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Jahresrückblick 2023: Gesundheit und Sport

In der Gesundheitspolitik wurden 2023 verschiedene gewichtige Baustellen bearbeitet, insgesamt blieb die mediale Beachtung des Themenbereichs nach dem Abflauen der Corona-Pandemie aber deutlich hinter derjenigen der letzten Jahre zurück (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse).

Einigen Fortschritt gab es im Bereich des elektronischen Patientendossiers (EPD), wo der Bundesrat eine Revision des EPD-Gesetzes für eine Weiterentwicklung und für die nachhaltige Finanzierung des Dossiers sowie eine Gesetzesrevision für eine Übergangsfinanzierung in die Vernehmlassung gab. In der Wintersession stimmte der erstbehandelnde Nationalrat letzterer Revision bereits zu, die bis zum Inkrafttreten der umfassenden EPD-Gesetzesrevision (frühestens Ende 2027) gelten soll. Ungeachtet dieser laufenden Arbeiten verlangte der Ständerat mit Annahme eines Postulats im September 2023 eine Tempoerhöhung bei den Revisionsarbeiten. Darüber hinaus wollte das Parlament die Digitalisierung durch die Annahme verschiedener Motionen fördern.

Die Medien berichteten vor allem über die Versorgungsknappheit im Gesundheitsbereich. Insbesondere während der ersten Jahreshälfte schrieben die Zeitungen über Lieferengpässe bei den Medikamenten, was in Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse den Peak im Februar erklären dürfte. Als Reaktion darauf lancierte ein Komitee aus verschiedenen medizinischen Berufsgruppen die Volksinitiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit».

Aber nicht nur die Knappheit an Arzneimitteln, sondern auch die Knappheit an medizinischem Personal stand 2023 auf der politischen Agenda. Zur Sicherstellung, dass es in allen Regionen der Schweiz genügend Ärztinnen und Ärzte – insbesondere Hausärztinnen und Hausärzte – gibt, hiess die Legislative während der Herbstsession drei Postulate (Po. 23.3678, Po. 21.4226 und Po. 23.3864) zu diesem Thema gut. Um der Pflegeknappheit zu begegnen, wurde 2023 weiter an der Umsetzung der Pflegeinitiative gearbeitet. Nachdem das Parlament im Dezember des Vorjahres die erste Umsetzungsetappe mit den Inhalten «Ausbildungsoffensive» und «Abrechnungsmöglichkeiten» verabschiedet hatte, schickte der Bundesrat Ende August 2023 das Ausführungsrecht zur ersten Etappe in die Vernehmlassung. Die Leitlinien der zweiten Etappe legte die Landesregierung Anfang April fest. Diese beinhalteten Punkte zu anforderungsgerechten Arbeitsbedingungen und besseren beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten. Im Sommer lancierten Bund und Kantone zudem ein Monitoring zur Umsetzung der Initiative.

Bezüglich Tabakprodukten hiess das Parlament im Sommer 2023 die Einführung einer Tabaksteuer bei E-Zigaretten gut. Zudem veröffentlichte die Landesregierung im Mai die Botschaft zur Teilrevision des TabPG, mit der sie die im Februar 2022 angenommene Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» umsetzen wollte. Als behandelnder Erstrat schwächte das Stöckli in der Herbstsession den Entwurf in einigen Punkten ab. Ein weniger restriktiver Trend liess sich im Umgang mit Cannabis beobachten. So starteten in verschiedenen Städten Pilotprojekte zur Cannabis-Abgabe.

Neben den beiden oben beschriebenen Volksbegehren gab es 2023 zudem drei Initiativen im Bereich Gesundheit, die in Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie lanciert worden waren. Im Februar startete die Unterschriftensammlung zu einer Volksinitiative, welche die Aufarbeitung der Massnahmenpolitik während der Pandemie forderte. Hingegen scheiterte 2023 eine Volksinitiative, die im Falle künftiger Pandemien eine finanzielle Entschädigung bei massgeblichen wirtschaftlichen Einbussen forderte, im Sammelstadium. Ein Volksbegehren, welches es indes bereits 2022 über das Sammelstadium hinaus geschafft hatte, war die Volksinitiative «Für Freiheit und körperliche Unversehrtheit», die sich in erster Linie gegen eine Impfpflicht richtet. National- und Ständerat empfahlen im Berichtsjahr die Ablehnung der Initiative.

Ähnlich gross wie im Vorjahr war die mediale Aufmerksamkeit für den Sportbereich (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse). Im Zentrum stand dabei die Schweizer Kandidatur für die Olympischen Winterspiele 2030, welcher das IOC jedoch Ende November eine Absage erteilte. Erfolgreich war hingegen die Kandidatur der Schweiz als Austragungsstätte für die Fussball-EM 2025 der Frauen. Sie setzte sich im Bewerbungsverfahren gegen Polen, Frankreich und die Nordischen Staaten durch. Die beiden eben genannten Kandidaturen dürften in der Abbildung 1 der ASP-Zeitungsanalyse für die Peaks im Frühjahr (Olympische Winterspiele und Fussball-EM) und Spätherbst (Olympische Winterspiele) verantwortlich sein. Im Parlament war insbesondere die Unterstützung für internationale Sportgrossanlässe in den kommenden Jahren Thema, wobei National- und Ständerat den bundesrätlichen Gesamtbetrag von CHF 47 Mio. um CHF 25 Mio. aufstockten.

Jahresrückblick 2023: Gesundheit und Sport
Dossier: Jahresrückblick 2023

Noch in der Herbstsession 2023 bereinigten die beiden Kammern ihre Differenz im Entwurf zur Revision des Erwerbsersatzgesetzes zur Neuregelung der Mutterschaftsentschädigung von Parlamentarierinnen. Die Räte waren sich einig, dass die Teilnahme an parlamentarischen Abstimmungen, Sessionen und Sitzungen von Kommissionen für nationale, kantonale und lokale Parlamentarierinnen im Mutterschaftsurlaub nicht mehr zu einem Verfall des Anspruchs auf Mutterschaftsentschädigung für ihre Erwerbstätigkeit führen soll, die neben dem Parlamentsmandat ausgeübt wird. Die Differenz zwischen den Räten bestand in der Frage, ob die Teilnahme an Kommissionssitzungen nur dann unter die neue Ausnahmeregelung fallen soll, wenn keine Regelung für eine Stellvertretung besteht.
Nachdem der Ständerat stillschweigend an dieser Bedingung festgehalten hatte, lag der Ball beim Nationalrat. Man bedauere zwar das Nichteinlenken des Ständerats, da man die Gesetzesänderung aber für «dringlich» halte, habe die SPK-NR einstimmig beantragt, auf die Version des Ständerats einzuschwenken, erklärte Céline Widmer (sp, ZH) noch in derselben Session. Diesem Antrag folgten die Volksvertreterinnen und -vertreter stillschweigend.

In den Schlussabstimmungen passierte die Gesetzesrevision den Nationalrat mit 152 zu 41 Stimmen (3 Enthaltungen) und den Ständerat mit 37 zu 3 Stimmen (3 Enthaltungen). In beiden Kammern kam die Opposition hauptsächlich (Nationalrat) oder vollständig (Ständerat) aus der SVP-Fraktion.

Mutterschaft und Parlamentsmandat (Kt.Iv. 19.311, Kt.Iv.20.313, Kt.Iv.20.323 und Kt.Iv.21.311)
Dossier: Frauenanteil im Parlament
Dossier: Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf

Nachdem die SGK-NR im Juli 2023 beantragt hatte, die Behandlungsfrist einer parlamentarischen Initiative Roth Pasquier (mitte, FR) zum Sparpotenzial der von Apothekerinnen und Apothekern erbrachten Leistungen um zwei Jahre zu verlängern, stimmte die grosse Kammer diesem Antrag in der darauffolgenden Herbstsession stillschweigend zu.

