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Beim Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen waren zu Beginn der Wintersession 2018 noch zwei Differenzen ausstehend. Die Möglichkeit, dass die Gerichtskosten der unterliegenden Partei auferlegt werden können, wurde sowohl von der RK-SR als auch vom Ständerat begrüsst. Die vom Nationalrat ergänzte Übergangsbestimmung jedoch, die eine Evaluation des Gesetzes nach vier Jahren vorsieht, strich der Ständerat wieder mit der Begründung, sie sei ineffektiv und überflüssig. Bundesrätin Simonetta Sommaruga betonte hier zuhanden des Protokolls, dass der Bundesrat zu gegebener Zeit eine Evaluation der neuen Regelungen plane, vier Jahre dafür allerdings eine zu kurze Zeitspanne seien.
Die Mehrheit der RK-NR beantragte ihrem Rat daraufhin, dem Ständerat zu folgen und auf die zusätzliche Übergangsbestimmung zu verzichten. Die Wirksamkeitsüberprüfung von Gesetzesänderungen sei eine grundsätzliche Aufgabe der Regierung und des Parlaments; Letzteres könne eine Evaluation jederzeit anstossen, wenn der Bundesrat nicht von sich aus tätig werde. Zudem schreibe die Übergangsbestimmung vor, dass die Ergebnisse der Evaluation vier Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes vorliegen müssten; in einem solch kurzen Zeitraum sei eine seriöse Datengrundlage aber noch gar nicht verfügbar. Justizministerin Sommaruga versicherte auch im Nationalrat, dass es eine Evaluation geben werde. Eine Minderheit wollte an der Evaluation nach vier Jahren festhalten, blieb im Nationalrat letztlich jedoch chancenlos. Mit 122 zu 64 Stimmen hiess die grosse Kammer das Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen ohne die umstrittene Übergangsbestimmung gut. In der Schlussabstimmung sprach sich der Nationalrat schliesslich mit 195 zu 2 Stimmen für das Gesetz aus; der Ständerat nahm es einstimmig an.

Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen (BRG 17.062)
Dossier: Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer

In der Herbstsession 2018 befasste sich der Nationalrat mit dem Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen, wo die Debatte jedoch deutlich weniger harmonisch verlief als im Erstrat. In der Eintretensdebatte versuchte die SVP-Fraktion, indem verschiedene ihrer Exponenten sechsmal dieselbe Zwischenfrage stellten, das Problem der häuslichen Gewalt zu einem Ausländerproblem zu stilisieren und Bundesrätin Simonetta Sommaruga zu einer bestätigenden Aussage zu drängen. Darauf liess sich die Justizministerin jedoch nicht ein und erntete Beifall für ihre Replik: «[W]enn Sie das Problem unbedingt bezeichnen wollen, dann ist es ein Männerproblem». Als diesbezüglich niemand mehr das Wort ergriff, wurde Eintreten ohne Gegenantrag beschlossen.
Die Detailberatung im Nationalrat konzentrierte sich auf drei Punkte: die Weiterbildungsverpflichtung für die Kantone, die Gerichtskosten und die Möglichkeit zur Sistierung des Verfahrens. Einzig bei den Gerichtskosten schuf die grosse Kammer eine Differenz, indem sie der Mehrheit ihrer Rechtskommission folgte und beschloss, dass die Gerichtskosten der unterliegenden Partei auferlegt werden können, wenn diese zu einem Kontakt- oder Rayonverbot oder zu einer elektronischen Überwachungsmassnahme verurteilt wird. Der Entwurf des Bundesrates, dem der Ständerat hier gefolgt war, hatte keine Möglichkeit für eine Überwälzung der Gerichtskosten vorgesehen. In den anderen beiden Punkten schloss sich der Nationalrat dem Beschluss des Ständerates an. Die Kantone sollen, anders als vom Bundesrat ursprünglich angedacht, nicht im Zivilgesetzbuch ausdrücklich dazu verpflichtet werden, für die Weiterbildung von Personen zu sorgen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit bei Gerichten oder Kriseninterventionsstellen mit Gewaltschutzfällen zu tun haben. Wie schon der Ständerat war auch die Volkskammer der Ansicht, dass ein solcher Eingriff in die kantonale Souveränität unnötig sei, da die Kantone selber ein Interesse daran hätten, über gut geschultes Personal zu verfügen. Was die Möglichkeit zur Sistierung des Verfahrens betrifft, wurden drei Minderheitsanträge Rickli (svp, ZH) abgelehnt, deren zwei darauf zielten, die Möglichkeit zur Sistierung ganz abzuschaffen und einer die Sistierung nur bei ausgeschlossener Wiederholungsgefahr zulassen wollte. Da man einen Rückfall aber nie mit Sicherheit ausschliessen könne, laufe diese Formulierung auf dasselbe hinaus, argumentierten die Mehrheitsbefürworter, die es als wichtig erachteten, dass dem Opfer nicht jegliche Handlungsmöglichkeit genommen werde. Der Nationalrat blieb deshalb bei der Formulierung des Bundesrates, die auch vom Ständerat gutgeheissen worden war, dass die Staatsanwaltschaft oder die Gerichte ein Verfahren sistieren können, wenn das Opfer darum ersucht und die Sistierung geeignet erscheint, die Situation des Opfers zu stabilisieren oder zu verbessern. Zwei Einzelanträge Feri (sp, AG) und Regazzi (cvp, TI), welche zusätzlich die Berücksichtigung des Wohles allfällig betroffener Kinder verlangten, blieben ebenso chancenlos, da dies sowieso zur Beurteilung der Situation des Opfers gehöre. Die vom Ständerat vorgenommene Anpassung, dass die Kosten einer Überwachungsmassnahme der überwachten Partei auferlegt werden können, hiess die grosse Kammer diskussionslos und stillschweigend gut. Am Schluss ergänzte der Nationalrat auf Antrag seiner Kommission noch eine Bestimmung, dass der Bundesrat die Zweckmässigkeit und Wirksamkeit der beschlossenen Änderungen und Massnahmen überprüfen und dem Parlament darüber spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten Bericht erstatten und gegebenenfalls Verbesserungen vorschlagen muss. In der Gesamtabstimmung nahmen 122 Nationalrätinnen und Nationalräte die Vorlage an, während sie die 62 Vertreterinnen und Vertreter der SVP-Fraktion geschlossen ablehnten.

Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen (BRG 17.062)
Dossier: Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer

Zwei Änderungen nur brachte die RK-SR am Entwurf des Bundesrates für das Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen an, die der Ständerat in der Sommersession 2018 beide stillschweigend guthiess. Die erste Abweichung betraf die schon in der Vernehmlassung umstrittene Bestimmung, dass die Kantone für die nötige Weiterbildung der Personen sorgen müssen, die – beispielsweise im Rahmen einer Tätigkeit bei der Kriseninterventionsstelle oder bei Gerichten – mit Gewaltschutzfällen zu tun haben. Eine solche administrative Vorschrift habe im Zivilgesetzbuch nichts verloren und tangiere überdies die Autonomie der Kantone, rechtfertigte Kommissionssprecher Robert Cramer (gp, GE) deren Streichung. Bundesrätin Simonetta Sommaruga hielt diese Streichung für vertretbar, zumal die Kantone angesichts der Folgekosten von häuslicher Gewalt selber ein Interesse an geschulten Fachpersonen haben sollten. Als Zweites hatte sich die Kommission Gedanken über die Kostenfolgen von den im Gesetz vorgesehenen elektronischen Überwachungsmassnahmen für häusliche Gewalt oder Stalking ausübende Personen gemacht. Gerade wenn die verursachende Person vermögend sei, sei nicht einzusehen, weshalb die Allgemeinheit die Kosten für eine solche Massnahme tragen müsse. Die Kommission ergänzte das Gesetz dahingehend, dass diese Kosten – nicht aber die Verfahrenskosten – der überwachten Partei auferlegt werden können, betonte aber, diese Regelung solle nicht dazu führen, dass bei Fällen von häuslicher Gewalt das gemeinsame Familienbudget belastet werde, da so letztlich auch das Opfer dafür bezahle. Auch hiermit zeigte sich Justizministerin Sommaruga einverstanden; auf dieser Grundlage könne der Zweitrat weiterarbeiten. Einstimmig verabschiedete der Ständerat das leicht angepasste Gesetz zuhanden des Nationalrates.

