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  • Minder, Thomas (parteilos/indépendant, SH) SR/CE
  • Jositsch, Daniel (sp/ps, ZH) SR/CE

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Der Ständerat befasste sich in der Wintersession 2019 als Erstrat mit dem Bundesbeschluss über die Genehmigung und die Umsetzung des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung des Terrorismus mit dem dazugehörigen Zusatzprotokoll sowie über die Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität. Das Übereinkommen verbietet einerseits Dschihad-Reisen sowie die Rekrutierung und Ausbildung von Terroristinnen und Terroristen und strebt andererseits Verbesserungen in der internationalen Zusammenarbeit in den Bereichen Rechtshilfe und Auslieferung an. Die Umsetzung dieser Bestimmungen macht eine Anpassung des schweizerischen Strafrechts und weiterer Gesetze notwendig. Die Kantonskammer trat oppositionslos auf das Geschäft ein, gab sodann aber mit 33 zu 12 Stimmen einem Einzelantrag Rieder (cvp, VS) auf Rückweisung des Geschäfts an die Kommission statt. Damit wurde die SiK-SR beauftragt, das Geschäft unter Einbezug eines Mitberichts der RK-SR erneut zu beraten. Da das Geschäft mit dem Ziel der Terrorismusbekämpfung zwar unbestritten die Sicherheitspolitik, mit der Umsetzung im Strafrecht aber auch die traditionelle Domäne der Rechtskommission betreffe, handle es sich um eine «Schnittstellenproblematik» zwischen den beiden Kommissionen, waren sich sowohl SiK-Berichterstatter Daniel Jositsch (sp, ZH) als auch Antragssteller und RK-Mitglied Rieder einig. Die ständerätliche Rechtskommission solle die strafrechtlichen Massnahmen unter dem Aspekt des Rechtsschutzes, u.a. des Grundrechts- und des Menschenrechtsschutzes, der Bürgerinnen und Bürger beurteilen, und so das Gesamtbild der Vorlage ergänzen. Stein des Anstosses war die Kritik des Anwaltsverbands gewesen, dass mit der angedachten Dynamisierung der Rechtshilfe die Staatsanwältinnen und -anwälte künftig vorzeitig und ohne richterliche Überprüfung Informationen an ausländische Ermittlungsbehörden weitergeben dürften, und zwar nicht nur bei Terrorismus, sondern auch bei anderen Straftaten, die Rechtshilfe erlauben.

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

Gleichzeitig mit den Standesinitiativen 14.301 und 14.311 verlängerte der Ständerat in der Sommersession 2019 stillschweigend die Behandlungsfrist für die parlamentarische Initiative Jositsch (sp, ZH) für Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern unter 16 Jahren. Die geforderten Anpassungen am Besonderen Teil des Strafgesetzbuches sollen im Rahmen der hängigen Vorlage zur Strafrahmenharmonisierung geprüft werden.

Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern unter 16 Jahren (Pa.Iv. 16.408)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Nachdem die RK-SR Vertretungen der Kantone, der Strafverfolgungsbehörden, der Richterinnen und Richter, der Anwältinnen und Anwälte, der Polizeibeamtenschaft sowie Strafrechtsexpertinnen und -experten zum StGB-Revisionsprojekt «Harmonisierung der Strafrahmen» angehört hatte, befürwortete sie grundsätzlich den Handlungsbedarf. Aufgrund der in den Anhörungen verbreitet geäusserten Kritik entschied sich die Kommission jedoch dafür, die Vorberatung der Vorlage zunächst einer Subkommission anzuvertrauen. Diese soll sich insbesondere auch mit den zahlreichen hängigen parlamentarischen Initiativen und Vorstössen zum Umgang mit Delikten gegen die sexuelle Integrität sowie zur Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte beschäftigen, deren Umsetzung die Kommission in die Harmonisierung der Strafrahmen integrieren möchte. Wie die NZZ berichtete, gehörten dieser Subkommission die drei Juristen Daniel Jositsch (sp, ZH), Andrea Caroni (fdp, AR) und Beat Rieder (cvp, VS) an. Sie müssten die Vorlage neu aufgleisen, denn in den Anhörungen der Kommission habe sich gezeigt, dass der vorliegende Entwurf ein «Rohrkrepierer» sei. Die Hauptkritikpunkte waren gemäss der NZZ, dass die Erhöhung der Mindeststrafen erstens nicht die besonders brutalen oder rücksichtslosen Täterinnen und Täter treffe, die in der Öffentlichkeit für Empörung sorgten, sondern jene, deren Verschulden am geringsten sei. Zweitens führe die Erhöhung der Mindeststrafen zu ungerechten Ergebnissen, da der richterliche Handlungsspielraum bei besonders leichten Fällen eingeschränkt werde. Drittens hänge die Glaubwürdigkeit der Justiz weniger von der Höhe der Mindeststrafen als vielmehr vom Prozessrecht ab, das festlege, wie schnell auf eine Tat reagiert und die Täterschaft zur Rechenschaft gezogen werden könne. Schliesslich sei die Revision nicht kohärent, da die Kriterien, nach denen die Mindeststrafen der einzelnen Delikte neu definiert würden, nicht ersichtlich seien.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Indem eine Landesverweisung in jedem Fall von einem Strafgericht ausgesprochen werden müsse, bei der Anwendung der Härtefallklausel jedoch teilweise das Strafbefehlsverfahren angewandt werde, böten die Bestimmungen über die strafrechtliche Landesverweisung einen verfahrensökonomischen Anreiz, die Härtefallklausel anzuwenden und auf einen Landesverweis zu verzichten. So begründete Ständerat Philipp Müller (fdp, AG) seine Motion, mit der er den Bundesrat beauftragen wollte, die entsprechenden Bestimmungen anzupassen, um den konsequenten Vollzug von Landesverweisungen sicherzustellen. Der Bundesrat begrüsste die offene Formulierung des Vorstosses und erklärte sich bereit, künftig als sich notwendig erweisende Anpassungen vorzunehmen, sollte sich abzeichnen, dass der Wille des Gesetzgebers in der Praxis nicht umgesetzt werde. Der Ständerat lehnte in der Herbstsession 2018 zuerst einen Ordnungsantrag Jositsch (sp, ZH) ab, der die Motion der Kommission zur Vorberatung zuweisen wollte, damit diese die Forderung im Zusammenhang mit der Revision der Strafprozessordnung beraten könnte. Die Ratsmehrheit sah eine solche Vorgehensweise nicht als zweckmässig an und wollte sich direkt zum Anliegen der Motion äussern, die schliesslich oppositionslos angenommen wurde.

