDC, le reste de leurs partis s'y est opposé.

Article 116 LEtr. En finir avec le délit de solidarité
Dossier: Kriminalisierung der Solidarität

Der Nationalrat lehnte in der Frühjahrssession 2020 die Motion Abate (fdp, TI) zur Lockerung der Voraussetzungen, unter denen die Öffentlichkeit über ein hängiges Strafverfahren informiert werden darf, ab. Mit 132 zu 52 Stimmen folgte er seiner Kommissionsmehrheit und mass dem Persönlichkeitsschutz der betroffenen Personen sowie den Interessen der Strafverfolgung höheres Gewicht bei als dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit. Nur die SVP-Fraktion unterstützte den Vorstoss.

Lockerung der Voraussetzungen für die Orientierung der Öffentlichkeit im Strafprozess (Mo. 19.3739)

Entgegen dem Nationalrat lehnte der Ständerat im Frühjahr 2020 die Motion Regazzi (cvp, TI) ab, mit der eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden sollte, um wegen Pädophilie verurteilten Schweizerinnen und Schweizern den Pass zu entziehen und sie so an Auslandsreisen zu hindern. Die kleine Kammer folgte stillschweigend ihrer staatspolitischen Kommission, die keinen Handlungsbedarf sah. Im Ausland begangene pädosexuelle Straftaten seien nach schweizerischem Recht ohnehin strafbar und sich in einem Strafverfahren befindliche oder aus einer Freiheitsstrafe entlassene Pädophile könnten von den Justizbehörden bereits nach geltendem Recht mit einem Ausreiseverbot belegt werden, so die Begründung der Kommission.

Pädophilen soll der Pass entzogen werden (Mo. 17.3375)

Anders als ihre Schwesterkommission wollte die RK-NR trotz der inzwischen angelaufenen parlamentarischen Beratung der Vorlage zur Strafrahmenharmonisierung, im Zuge deren auch das Strafmass für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte angepasst werden könnte, mehrheitlich an den beiden parlamentarischen Initiativen Guhl (bdp, AG; Pa.Iv. 16.496) und Romano (cvp, TI; Pa.Iv. 16.501) mit ebendiesem Anliegen festhalten. Im Gegensatz zur Kommissionsminderheit, die den Initiativen keine Folge mehr geben wollte, sehe die Mehrheit Handlungsbedarf; man müsse Behörden und Beamte besser schützen, und zwar «nicht am Sankt-Nimmerleins-Tag», appellierte Berichterstatter Philipp Bregy (cvp, VS) an das Ratsplenum. Mit 109 zu 77 Stimmen gab der Nationalrat im Frühling 2020 beiden Initiativen Folge.

Anpassung des Strafmasses bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte (Pa.Iv. 16.496 und 16.501)
Dossier: Vorstösse betreffend Gewalt gegen Behörden und Beamte
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Die von der RK-SR eingesetzte Subkommission kam in ihrer Vorberatung der Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen zum Schluss, dass dieses Geschäft auf die Höhe der Strafrahmen begrenzt bleiben sollte. Die RK-SR schloss sich dieser Argumentation im Januar 2020 an und erklärte in der entsprechenden Medienmitteilung, auf Änderungen am Wortlaut der materiellen Tatbestände verzichten zu wollen. Die Neuformulierung der Tatbestände der Vergewaltigung und der sexuellen Nötigung, die der Bundesrat in der Botschaft vorgeschlagen hatte, habe weitere Fragen im Bereich des Sexualstrafrechts aufgeworfen, zu denen aber aufgrund der bereits langen Entstehungsgeschichte des Entwurfs nie eine Vernehmlassung stattgefunden habe. Im Einvernehmen mit der zuständigen Bundesrätin Karin Keller-Sutter werde sie ihrem Rat daher die Teilung der Vorlage beantragen. So könne der Revisionsbedarf des Sexualstrafrechts in eine separate Vorlage ausgelagert und dazu eine ordentliche Vernehmlassung durchgeführt werden, ohne die Harmonisierung der Strafrahmen weiter zu verzögern.
Im Februar 2020 nahm die RK-SR die Kernvorlage der Strafrahmenharmonisierung einstimmig an und reichte zudem ein Kommissionspostulat (20.3009) zur Überprüfung der Regeln für die Gesamtstrafenbildung ein.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Die parlamentarische Initiative Grin (svp, VD) «Strassenverkehrsgesetz. Zurück zu verhältnismässigen Sanktionen» wurde im Februar 2020 von der KVF-SR geprüft. Die Kommission stellte dabei mit 9 zu 3 Stimmen (bei einer Enthaltung) den Antrag an ihren Rat, dem Beschluss des Nationalrates, der Initiative Folge zu geben, nicht zuzustimmen. Das mit der Via sicura eingeführte Kaskadensystem bei Führerausweisentzügen sei wirkungsvoll und solle nicht geändert werden.