Bundesgesetz über den Schutz gewaltbetroffener Personen (BRG 17.062)
Dossier: Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer

Die Differenzbereinigung im Gesetzgebungsprojekt zur Umsetzung der Pädophilen-Initiative wurde zu Beginn der Frühjahrssession 2018 vom Ständerat in Angriff genommen. Als Erstes widmete sich die Kantonskammer der Frage, wo die Altersgrenze bei Anlasstaten liegen sollte, damit sie zu einem zwingenden, lebenslangen Verbot von Tätigkeiten mit Minderjährigen führen. Die vorberatende RK-SR wollte mehrheitlich am eigenen Beschluss festhalten und die Altersgrenze bei 16 Jahren ansetzen. Somit würden nur an Kindern unter 16 Jahren begangene Anlasstaten automatisch zu einem lebenslangen Tätigkeitsverbot im Kontakt mit Minderjährigen führen. Demgegenüber würden Anlasstaten an über 16-jährigen, besonders schutzbedürftigen Jugendlichen in ein Tätigkeitsverbot im Kontakt mit besonders schutzbedürftigen Erwachsenen münden. Wer sich an über 16-Jährigen vergehe, sei nicht unbedingt pädophil und dem müsse daher auch nicht zwingend verboten werden, Tätigkeiten mit Kontakt zu Minderjährigen auszuüben. Durch diese Regelung sollte die Verhältnismässigkeit besser gewahrt werden als durch die vom Nationalrat festgelegte Altersgrenze bei 18 Jahren. Sich dem nationalrätlichen Beschluss anzuschliessen, dies beantragte indes eine Minderheit Engler (cvp, GR). Es mache keinen Sinn, dass für die Opfer von Anlasstaten eine andere Alterslimite gelte als für den Personenkreis, den das Tätigkeitsverbot schützen soll. Mit einem äusserst knappen Entscheid von 22 zu 21 Stimmen bei einer Enthaltung folgte der Ständerat der Minderheit und schloss sich damit dem Beschluss des Nationalrates an, der im Übrigen auch dem Vorschlag des Bundesrates entsprach.

Der zweite Diskussionspunkt in der kleinen Kammer war der Katalog von Anlasstaten, die automatisch ein lebenslanges Tätigkeitsverbot nach sich ziehen sollen. Der Nationalrat hatte hier die Straftatbestände der sexuellen Belästigung, des Exhibitionismus sowie der Pornografie zum Eigenkonsum wieder eingefügt, nachdem sie der Ständerat anfänglich aus dem bundesrätlichen Entwurf gestrichen hatte. Die Kommissionsmehrheit beantragte ihrem Rat nun, an seinem Beschluss festzuhalten und die Delikte wieder aus dem Katalog zu streichen, da „blosse“ Übertretungen und Antragsdelikte keine Grundlage für ein zwingendes, lebenslanges Tätigkeitsverbot sein sollten. Dieselbe Minderheit Engler wollte hingegen auch hier dem Nationalrat folgen und den Deliktkatalog wie vom Bundesrat vorgeschlagen belassen. Um das Hauptanliegen der Kommissionsmehrheit, die Verhältnismässigkeit, müsse man nicht an dieser Stelle besorgt sein – dafür gebe es die Ausnahmebestimmung. Die kleine Kammer hiess auch hier den Minderheitsantrag mit knapper Mehrheit gut und beseitigte damit diese Differenz.

Drittens befasste sich der Ständerat nochmals mit der Spezialausnahme für Fälle der Jugendliebe, die er ursprünglich eingefügt hatte und die der Nationalrat gutgeheissen hatte. Die Kommissionsmehrheit beantragte ihrem Rat jetzt aber, die Spezialausnahme zu streichen, da sie Abgrenzungsschwierigkeiten zur allgemeinen Härtefallklausel befürchtete, welche vom Nationalrat ebenfalls bestätigt worden war. Diese decke auch Fälle der Jugendliebe ab, weshalb keine Notwendigkeit für die Spezialausnahme mehr bestehe, unterstützte Bundesrätin Simonetta Sommaruga den Antrag der Kommissionsmehrheit. Eine Minderheit Vonlanthen (cvp, FR) legte hingegen Wert darauf, die Jugendliebe ausdrücklich im Gesetz erwähnt zu wissen, und beantragte die Beibehaltung der entsprechenden Bestimmung. Mit 39 zu 4 Stimmen folgte der Ständerat deutlich dem Mehrheitsantrag und strich die Spezialausnahme wieder aus dem Gesetzestext. Zum Schluss hiess die Ständekammer noch die durch die vorhergehenden Entscheidungen notwendig gewordenen Änderungen im Bundesgesetz über das Strafregister-Informationssystem VOSTRA gut. Mit zwei verbleibenden Differenzen ging die Vorlage damit wieder an den Nationalrat.

Umsetzung der Pädophilen-Initiative (16.048)
Dossier: Pädophilen-Initiative

Bevor die SiK-NR einen Entscheid zur parlamentarischen Initiative der FDP-Fraktion mit der Forderung nach der Schaffung einer Terrorismusstrafnorm fällte, liess sie sich von Bundesrätin Simonetta Sommaruga und von NDB-Direktor Markus Seiler über die laufenden Arbeiten von Bund und Kantonen in der Terrorismusbekämpfung informieren. Sie nahm zudem Kenntnis vom dritten TETRA-Bericht, vom Stand der Arbeiten zum Nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus sowie von der Vernehmlassung zur Umsetzung des Übereinkommens des Europarates über die Terrorismusbekämpfung und des entsprechenden Zusatzprotokolls. Dennoch erachtete die Kommissionsmehrheit den Handlungsbedarf im Sinne der parlamentarischen Initiative weiterhin als unbestritten. Gerade vor dem Hintergrund der jüngsten terroristischen Anschläge müsse der Druck auf den Bundesrat aufrechterhalten werden, argumentierte die Kommissionsmehrheit, weshalb sie den Vorstoss im Oktober 2017 zur Annahme beantragte. Für die Kommissionsminderheit überwog jedoch die Gefahr von Koordinationsproblemen und Doppelspurigkeiten mit der Vorlage des Bundesrates zur Umsetzung des Terrorismus-Abkommens. Sie war der Ansicht, das Ziel der parlamentarischen Initiative könne schneller und besser durch Einbringung in die bundesrätliche Vorlage erreicht werden, weswegen sie für die Ablehnung der Initiative plädierte. Der Nationalrat folgte in der Frühjahrssession 2018 schliesslich seiner Kommissionsmehrheit und gab der parlamentarischen Initiative mit 126 zu 53 Stimmen Folge.

Pa.Iv. FDP-Fraktion: Schaffung einer Strafbestimmung zur Terrorismusbekämpfung

Auch der Ständerat hiess die Motion von Bernhard Guhl (bdp, AG) für ein längeres Prüfungsintervall nach drei negativen Prüfungen der Verwahrung ohne Diskussion gut. Kommissionssprecher Robert Cramer (gp, GE) erwähnte einzig, dass sich die Motion ausschliesslich auf die Prüfung von Amtes wegen beschränke, da bereits heute die Möglichkeit bestehe, bei unveränderten Verhältnissen auf eine erneute Begutachtung zu verzichten. Dadurch läge eine mögliche Umsetzung dieser Motion im Rahmen der zu gewährleistenden Minimalrechte der EMRK. Justizministerin Simonetta Sommaruga hatte dem nichts beizufügen.

Längeres Prüfungsintervall nach drei negativen Prüfungen der Verwahrung (Mo. 17.3572)
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

Der Nationalrat setzte sich in der Wintersession 2017 als Zweitrat mit den Änderungen im Strafgesetzbuch und im Militärstrafgesetz zur Umsetzung der Pädophilen-Initiative auseinander. Im Gegensatz zum Erstrat war hier Eintreten unbestritten. Von verschiedensten Fraktionssprechern wurde betont, dass Artikel 123c BV nicht direkt anwendbar und daher eine Konkretisierung der Verfassungsbestimmung auf Gesetzesebene unerlässlich sei. Ähnlich wie im Ständerat wurde hingegen auch in der grossen Kammer immer wieder darauf hingewiesen, wie schwierig es sei, die Initiative so wortgetreu wie möglich, aber gleichzeitig in den Schranken der rechtsstaatlichen Grundsätze, insbesondere der Verhältnismässigkeit, umzusetzen. Die Meinungen darüber, wie das beste Verhältnis von Wortlaut und Verhältnismässigkeit aussehe, gingen jedoch erwartungsgemäss weit auseinander. So forderte Natalie Rickli (svp, ZH) als Sprecherin der SVP-Fraktion den Rat auf, mehr an die Opfer zu denken als an die Täter, und BDP-Fraktionssprecher Bernhard Guhl (bdp, AG) stellte klar, seiner Fraktion sei „der Schutz der Kinder wesentlich wichtiger als die Erfüllung des Berufswunsches eines verurteilten Straftäters.“ Auf der anderen Seite betonten die Fraktionsvertreterinnen und -vertreter der SP, der FDP, der Grünen, der CVP und der GLP die Wichtigkeit einer Härtefallklausel, die wenigstens einen minimalen richterlichen Ermessensspielraum sicherstellt.

