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Der Swissmem-Direktor Stefan Brupbacher sah sich im Juni 2019 mit dem Vorwurf konfrontiert, bereits vor seinem Amtsantritt bei Swissmem, als er also noch Generalsekretär beim WBF war, dem Industrieverband vertrauliche Angaben über einen Antrag Aebi (svp, BE) betreffend die Handhabung von Palmölimporten zugespielt zu haben, der für eine damals noch bevorstehende Sitzung der APK-NR im Jahr 2018 zum Wirtschaftspartnerschaftsabkommen zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien traktandiert war.
Gemäss Medienberichten wollte sich Andreas Aebi (svp, BE) im November 2018 per Antrag in der APK-Sitzung um erneut strengere Bestimmungen bezüglich der Palmöl-Importe im Freihandelsabkommen mit Indonesien bemühen, nachdem die Auflagen im September bereits im Ständerat nach Annahme einer Motion verschärft worden waren. Laut Basler Zeitung hätte eine Annahme des Antrags von Aebi den Abschluss des Freihandelsabkommens erschwert und «gravierende Folgen für die Swissmem-Unternehmen und die übrige Exportwirtschaft» gehabt. Zwar zog Aebi letztlich seinen Antrag an der besagten Sitzung im November wieder zurück, dass Brupbacher aber Swissmem bereits vor der Behandlung des Antrags in der Sitzung vor dessen Inhalt warnte, sorgte schliesslich für den Eklat: Die Presse berichtete über einen Mailwechsel zwischen Brupbacher und dem damaligen Interimsdirektor von Swissmem, Jean-Philipp Kohl, der nur wenige Tage vor der Sitzung stattgefunden hatte. Dem Tages-Anzeiger zufolge, welcher Auszüge aus der Korrespondenz veröffentlichte, bezeichnete Brupbacher darin den Antrag Aebis als «desaströs» und betonte, es gelte, den «einen oder anderen Parlamentarier aus CVP und SVP» von den negativen Auswirkungen des Antrags zu überzeugen. Kohl dankte daraufhin Brupbacher und fragte nach, ob denn «alle anderen in der Kommission» entweder «clean» oder bereits «hoffnungslos verloren» seien. Angeblich erhielten mehrere CVP-Politiker sodann Mails von Kohl, worin sie darum gebeten wurden, mögliche Verschärfungen betreffend das Freihandelsabkommens zu bekämpfen.

Mit seinem Verhalten, so der im Sommer 2019 laut gewordene Vorwurf, habe sich Brupbacher bereits vorsorglich für seinen zukünftigen Arbeitgeber eingesetzt und dadurch «zahlreiche Punkte des Verhaltenskodexes des Bundespersonals» wie etwa die Ausstandspflicht bei Befangenheit oder die Geheimhaltungspflicht verletzt. Gegenüber den Medien bezeichnete auch APK-Präsidentin Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL) nach Bekanntwerden des Vorfalls das Vorgehen Brupbachers als «nicht akzeptabel» und im November 2019 eröffnete die Bundesanwaltschaft gar ein Strafverfahren gegen den heutigen Verbandsdirektor. Brupbacher selbst sei sich laut NZZ keiner Schuld bewusst – auch gelte die Unschuldsvermutung –, denn die Traktandenliste für die diskutierte Sitzung von 2018 sei «breit bekannt» und der «Widerstand gegen das Freihandelsabkommen» kein Geheimnis gewesen.

Strafverfahren gegen den Verbandsdirektor von Swissmem

Wie der «Blick» berichtete, seien im Oktober 2019 die Räumlichkeiten von Economiesuisse von «Autonomen gestürmt» worden. Die Aktivisten hätten sich Zutritt zum Büro des Wirtschaftsverbandes verschafft und Masken des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan getragen. Hinter der Aktion steckte die linksautonome Gruppierung «Revolutionäre Jugend Bern», die ein Video von der Aktion veröffentlichte. Sie warf Economiesuisse vor, mit «Diktaturen und Terrorregimen» wie der Türkei zusammenzuarbeiten, da sich der Verband für ein Freihandelsabkommen mit dem Land eingesetzt hatte. Der Wirtschaftsverband erstattete aufgrund des Vorfalls Anzeige wegen Hausfriedensbruch und Drohung.

