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Jahresrückblick 2022: Umweltschutz

Zentrales Thema im Bereich des Umweltschutzes war 2022 erneut die Klimapolitik. Dabei standen die Diskussionen um die Gletscherinitiative respektive allen voran um deren indirekten Gegenvorschlag im Zentrum der politischen Aufmerksamkeit: Mit dieser in der Herbstsession unter Dach und Fach gebrachten Vorlage in Form des «Bundesgesetzes über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit» beschlossen die Räte, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral werden soll. Dies soll unter anderem mit Emissionsreduktionszielen in den einzelnen Sektoren Gebäude, Verkehr und Industrie, einem Sonderprogramm zum Ersatz von fossilen Heizungsanlagen und zur Stärkung der Energieeffizienz sowie mit der Förderung von neuartigen Technologien und Prozessen sichergestellt werden. Die SVP ergriff gegen die von ihr als «Stromfresser-Gesetz» bezeichnete Vorlage das Referendum. Auch gegen das dringliche Bundesgesetz, mit dem das Parlament den Ausbau der Photovoltaik mittels grossflächiger Anlagen in den Bergen voranbringen will, wurde das Referendum ergriffen.
Im Berichtsjahr stellte der Bundesrat zudem das CO2-Gesetz für die Zeit nach 2024 vor, das an das geltende CO2-Gesetz anknüpfte, welches vom Parlament bis 2024 verlängert worden war. Ziel ist eine Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2030 gegenüber 1990 um 50 Prozent, was mit konkreten Massnahmen und finanziellen Mitteln über insgesamt CHF 4.1 Mrd in den verschiedensten Bereichen, wie etwa dem Verkehrswesen, beim Import von Treibstoffen, aber auch beim Finanzmarkt erreicht werden soll.
Im September 2022 startete schliesslich die Unterschriftensammlung für die Klimafonds-Initiative, mit der die SP und die Grünen einen Fonds zur Finanzierung von Massnahmen einrichten wollen, die den Klimawandel und seine Folgen für Mensch, Wirtschaft und Umwelt in Übereinstimmung mit dem Klimaabkommen von Paris bekämpfen.
Trotz dieser verschiedenen Projekte blieb die mediale Berichterstattung zum Thema Umweltschutz im Jahr 2022 jedoch hinter derjenigen des Vorjahrs zurück, als an der Urne über das CO2-Gesetz abgestimmt worden war. Jedoch sorgte der heisse Sommer 2022 für einen Anstieg der Medienberichterstattung zum Thema «Klimapolitik» sowie zum Thema «Schutz vor Naturgefahren». Letzteres wurde aufgrund mehrerer Hitzeperioden sowie der in manchen Regionen der Schweiz stark ausgeprägten Trockenheit in zahlreichen Zeitungsartikeln diskutiert – insbesondere im Hinblick auf die Situation in der Landwirtschaft (vgl. Abbildung 1).

Beim Biodiversitäts- und Landschaftsschutz stand der vermeintliche oder tatsächliche Widerspruch zwischen Naturschutz und Ausbau der erneuerbaren Energien im Fokus von Medien und Politik. Im Frühjahr 2022 gab es einige Medienaufmerksamkeit zu Projekten in den Bereichen Photovoltaik und Wasserkraft sowie zu den diesbezüglichen Reaktionen von Organisationen des Natur- und Landschaftsschutzes. So stiess etwa ein geplanter Photovoltaikpark im Hochgebirge oberhalb von Gondo (VS) bei der ENHK auf Widerstand. Deren Präsidentin Heidi Z’graggen (mitte, UR) wehrte sich gegen die «Verunstaltung» der Schweizer Landschaften durch Solarpanels. In einer Motion forderte sie deshalb ein Moratorium für den Bau solcher Anlagen. Überdies wehrte sich die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz im Nachgang zu einem runden Tisch zur Wasserkraft gegen einen neuen Stausee am Gornergletscher und die Organisation Aqua Viva opponierte zusammen mit dem Grimselverein gegen einen geplanten Stausee beim Triftgletscher. Als Grund für den Widerstand wurde in beiden Fällen der Landschaftsschutz vorgebracht.
Das Dilemma zwischen Ausbau der Erneuerbaren und Schutz der Umwelt fand auch im Rahmen der nationalrätlichen Debatte über die Biodiversitätsinitiative und deren indirekten Gegenvorschlag ihren Niederschlag. Dazu gesellten sich intensive Debatten über den Schutz der Biodiversität und der diesbezüglichen – je nach Sichtweise positiven oder negativen – Folgen für die Landwirtschaft. Während sich der Nationalrat in der Herbstsession für den indirekten Gegenvorschlag und für einen qualitativen Ansatz des Biodiversitätsschutzes anstelle eines konkreten Flächenziels aussprach, konnte sich die kleine Kammer im Berichtsjahr noch nicht zur Vorlage äussern.

Beim Thema Gewässerschutz führte ein Bericht der GPK-NR zum Grundwasserschutz, der insbesondere die Vollzugsdefizite der Kantone beim planerischen Grundwasserschutz bemängelte, zur Einreichung dreier Vorstösse ebendieser Kommission: Eine erste Motion verlangte verbindliche Fristen für die Umsetzung aller rechtlich vorgesehener Massnahmen des planerischen Grundwasserschutzes, eine zweite Motion wollte, dass das geltende Gewässerschutzrecht um Aufsichts- und Interventionsmöglichkeiten beim Vollzug erweitert wird, und ein Postulat forderte die Prüfung und gegebenenfalls die Anpassung des Gewässerschutzprogramms in der Landwirtschaft. Alle drei Vorstösse wurden in der Wintersession 2022 vom Nationalrat gutgeheissen.

2022 gab es schliesslich auch Fortschritte beim Thema Abfallvermeidung: Ein auf die parlamentarische Initiative «Schweizer Kreislaufwirtschaft stärken» zurückgehender Entwurf in Form einer Revision des USG war in der Vernehmlassung grundsätzlich positiv aufgenommen worden. Die Vorlage, die den Grundsatz der Ressourcenschonung im USG verankern will und die Massnahmen in zahlreichen Bereichen, wie etwa beim Abfallwesen, beim Littering, beim Produktedesign oder im Bausektor fordert, wird wohl nächstes Jahr im Parlament diskutiert werden.

Jahresrückblick 2022: Umweltschutz
Dossier: Jahresrückblick 2022

Jahresrückblick 2022: Institutionen und Volksrechte

Spätestens seit dem Rücktritt von Ueli Maurer als Bundesrat Ende September dominierte die Suche nach seiner Nachfolgerin oder seinem Nachfolger den Themenbereich «Institutionen und Volksrechte» (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse). Mit dem Rücktritt von Simonetta Sommaruga Ende November standen im Dezember 2022 gleich zwei Bundesratsersatzwahlen an. Maurer hatte seinen Rücktritt mit dem Wunsch begründet, noch einmal etwas Neues machen zu wollen, und Simonetta Sommaruga hatte sich entschieden, in Folge eines Schlaganfalles ihres Mannes ihr Leben neu auszurichten. Wie bei Bundesratsersatzwahlen üblich, überboten sich die Medien mit Spekulationen, Expertisen, Interpretationen und Prognosen. Bei der SVP galt die Kandidatur von Hans-Ueli Vogt (svp, ZH), der sich 2021 aus der Politik zurückgezogen hatte, als Überraschung. Dennoch zog ihn die SVP-Fraktion anderen Kandidatinnen und Kandidaten vor und nominierte ihn neben dem Favoriten Albert Rösti (svp, BE) als offiziellen Kandidaten. Bei der SP sorgte der sehr rasch nach der Rücktrittsrede von Simonetta Sommaruga verkündete Entscheid der Parteileitung, mit einem reinen Frauenticket antreten zu wollen, für Diskussionen. Die medialen Wogen gingen hoch, als Daniel Jositsch (ZH) dies als «Diskriminierung» bezeichnete und seine eigene Bundesratskandidatur verkündete. Die SP-Fraktion entschied sich in der Folge mit Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU) und Eva Herzog (sp, BS) für zwei Kandidatinnen. Zum Nachfolger von Ueli Maurer wurde bereits im 1. Wahlgang Albert Rösti mit 131 von 243 gültigen Stimmen gewählt. Hans-Ueli Vogt hatte 98 Stimmen erhalten (Diverse: 14). Für die SP zog Elisabeth Baume-Schneider neu in die Regierung ein. Sie setzte sich im dritten Wahlgang mit 123 von 245 gültigen Stimmen gegen Eva Herzog mit 116 Stimmen durch. Daniel Jositsch hatte in allen drei Wahlgängen jeweils Stimmen erhalten – deren 6 noch im letzten Umgang. Die Wahl der ersten Bundesrätin aus dem Kanton Jura wurde von zahlreichen Beobachterinnen und Beobachtern nicht nur als Überraschung gewertet, sondern gar als Gefahr für das «Gleichgewicht» der Landesregierung kommentiert (Tages-Anzeiger). Die rurale Schweiz sei nun in der Exekutive übervertreten, wurde in zahlreichen Medien kritisiert.

Der Bundesrat stand aber nicht nur bei den Wahlen im Zentrum des Interesses. Diskutiert wurde auch über Vor- und Nachteile einer Erhöhung der Zahl der Regierungsmitglieder, wie sie eine parlamentarische Initiative Pa.Iv. 19.503 forderte – es war bereits der sechste entsprechende Vorstoss in den letzten 30 Jahren. Die Begründungen hinter den jeweiligen Anläufen variieren zwar über die Zeit – der neueste Vorstoss wollte «die Konkordanz stärken», also mehr Spielraum für parteipolitische aber auch für gendergerechte Vertretung schaffen – die Projekte nahmen bisher aber stets denselben Verlauf: Auch in diesem Jahr bevorzugte das Parlament den Status quo.
Verbessert werden sollte hingegen die Krisenorganisation des Bundesrates. Dazu überwiesen beide Kammern gleichlautende Motionen und Postulate der GPK beider Räte, die Rechtsgrundlagen für einen Fach-Krisenstab sowie eine Gesamtbilanz der Krisenorganisation des Bundes anhand der Lehren aus der Corona-Pandemie verlangten.

Auch das Parlament sollte als Lehre aus der Pandemie krisenresistenter gemacht werden. Aus verschiedenen, von Parlamentsmitgliedern eingereichten Ideen hatte die SPK-NR eine einzige Vorlage geschnürt, die 2022 von den Räten behandelt wurde. Dabei sollten aber weder der Bundesrat in seiner Macht beschränkt, noch neue Instrumente für das Parlament geschaffen werden – wie ursprünglich gefordert worden war. Vielmehr sah der Entwurf Möglichkeiten für virtuelle Sitzungsteilnahme im Falle physischer Verhinderung aufgrund höherer Gewalt und die Verpflichtung des Bundesrates zu schnelleren Stellungnahmen bei gleichlautenden dringlichen Kommissionsmotionen vor. Umstritten blieb die Frage, ob es statt der heutigen Verwaltungsdelegation neu eine ständige Verwaltungskommission braucht. Der Nationalrat setzte sich für eine solche ein, der Ständerat lehnte sie ab – eine Differenz, die ins Jahr 2023 mitgenommen wird.
Nicht nur die Verwaltungskommission, auch die Schaffung einer ausserordentlichen Aufsichtsdelegation war umstritten. Die vom Nationalrat jeweils mit grosser Mehrheit unterstützte Idee, dass es neben der PUK und den Aufsichtskommissionen ein mit starken Informationsrechten ausgerüstetes Gremium geben soll, das als problematisch beurteilte Vorkommnisse in der Verwaltung rasch untersuchen könnte, war beim Ständerat stets auf Unwille gestossen. Auch nach einer Einigungskonferenz konnten sich die Räte nicht auf eine Lösung verständigen, woraufhin der Ständerat das Anliegen versenkte, zumal er die bestehenden Instrumente und Akteure als genügend stark erachtete.

Seit vielen Jahren Zankapfel zwischen den Räten ist die Frage nach der Höhe der Löhne in der Bundesverwaltung. In diesem Jahr beendete der Ständerat eine beinahe sechsjährige Diskussion dazu, indem er auf eine entsprechende Vorlage der SPK-SR auch in der zweiten Runde nicht eintrat, obwohl der Nationalrat deutlich für eine Obergrenze von CHF 1 Mio. votiert hatte. Die SPK-NR sorgte in der Folge mit einer neuerlichen parlamentarischen Initiative für ein Verbot von «goldenen Fallschirmen» für Bundeskader dafür, dass diese Auseinandersetzung weitergehen wird.

In schöner Regelmässigkeit wird im Parlament auch die Einführung einer Verfassungsgerichtsbarkeit diskutiert. Zwei entsprechende Motionen wurden in diesem Jahr von der Mehrheit des Ständerats abgelehnt, da das aktuelle System, in welchem die Letztentscheidung dem direktdemokratischen Element und nicht der Judikative überlassen wird, so gut austariert sei, dass ein Verfassungsgericht nicht nötig sei. Freilich ist sich das Parlament der Bedeutung der obersten Bundesgerichte durchaus bewusst. Ein Problem stellt dort seit einiger Zeit vor allem die chronische Überlastung aufgrund der hohen Fallzahlen dar. Daher werde gemäss Justizministerin Karin Keller-Sutter mittelfristig eine Modernisierung des Bundesgerichtsgesetzes geprüft, kurzfristig sei eine Entlastung aber nur durch eine Erhöhung der Zahl der ordentlichen Richterinnen und Richter zu erreichen. Eine entsprechende parlamentarische Initiative der RK-NR hiessen beide Kammern gut, allerdings jeweils gegen die geschlossen stimmende SVP-Fraktion, die in der Erhöhung lediglich «Flickwerk» sah.