Nachdem Eintreten ohne Gegenantrag beschlossen worden war, beschäftigte sich die grosse Kammer im ersten Block der Detailberatung mit den Voraussetzungen für die Anordnung der Tätigkeitsverbote. Sie hatte hier in drei Fragen über Minderheitsanträge ihrer vorberatenden Rechtskommission zu befinden. Erstens wollte eine Minderheit Arslan (basta, BS) bei der Definition des Begriffs „Kinder“ dem Ständerat folgen. Dieser hatte beschlossen, dass nur Anlasstaten, die an Kindern unter 16 Jahren begangen worden sind, automatisch zu einem lebenslangen Verbot von Berufen und Tätigkeiten mit Kontakt zu Minderjährigen führen sollen. Im Gegensatz dazu beantragte die Kommissionsmehrheit, sich an den bundesrätlichen Entwurf zu halten und die Altersgrenze bei 18 Jahren festzusetzen – wie sie im geltenden Recht, namentlich im Bundesgesetz über das Tätigkeitsverbot und das Kontakt- und Rayonverbot, schon bestehe. Breiten Zuspruch erhielt der Antrag Arslan jedoch nur aus den Fraktionen der Grünen und der FDP, womit der Minderheitsantrag wuchtig verworfen wurde und der Nationalrat sich in dieser Sache dem Bundesrat anschloss. Zweitens beantragte eine Minderheit Guhl (bdp, AG), die Antragsdelikte Exhibitionismus und sexuelle Belästigung wieder in den Katalog der Anlasstaten für ein zwingendes, lebenslängliches Tätigkeitsverbot aufzunehmen – und zwar bei Minderjährigen wie auch bei Erwachsenen. Obwohl dieses Ansinnen eigentlich dem ursprünglichen Vorschlag des Bundesrates entsprochen hätte, empfahl Bundesrätin Sommaruga, den Antrag Guhl abzulehnen und der Kommissionsmehrheit zu folgen. Das Konzept des Ständerates sei in diesem Punkt überzeugend und es mache durchaus Sinn, die beiden leichten Straftatbestände aus dem Deliktkatalog auszuschliessen. Die Unterstützung der geschlossenen SVP-, BDP- und CVP-Fraktionen reichte zusammen mit vereinzelten weiteren Stimmen dennoch aus, um dem Minderheitsantrag Folge zu geben und den Beschluss des Ständerates zu kippen. Als Drittes stimmte der Nationalrat über einen Minderheitsantrag Rickli (svp, ZH) ab, der auch den Straftatbestand der Pornografie zum Eigenkonsum wieder in den Katalog von Anlasstaten einfügen wollte. Diesmal sprach sich auch Bundesrätin Sommaruga für die Rückkehr zum bundesrätlichen Entwurf aus, die dann mit ähnlichen Mehrheitsverhältnissen wie zuvor auch beschlossen wurde.

Der zweite Block beinhaltete die Ausnahmebestimmungen, die Überprüfung der Tätigkeitsverbote und alle restlichen Bestimmungen. Hier beantragte eine Minderheit um Natalie Rickli (svp, ZH), die Härtefallklausel ganz aus dem Gesetz zu streichen; die vom Ständerat eingefügte explizite Ausnahmebestimmung für Fälle einvernehmlicher Jugendliebe genüge vollends. Mit 101 zu 73 Stimmen bei einer Enthaltung sprach sich der Nationalrat jedoch für die Beibehaltung der Härtefallklausel aus. Dagegen stimmten neben der geschlossenen SVP-Fraktion die Mehrheit der BDP-Fraktion sowie Vereinzelte aus den Fraktionen der FDP, CVP und SP. Eine weitere Kampfabstimmung gab es zur Frage der Überprüfungsmöglichkeit bei lebenslänglichen Tätigkeitsverboten. Während die Kommissionsmehrheit dem Ständerat folgen und keine Überprüfungsmöglichkeit vorsehen wollte, beantragte eine Minderheit Tschäppät (sp, BE), die bundesrätliche Lösung mit Überprüfungsmöglichkeit nach 10 Jahren für nicht pädophile Täter zu übernehmen. Eine zweite Minderheit Bauer (fdp, NE) legte indes einen Kompromissvorschlag dar, wonach ein lebenslanges Tätigkeitsverbot grundsätzlich nicht aufgehoben werden kann, es sei denn ein unabhängiges Gutachten stellt fest, dass kein Risiko mehr besteht. Mit dieser Formulierung sollte ein Konflikt mit der EMRK vermieden werden. Im Rat scheiterten beide Minderheitsanträge deutlich am Widerstand der SVP- BDP-, GLP- und CVP-Fraktionen. Ein Einzelantrag Nidegger (svp, GE), der die explizite Ausnahmebestimmung für die Jugendliebe streichen wollte, blieb chancenlos. Bei allen übrigen Bestimmungen folgte der Nationalrat den Anträgen seiner Kommissionsmehrheit und schloss sich damit im Grossen und Ganzen dem Beschluss des Ständerates an. Einstimmig nahm der Nationalrat die Vorlage in der Gesamtabstimmung an und gab sie damit zurück an den Ständerat zur Differenzbereinigung.

Umsetzung der Pädophilen-Initiative (16.048)
Dossier: Pädophilen-Initiative

In der Herbstsession 2017 beriet der Ständerat als Erstrat die Umsetzung der Pädophilen-Initiative. Schon in der Eintretensdebatte wurde verschiedentlich betont, wie schwierig es sei, den Artikel 123c BV umzusetzen. Ständerat Jositsch (sp, ZH) sprach gar von der „Quadratur des Kreises“ und beantragte Nichteintreten. Mit einer Umsetzung „light“, also dem Versuch, den Konflikt mit den rechtsstaatlichen Prinzipien und den Grundrechten so klein wie möglich zu halten, sende man ein gefährliches Signal an die Stimmbevölkerung: Man könne jede Initiative, so radikal ihre Forderung auch sei, bedenkenlos annehmen, um damit ein Zeichen zu setzen – das Parlament würde das mit der Umsetzung dann schon regeln. Um diesem Argument Nachdruck zu verleihen, nannte er das Beispiel der Volksinitiative zur Wiedereinführung der Todesstrafe: „Wenn irgendwelche grauenhaften Taten passieren, werden die Leute bei einer solchen Initiative Ja stimmen, weil sie sagen, man werde ja nicht gerade eine Guillotine auf dem Bundesplatz aufstellen, nur weil sie der Initiative zugestimmt hätten [...].“ Dieser Entwicklung müsse Einhalt geboten werden. Die Pädophilen-Initiative könne nicht umgesetzt werden, ohne höherrangiges Recht zu verletzen, weshalb man auf die Umsetzung besser ganz verzichten und nicht auf die Vorlage eintreten solle. Auch Andrea Caroni (fdp, AR) zeigte Verständnis für das Dilemma seines Kollegen und legte dar, dass es unmöglich sei, die Initiative wortgetreu umzusetzen und dabei die Verhältnismässigkeit zu wahren – genauso unmöglich sei es aber, die Initiative „light“ umzusetzen und dabei die Glaubwürdigkeit vor der Stimmbevölkerung zu wahren. Dennoch sei es Aufgabe des Parlamentes, den Verfassungsartikel auf generell-abstrakte Weise zu konkretisieren und offenstehende Fragen zu beantworten. Es sei staatspolitisch nicht vertretbar, diese „heisse Kartoffel“ einfach an die Gerichte weiterzureichen. Den besten Ausweg sah Caroni darin, den Verfassungsartikel mit einem „Minimum an Verhältnismässigkeit“ umzusetzen. Von der Debatte um die Verhältnismässigkeit nichts wissen wollte hingegen SVP-Fraktionsangehöriger Thomas Minder (parteilos, SH). „Man könnte meinen, die Verhältnismässigkeit [...] stehe über allen anderen Normen der Verfassung“, kritisierte er und fügte an, indem das Volk die Pädophilen-Initiative angenommen habe, habe es den entsprechenden Verfassungsartikel eben als verhältnismässig beurteilt. Einige Parlamentarier schöben das Verhältnismässigkeitsprinzip vor, um „politisch Unliebsames zu bekämpfen“, wodurch die Verhältnismässigkeit ad absurdum geführt werde. Bundesrätin Simonetta Sommaruga hielt dem entgegen, dass die Verhältnismässigkeit gemäss Artikel 5 BV ein Grundsatz rechtsstaatlichen Handelns sei, der bei jedem staatlichen Handeln beachtet werden müsse und dem daher zu Recht eine gewisse Priorität eingeräumt werde. Mit 35 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung trat die Ständekammer schliesslich auf die Vorlage ein.