Strassenverkehrsgesetz. Zurück zu verhältnismässigen Sanktionen

Im November 2018 hatten einige Klimaaktivistinnen und Klimaaktivisten der Gruppierung «Lausanne Action Climat», in einer Lausanner Credit Suisse-Filiale Tennis gespielt. Gemäss Medienberichten sei es dieser Gruppierung darum gegangen, darauf aufmerksam zu machen, dass auch Roger Federer, dessen Stiftung von der Credit Suisse gesponsert wird, keine Ahnung davon habe, dass diese Bank Investitionen in Milliardenhöhe in umweltschädliche Unternehmen tätige. Weil sich die Aktivistinnen und Aktivisten gegen die Strafen in der Höhe vom rund CHF 22'000 für Hausfriedensbruch und die Durchführung einer unbewilligten Kundgebung wehrten, kam es im Januar 2020 am Bezirksgericht in Renens (VD) zu einem von den Medien stark beachteten Gerichtsprozess. Die Credit Suisse verzichtete auf eine Teilnahme am Prozess. Als Expertinnen und Experten äusserten sich die Klimawissenschaftlerin Sonia Seneviratne und der Physiker und Nobelpreisträger Jacques Dubochet. Die 13 Anwältinnen und Anwälte der Angeklagten hoben in ihren Plädoyers verschiedene Aspekte hervor, wie etwa den Finanzplatz Schweiz und seine Rolle als Finanzier von umweltschädlichen Investitionen oder die Legitimität von zivilem Ungehorsam. Die Medien berichteten, dass das Ziel der Plädoyers darin bestanden habe, das Gericht davon zu überzeugen, dass die Aktion angesichts des fortschreitenden Klimawandels unbedingt notwendig war.
Am 13. Januar 2020 verkündete der Einzelrichter Philippe Colelough sein Urteil. Dieser sprach die Aktivistinnen und Aktivisten frei, mit der Begründung, dass die Aktion friedlich verlaufen und hauptsächlich aus sogenannt rechtfertigendem Notstand heraus geschehen sei. Richter Colelough wies aber auch darauf hin, dass das geltende Recht solche Aktionen nur im Falle eines Notstands erlaube, wenn sie räumlich und zeitlich begrenzt stattfänden und für niemanden eine Gefahr darstellten. Zudem könne das Urteil noch angefochten werden.
Die Reaktionen in der Öffentlichkeit reichten von euphorisch bis entsetzt. Die Wochenzeitung begrüsste das Urteil vollumfänglich. Der Prozess sei wegweisend für die Frage der Legitimität von Protestformen gewesen. Auch Pierre Bühler, Honorarprofessor für Theologie an der Universität Zürich, sprach sich für das Verdikt aus. Er erläuterte, dass die ethische Legitimation über dem geltenden Recht stehe. Der ehemalige Bundesrichter Niklaus Oberholzer konnte das Urteil ebenfalls nachvollziehen und stufte es als juristisch gut begründet ein. Es sei aber keinesfalls als Freipass für weitere Aktionen zu sehen. Die Aargauer Zeitung berichtete derweil, dass das Urteil weitergezogen werde, dies habe die Staatsanwaltshaft bereits angekündigt. Nichtsdestotrotz habe es die Gruppierung geschafft, auf den Umstand aufmerksam zu machen, dass Banken Kredite an Unternehmen verliehen, welche ihr Geld mit fossilen Energieträgern verdienten. Der Druck auf die Banken wachse durch solche Aktionen. Andere Zeitungen widersprachen diesen Argumenten. Sie waren der Ansicht, dass die Aktivistinnen und Aktivisten dem Kampf gegen den Klimawandel mit solchen Aktionen einen Bärendienst erwiesen hätten. Der Inlandredaktor der NZZ stufte das Urteil als gefährlich ein. Man dürfe den Klimawandel nicht missbrauchen, um die Rechtslage für gewisse politische Gruppierungen zurechtzubiegen. Ein Gesetzesverstoss bleibe ein Gesetzesverstoss und der Zweck heilige die Mittel keineswegs. Die Weltwoche konnte das Urteil ebenfalls nicht nachvollziehen und sprach von einem Rechtsbruch und einem politischem Entscheid. Sie prophezeite, dass es zu chaotischen Zuständen kommen werde, wenn jede Person ihre Vorstellungen von Moral über das Gesetz stellen könne. Weitere Zeitungen zitierten Juristen, wie etwa den Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht und Rechtsphilosophie der Universität Fribourg, Marcel Niggli, die den Freispruch als Fehlurteil einstuften. Man habe in diesen Fall nicht von einem rechtfertigenden Notstand sprechen können, da es auch andere, legale Möglichkeiten gegeben hätte, um auf die Problematik aufmerksam zu machen. Zudem habe keine unmittelbare Gefahr bestanden. Schliesslich sei das Urteil politisch motiviert gewesen; es solle in der Rechtssprechung allerdings nicht um gut und böse, sondern um Recht und Unrecht gehen, befand Niggli.

Gerichtsverfahren gegen Klimaaktivistinnen und -aktivisten
Dossier: Klimawandel in der Schweiz

Nachdem in der Wintersession 2019 der Ständerat als Zweitrat dem Bundesbeschluss über die Genehmigung der jüngsten Änderungen des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs einstimmig zugestimmt hatte, passierte die Vorlage die Schlussabstimmungen in beiden Kammern mit jeweils grosser Mehrheit: Im Nationalrat wurde sie mit 142 zu 55 Stimmen und im Ständerat mit 40 zu 4 Stimmen (jeweils ohne Enthaltungen) angenommen. Der Widerstand kam vollumfänglich aus den Reihen der SVP-Fraktion. Mit der Genehmigung durch das Parlament ist der Bundesrat nun ermächtigt, die Änderungen des Römer Statuts zu ratifizieren.