Unverzüglich das Sparpotenzial der von Apothekerinnen und Apothekern erbrachten Leistungen nutzen (Pa.Iv. 20.457)

Mitte September 2023 präsentierte der Bundesrat seine Botschaft zur Digitalisierung in der Erwerbsersatzordnung. Ziel der Änderung des Erwerbsersatzordnungsgesetzes ist es, dass der Antrag auf Erwerbsersatz für Dienstleistende zukünftig digital eingereicht werden kann – bisher musste er in Papierform gestellt werden, im Jahr 2022 beispielsweise gingen auf diese Weise 586'827 Anmeldeformulare ein. Das für die Digitalisierung des Prozesses nötige Informationssystem soll bei der ZAS aufgebaut und durch den EO-Fonds finanziert werden. Das System soll automatisch Informationen aus verschiedenen anderen Datenbanken, etwa aus dem Personenstandsregister, aus dem (Personal-)Informationssystem der Armee, des Zivilschutzes oder des Zivildienstes oder aus dem Versichertenregister der AHV übernehmen. Als Vorteile der digitalen Antragsstellung nannte der Bundesrat die Verbesserung der Datenqualität, die Entlastung für Arbeitgebende und Ausgleichskassen sowie finanzielle Einsparungen. Betroffen von der Änderungen sind EO-Anmeldungen von Angehörigen der Armee, des Zivilschutzes, des Zivildienstes sowie von Jugend und Sport, nicht aber diejenigen für Leistungen bei Mutterschaft oder bei Vaterschaft, da die entsprechenden Anmeldungen durch die Begünstigten selbst erfolgen.

In der zwischen November 2022 und Februar 2023 durchgeführten Vernehmlassung wurde die Änderung von sämtlichen 41 Teilnehmenden unterstützt. Kritisiert wurde jedoch der dadurch entstehende personelle Mehraufwand beim Bund, während die ZAS entlastet werde. Der Bundesrat verzichtete in der Folge auf eine Änderung des Entwurfs.

Digitalisierung in der Erwerbsersatzordnung. Änderung des Erwerbsersatzgesetzes (BRG 23.067)

In der Herbstsession 2023 beriet der Nationalrat die Motion Stöckli (sp, BE) zum Erstellen und Bewirtschaften von Medikationsplänen, wodurch die Medikationsqualität und die Sicherheit von polymorbiden Personen erhöht werden soll. Für eine Mehrheit der SGK-NR, welche sich im Vorfeld mit 12 zu 11 Stimmen knapp für das Geschäft ausgesprochen hatte, erklärten Flavia Wasserfallen (sp, BE) und Benjamin Roduit (mitte, VS), dass ein Obligatorium zum Erstellen von Medikationsplänen notwendig sei, um die Patientensicherheit zu steigern und die Medikamentenkosten zu dämpfen. Verena Herzog (svp, TG), welche sich als Teil der Minderheit gegen den Vorstoss stellte, anerkannte zwar die Relevanz der Medikationspläne, gab allerdings zu bedenken, dass die überwiesene Motion Stöckli 18.3512 «de facto» das Gleiche bewirke wie die gegenwärtig vorliegende Motion. Folglich sollten zuerst die bereits begonnenen Arbeiten abgewartet werden. Weiter gehe die im Rat zur Debatte stehende Motion mit unnötigem administrativen Aufwand einher, weil bereits bei einem Medikament und auch bei Selbstmedikation ein Medikationsplan erstellt werden müsse. Dem Argument gegen die Doppelspurigkeit schloss sich Gesundheitsminister Alain Berset an, der die Motion im Namen des Gesamtbundesrats zur Ablehnung empfahl. Trotz dieser Einwände nahm der Nationalrat den Vorstoss mit 111 zu 66 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) an. Die Fraktionen der GLP, Grünen, Mitte und SP stimmten geschlossen respektive grossmehrheitlich für Annahme.

Erstellen und Bewirtschaften von Medikationsplänen zur Erhöhung der Medikationsqualität und Patientensicherheit von polymorbiden Patientinnen und Patienten (21.3294)
Dossier: Digitalisierung im Arzneimittelbereich

In der Herbstsession 2023 beugte sich der Nationalrat über die auf vier Standesinitiativen zurückgehende Vorlage, mit der Parlamentarierinnen erlaubt werden soll, ihr Mandat auch während eines Mutterschaftsurlaubes wahrzunehmen, ohne den Anspruch auf Entschädigung zu verlieren, die ihnen aufgrund ihrer beruflichen Tätigkeit zukommt. Die SPK-SR hatte vorgeschlagen, das Erwerbsersatzgesetz um eine Ausnahmeregelung zu ergänzen: Gemäss dieser sollen Parlamentarierinnen im Mutterschaftsurlaub bei Teilnahme an Ratsabstimmungen sowie an Rats- und Kommissionssitzungen ihren Versicherungsanspruch nicht mehr verlieren. Die Wahrnehmung des Parlamentsmandats soll aber freiwillig bleiben; niemand darf gezwungen werden, an Sitzungen teilzunehmen, um die Idee des Mutterschutzes nicht zu untergraben.
Die SPK-NR unterstütze diesen Vorschlag und heisse es gut, dass die Regelung nicht auf die Exekutive oder die Judikative ausgeweitet werde, erklärte Céline Widmer (sp, ZH) für die Kommission. Allerdings wolle die SPK-NR die neue Regelung nicht wie vom Ständerat beschlossen an eine Stellvertretungslösung koppeln. Eine Teilnahme an Kommissionssitzungen müsse für eine Parlamentarierin im Mutterschaftsurlaub stets möglich sein und nicht nur dann, wenn für eine Kommission eine Stellvertretungsregelung fehle, so Widmer. Mit 21 zu 1 Stimme bei 2 Enthaltungen empfahl die SPK-NR Eintreten und Annahme der so modifizierten Vorlage.
Alle Fraktionssprechenden plädierten für Eintreten. Ausnahme bildete einzig die SVP-Fraktion, für die Barbara Steinemann (svp, ZH) argumentierte, dass mit der neuen Regelung erstens der Mutterschutz untergraben werde und zweitens eine Besserstellung von Parlamentarierinnen im Vergleich zu «Mütter[n] im gewöhnlichen Erwerbsleben» geschaffen werde. Es sei ein «falsches Signal», wenn Parlamentarierinnen nicht nur das Geld der Mutterschaftsversicherung und die Jahrespauschale erhielten, sondern auch noch die Gelder für die Sitzungen, an denen sie neu teilnehmen könnten. Man schaffe damit zudem ein Präjudiz für weitere Ausnahmen auch in der Privatwirtschaft. Die SVP werde die Vorlage «grossmehrheitlich ablehnen» schloss Barbara Steinemann ihr Votum.
Ein Antrag gegen Eintreten lag nicht vor, so dass die grosse Kammer sogleich zur Detailberatung schritt. Dort hatte Pirmin Schwander (svp, SZ) einen Einzelantrag eingereicht, der sich hinsichtlich der Stellvertretungsregelung für den Beschluss des Ständerats stark machte. Ein Erwerbsersatzanspruch müsse ausgeschlossen werden, wenn Vertretungsmöglichkeiten bestehen, so die Argumentation. Mit 149 zu 29 Stimmen (4 Enthaltungen) wurde der Antrag Schwander abgelehnt. In der folgenden Gesamtabstimmung erhielt der Entwurf breite Unterstützung. Mit 155 zu 22 Stimmen (5 Enthaltungen) schickte ihn die grosse Kammer mit der Differenz bezüglich der Stellvertretungsregelung an den Ständerat zurück. In beiden Abstimmungen war die Opposition aus der SVP-Fraktion gekommen.

Mutterschaft und Parlamentsmandat (Kt.Iv. 19.311, Kt.Iv.20.313, Kt.Iv.20.323 und Kt.Iv.21.311)
Dossier: Frauenanteil im Parlament
Dossier: Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf

In ihrer Motion wies die SGK-NR darauf hin, dass die Schweiz nur die minimale Dauer des Mutterschaftsurlaubs der aus dem Jahr 2000 stammenden Neufassung des ILO-Übereinkommens über den Mutterschutz umsetze, aber nicht die im selben Jahr von der Allgemeinen Konferenz der ILO verabschiedeten Empfehlungen. Neben der Empfehlung, die festgelegte Dauer des Mutterschaftsurlaubs auf mindestens 18 Wochen auszudehnen, sowie der Empfehlung zur Schaffung einer Wahlmöglichkeit für die Frauen, ob sie den nichtobligatorischen Urlaubsteil vor oder nach der Geburt beziehen möchten, hatte die ILO auch die Schaffung einer Möglichkeit empfohlen, den Mutterschaftsurlaub bei Mehrlingsschwangerschaften zu verlängern. Die Umsetzung dieser letzten Empfehlung forderte nun die SGK-NR mittels einer Motion. Damit sollte der grösseren Belastung vor, während und nach der Geburt von Mehrlingen Rechnung getragen werden.
Der Bundesrat stellte sich ablehnend zur Motion, wobei er auch auf die im Sommer 2021 in Kraft getretene Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs bei längerem Spitalaufenthalt eines Neugeborenen verwies. Damit werde Komplikationen in Zusammenhang mit Frühgeburten, wie sie bei Mehrlingsschwangerschaften häufiger vorkämen, bereits Rechnung getragen. Zudem befürchtete er eine Ungleichbehandlung gegenüber Familien in anderen, ebenfalls belastenden Situationen, namentlich im Falle von Geburtsgebrechen oder bei gesundheitlichen Komplikationen der Mutter. Nicht zuletzt betonte er, dass der EO-Beitragssatz aufgrund anderer, kürzlich eingeführter Leistungen den Höchstsatz bereits erreicht habe, wobei er sich auf die Einführung des zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs (seit Januar 2021), des ebenso langen Adoptionsurlaubs (seit Januar 2023) sowie der Betreuungsentschädigung für ein schwer krankes oder verunfalltes Kind (seit Juli 2021) bezog. Darüber hinaus sei er daran, eine EOG-Revision zu erarbeiten, um verschiedene weitere Vorstösse in diesem Themenbereich zu erfüllen (Pa.Iv. 15.434; Mo. 19.4270; Mo. 22.3608; Mo. 22.4019; und sofern im Zweitrat auch erfolgreich: Mo. 21.3734; Mo. 23.3015). Die Schaffung zusätzlicher Leistungen würde folglich eine Erhöhung des Beitragssatzes nach sich ziehen, so der Bundesrat.
Mit 100 zu 67 Stimmen (17 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die Motion an. Er folgte dabei dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit. Ein Minderheitsantrag de Courten (svp, BL) auf Ablehnung der Motion vermochte neben der SVP-Fraktion nur einen Grossteil der FDP-Fraktion und zwei Mitte-Vertretende zu überzeugen. Enthaltende Stimmen fanden sich in allen bürgerlichen Fraktionen.

Mutterschaftsurlaub bei Mehrlingsschwangerschaften verlängern (Mo. 23.3964)

Während der Herbstsession 2023 behandelte der Ständerat eine Motion Dobler (fdp, SG) zur Einführung von QR-Codes auf Arzneimitteln und Packungsbeilagen. Damian Müller (fdp, LU) erläuterte für die SGK-SR, welche den Vorstoss einstimmig unterstützte, dass durch die Forderung für zahlreiche Personen ein Mehrwert geschaffen werde, ohne dabei andere Personen, die einen physischen Beipackzettel bevorzugen, zu benachteiligen. Dank des QR-Codes könne der Text zum Beispiel vorgelesen werden, was gerade Personen mit Leseschwäche oder einer Sehbehinderung zugutekomme. Auch Gesundheitsminister Berset zeigte sich von der Motion überzeugt. So sei alles, was mögliche Barrieren zu den Arzneimittelinformationen aus dem Weg räume, eine gute Sache. Stillschweigend nahm das Stöckli den Vorstoss in der Folge an.

Die Einführung von QR-Codes auf Arzneimitteln und Packungsbeilagen soll komplementär die Patientensicherheit erhöhen (Mo. 22.4423)
Dossier: Digitalisierung im Arzneimittelbereich

Rückblick auf die 51. Legislatur: Gesundheit

Autorinnen: Joëlle Schneuwly und Anja Heidelberger

Stand: 17.08.2023

Das für die Gesundheitspolitik prägendste Ereignis der 51. Legislatur war unbestritten die Covid-19-Pandemie: Ab Februar 2020 stiegen weltweit und auch in der Schweiz die Fallzahlen von Personen, die an dem neuen Corona-Virus erkrankten, das insbesondere bei älteren Personen unter anderem zu schweren Lungenerkrankungen führte. Mitte März 2020 rief der Bundesrat die «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiengesetz und beruhend darauf einen sogenannten Lockdown aus, um weiterhin genügend freie Spitalbetten garantieren zu können. Dabei wurde das gesellschaftliche Leben weitestgehend heruntergefahren, geöffnet blieben nur Lebensmittelgeschäfte und Gesundheitseinrichtungen. Die Bevölkerung wurde angehalten, zuhause zu bleiben und – wenn möglich – von dort aus zu arbeiten, zudem wurden unter anderem der Präsenzunterricht in Schulen eingestellt und die Grenzen geschlossen. Der Lockdown dauerte bis Juni 2020, in den Sommermonaten erholten sich die Fallzahlen. Bereits ab Oktober 2020 folgte jedoch die zweite Welle, die erneute landesweite Massnahmen und Einschränkungen nach sich zog.

Mitte August legte der Bundesrat das Covid-19-Gesetz vor, durch das er die bisherigen Notverordnungen ersetzte und das in der Herbstsession 2020 vom Parlament unter ausgiebigen Diskussionen verabschiedet wurde. Im Juni 2021 sprach sich die Schweizer Stimmbevölkerung mit 60.2 Prozent Ja-Stimmen für das Covid-19-Gesetz aus. Ähnlich hoch war die Zustimmung auch im November 2021 (62.0% Ja-Stimmen) sowie im Juni 2022 (61.9%), als über die zweite respektive fünfte Revision des Gesetzes abgestimmt wurde – Massnahmengegnerinnen und -gegner hatten jeweils das Referendum ergriffen.

In der Zwischenzeit kam es immer wieder zu neuen Virusvarianten und Ansteckungswellen, die jedoch weniger intensiv waren als die zweite Welle. Ende 2020 erteilte Swissmedic der ersten Covid-19-Impfung die Zulassung – diese reduzierte anfänglich das Ansteckungsrisiko sowie das Risiko eines schweren Verlaufs deutlich, später jedoch nur noch Letzteres. Bis Ende November 2021 waren 66 Prozent der Schweizer Bevölkerung ausreichend geimpft, wobei der ungeimpfte Teil der Bevölkerung eine Impfung grösstenteils strikt ablehnte. Sie fürchteten sich zudem vor einer Impfpflicht, was sich mit Einführung des sogenannten Covid-19-Zertifikats im Juni 2021 noch verstärkte: Ab dann konnten öffentliche Anlässe nur noch unter Nachweis einer Impfung, einer Genesung oder eines negativen Covid-19-Tests besucht werden – Ende 2021 gar nur noch nach Impfung oder Genesung. Damit wollte der Bundesrat eine erneute Schliessung des öffentlichen Lebens verhindern.

Im Laufe der Zeit wurde der Unmut der Massnahmengegnerinnen und -gegner immer lauter. Sie brachten diesen in wöchentlichen Demonstrationen zum Ausdruck, welche insbesondere im Rahmen der Kampagne zur Abstimmung über die zweite Revision des Covid-19-Gesetzes immer gehässiger wurden, so dass die Medien bald von einer «Spaltung der Gesellschaft» sprachen. Nach der erneuten Zustimmung durch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger schienen sich die Wogen zumindest gegen aussen wieder etwas zu glätten.

Ab Ende November 2021 verbreitete sich die neue Virusvariante «Omikron», die deutlich ansteckender war als die bisher vorherrschende Delta-Variante, gleichzeitig aber weniger gefährlich. Somit schnellten zwar die Ansteckungszahlen in bisher kaum denkbare Höhen, diese zogen aber deutlich weniger Neuhospitalisierungen nach sich. In der Folge nahm die Dominanz der Pandemie in der Schweizer Politik und in den Medien fast schlagartig ab, Anfang April 2022 kehrte die Schweiz wieder in die «normale Lage» gemäss Epidemiengesetz zurück und der Bundesrat hob (fast) alle noch verbliebenen Massnahmen auf. Die Zertifikatspflicht war bereits Mitte Februar 2022 eingestellt worden. Zwar wurde das Covid-19-Gesetz im Dezember 2022 – quasi als Sicherheit gegen ein erneutes Aufflammen des Virus – teilweise verlängert, für die meisten Menschen hatte die Pandemie in der Zwischenzeit jedoch ihren Schrecken verloren.

Nachwirkungen hatte die Pandemie in vielen Themenbereichen, im Gesundheitsbereich insbesondere auf diejenigen Menschen, die unter Long Covid oder Post Covid litten – einer Erkrankung, die noch Monate nach einer Infektion mit Covid-19 verschiedene Symptome mit sich bringt. Folgen hatte die Pandemie auch für die Spitäler, deren teilweise bereits vor der Pandemie schwierige wirtschaftliche Lage durch das Verbot während des Lockdowns, nicht dringliche Untersuchungen durchzuführen, um genügend Kapazitäten für Notfälle zu haben, noch verschärft worden waren. Schliesslich trieb die Pandemie auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen voran, wobei noch immer intensiv am elektronischen Patientendossier gearbeitet wurde.