Die mittels direktdemokratischer Abstimmungen verhandelte Schweizer Politik zeigte sich 2022 einigermassen reformresistent. Nachdem im Februar gleich beide zur Abstimmung stehenden fakultativen Referenden (Gesetz über die Stempelabgaben und Medienpaket) erfolgreich waren, wurde in den Medien gar spekuliert, ob die Bundespolitik sich nun vermehrt auf Blockaden einstellen müsse. Allerdings passierten dann im Mai und im September 4 von 5 mittels Referenden angegriffenen Bundesbeschlüsse die Hürde der Volksabstimmung (Filmgesetz, Organspende, Frontex, AHV21). Einzig die Revision des Verrechnungssteuergesetzes wurde im September an der Urne ausgebremst. 2022 war zudem die insgesamt 25. Volksinitiative erfolgreich: Volk und Stände hiessen die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» gut. Die beiden anderen Volksbegehren (Massentierhaltungsinitiative, Initiative für ein Verbot von Tier- und Menschenversuchen) wurden hingegen abgelehnt.

Dass in der Schweizer Politik manchmal nur ganz kleine Schritte möglich sind, zeigen die erfolglosen Bemühungen, den Umfang an Stimm- und Wahlberechtigten zu erhöhen. Der Nationalrat lehnte zwei Vorstösse ab, mit denen das Stimmrecht auf Personen ohne Schweizer Pass hätte ausgeweitet werden sollen. Auch die Wahrscheinlichkeit, dass das Stimmrechtsalter in naher Zukunft auf 16 gesenkt werden wird, hat sich im Jahr 2022 eher verringert: Zwar wies eine knappe Mehrheit des Nationalrats den Abschreibungsantrag für eine parlamentarische Initiative, welche eine Senkung des Alters für das aktive Stimmrecht verlangt und welcher 2021 beide Kammern Folge gegeben hatten, ab und wies sie an die SPK-NR zurück, damit diese eine Vorlage ausarbeitet. In zwei Kantonen wurde die Senkung des Stimmrechtsalters im Jahr 2022 an der Urne aber deutlich verworfen: in Zürich im Mai mit 64.8 Prozent Nein-Stimmenanteil, in Bern im September mit 67.2 Prozent Nein-Stimmenanteil.

Allerdings fielen 2022 auch Entscheide, aufgrund derer sich das halbdirektdemokratische System der Schweiz weiterentwickeln wird. Zu denken ist dabei einerseits an Vorstösse, mit denen Menschen mit Behinderungen stärker in den politischen Prozess eingebunden werden sollen – 2022 nahmen etwa beide Kammern eine Motion an, mit der Einrichtungen geschaffen werden, die helfen, das Stimmgeheimnis für Menschen mit Sehbehinderung zu gewährleisten. Zudem gaben National- und Ständerat einer parlamentarischen Initiative für die Barrierefreiheit des Live-Streams der Parlamentsdebatten Folge, damit auch hörgeschädigte Menschen diesen folgen können. Andererseits verabschiedete der Bundesrat die Verordnung zu den künftigen Transparenzbestimmungen bei Wahlen und Abstimmungen. Ob und wie die erstmals für die eidgenössischen Wahlen 2023 bzw. für das Finanzjahr 2023 vorzulegenden Kampagnen- und Parteibudgets die politischen Debatten beeinflussen werden, wird sich weisen.

Jahresrückblick 2021: Institutionen und Volksrechte
Dossier: Jahresrückblick 2022

Als Zweitrat befasste sich in der Wintersession 2022 der Nationalrat mit einer Motion Schmid (fdp, GR), mit der eine Änderung der landwirtschaftlichen Zonen-Verordnung im Zusammenhang mit Meliorationen gefordert wurde. Konkret verlangte der Motionär, dass im Zusammenhang mit Meliorationen oder Gewässerrevitalisierungen neu ein Abtausch zwischen landwirtschaftlicher Nutzfläche und Sömmerungsfläche gesetzlich zugelassen werden soll, solange dabei die landwirtschaftliche Nutzfläche gesamthaft nicht zunimmt.
Im Namen der UREK-NR empfahlen Kommissionssprecherin Priska Wismer-Felder (mitte, LU) und Kommissionssprecher Pierre-André Page (svp, FR) den Mitgliedern der grossen Kammer, die Motion anzunehmen. Es solle bei Meliorationen keine landwirtschaftliche Nutzfläche mehr verloren gehen. Dies fördere nicht zuletzt auch die Akzeptanz solcher gesellschaftlich wichtigen Projekte unter Landwirtinnen und Landwirten. Die Kommissionsminderheit, vertreten durch Ursula Schneider Schüttel (sp, FR), plädierte derweil dafür, die Motion abzulehnen, da sie befürchtete, dass die Änderung zu einer intensiveren Nutzung der betroffenen Sömmerungsflächen führen könnte, wodurch Biodiversität verloren gehen könnte. Ausserdem führe die Motion auch zu einem erhöhten administrativen Aufwand für die Kantone. Auch Guy Parmelin sprach sich im Namen des Bundesrats gegen die Motion aus. Er machte darauf aufmerksam, dass nur gerade der Kanton Graubünden eine solche Änderung gefordert hatte, während die anderen Kantone sich mit der aktuellen gesetzlichen Grundlage zufrieden zeigten. Durch eine Annahme der Motion käme es überdies zu einer Ungleichbehandlung zwischen Bergkantonen und der restlichen Schweiz, da Kantone im Flachland über keine angrenzenden Sömmerungsgebiete verfügten.
Die Mehrheit des Nationalrates folgte jedoch dem Antrag der Kommissionsmehrheit und nahm die Motion mit 98 zu 86 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Die Stimmen für die Motion kamen von der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion, einer Mehrheit der Fraktionen der FDP und der Mitte sowie zwei Personen aus den Reihen der SP.

Änderung der Landwirtschaftlichen Zonen-Verordnung im Zusammenhang mit Meliorationen (Mo. 21.3804)

Die 182 zu 1 Stimmen im Nationalrat liessen darauf schliessen, dass die Motion Dobler (fdp, SG), die bei eidgenössischen Abstimmungen auf dem Stimmzettel einen Hinweis auf bestehende indirekte Gegenvorschläge verlangt, auf den ersten Blick «nachvollziehbar und sympathisch» sei, führte Mathias Zopfi (gp, GL) als Sprecher der SPK-SR die ständerätliche Debatte zum Vorstoss in der Wintersession 2022 ein. Der Kommission habe allerdings ein zweiter Blick genügt, um die Ablehnung der Motion zu beantragen. Im Gegensatz zum Motionär sei die Kommission der Meinung, dass die Willensbildung durch zusätzliche Informationen auf dem Stimmzettel nicht gefördert, sondern im Gegenteil gefährdet werde. Ein indirekter Gegenvorschlag sei ein politisches Argument und gehöre deshalb sicher nicht auf den Stimmzettel, der möglichst schlicht bleiben und nicht mit Hinweisen überladen werden soll. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger seien sehr wohl in der Lage, sich zum Beispiel im Abstimmungsbüchlein über bestehende Gegenvorschläge zu informieren. In der Tat war die Information über indirekte Gegenvorschläge in den Abstimmungserläuterungen mit deren Überarbeitung 2018 stark verbessert worden. Einen Minderheitsantrag auf Annahme gab es nicht, obwohl die SPK-SR die Ablehnungsempfehlung mit 9 zu 1 Stimmen und 1 Enthaltung beschloss. Weil er als Einziger in der Kommission für die Motion gestimmt habe, habe er auf einen Antrag verzichtet, so Thomas Minder (parteilos, SH). Er fände es aber eigentlich «logisch», wenn auf dem Stimmzettel vermerkt würde, über welche Alternativen Stimmbürgerinnen und Stimmbürger verfügten beziehungsweise welche Folgen die Ablehnung einer Initiative habe. Er denke nicht, dass alle Stimmberechtigten wüssten, was ein indirekter Gegenvorschlag sei. Auch Bundeskanzler Walter Thurnherr ergriff das Wort und führte für den Bundesrat, der die Motion ebenfalls zur Ablehnung empfohlen hatte, aus, dass das geltende Recht vorsehe, dass Abstimmungsfragen neutral formuliert sein und keinen Informationsauftrag erfüllen müssen. Es wäre unzulässig, ein Argument für oder gegen eine Vorlage in die Abstimmungsfrage einzufügen, und auch «demokratiepolitisch problematisch», wenn Hinweise auf Stimmzetteln die Meinungsbildung beeinflussen würden. Ohne Abstimmung lehnte die kleine Kammer die Motion in der Folge ab.

Hinweis auf bestehende indirekte Gegenvorschläge auf dem Abstimmungszettel (Mo. 22.3132)
Dossier: Stimmzettel als Informationsträger?

C'est lors d'un grand débat regroupant plusieurs objets parlementaires (Mo. 22.3567, Mo. 22.3606, Mo. 22.3610) touchant à la politique alimentaire du Conseil fédéral que la motion Gapany (plr, FR) a été traitée par le Conseil national. La sénatrice fribourgeoise, soutenue par ses collègues du Conseil des États et une majorité de la CER-CN, estime que les objectifs de réduction des pertes d'éléments fertilisants fixés par les autorités sont trop ambitieux et doivent être revus à la baisse. Représentant la commission de l'économie et des redevances, Marcel Dettling (udc, SZ) a expliqué que la position de la commission repose sur le constat que pour atteindre ces objectifs, une réduction du cheptel serait nécessaire ; une mesure rejetée par la majorité de la commission. Défendant la position minoritaire, Kathrin Bertschy (pvl, BE) s'est vertement opposée à cette motion qu'elle considère comme non-démocratique. L'élue bernoise fait référence aux différentes initiatives agricoles soumises au vote populaire (initiative pour une eau propre et potable, initiative pour une interdiction des pesticides de synthèse, initiative contre l'élevage intensif), qui ont incité le Parlement et les autorités à promettre des mesures en guise de contre-projet indirect officieux. Parmi ces mesures figure un objectif de réduction des pertes d'intrants fertilisants de 20 pour cent présenté quelques semaines avant les votations sur les pesticides. Pour Kathrin Bertschy, c'est un minimum, alors qu'il faudrait atteindre une réduction de l'ordre de 30 pour cent pour assurer une charge environnementale correcte et que les coûts externes liés à la santé de ces émissions sont énormes (les estimations parlent d'une fourchette allant de CHF 518 à 2580 millions par année).
Le Conseil fédéral, par la voix de Guy Parmelin, a également combattu ce texte, le Parlement ayant lui-même décidé de déléguer à l'exécutif la tâche de fixer un objectif de réduction de ces pertes dans le cadre de l'initiative parlementaire 19.475. Les mesures prévues par la Confédération permettraient de les réduire considérablement, alors qu'il est prévu par la loi que les interprofessions prennent elles aussi des mesures.
Au final, le Conseil national a décidé de soutenir cette motion à une très courte majorité de 93 voix contre 90 et 7 abstentions. Lorsqu'on se penche sur la répartition des voix, on constate un bloc clair formé par la gauche et le parti vert'libéral, additionné de quelques voix libérales-radicales et du Centre, tandis que l'UDC a été le seul parti à soutenir unanimement la proposition de la sénatrice Gapany. Une majorité des voix du Centre et du PLR s'y ajoutant, cela aura suffi à faire passer ce projet. Des différents objets traités lors de ce débat, c'est le seul ayant récolté une majorité en sa faveur. Le Conseil fédéral devra donc à nouveau se pencher sur les objectifs fixés au niveau de l'ordonnance.

Demande de révision à la baisse de l'objectif de réduction des pertes des éléments fertilisants (Mo. 22.3795)

Eine im September 2022 von Marianne Maret (mitte, VS) eingereichte Motion befasste sich mit den sogenannten per- und polyfluorierten Alkylverbindungen (per- and polyfluoroalkyl substances, PFAS). Bei den PFAS handelt es sich um organische Verbindungen, die industriell hergestellt und in einer Vielzahl von Produkten verwendet werden. Maret forderte den Bundesrat dazu auf, in den entsprechenden Verordnungen PFAS-spezifische Grenzwerte festzulegen. Konkret sollen die Grenzwerte und Bedingungen für die Entsorgung von Materialien, Konzentrationswerte zur Evaluierung der Belastungen des Bodens und des Untergrunds sowie Grenzwerte für die Einleitung in Gewässer festgelegt werden. Die Walliser Ständerätin begründete ihren Vorstoss mit der Gefahr, die von diesen Stoffen ausgehe: Ein von der europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde im Jahr 2020 publiziertes Gutachten habe gezeigt, dass diese Stoffe besorgniserregender seien, als noch vor ein paar Jahren angenommen worden war. Ausserdem sei praktisch jede Person diesen Stoffen ausgesetzt. Indem PFAS-spezifische Grenzwerte festgelegt würden, könnten Bund und Kantone die Umweltbelastung durch PFAS angehen und somit die Gesundheit der Bevölkerung besser schützen. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion.
In der Wintersession 2022 stellte Marianne Maret ihren Vorstoss dem Ständerat vor. Umweltministerin Simonetta Sommaruga ergänzte, dass die PFAS eine grosse Herausforderung für alle betroffenen Akteure darstellten. Insbesondere die Kantone seien im Umgang mit den PFAS mit Problemen konfrontiert: Da es bisher keine generellen Grenzwerte gebe, müssten derzeit bei Sanierungen – zum Beispiel von belasteten Böden rund um Feuerlöschübungsplätze – noch aufwändig und im Einzelfall Grenzwerte festgelegt werden. Anschliessend nahm die kleine Kammer den Vorstoss stillschweigend an.