Linksautonome Economiesuisse

Die Bankiervereinigung erhielt 2019 einen neuen Chef: Per 1. Mai übernahm Jörg Gasser mit seiner Ernennung zum CEO die Leitung des Bankierverbands. Herbert Scheidt, Präsident des Verwaltungsrats, zeigte sich zufrieden über die Wahl. Vor seinem Amtsantritt war Gasser Staatssekretär für Internationale Finanzfragen gewesen, wodurch er sich auf dem Schweizer Finanzplatz «grossen Respekt» erarbeitet habe. Davor war er Generalsekretär beim EJPD sowie Vermittler in Krisengebieten beim IKRK gewesen, wie auch der entsprechenden Medienmitteilung des Verbands zu entnehmen war.
Der bisherige CEO des Branchenverbands, Claude-Alain Margelisch, sei schon 25 Jahre im Amt und habe schon länger den «Wunsch nach einem Wechsel» geäussert, erklärte Scheidt gegenüber dem Tages-Anzeiger. Nun liege Gassers Aufgabe als neuer Verbandschef darin, die Innovation der Branche voranzutreiben, denn der Finanzplatz sei mit der Digitalisierung und dem Ende des Bankgeheimnisses «in eine neue Ära eingetreten».

Jörg Gasser wird neuer Chef der Bankiervereinigung

Der Schweizerische Gewerbeverband fasste Ende Januar 2019 die Ja-Parole zur STAF-Vorlage, über die im Mai desselben Jahres an der Urne abgestimmt wurde. Die Vorlage sei ein Kompromiss, welcher «die wirtschaftliche Position der Schweiz im internationalen Standortwettbewerb stärke» und gleichzeitig die Sozialwerke stabilisiere. Die Interessen der Unternehmen würden dabei genügend berücksichtigt und die steuerliche Autonomie der Kantone gewahrt. Damit werde die STAF den vom SGV kommunizierten Anforderungen gerecht, wie einer Medienmitteilung des Verbands zu entnehmen war.

Ja-Parole STAF

Der SBV setzte sich zum Jahresbeginn 2019 für mehr Anerkennung der wirtschaftlichen Leistung des Landwirtschaftssektors ein. Wie der Tages-Anzeiger und die Basler Zeitung berichteten, wehrte sich Verbandspräsident Markus Ritter an einer Medienkonferenz im Januar gegen die gängige Betrachtungsweise, wonach die Leistung des Landwirtschaftssektors anhand des Anteils am BIP berechnet wird, wie dies auch bei anderen Branchen der Fall sei. «Dem effektiven Wert der Urproduktion» werde diese Berechnungsweise nicht gerecht, so Ritter, denn die Bauern stellten nicht nur in ländlichen Gebieten einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar. Die Landwirtschaft sei eng mit dem Handel oder der Industrie verflochten, indem sie etwa Rohstoffe zur Weiterverarbeitung produziere, Lebensmittel an Detailhändler ausliefere oder der Landmaschinenhandel und das Veterinärwesen von ihnen abhänge. Der tatsächliche Wert der Landwirtschaft sei deshalb viel höher anzusetzen, meinte Ritter: Die Branche, beziehe man sowohl Handel als auch Verarbeitung mit ein, mache acht Prozent der Schweizer Arbeitsplätze aus und habe einen Marktwert von gegen CHF 60 Mrd. Zum Vergleich: In einer Publikation von 2019 gab das Bundesamt für Statistik für das Jahr 2016 einen Gesamtproduktionswert der Landwirtschaft von lediglich CHF 10.29 Mrd. an.
Dass der Verband diese «Informationsoffensive» im Frühjahr ansetzte, sei kalkuliert gewesen, urteilte die Presse. Einerseits standen im Herbst die eidgenössischen Wahlen an, anderseits wurden mit der Revision des Raumplanungsgesetzes, einem neuen Freihandelsabkommen sowie den Volksinitiativen «Für sauberes Trinkwasser» und «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» politische Entscheide diskutiert, die den Landwirtschaftssektor direkt betrafen. Alle diese Traktanden hätten laut Ritter das Potenzial, die Schweizer Landwirtschaft zu schwächen. Es sei daher notwendig, sich gegen die «Marginalisierung der wirtschaftlichen Leistung der Landwirtschaft» einzusetzen.