Neben der Pandemie wurde die Gesundheitspolitik in der 51. Legislatur vor allem von Initiativen vorangetrieben. So nahmen die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger im November 2021 mit 61 Prozent Ja-Stimmen die Pflegeinitiative an, welche eine Verbesserung des Pflegendenstatus und die Sicherstellung einer genügend grossen Anzahl diplomierter Pflegefachpersonen erreichen wollte. Sie bevorzugten die Initiative damit gegenüber dem indirekten Gegenvorschlag des Parlaments, welchen Bundesrat und Parlament in der Folge als Teil der Umsetzung der Initiative in Kraft setzte.

Auch die Initiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung», die ein weitreichendes Verbot von Tabakproduktewerbung verlangte, wurde im Februar 2022 von der Stimmbürgerschaft einem indirekten Gegenvorschlag in Form eines Tabakproduktegesetzes vorgezogen. Im Bereich der Suchtmittel bewilligte der Bund 2022 hingegen erste Versuche für eine wissenschaftlich begleitete, kontrollierte Abgabe von Cannabis, von denen man sich einen Erkenntnisgewinn zu alternativen Regulierungsformen erhoffte.

Auch der Organspende-Initiative, welche die bisherige Zustimmungslösung bei der Organspende durch eine Widerspruchslösung ersetzen wollte, hatten Bundesrat und Parlament einen abgeschwächten indirekten Gegenvorschlag mit einer erweiterten Zustimmungslösung, bei der bei Nichtvorliegen des Willens der verstorbenen Person die Meinung der Angehörigen berücksichtigt werden sollte, vorgelegt. Das Initiativkomitee zog daraufhin seine Initiative bedingt zurück und die Stimmbürgerschaft bestätigte die Gesetzesänderung am 15. Mai 2022 an der Urne, nachdem das Referendum gegen den Gegenvorschlag ergriffen worden war.

Bereits während der Pandemie, insbesondere aber im Jahr 2022 wurde eine neue gesundheitsrelevante Krise deutlich, die Medikamentenknappheit. Aufgrund von Brexit, der Opioidkrise in den USA und dem Ukrainekrieg wurden erste Medikamente knapp, weshalb der Bundesrat in den Jahren 2022 und 2023 verschiedene Pflichtlager, etwa für Opioide und Impfstoffe, freigab.


Zu den Jahresrückblicken
2020
2021
2022

Rückblick auf die 51. Legislatur: Gesundheit
Dossier: Rückblick auf die 51. Legislatur

Anfang Juli 2023 beschloss die SGK-NR mit 23 zu 1 Stimmen, den Antrag zu stellen, die Behandlungsfrist der parlamentarischen Initiative von Marie-France Roth Pasquier (mitte, FR) mit dem Titel «Unverzüglich das Sparpotenzial der von Apothekerinnen und Apothekern erbrachten Leistungen nutzen» um zwei Jahre zu verlängern. Die Kommission will die Behandlung der Artikel 25 und 26 KVG des zweiten Massnahmenpakets zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen abwarten, da durch diese das Anliegen der Freiburger Mitte-Politikerin umgesetzt werde, so die Begründung des Antrags.

Unverzüglich das Sparpotenzial der von Apothekerinnen und Apothekern erbrachten Leistungen nutzen (Pa.Iv. 20.457)

In der Sommersession nahm der Ständerat als Erstrat eine Motion Gysin (gp, TI) an, die den seit Januar 2021 bestehenden Vaterschaftsurlaub auch bei einer Totgeburt oder beim Tod des Kindes während der Geburt gewähren will. Damit soll gemäss Motionärin eine im Unterschied zum Mutterschaftsurlaub bestehende Lücke beseitigt und auch dem Vater nach dem traumatischen Ereignis Zeit verschafft werden. Der Bundesrat hatte sich zuvor ablehnend zum Vorstoss gestellt: Für einen Vater sei die Situation natürlich ebenso belastend und traurig wie für die Mutter, durch den Tod des Kindes entfalle jedoch der primäre Zweck des Vaterschaftsurlaubs, der in der Pflege des Neugeborenen liege. In diesem Fall erachtete der Bundesrat die Ungleichbehandlung zwischen Mütter und Väter als begründet, da eine Mutter sich auch beim Tod des Kindes von den körperlichen Strapazen der Schwangerschaft und der Geburt erholen müsse. Der Nationalrat befürwortete die Motion mit 127 zu 57 Stimmen (6 Enthaltungen). Ablehnende Stimmen fanden sich in Teilen der Fraktionen der SVP und der FDP.

Vaterschaftsurlaub auch beim Tod des ungeborenen Kindes (Mo. 21.3734)

Nachdem sich der Bundesrat Ende Mai 2023 in seiner Stellungnahme für den Vorschlag der SPK-SR ausgesprochen hatte, Mutterschaft und Parlamentsmandat durch eine Ausnahmeregelung im Erwerbsersatzgesetz besser vereinbar zu machen, gelangte die Vorlage, die auf mehrere Standesinitiativen zurückging (ZG: Kt.Iv. 19.311, BL: Kt.Iv. 20.313, LU: Kt.Iv. 20.323, BS: Kt.Iv. 21.311) in den Ständerat, der als Erstrat darüber zu befinden hatte.
Lisa Mazzone (gp, GE) erinnerte als Kommissionssprecherin daran, dass es mit der Vorlage nicht darum gehe, den Mutterschaftsurlaub auszubauen, sondern einzig darum, jungen Müttern zu erlauben, ein Legislativamt auszuüben, ohne den Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung zu verlieren. Im Moment sei es noch so, dass der Anspruch auf Entschädigung für den neben dem Parlamentsmandat ausgeübten Beruf entfalle, sobald im Parlament auch nur ein Knopf für eine Abstimmung gedrückt werde. Das stelle vor allem Parlamentarierinnen auf Kantons- und Gemeindeebene, die den Auftrag ihrer Wählerinnen und Wähler auch während des Mutterschaftsurlaubs wahrnehmen wollen, vor Probleme, da das Milizprinzip dort noch verbreiteter sei als auf nationaler Ebene und die Frauen dort häufiger hauptberuflich noch einer anderen Tätigkeit nachgehen. Es sei der SPK-SR aber wichtig zu betonen, dass mit dieser Ausnahmeregelung keine Aufweichung des Mutterschaftsurlaubs durch die Hintertür angestrebt werde; sie gelte lediglich für Parlamentarierinnen, weshalb die Änderung der Erwerbsersatzordnung mit der Vorlage denn auch minimal sei. Man habe bewusst darauf verzichtet, die Regelung auch auf die Exekutive und die Judikative auszuweiten, zudem gelte sie nur dann, wenn für ein Legislativamt keine Stellvertretungsmöglichkeiten vorgesehen seien, wie dies etwa in den nationalen ständigen Kommissionen der Fall ist. Sie sei froh, dass man heute über ein Problem rede, das «es vor ein paar Jahrzehnten noch überhaupt nicht gab», führte Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU) als weitere Votantin aus. Ihr sei wichtig, zu betonen, dass mit der neuen Regelung keine Verpflichtung geschaffen werde. Der Entscheid, ob eine Parlamentarierin ihr Legislativamt auch im Mutterschaftsurlaub ausüben wolle, bleibe ihr selber überlassen.
In der Folge trat die kleine Kammer ohne Gegenantrag auf die Vorlage ein und hiess sie ohne Detailberatung mit 28 zu 3 Stimmen (2 Enthaltungen) gut. Die drei Gegenstimmen stammten aus der SVP-Fraktion. Damit ging das Geschäft an den Nationalrat.

Mutterschaft und Parlamentsmandat (Kt.Iv. 19.311, Kt.Iv.20.313, Kt.Iv.20.323 und Kt.Iv.21.311)
Dossier: Frauenanteil im Parlament
Dossier: Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf

Ende Mai 2023 beschäftigte sich der Ständerat als Zweitrat mit der Motion Sauter (fdp, ZH) zur Einführung eines E-Rezepts. Im Namen der SGK-SR legte Hans Stöckli (sp, BE) seinen Ratskolleginnen und Ratskollegen die Annahme des Geschäfts nahe. Im Gegensatz zu einer Motion Müller (fdp, LU; Mo. 20.3209), welche die kleine Kammer bereits gutgeheissen hatte, beinhalte das vorliegende Geschäft noch präzisiere Angaben bezüglich der Umsetzung. Gesundheitsminister Berset empfahl hingegen, den Vorstoss abzulehnen, da bereits entsprechende Gesetzesgrundlagen existierten. Sein Votum war im Ständerat allerdings chancenlos. Mit 34 zu 2 Stimmen (bei 1 Enthaltung) stimmte das Stöckli der Motion zu.