Festlegung von PFAS-spezifischen Werten in Verordnungen (Mo. 22.3929 und Mo. 23.3499)
Dossier: Bessere Kontrolle von PFAS, PCB und Dioxin in der Umwelt

In der Wintersession 2022 befasste sich der Nationalrat mit drei Vorstössen der GPK-NR zum Thema Grundwasserschutz. Es handelte sich dabei neben der Motion «Fristen für die Umsetzung der Massnahmen des planerischen Grundwasserschutzes» (Mo. 22.3873) um die Motion «Klärung und Stärkung der Aufsichtsinstrumente und Interventionsmöglichkeiten des Bundes im Bereich des Grundwasserschutzes» (Mo. 22.3874) sowie um das Postulat «Erhöhung der Wirksamkeit des Gewässerschutzprogramms in der Landwirtschaft» (Po. 22.3875).
Die Kommissionssprechenden de Courten (svp, BL) und Pasquier-Eichenberger (gp, GE) wiesen bezüglich der Motion zu den Umsetzungsfristen darauf hin, dass das Bundesrecht bezüglich der Ausscheidung von Gebieten zum Grundwasserschutz bislang durch die Kantone nur ungenügend umgesetzt werde und daher die Qualität des Grundwassers nicht überall gewährleistet sei. Folglich brauche der Bund stärkere Durchsetzungsinstrumente. Nachdem auch Umweltministerin Sommaruga die Unterstützung des Bundesrates für die Motion 22.3873 signalisiert hatte, nahm der Nationalrat diese stillschweigend an.

Fristen für die Umsetzung der Massnahmen des planerischen Grundwasserschutzes (Mo. 22.3873)
Dossier: Grundwasserschutz in der Schweiz

In der Wintersession 2022 befasste sich der Nationalrat mit der Motion «Klärung und Stärkung der Aufsichtsinstrumente und Interventionsmöglichkeiten des Bundes im Bereich des Grundwasserschutzes» der GPK-NR zusammen mit zwei weiteren Vorstössen der Kommission zum Thema Grundwasserschutz (Mo. 22.3873; Po. 22.3875). Kommissionssprecher Thomas de Courten (svp, BL) wies darauf hin, dass das Bundesrecht bezüglich der Ausscheidung von Grundwasserschutzgebieten bislang durch die Kantone nur ungenügend umgesetzt werde und daher die Qualität des Grundwassers nicht überall gewährleistet sei. Folglich brauche der Bund mehr Möglichkeiten, den Vollzug zu kontrollieren und die Kantone zu unterstützen. Umweltministerin Sommaruga rekapitulierte die Stellungnahme des Bundesrates und betonte dabei, dass der Bundesrat bereit sei, diejenigen Punkte der Motion anzunehmen, welche die Kontrolle des Vollzugs stärken wollen. Es sei hingegen nicht sinnvoll, dass der Bund finanziell einspringe, wenn die Kantone ihre Vollzugsaufgaben nicht wahrnähmen, und diejenigen Kantone, die ihre Aufgaben erledigten, leer ausgingen. Entsprechend empfahl sie den zweiten Punkt der Motion zur Ablehnung. Die grosse Kammer sah dies jedoch anders und nahm den Vorstoss in Gänze an. Für Annahme des zweiten Punktes stimmten 135 Mitglieder des Rates, 50 sprachen sich dagegen aus und 4 enthielten sich der Stimme. Die anderen beiden Bestimmungen wurden stillschweigend angenommen.

Klärung und Stärkung der Aufsichtsinstrumente und Interventionsmöglichkeiten des Bundes im Bereich des Grundwasserschutzes (Mo. 22.3874)
Dossier: Grundwasserschutz in der Schweiz

Ende Oktober 2022 gab der Bundesrat bekannt, dass es am 12. März 2023 zu keinem Urnengang über eidgenössische Abstimmungsvorlagen komme, da keine Erlasse vorlägen. Einigermassen speziell an dieser Mitteilung war, dass schon rund vier Monate früher eine praktisch identische Mitteilung angekündigt hatte, dass der Termin im November 2022 nicht genutzt werde. Auch für den Termin von November 2022 gab es weder abstimmungsreife Initiativen oder obligatorische Referenden noch erfolgreich zustande gekommene fakultative Referenden, die einem Volksentscheid harrten.
Diese «Ruhepause für das helvetische System der halbdirekten Demokratie», wie sie von Swissinfo bezeichnet wurde, ist ein eher seltenes Ereignis. Der Bund setzt jeweils rund 20 Jahre im Voraus sogenannte Blanko-Abstimmungstermine für eidgenössische Urnengänge fest. Alle vier Jahre werden an einem dieser Blankotermine die eidgenössischen Wahlen abgehalten und in der Regel wird der auf die Wahlen folgende Termin ebenfalls nicht für eidgenössische Abstimmungen genutzt. Damit kommt es also jeweils bei den eidgenössischen Wahlen ebenfalls zweimal hintereinander nicht zu Abstimmungen. Zudem gab es in den letzten Jahrzehnten immer wieder einzelne Blankotermine, die nicht genutzt wurden – so etwa der 17. Mai 2020, als die Abstimmungen aufgrund der Covid-Pandemie verschoben werden mussten, im November 2017 oder der im Mai 2011. Im Jahr 2011 wurde gar insgesamt lediglich über eine einzige eidgenössische Vorlage abgestimmt. Dass – losgelöst von den Wahlpausen – gleich zwei Abstimmungstermine hintereinander nicht wahrgenommen wurden, kam das letzte Mal 1980 vor. Damals verstrichen zwischen zwei Urnengängen 273 Tage. Aktuell, also zwischen dem letzten Abstimmungstermin am 27. September und dem nächsten möglichen Termin am 18. Juni 2023, werden es 266 Tage sein. Gar 910 Tage verstrichen zwischen dem 3. Mai 1942 und dem 29. Oktober 1944 – der Allzeitrekord seit der Einführung des fakultativen Referendums 1874, wie Berechnungen von Swissvotes zeigen.

Keine Abstimmungen im November 2022 und im März 2023

Im August 2022, also über ein Jahr nach der Abstimmung in Moutier über einen Kantonswechsel des Städtchens von Bern zu Jura, reichten elf Stimmberechtigte eine Beschwerde gegen das Abstimmungsergebnis ein. Sie machten geltend, die jurassische Kantonsregierung habe die Stimmberechtigten vor der Abstimmung mit ihren Aussagen zur Zukunft des Spitals von Moutier in die Irre geführt. Das Spital gehört zu den grössten Arbeitgebern in Moutier und die Gegnerinnen und Gegner eines Kantonswechsels hatten schon seit Längerem argumentiert, ein Kantonswechsel würde die Zukunft des Spitals in Frage stellen. Die Zusicherung des jurassischen Regierungsrats, dass sich bei einem Kantonswechsel nichts an den im Spital Moutier angebotenen Leistungen ändern werde, hatte im Abstimmungskampf vor dem Urnengang vom 28. März 2021 deshalb viel Aufmerksamkeit erhalten. Ein Jahr nachdem sich die Stimmbevölkerung Moutiers 2021 schliesslich mit einer Mehrheit von 54.9 Prozent für einen Wechsel zum Kanton Jura ausgesprochen hatte, schickte das Gesundheitsamt des Kantons Jura indessen einen Entwurf für eine Spitalliste in die Vernehmlassung, mit welchem die Leistungen des Spitals Moutier – anders als im Abstimmungskampf versprochen – künftig reduziert würden.
Über die Beschwerde hatte die bernische Regierungsstatthalterin für den Berner Jura, Stéphanie Niederhauser, zu entscheiden, welche bereits 2018 eine frühere Abstimmung über einen Kantonswechsel Moutiers annulliert und diesen Entscheid unter anderem mit unzulässiger Abstimmungspropaganda durch die Gemeindebehörden begründet hatte. Die Geschichte wiederholte sich allerdings nicht: Im Oktober 2022 gab die Regierungsstatthalterin bekannt, dass sie die Beschwerde als unzulässig («irrecevable») erachte und nicht auf sie eintrete. Sie begründete dies damit, dass die künftige Spitalliste noch gar nicht definitiv sei. Ein Sprecher der Beschwerdeführenden gab daraufhin bekannt, man werde nun die definitive Spitalliste abwarten; falls diese weiterhin eine Reduktion des Leistungskatalogs beim Spital Moutier vorsehen und damit den jurassischen Zusicherungen aus dem Abstimmungskampf widersprechen sollte, werde man einen erneuten Rekurs prüfen. Die jurassische Regierungsrätin Nathalie Barthoulot (sp) wiederum liess verlauten, die medizinische Versorgung der Bevölkerung von Moutier werde auf jeden Fall garantiert; man werde sich bei der definitiven Festlegung der Spitalliste aber nicht von den Gegnerinnen und Gegnern des Kantonsübertritts unter Druck setzen lassen.

Votation communale du 18 juin 2017 à Moutier sur l'appartenance cantonale et répétition du 28 mars 2021
Dossier: Moutier und der Jurakonflikt

Der Bundesrat nahm Ende September 2022 Stellung zum Bericht der GPK-NR «Grundwasserschutz in der Schweiz» und stimmte dabei den von der GPK-NR abgegebenen Empfehlungen vollumfänglich zu. Der Bundesrat teilte folglich die Ansicht, dass die Vollzugsdefizite in den Kantonen rasch behoben werden müssen, damit ein besserer Schutz der Trinkwasserressourcen gewährleistet werden kann. Dafür müssten die Rechtsgrundlagen, auf Basis derer der Bund den kantonalen Vollzug unterstützt und kontrolliert, gestärkt werden. Der Bundesrat plane daher unter anderem, im Rahmen der laufenden Anpassung des Gewässerschutzgesetzes die Instrumente des Vollzugs sowie die Verankerung des Grundwasserschutzes in der Raumplanung zu stärken.

Bericht Grundwasserschutz in der Schweiz
Dossier: Grundwasserschutz in der Schweiz

Im September 2020 reichte Christophe Clivaz (gp, VS) ein Postulat betreffend die Verunreinigung des Trinkwassers mit dem Pflanzenschutzwirkstoff Chlorothalonil ein. Clivaz reihte sich damit in eine Reihe von Vorstössen zum Thema Chlorothalonil ein (bspw. Mo. 20.3052 von Kurt Fluri (fdp, SO) und Mo. 20.3625 von Roberto Zanetti (sp, SO)). Clivaz führte in seinem Vorstoss aus, dass trotz des Verbots von Chlorothalonil noch problematische Abbauprodukte im Trinkwasser festgestellt worden seien. Die Behörden müssten nun zum Schutz der Bevölkerung die Konzentration der Abbauprodukte reduzieren, etwa indem sie Trinkwasser aus verschiedenen Quellen mischen. Wenn die Entnahme von unbelastetem Wasser nicht möglich sei, müsse ein komplexes und kostspieliges Verfahren zur Reinigung des Wassers angewandt werden. Avenir Suisse habe die Kosten, die durch den Einsatz von Pestiziden entstehen, jüngst auf ca. CHF 100 Mio. pro Jahr beziffert. Clivaz forderte den Bundesrat nun dazu auf, in einem Bericht die Fristen und die Kosten für die Sanierungsarbeiten der Trinkwasserfassungen zu veranschlagen und das Risiko zu berechnen, dass gewisse Teile der Bevölkerung bis zum Ende der Sanierungsarbeiten weiterhin belastetes Wasser konsumieren müssen. Zudem solle der Bundesrat unter Berücksichtigung des Verursacherprinzips Lösungen für die Finanzierung der Arbeiten, die die Gemeinden in Angriff nehmen müssten, vorschlagen.
Der Bundesrat beantragte die Ablehnung des Postulats, da der geforderte Bericht nicht nötig sei: Die Fragen seien entweder schon beantwortet, befänden sich in Bearbeitung oder könnten gar nicht beantwortet werden. So sei es etwa aufgrund der stark unterschiedlichen Situationen in den Gemeinden quasi unmöglich, die Dauer und die Kosten der Sanierungsarbeiten abzuschätzen. Der Bundesrat vertrat zudem die Ansicht, dass die Lösung der Pestizidproblematik beim Grund- und Trinkwasser darin bestehe, den vorsorglichen Schutz des Grundwassers zu stärken. Dies sei bereits im Rahmen der Motion Zanetti sowie im Rahmen der parlamentarischen Initiative 19.475 vorgesehen.
Der Vorstoss gelangte in der Herbstsession 2022 in die grosse Kammer. Diese nahm das Postulat äusserst knapp, mit 95 zu 94 Stimmen an. Nebst den geschlossen stimmenden SP-, Grünen- und GLP-Fraktionen stimmten auch einzelne Mitglieder der FDP.Liberalen- und der Mitte-Fraktion für Annahme des Postulats.