Wie viel sind die Bauern wert?

Per 1. November 2018 wurde Markus Bänzinger zum neuzen Direktor der IHK gewählt. Bänzinger kandidierte 2015 als Nationalrat, ob er 2019 erneut antreten werde, wisse er aber laut einem Interview im St. Galler Tagblatt noch nicht. Zuvor hatte Kurt Weigelt das Amt des Direktors inne gehabt.

Bänzinger Direktor IHK

Viele Gewerbe- und Unternehmerverbände, darunter auch Economiesuisse, lehnten die Selbstbestimmungsinitiative ab. Economiesuisse argumentierte etwa, dass rund 600 Wirtschaftsabkommen der Schweiz – darunter beispielsweise bilaterale Verträge mit der EU oder Freihandelsabkommen – bei einer Annahme der Initiative gefährdet seien. Gestört fühlte man sich ob diesem Argumentarium in der Weltwoche: Glaube man den Aussagen des Verbandes, so steuere die Schweiz bei einer Annahme der Initiative auf eine «wirtschaftliche Apokalypse» zu. Auch die SVP kritisierte den Wirtschaftsverband scharf: Thomas Matter (svp, ZH) warf der Economiesuisse gar vor, sie wolle die direkte Demokratie abschaffen, wie das St. Galler Tagblatt berichtete. Heinz Karrer, Präsident der Organisation, tat daraufhin die Kritik Matters als Polemik ab. Die einzige Gefahr für «unser funktionierendes System», so Karrer ebenfalls im St. Galler Tagblatt, sei die Initiative selbst.
Dass die Argumente von Economiesuisse «Quatsch» seien, fand aber auch FDP-Nationalrat Thierry Burkhart (fdp, AG), wie der Sonntags-Blick berichtete. Economiesuisse verwende stets die gleichen Argumente, wonach die Schweiz auf eine wirtschaftliche Katastrophe zusteuere, würde nicht entsprechend abgestimmt. Diese Rhetorik sei nicht glaubwürdig und verfehle die Wirkung. Dennoch, so Burkhart weiter, sei es wichtig, dass die Initiative auch von der Wirtschaft bekämpft werde.
Kaum Unterstützung erhielt die Initiative ferner vom SGV, dessen Delegierte die Nein-Parole beschlossen. Der Gewerbeverband des Kantons St. Gallen wich freilich ab und gab die Ja-Parole heraus.

Economiesuisse/SGV zur Selbstbestimmungsinitiative

Stefan Brupbacher wurde im Oktober 2018 zum neuen Direktor von Swissmem gewählt. Zuvor war der Verband interimistisch von Vizedirektor Jean-Philippe Kohl geleitet worden, nachdem Peter Dietrich 2017 nach zwei Jahrzehnten als Direktor zurückgetreten war. Der neue Direktor Brupbacher konnte seine Wähler nicht zuletzt mit seiner bisherigen Laufbahn überzeugen: Vor seiner Ernennung war er seit Mitte 2014 unter Bundesrat Schneider-Ammann, welcher Swissmem selbst bis 2010 präsidiert hatte, als Generalsekretär des WBF sowie vor seiner Anstellung beim WBF als Generalsekretär der FDP tätig – der Tages-Anzeiger bezeichnete ihn daher als «Schattenminister» und «Mastermind hinter Schneider-Ammanns Freihandels- und Bauernpolitik». Auch übte Brupacher laut Aargauer Zeitung bereits vor seiner Ernennung zum Direktor von Swissmem Einfluss im Sinne des Verbandes aus: Da bei Swissmem auch die Waffenproduzenten organisiert seien und Brupbacher als einstiger FDP-Generalsekretär und Vertrauter von Schneider-Ammann in Bundesbern über ein entsprechendes Netzwerk verfüge, sei er im Juni auch an der Entscheidung des Bundesrates, die Bestimmungen bezüglich des Exports von Rüstungsgütern zu lockern, beteiligt gewesen.