Änderung des Römer Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (BRG 19.028)
Dossier: Internationaler Strafgerichtshof / Römer Statut

Marcel Dobler (fdp, SG) forderte mittels eines Postulats die Ausarbeitung eines Berichts zu den Vor- und Nachteilen einer strafrechtlichen Verfolgung des Eigengebrauchs von Doping. Der Postulant erläuterte, dass der Eigengebrauch von Doping gegenwärtig nur durch das Sportsystem selber sanktioniert werden könne, nicht aber auf Grundlage des Sportförderungsgesetzes. Es sei jedoch ersichtlich geworden, dass der Sport alleine nicht in der Lage sei, «die Schattenseiten des Sports» zu bekämpfen. Zudem zeigten die Nachbarländer Frankreich, Italien, Deutschland und Österreich, dass der Eigengebrauch von Doping mit gesetzlichen Regelungen strafrechtlich erfolgreich verfolgt werden könne. Der Bundesrat beantragte die Annahme des Postulates. Dem kam der Nationalrat in der Wintersession 2019 stillschweigend nach.

Dopingkonsum soll strafrechtlich verfolgt werden können (Po. 19.4366)

Im Spätherbst 2019 reichten die RK-NR (Mo. 19.4377) bzw. die RK-SR (Mo. 19.4391) zwei gleichlautende Motionen ein, mit denen eine Änderung der Unvereinbarkeitsbestimmungen am Bundesstrafgericht gefordert wurde. Die bisherige Unvereinbarkeitsregelung sieht vor, dass nebenamtliche Richterinnen und Richter am BStGer Dritte an keinem anderen Gericht vertreten dürfen. Die beiden RK sahen diese Regelung als zu streng an und wollten diese Regel nur noch für das Strafgericht selber anwenden. Damit erhofften sich die beiden Kommissionen auch, dass mehr Bewerbungen von Kandidierenden für nebenamtliche Gerichtsposten eingehen, die mit einer Einschränkung der bestehenden Regeln weiterhin als Anwältinnen oder Anwälte tätig sein könnten.
Der Bundesrat beantragte ohne inhaltliche Stellungnahme die Annahme der Motion und im Nationalrat wurde der Vorstoss denn auch stillschweigend angenommen.

Änderung der Unvereinbarkeitsbestimmungen am Bundesstrafgericht (Mo. 19.4377)

Das Differenzbereinigungsverfahren zum Voranschlag 2020 dauerte deutlich kürzer als in den Vorjahren: In nur zwei Sitzungen bereinigte das Parlament das Budget für das Jahr 2020. Dies war gemäss Hannes Germann (svp, SH) auch die Absicht der FK-SR, die möglichst viele Differenzen bereinigt habe, um «mit dem neu zusammengesetzten Rat [...] nicht, wie sonst üblich, bis in die Einigungskonferenz gehen [zu] müssen». Am 10. Dezember 2019 beriet der Ständerat die vom Nationalrat geschaffenen 24 Differenzen und folgte dabei stillschweigend den Anträgen seiner Kommission. Er stimmte der Erhöhung des Globalbudgets der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts im Voranschlagsjahr und den Finanzplanjahren, des Fedpol und des BWL sowie der Reduktion der Betriebsausgaben der Bundesasylzentren und der Sozialhilfe für Asylbewerbende und Flüchtlinge diskussionslos zu. Die Erhöhung des Budgets des Fedpol knüpfte er an eine Verstärkung der Bekämpfung der Pädokriminalität, die zwei zusätzlichen Kredite für das Bundesamt für Landwirtschaft machte er von der Bekämpfung der drohenden Unterfinanzierung des Aufbaus des Kompetenzzentrums Boden sowie als Finanzhilfen für das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) fest. Auch im Bereich der Bildung sprachen sich Kommission und Ständerat für den nationalrätlichen Vorschlag aus, der eine geringere Erhöhung vorsah als ihr eigener Vorschlag. Die Medien betonten in der Folge jedoch vor allem den Anstieg der Bildungsausgaben um CHF 101 Mio. gegenüber der Version des Bundesrates. Auch bei den Sollwerten und Planungsgrössen willigte der Ständerat grösstenteils ein, «wenn auch da und dort mit etwas Befremden oder Staunen», wie der Kommissionssprecher betonte. Man wolle deswegen nicht eine Einigungskonferenz riskieren und pflichte hier «aus verfahrensökonomischer Vernunft» bei, betonte der Kommissionssprecher.
Damit blieben zwei Differenzen zum Nationalrat übrig: Einerseits bestand die kleine Kammer auf der Erhöhung der finanziellen Unterstützung von Selbsthilfeprojekten für das Jahr 2020 und für die Finanzplanjahre, andererseits reduzierte sie die Finanzierung für die Institutionen der Forschungsförderung um CHF 1.1 Mio., da diese im Konzept des Nationalrats aufgrund der zwei angenommenen Minderheiten doppelt enthalten seien. Der Ständerat beharrte zudem auf der Forderung, die Aufstockung des entsprechenden Budgets um CHF 15 Mio. dem SNF zukommen zu lassen. Als Kompromiss schlug er aber vor, die vom Nationalrat beschlossene Förderung der Akademien der Wissenschaften Schweiz in der Höhe von CHF 1.1 Mio. ebenfalls in den Rahmenbedingungen der Kreditvergabe festzuschreiben.
Stillschweigend stimmte der Nationalrat der Version des Ständerates in diesen Fragen zwei Tage später zu und bereinigte damit den Voranschlag 2020. Dieser budgetiert nun bei Einnahmen von CHF 75.666 Mrd. und Ausgaben von CHF 75.323 Mrd. einen Überschuss von CHF 344 Mio. anstelle des vom Bundesrat geplanten Überschusses von CHF 435 Mio.