Die anschliessende Detailberatung verlief im Allgemeinen weniger kontrovers als es die mit Leidenschaft geführte Eintretensdebatte hätte vermuten lassen. Auf keinen Widerstand stiessen so etwa die Anträge der vorberatenden RK-SR, einerseits Antragsdelikte und Übertretungen – es handelt sich im konkreten Fall um Exhibitionismus, sexuelle Belästigung und Pornografie zum Eigenkonsum – aus der Liste der Anlasstaten für ein zwingendes lebenslanges Tätigkeitsverbot zu streichen, und andererseits nur zwischen zwei anstatt drei Typen von Tätigkeitsverboten zu unterscheiden. Erstens solle ein lebenslanges Tätigkeitsverbot stets von Amtes wegen und nicht auf Antrag verhängt werden und zweitens sei es nicht notwendig, für den direkten Kontakt mit Patienten im Gesundheitsbereich und den sonstigen Kontakt mit besonders schutzbedürftigen Erwachsenen verschiedene Tätigkeitsverbote vorzusehen, da sich diese Bereiche ohnehin oft überschnitten. Es soll hingegen je ein separates Tätigkeitsverbot für den Kontakt mit Minderjährigen und mit Erwachsenen geben, abhängig davon, ob die Anlasstat an einer minderjährigen oder an einer volljährigen Person begangen worden ist. Ebenfalls unbestritten war das Einfügen einer expliziten Spezialausnahme für Fälle der einvernehmlichen Jugendliebe, um deutlich zu machen, dass in diesen Fällen von der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes abgesehen werden muss.

Hauptstreitpunkte waren die Definition des Begriffs „Kinder“, der Anwendungsbereich der Ausnahmebestimmung, die Möglichkeit zur Überprüfung eines angeordneten Tätigkeitsverbotes sowie die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft. Bei der Definition des Begriffs „Kinder“ ging es um die Frage, ob alle an Minderjährigen begangenen Anlasstaten – so der Vorschlag des Bundesrates – oder nur solche, die an unter 16-Jährigen begangen worden sind – wie von der Kommission beantragt –, automatisch zu einem Tätigkeitsverbot führen sollen. Mit deutlicher Mehrheit (38 zu 4 Stimmen) setzte sich der Antrag der Kommission gegen jenen des Bundesrates durch, weil dieser der Verhältnismässigkeit eher Rechnung trage und die viel diskutierten Fälle von Jugendliebe von vornherein wenigstens teilweise entschärfe. Knapper fiel die Entscheidung in der Frage aus, wie weit der richterliche Ermessensspielraum bei der Anwendung der Ausnahmebestimmung sein soll. Während der Bundesrat Ausnahmen nur in „besonders leichten Fällen“ vorgesehen hatte und darin von der Kommissionsminderheit unterstützt wurde, wollte die Kommissionsmehrheit den Verzicht auf ein Tätigkeitsverbot bereits in „leichten Fällen“ ermöglichen. Nachdem Bundesrätin Sommaruga konstatiert hatte, die Differenz zwischen Mehrheits- und Minderheitsantrag sei „nicht wahnsinnig gross“, folgte der Ständerat mit 22 zu 19 Stimmen bei einer Enthaltung dem Antrag seiner Kommissionsminderheit.
Mit härteren Bandagen gekämpft wurde um die vom Bundesrat vorgesehene Möglichkeit, ein lebenslängliches Tätigkeitsverbot unter bestimmten Bedingungen nach 10 Jahren zu überprüfen und gegebenenfalls aufzuheben. Nach Ansicht der Kommissionsmehrheit entferne sich die Umsetzungsgesetzgebung damit zu weit vom Inhalt der Initiative. Die Verhältnismässigkeit werde durch die Ausnahmebestimmung sowie durch die Einschränkung der Anlasstaten ausreichend gewährleistet, erläuterte Kommissionssprecher Fabio Abate (fdp, TI) den Mehrheitsantrag, welcher keine Aufhebungsmöglichkeit für lebenslängliche Tätigkeitsverbote vorsah. Der Bundesrat und die Kommissionsminderheit argumentierten hingegen, das Tätigkeitsverbot sei nicht Teil der strafrechtlichen Sanktion, sondern eine zusätzliche Massnahme, um zukünftige Taten zu vermeiden – ähnlich der lebenslänglichen Verwahrung. Es sei daher auch hier geboten, die strafrechtliche Maxime zu befolgen, eine Massnahme nur so lange aufrechtzuerhalten, als sie zur Sicherstellung ihres Zweckes notwendig sei, weshalb es eine Überprüfungsmöglichkeit geben müsse. Die klare Mehrheit der Ständekammer liess sich von diesem Einwand jedoch nicht überzeugen und stimmte mit 28 zu 14 Stimmen bei einer Enthaltung für den Antrag der Kommissionsmehrheit.
Zum Schluss drehte sich die Diskussion um die Kompetenzen der Staatsanwaltschaft im Strafbefehlsverfahren. Während unbestritten war, dass ein Tätigkeitsverbot nur durch ein Gericht ausgesprochen werden kann, blieb die Frage offen, ob der Verzicht auf die Verhängung eines Tätigkeitsverbotes ebenfalls nur in einem Gerichtsverfahren oder auch im Strafbefehlsverfahren durch die Staatsanwaltschaft erfolgen können soll. Die Kommissionmehrheit wollte in der Strafprozessordnung ausdrücklich festschreiben, dass die Härtefallklausel nur von einem Gericht angewandt werden kann – und bei dieser Gelegenheit dieselbe Regelung auch für die Härtefallklausel in der Umsetzungsgesetzgebung zur Ausschaffungsinitiative festmachen. Die Kommissionsminderheit kritisierte den fehlenden sachlichen Bezug und Bundesrätin Sommaruga wies darauf hin, dass Strafbefehle nur in einfachen und klaren Fällen erlassen werden dürfen – Voraussetzungen, die bei Fragen, ob auf die Anordnung eines Tätigkeitsverbotes oder eines Landesverweises verzichtet werden kann, eher nicht gegeben seien. Falls die Staatsanwaltschaft doch in einem sehr klaren Fall, beispielsweise bei Jugendliebe, von der Verhängung eines Tätigkeitsverbotes absehe, sollte das hingegen unproblematisch sein. Im Gegenteil wäre eine Überweisung an ein Gericht in solchen Fällen unverhältnismässig aufwändig und kostspielig. Der Ständerat folgte sodann mit 23 zu 17 Stimmen bei zwei Enthaltungen der Minderheit und dem Bundesrat und verzichtete auf diese Anpassung der Strafprozessordnung.
In der Gesamtabstimmung nahm die kleine Kammer die Vorlage mit 26 zu 12 Stimmen bei vier Enthaltungen an. Die Gegenstimmen stammten hauptsächlich aus dem links-grünen Lager, aber auch von Vertretern der SVP-Fraktion.

Umsetzung der Pädophilen-Initiative (16.048)
Dossier: Pädophilen-Initiative

Im Dezember 2012 beschloss der Bundesrat, die Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen, wozu er 2010 einen Vorentwurf in die Vernehmlassung gegeben hatte, vorerst zurückzustellen. Er wollte mit diesem umfassenden Quervergleich der Strafbestimmungen zuwarten, bis die Revision des Sanktionenrechts und damit die Revision des Allgemeinen Teils des StGB abgeschlossen ist. Danach sollte das EJPD allerdings, so der Auftrag des Bundesrates, gestützt auf die Vernehmlassungsergebnisse und die Beschlüsse des Parlaments zum Sanktionenrecht eine Botschaft zur Harmonisierung der Strafrahmen, also zur Revision des Besonderen Teils des StGB, ausarbeiten. Da im April 2017 noch keine Botschaft vorlag, reichte die RK-NR eine Motion ein, die Bewegung in die Sache bringen sollte. Nicht zuletzt war der Verweis auf diese mittlerweile lang ersehnte Vorlage bei zahlreichen Vorstössen als Begründung für die Ablehnung angeführt worden – geleitet von der Absicht, den Besonderen Teil des StGB im Rahmen einer Gesamtschau und nicht nur punktuell anzupassen.