Stefan Brupbacher Direktor von Swissmem

Die Niederlage in der Abstimmung über die Unternehmenssteuerreform III (USR III) brachte die kampagnenführenden Wirtschaftsverbände, insbesondere Economiesuisse, politisch unter Druck. Im Interview mit dem «Blick» eine Woche nach der Abstimmung distanzierte sich FDP-Parteipräsidentin Petra Gössi, deren Partei sich neben dem SGV und Economiesuisse zuvorderst an der Ja-Kampagne zur USR-III-Abstimmung beteiligt hatte, deutlich von den Wirtschaftsverbänden. Einzelne Wirtschaftsverbände hätten in der Bevölkerung kein gutes Ansehen mehr, schlimmer sei aber, dass die Verbände zwar «reichlich Geld», aber das Gespür verloren hätten, «von wo der politische Wind weht». Das fehlende politische Gespür verortete Gössi im Versagen von Economiesuisse, ein Bindeglied zwischen Politik und Wirtschaft zu sein und auch Missstände in der Wirtschaft aufzeigen zu können. «Warum verdient zum Beispiel ein Manager Abermillionen, wenn das Unternehmen gleichzeitig Verluste einfährt?», fragte Gössi rhetorisch und antwortete gleich selbst, dass dies «kein Mensch» verstehe. Auch zeigte sie sich enttäuscht, dass ihre Partei in der Abstimmungskampagne zu wenig zu Wort gekommen sei. «Eine Kampagne wie bei der Unternehmenssteuerreform III wird es mit der FDP nicht mehr geben», schlussfolgerte Gössi. In Zukunft sehe sie keinen anderen Weg, als dass in Abstimmungskampagnen die Parteien wieder die Führung übernehmen müssten. In der «Schweiz am Sonntag» griff auch Ulrich Giezendanner (svp, AG) die Führung von Economiesuisse an. Er beanstandete, dass der Wirtschaftsverband im Parlament an Bedeutung verliere und dessen Präsident Heinz Karrer und die Direktorin Monika Rühl öffentlich zu wenig präsent seien, um das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen zu können. Giezendanner forderte die Absetzung der Economiesuisse-Führung, musste sich aber im Gegenzug den Vorwurf gefallen lassen, dass er sich als SVP-Politiker eine europapolitisch kritischere Verbandsspitze wünsche und ihm ein Wechsel im Führungsstab in dieser Hinsicht gelegen käme. Giezendanner forderte jedoch auch, dass die Kampagnenführung vom Dachverband getrennt werden solle – eine Idee, die der ehemalige Direktor von Avenir Suisse, Gerhard Schwarz, nach der USR-III-Abstimmung in der NZZ aufgeworfen hatte. Bis im Jahr 2000 habe es neben Economiesuisse, dem Arbeitgeberverband und dem SGV noch die «Wirtschaftsförderung» als Kampagnenorganisation der Wirtschaftsverbände gegeben. Würden das Lobbying und die Kampagnenführung eines Wirtschaftsverbandes nicht getrennt, könnten sie sich gegenseitig beschädigen, so Schwarz, weil Lobbying persönliche Kontakte und grosse Detailgenauigkeit in politischen Geschäften erfordere, die Kampagne hingegen Massenkommunikation sei und meist Vereinfachungen verlange. In der «Nordwestschweiz» verwies der Mediensprecher von Economiesuisse darauf, dass man im Verband eine Aufteilung von Lobbying und Kampagnenführung nach der verlorenen Abzocker-Initiative ernsthaft geprüft habe und damals zum Schluss gekommen sei, die beiden Bereiche nur intern zu trennen. Bei der Analyse der USR III werde dies aber erneut Thema sein. Monika Rühl und Heinz Karrer verwiesen nach der Abstimmung darauf, dass man die Kampagne noch sorgfältig analysieren müsse. Sicher wolle man bei zukünftigen Kampagnen vermehrt die persönliche Betroffenheit bei den Stimmbürgern aufzeigen, so wie dies den Gegnern der USR III gelungen sei, so Rühl in der Luzerner Zeitung. Aber auch das Economiesuisse-Projekt «Wirtschaft und Gesellschaft», mit welchem Economiesuisse seit zwei Jahren versucht, den Dialog zur Bevölkerung herzustellen, müsse fortgeführt werden. Heinz Karrer gab in der Basler Zeitung zu bedenken, dass Auftritte von Persönlichkeiten wie alt Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf und der ehemalige Solothurner FDP-Regierungsrat Christian Wanner ebenfalls das Abstimmungsresultat beeinflusst haben dürften und die Niederlage nicht alleine auf Fehler in der Kampagnenführung zurückzuführen sei. Ein Rücktritt seinerseits sei derzeit kein Thema.