Voranschlag 2020 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2021-2023 (BRG 19.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2020: Voranschlag und Staatsrechnung

Der Ständerat befasste sich in der Wintersession 2019 als Erstrat mit dem Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus mit dem dazugehörigen Zusatzprotokoll sowie über die Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität. Das Übereinkommen verbietet einerseits Dschihad-Reisen sowie die Rekrutierung und Ausbildung von Terroristinnen und Terroristen und strebt andererseits Verbesserungen in der internationalen Zusammenarbeit in den Bereichen Rechtshilfe und Auslieferung an. Die Umsetzung dieser Bestimmungen macht eine Anpassung des schweizerischen Strafrechts und weiterer Gesetze notwendig. Die Kantonskammer trat oppositionslos auf das Geschäft ein, gab sodann aber mit 33 zu 12 Stimmen einem Einzelantrag Rieder (cvp, VS) auf Rückweisung des Geschäfts an die Kommission statt. Damit wurde die SiK-SR beauftragt, das Geschäft unter Einbezug eines Mitberichts der RK-SR erneut zu beraten. Da das Geschäft mit dem Ziel der Terrorismusbekämpfung zwar unbestritten die Sicherheitspolitik, mit der Umsetzung im Strafrecht aber auch die traditionelle Domäne der Rechtskommission betreffe, handle es sich um eine «Schnittstellenproblematik» zwischen den beiden Kommissionen, waren sich sowohl SiK-Berichterstatter Daniel Jositsch (sp, ZH) als auch Antragssteller und RK-Mitglied Rieder einig. Die ständerätliche Rechtskommission solle die strafrechtlichen Massnahmen unter dem Aspekt des Rechtsschutzes, u.a. des Grundrechts- und des Menschenrechtsschutzes, der Bürgerinnen und Bürger beurteilen, und so das Gesamtbild der Vorlage ergänzen. Stein des Anstosses war die Kritik des Anwaltsverbands gewesen, dass mit der angedachten Dynamisierung der Rechtshilfe die Staatsanwältinnen und -anwälte künftig vorzeitig und ohne richterliche Überprüfung Informationen an ausländische Ermittlungsbehörden weitergeben dürften, und zwar nicht nur bei Terrorismus, sondern auch bei anderen Straftaten, die Rechtshilfe erlauben.

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

In der Wintersession 2019 gab der Nationalrat zwei parlamentarischen Initiativen zu einer wesentlichen Erhöhung der Strafrahmen keine Folge. Während Luzi Stamm (svp, AG) mit seiner Initiative (Pa.Iv. 18.435) die Maximaldauer der Freiheitsstrafe von 20 auf 60 Jahre verdreifachen wollte, forderte Andreas Glarner (svp, AG; Pa.Iv. 18.433), dass im Falle einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe eine bedingte Entlassung frühestens nach 30 verbüssten Jahren erfolgen könnte. Der Rat schloss sich mit der Ablehnung der beiden Initiativen dem Urteil seiner Kommissionsmehrheit (RK-NR) an, die es als nicht angebracht erachtet hatte, die Strafrahmen ohne Rücksicht auf das laufende Revisionsprojekt zur Strafrahmenharmonisierung anzupassen. Ausserdem hatte sie den Bericht des Bundesrates in Erfüllung der Postulate 18.3530 und 18.3531 zum Reformbedarf bei lebenslänglichen Freiheitsstrafen abwarten wollen, um den Handlungsbedarf nachfolgend in einem grösseren Kontext beurteilen zu können.

Strafrahmen wesentlich erhöhen (Pa.Iv. 18.433 und 18.435)