Im Nationalrat erklärte Bundesrätin Simonetta Sommaruga in der Sommersession 2017, dass diese Motion auf ein Missverständnis zurückgehe. Man habe nie – wie die Kommission indes angenommen hatte – auf diese Vorlage verzichten wollen und sei daran, den Entwurf zu überarbeiten. Da die Vernehmlassung dazu schon so lange zurückliege, müssten viele Anpassungen an die inzwischen veränderte Rechtslage vorgenommen werden. Der Bundesrat wolle die entsprechende Vorlage so bald als möglich den Räten unterbreiten und unterstütze deshalb auch die Motion. Nachdem der Nationalrat den Vorstoss stillschweigend angenommen hatte, tat es ihm der Ständerat in der Herbstsession 2017 gleich. Damit ist der Bundesrat nun beauftragt, die Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen bis spätestens Mitte 2018 dem Parlament zu unterbreiten.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Im Juni 2017 schickte der Bundesrat die Vorlage zur Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen Terrorismus und organisierte Kriminalität in die Vernehmlassung, die unter anderem das Übereinkommen und das Zusatzprotokoll des Europarats zur Verhütung des Terrorismus im Schweizer Recht umsetzen wird. Zusammen mit der Vorlage zu präventiven polizeilichen Massnahmen und dem Nationalen Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus, der Präventionsmassnahmen in allen Gesellschaftsbereichen beinhaltet, bildete die vorliegende Anpassung des Strafrechts die Grundlage, damit Justiz und Polizei die Gefahr eines terroristischen Anschlags in der Schweiz besser vermindern können.
Mit dem Entwurf wollte der Bundesrat erstens das Verbot, Terroristinnen und Terroristen anzuwerben und auszubilden sowie Reisen mit dem Ziel einer terroristischen Straftat – sogenannte Dschihadreisen – anzutreten, das bisher im befristeten Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen «Al-Qaïda» und «Islamischer Staat» sowie verwandter Organisationen verankert war, in Form einer neuen Strafbestimmung ins ständige Recht überführen. Zweitens sollte in Erfüllung der Motion 15.3008 die Bestimmung gegen organisierte Kriminalität (Art. 260ter StGB), die bisher vor allem gegen mafiöse Organisationen gerichtet war, auch auf terroristische Organisationen zugeschnitten werden, indem die Kriterien für das Vorliegen einer kriminellen bzw. terroristischen Organisation angepasst werden. Damit einhergehen sollte auch eine Erhöhung des entsprechenden Strafmasses von aktuell fünf auf neu maximal zwanzig Jahre Freiheitsstrafe. Drittens sollte das Organisationsverbot von Art. 74 NDG so angepasst werden, dass die Strafandrohung mit jener des befristeten Bundesgesetzes über das Verbot von «Al-Qaïda» und dem «Islamischen Staat» übereinstimmt und die Strafverfolgung in die Zuständigkeit des Bundes gelegt wird. Viertes Ziel war die Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit in der Rechtshilfe und bei der Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung. So wollte der Bundesrat einerseits die internationale Rechtshilfe beschleunigen, indem unter gewissen Voraussetzungen eine vorzeitige Übermittlung von Informationen und Beweismitteln – d.h. ohne dass die betroffene Person informiert wird und damit Beschwerde erheben könnte – ermöglicht werden sollte. Ausserdem sollte die Einsetzung gemeinsamer Ermittlungsgruppen im Rechtshilfegesetz geregelt werden. Andererseits wollte er die Kompetenzen der Meldestelle für Geldwäscherei dahingehend erweitern, dass sie auch ausländische Informationen über kriminelle Gelder verarbeiten darf, ohne dass eine Verdachtsmeldung von der betroffenen Schweizer Bank vorliegen muss.
Neu sollte bereits die Unterstützung einer kriminellen oder terroristischen Organisation, und zwar ohne Zusammenhang zu einer innerhalb der Organisation begangenen Straftat, unter Strafe gestellt werden. Die ideologische Unterstützung oder die blosse Zugehörigkeit zu einer kriminellen oder terroristischen Organisation, wie von den kantonalen Strafverfolgungsbehörden und der Bundesanwaltschaft gefordert, wollte der Bundesrat dagegen nicht verbieten. Die Regierung lehne ein Gesinnungsstrafrecht ab, wurde Justizministerin Simonetta Sommaruga in der Presse zitiert. Dennoch sei die Botschaft klar, so Sommaruga weiter: «Die Schweiz ist kein sicherer Hafen für Terroristen und ihre Unterstützer.»

Terrorismus und organisierte Kriminalität: Übereinkommen des Europarates und Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums (BRG 18.071)
Dossier: Strategie der Schweiz zur Terrorismusbekämpfung
Dossier: Internationale polizeiliche Zusammenarbeit
Dossier: Übereinkommen des Europarates zur Verhütung des Terrorismus / Verstärkung des strafrechtlichen Instrumentariums gegen organisierte Kriminalität

Den Antrag einer Minderheit der RK-NR – im Rahmen der Umsetzung einer parlamentarischen Initiative Lang (al, ZG) – Art. 293 StGB betreffend die Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen zu streichen, unterstützte im Nationalrat in der Frühjahrssession 2017 einzig die SP-Fraktion. Die SP-Vertreterinnen und -Vertreter hatten argumentiert, dass eine Streichung des Artikels die Medienfreiheit stärken würde. Alle anderen Fraktionen – und damit eine klare Ratsmehrheit – stellten sich hinter den Vorschlag der Kommissionsmehrheit, den Artikel bloss abzuändern und ihn EGMR-konform zu gestalten. Auch Bundesrätin Simonetta Sommaruga sprach sich inzwischen für den Vorschlag der Kommissionsmehrheit aus, nachdem der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom September 2019 noch keine klare Position bezogen hatte. In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat die Vorlage einstimmig bei einer Enthaltung an.
Kontroverser diskutiert wurde das Geschäft in der Sommersession im Ständerat. Ein Antrag der Minderheit um Ständerat Jositsch (sp, ZH) zur Streichung des Artikels blieb aber ebenso erfolglos (abgelehnt mit 29 zu 15 Stimmen) wie der Versuch vonseiten SVP und FDP, die Vorlage in der Gesamtabstimmung noch zu kippen (angenommen mit 32 zu 11 Stimmen bei 1 Enthaltung).
In den Schlussabstimmungen verabschiedeten der Nationalrat einstimmig und der Ständerat mit 34 zu 7 Stimmen bei 3 Enthaltungen den angepassten Art. 293 StGB.

Veröffentlichung amtlicher geheimer Verhandlungen (Pa.Iv. 11.489)

Lors de la session de mai 2017, le Conseil national a discuté une motion de la socialiste Galladé (ps, ZH), visant à interdire le châtiment corporel. Il ne figure pas dans le code civil d'interdiction explicite de cette pratique. Il est, selon la députée, nécessaire que cela soit clairement mentionné, pour prévenir la maltraitance envers les enfants. Elle cite comme exemple des pays comme l'Allemagne et la Suède, qui ont franchi ce pas. Le Conseil fédéral, représenté lors du débat par la ministre Sommaruga est d'avis qu'une telle mention est inutile, toute forme de violence envers les enfants, quand elle est détectée, étant immédiatement poursuivie pénalement. L'objet a été rejeté par 128 voix contre 51, avec 6 abstentions.

interdire le châtiment corporel

Als zentrales Problem bei der Kriminalitätsbekämpfung identifizierte die FDP-Fraktion die lange Dauer der Strafverfahren. Der grosse Zeitabstand zwischen Tat und Strafe gebe den Tätern ein Gefühl der Straflosigkeit, während die Polizei und die Staatsanwaltschaft verbittert und frustriert und die Bevölkerung verunsichert zurückblieben. Mit einem Postulat forderte die FDP daher vom Bundesrat einen Bericht, der aufzeigen soll, welche Massnahmen die Kantone zur Beschleunigung der Strafverfahren umgesetzt haben. Hintergrund des Vorstosses war die Stellungnahme des Bundesrates zum Postulat 12.4076 („Besonderes gerichtliches Verfahren zur Bekämpfung der Kleinkriminalität“), in der der Bundesrat zu Bedenken gab, dass eine Verfahrensbeschleunigung nicht durch das Errichten von Schnellgerichten zu erzielen sei, sondern dass dafür vielmehr die Kantone durch die Organisation ihrer Strafrechtspflege sowie durch den Gebrauch des Strafbefehlsverfahrens und des abgekürzten Verfahrens verantwortlich seien. Aus einem interkantonalen Vergleich soll nun hervorgehen, wie sich der Umfang der Ressourcen für die Strafrechtspflege sowie die organisatorischen Vorkehrungen entwickelt haben und welche Massnahmen als „Best Practices“ angesehen werden können. Bundesrätin Sommaruga zeigte sich im Nationalrat skeptisch, ob es wirklich die Aufgabe des Bundes sei, „pädagogisch auf die Kantone einzuwirken, indem er sie miteinander vergleicht.“ Dennoch überwies die grosse Kammer im Mai 2017 das Postulat mit 105 zu 80 Stimmen bei einer Enthaltung.