Mo. Müller: Konsequenter Vollzug von Landesverweisungen

In der Herbstsession 2017 beriet der Ständerat als Erstrat die Umsetzung der Pädophilen-Initiative. Schon in der Eintretensdebatte wurde verschiedentlich betont, wie schwierig es sei, den Artikel 123c BV umzusetzen. Ständerat Jositsch (sp, ZH) sprach gar von der „Quadratur des Kreises“ und beantragte Nichteintreten. Mit einer Umsetzung „light“, also dem Versuch, den Konflikt mit den rechtsstaatlichen Prinzipien und den Grundrechten so klein wie möglich zu halten, sende man ein gefährliches Signal an die Stimmbevölkerung: Man könne jede Initiative, so radikal ihre Forderung auch sei, bedenkenlos annehmen, um damit ein Zeichen zu setzen – das Parlament würde das mit der Umsetzung dann schon regeln. Um diesem Argument Nachdruck zu verleihen, nannte er das Beispiel der Volksinitiative zur Wiedereinführung der Todesstrafe: „Wenn irgendwelche grauenhaften Taten passieren, werden die Leute bei einer solchen Initiative Ja stimmen, weil sie sagen, man werde ja nicht gerade eine Guillotine auf dem Bundesplatz aufstellen, nur weil sie der Initiative zugestimmt hätten [...].“ Dieser Entwicklung müsse Einhalt geboten werden. Die Pädophilen-Initiative könne nicht umgesetzt werden, ohne höherrangiges Recht zu verletzen, weshalb man auf die Umsetzung besser ganz verzichten und nicht auf die Vorlage eintreten solle. Auch Andrea Caroni (fdp, AR) zeigte Verständnis für das Dilemma seines Kollegen und legte dar, dass es unmöglich sei, die Initiative wortgetreu umzusetzen und dabei die Verhältnismässigkeit zu wahren – genauso unmöglich sei es aber, die Initiative „light“ umzusetzen und dabei die Glaubwürdigkeit vor der Stimmbevölkerung zu wahren. Dennoch sei es Aufgabe des Parlamentes, den Verfassungsartikel auf generell-abstrakte Weise zu konkretisieren und offenstehende Fragen zu beantworten. Es sei staatspolitisch nicht vertretbar, diese „heisse Kartoffel“ einfach an die Gerichte weiterzureichen. Den besten Ausweg sah Caroni darin, den Verfassungsartikel mit einem „Minimum an Verhältnismässigkeit“ umzusetzen. Von der Debatte um die Verhältnismässigkeit nichts wissen wollte hingegen SVP-Fraktionsangehöriger Thomas Minder (parteilos, SH). „Man könnte meinen, die Verhältnismässigkeit [...] stehe über allen anderen Normen der Verfassung“, kritisierte er und fügte an, indem das Volk die Pädophilen-Initiative angenommen habe, habe es den entsprechenden Verfassungsartikel eben als verhältnismässig beurteilt. Einige Parlamentarier schöben das Verhältnismässigkeitsprinzip vor, um „politisch Unliebsames zu bekämpfen“, wodurch die Verhältnismässigkeit ad absurdum geführt werde. Bundesrätin Simonetta Sommaruga hielt dem entgegen, dass die Verhältnismässigkeit gemäss Artikel 5 BV ein Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns sei, der bei jedem staatlichen Handeln beachtet werden müsse und dem daher zu Recht eine gewisse Priorität eingeräumt werde. Mit 35 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung trat die Ständekammer schliesslich auf die Vorlage ein.