Nur einen Tag später ging die Debatte um den Voranschlag 2020 im Nationalrat weiter. Auch dieses Jahr drehte sich die Eintretensdebatte vor allem um die Frage, wie gut die wirtschaftliche Lage des Bundes wirklich sei und wie grosszügig das Parlament folglich mit dessen finanziellen Ressourcen umgehen könne. Eintreten war nicht umstritten, ganz im Gegensatz zur Detailberatung: Neben den Mehrheitsanträgen standen zahlreiche Minderheitsanträge der SP- und der SVP-Fraktion auf dem Programm. Doch obwohl der Nationalrat den Voranschlag während über 9 Stunden diskutierte, schuf er – verglichen mit der Anzahl Minderheitsanträge – nur wenige Differenzen zum Ständerat.
Die meisten dieser Differenzen waren im Nationalrat unumstritten, etwa die Erhöhung des Globalbudgets der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts um CHF 709’300 CHF. In verschiedenen Fällen verband die Kommission zudem Aufstockungen mit der Definition neuer Grenz- und Sollwerte oder der Neudefinitionen der Rahmenbedingungen der Kreditverwendung, Instrumenten des Neuen Führungsmodells des Bundes für die Bundesverwaltung. Mit diesen können Bedingungen zur Verwendung der Gelder mit Budgetpositionen verbunden werden. Die Aufstockung des Globalbudgets der Landwirtschaft um CHF 500'300 begründete der Nationalrat mit der drohenden Unterfinanzierung des Aufbaus des Kompetenzzentrums Boden und definierte dessen Finanzierung als Rahmenbedingung für den Kredit. Auch die Forschungsbeiträge für die Landwirtschaft erhöhte er zugunsten des Forschungsinstituts für biologischen Landbau um CHF 2.5 Mio. im Voranschlagsjahr sowie in den Finanzplanjahren. Gegen die Aufstockung der Direktzahlungen für die Landwirtschaft stellte sich eine Minderheit Schneider Schüttel (sp, FR), die diesbezüglich dem Ständerat folgen wollte, jedoch mit 63 zu 127 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) unterlag. Abgelehnt hatten die Änderung die einstimmig stimmenden SP- und GLP-Fraktionen sowie Minderheiten der FDP- und der Grünen-Fraktion. Auf Antrag Mattea Meyer (sp, ZH) stockte der Nationalrat mit 112 zu 81 Stimmen (bei 1 Enthaltung) auch das Globalbudget des Fedpol im Voranschlagsjahr sowie in den Finanzplanjahren um CHF 600'000 auf. Damit sollte eine Reduktion aus den Finanzplanjahren 2017 bis 2019 korrigiert werden, um damit eine Stellenaufstockung um vier Stellen zur Erfüllung der Zentralstellenaufgaben des Fedpol im Bereich Internetkriminalität, insbesondere der Pädokriminalität, zu ermöglichen. Die SVP- und die FDP-Fraktionen hatten sich dagegen gewehrt, weil diese Stellen intern über das Globalbudget finanziert werden sollten, wie Albert Vitali (fdp, LU) betonte.
Sparsamer als der Ständerat zeigte sich die grosse Kammer bezüglich der finanziellen Unterstützung von Selbsthilfeprojekten beim Bundesamt für Justiz: Hier sperrte sie sich stillschweigend gegen die vom Ständerat beschlossene Ausgabenerhöhung auf CHF 2 Mio. Ohne Minderheit akzeptiert wurden auch die Anträge zum SEM: Die Betriebsausgaben zu den Bundesasylzentren senkte der Rat nach Absprache der Kommission mit dem SEM um CHF 27 Mio. und die Beiträge für die Sozialhilfe Asylsuchender und vorläufig Aufgenommener reduzierte er aufgrund aktualisierter Zahlen um 12.8 Mio. Dies obwohl Finanzminister Maurer darauf hingewiesen hatte, dass man damit an den Leistungen des Bundes «überhaupt nichts» ändere, denn diese seien gesetzlich vorgegeben. Ein solcher Beschluss führe später aber allenfalls zu Nachtragskrediten, wenn sich die Flüchtlingssituation ändern sollte.
Umstritten waren auch im Nationalrat vor allem die Bildungsausgaben. Diesbezüglich lagen neben dem Mehrheitsantrag drei Minderheitsanträge vor. Die Mehrheit wollte in den meisten Bildungsfragen dem Bundesrat folgen und die Bildungsausgaben nicht um die ehemaligen Teuerungsbeiträge erhöhen. Einzig bezüglich der Berufsbildung befürwortete sie eine zusätzliche Erhöhung. Eine Minderheit I Schneider Schüttel forderte, dem Ständerat folgend, die im Rahmen der BFI-Botschaft 2017-2020 beschlossenen Beträge, eine Minderheit II Bourgeois (fdp, FR) bevorzugte hingegen mehrheitlich einen Mittelweg zwischen Ständerat und Bundesrat. Dieser basierte auf den Aufstockungen des Budgets im Bildungsbereich, welche das Parlament bereits 2019 vorgenommen hatte, abzüglich der Teuerungskorrektur nach Dittli (fdp, UR; Mo. 16.3705) um -0.1 Prozent. Mit 132 zu 60 Stimmen (bei 1 Enthaltung) und 139 zu 52 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) setzte sich die Minderheit II gegen die Minderheit I und die Mehrheit durch. Zudem sprach sich der Nationalrat beim Bildungsbudget zusätzlich für eine Minderheit III Schneider Schüttel aus, welche bei den Institutionen der Forschungsförderung eine zusätzliche Erhöhung um CHF 1.1 Mio. forderte, die zugunsten der Akademien der Wissenschaften Schweiz eingesetzt werden sollte.
Schliesslich nahm der Nationalrat verglichen mit dem Ständerat einige Änderungen bei den Sollwerten vor, insbesondere im Gesundheitsbereich. Der Messwert für den Anteil Rauchender in der Bevölkerung, gemäss dem nicht mehr als 25 Prozent der Bevölkerung rauchen sollen, wurde gestrichen, da dessen Messung gemäss Kommission keine Aufgabe des Staates sei. Dies obwohl Finanzminister Maurer vor der Streichung gewarnt und diese als falsches Signal bezeichnet hatte. Gesteigert werden sollte hingegen der Anteil Arztpraxen mit elektronischer Krankengeschichte der Patientinnen und Patienten. Heute liegt dieser bei 76 Prozent, im Jahr 2020 soll er bei 80 Prozent zu liegen kommen und für die Finanzplanjahre weiter gesteigert werden. Bei der Militärversicherung soll der Anteil der Verwaltungskosten an den Gesamtkosten von 10.7 Prozent auf 10 Prozent gesenkt werden. Diese Änderungen waren nicht umstritten, genauso wenig wie die Reduktion des Grenzwertes zum Auftreten von gentechnisch verändertem Raps entlang von Bahngeleisen (von 0.5 Prozent auf 0.25 Prozent aller untersuchten Proben). Schliesslich erhöhte der Nationalrat auch die Messgrösse bei den Besucherinnen und Besuchern der bundeseigenen Museen von 60'000 auf 65'000 Personen – obwohl dies gemäss Bundesrat Maurer «nicht mehr Leute in die Museen» locken werde.