Beschleunigung der Strafverfahren (Po. 15.3447)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Nachdem der Ständerat die Motion dahingehend abgeändert hatte, dass es keine unbegleiteten Hafturlaube und Ausgänge für Verwahrte mehr geben soll, musste sich der Nationalrat noch einmal mit Natalie Ricklis (svp, ZH) Anliegen befassen. Die RK-NR beantragte ihrem Rat mit 12 zu 11 Stimmen die Ablehnung der Motion und schloss sich damit der Ansicht des Bundesrates an. Während die Minderheit, welche sich für die Annahme des Vorstosses aussprach, verwahrte Personen als „potenziell sehr gefährlich“ einstufte und die Gesellschaft keinem „vermeidbaren Risiko“ in der Begegnung mit solchen Personen aussetzen wollte, zweifelte die Mehrheit am sicherheitsfördernden Charakter der Massnahme. Bundesrätin Simonetta Sommaruga begründete die Bedenken damit, dass Verwahrte – nicht: lebenslänglich Verwahrte – dereinst entlassen werden können, wenn sie keine Gefahr mehr für die Öffentlichkeit darstellen. Hierzu sei ein schrittweiser Vollzug nötig, in dem Sinne, dass sich die verwahrte Person zuerst in begleiteten, dann in unbegleiteten Ausgängen bewähren müsse, bevor eine bedingte Freilassung in Frage komme. Es sei nicht einleuchtend, dass es der öffentlichen Sicherheit dienlich sei, hier den Schritt des unbegleiteten Urlaubs herauszubrechen und vom begleiteten Ausgang direkt zur bedingten Entlassung überzugehen. Die Mehrheit der grossen Kammer liess sich von dieser Argumentation jedoch nicht überzeugen und überwies die Motion mit 100 zu 71 Stimmen bei 10 Enthaltungen an den Bundesrat.

Keine Hafturlaube und Ausgänge für Verwahrte (Mo. 11.3767)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

In der Differenzbereinigung des BÜPF lag der Ball zu Beginn der Frühjahrssession 2016 beim Nationalrat. Unter den verbleibenden Streitpunkten waren die Frage, ob ein bestimmtes Vorgehen bei der Feststellung von Sicherheitslücken in Überwachungssystemen im Gesetz geregelt werden soll, und jene, ob GovWare durch eine zentrale Bundesstelle beschafft und zertifiziert werden soll, am wenigsten kontrovers. Beide Regelungen waren ursprünglich vom Nationalrat in die Vorlage aufgenommen worden. Nachdem sie im Ständerat allerdings nicht auf Gegenliebe gestossen waren, liess der Nationalrat die Bestimmungen fallen und schloss sich in diesen Punkten auf Antrag seiner Kommission diskussionslos dem Beschluss des Ständerates an. Dagegen sorgten die Aufbewahrungsfrist für Randdaten des Post- und Fernmeldeverkehrs sowie die Frage, ob solche Daten zwingend in der Schweiz gelagert werden müssen, für weit mehr Zündstoff. Während die Mehrheit der RK-NR in der Fristfrage einlenken und die Aufbewahrungsfrist für Randdaten bei sechs Monaten belassen wollte, setzte sich eine Kommissionsminderheit um Andrea Geissbühler (svp, BE) für das Festhalten am letzten nationalrätlichen Beschluss ein. Die hier vorgesehene zwölfmonatige Frist, wie sie auch im ursprünglichen Entwurf des Bundesrates vorgesehen war, sei für die erfolgreiche Arbeit der Strafverfolgungsbehörden wichtig, so das Hauptargument für die Fristverlängerung. Die Gegner führten dagegen vor allem den Persönlichkeitsschutz ins Feld. Seit der Verabschiedung der bundesrätlichen Botschaft sei in dieser Frage etwas Entscheidendes passiert, führte Bundesrätin Sommaruga im Nationalrat aus, nämlich die Ungültigkeitserklärung der europäischen Richtlinie über die Vorratsdatenspeicherung durch den EuGH, worauf viele europäische Staaten die Vorratsdatenspeicherung ganz ausgesetzt oder die entsprechenden Fristen verkürzt hätten. Obwohl das Urteil für die Schweiz nicht bindend ist, sei der Bundesrat zum Schluss gekommen, die Vorteile einer Fristerhöhung könnten die dadurch ausgelöste politische Unruhe nicht aufwiegen, weshalb der Bundesrat nun beantrage, die Frist vorerst bei sechs Monaten zu belassen. Eine Ratsmehrheit von rund zehn Stimmen stimmte schliesslich bei allen Anträgen betreffend die Aufbewahrungsfrist von Randdaten des Post- und Fernmeldeverkehrs gemäss der Kommissionsmehrheit und dem Bundesrat, womit die Frist auf sechs Monate festgesetzt wurde. Zum Schluss der Beratung wurde in der grossen Kammer darüber gestritten, ob Anbietern von Fernmeldediensten im Gesetz explizit vorgeschrieben werden soll, die Randdaten des Fernmeldeverkehrs in der Schweiz aufzubewahren. Auch diese Bestimmung war vom Nationalrat in den Entwurf eingefügt und anschliessend vom Ständerat wieder gestrichen worden. Die Kommissionsmehrheit beantragte dem Rat Festhalten, während eine Minderheit dafür plädierte, dem Beschluss des Ständerates zu folgen und den Aufbewahrungsort der Daten nicht im Gesetz festzuschreiben. Der Minderheitssprecher Karl Vogler (csp, OW) bezeichnete diese Vorschrift als unnötig, da jedes Unternehmen, das in der Schweiz seine Dienste anbiete, das schweizerische Recht und damit auch das schweizerische Datenschutzrecht beachten müsse und eine solche Regelung daher nichts an der Verantwortlichkeit der Anbieter ändere. Aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit gehe es auch darum, keine „obligatorisch-protektionistische Swissness-Vorschrift“ für die Schweizer Telekombranche zu schaffen. Pointierte Schützenhilfe bot u.a. der Sprecher der Grünliberalen Fraktion, Thomas Weibel (glp, ZH), indem er der Mehrheit „die realitätsfremde Erwartung, dass Bits und Bytes die Schweiz nicht verlassen können“ attestierte. Weitere Bedenken bestanden überdies darin, dass die zuständigen Behörden den tatsächlichen Speicherort der Daten gar nicht kontrollieren könnten sowie in der Verhältnismässigkeit; es gebe noch weitere, je nach Ansicht sogar noch sensiblere Daten – zum Beispiel Sozialversicherungs- oder Krankenversicherungsdaten –, die auch nicht in der Schweiz gespeichert sein müssten. Während sich die Ratsmitte mit Ausnahme von drei Abweichlern aus den CVP- und FDP-Fraktionen von diesen Argumenten überzeugt zeigte, stimmten sowohl der linke als auch der rechte Pol dem Mehrheitsantrag zu. Mit 114 zu 72 Stimmen bei drei Enthaltungen hielt die grosse Kammer somit an der Pflicht, Fernmeldedaten in der Schweiz aufzubewahren, fest.

Mit dieser verbleibenden Differenz und einigen unumstrittenen redaktionellen Anpassungen ging die Vorlage zurück an den Ständerat. Dort sprach sich nur eine Minderheit von 17 Stimmen für die vom Nationalrat beschlossene Verpflichtung aus. Die deutliche Ratsmehrheit von 25 Stimmen folgte dem Antrag ihrer Kommissionsmehrheit und lehnte die – in den Worten von Kommissionssprecher Stefan Engler (cvp, GR) „Scheinsicherheit“ schaffende – Bestimmung ab.