Einführung eines E-Rezepts (Mo. 20.3770)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen
Dossier: Digitalisierung im Arzneimittelbereich

In seiner im Dezember 2022 eingereichten Motion beabsichtigte Marcel Dobler (fdp, SG), verpflichtend QR-Codes auf Arzneimitteln und Packungsbeilagen einzuführen, mittels denen man zu den Arzneimittelinformationen von Swissmedic gelangt. Nachdem das Geschäft in der Frühjahrssession 2023 von Roland Büchel (svp, SG) bekämpft worden war, kam es in der Sondersession im Mai 2023 in den Nationalrat. Er hoffe, durch die QR-Codes die Patienten- und Patientinnensicherheit zu erhöhen, da die Informationen auf diese Weise unter anderem in zahlreichen Sprachen verfügbar seien, erklärte der Motionär im Rat. Er wolle mit seinem Vorstoss nicht die Papierform der Informationen ersetzen, sondern diese durch die elektronische Form ergänzen. Eine «grosszügige[…] Übergangsfrist» soll zudem eine gelungene Umsetzung der Änderung gewährleisten. Gesundheitsminister Alain Berset zeigte sich mit den Forderungen des Vorstosses einverstanden und empfahl dem Nationalrat im Namen des Gesamtbundesrats, die Motion anzunehmen. Mit 131 zu 47 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) kam die grosse Kammer dieser Empfehlung nach. Einzig die Mitglieder der SVP-Fraktion sprachen sich gegen die Motion aus respektive enthielten sich ihrer Stimme.

Die Einführung von QR-Codes auf Arzneimitteln und Packungsbeilagen soll komplementär die Patientensicherheit erhöhen (Mo. 22.4423)
Dossier: Digitalisierung im Arzneimittelbereich

Der Tessiner Nationalrat Piero Marchesi (svp, TI) forderte in einer im Mai 2021 eingereichten Motion, dass der Bundesrat den Startschuss für die Impfstoffforschung und Impfstoffproduktion in der Schweiz erteilt. Erfahrungen aus der Corona-Pandemie hätten gezeigt, dass die Schweiz trotz der ansässigen Pharmaindustrie grosse Mühe – gemäss Motionär «enormi difficoltà» – gehabt habe, geeignete Impfstoffe zu besorgen. Der Bundesrat sollte deshalb dazu angehalten werden, in Zusammenarbeit mit den Universitäten, den privaten Forschungseinrichtungen und der Pharmaindustrie eine Vorlage auszuarbeiten, um die Rahmenbedingungen für den hiesigen Forschungs- und Produktionsstandort zu verbessern. Die Massnahmen sollten dazu beitragen, dass die Schweiz besser auf künftige Pandemien vorbereitet ist. In der Sondersession im Mai 2023 befasste sich der Nationalrat mit der Motion. Gesundheitsminister Alain Berset plädierte im Namen des Gesamtbundesrates für eine Ablehnung der Motion. Er zeigte sich gegenüber dem Anliegen nicht abgeneigt, erklärte aber, dass dieses bereits mit der Verlängerung des Covid-19 Gesetzes bis im Sommer 2024 und dem darin enthaltenen Unterstützungsprogramm – insbesondere für die Entwicklung von Covid-19-Medikamenten – umgesetzt werde. Im Anschluss an diese Regelung plane der Bundesrat mit der Revision des Epidemiengesetzes zudem die Verankerung einer langfristigen Vorbereitung auf allfällige Pandemien. Eine Mehrheit der grossen Kammer folgte diesem Votum und lehnte die Motion mit 101 zu 59 Stimmen bei 20 Enthaltungen ab. Für Annahme stimmten dabei die geschlossene SVP-Fraktion zusammen mit Teilen der SP-Fraktion. In Letzterer enthielten sich viele Mitglieder der Stimme.

Startschuss für Impfstoffforschung und Impfstoffproduktion in der Schweiz (Mo. 21.3513)

Ende März veröffentlichte die SPK-SR den Bericht zur Vernehmlassung der Umsetzung der vier Standesinitiativen (ZG: 19.311, BL: 20.313, LU: 20.323, BS: 21.311), die eine bessere Vereinbarkeit von Mutterschaft und Parlamentsmandat verlangen. Konkret sollen Frauen nach der Geburt eines Kindes ihre Mutterschaftsentschädigung nicht mehr verlieren, wenn sie ein politisches Legislativmandat wahrnehmen. Aktuell erlischt der Anspruch, wenn eine Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen wird, wozu auch die Arbeit als Parlamentarierin gezählt wird. Dies führt dazu, dass gewählte Parlamentarierinnen entweder nicht an Sitzungen teilnehmen oder aber den Auftrag der Wählenden wahrnehmen, dadurch aber auf ihre Entschädigung verzichten müssen. Dies soll mit einer Revision des Erwerbsersatzgesetzes geändert werden. Die Vorlage sieht vor, dass eine Teilnahme an Plenar- oder Kommissionssitzungen auf allen drei föderalen Ebenen durch eine Frau – Männer bzw. Vaterschaftsurlaubsregelungen wurden explizit ausgenommen – deren Anspruch auf Mutterschaftsentschädigung nicht mehr beeinträchtigt, es sei denn, es bestehe eine Stellvertretungslösung.

Die Mehrheit der 53 eingegangenen Stellungnahmen in der Vernehmlassung unterstützten den Umsetzungsvorschlag. Von den 25 antwortenden Kantonen (GR hatte auf eine Stellungnahme verzichtet), sprachen sich 18 dafür aus, Aargau, Nidwalden und Genf wollten die Einschränkung durch die Stellvertreterlösungen streichen und Solothurn wollte nicht bloss Plenar- und Kommissionssitzungen, sondern sämtliche mit einem Mandat verbundenen Tätigkeiten aufführen. Gegen die Vorlage stellten sich Appenzell Ausserrhoden, Thurgau und Schwyz, die eine Aufweichung des Mutterschutzes befürchteten: Die Regelung könnte dazu führen, dass sich Mütter mit einem politischen Mandat verpflichtet fühlten, ihren Mutterschaftsurlaub zu unterbrechen, so die Begründung. EVP, FDP, GLP, GP, Mitte und SP begrüssten die geplante Umsetzung, die SVP lehnte sie ab, weil sie eine Besserbehandlung von Politikerinnen gegenüber anderen berufstätigen Frauen bedeute. Umstritten war die Vorlage bei den Verbänden. Bei den Gewerkschaften begrüsste der SGB die Vorlage grundsätzlich, warnte aber vor weiteren Lockerungen; Travail.Suisse stellte sich gegen jegliche Lockerung des Mutterschutzes und lehnte die Vorlage ab. Die Arbeitgeberverbände (SAV und SGV) kritisierten die Ungleichbehandlung und forderten eine Lockerung der Kriterien für Mutterschaftsurlaub für alle Frauen, standen der Vorlage also eher ablehnend entgegen. Verschiedene Frauenverbände (AllianceF, SKG und SVF) begrüssten die Vorlage zwar, verlangten aber weitere Flexibilisierungen hinsichtlich zeitlicher Gestaltung des Mutterschaftsurlaubs generell und einen Verzicht auf die Ausnahme hinsichtlich Stellvertretungsregelung. Es könne bei Kommissionssitzungen, die häufig Stellvertretungsregelungen kennen, wichtig sein, persönlich anwesend zu sein.
Die SPK-SR beschloss aufgrund der Vernehmlassungsresultate, an der ursprünglichen Lösung festzuhalten und lediglich die Teilnahme an Kommissions- und Plenarsitzungen zu regeln, im Falle von möglichen Stellvertretungslösungen aber keine Ausnahmen zu machen. Die Vorlage geht in die parlamentarische Beratung.