Die übrigen Änderungen, meistens beantragt von Mitgliedern der SP- oder der SVP-Fraktion, lehnte die Ratsmehrheit jeweils deutlich ab. Verschiedene linke Minderheiten setzten sich für Budgeterhöhungen im Bereich des Umweltschutzes ein. So versuchte eine Minderheit Schneider Schüttel unter anderem die Überprüfung von Wirkstoffen zur Senkung des Risikos von Pflanzenschutzmitteln für aquatische Organismen für das Jahr 2020 von 20 auf 30 Wirkstoffe zu erhöhen sowie die dazu nötigen acht zusätzlichen Stellen bei vier verschiedenen Bundesämtern zu schaffen. Mit 105 zu 84 Stimmen (bei 1 Enthaltung) lehnte der Rat den Antrag gegen den Willen der SP-, GPS- und GLP-Fraktionen sowie der Mitglieder der EVP ab. Da sich der Überprüfungsrhythmus an jenen der EU anlehne, sei eine Aufstockung hier nicht angebracht, erklärte Alois Gmür (cvp, SZ) für die Kommission. Eine weitere Minderheit Schneider Schüttel wollte CHF 20 Mio. mehr für die Revitalisierung von Gewässern einsetzen, weil die Nachfrage nach Bundesmittel in diesem Bereich stark angestiegen sei und im kommenden Jahr zahlreiche Projekte realisiert werden sollten. Mit 96 zu 95 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) lehnte der Rat jedoch auch diesen Antrag ab, wobei Kommissionssprecher Gmür darauf hinwies, dass bei tatsächlichem Fehlen von Mitteln Nachtragskredite eingereicht werden könnten. Zudem setzte sich eine Minderheit Masshardt (sp, BE) für eine Verdoppelung des Betrags für den Technologietransfer beim Bundesamt für Energie von CHF 20 Mio. auf CHF 40 Mio. ein. Dieses Geld diene dazu, dass neue, noch nicht marktreife Technologien erprobt werden könnten. Eine Erhöhung sei nicht nötig, weil die Privatwirtschaft solche Ideen kostensparend entwickeln könne, argumentierte Sandra Sollberger (svp, BL) und begründete damit auch ihre Minderheit II Sollberger, die den Betrag auf CHF 10 Mio. reduzieren wollte. Mit 142 zu 52 Stimmen respektive 107 zu 86 Stimmen (bei 1 Enthaltung) setzte sich der Mehrheitsantrag gegen die Anträge der Minderheit II respektive der Minderheit I durch.
Doch nicht nur im Umweltbereich, auch zu anderen Themen reichte die SP-Fraktion erfolglos Vorstösse ein. So wollten linke Minderheiten etwa das Globalbudget des Eidgenössischen Büros für die Gleichstellung von Frau und Mann aufstocken, die Kulturabgeltung an die Stadt Bern in den Finanzplanjahren fortsetzen, dem BIT eine grössere Konstanz in der Personalentwicklung als neues Ziel vorschreiben sowie eine Aufstockung beim Eidgenössischen Personalamt vornehmen, das in der Folge Lehrstellen und Hochschulpraktika zur Integration von Menschen, die aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, anbieten soll.
Die SVP hingegen versuchte vor allem, dem Stellenzuwachs beim Bund – im Voranschlag 2020 beträgt dieser gemäss Franz Grüter (svp, LU) 267 zusätzliche Stellen – Einhalt zu gebieten. Dazu wollte Grüter allgemein die Ausgaben für den Personalaufwand im Voranschlag 2020 sowie in den Finanzplanjahren bei CHF 6 Mrd. plafonieren – zum ersten Mal überhaupt überstiegen die geplanten Ausgaben für das Personal die Grenze von CHF 6 Mrd. Mit 134 zu 51 Stimmen lehnte der Rat den Minderheitsantrag Grüter gegen den Willen der geschlossen stimmenden SVP ab. Zudem wollte eine weitere Minderheit Grüter den Betrag für die Lohnmassnahmen halbieren; 0.5 Prozent der Lohnsumme reichten für Lohnverhandlungen, erklärte der Minderheitensprecher. Mit 140 zu 52 Stimmen lehnte der Rat auch diesen Antrag ab. Auch die weiteren Minderheitsanträge, die vorsahen, die Ausgaben des Büros für Konsumentenfragen auf dem Stand der Rechnung von 2018 zu plafonieren, auf die Budgeterhöhung der Parlamentsdienste zur Schaffung von drei neuen Vollzeitstellen sowie auf Erhöhungen in den Personalbereichen des EDA, des BAG und des BFS zu verzichten, lehnte der Nationalrat ab.
Zu reden gaben schliesslich auch die Bereiche Entwicklungszusammenarbeit und Sicherheit. Während eine Minderheit I Keller (svp, NW) die Ausgaben für multilaterale Entwicklungszusammenarbeit deutlich kürzen wollte, schlug eine Minderheit II Gysi (sp, SG) in diesem Bereich eine Erhöhung des Budgets vor, um erneut auf die in der Botschaft 2017-2020 vereinbarten Ausgaben zu kommen und um im Jahr 2023 eine APD-Quote von 0.5 Prozent des Bruttonationaleinkommens zu erreichen. Finanzminister Maurer wehrte sich gegen eine weitere Kürzung in diesem Bereich – die Schweiz habe hier in den letzten Jahren die grössten Kürzungen vorgenommen, obwohl sie weiterhin ihren Verpflichtungen nachkommen müsse, erklärte er. Kommissionssprecher Gmür betonte hingegen, dass es sich bei der APD-Quote weder um ein finanzpolitisches Steuerungsinstrument, noch um einen Zielwert handle, sondern um einen Richtwert. Mit 140 zu 51 Stimmen und 106 zu 84 Stimmen (1 Enthaltung) sprach sich die grosse Kammer für den Mittelweg, den Mehrheitsantrag, aus und beliess die entsprechenden Ausgaben auf ihrer ursprünglichen Höhe.
Mit 135 zu 54 Stimmen nahm der Nationalrat schliesslich den Bundesbeschluss Ia über den Voranschlag für das Jahr 2020, der verglichen mit dem bundesrätlichen Budgetvorschlag Mehrausgaben von CHF 245 Mio. mit sich bringe, wie die beiden Kommissionssprecher Gmür und Nicolet (svp, VD) erklärten, in der Gesamtabstimmung an. Abgelehnt wurde er einstimmig von der SVP und von Stefania Prezioso Batou (gps, GE). Kaum bis gar nicht umstritten waren der Bundesbeschluss Ib über die Planungsgrössen im Voranschlag für das Jahr 2020, der Bundesbeschluss II über den Finanzplan für die Jahre 2021-2023, der Bundesbeschluss III über die Entnahmen aus dem Bahninfrastrukturfonds für das Jahr 2020 sowie der Bundesbeschluss IV über die Entnahmen aus dem Nationalstrassen- und Agglomerationsverkehrsfonds für das Jahr 2020.