Verunreinigung des Trinkwassers mit Chlorothalonil. Wie reagieren und wie die nötigen Sanierungen finanzieren? (Po. 20.4087)
Dossier: Pestizidbelastung in Fliessgewässern

Ende April 2022 kam das Referendum gegen die AHV21 zustande. Damit wurde an der Urne nicht nur über die Mehrwertsteuererhöhung um 0.4 Prozentpunkte respektive 0.1 Prozentpunkte und somit über eine Zusatzfinanzierung für die AHV von CHF 12.4 Mrd. bis 2032 abgestimmt – diese musste als Verfassungsänderung sowieso der Stimmbürgerschaft vorgelegt werden –, sondern auch über die übrigen Massnahmen des Reformprojekts. Dieses sah vor, das Rentenalter der Frauen in vier Schritten (2024 bis 2027) demjenigen der Männer anzupassen, wodurch die AHV bis 2032 CHF 9 Mrd. weniger ausgeben respektive mehr einnehmen sollte als bisher. Im Gegenzug sollten die ersten neun betroffenen Frauenjahrgänge Zuschläge zu ihren Renten oder günstigere Bedingungen beim Rentenvorbezug erhalten, die insgesamt CHF 2.8 Mrd. kosten sollten. Allgemein sollte der Start des Rentenbezugs flexibilisiert und neu zwischen 63 und 70 Jahren möglich werden – mit entsprechenden Abzügen und (teilweise) Gutschriften bei früherem oder späterem Bezug –, wobei die Rente nicht mehr nur vollständig, sondern auch teilweise bezogen werden kann. Dies würde bis 2032 etwa CHF 1.3 Mrd. kosten. Insgesamt könnten die AHV-Ausgaben bis ins Jahr 2032 um insgesamt CHF 4.9 Mrd. gesenkt werden.

Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform wehrten sich vor allem gegen die Finanzierung der Reform auf dem «Buckel der Frauen» (Tages-Anzeiger), also durch die Erhöhung des Frauenrentenalters. Dadurch würde den Frauen faktisch die Rente gekürzt – ein Jahr weniger Rente entspreche CHF 26'000, rechnete das Referendumskomitee vor. Diese Reduktion würde noch nicht einmal für diejenigen Jahrgänge, welche Kompensationsmassnahmen erhielten, vollständig ausgeglichen. Besonders störend daran sei, dass Frauen noch immer einen deutlich geringeren Lohn für ihre Arbeit und einen Drittel weniger Rente als die Männer erhielten, während sie gleichzeitig sehr viel mehr unbezahlte Arbeit leisteten. Darüber hinaus erachtete die Gegnerschaft die Erhöhung des Frauenrentenalters auch als ersten Schritt hin zum Rentenalter 67, das sie jedoch unter anderem mit Verweis auf die schlechten Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmender sowie auf die Erhöhung der Langzeitarbeitslosigkeit und der Sozialhilfequote ablehnte. Schliesslich erachteten die Gegnerinnen und Gegner auch die aktuelle Situation der AHV als weniger gravierend als die Befürwortenden der Revision: Die AHV sei solide, werde aber immer durch dramatische Prognosen schlechtgeredet – diese seien bisher jedoch nie eingetroffen. Die Nein-Parole zu beiden AHV-Vorlagen gaben die SP, die Grünen, die PdA sowie die SD aus, sie wurden von den Gewerkschaften unterstützt.

Die Befürwortenden der Reform betonten, dass die AHV struktureller Reformen bedürfe, zumal sie ansonsten bereits in wenigen Jahren mehr ausgeben als einnehmen werde. Die AHV21-Reform führe durch Massnahmen sowohl auf Einnahmeseite – durch die Mehrwertsteuererhöhung – als auch auf Ausgabenseite – durch die Erhöhung des Frauenrentenalters – zu einer Verbesserung der AHV-Finanzen. Bezüglich des Arguments der Gegnerschaft, dass vor allem die Frauen für die Reform aufkommen müssten, verwiesen die Befürwortenden auf die «substanziellen Kompensationen», welche die Frauen der Übergangsgeneration erhielten. Zudem sei eine Rentenaltererhöhung der Frauen auf 65 Jahre gerechtfertigt, da sie einerseits als Teil der Gleichstellung erachtet werden könne und da die grossen Rentenunterschiede andererseits nicht aus der AHV, sondern aus der beruflichen Vorsorge stammten. Im Gegenzug forderten jedoch auch verschiedene Mitglieder der Pro-Komitees Verbesserungen für die Frauen in der zweiten Säule, vor allem beim Koordinationsabzug, welcher gesenkt werden sollte. Die Ja-Parole zu beiden Vorlagen gaben die SVP, die FDP, die Mitte, die GLP, die EVP und die EDU sowie etwa Economiesuisse, der Arbeitgeberverband, der Gewerbeverband und der Bauernverband aus.

In der medialen Berichterstattung stand vor allem die Frage nach den Auswirkungen für die Frauen sowie der Fairness ihnen gegenüber im Mittelpunkt. Im Zentrum des Interesses stand dabei der Bund Schweizerischer Frauenorganisationen, Alliance f. So zeigten sich die im Verband organisierten Frauen öffentlich gespalten: Selbst der Vorstand des Verbands bestand aus Befürworterinnen und Gegnerinnen der AHV21. Alliance f sei in einer «delikate[n] Ausgangslage», betonten folglich etwa die AZ-Medien. Als Konsequenz gab der Verband Stimmfreigabe heraus und schuf zwei Frauenallianzkomitees, ein befürwortendes und ein ablehnendes. Damit wolle man sich trotz unterschiedlicher Positionen in die Diskussion einbringen und somit verhindern, dass die Männer die Debatte um das Frauenrentenalter dominierten, betonte etwa Co-Präsidentin von Alliance f und Präsidentin des befürwortenden Frauen-Komitees, Kathrin Bertschy (glp, BE).

Zusätzliche Aufmerksamkeit erhielt die AHV21-Abstimmung Ende Mai, als das BSV die neuen Finanzperspektiven der AHV herausgab. So war der Bundesrat in der Botschaft zur AHV21 im August 2019 von einem negativen Betriebsergebnis der AHV im Jahr 2030 von CHF 4.6. Mrd. ausgegangen. Im Juni 2021 hatte das BSV für 2030 ein Defizit von CHF 3.7 Mrd. prognostiziert, in den neusten Finanzperspektiven Ende Mai 2022 war hingegen nur noch von einem Defizit von CHF 1.8 Mrd. die Rede. Das BSV erklärte diese Veränderungen mit dem guten Betriebsergebnis des AHV-Ausgleichsfonds 2021 sowie mit einem stärkeren Beschäftigungs- und Reallohnwachstum als erwartet. Diese Entwicklung zeige auf, dass die AHV in einer «systematische[n] Angstmacherei zulasten der Bevölkerung» schlechtgeredet werde, liess der SGB verlauten. Die NZZ erachtete diese Zahlen trotz der Korrekturen noch immer als schlecht, «die AHV [werde] so oder so ins Minus» rutschen.

Im Juni 2022 entschied die SGK-SR, dass ihr Entwurf zur Pensionskassenreform BVG21 noch nicht reif für die Behandlung in der Herbstsession 2022 sei. Die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform sahen darin einen Versuch, kritische Debatten zur BVG21-Reform vor der Abstimmung über die AHV21 zu verhindern. Doch auch Befürwortende der AHV21-Reform störten sich an diesem Vorgehen der Kommission, zumal man bei einer Behandlung der BVG21-Reform den Frauen hätte zeigen wollen, dass man als Ausgleich zur Rentenaltererhöhung wie mehrfach versprochen ihre Pensionskassenrenten erhöhen werde.

Zu medialen Diskussionen führten in der Folge auch die Vorumfragen. Bereits Anfang Mai berichtete die SonntagsZeitung mit Verweis auf eine Umfrage des Marktforschungsinstituts Demoscope, welche gemäss SonntagsBlick von den Befürwortenden in Auftrag gegeben worden war, dass sich 62 Prozent der SP-Sympathisierenden und 59 Prozent der Sympathisierenden der Grünen für die AHV21 aussprechen wollten. Insgesamt machte die Studie eine Zustimmung zur AHV21 von 55 Prozent aus. Darob publizierte jedoch der SGB die Resultate einer eigenen, zuvor beim Forschungsinstitut Sotomo in Auftrag gegebenen Studie, gemäss welcher die Sympathisierenden der SP die AHV21 zu 63 Prozent ablehnten, während der durchschnittliche Ja-Stimmenanteil über alle Parteien hinweg bei 48 Prozent zu liegen kam. Die Diskussion darüber, wie verlässlich Studien sind, welche von den Befürwortenden respektive der Gegnerschaft einer Vorlage in Auftrag gegeben werden, währte in den Medien jedoch nicht lange. Ab August konzentrierte sich die mediale Debatte auf die Vorumfragen von SRG/gfs.bern und Tamedia/Leewas, welche auf eine mehr oder weniger deutliche Annahme der zwei Vorlagen hindeuteten (Mehrwertsteuererhöhung: zwischen 54 und 65 Prozent, AHVG: zwischen 52 und 64 Prozent). Vor allem zeichnete sich in den Vorumfragen aber bereits ein deutlicher Geschlechtergraben ab, so sprachen sich beispielsweise Anfang August 2022 in der ersten Tamedia-Umfrage 71 Prozent der Männer für die Änderung des AHVG und somit für die Erhöhung des Frauenrentenalters aus, während diese nur 36 Prozent der Frauen befürworteten.

Hatten die Vorumfragen letztlich doch eine relativ deutliche Annahme beider AHV21-Vorlagen in Aussicht gestellt, wurde es am Abstimmungssonntag für die Gesetzesänderung sehr eng: Mit 50.55 Prozent Ja-Stimmen und gut 31'000 Stimmen Unterschied sprach sich die Stimmbürgerschaft für Annahme der Reform aus. Deutlicher fiel das Verdikt für die Zusatzfinanzierung über eine Mehrwertsteuererhöhung aus (55.07%).


Abstimmung vom 25. September 2022

Änderung des Bundesgesetzes über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHVG; AHV21)
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'442'591 Stimmen (50.5%)
Nein: 1'411'396 Stimmen (49.5%)

Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
Beteiligung: 52.2%
Ja: 1'570'813 Stimmen (55.1%)
Nein: 1'281'447 Stimmen (44.9%)

Parolen:
-Ja: SVP, FDP, Mitte, GLP, EVP, EDU; Economiesuisse, SAV, SBV, SGV
-Nein: SP, GPS, PdA, SD; SGB, Travail.Suisse, VPOD
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen


«Männer haben Frauen überstimmt», titelte in der Folge der «Blick», von einem «eklatante[n] Geschlechtergraben, wie es ihn noch nie gegeben hat», sprach die WOZ. In der Tat zeigten verschiedene Nachbefragungen einen grossen Zustimmungsunterschied zwischen Frauen und Männern. In der Vox-Analyse lag die Zustimmung zur Gesetzesänderung bei den Frauen im Schnitt bei 38 Prozent, bei den Männern bei 64 Prozent – wobei die direktbetroffenen Frauen unter 65 Jahren der Vorlage nur mit 25 Prozent (18-39 Jährige) respektive mit 29 Prozent (40-64 Jährige) zustimmten, die Frauen im Rentenalter hingegen mit 63 Prozent. In der Folge kam es in Bern und anderen Städten zu Demonstrationen, in denen Teile der Gegnerinnen der Vorlage ihre Wut über das Ergebnis ausdrückten. In einer Rede zeigte sich Tamara Funiciello (sp, BE) gemäss Medien empört darüber, dass «alte, reiche Männer» entschieden hätten, dass «Kita-Mitarbeiterinnen, Nannys, Reinigungskräfte und Pflegefachfrauen» länger arbeiten müssten. Dies führte im Gegenzug zu Unmut bei Vertreterinnen und Vertretern der bürgerlichen Parteien, welche kritisierten, dass «die Linke» den Stimmentscheid nicht akzeptieren wolle. Zudem sprach Regine Sauter (fdp, ZH) Funiciello die Berechtigung ab, im Namen aller Frauen zu sprechen, zumal Frauen keine homogene Masse bildeten. Funiciello hingegen betonte gemäss Tages-Anzeiger, dass es «für Verbesserungen [...] den Druck von der Strasse und den Dialog im Bundeshaus» brauche.