Mutterschaft und Parlamentsmandat (Kt.Iv. 19.311, Kt.Iv.20.313, Kt.Iv.20.323 und Kt.Iv.21.311)
Dossier: Frauenanteil im Parlament
Dossier: Vereinbarkeit der Parlamentsarbeit mit Familie und Beruf

Vor dem Hintergrund der Medikamentenknappheit, die sich sowohl 2022 als auch 2023 in der Schweiz bemerkbar gemacht und den Bundesrat dazu veranlasst hatte, verschiedene Pflichtlager freizugeben, wurde im Frühjahr 2023 die Volksinitiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit» lanciert. Das Komitee hinter dem Volksbegehren setzte sich aus 23 Personen und laut eigenen Angaben aus sämtlichen Bereichen des Gesundheitswesens zusammen. Dieses führte in seiner Medienmitteilung aus, dass hierzulande rund 1'000 verschiedene Medikamente fehlten. Anlässlich der Covid-19-Pandemie sei zudem ersichtlich geworden, dass manchmal gewisse Materialien, die beispielsweise zentral für die Durchführung von Tests gewesen seien, nicht mehr an Labore hatten geliefert werden können. Für diese Probleme verantwortlich machte das Initiativkomitee den jahrelangen massiven Preisdruck, aufgrund dessen die Herstellung von Medikamenten und anderen medizinischen Gütern nicht länger in der Schweiz oder in Europa stattfinden könne. Stattdessen sei die Herstellung in den asiatischen Raum verlagert worden. So würden Antibiotika und weitere essentielle Medikamente inzwischen fast ausschliesslichen in Staaten wie China und Indien produziert. Die Zuverlässigkeit bezüglich Lieferung der Unternehmen vor Ort sei auch zu normalen Zeiten nicht gegeben, so das Initiativkomitee weiter. Angesichts dessen sei die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung gefährdet und Handlungsbedarf angezeigt. Es existierten von Seiten der Verwaltung zwar bestimmte Massnahmen, diese seien allerdings unzureichend, um der Problematik zu begegnen. Um die Versorgungssicherheit tatsächlich zu verbessern, beabsichtigte die vorliegende Volksinitiative die Schaffung einer Bundeskompetenz anstelle von 26 verschiedenen Zuständigkeiten. Ausserdem soll der Standort Schweiz inklusive seiner Forschung, Entwicklung, Produktion und Lagerhaltung gestärkt werden. Die dritte Forderung des Volksbegehrens umfasste das Etablieren zuverlässiger Lieferketten aus dem Ausland. Aus dem Gesundheitswesen aktive Unterstützung erfuhr die Initiative von 16 Verbänden, Organisationen und Unternehmen. Dazu zählten etwa die Ärzte- und Apothekerschaft sowie Akteure aus der Pharmaindustrie. Nachdem die Bundesverwaltung die Initiative am 21. März 2023 vorgeprüft hatte, startete am 4. April 2023 die Unterschriftensammlung. Das Initiativkomitee gab bekannt, dass diese in über 3'000 Apotheken, Drogerien, Arztpraxen und Unternehmen des Gesundheitswesens stattfinde.

Volksinitiative «Ja zur medizinischen Versorgungssicherheit»
Dossier: Medikamentenengpass

In der Frühjahrssession 2023 stimmte der Nationalrat stillschweigend einer vom Ständerat vorgenommenen Titeländerung im Gesetzesentwurf betreffend die Taggelder für den hinterbliebenen Elternteil zu und räumte damit die letzte und lediglich formale Differenz aus. Vier Tage später wurde die Vorlage von beiden Räten in den Schlussabstimmungen angenommen. Dieser Beschluss fiel im Ständerat einstimmig, während sich in der grossen Kammer lediglich der Berner SVP-Nationalrat Erich Hess (svp, BE) gegen den Entwurf aussprach.

Mutterschaftsurlaub für hinterbliebene Väter (Pa.Iv. 15.434)

Während der Frühjahrssession 2023 beugte sich der Ständerat über eine Motion Rösti (svp, BE), welche die Zulassung von Medizinprodukten nach aussereuropäischen Regulierungssystemen zum Inhalt hatte. Als Sprecher der SGK-SR sprach sich Erich Ettlin (mitte, OW) gegen die Motion aus. Dies nicht aus inhaltlichen Gründen, sondern weil eine identische Motion Müller (fdp, LU; Mo. 20.3211) bereits von beiden Räten angenommen worden sei. Gesundheitsminister Berset bestätigte, dass das entsprechende Geschäft schon an den Bundesrat herangetragen worden sei. Auch wenn dieser seine Vorbehalte habe, werde die damit verbundene Gesetzesänderung in die Wege geleitet. Aus dem bereits von Kommissionssprecher Ettlin ausgeführten formalen Grund empfehle der Bundesrat die Ablehnung der Motion Rösti. Stillschweigend folgte die kleine Kammer diesem Antrag.

Zulassung von Medizinprodukten nach aussereuropäischen Regulierungssystemen (Mo. 20.3370)

Anders als ihre Schwesterkommission beschloss die SGK-SR einstimmig Eintreten auf den vom Nationalrat angenommenen Erlassentwurf zur Übertragung des Mutterschaftsurlaubs auf hinterbliebene Väter, der mittlerweile erneut auch die Übertragung des Vaterschaftsurlaubs auf hinterbliebene Mütter umfasste. Die im Nationalrat erfolglos vorgebrachten Änderungsvorschläge der Mehrheit der SGK-NR zur Beschränkung der Vorlage auf die Gewährung des Mutterschaftsurlaubs an hinterbliebene Väter waren für die ständerätliche Kommission kein Thema mehr: Damit würde in Anbetracht solch tragischer Ereignisse am falschen Ort gespart, betonte Kommissionssprecher Damian Müller (fdp, LU) im Ratsplenum. In der Frühjahrssession 2023 folgte der Ständerat seiner SGK und stimmte einstimmig dem Beschluss des Nationalrats zu und nahm auch die von der SGK-SR beantragte Änderung des Gesetzesuntertitels zu «Taggelder für den hinterlassenen Elternteil» an. Aufgrund dieser Änderung ging der Entwurf noch einmal an den Nationalrat zur Differenzbereinigung.

Mutterschaftsurlaub für hinterbliebene Väter (Pa.Iv. 15.434)

Mittels Motion wollte Hans Stöckli (sp, BE) das «Erstellen und Bewirtschaften von Medikationsplänen zur Erhöhung der Medikationsqualität und Patientensicherheit von polymorbiden Patientinnen und Patienten» erreichen. Dabei strebte er insgesamt drei übergeordnete Punkte an, die neben dem Erstellen und der Bewirtschaftung des Medikationsplans auch aus einer Klärung der Rollen, der Verantwortlichkeiten und der Finanzierung bestand. Nachdem das Geschäft von der kleinen Kammer im Juni 2021 an die vorberatende SGK-SR zurückgewiesen worden war, welche dieses mit 10 zu 0 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) zur Annahme empfohlen hatte, befasste sich der Ständerat im März 2023 erneut mit dem Vorstoss. Als Kommissionssprecher veranschaulichte Stöckli am Beispiel von Pflegeheimen die Problematik: Personen in Heimen, die unter mehreren Krankheiten leiden, nähmen täglich im Durchschnitt zwischen neun und zwölf Medikamente ein, die von unterschiedlichen Stellen verschrieben worden seien. Die Folge davon sei nicht nur eine ungenügende Begleitung der Medikation, sondern auch, dass Medikamente ohne Kenntnis von anderen Medikamentengaben verschrieben würden. Medikationspläne könnten hier zu einer besseren Übersicht beitragen. Zwar werde bereits mit der Motion 18.3512 das Recht für einen Medikationsplan für Personen gefordert, die eine gewisse Medikamentenzahl einnehmen. Da freiwillige Vorgaben jedoch nicht genügten, werde mit der vorliegenden Motion auf eine Verpflichtung abgezielt. Gesundheitsminister Berset betonte allerdings die Ähnlichkeit der beiden Motionen und gab zu bedenken, dass eine Annahme der jüngeren Motion die Arbeiten an der Umsetzung der älteren Motion verzögern könnte, weshalb er das zur Debatte stehende Geschäft zur Ablehnung empfehle. Der Ständerat folgte diesem Votum jedoch nicht: Mit 22 zu 11 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) nahm er die neue Motion an.