Die anschliessende Detailberatung verlief im Allgemeinen weniger kontrovers als es die mit Leidenschaft geführte Eintretensdebatte hätte vermuten lassen. Auf keinen Widerstand stiessen so etwa die Anträge der vorberatenden RK-SR, einerseits Antragsdelikte und Übertretungen – es handelt sich im konkreten Fall um Exhibitionismus, sexuelle Belästigung und Pornografie zum Eigenkonsum – aus der Liste der Anlasstaten für ein zwingendes lebenslanges Tätigkeitsverbot zu streichen, und andererseits nur zwischen zwei anstatt drei Typen von Tätigkeitsverboten zu unterscheiden. Erstens solle ein lebenslanges Tätigkeitsverbot stets von Amtes wegen und nicht auf Antrag verhängt werden und zweitens sei es nicht notwendig, für den direkten Kontakt mit Patienten im Gesundheitsbereich und den sonstigen Kontakt mit besonders schutzbedürftigen Erwachsenen verschiedene Tätigkeitsverbote vorzusehen, da sich diese Bereiche ohnehin oft überschnitten. Es soll hingegen je ein separates Tätigkeitsverbot für den Kontakt mit Minderjährigen und mit Erwachsenen geben, abhängig davon, ob die Anlasstat an einer minderjährigen oder an einer volljährigen Person begangen worden ist. Ebenfalls unbestritten war das Einfügen einer expliziten Spezialausnahme für Fälle der einvernehmlichen Jugendliebe, um deutlich zu machen, dass in diesen Fällen von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes abgesehen werden muss.

Hauptstreitpunkte waren die Definition des Begriffs „Kinder“, der Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung, die Möglichkeit zur Überprüfung eines angeordneten Tätigkeitsverbotes sowie die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft. Bei der Definition des Begriffs „Kinder“ ging es um die Frage, ob alle an Minderjährigen begangenen Anlasstaten – so der Vorschlag des Bundesrates – oder nur solche, die an unter 16-Jährigen begangen worden sind – wie von der Kommission beantragt –, automatisch zu einem Tätigkeitsverbot führen sollen. Mit deutlicher Mehrheit (38 zu 4 Stimmen) setzte sich der Antrag der Kommission gegen jenen des Bundesrates durch, weil dieser der Verhältnismässigkeit eher Rechnung trage und die viel diskutierten Fälle von Jugendliebe von vornherein wenigstens teilweise entschärfe. Knapper fiel die Entscheidung in der Frage aus, wie weit der richterliche Ermessensspielraum bei der Anwendung der Ausnahmebestimmung sein soll. Während der Bundesrat Ausnahmen nur in „besonders leichten Fällen“ vorgesehen hatte und darin von der Kommissionsminderheit unterstützt wurde, wollte die Kommissionsmehrheit den Verzicht auf ein Tätigkeitsverbot bereits in „leichten Fällen“ ermöglichen. Nachdem Bundesrätin Sommaruga konstatiert hatte, die Differenz zwischen Mehrheits- und Minderheitsantrag sei „nicht wahnsinnig gross“, folgte der Ständerat mit 22 zu 19 Stimmen bei einer Enthaltung dem Antrag seiner Kommissionsminderheit.
Mit härteren Bandagen gekämpft wurde um die vom Bundesrat vorgesehene Möglichkeit, ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot unter bestimmten Bedingungen nach 10 Jahren zu überprüfen und gegebenenfalls aufzuheben. Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit entferne sich die Umsetzungsgesetzgebung damit zu weit vom Inhalt der Initiative. Die Verhältnismässigkeit werde durch die Ausnahmebestimmung sowie durch die Einschränkung der Anlasstaten ausreichend gewährleistet, erläuterte Kommissionssprecher Fabio Abate (fdp, TI) den Mehrheitsantrag, welcher keine Aufhebungsmöglichkeit für lebenslängliche Tätigkeitsverbote vorsah. Der Bundesrat und die Kommissionsminderheit argumentierten hingegen, das Tätigkeitsverbot sei nicht Teil der strafrechtlichen Sanktion, sondern eine zusätzliche Massnahme, um zukünftige Taten zu vermeiden – ähnlich der lebenslänglichen Verwahrung. Es sei daher auch hier geboten, die strafrechtliche Maxime zu befolgen, eine Massnahme nur so lange aufrechtzuerhalten, als sie zur Sicherstellung ihres Zweckes notwendig sei, weshalb es eine Überprüfungsmöglichkeit geben müsse. Die klare Mehrheit der Ständekammer liess sich von diesem Einwand jedoch nicht überzeugen und stimmte mit 28 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung für den Antrag der Kommissionsmehrheit.
Zum Schluss drehte sich die Diskussion um die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft im Strafbefehlsverfahren. Während unbestritten war, dass ein Tätigkeitsverbot nur durch ein Gericht ausgesprochen werden kann, blieb die Frage offen, ob der Verzicht auf die Verhängung eines Tätigkeitsverbotes ebenfalls nur in einem Gerichtsverfahren oder auch im Strafbefehlsverfahren durch die Staatsanwaltschaft erfolgen können soll. Die Kommissionmehrheit wollte in der Strafprozessordnung ausdrücklich festschreiben, dass die Härtefallklausel nur von einem Gericht angewandt werden kann – und bei dieser Gelegenheit dieselbe Regelung auch für die Härtefallklausel in der Umsetzungsgesetzgebung zur Ausschaffungsinitiative festmachen. Die Kommissionsminderheit kritisierte den fehlenden sachlichen Bezug und Bundesrätin Sommaruga wies darauf hin, dass Strafbefehle nur in einfachen und klaren Fällen erlassen werden dürfen – Voraussetzungen, die bei Fragen, ob auf die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes oder eines Landesverweises verzichtet werden kann, eher nicht gegeben seien. Falls die Staatsanwaltschaft doch in einem sehr klaren Fall, beispielsweise bei Jugendliebe, von der Verhängung eines Tätigkeitsverbotes absehe, sollte das hingegen unproblematisch sein. Im Gegenteil wäre eine Überweisung an ein Gericht in solchen Fällen unverhältnismässig aufwändig und kostspielig. Der Ständerat folgte sodann mit 23 zu 17 Stimmen bei zwei Enthaltungen der Minderheit und dem Bundesrat und verzichtete auf diese Anpassung der Strafprozessordnung.
In der Gesamtabstimmung nahm die kleine Kammer die Vorlage mit 26 zu 12 Stimmen bei vier Enthaltungen an. Die Gegenstimmen stammten hauptsächlich aus dem links-grünen Lager, aber auch von Vertretern der SVP-Fraktion.