Doch nicht nur zwischen den Geschlechtern, auch zwischen den Sprachregionen zeigten sich bereits am Abstimmungssonntag grosse Unterschiede. Sämtliche mehrheitlich romanischsprachigen Kantone lehnten die Reform ab, allen voran die Kantone Jura (29% Ja-Stimmen), Neuenburg (35%) und Genf (37%), während sich nur drei deutschsprachige Kantone mehrheitlich gegen die Reform des AHV-Gesetzes aussprachen (Basel-Stadt: 47% Zustimmung; Solothurn: 49.8%, Schaffhausen: 50.0%). Die höchste Zustimmung fand sich in den Kantonen Zug (65%), Nidwalden (65%) und Appenzell-Innerrhoden (64%). «Die Deutschschweiz sichert die AHV», bilanzierte folglich etwa die NZZ, während SGB-Präsident und Nationalrat Maillard (sp, VD) die Unterschiede zwischen den Sprachregionen kritisierte, neben dem Geschlechtergraben und dem Sprachgraben aber auch einen Einkommensgraben ausmachte. Diese Ergebnisse bestätigte später auch die Vox-Analyse, welche für Personen mit Haushaltseinkommen unter monatlich CHF 3'000 eine deutlich tiefere Zustimmung zur Gesetzesänderung ermittelte als für Personen mit höheren Haushaltseinkommen (unter CHF 3'000: 32%; CHF 3'000-5'000: 49%, CHF 5'000-9'000: 52%, CHF 9'000-11'000: 59%, CHF über 11'000: 60%). Dieselben Unterschiede waren jeweils auch bei der Mehrwertsteuererhöhung erkennbar, wenn auch in geringerem Ausmass.

Als Motive für ihren Stimmentscheid machte die Vox-Analyse bei den Befürwortenden die Notwendigkeit zur Stabilisierung der AHV aus – sowohl bei der Gesetzesänderung (41%) als auch bei der Mehrwertsteuererhöhung (64%) wurde dieser Punkt häufig genannt. Zusätzlich erachteten aber die Befürwortenden die Gesetzesänderung – also wohl vor allem die Rentenaltererhöhung – auch als Schritt hin zur Gleichberechtigung (45%). Die Gegnerinnen und Gegner erachteten sowohl die Gesetzesänderung als ungerecht (84%), insbesondere im Hinblick auf die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern, als auch auf die Mehrwertsteuererhöhung (46%), die vor allem einkommensschwache Personen treffe und allgemein ein «schlechtes Finanzierungsmittel» (Vox-Analyse) darstelle.

Bereits am Tag nach der Volksabstimmung zur AHV21 schwenkte das mediale Interesse weg von der Reform der AHV hin zur BVG21-Reform. Denn nicht nur die Gegnerinnen und Gegner der AHV21-Reform, sondern auch weite Teile der Befürwortenden wiesen auf die Verpflichtung oder gar das «Versprechen» (AZ) hin, die mit dieser Annahme der Reform einhergingen: Im Gegenzug müsse das Bundesparlament die Benachteiligung der Frauen bei der Altersvorsorge im Rahmen der anstehenden BVG21-Reform korrigieren.

Reform «Stabilisierung der AHV (AHV 21)» (BRG 19.050)
Dossier: Debatten um das Frauenrentenalter
Dossier: Erhöhung des Rentenalters

Immer wieder tut sich bei Volksabstimmungen in der Schweiz ein Röstigraben auf, indem die Romandie und die Deutschschweiz deutlich unterschiedlich abstimmen. Auch 2022 gab es wieder zwei ausgeprägte Beispiele für dieses Phänomen: Sowohl beim Ja zur AHV-21-Reform als auch beim Nein zum Medienpaket wurde die Romandie von einer Mehrheit der Deutschschweiz überstimmt. Der AHV-Entscheid war aus Sicht der frankophonen Gegnerschaft auch deshalb besonders bitter, weil schon eine leicht höhere Stimmbeteiligung in den französischsprachigen Kantonen wohl gereicht hätte, um das knappe Ja gesamtschweizerisch in ein knappes Nein zu verwandeln. Die NZZ schrieb nach der AHV-Abstimmung deshalb von einer «gespaltenen Schweiz», und die Ständerätin Elisabeth Baume-Schneider (JU, sp) – als Romande, Linke und Frau Teil von gleich drei überstimmten Gruppen – befand, solche Abstimmungsgräben seien für den Zusammenhalt der Willensnation Schweiz «nicht die beste aller Nachrichten».
Zwei im Berichtsjahr erschienene Studien, die den Röstigraben bei Volksabstimmungen auf lange Sicht untersuchten (Mueller und Heidelberger 2022; Jaquet und Sciarini 2022), gaben indessen eher Anlass zu Gelassenheit: Zwar werden die Kantone der sprachlichen Minderheiten in der Tat öfter überstimmt, allerdings gehören auch sie noch in über drei Vierteln aller Abstimmungen zu den Gewinnerkantonen. Die ausgeprägt konservativen Deutschschweizer Kantone Schwyz und Appenzell Innerrhoden standen zudem ähnlich häufig auf der Verliererseite wie die ausgeprägt progressiven Kantone der Romandie. Stimmten alle Kantone der Romandie geeint ab (wie es beim AHV-21-Gesetz der Fall war, nicht aber beim Medienpaket und der AHV-Zusatzfinanzierung), so blieben sie gesamtschweizerisch nur selten in der Minderheit, nämlich in weniger als vier Prozent der Urnengänge. Zu einem «perfekten» Röstigraben, bei dem sämtliche mehrheitlich französischsprachigen Kantone auf der einen und sämtliche Deutschschweizer Kantone auf der anderen Seite standen, kam es bisher sogar nicht einmal in jeder hundertsten Volksabstimmung. Die Sprachgemeinschaften stehen sich an der Urne also nur sehr selten als homogene Blöcke gegenüber. Nicht zuletzt bestätigt die Untersuchung von Mueller und Heidelberger (2022) schliesslich frühere Forschungsergebnisse, wonach der abstimmungspolitische Röstigraben mittlerweile weniger ausgeprägt ist als noch vor einigen Jahrzehnten.

Röstigraben bei Volksabstimmungen 2022

Dans le cadre de la mise en application suivant l'acceptation de l'initiative parlementaire 19.475, le Conseil fédéral a fixé à 20 pour cent l'objectif de réduction des pertes d'éléments fertilisants d'ici à 2030. Redoutant les conséquences d'un objectif considéré comme trop ambitieux, la sénatrice fribourgeoise Johanna Gapany (plr, FR) demande de le revoir à la baisse. En effet, la seule manière d'atteindre cet objectif pour l'azote serait de réduire le cheptel en Suisse, d'après la sénatrice libérale-radicale, touchant donc à l'autoapprovisionnement alimentaire. S'opposant au texte, tant Adèle Thorens Goumaz (verts, VD) que Roberto Zanetti (ps, SO) ont rappelé que les décisions prises à cet égard en 2021 s'inscrivaient dans le contexte des initiatives populaires visant les pesticides et les intrants fertilisants et que certains gages avaient été donnés à l'époque pour contrer les initiatives. Revenir sur ces engagements est problématique selon les deux élu.e.s. De plus, ces discussions devraient être menées en commission, et idéalement dans le cadre des travaux en cours sur la politique agricole 22+. Le ministre de l'agriculture, Guy Parmelin, a également appelé les sénatrices et sénateurs à rejeter cette motion, soulignant que la trajectoire actuelle permettra d'atteindre 11 pour cent de réduction pour les pertes d'azote et 18 pour cent pour celles de phosphore, sans prendre en considération les mesures que les interprofessions sont appelées à prendre. Une majorité d'élu.e.s (25 voix contre 18 et une abstention) a toutefois décidé de suivre la motionnaire, les voix de la gauche complétées par quelques élu.e.s du Centre et de l'indépendant Minder (SH) ne suffisant pas à faire échouer ce texte.

Demande de révision à la baisse de l'objectif de réduction des pertes des éléments fertilisants (Mo. 22.3795)

Im Juni 2022 publizierte die GPK-NR den Bericht «Grundwasserschutz in der Schweiz». Darin wies die Kommission darauf hin, dass die Qualität des Grundwassers und damit auch des Trinkwassers in den letzten Jahren stärker in den Fokus von Bevölkerung und Politik gelangt sei. So stimmte die Schweizer Bevölkerung etwa über die Trinkwasserinitiative und die Pestizidinitiative ab und der Bundesrat thematisierte dieses Thema auch in der Botschaft zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik ab 2022 (AP22+). Vor diesem Hintergrund beauftragten die beiden Geschäftsprüfungskommissionen im Januar 2020 die PVK mit einer Evaluation des Grundwasserschutzes in der Schweiz. Darauf basierend erarbeitete die GPK-NR den vorliegenden Bericht. Das BAFU habe im Rahmen der Arbeiten zu diesem Bericht darauf hingewiesen, dass vor allem in drei Bereichen Vollzugsdefizite beim planerischen Grundwasserschutz bestünden, obwohl die rechtlichen Vorgaben grösstenteils seit dem Inkrafttreten der GschV im Jahr 1998 gälten. Zum einen hätten noch nicht alle Kantone die Zuströmbereiche für die Trinkwasserfassungen definiert, worauf auch in der angenommenen Motion Zanetti (sp, SO; Mo. 20.3625) hingewiesen wurde. Zum anderen seien nicht um alle wichtigen Fassungen entsprechende Schutzzonen ausgeschieden worden. Und drittens komme es auch an Orten, wo die Grundwasserschutzzonen korrekt definiert seien, zu Nutzungskonflikten. Dies bedeute, dass die vorgegebenen Nutzungseinschränkungen, etwa für die Landwirtschaft, nicht konsequent durchgesetzt würden. Die GPK-NR kritisierte diese Defizite stark und erachtete es als dringend notwendig, dass der Bund als Aufsichtsbehörde endlich griffige Massnahmen durchsetze, um den Grundwasserschutz zu stärken. Zu diesem Zweck empfahl die GPK-NR mehrere rechtliche Anpassungen. Erstens forderte sie verbindliche Fristen für die Umsetzung aller rechtlich vorgesehenen Massnahmen des planerischen Grundwasserschutzes durch die Kantone (Motion 22.3873). Zweitens solle der Bund mehr Interventions- und Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung gesetzlicher Vorgaben durch die Kantone erhalten (Motion 22.3874). Ein weiterer Punkt betraf die konkrete Aufsicht des BAFU über den Vollzug der Kantone, wobei das BAFU proaktiver agieren müsse. Beim Grundwasserschutz in der Landwirtschaft empfahl die GPK-NR Verbesserungen beim so genannten «Gewässerschutzprogramm» (Postulat 22.3875). Schliesslich müsse auch sichergestellt werden, dass die Akteurinnen und Akteure der Raumplanung die Vorgaben des Gewässerschutzgesetzes stärker berücksichtigten.

Bericht Grundwasserschutz in der Schweiz
Dossier: Grundwasserschutz in der Schweiz

Im Rahmen ihres Berichts «Grundwasserschutz in der Schweiz» reichte die GPK-NR im Juni 2022 nebst einer Motion zur Stärkung der Aufsichtsinstrumente und Interventionsmöglichkeiten im Bereich des Grundwasserschutzes und einem Postulat zur Stärkung des Gewässerschutzes in der Landwirtschaft auch die Motion «Fristen für die Umsetzung der Massnahmen des planerischen Grundwasserschutzes» ein. Diese Motion forderte, dass der Bundesrat im GSchG verbindliche Fristen für die Umsetzung aller rechtlich vorgegebenen Massnahmen für den Grundwasserschutz durch die Kantone festlegt. Dabei handle es sich um die Festlegung der Zuströmbereiche und der Grundwasserschutzzonen und -areale, aber auch um die Ausscheidung der Gewässerschutzbereiche sowie um die Erstellung der Gewässerschutzkarten. Mit diesen rechtlich verbindlichen Fristen soll die Umsetzung beschleunigt und die Kontrollfunktion des Bundes bei der Umsetzung gestärkt werden. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion.

Fristen für die Umsetzung der Massnahmen des planerischen Grundwasserschutzes (Mo. 22.3873)
Dossier: Grundwasserschutz in der Schweiz

Die Klärung und Stärkung der Aufsichtsinstrumente und Interventionsmöglichkeiten des Bundes im Bereich des Grundwasserschutzes standen im Zentrum einer Motion der GPK-NR, welche diese im Rahmen ihrer Arbeiten zum Bericht «Grundwasserschutz in der Schweiz» formuliert hatte. Die vorliegende Motion gesellte sich zu einer Motion für verbindliche Fristen für den Vollzug im planerischen Grundwasserschutz sowie zu einem Postulat zur Stärkung des Gewässerschutzes in der Landwirtschaft.
Die Motion verlangte vom Bundesrat, dass das geltende Gewässerschutzrecht um Aufsichts- und Interventionsmöglichkeiten erweitert wird, damit der Bund den Vollzug der Massnahmen im planerischen Grundwasserschutz stärken könne. Dazu schlug die GPK-NR eine Präzisierung der Berichterstattungspflicht beim Vollzug durch die Kantone gegenüber dem Bund, Sanktionsmöglichkeiten bei Vollzugsdefiziten durch die Kantone sowie die Einführung der gezielten finanziellen Förderung des kantonalen Vollzugs vor. Der Bundesrat beantragte die Annahme der Motion, lehnte indes die Forderung nach der finanziellen Unterstützung des Vollzugs durch die Kantone ab.