Erstellen und Bewirtschaften von Medikationsplänen zur Erhöhung der Medikationsqualität und Patientensicherheit von polymorbiden Patientinnen und Patienten (21.3294)
Dossier: Digitalisierung im Arzneimittelbereich

Jahresrückblick 2022: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport

Zu Beginn des Jahres 2022 wurde befürchtet, dass die Covid-19-Pandemie auch in diesem Jahr das politische Geschehen der Schweiz dominieren würde: Mitte Januar erreichte die Anzahl laborbestätigter täglicher Neuansteckungen mit 48'000 Fällen bisher kaum denkbare Höhen – im Winter zuvor lagen die maximalen täglichen Neuansteckungen noch bei 10'500 Fällen. Die seit Anfang 2022 dominante Omikron-Variante war somit deutlich ansteckender als frühere Varianten – im Gegenzug erwies sie sich aber auch als weniger gefährlich: Trotz der viermal höheren Fallzahl blieben die Neuhospitalisierungen von Personen mit Covid-19-Infektionen deutlich unter den Vorjahreswerten. In der Folge nahm die Dominanz der Pandemie in der Schweizer Politik und in den Medien fast schlagartig ab, wie auch Abbildung 1 verdeutlicht. Wurde im Januar 2022 noch immer in 15 Prozent aller Zeitungsartikel über Covid-19 gesprochen, waren es im März noch 4 Prozent. Zwar wurde im Laufe des Jahres das Covid-19-Gesetz zum fünften Mal geändert und erneut verlängert, über die Frage der Impfstoff- und der Arzneimittelbeschaffung gestritten und versucht, in verschiedenen Bereichen Lehren aus den letzten zwei Jahren zu ziehen. Jedoch vermochten weder diese Diskussionen, die zwischenzeitlich gestiegenen Fallzahlen sowie ein weltweiter Ausbruch vermehrter Affenpocken-Infektionen das mediale Interesse an der Pandemie erneut nachhaltig zu steigern.

Stattdessen erhielten im Gesundheitsbereich wieder andere Themen vermehrte Aufmerksamkeit, vor allem im Rahmen von Volksabstimmungen und der Umsetzung von Abstimmungsentscheiden.
Einen direkten Erfolg durch ein direktdemokratisches Instrument erzielte das Komitee hinter der Volksinitiative «Kinder ohne Tabak». Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger hiessen diese Initiative am 13. Februar mit 56.7 Prozent gut. Das Volksbegehren ziel darauf ab, dass Kinder und Jugendliche nicht länger mit Tabakwerbung in Berührung kommen. Während das Initiativkomitee die Vorlage unter anderem damit begründete, dass durch das Werbeverbot dem Rauchen bei Jugendlichen Einhalt geboten werden könne, führten die Gegnerinnen und Gegner die Wirtschaftsfreiheit an. Zudem befürchtete die Gegnerschaft, dass in Zukunft weitere Produkte wie Fleisch oder Zucker mit einem vergleichbaren Werbeverbot belegt werden könnten. Der Bundesrat gab Ende August einen gemäss Medien sehr strikten Entwurf zur Umsetzung der Initiative in die Vernehmlassung. Während die Stimmbevölkerung Werbung für Tabakprodukte verbieten wollte, bewilligte das BAG ein Gesuch der Stadt Basel zur Durchführung von Cannabisstudien; die Städte Bern, Lausanne, Zürich und Genf lancierten ebenfalls entsprechende Studien. Zudem können Ärztinnen und Ärzte seit dem 1. August medizinischen Cannabis ohne Bewilligung durch das BAG verschreiben.

Teilweise erfolgreich waren im Jahr 2022 aber auch die Initiantinnen und Initianten der Organspende-Initiative. 2021 hatte das Parlament eine Änderung des Transplantationsgesetzes als indirekten Gegenvorschlag gutgeheissen, woraufhin das Initiativkomitee die Initiative bedingt zurückgezogen hatte. Im Januar kam das Referendum gegen die Gesetzesänderung zustande. Mit dem Gesetz beabsichtigten Bundesrat und Parlament die Einführung einer erweiterten Widerspruchslösung, wobei die Angehörigen der verstorbenen Person beim Spendeentscheid miteinbezogen werden müssen. Auch wenn es sich dabei um eine Abschwächung der Initiativforderung handelte, ging die Änderung dem Referendumskomitee zu weit; es äusserte ethische und rechtliche Bedenken. Die Stimmbevölkerung nahm die Gesetzesänderung am 15. Mai allerdings deutlich mit 60.2 Prozent an. Damit gewichtete sie die von den Befürwortenden hervorgehobene Dringlichkeit, die Spenderquote zu erhöhen und etwas gegen die langen Wartezeiten auf ein Spenderorgan zu unternehmen, stärker als die Argumente des Referendumskomitees. In den Wochen vor dem Abstimmungssonntag wurde die Vorlage vermehrt von den Zeitungen aufgegriffen, wie Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse verdeutlicht.

Nach dem deutlichen Ja an der Urne im November 2021 unterbreitete der Bundesrat dem Parlament im Mai 2022 seine Botschaft zur Umsetzung eines ersten Teils der Pflegeinitiative. Dieser entspricht dem indirekten Gegenvorschlag, den die Legislative ursprünglich als Alternative zur Volksinitiative ausgearbeitet hatte. Ohne grosse Änderungen stimmten die beiden Kammern der Gesetzesrevision zu.

Noch immer stark von der Covid-19-Pandemie geprägt waren die Diskussionen zu den Spitälern. Da die Überlastung der Spitäler und insbesondere der Intensivstationen während der Pandemie eine der Hauptsorgen dargestellt hatte, diskutierten die Medien 2022 ausführlich darüber, wie es möglich sei, die Intensivstationen auszubauen. Vier Standesinitiativen forderten zudem vom Bund eine Entschädigung für die Ertragsausfälle der Krankenhäuser während der ersten Pandemiewelle, der Nationalrat gab ihnen indes keine Folge.

Von einer neuen Krise betroffen war die Medikamentenversorgung. Die Versorgungssicherheit wurde als kritisch erachtet, was die Medien auf den Brexit, die Opioidkrise in den USA sowie auf den Ukrainekrieg zurückführten. Der Bundesrat gab in der Folge das Pflichtlager für Opioide frei. Das Parlament hiess überdies verschiedene Motionen für eine Zulassung von Medizinprodukten nach aussereuropäischen Regulierungssystemen gut, um so die Medikamentenversorgung auch mittelfristig sicherzustellen (Mo. 20.3211, Mo. 20.3370). Kein Gehör fand hingegen eine Standesinitiative aus dem Kanton Aargau zur Sicherung der Landesversorgung mit essenziellen Wirkstoffen, Medikamenten und medizinischen Produkten, durch ausreichende Lagerhaltung, Produktion in Europa und durch die Vereinfachung der Registrierung in der Schweiz.

Im Bereich des Sports war das Jahr 2022 durch mehrere Grossanlässe geprägt, die nicht nur in sportlicher, sondern auch in politischer Hinsicht für Gesprächsstoff sorgten. Die Olympischen Winterspiele in Peking Anfang Jahr und die Fussball-Weltmeisterschaft der Männer in Katar zum Jahresende standen aufgrund von Menschenrechtsverletzungen an den Austragungsstätten in den Schlagzeilen. Skandale gab es aber nicht nur in der internationalen Sportwelt, sondern auch hierzulande, wo Vorwürfe bezüglich Missständen im Synchronschwimmen erhoben wurden und die 1. Liga-Frauen-Fussballmannschaft des FC Affoltern nach einem Belästigungsskandal praktisch geschlossen den Rücktritt erklärte. Erfreut zeigten sich die Medien hingegen über eine Meldung im Vorfeld der Fussball-Europameisterschaft der Frauen, dass die Erfolgsprämien durch die Credit Suisse und die Gelder für Bilder- und Namensrechte durch den SFV für die Spielerinnen und Spieler der Nationalmannschaft der Frauen und Männer künftig gleich hoch ausfallen sollen. Sinnbildlich für den wachsenden Stellenwert des Frauenfussballs stand ferner eine Erklärung des Nationalrats in der Wintersession 2022, wonach er die Kandidatur zur Austragung der Fussball-Europameisterschaft der Frauen 2025 in der Schweiz unterstütze. Trotz dieser verschiedenen Diskussionen im Sportbereich hielt sich die Berichterstattung dazu verglichen mit derjenigen zu gesundheitspolitischen Themen in Grenzen (vgl. Abbildung 1). Dies trifft auch auf die Medienaufmerksamkeit für die Sozialhilfe zu, die sich über das gesamte Jahr hinweg unverändert auf sehr tiefem Niveau bewegte.