Voranschlag 2020 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2021-2023 (BRG 19.041)
Dossier: Bundeshaushalt 2020: Voranschlag und Staatsrechnung

Im Oktober 2019 stimmte die RK-SR mit 8 zu 4 Stimmen bei einer Enthaltung der Initiative ihrer Schwesterkommission zu, einen Straftatbestand «Stalking» zu kodifizieren. Sie teilte die Einschätzung ihrer Schwesterkommission, dass die explizite Verankerung der bundesgerichtlichen Rechtssprechung im Strafrecht von Vorteil sei und erhoffte sich die Schliessung allfälliger Strafbarkeitslücken.

StGB-Tatbestände mit Stalking ergänzen (Pa.Iv. 19.433)
Dossier: Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer

Die Rechtskommissionen beider Räte gaben in der zweiten Jahreshälfte 2019 einer parlamentarischen Initiative Amherd (cvp, VS) Folge, um Cybergrooming, d.h. die sexuelle Belästigung von Minderjährigen im Internet, unter Strafe zu stellen. Die aktuelle Rechtslage sei nicht ausreichend, um das Grooming effektiv zu bekämpfen, konstatierte die Initiantin. Sie liess jedoch offen, ob ein spezifischer Tatbestand für Cybergrooming geschaffen oder bestehende Tatbestände ergänzt werden sollten. In jedem Fall forderte sie die Ausgestaltung des Tatbestands als Offizialdelikt, um die Minderjährigen bestmöglich zu schützen.

Cybergrooming mit Minderjährigen endlich unter Strafe stellen (Pa.Iv. 18.434)

Ende Oktober 2019 nahm der Bundesrat die Empfehlungen der GPK-SR zu administrativen Anpassungen bei der DNA-Analyse in Strafverfahren zur Kenntnis. Anstrengungen zur Harmonisierung der kantonalen Praxis, so die erste der vier Empfehlungen, erachtete der Bundesrat als nicht mehr notwendig, da mit der Anpassung der Strafprozessordnung auch die Rahmenbedingungen für die Anwendung von DNA-Analysen präzisiert würden. Die zweite Empfehlung, die periodische Überprüfung und allfällige Neuausschreibung des Auftrags an die Koordinationsstelle, die die DNA-Datenbank betreibt, wurde vom Bundesrat unterstützt. Er wollte die Periodizität und die Beurteilungskriterien neu ausdrücklich regeln. Auch bezüglich der dritten Empfehlung, der Sicherstellung der Unabhängigkeit der Koordinationsstelle sowie der unabhängigen Interessenvertretung der DNA-Analyselabore gegenüber dem Bund, erkannte die Regierung Handlungsbedarf. Schliesslich erklärte sich der Bundesrat bereit, der vierten Empfehlung insofern nachzukommen, als er den Umfang der vom Fedpol an die Schweizerische Akkreditierungsstelle (SAS) delegierten Aufsichtsaufgaben überprüfen wolle. Er beauftragte das EJPD, bis Ende 2020 einen Entwurf für eine Anpassung der DNA-Profil-Verordnung zur Umsetzung der Empfehlungen zwei bis vier vorzulegen.

DNA-Analysen in Strafverfahren: Administrative Anpassungen (Bericht der GPK-SR)

Ein Element im Rahmen der Strafuntersuchung im Zusammenhang mit der Fédération Internationale de Football Association (Fifa) war das in den Medien so bezeichnete «Sommermärchen-Verfahren» (Tages-Anzeiger), in welchem die Vergabe der Weltmeisterschaft 2006 an Deutschland untersucht und die Spitze des Deutschen Fussballbundes angeklagt werden sollte. Dieses drohe aufgrund des schleppenden Tempos der Bundesanwaltshaft zu verjähren, da die Verjährungsfrist 15 Jahre betrage. Die strittige Zahlung, die im Mittelpunkt dieser Untersuchung stand – dem Fifa-Funktionär Mohamed bin Hammam sollen CHF 10 Mio. überwiesen worden sein, um ihn günstig zu stimmen –, soll Ende April 2005 gemacht worden sein. Den in diesem Zusammenhang stehenden, international hohe Wellen werfenden Untersuchungen gegen Sepp Blatter, Franz Beckenbauer, die beiden Ex-Präsidenten des deutschen Fussballbundes, Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach, sowie gegen den Generalsekretär des Deutschen Fussballbundes Horst Schmidt und den Schweizer Ex-Fifa-Generalsekretär Urs Linsi drohten zudem Verzögerungen, weil aufgrund der Treffen Laubers mit Infantino tatsächlich ein Ausstandsbegehren, also ein Verdacht auf Befangenheit, beim Bundesstrafgericht eingereicht worden war.
Darüber hinaus reichte Zwanziger bei der Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige gegen Infantino wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung ein. Und auch Blatter gab bekannt, rechtliche Schritte gegen seinen Nachfolger unternehmen zu wollen.