Klärung und Stärkung der Aufsichtsinstrumente und Interventionsmöglichkeiten des Bundes im Bereich des Grundwasserschutzes (Mo. 22.3874)
Dossier: Grundwasserschutz in der Schweiz

La commission de gestion du Conseil national (CDG-CN) a profité du dépôt de deux motions (Mo. 22.3873 et Mo. 22.3874) sur la protection des eaux pour exiger du Conseil fédéral un rapport sur le programme de protection des eaux dans l'agriculture, aussi appelé programme 62a. Isabelle Pasquier-Eichenberger (verts, GE), rapporteuse de commission, note que « le programme ne rencontre pas le succès attendu ». La question se pose donc de savoir comment renforcer son attractivité. Le Conseil fédéral s'est dit opposé au postulat, les offices fédéraux de l'environnement (OFEV) et de l'agriculture (OFAG) s'étant déjà emparés de cette problématique et travaillant sur des mesures pour que ce programme soit davantage utilisé. L'objet a été accepté par 124 voix contre 62 et 2 abstentions. Les voix s'y opposant sont principalement venues de l'UDC, quelques élu.e.s du Centre et du PLR s'y additionnant.

Améliorer l'efficacité du programme de protection des eaux dans l'agriculture (Po. 22.3875)
Dossier: Grundwasserschutz in der Schweiz

Der Bundesrat publizierte im Mai 2022 in Erfüllung eines Postulats von Beat Rieder (mitte, VS) einen Grundlagenbericht über die Wasserversorgungssicherheit und das Wassermanagement in der Schweiz. Im Postulatsbericht ging der Bundesrat insbesondere auf den Wasserbedarf, auf die Notwendigkeit eines Wassermanagements, auf Schutz- und Nutzungskonflikte im Bereich der Wasserversorgung und auf internationale Verpflichtungen bei der Nutzung des Wassers ein.
Der Bericht fokussierte stark auf den Klimawandel und die daraus folgenden Konsequenzen für das Wasservorkommen und die -nutzung. Die Folgen des Klimawandels – vor allem vermehrte Trockenperioden im Sommer – führten dazu, dass die Gewässer generell weniger Wasser führten. Die Trockenheit steigere auch den Wasserbedarf in der Landwirtschaft, währenddem gleichzeitig zum Schutz der Ökosysteme die Wasserentnahme eingeschränkt werden müsste. Ein regionales Wassermanagement – also der Fokus auf Wassermengen- und Versorgungsfragen von Trink- und Brauchwasser – zum rechtzeitigen Erkennen und Lösen dieser Nutzungskonflikte sei daher wünschenswert. Weiter wurde vorgeschlagen, eine kantonale Berichterstattungspflicht bei Trockenheitssituationen einzuführen: Die Kantone sollen dem Bund über die während einer Phase der Trockenheit ergriffenen Massnahmen (beispielsweise Entnahmeverbote) berichten und aufzeigen, inwiefern ihre Planung im Hinblick auf künftige derartige Ereignisse angepasst werden müsste, um einer Verschärfung der Trockenheitsproblematik vorzubeugen. Zudem sollten für ein funktionierendes Wassermanagement verlässliche Wassernutzungsdaten erhoben werden. Betreffend die internationale Zusammenarbeit wurde im Bericht festgehalten, dass die grenzüberschreitende Nutzung und der Schutz der Gewässer bestens etabliert seien und erkannter Handlungsbedarf in den entsprechenden Gremien behandelt werde.

Rapport sur la sécurité de l'approvisionnement en eau et sur la gestion de l'eau (post. 18.3610)
Dossier: Klimawandel in der Schweiz

Im Mai 2022 fand die eidgenössische Abstimmung über die Änderung des Transplantationsgesetzes statt, mit der die erweiterte Widerspruchslösung eingeführt werden sollte.

Die Gegnerinnen und Gegner der erweiterten Widerspruchslösung waren breit zusammengewürfelt und liessen sich nicht klar auf dem politischen Spektrum verorten. Angeführt wurde das Komitee «Nein zur Organspende ohne explizite Zustimmung» von einem pensionierten Arzt und einer Hebamme. Der Arzt, Alex Frei, war ebenfalls Vorsitzender der Ärzte und Pflegefachpersonen gegen Organspende am Lebensende (ÄPOL) – einer Vereinigung, die sich grundsätzlich gegen Organspende an für tot erklärte Personen stellte. Die Hebamme, Susanne Clauss, ihres Zeichens Co-Präsidentin der SP Biel, wehrte sich lediglich gegen die Organentnahme an verstorbenen Personen, sofern von diesen keine explizite Einwilligung vorliegt. Unterstützung erhielten die beiden Personen von Philosophie-, Rechts- und Theologieprofessorinnen und -professoren sowie von bekannten Köpfen verschiedenster Parteien. So etwa von der Thurgauer SVP-Nationalrätin Verena Herzog, der Berner EVP-Nationalrätin Marianne Streiff-Feller, dem Urner FDP-Ständerat Josef Dittli sowie von den ehemaligen Parlamentarierinnen Verena Diener (glp, ZH) und Gret Haller (sp, BE). Nein-Parolen beschlossen schliesslich die EVP, die SVP und die EDU. Als Hauptargument gegen die Widerspruchslösung führten die Gegnerinnen und Gegner ins Feld, dass es immer Leute geben werde, die nicht wissen, dass ihnen auch ohne ihre explizite Zustimmung Organe entnommen werden können. Dies verletze deren Recht auf Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit und sei unethisch. Zudem würden dadurch bei Nichtvorliegen des Willens der verstorbenen Person die Angehörigen unter Druck gesetzt, da deren Ablehnung als unsolidarisches Verhalten aufgefasst werden könnte.

Gerade anderer Ansicht waren die Befürworterinnen und Befürworter der erweiterten Widerspruchslösung. Sie erachteten die neue Regelung gar als Entlastung für die Angehörigen, gab etwa Reto Stocker, ein ehemaliger Leiter der chirurgischen Intensivstation des Universitätsspitals Zürich dem Tages-Anzeiger zu Protokoll. Zudem soll mit einer grossen und regelmässigen Informationskampagne sichergestellt werden, dass die Bevölkerung über die neue Regelung informiert wird und niemand wider Willen zum Organspender oder zur Organspenderin wird, versicherte Bundesrat Alain Berset an einer Medienkonferenz zur Abstimmungsvorlage. Zur Umsetzung der Vorlage werde der Bund ein neues sicheres und datenschutzkonformes Register schaffen, wo jede Person ihren Willen zur Organspende festhalten und laufend aktualisieren kann, so der Bundesrat. Mit der beschlossenen Regelung folge man vielen europäischen Ländern, die eine Widerspruchslösung mit oder ohne Einbezug von Angehörigen kennen und die im Schnitt eine höhere Organspenderate aufwiesen als Länder mit einer Zustimmungslösung, so der Bundesrat weiter. Von den Parteien gaben die SP, die Grünen, die Mitte, die GLP und die FDP die Ja-Parole aus.

Jedoch waren sich die Parteien intern nicht immer einig, was sich auch in abweichenden Kantonalsektionen zeigte. Während bei den Grünen und der SP fünf Kantonalsektionen die Nein-Parole oder Stimmfreigabe erteilten und sich die Mitte-Sektion des Kantons Schaffhausen gegen die Gesetzesänderung stellte, beschlossen die Junge EVP und die SVP Freiburg Stimmfreigabe und die SVP Jura gar die Ja-Parole. Dies stimmte auch mit der Einschätzung der Co-Leiterin des Contra-Komitees, Susanne Clauss, überein, welche Organspende denn auch als «en aucun cas [...] une question fondamentaliste ni de politique gauche-droite, mais [...] une question purement personnelle et éthique» erachtete. Insgesamt waren die Parteien im Abstimmungskampf denn auch weder auf der gegnerischen noch auf der befürwortenden Seite effektiv sichtbar.

Im Vorfeld der Abstimmung rezitierten die Medien häufig Zahlen zur Organspende in der Schweiz. Ende 2021 hätten 1'434 Personen auf ein Organ gewartet; jährlich würden ungefähr 450 Personen eines erhalten. Lediglich 16 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer besässen eine Karte, auf der ihr Wille für oder gegen die Organspende ausgewiesen sei, dabei gingen gewisse Umfragen von einer Spendebereitschaft in der Bevölkerung von 80 Prozent aus. Diese Umfragen seien jedoch durch Swisstransplant in Auftrag gegeben worden, wurde die Gegnerschaft in den Medien zitiert. Eine im Auftrag des BFS durchgeführte Umfrage, die nicht nur nach der Entnahme von Organen, sondern auch nach derjenigen von Gewebe fragte, komme hingegen auf konservativere Ergebnisse, wonach sich lediglich etwa die Hälfte der Bevölkerung für oder eher für eine Spende aussprechen würde. Ebenfalls zweifelten die Gegnerinnen und Gegner daran, dass sich die Widerspruchslösung direkt und positiv auf die Organspenderate auswirken werde, wobei sie sich auf Aussagen der Nationalen Ethikkommission aus dem Jahr 2019 stützten. Dass die Organspenderate bei Ländern mit Widerspruchslösung nur in der Tendenz höher sei und es bei beiden Modellen Ausreisser gebe, bestätigten indes auch Bundesrat Alain Berset und die ehemalige Nationalrätin Yvonne Gilli (gp, SG) als Präsidentin des Dachverbands der Schweizer Ärztinnen und Ärzte (FMH), der den Wechsel zur Widerspruchslösung ebenfalls unterstützte. Auch weitere Faktoren wie etwa die Ressourcen in den Spitälern oder die Ausbildung des Fachpersonals beeinflussten die Organspendebereitschaft, war schliesslich auch im Abstimmungsbüchlein nachzulesen. Vereinzelt klärten Medienberichte auch über den Hirntot auf und erläuterten den Ablauf bei der Organentnahme. Häufiger liessen sie indes Organempfängerinnen und -empfänger, Personen auf der Warteliste für ein Organ oder Angehörige von Spendenden zu Wort kommen. Auch prominente Gegnerinnen und Gegner der Gesetzesrevision konnten überdies ihre Position darlegen. In seinem Abstimmungsmonitoring kam das fög denn auch zum Schluss, dass die Medienberichterstattung in der Tonalität erstaunlich ambivalent ausfiel, denn für gewöhnlich generierten dem fakultativen Referendum unterstellte Vorlagen ein positiveres Echo in den Medien. Ganz grundsätzlich war die Medienresonanz zur Abstimmungsvorlage gemäss fög gering – ebenso wie zu den beiden anderen zur Abstimmung stehenden Vorlagen (Frontex und Filmgesetz). Inserate für oder gegen die Änderung des Transplantationsgesetzes suchte man in den Printmedien mit wenigen Ausnahmen vergebens. Generell schienen die Meinungen zur Organspende auch bereits von Anfang an gemacht, denn die verschiedenen Wellen der Tamedia-Vorabstimmungsbefragungen registrierten kaum merkliche Verschiebungen beim Ja-Anteil, der zwischen 61 und 62 Prozent lag.

Somit war die Annahme des Transplantationsgesetzes an der Urne denn auch nicht überraschend. Bei einer tiefen Wahlbeteiligung von 40.3 Prozent sprach sich die Stimmbevölkerung am 15. Mai 2022 mit 60.2 Prozent Ja-Stimmen für die erweiterte Widerspruchslösung aus. Lediglich die Stimmenden der beiden Appenzell, von Schaffhausen und Schwyz lehnten die Änderung knapp ab. Weitaus die höchsten Ja-Anteile fanden sich in den Westschweizer Kantonen (durchschnittlich 76.4%) gefolgt vom Tessin (65.5%) – der Sprachgraben zeigte sich bei dieser Vorlage überaus deutlich (Durchschnitt Deutschschweizer Kantone: 53.3%). Der am deutlichsten befürwortende Deutschschweizer Kanton, Basel-Stadt (60.9% Ja), sagte noch immer mit mehr als 10 Prozentpunkten weniger deutlich Ja als der am wenigsten stark zustimmende Kanton der Romandie (Wallis: 72.4% Ja). Somit sprachen sich auch die katholischen Kantone Freiburg, Jura und Wallis klar für die Gesetzesänderung aus, obwohl sich die katholische Kirche für ein Nein eingesetzt hatte. Nicht der Katholizismus, sondern das unterschiedliche Verhältnis der Sprachregionen zum Staat hätten also die Meinungen beeinflusst, folgerte der Tages-Anzeiger kurz nach der Abstimmung. Auf der anderen Seite des Zustimmungsspektrums führte der Vorsteher des Ausserrhodener Gesundheitsdepartementes das Nein in seinem Kanton auf eine besonders ausgeprägte Naturverbundenheit seiner Einwohnerinnen und Einwohner zurück, die sich auch in einer Präferenz für Naturheilkunde gegenüber gewissen schulmedizinischen Angeboten äussere. Tatsächlich bestätigte die VOX-Nachbefragung, dass die Frage, wie stark jemand der Schulmedizin, dem Spitalpersonal, der Wissenschaft und dem BAG vertraut, mit der Zustimmung zur Revision zusammenhängt. Ebenso sprachen sich Personen mit hohem Vertrauen in Freikirchen besonders häufig gegen die Gesetzesänderung aus. Und obwohl der Abstimmungskampf in Abwesenheit der Parteien geführt worden war, erwies sich die politisch-ideologische Selbsteinstufung einer Person durchaus als relevant für deren Stimmentscheid. So legten links stehende Personen besonders häufig ein Ja ein, während sich der Ja-Anteil mit zunehmender Ausrichtung auf die rechte Seite des politischen Spektrums verringerte. Insgesamt folgten jedoch alle Parteisympathisierenden mehrheitlich der Parole ihrer Partei. Das Recht auf einen unversehrten Körper sei zentral und der Staat solle sich nicht in die Organspende einmischen, lauteten gemäss VOX-Umfrage die zentralen Argumente für ein Nein. Auf der anderen Seite zeigten sich die Befürwortenden überzeugt, dass es in der Schweiz momentan zu wenig Organspenden gebe und sich mit dieser staatlich geförderten Regelung Leben retten liessen. Zudem entlaste sie Angehörige, da diese nicht mehr stellvertretend für die verstorbene Person entscheiden müssten.