Wirtschaftsverbände USR III

Heinz Karrer, Präsident von Economiesuisse, verlor 2016 sein gewichtigstes Verwaltungsratsmandat. Der bis dato schweizerische Reisekonzern Kuoni, dessen Verwaltungsratspräsident Karrer seit 2014 war, wurde im Mai an die schwedische Beteiligungsgesellschaft EQT verkauft, wodurch sämtliche Verwaltungsräte von Kuoni ihre Posten räumen mussten. Nach dem Rücktritt bei Kuoni hatte Karrer zwar noch drei Verwaltungsratsmandate inne, jedoch war er nirgends mehr Präsident. Damit erfüllte er eine vage formulierte Vorgabe in den Verbandsstatuten von Economiesuisse nicht mehr, wonach der Verbandspräsident „in der Regel“ ein Verwaltungsratspräsidium ausüben sollte.

Präsident von Economiesuisse ohne Verwaltungsratspräsidium

Für grosse Medienaufmerksamkeit sorgten im März die Austrittsdrohung des Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH) aus der Economiesuisse und die damit einhergehenden Beanstandungen, welche eines der wichtigsten Mitglieder, Swatch-Group-Chef Nick Hayek am Dachverband äusserte. Sowohl in der Debatte um den starken Franken von 2011 wie auch bei der Kampagne gegen den Atomausstieg und bei der Swissness-Diskussion habe sich die Economiesuisse ungeschickt positioniert. Tatsächlich war dieser letzte Punkt wohl der Hauptgrund für den angedrohten Austritt: Der FH war unzufrieden mit der Festlegung des Ständerats im vergangenen Winter, dass Produkte mit dem Label „Swiss-Made“ nur zu 50% wirklich aus der Schweiz stammen müssten. Der Verband hatte für eine Sonderlösung plädiert, die zumindest bei Uhren eine höhere Schwelle von 60% angesetzt hätte. Als sich das Parlament nach längerem Hin und Her im Sommer doch noch für eine generelle Untergrenze von 60% aussprach, war es allein eine Frage der Zeit, bis der FH seine Drohung zurückziehen würde: Nach der gewonnenen 1:12-Abstimmung und der personellen Reorganisation der Economiesuisse erfolgte dieser Schritt im November.