Vor dem nächsten Zug des Nationalrates kehrten sich die Mehrheitsverhältnisse in der vorberatenden RK-NR um. Es war nun die Mehrheit, welche sich gegen die zwingende Datenspeicherung in der Schweiz aussprach, und die Minderheit, die nach wie vor das Festhalten an der Bestimmung beantragte. Minderheitssprecher Franz Grüter (svp, LU) liess verlauten, sein Referendumskomitee stehe bereits in den Startlöchern und erhalte sicherlich Schub, wenn die Vorratsdatenspeicherung im Ausland erlaubt werde. Bundesrätin Sommaruga zeigte sich erstaunt über die Bedeutung, die dieser Frage plötzlich beigemessen werde; man habe „das Gefühl, es würde hier fast um Leben und Tod gehen.“ Auf beiden Seiten wurden dieselben Argumente wie in der letzten Diskussion wieder aufgewärmt und dieselbe Allianz aus Grünen, SP und SVP setzte sich mit 84 zu 73 Stimmen durch, wobei sich 35 Ratsmitglieder der Stimme enthielten, 31 davon allein aus der SP-Fraktion. Damit ging die Vorlage an die Einigungskonferenz.

Mit denkbar knapper Mehrheit, mit 13 zu 12 Stimmen, entschied die Einigungskonferenz, der Variante des Ständerates zu folgen und die umstrittene Bestimmung zu streichen. Der Ständerat, dem auch kein anderslautender Antrag vorlag, stimmte dem Antrag der Einigungskonferenz stillschweigend zu. Im Nationalrat hingegen lag ein Antrag Grüter auf Ablehnung des Antrages der Einigungskonferenz vor und die Debatte entwickelte sich zu einer Grundsatzdiskussion über die Gesetzesvorlage als Ganzes. Mit 151 zu 28 Stimmen bei 13 Enthaltungen sprach sich schliesslich auch die grosse Kammer deutlich für den Antrag der Einigungskonferenz aus und rettete das Projekt vor dem Scheitern. Von den vormals vehementen Verfechtern der nun fallen gelassenen Verpflichtung, Randdaten des Fernmeldeverkehrs zwingend und ausschliesslich in der Schweiz zu speichern, stimmte nun die grosse Mehrheit in den Reihen der SP- und SVP-Fraktionen dem Gesetz zu. Allein die Grüne Fraktion stellte sich bis zuletzt geschlossen dagegen. In der Schlussabstimmung am 18. März 2016 wurde das BÜPF im Nationalrat mit 160 zu 23 Stimmen bei 12 Enthaltungen und im Ständerat mit 41 zu 4 Stimmen angenommen.

BÜPF-Revision (BRG 13.025)
Dossier: Staatliche Überwachung

Im Zuge der Totalrevision des BÜPF hatte sich der Nationalrat in der Sommersession 2015 als Zweitrat mit dem Interessenskonflikt zwischen einer wirksamen Strafverfolgung und dem Persönlichkeits- bzw. Datenschutz zu befassen. Die zwei Hauptanliegen der Vorlage sind erstens die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung und zweitens die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage für den Einsatz von Staatstrojanern (GovWare). Im Vorjahr hatte der Ständerat als Erstrat nicht viel am Entwurf des Bundesrates geändert. In der grossen Kammer stiess die Vorlage jedoch auf mehr Widerstand. Nach einer emotionalen Eintretensdebatte lehnte der Nationalrat einen Minderheitsantrag der RK-NR auf Rückweisung des Geschäfts an den Bundesrat mit 128 zu 50 Stimmen bei 7 Enthaltungen ab. Die Minderheit um Daniel Vischer (gp, ZH) wollte den Bundesrat damit beauftragen, eine Vorlage ganz ohne Vorratsdatenspeicherung vorzulegen und den Einsatz von Staatstrojanern auf schwere Gewaltverbrechen zu beschränken. In der Detailberatung zeigte sich, dass die Vorlage schon in der Kommission umstritten gewesen war, musste die grosse Kammer doch über mehr als 40 Minderheitsanträge abstimmen. In einem ersten Beratungsblock befasste sich der Nationalrat mit den Randdaten und brachte in diesem Bereich zwei Änderungen an: Erstens müssen Anbieter von Postdiensten die Randdaten während eines Jahres aufbewahren anstatt wie vom Ständerat beschlossen nur während sechs Monaten und zweitens müssen Anbieter von Fernmeldediensten ihre gespeicherten Daten in der Schweiz aufbewahren. Im zweiten Block befasste sich die grosse Kammer mit Staatstrojanern und fügte einen neuen Artikel in die Strafprozessordnung und den Militärstrafprozess ein, welcher effiziente Massnahmen gegen den Missbrauch von GovWare bieten soll, indem die festgeschriebenen Voraussetzungen sicherstellen, dass die Programme nur das gesetzlich Zulässige tun können. Ausserdem soll die Beschaffung und Freigabe solcher Programme zentral geregelt und einem Dienst des Bundes übertragen werden. Zum Schluss der Beratung diskutierte der Nationalrat in einem dritten Block die allgemeinen Bestimmungen des Gesetzes. Hier wurde mit Stichentscheid des Präsidenten Rossini (sp, VS) ein Minderheitsantrag gutgeheissen, mit dem das Vorgehen geregelt wird, wenn Sicherheitslücken in Überwachungssystemen festgestellt werden: Der Bundesrat muss den EDÖB sowie die Öffentlichkeit darüber informieren und bei erheblichen Sicherheitslücken den Betrieb des betroffenen Systems bis zur Behebung des Mangels einstellen. In der Gesamtabstimmung stimmte die grosse Kammer der Vorlage mit 110 zu 65 Stimmen bei 9 Enthaltungen zu. Unterstützt wurde das Geschäft vor allem von der politischen Mitte, während es die geschlossene grüne Fraktion sowie die Mehrheiten der SP- und SVP-Fraktionen ablehnten. Sie monierten vor allem einen zu starken Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und den Datenschutz.

In der Wintersession desselben Jahres begann der Ständerat mit der Differenzbereinigung und folgte in allen Punkten den Anträgen seiner Rechtskommission. So strich er die vom Nationalrat aufgenommenen Bestimmungen über das Vorgehen bei Sicherheitslücken wieder aus dem Gesetz mit der Begründung, dass Fragen der Informatiksicherheit ins Datenschutzrecht gehörten und hier fehl am Platz seien. In Bezug auf die Aufbewahrungsdauer von Randdaten vollzog die kleine Kammer eine Kehrtwende und beschloss nun, die Fristen sowohl für den Post- als auch für den Fernmeldeverkehr bei sechs Monaten zu belassen. In erster Lesung hatte sie die Verlängerung auf zwölf Monate beim Fernmeldeverkehr noch gutgeheissen. Als einen Grund für diese Umkehr nannte Kommissionssprecher Stefan Engler (cvp, GR) das drohende Referendum: Die Vorratsdatenspeicherung sei per se schon umstritten, weshalb die Erhöhung auf zwölf Monate womöglich die Chancen eines allfälligen Referendums verbessern und damit die gesamte Vorlage gefährden könnte, was auf keinen Fall im Interesse der Strafverfolgungsbehörden liege. Bundesrätin Simonetta Sommaruga begrüsste diesen Kompromiss und betonte, die Frist sei sekundär, solange die Vorlage als Ganzes vorangebracht werde und man endlich die Möglichkeit erhalte, verschlüsselte Kommunikation mittels Staatstrojaner zu überwachen. Mit 20 zu 17 Stimmen bei 2 Enthaltungen strich der Ständerat die Pflicht, die gespeicherten Daten in der Schweiz aufzubewahren, wieder aus dem Entwurf. Die Minderheit, welche die Bestimmung beibehalten wollte, versprach sich davon mehr Datensicherheit, doch die Mehrheit erachtete den Absatz als nicht notwendig, da Schweizer Unternehmen ohnehin dem schweizerischen Datenschutzrecht unterstehen, unabhängig davon, wo sie die Daten lagern. Die Beschaffung und Zertifizierung von GovWare durch eine zentrale Bundesstelle wurde in der Kantonskammer ebenfalls fallengelassen, weil dadurch zu sehr in die kantonale Hoheit über die Strafverfolgung eingegriffen würde. In allen anderen Punkten schloss sich der Ständerat der Fassung des Nationalrates an. Über die verbleibenden Differenzen wird die grosse Kammer im kommenden Jahr beraten.