Abstimmung vom 15. Mai 2022

Änderung des Bundesgesetzes über die Transplantation von Organen, Geweben und Zellen (Transplantationsgesetz)
Beteiligung: 40.3%
Ja: 1'319'276 Stimmen (60.2%)
Nein: 872'119 Stimmen (39.8%)

Parolen:
-Ja: SP (2*), FDP, Grüne (3*), GLP, Mitte (1*); Konsumentenforum, FMH
-Nein: EDU, EVP, SVP (2*); Schweizerische Bischofskonferenz, NZZ
* in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Sogleich nach dem Urnengang stellten die Medien die Frage, wie es nun weitergehe. So informierten etwa die Zeitungen am Tag nach der Abstimmung darüber, was man tun müsse, wenn man sich dazu entschliesse, (keine) Organe spenden zu wollen, wann die Umstellung auf die erweiterte Widerspruchslösung erfolge und was dazu noch erforderlich sei. Einiges, meinte etwa der Tages-Anzeiger zu letzterer Frage, denn für ein neues und sicheres Spenderegister sei «eine elektronische Identität [nötig], die es in der Schweiz noch nicht gibt. Zudem müssen sechs Millionen Erwachsene informiert werden.» Im Vorfeld der Abstimmung war nicht zuletzt auch das bestehende Register von Swisstransplant in Kritik geraten; wegen einer durch die SRF-Sendung «Kassensturz» Anfang Jahr bekannt gewordenen Sicherheitslücke hatte eine beliebige Drittperson eine andere als Organspender oder Organspenderin erfassen können. Da sich dieser Fehler nicht so rasch beheben liess, war eine Neuregistrierung für oder gegen die Organspende im bestehenden Register von Swisstransplant gerade während des Abstimmungskampfes, als sich vermutlich einige Menschen mit der Frage der eigenen Organspendebereitschaft befassten, nicht möglich. Mit einer E-ID gebe es keine solche Sicherheitslücke, kommentierten IT-Experten gegenüber dem Tages-Anzeiger. Der Bundesrat hingegen liess zum Zeitpunkt der Abstimmung noch offen, ob die von ihm zu präsentierende Lösung eine E-ID erfordere. Nur ein Jahr zuvor hatte die Bevölkerung eine Gesetzesvorlage zur Einführung einer elektronischen Identität an der Urne wuchtig verworfen. Obwohl der Bundesrat daraufhin ein neues E-ID-Gesetz vorzulegen plante, prüfe man zum Zeitpunkt auch andere sichere und datenschutzkonforme Eintragungsarten, so der Bundesrat. Sowohl ablehnende als auch befürwortende Politikerinnen und Politiker forderten vom Bundesrat nach dem Abstimmungsausgang eine umfassende Informationskampagne auf verschiedenen Kanälen. So müsse sichergestellt werden, dass auch Personen ohne ausreichende Sprach- und Lesekenntnisse ausführlich über die Widerspruchslösung informiert würden, forderte etwa SVP-Nationalrätin Verena Herzog als Mitglied des Nein-Komitees. Flavia Wasserfallen (sp, BE), Co-Präsidentin de Unterstützungskomitees, gab darüber hinaus zu bedenken, dass die digitalen Fähigkeiten innerhalb der Bevölkerung variierten und somit sowohl die Information der Behörden als auch ein Eintrag ins Spenderegister über den Postweg möglich sein müssten. Beim BAG sah man dies hingegen anders: Es werde lediglich ein Online-Register geben, allerdings soll es möglich sein, die Eintragung via Vertretungsvollmacht etwa vom Hausarzt oder der Hausärztin vornehmen zu lassen. Ebenfalls klar schien bereits, dass Swisstransplant einen Leistungsauftrag erhalten werde, um das Register des Bundes zu führen, worüber sich die Gegnerschaft der Gesetzesänderung nicht erfreut zeigte. Gemäss Aussagen des BAG kurz nach der Abstimmung werde die Umstellung frühestens Mitte 2024 erfolgen.

Im Oktober 2022 gab Swisstransplant bekannt, dass das eigene Spenderegister wegen der Sicherheitsbedenken per sofort eingestellt werde. Die Spitäler kritisierten diesen Entscheid. Für sie verkomplizierten sich dadurch die Abklärungen bis zum neuen Bundesregister. Unterdessen hatte der Bund den Zeitplan zu dessen Inbetriebnahme bereits etwas nach hinten verschoben: Das eigene Register werde «frühestens ab 2025 eingeführt», so das BAG.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Noch am Tag der Schlussabstimmungen über die Revision des Filmgesetzes (FiG), kündigten die Jungfreisinnigen, die Jungen Grünliberalen sowie die Junge SVP ein gemeinsames Referendum an. Am 20. Januar 2022 reichte das Bündnis insgesamt 69'797 Unterschriften ein, wovon die BK am 14. März 2022 51'872 als gültig bestätigte, womit das Referendum gegen die «Lex Netflix» Realität wurde.

Die Gegnerinnen und Gegner der Revision des Filmgesetzes (FiG), die Jungparteien, störten sich insbesondere an zwei Elementen des neuen Filmgesetzes: Der erste Kritikpunkt war, dass Streaming-Plattformen wie Disney+ oder Netflix neu 4 Prozent ihres in der Schweiz erzielten Bruttogewinns in den Schweizer Film investieren müssen. Diese Differenz war bereits in den eidgenössischen Räten heiss umstritten gewesen und konnte erst in der Differenzbereinigung ausgemerzt werden. Zwei Mitträger des Referendums, Nicolo Carle, Mitglied der Jungen Mitte, und Luis Deplazes aus der Jungen FDP kritisierten dies als Versuch, künstlich eine Industrie «hochzuzüchten». Sie verstünden nicht, «wieso man aus der Schweiz ums Verrecken eine grosse Filmnation machen wolle», liessen sie sich im Tages-Anzeiger zitieren. Nach Alec von Barnekow, dem Vizepräsidenten der Jungfreisinnigen, ist es nicht richtig, zur Finanzierung des Schweizer Films erfolgreiche Wirtschaftsakteure zu bestrafen, nur weil sie eine breite Kundschaft anziehen könnten.
Zweitens zeigte sich das Referendumskomitee nicht damit einverstanden, dass das Gesetz neu eine Mindestquote von 30 Prozent an europäischen Filmen vorsieht, welche die Plattformen in ihr Angebot aufnehmen müssten. Nach Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen und des Referendumskomitees, würde dies dazu führen, dass beliebte Filme und Serien aus den USA, Asien oder Afrika wegfallen würden, was der Filmvielfalt schaden würde, wie er gegenüber dem «Blick» bemerkte. Alec von Barnekow erachtete dies gar als Frontalangriff auf die liberalen Werte der Schweiz. Camille Lothe, Präsidentin der Jungen SVP Zürich, vertrat gegenüber dem Tages-Anzeiger die Meinung, dass der Staat mit dieser Gesetzesrevision versuchen würde, die Menschen in einem sehr privaten Bereich zu erziehen, was zu weit gehe. Wieder einmal würde der Staat damit in etwas Gutes «reinfingern». Generell, so lautete der Tenor der jungbürgerlichen Parteien, sei die Lex Netflix eine «politische Sünde». Dies werde sich direkt in den Abopreisen der Konsumentinnen und Konsumenten niederschlagen, welche dann für Filme zahlen würden, die sie gar nicht sehen möchten.

Die Befürwortenden argumentierten auf der einen Seite damit, dass die Revision neue Arbeitsplätze und Aufträge an die lokale Wirtschaft mit sich bringe. Durch die bessere Investition würden mehr Filmschaffende und Schauspielende in der Schweiz bleiben oder hierher kommen, die bis anhin ihr Glück auf Grund tieferer Kosten im Ausland gesucht hatten. Dies würde wiederum neue Arbeitsstellen schaffen – immerhin brauche eine Filmproduktion um die 200 Angestellte, wie Regisseurin Lisa Brühlmann gegenüber den Medien erklärte. Auch die Qualität des Schweizer Films würde gemäss Marianne Binder (mitte, AG) dadurch steigen, so hätte die Förderung in den Nachbarländern zu einem Aufblühen der Branchen geführt – sie nannte dazu etwa die spanische Serie «La Casa de Papel» (Haus des Geldes), welche dank Netflix zu einem weltweiten Erfolg geworden war. Mit der entsprechenden Förderung sei es durchaus auch möglich, dass der nächste Hit aus der Schweiz kommen könne, was letztendlich auch den Plattformen zugute kommen würde.
Auf der anderen Seite argumentierten etwa Elena Tatti und Daniel Wyss als Co-Präsidium der «Association romande de production audiovisuelle» (AROPA), dass seit der Pandemie die Gewinne der Branche, gerade von Netflix, in der Schweiz stark angestiegen seien, was die geplante Abgabe rechtfertige. Ausserdem sei eine Investitionspflicht von 4 Prozent durchaus legitim, international seien die entsprechenden Abgaben um einiges höher – in Frankreich etwa lägen sie bei 26 Prozent. Dass sich diese auf die Preise der Streaming-Anbietenden auswirken würden, wie das Referendumskomitee befürchtete, erachteten bereits Bundesrat und Parlament derweil als unwahrscheinlich, so sei dies in anderen Ländern mit sehr hohen Ansätzen auch nicht eingetroffen. Zudem hätten die Plattformen dies gleich selbst widerlegt: die meisten hätten gemäss Medien öffentlich bekannt gegeben, dass die Preisgestaltung unabhängig von solchen neuen Regeln entschieden werde.

Der Abstimmungskampf zur Revision des Filmgesetzes (FiG) blieb lange Zeit unterdurchschnittlich, sowohl bezüglich Medieninteresse, wie eine Studie des fög aufzeigte, als auch bezüglich Zeitungsinseraten, wie Année Politique Suisse verdeutlichte. Für Aufsehen sorgte hingegen Mitte April 2022 ein Zwischenfall in der SRF-Sendung «Arena», als Kulturminister Berset unerwartet mit einem Fehler im Abstimmungsbüchlein konfrontiert wurde. Demnach seien in einer Grafik, welche die Investitionspflicht in anderen europäischen Staaten aufzeigen sollte, auch Staaten ohne strikte Investitionspflicht aufgeführt gewesen. Nachdem das Referendumskomitee in vier Kantonen Abstimmungsbeschwerden eingereicht hatte, gab die Bundeskanzlei bekannt, dass ergänzende Erklärungen zur Grafik veröffentlicht werden würden. Da das Abstimmungsbüchlein zu diesem Zeitpunkt aber bereits an die Stimmbevölkerung verschickt worden war, konnten die Änderungen nur noch auf der Internetseite des Bundes vorgenommen werden. Da dem Komitee die Anpassungen zu wenig weit gingen, verzichtete es auf einen Rückzug der Beschwerden und reichte Ende April ergänzend Beschwerde beim Bundesgericht in Lausanne ein. Dieses erachtete jedoch eine umfassende Information der Stimmberechtigten durch die öffentlich zugänglichen Präzisierungen der BK als zulässig und lehnte die Beschwerde ab.

Am 15. Mai 2022 nahm das Schweizer Stimmvolk das neue Filmförderungsgesetz mit einem Ja-Stimmenanteil von 58.4 Prozent an – damit wurde das Schweizer Recht im Filmwesen an neue Entwicklungen in der EU angeglichen. Die Medien erachteten das Ergebnis als erstaunlich deutlich, zumal das Referendumskomitee im Verlauf des Abstimmungskampfes gemäss Vorumfragen einen beachtlichen Anstieg an Unterstützung erreicht und damit die Filmfreundinnen und -freunde unerwartet nervös gemacht hatte. So zeigte etwa die erste Vorumfrage des SRG/gfs vom 18. März 2022, dass 16 Prozent Nein (16 Prozent eher Nein) stimmen würden. Zum Zeitpunkt der letzten Tamedia/Leewas-Vorumfrage vom 4. Mai 2022 war dieser Anteil auf 40 Prozent (5 Prozent eher Nein) angestiegen.