Verbands der Schweizerischen Uhrenindustrie (FH)

Der Verband der Treuhänder in der Schweiz beschloss im Sommer, die Dachorganisation freier Berufe (SVFB) zu verlassen. Als Begründung wurde das Abstimmungsverhalten von Nationalrat und SVFB-Präsident Pirmin Bischof (cvp, SO) während den Debatten zur Lex USA angegeben: Bischof habe sich mit seiner Zustimmung zum Gesetz gegen die fundamentalen Interessen des Verbandes gestellt, eine Mitgliedschaft sei daher nicht länger tragbar. Auf den Austritt angesprochen, betonte Bischof, dass im Vorfeld der Ratsdebatten fünf verschiedene Stellungnahmen beim SVFB eingegangen seien: Als Dachverband müsse man die Interessen aller Mitglieder vertreten, was er auch in der kritisierten Abstimmung versucht habe. Dem SVFB werden mit dem Weggang des Treuhänderverbands CHF 15 000 an Mitgliederbeiträgen entzogen.

Verband der Treuhänder

Mitte März wurde eine neue wirtschaftsfreundliche Plattform ins Leben gerufen: „Succèsuisse“ soll sich laut deren Gründer, Nationalrat Ruedi Noser (fdp, ZH), für die Verteidigung des schweizerischen Erfolgsmodells einsetzen. Dieses werde zurzeit durch verschiedenste Volksbegehren infrage gestellt; als Beispiele nannte Noser die linke 1:12- und die Mindestlohn-Initiative sowie die immigrationskritischen Anliegen Ecopop und die Initiative gegen Masseneinwanderung. Es stünden bereits 200 bis 500 Unternehmen hinter Succèsuisse, man wolle sich künftig mit Economiesuisse und dem Gewerbeverband koordinieren.

Succèsuisse

Der auf grünes Wirtschaften ausgerichtete Verband Swisscleantech kündigte im März an, sein Wirkungsgebiet auf soziale Themen ausweiten zu wollen: Volksbegehren wie die Abzockerinitiative, 1:12 oder die Mindestlohninitiative würden eine gewisse Wut und ein Misstrauen gegenüber der Wirtschaft in der Bevölkerung aufzeigen. Die Unternehmen müssten darauf eingehen, indem sie vermehrt ihre soziale Verantwortung wahrnähmen und z.B. für eine faire Entlohnung auf allen Stufen sorgten. Gleichzeitig sei der Dialog mit der Bürgerschaft wichtig, um zu erklären, dass die Schweiz auf das liberale Wirtschaftsmodell angewiesen sei und dass man die oben genannten Initiativen daher ablehnen sollte.

Swisscleantech

Economiesuisse-Präsident Gerold Bührer (fdp, SH) kündigte im Sommer seinen Rücktritt von der Spitze des Wirtschaftsdachverbandes an. Als Nachfolger präsentierte der Vorstand Rudolf Wehrli, Präsident des Chemiekonzerns Clariant und ehemaliger Präsident des Pharma- und Chemiebranchenverbandes SGCI (heute Scienceindustries). Wehrli war der breiteren Öffentlichkeit bisher kaum bekannt. Er sei aber in der Wirtschaft stark vernetzt und gelte als ruhiger Stratege und Analytiker mit integrierender Persönlichkeit. Die Generalversammlung bestätigte ihn am 31. August. Die Medien kommentierten, dass auf Wehrli schwierige Zeiten zukommen würden: Wegen der Finanzkrise und Bonusexzessen auf gewissen Chefetagen habe der Dachverband in der Bevölkerung an Glaubwürdigkeit verloren. Ausserdem stünden schwierige Dossiers an: Die Zukunft der Personenfreizügigkeit zwischen Schweiz und Europäischer Union sowie wichtige Volksinitiativen wie die Abzocker-Initiative, die Mindestlohn-Initiative und die 1:12-Initiative der Jungsozialisten.

