Im Herbst 2012 legte der Bundesrat seine Botschaft zur 2009 lancierten und im Mai 2011 zustande gekommenen Volksinitiative „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“ vor. Die Initiative von Marche Blanche verlangt, dass Personen, die verurteilt wurden, weil sie die sexuelle Unversehrtheit eines Kindes oder einer abhängigen Person beeinträchtigt haben, automatisch und endgültig das Recht verlieren, eine berufliche oder ehrenamtliche Tätigkeit mit Minderjährigen oder Abhängigen auszuüben. Da die Initiative über Straftaten gegen Leib und Leben sowie über die genaue Umsetzung schweigt, sah sie der Bundesrat als unvollständig an. Weiter verstosse die Initiative mit dem vorgesehenen Automatismus gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit, weshalb die Exekutive die Volksinitiative zur Ablehnung empfahl.
Das Parlament war sich bis zum Schluss nicht einig: Der Nationalrat lehnte den die Initiative ablehnenden Bundesbeschluss zuerst mit 82 zu 79 Stimmen knapp ab und empfahl damit das Volksbegehren zur Annahme. Einen von seiner Rechtskommission ausgearbeiteten, vom Automatismus absehenden, direkten Gegenentwurf verwarf der Rat in der Gesamtabstimmung mit 87 bürgerlichen zu 60 linken Stimmen. Der Ständerat seinerseits wies den Bundebeschluss mit 23 zu 21 Stimmen an seine Rechtskommission zurück, mit dem Auftrag, aus abstimmungstaktischen Gründen einen direkten, umsetzbaren Gegenvorschlag auszuarbeiten. Nach Vorliegen und Annahme dieses Gegenvorschlags mit 27 zu 14 Stimmen, der im Wesentlichen die Kernelemente des entworfenen Bundesgesetzes über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot auf die Verfassungsstufe hob, beschloss der Ständerat dann im September in Übereinstimmung mit dem Bundesrat, die Volksinitiative zur Ablehnung zu empfehlen. Der Nationalrat trat aus unterschiedlichen Motiven mit 119 zu 62 Stimmen nicht auf den direkten Gegenvorschlag der ständerätlichen Kommission ein. Gleichzeitig revidierte er seinen knappen Entschluss bezüglich des Bundesbeschlusses über die Volksinitiative: Mit dem Stichentscheid der Präsidentin empfahl er nun mit der Zustimmung zum Bundesbeschluss, die Volksinitiative abzulehnen. Darauf lenkte die kleine Kammer ein, liess den direkten Gegenvorschlag fallen und beschloss mit 21 zu 14 Stimmen, die Volksinitiative ohne Gegenvorschlag dem Volk vorzulegen und zur Ablehnung zu empfehlen. Während der Ständerat diesen Entscheid in der Schlussabstimmung konsequenterweise bestätigte, vollzog der Nationalrat in der Schlussabstimmung nochmals eine Kehrtwende und lehnte den Bundesbeschluss über die Volksinitiative ab. So wird die Initiative am 18. Mai 2014 den Stimmbürgern ohne Abstimmungsempfehlung der Bundesversammlung unterbreitet werden.
Volksinitiative „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“ (12.076)
Dossier: Pädophilen-Initiative