Abstimmung vom 15. Mai 2022

Beteiligung: 40.03%
Ja: 1'255'038 Stimmen (58.4%)
Nein: 893'370 Stimmen (41.6%)

Parolen:
-Ja: Grüne, GLP (4)*, Mitte (3)*, SP, EVP, PdA, Junge Grüne, Juso, Junge Mitte (4)*; SGB, SSV, VPOD, cinésuisse, Suisseculture, Suisa, Europäische Bewegung Schweiz, Gewerbeverband AI, Ensemble à Gauche, ML-CSP FR, CSP OW, PCSI JU, Filmschaffende.
-Nein: FDP (3)*, SVP, EDU, SD, Piratenpartei, Junge FDP, Junge SVP, Junge GLP; NZZ, eco, SGV, Verband Schweizer Privatfernsehen, Schweizerisches Konsumentenforum (KF), Telesuisse, Economiesuisse, Swico, SuisseDigital.
*in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Wie zu erwarten zeigten sich die Gegnerinnen und Gegner des Filmgesetzes wenig erfreut über das Ergebnis. Die NZZ etwa, welche sich gemäss fög während des Abstimmungskampfes klar gegen die Vorlage positioniert hatte, sprach von einem «Film-Heimatschutz der Linken». Ob damit der Konsum von Schweizer Filmen tatsächlich steigen werde oder ob es nur einfach erzwungenermassen mehr Angebot geben werde, müsse sich noch weisen. Auch Schweizer Privatsender, welche sich bereits im Abstimmungskampf kritisch gegenüber dem neuen Gesetz geäussert hatten, zeigten sich enttäuscht. Der Präsident der Jungfreisinnigen, Matthias Müller, welcher das Referendumsteam angeführt hatte, erachtete das Ergebnis immerhin als «Achtungserfolg». Immerhin sei dank dem Referendum über die Thematik diskutiert worden. Die Medien rühmten den Abstimmungskampf der bürgerlichen Jungparteien derweil als «geschickt» und «laut» und beleuchteten die jüngsten Erfolge der Jungfreisinnigen, etwa ihren Einsatz gegen das Geldspielgesetz oder für die Renteninitiative.

Die Befürwortenden der Revision präsentierte sich gegenüber den Medien zufrieden und hoffnungsvoll. Der Direktor von Pro Helvetia, Philippe Bischof, twitterte etwa, dass dieses Abstimmungsergebnis «ein gutes Zeichen für den Umgang mit Streaming-Plattformen und gerechter Mittelverteilung zwischen Vertrieb und Kreation» sei. Die SP deutete das Ergebnis als «Zeichen gegen die Selbstbedienungsmentalität der grossen Konzerne» und als wichtiges Signal für die sprachliche und kulturelle Vielfalt der Schweiz. Die Mitte freute sich darüber, dass die erwünschten «gleich langen Spiesse» zwischen den Streaming-Anbietenden und den Schweizer Fernsehsendern nun zum Zuge kommen würden.

Die Medien nutzten das Abstimmungsergebnis auch für einen Ausblick. Nun erhoffe sich auch die Musikbranche eine Verbesserung ihrer Lage, etwa in Form einer möglichen «Lex Spotify». Demnach machten Musikplattformen in der Schweiz Millionenumsätze – ohne überhaupt ein Büro in der Schweiz zu besitzen. Dies sei in den letzten Jahren bereits in drei Vorstössen (Mo. 19.3807; Po. 20.3685; Po. 21.3635) erfolglos thematisiert worden – die Annahme des Filmgesetzes gebe nun aber Auftrieb.

Im Juni 2022 erschien schliesslich die VOX-Analyse zur Abstimmung und gab Hinweise auf das Stimmverhalten der Bürgerinnen und Bürger. Abgelehnt wurde die Revision des Filmgesetzes vor allem von Personen am rechten Pol des politischen Spektrums sowie von Personen, welche mit der SVP sympathisieren. Als Hauptargument nannten die Gegnerinnen und Gegner die unerwünschte «Einmischung des Staates in die Wirtschaft» und die bereits ausreichenden Subventionen der Kulturbranche. Die Befürwortenden der Revision erachteten die Revision als Stärkung der Schweizer Filmbranche. Die grösste Zustimmung erhielt das Argument, dass damit Arbeitsplätze und Aufträge an Schweizer Produzierende geschaffen würden und das mit einem vielfältigeren Angebot einhergehe. Das Streamingdienste in Zukunft einen Teil ihres Gewinns aus der Schweiz wieder in die Schweizer Filmbranche investieren müssen, wurde zudem als gerecht wahrgenommen. Insgesamt erachteten die Befragten die persönliche Bedeutung dieser Revision im Vergleich zu den anderen beiden Vorlagen des Abstimmungssonntags (Transplantationsgesetz, Frontex) aber als gering.

Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix; BRG 20.030)

Im März 2020 reichte Kurt Fluri (fdp, SO) eine Motion zur Thematik des Trinkwasserschutzes ein. Motionär Fluri forderte eine verursacherorientierte Finanzierung der zusätzlichen Trinkwasseraufbereitungsanlagen, die infolge strengerer Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel und Düngerprodukte notwendig würden. Diese Kosten würden dabei vor allem auf den Bau neuer Transportleitungen oder zusätzlicher Aufbereitungsanlagen entfallen. Der Bundesrat beantragte die Ablehnung der Motion. Er bevorzugte den vorsorglichen Schutz des Grundwassers vor schädlichen Eintragungen. Entsprechend forderte er eine konsequentere Ausscheidung/Festlegung der Zuströmbereiche von Trinkwasserfassungen, damit diese Zonen besser geschützt werden können. Aus diesem Grund behielt sich der Bundesrat vor, bei einer Annahme der Motion durch den Nationalrat im Ständerat diesbezüglich Änderungen des Wortlauts der Motion zu beantragen.
In der Frühjahressession 2022 kam der Vorstoss in den Nationalrat. Kurt Fluri pochte darauf, dass für die Verunreinigungen, die bereits im Trinkwasser sind und die eliminiert werden sollen, eine Lösung gefunden werden müsse. Hierbei genüge die Bestimmung der Zuströmbereiche, die mit der Motion Zanetti (sp, SO; Mo. 20.3625) beschlossen wurde, nicht. Umweltministerin Sommaruga entgegnete, dass die Anlagen, die Fluri vorgesehen habe, nur für die grossen Wasserversorgungsunternehmen eine Option darstellten und es nur wenige Verfahren gebe, welche beispielsweise mit Chlorothalonil verunreinigtes Wasser effizient reinigen könnten. In der anschliessenden Abstimmung zeigte sich ein eher ungewöhnliches Abstimmungsverhalten. Während die Grünen-, die GLP- und die FDP.Liberale-Fraktion geschlossen für die Motion stimmten, lehnten sie die fast geschlossen stimmende SVP- und etwa die Hälfte der Mitte-Fraktion ab. Zahlreiche Mitglieder der SP-Fraktion enthielten sich der Stimme. Insgesamt sprachen sich 90 Mitglieder der grossen Kammer für die Motion aus, 63 dagegen und 33 enthielten sich der Stimme.

Verursacherorientierte Finanzierung der zusätzlichen Trinkwasseraufbereitungsanlagen infolge strengerer Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel (Mo. 20.3052)
Dossier: Pestizidbelastung in Fliessgewässern

La version modifiée par le Conseil national de la motion visant une adaptation de Suisse-Bilanz a été acceptée par 37 voix contre 3, contre l'avis du Conseil fédéral qui s'opposait au texte dans son entier. Ce dernier estimait que la plupart des mesures inscrites dans la motion ont déjà été mises en œuvre et qu'une adaptation permanente est effectuée en collaboration avec les branches concernées. Cela n'aura pas suffi à convaincre le Conseil des Etats. Le Conseil fédéral est donc chargé d'appliquer la motion.

Adapter le système Suisse-Bilanz à la réalité (Mo. 21.3004)

Wer die Schweizer Politik finanziert, ist eine Frage, die ebendiese Schweizer Politik schon seit Langem umtreibt. Just zu der Zeit, als auf Bundesebene erstmals eine Transparenzgesetzgebung in Kraft trat und in mehreren Kantonen ähnliche Bestrebungen liefen, um mehr Licht ins Dunkel von Parteien- und Kampagnenfinanzen zu bringen, knöpfte sich anfangs 2022 auch ein neues Buch das Thema vor. Verfasst hatten es Peter Buomberger, ehemaliger Chefökonom der UBS, und Daniel Piazza (LU, mitte), früherer Finanzchef der CVP Schweiz und mittlerweile Mitte-Kantonsrat in Luzern. Für die Jahre 2019 – ein eidgenössisches Wahljahr – und 2020 – das Jahr mit dem äusserst intensiv geführten Abstimmungskampf zur Konzernverantwortungsinitiative – untersuchten sie, wie viel Geld Parteien, Verbände, NGOs und Komitees für Abstimmungs- und Wahlkampagnen sowie sonstige politische Arbeit eingesetzt und aus welchen Quellen sie sich finanziert hatten. Dabei stützten sich die Autoren mangels öffentlicher Angaben auf Interviews mit Insidern und Expertinnen und leiteten daraus Schätzungen ab. Die Aargauer Zeitung und der Tages-Anzeiger hoben unter anderem die folgenden Erkenntnisse aus dem Buch hervor:

Erstens seien die Parteien in finanzieller Hinsicht bei weitem nicht die potentesten Akteure der Schweizer Politik: Rechne man die Budgets der untersuchten Wirtschaftsverbände und links-grünen NGOs zusammen, sei die Summe doppelt so gross wie für alle Parteien zusammen. Mit anderen Worten: Von den insgesamt gegen 65 Millionen, die 2019 für die politische Arbeit eingesetzt worden seien, sei nur ein Drittel auf die Parteien entfallen. Wie Buomberger in der NZZ erklärte, weise der Trend sogar in Richtung eines noch geringeren Anteils der Parteien an den politischen Spendengeldern, sowohl auf bürgerlicher als auch auf linker Seite. Der Grund dafür sei gemäss seinen Erkenntnissen, dass ein zunehmender Teil der Spenderinnen und Spender sich sicherer seien, wofür eine NGO oder ein monothematischer Politakteur stehe, während Parteien offenbar als weniger greifbar gelten. Viele seiner Auskunftspersonen dächten deshalb, dass man «mehr konkreten Nutzen für sein Geld [bekommt], wenn man es beispielsweise eher dem WWF statt einer linken Partei gibt und eher Avenir Suisse statt einer bürgerlichen Partei», so Buomberger.

Zweitens seien links-grüne NGOs mittlerweile finanzstärker als Wirtschaftsverbände: Das Buch kam zum Schluss, dass links-grüne Nichtregierungsorganisationen einschliesslich der Gewerkschaften bei den Abstimmungskämpfen in den Jahren 2019 und 2020 insgesamt etwa einen Drittel mehr Geld eingesetzt hätten als die bürgerlichen Wirtschaftsverbände. Gemäss dem Tages-Anzeiger zeigten sich die beiden Buchautoren «sicher», dass sich das Blatt somit gewendet habe, seit 2011 eine Studie des Politgeografen Michael Hermann festgehalten hatte, dass die Linke sich in fast allen Kampagnen mit einer finanziellen Übermacht der Bürgerlichen konfrontiert sehe. Die Medien wiesen indessen darauf hin, dass der Untersuchungszeitraum der neuen Studie mit zwei Jahren relativ limitiert war und einige Kampagnen umfasste, die von NGO-Seite aussergewöhnlich intensiv geführt worden waren, so etwa die Konzernverantwortungsinitiative 2020; als weiteres Beispiel für eine ungewöhnlich starke NGO-Kampagne wäre das Jagdgesetz 2020 zu nennen (Flückiger/Bühlmann 2020).

Drittens bildeten gemäss Piazzas und Buombergers Erkenntnissen nicht etwa Firmen oder der Staat, sondern Einzelpersonen das Rückgrat der Schweizer Politikfinanzierung: Insgesamt seien im Wahljahr 2019 rund CHF 100 Mio. für Wahl- und Abstimmungskampagnen zusammengekommen, im Jahr 2020 rund CHF 63 Mio. Davon stammten jeweils rund zwei Drittel von Privaten (69 bzw. 40 Mio.), was die Beiträge der Unternehmen (24 bzw. 19 Mio.) sowie die staatliche Finanzierung in Form von Fraktionsbeiträgen (7 bzw. 4 Mio.) deutlich übertroffen habe. Zu den Privatpersonen zählten die Buchautoren dabei auch die Mandatsbeiträge, die Amtsträgerinnen und -träger an ihre Parteien abliefern.

Viertens allerdings unterschieden sich die Gewichte der Finanzierungsquellen je nach Partei deutlich: Bei den bürgerlichen Parteien machten Beiträge von Firmen gut einen Drittel des Budgets aus, Beiträge von Privaten etwas weniger als einen Drittel. Bei den links-grünen Parteien stammten hingegen über 70 Prozent der Einnahmen von Einzelpersonen und weniger als 10 Prozent von Unternehmen. Die staatlichen Fraktionsbeiträge machten bei allen Parteien rund einen Viertel aus.

Fünftens würden Wahlkampagnen zu einem deutlich grösseren Teil von den Kandidierenden als von den Parteien bestritten, jedenfalls im eidgenössischen Wahljahr 2019: Von insgesamt rund CHF 60 Mio. Wahlkampfausgaben seien 80 Prozent auf die einzelnen Kandidierenden entfallen und nur etwa 20 Prozent auf die Parteien. Die Kandidierenden wiederum hätten ihre Mittel grösstenteils von Privatpersonen erhalten.

Buch «Wer finanziert die Schweizer Politik?»
Dossier: Finanzierung der Politik