Öl ins Feuer – so die NZZ – goss dann auch noch der ehemalige Präsident der Uefa, Michel Platini. Er kolportierte via französische Medien, dass die Schweizer Bundesanwaltschaft just in dem Moment ein Strafverfahren gegen Josef Blatter und ihn eingeleitet habe – Platini stand unter Verdacht, von Blatter ein Honorar von CHF 2 Mio. erhalten zu haben –, als Platini sich für die Präsidentschaft der Fifa beworben habe. Zwei Monate vor der Eröffnung dieses Verfahrens habe ein Treffen zwischen Bundesanwalt Lauber und Infantino stattgefunden – Infantino wurde später zum Fifa-Präsidenten gewählt. In der Fachwelt wurde spekuliert, wie die Bundesanwaltschaft von der Millionen-Zahlung, die Grundlage für die Einleitung des Strafverfahrens gewesen war, Kenntnis haben konnte. Freilich räumte Platini ein, dass er keine Beweise habe.

Mitte Juni 2019 kam es dann zu «Laubers Waterloo», wie die Aargauer Zeitung titelte: Das Bundesstrafgericht erklärte den Bundesanwalt rückwirkend auf 2016 für befangen im Fifa-Fall. Lauber habe Verfahrensregeln verletzt und sich aktiv in laufende Verfahren eingemischt, wobei der Zweck sowie Inhalt der Treffen zwischen Lauber und Infantino nicht klar seien. Das Gebot der Gleichbehandlung aller Verfahrensbeteiligten sei missachtet worden. Wenn solche Treffen, wie Lauber stets beteuert habe, einer effizienten Beweissicherung und Sachverhaltsabklärung dienen würden, dann müssten sich diese auch in konkreten Verfahren niederschlagen, was bisher nicht der Fall sei, so das Gericht in seiner Begründung. Da das Urteil rechtskräftig war, musste Lauber beim Fifa-Dossier ab sofort in den Ausstand treten. Die Leitung des Verfahrens-Komplexes werde vom stellvertretenden Bundesanwalt Jacques Rayroud übernommen, der kurz zuvor vom Parlament in seinem Amt bestätigt worden war. Ob und wie sich diese «Schlappe» und dieses «Fiasko» (St. Galler Tagblatt) für den Bundesanwalt hinsichtlich seiner auf den Herbst verschobenen Wiederwahl auswirken würde, wurde zur zentralen Frage in den Medien. Die Stimmen, die seiner Bestätigung skeptisch gegenüberstünden, würden sich mit dem Befangenheitsurteil wohl noch mehren, urteilte die NZZ.

Doch die Geschichte war damit für Lauber noch nicht zu Ende. Er wehrte sich gegen den Entscheid des Bundesstrafgerichts, indem er einem der drei urteilenden Bundesrichter selber Befangenheit vorwarf. Lauber erkläre den Krieg, titelte Le Temps. Auf das mit dem Vorwurf verknüpfte Revisionsgesuch ging dann die Berufungskammer des Bundesstrafgerichts allerdings nicht ein – Befangenheitsentscheide seien keine revisionsfähigen Urteile, so die gerichtliche Begründung –, so dass der «Befreiungsschlag» zum «Rohrkrepierer» geworden sei, wie die Basler Zeitung Mitte Juli kommentierte.

Anfang August kam es dann zu ersten Anklagen gegen Spitzenfunktionäre aus dem Sommermärchen-Fall. Angeklagt wurden Zwanziger, Niersbach, Schmidt und Linsi. Ebenfalls angeklagt worden wäre Franz Beckenbauer. Da dieser aber aus gesundheitlichen Gründen nicht vernehmungsfähig war, wurde das Verfahren gegen ihn abgetrennt. Auch das Strafverfahren gegen Blatter wegen mutmasslicher ungetreuer Geschäftsbesorgung lief parallel weiter. Im Blick wurde gemutmasst, dass Lauber mit den Anklagen den «Befreiungsschlag» versuche, um seine «Karten auf eine Wiederwahl im September zu verbessern». Weil die Wiederwahl schliesslich Ende September gelang, wurde es in den Medien um die Fifa-Affäre bis Ende Jahr wieder still.

Der «Fifa-Fall» 2018 bis 2020
Dossier: Michael Lauber - Bundesanwalt

Die in der Strafprozessordnung festgehaltenen Voraussetzungen für die Orientierung der Öffentlichkeit über ein hängiges Strafverfahren sollen gelockert werden, befand der Ständerat in der Herbstsession 2019. Mit 22 zu 15 Stimmen hiess er eine entsprechende Motion Abate (fdp, TI) gut. Der Motionär argumentierte, die Norm könne ihr Ziel, nämlich den Persönlichkeitsschutz von Personen, die in ein Strafverfahren involviert sind, in der heutigen Zeit nicht mehr erfüllen, da beispielsweise die Namen von betroffenen Personen über ausländische Medien oder Social Media ohnehin bekannt würden. Der Bundesrat hatte die Ablehnung der Motion beantragt, da kein Handlungsbedarf bestehe und der Schutz der Persönlichkeitsrechte eben gerade aufgrund der leichten Verbreitung von Informationen über Social Media ein besonderes Bedürfnis sei.

Lockerung der Voraussetzungen für die Orientierung der Öffentlichkeit im Strafprozess (Mo. 19.3739)