Economiesuisse

Nach dem skandalbedingten Rücktritt Bruno Zuppigers (svp, ZH) suchte der Schweizerische Gewerbeverband SGV zu Jahresbeginn einen neuen Präsidenten. Zur Wahl standen die vier Nationalräte Sylvia Flückiger-Bäni (svp, AG), Jean-François Rime (svp, FR), Lorenz Hess (bdp, BE) und Gerhard Pfister (cvp, ZG) sowie der Ständerat Jean-René Fournier (cvp, VS). Sowohl aus partei- als auch aus regionalpolitischer Sicht wurden Rime von Beginn an die meisten Chancen eingeräumt: Die SVP hatte mit Zuppiger zum ersten Mal das Präsidium gestellt und war nun nach nur einem Jahr nicht bereit, es schon wieder abzugeben. Ausserdem hatte dem SGV bisher noch nie ein Vertreter der Romandie vorgestanden. Am 23. Mai wählten 550 Delegierte wie erwartet Rime ins Präsidium. Der Sägewerksbesitzer, der in den vergangenen Jahren zweimal für den Bundesrat kandidiert hatte, wurde so zum Leiter der politischen Vertretung von 300 000 Schweizer KMUs gekürt.

Schweizerische Gewerbeverband SGV

Die Grossunternehmen Cablecom, Sunrise und Orange traten im Frühjahr aus dem Schweizerischen Telekommunikationsverband Asut aus. Sie begründeten ihren Schritt damit, dass ihre Interessen gegenüber jenen des Marktführers Swisscom zu kurz kämen. Asut-Präsident Fulvio Caccia bedauerte diesen Entscheid und bestätigte, dass dies Sparmassnahmen innerhalb der Organisation nach sich ziehen werde. Er betonte aber, dass die Austritte nicht existenzbedrohend seien, da der Verband immer noch rund 430 Mitglieder der Branche vertrete.

Telekommunikationsverband Asut

Economiesuisse setzte sich im April des Berichtsjahres für das Bundesgesetz über Prävention und Gesundheitsförderung ein, obwohl Vertreter der Wirtschaft gespalten waren. Das Gesetz wurde im Berichtsjahr vom Nationalrat abweichend zur Vorlage des Bundesrates überwiesen. Der Ständerat beschloss hingegen Nichteintreten. Erstmals meldete sich der Wirtschaftsdachverband auch zu gesundheitspolitischen Fragen und verlangte in diesem Bereich weniger Staat zugunsten von mehr Markt. Economiesuisse fordert die Aufhebung des Vertragszwangs in der Grundversicherung und lehnt eine Einheitskrankenkasse entschieden ab. Im April 2011 startete Economiesuisse zudem eine millionenschwere Kampagne für AKWs und Gaskombikraftwerke. Der Verband geht davon aus, dass bis 2020 in jedem Fall neue Grosskraftwerke gebaut werden müssen. Um die Versorgung sicherzustellen, soll so lange an Kernenergie festgehalten werden, bis entsprechende Alternativen vorhanden sind.

Economiesuisse

Der Verband der Chemie- und Pharmaindustrie SGCI änderte seinen Namen in Scienceindustries und will aus dem Schatten von Economiesuisse hinaustreten. Scienceindustries vertritt über 250 Firmen, darunter Novartis, Roche und Syngenta. Der Verband ist gegen einen überstürzten Ausstieg aus der Kernenergie. Als besonders wichtig wird das Energieabkommen der Schweiz mit der EU betrachtet, da dieses ein gesamtheitliches und koordiniertes Vorgehen vorsehe, was unterstützenswert sei. Die Personenfreizügigkeit wird von Scienceindustries als lebenswichtig für die eigenen Mitglieder und die Industrie betrachtet.

Der Verband der Chemie- und Pharmaindustrie SGCI Scienceindustries

Als Ersatz für den in den Bundesrat gewählten Johann Schneider-Ammann wurde der vormalige Vizepräsident Hans Hess Präsident des Branchenverbandes Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie (Swissmem). Hess will sich insbesondere der Wechselkurs- und Rohstofffrage widmen.