Jahresrückblick 2022: Gesundheit, Sozialhilfe, Sport
Dossier: Jahresrückblick 2022

In der Wintersession 2022 stimmte der Nationalrat erstmals über eine parlamentarische Initiative Kessler (glp, SG) ab, welche eine Übertragung des Mutterschaftsurlaubs auf hinterbliebene Väter vorsieht, sollte die Mutter während des 14-wöchigen Mutterschaftsurlaubs versterben. Im Vorfeld hatte die SGK-NR einen Entwurf in die Vernehmlassung geschickt, der forderte, dass nach dem Ableben der Mutter oder des Vaters unmittelbar nach der Geburt eines Kindes der Elternurlaub des verstorbenen Elternteils dem verbleibenden Elternteil zusätzlich zum bereits bestehenden Urlaub gewährt werden solle. In der Vernehmlassung wurde die Übertragung des Vaterschaftsurlaubs auf die Mutter von den Kantonen Nidwalden und St. Gallen lediglich unter Vorbehalt akzeptiert, unter anderem da die Regelung solcher Einzelfälle mehrheitlich den Sozialpartnern überlassen sein sollte. Bei der Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden, darunter 22 Kantone, alle stellungnehmenden Parteien oder etwa die FER und der SGB, stiess der ursprüngliche Entwurf im Grunde jedoch auf Anklang. Mit dem SAV und dem SGV lehnten zwei Sozialpartner den Entwurf gänzlich ab, ebenso wie der Kanton Thurgau. Bei der Ausgestaltung der Urlaube zeigten sich die Vernehmlassungsteilnehmenden gespalten. So sprachen sich sowohl die Kantone Appenzell-Innerrhoden, Glarus, Schaffhausen und Uri als auch die SVP und GastroSuisse gegen die Kumulation des Mutter- und Vaterschaftsurlaubs im Todesfall der Mutter oder des anderen Elternteils aus. Die Kantone Graubünden und Zug sowie die FDP sahen lediglich bei der Übertragung des Vaterschaftsurlaubs auf die hinterbliebene Mutter vom Mehrheitsantrag der SGK-NR ab. Der Kanton Aargau dagegen stellte sich gegen eine Kumulation von Mutter- und Vaterschaftsurlaub im Falle des Ablebens der Mutter. Die Mehrheit der SGK-NR entschied sich in Anbetracht der Ergebnisse der Vernehmlassung mit 17 zu 0 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) dazu, auf den Anspruch auf einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub bei Ableben des Vaters zu verzichten und lediglich beim Tod der Mutter dem verbliebenen Elternteil den 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub zu gewähren.

Über die nachträgliche Änderung am Entwurf nicht erfreut zeigten sich im Nationalrat zwei Minderheiten: Der erste Minderheitsantrag Mettler (glp, BE) forderte eine Berufung auf die ursprüngliche Vernehmlassungsvorlage und zielte somit darauf ab, den Anspruch auf den Vaterschaftsurlaub zu bewahren. Des Weiteren solle bei Ableben der Mutter der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub nicht gänzlich erlöschen, sondern mit dem übertragenen Mutterschaftsurlaub kumuliert werden. Noch weiter ging der Minderheitsantrag Flavia Wasserfallen (sp, BE), welcher forderte, dass der hinterbliebene Elternteil – egal ob Vater oder Mutter – insgesamt 20 Wochen Elternurlaub erhalten solle. Der Bundesrat beantragte dem Nationalrat, dem Minderheitsantrag Mettler Folge zu leisten, da dieser die Forderungen der parlamentarischen Initiative am besten zur Geltung bringe. Dieser erste Minderheitsantrag konnte sich gegenüber dem Mehrheitsantrag mit 112 zu 76 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) behaupten, wobei sich lediglich die geschlossenen SVP- und FDP-Fraktionen für den Vorschlag der Kommissionsmehrheit aussprachen. Auch bei der Gegenüberstellung der Minderheitsanträge Mettler und Flavia Wasserfallen nahm der Nationalrat mit 122 zu 69 (bei 2 Enthaltungen) ersteren an, während der Minderheitsantrag Flavia Wasserfallen lediglich auf die Unterstützung der geschlossenen SP- und Grünen-Fraktionen zählen konnte. In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer den so abgeänderten Entwurf auf Antrag des Bundesrats mit 171 zu 1 Stimme (bei 20 Enthaltungen) an.

Mutterschaftsurlaub für hinterbliebene Väter (Pa.Iv. 15.434)

Eine von Ständerätin Herzog (sp, BS) eingereichte Motion forderte eine Vereinheitlichung der EO-Entschädigungen bei Militärdienst und Mutterschaft. Insbesondere sah der Vorstoss identische maximale Tagessätze beim Militärdienst und Mutterschaft vor. Heutzutage sieht die Mutterschaftsentschädigung einen Höchstsatz von 196 Franken pro Tag vor, während der maximale EO-Tagessatz bei Militärangehörigen 245 Franken beträgt. Da ausschliesslich Frauen Mutterschaftsentschädigung bezögen, liege eine grundlegende Ungleichbehandlung der Geschlechter vor. Für die Änderung der EO-Entschädigungen sah die Motionärin zwei Varianten vor: Bei der ersten Variante sollten bei gleichem Höchsttagessatz für Mutterschaft und Militärdienst die Gesamtkosten dem heutigen Wert entsprechen. Der grosse Kostenanstieg bei einer allfälligen Angleichung der EO-Entschädigungen war unter anderem ausschlaggebend beim Scheitern einer ähnlichen Vorlage im Ständerat gewesen. Deshalb solle der Bundesrat einen zukünftigen EO-Höchsttagessatz zwischen 196 und 245 Franken ermitteln, welcher ähnliche Folgekosten wie heutzutage zur Folge hätte. Als zweite Variante schlug die Motionärin wiederum eine Angleichung des Höchstsatzes bei Mutterschaft an den des Militärdiensts an. Der Bundesrat beantragte die Motion zur Ablehnung, obschon er hervorhob, dass nicht alle Leistungsempfangenden unter der EO gleichbehandelt würden und dass die EO in naher Zukunft geprüft werden müsse. Trotzdem empfand der Bundesrat den Vorstoss als «zu restriktiv formuliert», da die Motion weitere Beiträge, wie etwa Kinderzulagen, aussen vor lasse. Diesem Argument entgegnete die Motionärin in der parlamentarischen Debatte, dass unter anderem der auszuzahlende Betrag noch relativ frei bestimmt werden könne und der Fokus der Motion lediglich auf der Gleichstellung zwischen Mann und Frau liege. Der Ständerat nahm in der Wintersession 2022 die Motion knapp mit 20 zu 17 Stimmen (bei 1 Enthaltung) an.

EO-Entschädigungen. Gleiche maximale Tagessätze bei Militärdienst und Mutterschaft (Mo. 22.4019)

In der Wintersession 2022 beschäftigte sich der Nationalrat mit einer Motion Müller (fdp, LU), welche auf mehr Handlungsspielraum bei der Beschaffung von Medizinprodukten zur Versorgung der Schweizer Bevölkerung abzielte. Während eine Mehrheit der SGK-NR die Annahme des Vorstosses forderte, um Versorgungsengpässen entgegenzuwirken, und sich davon überzeugt zeigte, dass das Zulassungsverfahren in den USA über einen der Schweiz ebenbürtigen Standard verfüge, sprach sich eine Kommissionsminderheit rund um Manuela Weichelt (al, ZG) gegen die Motion aus. Sie führte Bedenken zur Sicherheit der Patientenschaft und die Möglichkeit von Ausnahmebewilligungen ins Feld. Gesundheitsminister Alain Berset teilte die Ansicht bezüglich Patientensicherheit – in den USA gebe es zum Beispiel eine Tendenz zur Deregulierung der Gesetzgebung für Medizinprodukte («une tendance à la dérégulation de la législation sur les dispositifs médicaux») – und erklärte, dass die Versorgung der Schweiz mit Medizinprodukten derzeit gesichert sei. Nichtsdestotrotz folgte die grosse Kammer mit 100 zu 79 Stimmen dem Antrag der Kommissionsmehrheit und nahm die Motion an. Damit bestätigte sie ihren Beschluss, den sie bereits bei der gleichlautenden Motion Rösti (Mo. 20.3370) gefasst hatte.

Für mehr Handlungsspielraum bei der Beschaffung von Medizinprodukten zur Versorgung der Schweizer Bevölkerung (Mo. 20.3211)