Umsetzung der Pädophilen-Initiative (16.048)
Dossier: Pädophilen-Initiative

Den Antrag einer Minderheit der RK-NR – im Rahmen der Umsetzung einer parlamentarischen Initiative Lang (al, ZG) – Art. 293 StGB betreffend die Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen zu streichen, unterstützte im Nationalrat in der Frühjahrssession 2017 einzig die SP-Fraktion. Die SP-Vertreterinnen und -Vertreter hatten argumentiert, dass eine Streichung des Artikels die Medienfreiheit stärken würde. Alle anderen Fraktionen – und damit eine klare Ratsmehrheit – stellten sich hinter den Vorschlag der Kommissionsmehrheit, den Artikel bloss abzuändern und ihn EGMR-konform zu gestalten. Auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga sprach sich inzwischen für den Vorschlag der Kommissionsmehrheit aus, nachdem der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom September 2019 noch keine klare Position bezogen hatte. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage einstimmig bei einer Enthaltung an.
Kontroverser diskutiert wurde das Geschäft in der Sommersession im Ständerat. Ein Antrag der Minderheit um Ständerat Jositsch (sp, ZH) zur Streichung des Artikels blieb aber ebenso erfolglos (abgelehnt mit 29 zu 15 Stimmen) wie der Versuch vonseiten SVP und FDP, die Vorlage in der Gesamtabstimmung noch zu kippen (angenommen mit 32 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung).
In den Schlussabstimmungen verabschiedeten der Nationalrat einstimmig und der Ständerat mit 34 zu 7 Stimmen bei 3 Enthaltungen den angepassten Art. 293 StGB.

Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (Pa.Iv. 11.489)

Mittels parlamentarischer Initiative wollte Ständerat Daniel Jositsch (sp, ZH) Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern unter 16 Jahren einführen, um diese Straftaten härter zu bestrafen. Zusätzlich sollten die einschlägigen Strafdrohungen zwischen Taten gegenüber Jugendlichen unter 16 Jahren und Kindern unter 12 Jahren differenzieren. Die RK-SR gab der parlamentarischen Initiative im August 2016 mit 7 zu 5 Stimmen Folge. Die nationalrätliche Schwesterkommission tat es ihr im April 2017 gleich und hiess die Initiative mit 16 zu 6 Stimmen ebenfalls gut.

Mindeststrafen bei sexuellen Handlungen gegenüber Kindern unter 16 Jahren (Pa.Iv. 16.408)
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Die Einführung einer Kronzeugenregelung im Schweizer Strafrecht war das Ziel einer Motion Janiak (sp, BL), mit welcher sich der Ständerat im Dezember 2016 befasste. Janiak war mit dem Vorstoss dem von der Bundesanwaltschaft in ihrem Tätigkeitsbericht 2015 geäusserten Wunsch nachgekommen, der Gesetzgeber möge sich mit der Idee einer Kronzeugenregelung für die Schweiz auseinandersetzen. Das Schweizer Strafgesetzbuch kennt heute für den Straftatbestand der kriminellen Organisation die sogenannte kleine Kronzeugenregelung. Dies bedeutet, dass das Gericht Mitgliedern krimineller Organisationen für ihre Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden eine Strafmilderung nach freiem Ermessen zusprechen kann. Für Personen, die durch ihre Mitwirkung in einem Strafverfahren gefährdet sind, sind ausserdem Zeugenschutzprogramme im Sinne des Bundesgesetzes über den ausserprozessualen Zeugenschutz vorgesehen. Die bestehenden Instrumente der Strafverfolgung reichten nach Ansicht des Motionärs für die wirksame Bekämpfung von mafiösen und terroristischen Organisationen aber nicht aus, was sich zuletzt auch bei den Thurgauer Mafia-Fällen gezeigt habe. Darüber hinaus sei der Dienst ÜPF auch mit dem revidierten BÜPF nur sehr eingeschränkt in der Lage, die Kommunikation von kriminellen Organisationen zu überwachen, da sich diese verschlüsselter Kommunikationsmittel bedienten, die so sicher seien, dass selbst der Anbieter die übermittelten Informationen nicht entschlüsseln könne. Der Kronzeuge habe als Insider jedoch das notwendige Wissen, um solche intransparenten Strukturen aufzubrechen, und sei daher ein unabdingbares Mittel zur Bekämpfung krimineller und terroristischer Organisationen, argumentierte der Motionär. Sein Parteikollege Daniel Jositsch (sp, ZH) betonte hingegen die Fehleranfälligkeit von Kronzeugenaussagen und äusserte rechtsstaatliche Bedenken. In der offenen Formulierung der Motion – sie schlägt keine konkreten Massnahmen vor – sah die Ständekammer jedoch auch eine Chance, die Vorteile und Probleme einer solchen Regelung eingehend zu diskutieren. Aus diesem Grund nahm sie die Motion entgegen der bundesrätlichen Empfehlung mit 23 zu 11 Stimmen bei 4 Enthaltungen an.

Einführung einer Kronzeugenregelung (Mo. 16.3735 und 17.3264)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Nach dem Nationalrat nahm im Herbst 2016 auch der Ständerat eine Motion der RK-NR für einheitliche Bestimmungen zum Strafvollzug bei gefährlichen Tätern an. Die Minderheit der vorberatenden RK-SR, bestehend aus Daniel Jositsch (sp, ZH), Robert Cramer (gp, GE) und Thomas Minder (parteilos, SH) konnte – mit Hilfe eines flammenden Plädoyers von Karin Keller-Sutter (fdp, SG) – eine Ratsmehrheit von 28 zu 14 Stimmen davon überzeugen, dass mit der Überweisung dieses Vorstosses ein Beitrag an die öffentliche Sicherheit geleistet werden kann. Damit ist der Bund beauftragt, Kriterien und Mindeststandards für den Umgang mit gefährlichen Tätern festzulegen.

Einheitliche Bestimmungen zum Strafvollzug bei gefährlichen Tätern (Mo. 16.3002)
Dossier: Straf- und Massnahmenvollzug bei gefährlichen Tätern
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

Lors de la session de printemps 2016, une même initiative parlementaire a été présentée au Conseil national par la députée agrarienne Natalie Rickli (udc, ZH) et aux États par le sénateur socialiste Daniel Jositsch (ps, ZH). L'initiative exige des peines planchers pour des actes d'ordre sexuel avec des mineurs, qui seraient différenciées en fonction de l'âge de la victime. Ainsi, tout acte de contrainte sexuelle serait puni d'une peine privative de liberté d'une année minimum si la victime a moins de 16 ans, et de deux années si elle a moins de 12 ans. De même un viol serait selon la proposition des deux parlementaires puni par une privation de liberté d'au moins deux ans sur une victime de moins de 16 ans, et de trois si cette dernière est âgée de moins de 12 ans. A noter que le code pénal actuel ne prévoit pas de peine plancher, à moins que les actes se déroulent sous la contrainte d'une arme ou d'un objet dangereux, auquel cas les coupables se voient menacés d'une peine de 3 ans au minimum, indifféremment de l'âge de la victime.