Swissmem

An seiner Jahresmedienkonferenz im März wies der Wirtschafsdachverband Economiesuisse, der im Berichtsjahr sein Zehn-Jahr-Jubiläum feierte, auf den zunehmenden Vertrauensverlust der Bevölkerung in die Wirtschaft und die Politik hin. Damit sei auch die massive Ablehnung der BVG-Umwandlungssatzvorlage zu erklären, für die sich Economiesuisse stark eingesetzt hatte. Die gefühlte Krise verhindere Unternehmertum und die Unternehmen müssten mittels Transparenz wieder mehr Vertrauen schaffen. Deshalb machte sich der Verband 2010 für einen indirekten Gegenvorschlag zur Abzocker-Initiative stark, nachdem er einen solchen im Vorjahr noch abgelehnt hatte. Vizepräsident Johann Schneider-Ammann bekannte, dass man vor dieser Initiative aufgrund des momentan herrschenden Misstrauens Respekt habe. Der im Herbst zum Bundesrat gewählte Schneider-Ammann äusserte sich auch besorgt zur Entwicklung des Euro-Kurses. Aufgrund der europäischen Schuldenkrise würde der Franken stärker, was die Exportwirtschaft belaste. Die Schmerzgrenze liege bei einem Wechselkurs von 1.50 Fr. Das Nein zur Steuergerechtigkeitsinitiative, gegen die die Economiesuisse stark angekämpft hatte, wurde auch den eigenen Bemühungen zugeschrieben.

Economiesuisse, der im Berichtsjahr sein Zehn-Jahr-Jubiläum feierte, Euro-Kurses

An der Winterkonferenz des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) in Klosters wurde der Abbau von administrativen Hürden für KMU gefordert. Eine vom SGV in Auftrag gegebene, im Mai präsentierte Studie kam zum Schluss, dass Regulierungskosten rund 10% des BIP verschlingen würden. Für Gesprächsstoff sorgte der Aufruf des SGV an seine 300 000 Mitglieder, Billag-Kontrolleuren die Tür zu weisen. Der Aufforderung vorausgegangen war die Ankündigung der Billag, künftig die geschuldeten Radio- und Fernsehgebühren auch bei den KMU verstärkt einzutreiben. Im Berichtsjahr erschien die Gewerbezeitung nicht mehr im Abonnent, sondern flächendeckend als Gratiszeitung. Der Gewerbeverband versprach sich damit grössere Aufmerksamkeit und stärkere Schlagkraft bei wichtigen Referenden. Im Mai trat Edi Engelberger (fdp, NW) als SGV-Präsident zurück. Die Nachfolge trat Bruno Zuppiger (svp, ZH) an. Mit dem SVP-Politiker wurden im SGV aggressivere Töne angeschlagen und die öffentliche Aufmerksamkeit auf die Mängel der zwischen der EU und der Schweiz vereinbarten Personenfreizügigkeit gelenkt. Der Verband schlug zudem eine stufenweise Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre vor.

Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV) Regulierungskosten Billag Gewerbezeitung Zuppiger Rentenalters auf 67

Die imVorjahr eingeleitete Stärkung des Einflusses der SVP auf die Politik des Schweizerischen Gewerbeverbands (SGV) bestätigte sich. Im September nominierte der SGV-Vorstand den Zürcher SVP-Nationalrat Bruno Zuppiger einstimmig zum Nachfolger für den 2010 zurücktretenden Verbandspräsidenten Edi Engelberger (fdp, NW).

Schweizerischen Gewerbeverbands

Die obersten Repräsentanten des Schweizerischen Gewerbeverbandes (SGV), Präsident Edi Engelberger und Direktor Pierre Triponez (beide fdp), konnten ihre Nationalratsmandate in den Kantonen Nidwalden und Bern erfolgreich verteidigen.

Schweizerischen Gewerbeverbandes

Nach neun Jahren Amtszeit trat der Direktor (Geschäftsführer) des Wirtschaftsdachverbands Economiesuisse, Rudolf Ramsauer, von seinem Posten zurück. Als Nachfolger wählte der Vorstand den 36jährigen Genfer Pascal Gentinetta, der bereits seit 1999 bei Economiesuisse tätig war.

Economiesuisse Pascal Gentinetta