In der Herbstsession kam die Revision des RPG in den Nationalrat. In diesem verlief die Diskussion ungleich heftiger, zumal auch die Lobbies ihre Arbeit auf die grosse Kammer konzentriert hatten. Vorab LdU/EVP, Grüne und SP opponierten der Vorlage, da diese sowohl den Raumplanungszielen als auch der vom Bund postulierten ökologischeren Landwirtschaftspolitik widerspreche. Im Mittelpunkt der Kritik stand dabei die Zulassung der bodenunabhängigen Produktion. Dagegen forderten Gewerbekreise gleich lange Spiesse für Gewerbe und Bauern und damit eine noch weitergehende Liberalisierung in der Landwirtschaftszone. Das Plenum lehnte drei Rückweisungsanträge schliesslich ab und trat mit 102 zu 59 Stimmen auf die Vorlage ein. In der Detailberatung blieb nach dem Ständerat auch der Nationalrat auf der Linie des Bundesrates. Er sanktionierte die Zulassung von bodenunabhängigen Produktionsstätten wie Masthallen und Hors-sol ebenso wie die Angliederung eines gewerblichen Nebenbetriebes eines Landwirts, wenn die Bauernfamilie pro Jahr weniger als CHF 70 000 Reineinkommen erzielt und der Nebenerwerb „betriebsnah“ ist. Im Rahmen der neuen Landwirtschaftspolitik wird die bodenunabhängige Nutzung jedoch nicht subventioniert. Das RPG hält die Kantone ausserdem dazu an, bodenunabhängige Produktion nur dort zuzulassen, wo dies sachgerecht erscheint. Den Maststallungen sind auch durch das Gewässerschutzrecht relativ enge Grenzen gesetzt. Der Nebenbetrieb muss vom Bewirtschafter des landwirtschaftlichen Gewerbes selber geleitet werden. Auch der Umnutzung von nicht mehr benutzten landwirtschaftlichen Wohnbauten zu landwirtschaftsfremden Wohnnutzungen stimmte der Nationalrat zu, der Umbau reiner Ökonomiegebäude bleibt dagegen untersagt. Das neue Gesetz sieht folgende Einschränkungen vor: 1.) Der Bau darf nicht mehr benötigt werden, 2.) Die äussere Erscheinung und die Grundstruktur müssen im wesentlichen unverändert bleiben. Aufstockungen und Erweiterungen sind nicht möglich, 3.) Es darf keine wesentliche Neuerschliessung nötig sein; Infrastrukturkosten liegen beim Eigentümer.

Eine gewichtige Differenz zum Ständerat schuf der Nationalrat, indem er die Umnutzung von Wohnraum nicht auf „gut erhaltene“ landwirtschaftliche Wohnbauten jeder Art beschränkte, wie dies Bundesrat und Ständerat vorgeschlagen hatten. Damit würden etwa auch zusammengefallene Rustici im Tessin zum Um- und Wiederaufbau freigegeben. Silva Semadeni (sp, GR) fand mit ihrer Forderung, die bewährte Bündner Praxis für alle Kantone vorzuschreiben, kein Gehör. Im Kanton Graubünden muss die Schutz- und Erhaltenswürdigkeit in einem kantonalen Inventar nachgewiesen sein, damit leerstehende alte Agrarbauten zu Wohnungen oder Ferienhäusern umfunktioniert werden dürfen. Dafür obsiegte mit 84 zu 51 Stimmen ein Antrag der Kommissionsmehrheit, wonach vollständige Zweckänderungen von Bauten zulässig sind, wenn diese vor dem 1. Januar 1980 erstellt worden sind. Damit wären alle vor 1980 erstellten Bauten von den Regeln ausgenommen, welche die Raumplanung (das Raumplanungsgesetz trat am 1.1.1980 in Kraft) dem Bauen und Umbauen auferlegt. Vergeblich wehrte sich die Kommissionsminderheit gegen diese Privilegierung von älteren Gebäuden, und Bundesrat Arnold Koller warnte davor, dass ein vor 1980 gebautes Landwirtschaftsgebäude so vollständig für gewerbliche Zwecke umgenutzt werden könnte, was dem verfassungsrechtlichen Trennungsgrundsatz von Landwirtschaftszone und Wohn- und Gewerbezone widerspreche. Immerhin lehnte der Nationalrat mit 91 zu 76 Stimmen einen Antrag Schmid (svp, BE) ab, der zulassen wollte, dass landwirtschaftsfremde Wohnnutzungen mit einer kleingewerblichen Nutzung verbunden werden können. Auch andere Vorstösse zur Erweiterung der gewerblichen Nebenerwerbsmöglichkeiten der Landwirte kamen nicht durch: Ein Antrag Hasler (svp, AG) auf Streichung des Kriteriums der Betriebsnähe wurde ebenso abgelehnt wie ein Antrag Vallender (fdp, AR), der auf die Festlegung einer Einkommensschwelle verzichten wollte. Auf der Strecke blieben auch Korrekturversuche der Landschaftsschützer: Lili Nabholz (fdp, ZH), Präsidentin der Schweizerischen Stiftung für Landschaftsschutz und Landschaftspflege, kam mit ihrer Forderung, die Bewohner der zweckentfremdeten Bauernbauten wenigstens zur Landschaftspflege des umliegenden Landes zu verpflichten, nicht durch. Ein Minderheitsantrag der Kommission, der mit zusätzlichen Auflagen die bodenunabhängige Produktion weiter einschränken wollte, scheiterte ebenfalls.

Die Schlussabstimmung von 80 zu 63 Stimmen bei 10 Enthaltungen zeigte, dass die Unzufriedenheit von Landschaftsschutzkreisen und Kleinbauern sowie Teilen des Gewerbes über das revidierte Raumplanungsgesetz gross ist. Grüne, die Schweizerische Vereinigung zum Schutz der kleinen und mittleren Bauern (VKMB) und Landschaftsschützer kündigten noch vor der Differenzbereinigung das Referendum gegen die RPG-Revision an.

Teilrevision des Raumplanungsgesetzes (BRG 96.040)
Dossier: Bauen ausserhalb der Bauzonen