peines planchers pour des actes d'ordre sexuel avec des mineurs

Le peuple s'est prononcé le 28 février 2016 sur l'initiative de mise en oeuvre. Le renvoi des étrangers criminels avait été accepté en votation populaire en 2010. En raison de contradictions avec les textes de loi internationaux, notamment les bilatérales et la convention européenne des droits de l'Homme, le parlement avait proposé une mise en oeuvre qui différait quelque peu du texte proposé par le parti agrarien. Celui-ci, fâché par le non-respect littéral du texte, a lancé l'initiative dite "de mise en oeuvre", qui proposait, en addition à la version de 2010, un catalogue d'effractions menant à l'automaticité du renvoi. Cette liste, qui va du meurtre au viol, en passant par le cambriolage ou la fraude aux assurances sociales, est en outre complétée par un certain nombre de délits mineurs (infractions au code de la route, lésions corporelles légères, par exemple) pouvant également conduire à l'expulsion en cas de récidive.
La campagne a été marquée par une mobilisation hors du commun, notamment du côté de la société civile. En décembre 2015, trois comités distincts se déclaraient pour le non: les partis bourgeois, secondés par les milieux économiques, une alliance des partis de gauche, du parti écologistes ainsi que des syndicats, ainsi qu'un groupe d'ONG. Les premiers sondages annonçaient un taux de 66% de oui. En décembre, 40 des 46 conseillers aux Etats ont lancé un appel contre l'initiative, les six non-signataires étant 5 conseillers UDC et l'indépendant Thomas Minder. Les milieux économiques, à l'exception de l'USAM se sont engagés pour le non, economiesuisse annonçant toutefois ne pas vouloir engager de moyens financiers dans la campagne. Au fur et à mesure que le jour de la votation approchait, de plus en plus de milieux ont pris position publiquement contre l'initiative: certains milieux religieux, un groupement de 180 professeur.e.s de droit, ainsi qu'un groupe de personnalités appelé "appel urgent contre l'initiative inhumaine de l'UDC". Les gouvernements cantonaux de Zurich, Soleure, Argovie, Bâle-ville et Berne ont également pris position contre l'initiative.
Les affiches de l'UDC reprenaient leur fameux mouton noir, chassé à coup de pied par un mouton blanc, sis sur une surface rouge à croix blanche. Il a d'ailleurs été reproché aux trois comités initiaux de s'être approprié les codes graphiques de l'union démocratique du centre, sur leurs affiches représentant une botte militaire écrasant le palais fédéral ou encore une boule de démolition tombant sur l'allégorie Helvetia. Ces affiches ont plus tard dans la campagne laissé la place à celle de l'appel urgent, mettant en scène un "non" géant en lettres noires, dans les trois langues.
Si l'UDC s'est retrouvée dans cette campagne seule contre tous, elle a dû également faire face à des dissidences au sein de ses propres rangs. En effet, le conseiller national zurichois Hans-Ueli Vogt a déclaré que l'initiative devait protéger les étranger.e.s issus de la deuxième génération de l'automaticité des renvois. Il a été soutenu par les sénateurs Roland Eberle, Alex Kuprecht et Hannes Germann, mais fortement critiqué par la direction du parti, notamment Christoph Blocher. Il faut d'ailleurs signaler qu'une augmentation importante des demandes de naturalisation a été observée durant la campagne.
La nature du débat sur la mise en oeuvre a quelque peu différé de celle de l'initiative de 2010, en centrant le débat sur les droits de l'Homme ainsi que le respect des valeurs suisses et de l'Etat de droit. La mobilisation de la société civile plus importante qu'en 2010 peut expliquer cet état de fait. L'UDC s'est quant à elle cantonnée à ses arguments phares, à savoir la sécurité nationale et la primauté du droit suisse sur le droit étranger. Le catalogue des délits proposé par l'union du centre a d'ailleurs été largement utilisé par les opposants à l'initiative, afin de démontrer le caractère de bagatelle de certains délits menant à une expulsion.
A l'issue de la campagne, le non l'a emporté dans les urnes à 58.9% contre 41.1% de oui. Seuls trois cantons et trois demi-cantons se sont prononcés en faveur de l'initiative, à savoir Uri, Schwyz, le Tessin, ainsi qu'Obwald, Nidwald et Appenzell Rhodes Intérieures.
L'analyse VOX de la votation met en lumière la plus importante participation depuis la question de l'entrée dans l'espace économique européen en 1992. Une forte mobilisation des milieux de gauche ainsi que des jeunes expliquent cette différence de participation par rapport aux autres votations.
Les choix de votes sont fortement influencés par les appartenances politiques, la grande majorité des votants ayant un parti préféré en ont suivi les mots d'ordre. Si le PLR et le PDC avaient en 2010 fortement plébiscité l'initiative de base, ils en ont très fortement rejeté la proposition de mise en oeuvre six ans après. Un net conflit entre ouverture et traditions marque les choix de vote, les partisans d'une Suisse ouverte sur le reste du monde ayant massivement rejeté l'initiative. De plus, le non augmente avec le niveau de formation des votants, mais pas en fonction de l'âge. Les arguments qui ont influencé le choix des votants sont, parmi les partisans du non, les mêmes que ceux présentés par les comités d'opposition: l'initiative a été jugée trop extrême et disproportionnée, les aspects juridiques de non-respect des Droits de l'Homme ainsi que le court-circuitage du système judiciaire classique ont fortement pesé dans la balance, de même que la menace que l'initiative faisait planer sur les étrangers bien intégrés et les secondos. Chez les personnes favorables à la mise en oeuvre selon la proposition de l'UDC, les arguments principaux étaient le renvoi conséquent des étrangers criminels ainsi que l'importance de l'ordre et de la sécurité.
L'analyse APS des encarts publicitaires publiés dans les journaux témoigne également de l'importance de la mobilisation pour deux des objets proposés en votation populaire le 28 février. En effet, plus de 400 encarts ont été publiés pour l'initiative de mise en oeuvre, 592 pour le tunnel du Gothard, contre 114 pour la spéculation sur les matières premières et seulement 24 pour l'initiative "contre la pénalisation du mariage". Concernant l'initiative de mise en oeuvre, 47% des encarts provenaient des partisans de l'initiative, et 51% de ses opposants, et 2% étaient de nature neutre, quand elles annonçaient un débat public, par exemple. Le contenu des encarts reprend les principaux arguments de la campagne, à savoir l'importance du renvoi effectif des étrangers, statistiques à l'appui, ainsi que l'ordre et la sécurité pour les partisans et le caractère de violation des droits de l'Homme pour les opposants. De plus, de nombreuses personnalités se sont prononcées en leur nom propre contre l'initiative.


Votation populaire du 28 février 2016

Participation: 63.1%
Oui: 1 375 057 (41.1%) / cantons 3 3/2
Non: 1 966 989 (58.9%) / cantons 17 3/2

Mots d'ordre
- oui: UDC
- non: PS, Les Verts, PLR, PDC, succèssuisse, économiesuisse, Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz, Operation Libero, gouvernements des cantons de Zurich, Soleure, Bâle-Ville, Argovie et Berne

Initiative zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer (Durchsetzungsinitiative) (BRG 13.091)

Im November 2014 unterbreitete der Bundesrat seine Botschaft für ein dringliches Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierung Al-Qaïda und verwandter Organisationen sowie der Gruppierung „Islamischer Staat“ und verwandter Organisationen. Die Landesregierung empfand diese terroristisch agierenden Organisationen weiterhin als Bedrohung für die innere und äussere Sicherheit der Schweiz und der Staatengemeinschaft. Daher sei das Verbot der beiden Gruppierungen auch über das Jahr 2014 hinaus aufrecht zu erhalten. Die Gesetzesvorlage entspricht überwiegend den beiden befristeten Verordnungen, die beide Ende Jahr auslaufen. Verboten sind sämtliche Aktivitäten der Organisationen im In- und Ausland, sowie auch alle Aspekte, die deren materieller oder personeller Unterstützung dienen. Dies umfasst beispielsweise Propagandaaktionen oder die Geldakquirierung sowie das Anwerben neuer Mitglieder. Neu werden auch Widerhandlungen gegen das Verbot der Al-Qaïda der Bundesgerichtsbarkeit unterstellt und mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafen sanktioniert, sofern nicht noch strengere Strafbestimmungen zur Anwendung gelangen. Der Bundesrat sah als einzigen rechtlich einwandfreien Weg, das Verbot über Ende 2014 hinaus lückenlos aufrecht zu erhalten und diesen Erlass auf dem Dringlichkeitsweg zu erwirken. Mit der Dringlichkeitserklärung konnte das Gesetz bereits per 1. Januar 2015 mit einer Gültigkeitsdauer von vier Jahren bis Ende 2018 in Kraft gesetzt werden. Gleichwohl bleibt der Erlass dem fakultativen Referendum vorbehalten. Bereits knapp zwei Wochen nach der Publikation der Botschaft wurde die Vorlage im Ständerat behandelt. Einhellig diskutiert und letztlich auch einstimmig mit 42 Stimmen genehmigt, sorgte die Vorlage nicht für viel Aufsehen. Ständerat Minder (parteilos, SH) liess es sich jedoch nicht nehmen, die sicherheitspolitischen Einschätzungen des Bundesrates zu hinterfragen. Nachdem bereits seit 2001 Gesetze zum Verbot terroristischer Organisationen auf dem Verordnungsweg implementiert und mehrmals verlängert worden seien und der Bundesrat noch Mitte 2014 der letzten, Ende Jahr auslaufenden Verordnung gelassen entgegen gesehen habe, sei nun doch auf dem Dringlichkeitsweg eine neue Vorlage durchzubringen. Minder forderte für befristete Verordnungen und Gesetze eine bessere Überwachung und generell bessere Neubeurteilungen. Dass der vorliegende Gesetzesentwurf in Teilen die bevorstehenden Beratungen über das neue Nachrichtendienstgesetz präjudizieren könnte, wurde nicht als problematisch erachtet. Eintracht herrschte auch in der Volkskammer, die der Vorlage mit 184 Stimmen ebenfalls oppositionslos zustimmte. In weiteren Abstimmungen galt es, die Dringlichkeitsklausel anzunehmen und im Schlussvotum das Gesetz zu verabschieden. Sämtliche Entscheidungen wurden unanim gefällt.

Verbot der Al-Qaïda sowie „Islamischer Staat“

Im Mai 2014 wurde die 2009 von der Marche Blanche lancierte und 2011 zustande gekommene Volksinitiative „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“ von 63,5% der Stimmbevölkerung bei einer Stimmbeteiligung von 54,9% angenommen. Über hundert Mitglieder zählte das überparteiliche Pro-Komitee „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“. Unter den Vertretern aus der BDP, CVP, FDP, SVP, MCG, Lega und EDU befanden sich auch bekannte Politikerinnen und Politiker, wie etwa Oskar Freysinger (svp, VS), Natalie Simone Rickli (svp, ZH) und Thomas Minder (parteilos, SH). Ausgehend von der Ansicht, dass der vom Bundesrat ausgearbeitete und vom Parlament 2013 verabschiedete indirekte Gegenvorschlag zu wenig weit gehe, um Opfer vor Wiederholungstätern zu schützen, eröffnete das Komitee am 25. März den Abstimmungskampf.

Ihm stand das Contra-Komitee „Nein zur Pädophilie-Initiative“ gegenüber, welches sich erst kurz zuvor formiert hatte und von Andrea Caroni geleitet wurde. Obwohl alle Parteien ausser der SVP die Nein-Parole herausgegeben hatten, wurde das Nein-Komitee erst spät aktiv. Das aus Mitte-Links-Parlamentariern zusammengesetzte Komitee stellte sich hinter den indirekten Gegenvorschlag und kritisierte die Initiative aus dieser Perspektive als überflüssig, unvollständig und unverhältnismässig: Seiner Meinung nach biete das Bundesgesetz über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot einen umfassenderen Schutz der Kinder und wahre gleichzeitig den Rechtsstaat. Auch der Bundesrat empfahl die Volksinitiative zur Ablehnung. Das Parlament konnte sich bis zum Schluss nicht auf eine Abstimmungsempfehlung einigen.

Der Abstimmungskampf drehte sich folglich nicht um die Frage, ob Kinder vor sexuellen Übergriffen geschützt werden sollten, sondern durch welche Regelung dies geschehen sollte. Da es sich beim Kindsmissbrauch um ein emotionales Thema handelt, hatten die Gegner der Initiative mit ihren Argumenten der Rechtsstaatlichkeit und der Verhältnismässigkeit einen schweren Stand. Hinzu kam, dass dem Gegnerkomitee kaum finanzielle Mittel zur Verfügung standen und es sich auf eine Website und eine Pressekonferenz beschränken musste. So trug am Schluss das Pro-Komitee, welches mit seinen Teddybär-Plakaten und -Inseraten aktiv auftrat, den klaren Sieg davon. Es nützte auch nichts, dass der Bundesrat kurz vor der Abstimmung den Gegenvorschlag per 1. Januar 2015 in Kraft setzte.

Die grösste Zustimmung fand die Initiative in der Romandie (FR 68,8%, VD 68,7%, VS 74,3%, NE 70%, GE, 73,6%, JU 71,5%) und im Tessin (83%). Am wenigsten Ja-Stimmen bekam das Anliegen im Heimatkanton von Andrea Caroni (AR 55%).


Abstimmung vom 18. Mai 2014

Beteiligung: 54,9%
Ja: 1'818'658 (63,5%) / 20 6/2 Stände
Nein: 1'044'753 (36,5%) / 0 Stände

Parolen:
– Ja: BDP (1*), JCVP, SVP, EDU, MCR/MCG.
– Nein: CVP (10*), FDP (6*), SP, CSP, EVP, GLP (3*), Grüne (2*); LCH, SAJV, SGB, Travail.Suisse, VPOD, Jungwacht Blauring Schweiz, Pfadibewegung Schweiz, SATUS Schweiz, Stiftung Kinderschutz Schweiz.
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen


Die Vox-Analyse ergab, dass es zwar durchaus einen klaren Konfliktgraben zwischen linken Gegnern und rechten Befürwortern gab. Schliesslich gab aber vor allem die persönliche Bedeutung der Vorlage den Ausschlag, wobei das Argument „Der Schutz des Kindes steht über allem“ überwog. Insgesamt waren die Stimmbürger gut über die Vorlage informiert und ihre Stimmmotivation spiegelte im Wesentlichen die Argumente der Abstimmungskomitees wieder. Dennoch schien vielen nicht klar gewesen zu sein, dass es neben der vorgelegten Initiative auch einen indirekten Gegenvorschlag in der Form eines Gesetzes gab.

Nach der Abstimmung stand das Parlament ein weiteres Mal vor der schwierigen Aufgabe, eine neue Verfassungsbestimmung umsetzen zu müssen, die einer anderen Bestimmung der Bundesverfassung – dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit – widerspricht. Noch im Berichtsjahr wollte die Justizministerin einen Entwurf in Form einer Änderung des Bundesgesetzes über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot in die Vernehmlassung schicken.

Volksinitiative „Pädophile sollen nicht mehr mit Kindern arbeiten dürfen“ (12.076)
Dossier: Pädophilen-Initiative