BÜPF-Revision (BRG 13.025)
Dossier: Staatliche Überwachung

Mit seiner Motion «Für ein modernes Verwaltungsstrafrecht» forderte Andrea Caroni (fdp, AR) den Bundesrat auf, das aus den 1970er-Jahren stammende Verwaltungsstrafrecht zu revidieren. Ob dies mittels einer Totalrevision des geltenden Bundesgesetzes über das Verwaltungsstrafverfahren oder durch Ergänzung des Strafgesetzbuches und der Strafprozessordung geschehen soll, liess der Motionär offen. Aufgrund der Rechtsentwicklung und insbesondere der Einführung einer modernen Strafprozessordnung im Jahr 2011 erachtete der Bundesrat die Revision als angezeigt und empfahl die Motion zur Annahme. Der Nationalrat folgte dieser Empfehlung und nahm den Vorstoss in der Frühjahrssession 2015 diskussionslos an. In der Herbstsession war auch der Ständerat der Ansicht, dass Handlungsbedarf bestehe und stimmte dem Anliegen zu, wie es ihm seine Rechtskommission einstimmig beantragt hatte. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga fügte an, dass der Bundesrat das Verwaltungsstrafrecht weiterhin in einem eigenständigen Erlass regeln wolle und er somit bei der Umsetzung der Motion die Totalrevision des bestehenden Gesetzes bevorzuge.

Für ein modernes Verwaltungsstrafrecht

Nach 2008 reichte Doris Fiala (fdp, ZH) 2013 erneut eine Motion zum Stalking ein und wollte damit verhindern, dass das Thema auf die lange Bank geschoben wird. Die frühere Motion war mit der Begründung abgelehnt worden, das geltende Strafrecht und der damals neu geschaffene Artikel 28b ZGB (Schutz der Persönlichkeit gegen Gewalt, Drohungen oder Nachstellungen) böten ausreichenden Schutz für Stalking-Opfer. Gleichzeitig hatte der Bundesrat versprochen, fünf Jahre nach Inkrafttreten dieses Artikels am 1. Januar 2007 dessen praktische Umsetzung und Wirksamkeit zu evaluieren. Mit der neueren Motion forderte Fiala vom Bundesrat, den in Aussicht gestellten Evaluationsbericht vorzulegen. Allfällige Massnahmen zum verbesserten Schutz von Stalking-Opfern sollen zudem nicht nur geprüft, sondern umgehend in die Wege geleitet werden. Der Bundesrat liess in seiner Stellungnahme verlauten, die Evaluation sei im Gange und der Schlussbericht werde voraussichtlich bis Ende 2014 vorliegen. Er beantragte die Ablehnung der Motion; es sei verfrüht, den Handlungsbedarf vor Vorliegen der Evaluationsergebnisse zu bejahen.
In der Herbstsession 2015 nahm der Nationalrat die Motion schliesslich mit überwältigender Mehrheit an. Der Evaluationsbericht lag zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht vor. Bundesrätin Simonetta Sommaruga versicherte jedoch, der Bundesrat arbeite mit Nachdruck daran und das Anliegen der Motion werde bald erfüllt sein, weshalb eine Annahme der Motion jetzt auch nichts mehr ändere.

Stalking-Thema nicht auf die lange Bank schieben (Mo. 13.3742)
Dossier: Verbesserung des Schutzes für Stalking-Opfer

Die im Nachhall der Debatte um den Fall „Carlos“ eingereichte und von 110 Nationalrätinnen und Nationalräten mitunterzeichnete Motion Fehr (svp, ZH) zur Verschärfung des Jugendstrafrechts wurde im Herbst 2015 von der grossen Kammer abgelehnt. Der Motionär forderte unter anderem die Möglichkeit, Jugendliche bei besonders schweren Taten nach Erwachsenenstrafrecht verurteilen zu können. Die verlangten Änderungen seien unnötig und „erst noch kontraproduktiv“, so Justizministerin Sommaruga.

Mo. Fehr (13.3725): Verschärfung des Jugendstrafrechts („Carlos“)

Im Frühling 2015 setzte der Nationalrat das laufende Differenzbereinigungsverfahren zur Revision des Sanktionenrechts fort. Die umstrittenen Kernpunkte waren nach wie vor die Mindesthöhe der Tagessätze, die Möglichkeiten der Zahlungsfristverlängerung sowie des Vollzugs von Geldstrafen über den Betreibungsweg, der Vorrang von Geldstrafen vor Freiheitsstrafen und die Existenz der bedingten Geldstrafen. Betreffend die Mindesthöhe von Tagessätzen stimmte die grosse Kammer mit 104 zu 87 Stimmen einem Kompromissvorschlag ihrer Kommissionsmehrheit zu. Demnach sollen Tagessätze grundsätzlich mindestens CHF 30 betragen, in Anbetracht der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Bestraften aber ausnahmsweise auf CHF 10 gesenkt werden können. Bundesrätin Sommaruga zeigte sich zufrieden mit diesem Vorschlag, da er die bestehende Praxis klar und eindeutig ins Gesetz schreibe. Die Möglichkeiten zur Verlängerung der Zahlungsfrist von Geldstrafen und zum Vollzug über den Betreibungsweg akzeptierte der Nationalrat mit 124 zu 55 Stimmen und räumte damit diese Differenz aus. Da mit der Wiedereinführung der kurzen Freiheitsstrafen ein Bereich geschaffen wurde, in dem entweder eine Geld- oder eine Freiheitsstrafe ausgesprochen werden kann, war das Verhältnis dieser beiden Sanktionsformen noch zu regeln. Der Nationalrat akzeptierte den grundsätzlichen Vorrang von Geld- vor Freiheitsstrafen, strich aber gleichzeitig die Begründungspflicht bei Abweichungen vom Grundsatz. Mit den vier verbleibenden Differenzen befasste sich der Ständerat in der Sommersession.

Der Kompromiss betreffend die Tagessätze stiess in der Kantonskammer auf stillschweigende Zustimmung. Die Pflicht zu begründen, warum statt einer Geld- eine Freiheitsstrafe ausgesprochen wird, wollte der Ständerat jedoch beibehalten. Bei den bedingten Geldstrafen folgte er der grossen Kammer und gab seine Position auf, dass Geldstrafen immer zur Hälfte unbedingt ausgesprochen werden müssten. Eine Differenz bezüglich der Strafprozessordnung blieb weiter bestehen, da der Ständerat die vom Nationalrat vorgesehene Ausweitung der Strafbefehlskompetenz des Staatsanwaltes ablehnte. Zum Abschluss ihrer Beratungen fügte die kleine Kammer noch eine Koordinationsbestimmung mit den im März 2015 verabschiedeten Änderungen im Ausschaffungsrecht ein: Im Falle des Inkrafttretens beider Gesetzesrevisionen sollen die Bestimmungen zur Landesverweisung im Ausschaffungsrecht Vorrang haben vor der entsprechenden, weniger weit gehenden Bestimmung im Sanktionenrecht. Die Einigungskonferenz beantragte schliesslich, in beiden verbleibenden Differenzen dem ständerätlichen Standpunkt zu folgen. Dieser Antrag wurde in beiden Kammern stillschweigend angenommen. In der Schlussabstimmung sprach sich der Ständerat einstimmig für die Gesetzesrevision aus, während sie im Nationalrat mit 142 zu 50 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen wurde. Alle ablehnenden Voten kamen aus der Fraktion der SVP.

Stefan Engler (cvp, GR), Sprecher der RK-SR, fragte am Schluss der Ratsdebatte: „Was schaut nach rund drei Jahren Arbeit des Gesetzgebers an wesentlichen Neuerungen heraus?“ Die Freiheitsstrafe erhält gegenüber der Geldstrafe mehr Gewicht, kurze Freiheitsstrafen sind unter Vorbehalt des Vorrangs der Geldstrafe wieder möglich, die gemeinnützige Arbeit ist neu Vollzugsform und nicht mehr eigene Sanktion und es wurde eine gesetzliche Grundlage für das sogenannte Electronic Monitoring geschaffen. Die bedingte Geldstrafe, welche im Zentrum der diese Revision auslösenden Kritik stand, besteht weiter.

Revision des Sanktionenrechts (BRG 12.046)
Dossier: Revision des Sanktionenrechts (Allgemeiner Teil des Strafgesetzbuches)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )