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Anfangs Juni 2023 schickte der Bundesrat die Botschaft über die Förderung der Kultur für die Periode 2025–2028 in die Vernehmlassung.
Die Covid-19-Pandemie und das damit verbundene Veranstaltungsverbot im Kulturbereich hätten die Relevanz der Kultur für die Gesellschaft, aber auch einige strukturelle Probleme der Kulturbranche aufgedeckt, wie etwa die schlechte soziale Absicherung der Kulturschaffenden, so der Bundesrat. Letztere sei etwa auch in einem Bericht analysiert worden. Basierend auf diesen Erkenntnissen habe der Bundesrat zusammen mit dem BAK, Pro Helvetia und dem Schweizerischen Nationalmuseum sechs Handlungsfelder für die Kulturförderung definiert. So möchte der Bundesrat etwa digitale Angebote stärker unterstützen. Weiter soll die Nachhaltigkeit der Kultur durch eine Strategie für eine hohe Baukultur gesteigert werden. Nicht zuletzt möchte der Bundesrat die Wertschätzung von Kultur und den Umgang mit «historisch belastetem Kulturerbe in der Schweiz» sowie die internationale Kulturpolitik stärken. Die Kulturbotschaft sieht einen Zahlungsrahmen von CHF 1001,9 Mio. für diese vier Jahre vor. Die Vernehmlassung endet am 22. September 2023.

Kulturbotschaft 2025-2028

Im Dezember 2022 präsentierte der Bundesrat die Botschaft für die Revision des Umweltschutzgesetzes. Die Revision bezweckt Veränderungen in den Bereichen Lärm, Altlasten, Lenkungsabgaben, Finanzierung von Aus- und Weiterbildungskursen zum Umgang mit Pflanzenschutzmitteln, beim E-Government sowie beim Strafrecht.
Beim Lärmschutz will der Bundesrat die raumplanerischen Ziele (verdichtetes Bauen / Siedlungsentwicklung nach innen) besser mit dem Schutz der Bevölkerung vor Lärmemissionen in Einklang bringen. Mit den vorgesehenen Änderungen im USG sollen die Rechts- und Planungssicherheit erhöht werden, indem die lärmrechtlichen Kriterien für Baubewilligungen präzisiert werden. Die Änderungen stünden in Einklang mit dem «Nationalen Massnahmenplan zur Verringerung der Lärmbelastung» und setze die Motion 16.3529 Flach (glp, AG) um, so der Bundesrat.
Im Bereich der Altlasten beabsichtigt der Bundesrat, die Sanierung von öffentlichen und privaten Böden voranzutreiben. Die Untersuchung und Sanierung öffentlicher Kinderspielplätze und Grünflächen sollen verbindlich geregelt werden, wobei die Kosten der Sanierung zu 60 Prozent durch den VASA-Fonds übernommen würden. Die weiterhin freiwillige Untersuchung und Sanierung privater Kinderspielplätze und Hausgärten würde durch eine 40-prozentige Beteiligung des VASA-Fonds unterstützt. Weiter sollen durch ehemalige Deponien oder industrielle Aktivitäten belastete Standorte generell rascher analysiert und saniert werden. Bei den 300-Meter-Schiessanlagen schlug der Bundesrat vor, in Zukunft nicht mehr eine Pauschale pro Scheibe zu sprechen, sondern dass der Bund die Sanierungskosten generell zu 40 Prozent übernimmt. Mit diesen Änderungen werde die Motion 18.3018 Salzmann (svp, BE) erfüllt und das Anliegen einer abgelehnten Motion 20.4546 Fivaz (gp, NE) aufgenommen, so die Botschaft.
Bei den Lenkungsabgaben sollen diejenigen Artikel im USG, die den Schwefelgehalt von einigen Treibstoffen betreffen, gestrichen werden, da sie aufgrund strengerer Vorschriften in der LRV keine Anwendung mehr finden.
Eine weitere Neuerung im USG soll es dem Bund erlauben, private Institutionen finanziell zu unterstützen, die an sie übertragene Aufgaben im Bereich der Aus- und Weiterbildung zum Umgang mit Pflanzenschutzmitteln wahrnehmen. Diese Änderung werde insbesondere die Umsetzung von Massnahmen des Aktionsplans zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln vereinfachen.
Die vorliegende Revision schaffe auch die gesetzliche Grundlage, um das E-Government-Programm des UVEK im Umweltschutzbereich zu verankern, so der Bundesrat.
Schliesslich bezweckt der Bundesrat einige der Strafbestimmungen im USG anzupassen und das Strafmass für schwere Delikte anzuheben. Zudem solle die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Strafverfolgungs- und Umweltschutzbehörden gestärkt werden.

Umweltschutzgesetz. Änderung (BRG 22.085)

Der Nationalrat beugte sich in der Wintersession 2022 als Zweitrat über die Revision des Sexualstrafrechts. Wie bereits in der Ständekammer wurde das Ziel des Revisionsprojekts, das in die Jahre gekommene Sexualstrafrecht an die veränderten gesellschaftlichen Wertvorstellungen anzupassen, auch im Nationalrat allseits begrüsst. Eintreten war somit unbestritten.

Die Debatte um den umstrittensten Punkt der Vorlage, die Modellwahl zwischen «Nur Ja heisst Ja» und «Nein heisst Nein», fand in der grossen Kammer im Vergleich zum Ständerat unter umgekehrten Vorzeichen statt: Während sich in der Kantonskammer eine Minderheit der Kommission erfolglos für die Zustimmungslösung ausgesprochen hatte, beantragte im Nationalrat die Mehrheit der vorberatenden Rechtskommission die Verankerung des «Nur-Ja-heisst-Ja»-Prinzips im Strafgesetzbuch. Gemäss Kommissionssprecherin Patricia von Falkenstein (ldp, BS) wolle man damit klar zum Ausdruck bringen, «dass einvernehmliche sexuelle Handlungen im Grundsatz immer auf der Einwilligung der daran beteiligten Personen beruhen sollen» und «dass Geschlechtsverkehr ohne Einwilligung als Vergewaltigung betrachtet wird». Mit der Zustimmungslösung solle bei der Aufklärung von Sexualdelikten zudem mehr das Verhalten des Täters oder der Täterin in den Fokus rücken, und nicht die Frage, ob und wie sich das Opfer gewehrt habe. Letzteres solle sich nicht schuldig fühlen, wenn es nicht in ausreichendem Mass Widerstand geleistet habe. Demgegenüber fordere die «Nein heisst Nein»-Lösung vom Opfer weiterhin einen zumutbaren Widerstand. Bundesrätin Karin Keller-Sutter argumentierte hingegen, dass das Widerspruchsprinzip klarer sei. Jemand könne auch aus Angst oder Unsicherheit Ja sagen, ohne dies tatsächlich zu wollen, wohingegen ein explizites oder stillschweigendes Nein – etwa eine ablehnende Geste oder Weinen – nicht als Zustimmung missverstanden werden könne. Über ein geäussertes Nein könne das Opfer im Strafverfahren allenfalls aussagen, über ein fehlendes Ja jedoch nicht, denn einen Negativbeweis gebe es nicht, ergänzte Philipp Matthias Bregy (mitte, VS), der mit seiner Minderheit ebenfalls für «Nein heisst Nein» eintrat. Wie schon im Ständerat herrschte derweil auch im Nationalrat weitgehende Einigkeit, dass der Unterschied zwischen den beiden Varianten juristisch gesehen «verschwindend klein» sei, wie es Tamara Funiciello (sp, BE) ausdrückte, und es vor allem um Signale gehe. Während die Advokatinnen und Advokaten der Zustimmungslösung darin eine gesellschaftliche Haltung sahen, die die sexuelle Selbstbestimmung betone, erachteten die Befürworterinnen und Befürworter der Widerspruchslösung das Strafrecht nicht als den richtigen Ort für Symbolik – so fasste Christa Markwalder (fdp, BE) die Positionen in ihrer gespaltenen Fraktion zusammen. Als eine Art Mittelweg bewarb eine Minderheit Nidegger (svp, GE) unterdessen die im Ständerat gescheiterte Umformulierung des Widerspruchsprinzips. Diese wollte durch die explizite Nennung von verbaler und nonverbaler Ablehnung die Fälle von sogenanntem Freezing – wenn das Opfer in einen Schockzustand gerät und dadurch widerstandsunfähig ist – besser abdecken. Bundesrätin Karin Keller-Sutter betonte indes, auch mit der Widerspruchslösung seien Freezing-Fälle abgedeckt und die Minderheit Nidegger bringe somit keinen Mehrwert. Die Minderheit Nidegger unterlag der «Nein-heisst-Nein»-Lösung wie vom Bundesrat vorgeschlagen denn auch deutlich mit 118 zu 64 Stimmen bei 8 Enthaltungen. Ebenso chancenlos blieb die Minderheit Reimann (svp, SG), die statt dem vorgesehenen Kaskadenprinzip in Art. 189 und 190 StGB – einer Definition des Grundtatbestands ohne Nötigung (Abs. 1), wobei Nötigung sowie Grausamkeit als zusätzliche Erschwernisse in den Absätzen 2 und 3 aufgeführt werden – einen eigenen Tatbestand für Verletzungen der sexuellen Integrität ohne Nötigung schaffen wollte, sodass das Nötigungselement in den Tatbeständen der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung erhalten bliebe. Dieses Konzept war allerdings bereits in der Vernehmlassung harsch kritisiert worden. «Nur Ja heisst Ja» setzte sich schliesslich mit 99 zu 88 Stimmen bei 3 Enthaltungen gegen «Nein heisst Nein» durch. Zum Durchbruch verhalfen der Zustimmungslösung neben den geschlossen dafür stimmenden Fraktionen der SP, der Grünen und der GLP Minderheiten aus der FDP- und der Mitte-Fraktion sowie SVP-Nationalrätin Céline Amaudruz (svp, GE).

Neben der Modellwahl diskutierte die grosse Kammer auch die Strafrahmen ausführlich. Hier hielt sie sich mit einer Ausnahme überall an die Vorschläge ihrer Kommissionsmehrheit und lehnte zahlreiche Minderheitsanträge aus den Reihen der SVP- und der Mitte-Fraktion ab, die schärfere Strafen forderten. Härtere Sanktionen seien ursprünglich das Ziel der Strafrahmenharmonisierung gewesen, wovon auch die vorliegende Revision Teil sei, argumentierte Barbara Steinemann (svp, ZH). Solange «Belästiger mit symbolischen Strafen aus dem Gerichtssaal davonlaufen» könnten, sei auch die Zustimmungslösung nur ein «Ablenkungsmanöver», warf sie der Ratsmehrheit vor. Letztere wollte allerdings den Ermessensspielraum der Gerichte nicht einschränken. Es wurde befürchtet, dass die Gerichte sonst höhere Massstäbe an die Beweiswürdigung setzen könnten und es damit zu weniger Verurteilungen kommen könnte. Eine Mindeststrafe müsse immer «auch den denkbar leichtesten Fall abdecken», mahnte Justizministerin Keller-Sutter. Einzig bei der Vergewaltigung mit Nötigung – dem neuen Art. 190 Abs. 2, der im Grundsatz dem heutigen Vergewaltigungstatbestand entspricht – folgte der Nationalrat mit 95 zu 90 Stimmen bei 5 Enthaltungen der Minderheit Steinemann und übernahm die bereits vom Ständerat vorgenommene Verschärfung. Damit beträgt die Mindeststrafe für diesen Tatbestand neu zwei Jahre Freiheitsstrafe, Geldstrafen sowie bedingte Strafen sind demnach ausgeschlossen. Vergewaltigerinnen und Vergewaltiger müssen damit künftig zwingend ins Gefängnis. Bisher betrug die Mindeststrafe für Vergewaltigung ein Jahr Freiheitsstrafe, wobei diese auch (teil-)bedingt ausgesprochen werden konnte.

In einem zweiten Block beriet die Volkskammer noch diverse weitere Anliegen im Bereich des Sexualstrafrechts. Die Forderung einer Minderheit Funiciello, dass verurteilte Sexualstraftäterinnen und -täter obligatorisch ein Lernprogramm absolvieren müssen, wie dies bei häuslicher Gewalt oder Pädokriminalität bereits der Fall ist, wurde mit 104 zu 85 Stimmen abgelehnt. Da die Art des Delikts nicht berücksichtigt würde, handle es sich um eine «undifferenzierte Massnahme», so Kommissionssprecherin von Falkenstein. Mit 98 zu 84 Stimmen bei 7 Enthaltungen sprach sich der Nationalrat indessen dafür aus, die Altersgrenze für die Unverjährbarkeit von Sexualverbrechen auf 16 Jahre anzuheben. Bislang lag diese bei 12 Jahren, wie es bei der Umsetzung der Unverjährbarkeitsinitiative festgelegt worden war. Die Mehrheit argumentierte, so falle die Grenze für die Unverjährbarkeit mit dem Alter der sexuellen Mündigkeit zusammen. Den neuen Tatbestand der Rachepornografie hiess die grosse Kammer stillschweigend gut, verfrachtete ihn aber in einen anderen Artikel innerhalb des StGB. Anders als der Ständerat nahm der Nationalrat stillschweigend auch einen Tatbestand für Grooming ins Gesetz auf. In der Vernehmlassung sei dieser Vorschlag sehr positiv aufgenommen worden, erklärte die Kommissionssprecherin. Das Anliegen einer Minderheit von Falkenstein, sexuelle Belästigung nicht nur in Form von Wort, Schrift und Bild zu bestrafen, sondern auch andere sexuell konnotierte Verhaltensweisen – beispielsweise Gesten oder Pfiffe – unter Strafe zu stellen, scheiterte mit 96 zu 93 Stimmen knapp. Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnte vor einer «uferlosen Strafbarkeit», da mit der geforderten Ergänzung die Grenze zwischen strafbarem und straflosem Verhalten unklar wäre. Ebenfalls abgelehnt wurde ein Einzelantrag von Léonore Porchet (gp, VD), die ein Offizialdelikt für sexuelle Belästigungen im öffentlichen Raum einführen wollte. Die betroffene Person solle selbst entscheiden können, ob sie eine Strafverfolgung wünsche oder an ihrer Privatsphäre festhalten möchte, argumentierte Justizministerin Keller-Sutter dagegen.

In der Gesamtabstimmung nahm der Nationalrat den Entwurf mit 127 zu 58 Stimmen bei 5 Enthaltungen an. Mit der Ausnahme von Céline Amaudruz stellte sich die SVP-Fraktion geschlossen dagegen. Sie wurde von einigen Stimmen aus der Mitte-Fraktion unterstützt, aus der auch die Enthaltungen stammten. Das Ergebnis war Ausdruck der Enttäuschung des rechtsbürgerlichen Lagers über die ablehnende Haltung des Rats gegenüber Strafverschärfungen. SVP-Vertreterin Steinemann hatte schon in der Eintretensdebatte angekündigt, dass ihre Fraktion die Vorlage ablehnen werde, «sofern nicht deutlich schärfere Sanktionen resultieren».

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Nachdem die Rückmeldungen in der Vernehmlassung – insbesondere vonseiten der Kantone – zu einigen der vorgeschlagenen Änderungen im Strafgesetzbuch überwiegend kritisch ausgefallen waren, nahm der Bundesrat diese nicht in den Entwurf zum «Massnahmenpaket Sanktionenvollzug» auf. So sollen weder die Bewährungshilfe und Weisungen am Ende des Straf- oder Massnahmenvollzugs im Strafgesetzbuch ausgebaut noch die Zuständigkeiten bei der Aufhebung, Änderung oder Verlängerung einer therapeutischen Massnahme schweizweit vereinheitlicht werden. Stattdessen schlug die Regierung ein Beschwerderecht für die Vollzugsbehörde bei entsprechenden Gerichtsentscheiden vor. Zudem soll die Zusammensetzung der Fachkommission zur Beurteilung der Gefährlichkeit von Straftäterinnen und Straftätern angepasst werden. Die Neuerung, dass verwahrte Straftäterinnen und Straftäter künftig nur noch in Begleitung von Sicherheitspersonal in gesetzlich vorgesehene Urlaube entlassen werden dürfen, war in der Vernehmlassung indessen breit begrüsst worden. Ebenso positiv aufgenommen worden war die Anpassung des automatischen Überprüfungsrhythmus bei Verwahrungen. Diese beiden Vorschläge wurden daher unverändert in den Entwurf aufgenommen.
Bei der zweiten Vorlage zur Änderung des Jugendstrafgesetzes ruderte der Bundesrat gegenüber dem Vorentwurf ebenfalls ein Stück zurück. Die Möglichkeit, an eine jugendstrafrechtliche Sanktion eine Verwahrung gemäss Erwachsenenstrafrecht anzuschliessen, soll gemäss Botschaft nur für Fälle geschaffen werden, in denen der oder die betreffende Jugendliche mindestens 16 Jahre alt ist und einen Mord begangen hat.

Massnahmenpaket Sanktionenvollzug (BRG 22.071)
Dossier: Massnahmenpaket Sanktionenvollzug

Verglichen mit der Intensität der öffentlichen Debatte, die die Abstimmung zur sogenannten Burka-Initiative begleitet hatte, fiel das Echo in der Vernehmlassung zur gesetzlichen Umsetzung des in der Verfassung verankerten Gesichtsverhüllungsverbots eher bescheiden aus. Von den insgesamt 55 Stellung nehmenden Kantonen, Parteien, Organisationen und Privatpersonen äusserten sich nur 8 grundsätzlich ablehnend, darunter der Kanton Genf, die Grüne Partei, Amnesty International, die EKR, Les Foulards Violets und Operation Libero. Demgegenüber bekundeten 39 Teilnehmende grundsätzliche Zustimmung zum Vorentwurf. Dazu zählten neben den anderen 25 Kantonen etwa die EDU, die FDP, die SP und die SVP sowie GastroSuisse, die FIDS und der SIG – und damit auch Akteure, die sich im Abstimmungskampf zur Volksinitiative dezidiert gegen das Verhüllungsverbot eingesetzt hatten. In den befürwortenden Stellungnahmen wurde vor allem die schweizweit einheitliche Umsetzung gelobt. Von der Gegenseite wurde die Umsetzung auf Bundesebene hingegen kritisiert. Gegenstand von Kritik waren auch die Ausnahmebestimmungen, die Verankerung im Strafgesetzbuch und die Höhe der vorgesehenen Bussen.
In seiner Botschaft vom Oktober 2022 berücksichtigte der Bundesrat einige Kritikpunkte aus der Vernehmlassung. So legte er dem Parlament statt der Änderung des Strafgesetzbuches nun ein neues, eigenständiges Bundesgesetz über das Verbot der Verhüllung des Gesichts (BVVG) vor. Damit werde deutlich, dass beim Gesichtsverhüllungsverbot die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Vordergrund stehe, nicht die Bestrafung, erklärte die Regierung. Widerhandlungen gegen das Verhüllungsverbot sollen, um den Aufwand für die Kantone gering zu halten, im Ordnungsbussenverfahren geahndet werden können, die maximale Busse soll CHF 1000 betragen. Im Vorentwurf waren noch Bussen bis CHF 10'000 vorgesehen gewesen, was als unverhältnismässig kritisiert worden war. Damit die Verhüllung an politischen Manifestationen zulässig ist – mit der Formulierung im Vorentwurf hatte sich der Bundesrat den Vorwurf eingehandelt, vermummte Chaoten zu schützen –, soll die zuständige Behörde diese im Voraus bewilligen müssen. In der Medienmitteilung betonte die Regierung jedoch erneut, dass Gesichtsverhüllungen im öffentlichen Raum zulässig sein sollen, wenn sie in Ausübung von Grundrechten, namentlich der Meinungs- und der Versammlungsfreiheit, zum eigenen Schutz notwendig sind. Unverändert aus dem Vorentwurf übernahm der Bundesrat die Ausnahmen aus Gründen der Gesundheit, der Sicherheit, der klimatischen Bedingungen, des einheimischen Brauchtums, für künstlerische und unterhaltende Darbietungen sowie zu Werbezwecken.

Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot (BRG 22.065)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Noch in der Herbstsession 2022 bereinigte das Parlament das neue Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele. Bei der erneuten Beratung durch den Nationalrat waren noch drei Differenzen offen: die Pflicht zur Kennzeichnung von Mikrotransaktionen, der Einbezug von Expertinnen und Experten als ständige Mitglieder in den Branchenorganisationen und ein gesetzlicher Auftrag an den Bund zur Förderung der Medienkompetenz.
Gemäss Kommissionssprecher Matthias Aebischer (sp, BE) habe sich die WBK-NR «im Sinne einer Bereinigung» entschieden, dem Ständerat in den ersten beiden Differenzen entgegen zu kommen. Für die Problematik der Mikrotransaktionen wolle die WBK-NR eine Kommissionsmotion einreichen, um das Problem entweder im Geldspielgesetz oder im Konsumenteninformationsgesetz zu regeln. Nachdem der Bundesrat und die Verwaltung der WBK-NR versichert hatten, dass der Bundesrat einschreiten könne, falls die Expertinnen und Experten in den Branchenorganisationen übergangen werden sollten, entschied die WBK-NR einstimmig, dem Ständerat zu folgen und es den Branchenorganisationen zu überlassen, wie sie die Expertinnen und Experten einbinden wollen.
Umstritten blieb die Frage, ob der Bundesrat «Massnahmen zur Förderung der Medienkompetenz und Prävention» ergreifen solle oder nicht. Eine Mehrheit der WBK-NR wollte mit 15 zu 10 Stimmen daran festhalten – einzig gestrichen werden sollte der Absatz, «dass der Bund die Kantone bei der Ausarbeitung und Weiterentwicklung von Angeboten zur Medienkompetenz unterstützen» könne. Eine Minderheit um Christian Wasserfallen (fdp, BE) wollte hingegen dem Ständerat folgen und auf die neue Bundeskompetenz im Gesetz gänzlich verzichten. Der Nationalrat folgte mit 108 zu 75 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) jedoch seiner Kommissionsmehrheit.

Der Ständerat lenkte in der Folge auf den Mehrheitsantrag der WBK-SR ein, welche die Förderung der Medienkompetenz im Gesetz aufnehmen wollte, zumal der grösste Konfliktpunkt gemäss Kommissionssprecher Matthias Michel (fdp, ZG), die Kompetenzverschiebung von den Kantonen zum Bund, mit dem angepassten Vorschlag des Nationalrats wegfalle. Gegen einen Minderheitsantrag von Jakob Stark (svp, TG) nahm der Ständerat diese letzte Änderung am Entwurf mit 23 zu 20 Stimmen an.

Nach gut zwei Jahren kam das neue Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele Ende September 2022 mit der Schlussabstimmung zu einem Abschluss. Der Nationalrat nahm das Gesetz mit 131 zu 56 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) an. Einzig die geschlossen stimmende SVP-Fraktion sowie eine Minderheit der FDP.Liberalen-Fraktion lehnten das neue Bundesgesetz ab. Die kleine Kammer nahm das neue Bundesgesetz mit 40 zu 3 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) an. Hier stammten die Stimmen gegen das Gesetz von Mitgliedern der SVP.

Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen (BRG 20.069)

In der Herbstsession 2022 – knapp eine Woche nach dem Nationalrat – befasste sich der Ständerat mit der Differenzbereinigung zum neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele. Auf der Traktandenliste standen noch vier Differenzen, auf welche der Nationalrat weiterhin bestanden hatte. Die Mehrheit der vorberatenden WBK-SR wollte an zweien dieser Differenzen ebenfalls weiterhin festhalten.
Der Nationalrat hatte darauf bestanden, dass Expertinnen und Experten als ständige Mitglieder in die Branchenorganisationen einzubinden seien. Die Räte hätten sich bereits darauf geeinigt, dass auf den bestehenden Branchenorganisationen aufgebaut werden solle, statt neue Jugendschutzorganisationen zu gründen, hielt Kommissionssprecher Matthias Michel (fdp, ZG) fest. Da die Branchenorganisationen nebst Jugendschutzregelungen auch andere Themen behandeln würden, wie etwa Fragen rund um den Markt, brauche es jeweils unterschiedliche Expertinnen und Experten, womit es nicht sinnvoll sei, diese als ständige Mitglieder aufzunehmen. Der Ständerat hielt in der Folge stillschweigend an dieser Differenz fest.
Auch bezüglich der Differenz zu den Mikrotransaktionen (Geldzahlungen z.B. für virtuelle Güter in Computerspielen) folgte der Ständerat stillschweigend dem Antrag der WBK-SR zur Streichung der Regelung. Die Mikrotransaktionen seien eine Funktion und nicht eine inhaltliche Frage. Da sich solche technischen Fragen ständig ändern würden, könne eine Regelung bis zum Inkrafttreten des Gesetzes bereits wieder überholt sein, argumentierte der Kommissionssprecher.
Ein Entgegenkommen beantragte die Kommissionsmehrheit hingegen bezüglich der Medienkompetenz. Inhaltlich spreche nichts gegen eine Förderung der Medienkompetenz, da es hier nicht um Verbote, sondern um die Förderung der Verantwortung von Eltern sowie Kindern und Jugendlichen gehe, betonte Michel. Und auch wenn eine solche Regelung für die obligatorische Schulzeit in den Handlungsbereich der Kantone falle, könne der Bundesrat ausserhalb dieses Bereichs, im Sinne einer «Ergänzung der Anstrengungen der Kantone», durchaus aktiv werden. Eine Kommissionsminderheit, angeführt von Andrea Gmür-Schönenberger (mitte, LU), wollte an der Differenz festhalten und die Medienförderung streichen. Es brauche hier keine gesetzliche Regelung, da der Bund bereits aktiv sei. Auch sie verwies auf das Prinzip der Subsidiarität und die Handlungskompetenz der Kantone. In der Folge entschied der Ständerat mit 24 zu 20 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) knapp, der Minderheit zu folgen und von einer Ergänzung der Medienkompetenzförderung abzusehen. Somit hielt er auch an dieser Differenz fest. Der Forderung des Nationalrates, dass Filme und Videospiele, welche vor Inkrafttreten des Gesetzes auf den Markt kamen, auch eine Alterskennzeichnung erhalten müssen, kam der Ständerat ohne Gegenantrag entgegen.
Damit ging das Geschäft mit drei verbleibenden Differenzen abermals zurück an den Nationalrat.

Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen (BRG 20.069)

Nachdem der Ständerat in der Sommersession 2022 diverse Differenzen zum Nationalrat im neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele geschaffen hatte, startete der Nationalrat in der Herbstsession 2022 in die Differenzbereinigung. Insgesamt folgte der Nationalrat in den meisten Punkten seiner vorberatenden WBK-NR und hielt an vier der fünf Differenzen zum Ständerat fest.
So bestand die grosse Kammer mit 103 zu 82 Stimmen (bei 8 Enthaltungen) in Übereinstimmung mit der Kommissionsmehrheit auf der Regelung, dass Spielanbietende verpflichtet werden, den Eltern offen zu legen, ob in einem Spiel Mikrotransaktionen vorgesehen sind. Damit sollen die Erziehungsberechtigten dabei unterstützt werden, ihre elterliche Kontrolle umfassend ausführen zu können, insbesondere wenn wie hier die Möglichkeit einer Verschuldung bestehe, hielt Kommissionssprecher Fabien Fivaz (gp, NE) fest. Verena Herzog (svp, TG) beantragte hingegen, dem Ständerat zu folgen und die Regelung aus dem Gesetz zu streichen, da die Branche «sehr dynamisch» sei und flexibel auf neue Entwicklungen reagieren können müsse.
Bei der Einbindung von Expertinnen und Experten als ständige Mitglieder in die neu zu bildenden Branchenorganisationen hielt der Nationalrat mit 109 zu 83 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ebenfalls an seinem Entwurf fest. Eine Minderheit um Simone de Montmollin (fdp, GE) wollte dem Ständerat folgen und diese Regelung streichen, weil sie befürchte, dass durch die so entstehende Doppelrolle – sowohl Expertin oder Experte als auch Mitglied einer Organisation, die Entscheide fällt – die Neutralität und Objektivität der Person nicht mehr gegeben wäre.
Auch bei der Frage, ob der Bund «Massnahmen zur Förderung der Medienkompetenz der Minderjährigen sowie Präventionsmassnahmen» ergreifen solle, folgte der Nationalrat mit 107 zu 82 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) der Kommissionsmehrheit. Diese wollte an den entsprechenden Massnahmen festhalten, um die bisherigen Bemühungen des Bundesrates in Form der Plattform «Jugend und Medien» gesetzlich zu verankern, erklärte Fabien Fivaz für die Kommission. Eine Minderheit Herzog hatte sich für deren Streichung ausgesprochen, weil entsprechende Massnahmen unter anderem bereits im Lehrplan 21 vorgesehen seien.
Erfolgreich war hingegen ein Minderheitsantrag Herzog zum Jugendschutzalter bei Filmen und Videospielen: Der Minderheit ging die Regelung, dass ein Kind beim Kauf von Medien in Begleitung einer erwachsenen, mindestens zehn Jahre älteren Person das Mindestalter um höchstens zwei Jahre unterschreiten dürfe, zu weit – die Betreuungsperson könne am besten einschätzen, was für das Kind angemessen sei. Die Kommissionsmehrheit wollte an dieser Regelung festhalten und auch Alain Berset legte dem Nationalrat nahe, diese Regelung nicht zu streichen – dies sei letztlich der Kern des Gesetzes. Der Nationalrat kam in diesem Punkt aber dem Ständerat mit 107 zu 86 Stimmen entgegen und strich die 2-Jahres-Regel endgültig aus dem Gesetz.
Unbestritten war schliesslich das Festhalten an der Regelung, wonach Filme und Videospiele, welche vor Inkrafttreten des Gesetzes auf den Markt kamen, auch eine Alterskennzeichnung erhalten müssen. Damit ging das Geschäft für die Differenzbereinigung an den Ständerat zurück.

Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen (BRG 20.069)

In der Sommersession 2022 brachten die eidgenössischen Räte die Revision der Strafprozessordnung zum Abschluss. In der Differenzbereinigung verhärteten sich die Fronten in den zentralen Diskussionspunkten zunächst, sodass Bundesrätin Karin Keller-Sutter bereits mit einer Einigungskonferenz rechnete. Der Ständerat kam dem Nationalrat zuerst nur bei Fristen für die Beschwerdeinstanz und das Berufungsgericht entgegen, die der Nationalrat zwecks Beschleunigung der Verfahren neu in die StPO aufgenommen hatte. Gemäss Berichterstatter Daniel Jositsch (sp, ZH) hielt die RK-SR diese zwar für wenig zweckmässig, aber tolerierbar, weil die Fristen mangels rechtlicher Konsequenzen bei Nichteinhaltung «lediglich als Richtgrösse im Sinne einer Konkretisierung des Beschleunigungsgebots» zu verstehen seien. Der Nationalrat beugte sich seinerseits in einigen Punkten der Argumentation des Schwesterrats und verzichtete auf zwei von ihm eingefügte, aber vom Ständerat abgelehnte Bestimmungen: Erstens strich er die Regelung zur präventiven verdeckten Ermittlung bei Sexualdelikten wieder aus dem Gesetz, weil dies Sache des kantonalen Polizeirechts sei. Zweitens soll eine Genugtuung nun doch nicht mit Geldforderungen des Staates aus dem Verfahren verrechnet werden können; werde der Betrag nicht ausbezahlt, verpuffe der Ausgleichseffekt für die unrechtmässig erlittene Rechtsverletzung. Weiter räumte die grosse Kammer die beiden Differenzen zu den DNA-Profilen aus, sodass dafür nun die vom Bundesrat vorgesehenen Regeln umgesetzt werden: Von einer beschuldigten Person darf während des Strafverfahrens ein DNA-Profil erstellt werden, wenn konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass sie weitere Delikte begangen haben könnte. Die SVP-Minderheit, die dafür nur eine «gewisse Wahrscheinlichkeit» voraussetzen wollte, blieb letztlich chancenlos. Zudem darf von einer verurteilten Person am Ende des Strafverfahrens ein DNA-Profil erstellt werden, wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass sie weitere Delikte begehen könnte. Hier unterlag die links-grüne Minderheit mit ihrem Streichungsantrag ebenso deutlich.
Bei der Einschränkung der Teilnahmerechte verharrten indessen beide Räte auf ihrer Position. Während sich der Ständerat mit 32 zu 11 Stimmen dafür aussprach, dass eine beschuldigte Person von der ersten Einvernahme einer mitbeschuldigten Person ausgeschlossen werden kann, solange sie selber noch nicht einvernommen worden ist, lehnte der Nationalrat diese Einschränkung mit 137 zu 50 Stimmen (1 Enthaltung) ebenso klar ab. Als Berichterstatter der RK-NR fasste Beat Flach (glp, AG) zusammen: «Für die eine Seite ist es der Hauptinhalt und das wichtigste Element dieser Revision, und für die andere Seite [...] ist das, was vorgeschlagen wird, ein No-Go.» Die ablehnende Seite argumentierte, dieser Eingriff in die Rechte der Beschuldigten bringe das sorgfältig austarierte Kräfteverhältnis zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung aus dem Lot und sei darum inakzeptabel. Die Befürworterinnen und Befürworter der Änderung betonten hingegen, dass es sich um einen «moderaten Eingriff» (Karin Keller-Sutter) handle und dass dies der Hauptauslöser für die ganze Revision gewesen sei, weil hier von den Staatsanwaltschaften konkrete Probleme in der Praxis festgestellt worden seien.
Ebenso unversöhnlich standen sich die beiden Kammern beim Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft gegen Haftentscheide gegenüber. Der Ständerat entschied mit 25 zu 19 Stimmen, an der bundesrätlichen Version festzuhalten, die ein solches Beschwerderecht explizit vorsieht. Damit werde nichts Neues eingeführt, sondern die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts kodifiziert; es sei allemal besser, wenn der Gesetzgeber die Grundsätze des Verfahrens in der StPO festschreibe, als dass das Bundesgericht sich wie bisher das Recht nehme, selber zu entscheiden, erklärte der erfolgreiche Antragsteller Daniel Fässler (mitte, AI). Der Nationalrat beschloss demgegenüber mit 109 zu 79 Stimmen, eine solche Beschwerdemöglichkeit für die Staatsanwaltschaft ausdrücklich auszuschliessen, weil die EMRK-Konformität einer solchen Regel mindestens zweifelhaft sei. Es sei problematisch, wenn eine nach Gerichtsentscheid freizulassende Person noch länger in Haft behalten werde, bis die Beschwerde erledigt sei, so die Bedenken. Selbst der Bundesrat war sich in dieser Sache nicht sicher, sagte Justizministerin Keller-Sutter doch, der Bundesrat habe versucht, «das Risiko einer EMRK-Widrigkeit zu reduzieren, indem er für das Verfahren möglichst kurze Fristen festgelegt» habe.
Resigniert stellte der ständerätliche Kommissionssprecher Jositsch am Ende der zweiten Runde der Differenzbereinigung fest, dass man in diesen beiden letzten Fragen keine Lösung gefunden habe. Bei der Beschwerdelegitimation der Staatsanwaltschaft gebe es mit der EMRK-Konformität «tatsächlich einen Punkt, der für die Fassung des Nationalrates spricht», weshalb die Kommission die Zustimmung zum Beschluss der Schwesterkammer beantragte. Dasselbe beantragte die RK-SR auch bei den Teilnahmerechten. Die Fassung des Ständerates sei im Nationalrat nicht mehrheitsfähig und eine zweckmässige Kompromisslösung nicht in Sicht, weshalb man im Zweifelsfall eben beim geltenden Recht bleiben wolle, so Jositsch. «Das heisst, dass wir mit dieser Revision das ursprüngliche Hauptproblem vielleicht nicht haben lösen können, aber wir haben doch einiges gemacht, um diese Strafprozessordnung besser zu machen», resümierte er. Obwohl die Kommission damit in beiden Punkten die bundesrätliche Lösung fallen liess, beantragte Karin Keller-Sutter keine Abstimmung. So räumte die Ständekammer die beiden letzten Differenzen stillschweigend aus. In den Schlussabstimmungen nahm der Ständerat die Vorlage mit 38 zu 6 Stimmen bei einer Enthaltung an. Der Nationalrat stimmte ihr mit 147 zu 48 Stimmen bei 2 Enthaltungen zu. Unzufrieden zeigten sich in beiden Räten grosse Teile der SVP-Fraktion, die die fehlende Einschränkung der Teilnahmerechte bedauerten. Dadurch werde «die Erforschung der materiellen Wahrheit eminent erschwert», was zu einer «massiven Bevorteilung der Täter» führe und damit indirekt die Stellung des Opfers erheblich schwäche, hatte Nationalrätin Andrea Geissbühler (svp, BE) während der Debatte im Namen ihrer Fraktion erklärt.

Änderung der Strafprozessordnung (BRG 19.048)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

In der Sommersession 2022 befasste sich der Ständerat als Erstrat mit der Revision des Sexualstrafrechts. Unbestritten war, dass die Reform notwendig sei, weil die geltenden Normen nicht mehr zeitgemäss seien. Sowohl im Rat als auch in den Medien war vielerseits von einem «Quantensprung» die Rede. Der Rat trat denn auch ohne Gegenantrag auf das Geschäft ein. Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter bezeichnete die Abschaffung des Nötigungselements beim Vergewaltigungstatbestand als «Meilenstein». Gleichzeitig warnte sie aber davor, zu hohe Erwartungen in diese Revision zu setzen: Sie sei zwar «ein wichtiger Schritt», werde aber «Beweisschwierigkeiten bei Sexualdelikten als typische Vieraugendelikte nicht beseitigen».

Kernpunkt der Revision war die Neufassung der Tatbestände der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung (Art. 189 und 190 StGB). So war denn auch die Debatte im Ständerat geprägt von der Frage, wann eine Vergewaltigung eine Vergewaltigung ist bzw. ob eine sexuelle Handlung strafbar sein soll, wenn sie «gegen den Willen» oder aber «ohne Einwilligung» der betroffenen Person vorgenommen wird. Während sich der Bundesrat und die Mehrheit der RK-SR für die Widerspruchslösung aussprachen («Nein heisst Nein»), wollte eine Minderheit Mazzone (gp, GE) das Zustimmungsprinzip («Nur Ja heisst Ja») im Gesetz verankern. Einig war man sich weitgehend darin, dass sich die beiden Varianten in Bezug auf die konkreten Konsequenzen für die Strafrechtspraxis im Endeffekt kaum unterscheiden. Ob die Staatsanwaltschaft das Nein oder das «Nicht-Ja» beweisen müsse, letztlich werde in beiden Fällen «das ablehnende Signal» gesucht, erklärte Andrea Caroni (fdp, AR), der der Kommissionsmehrheit angehörte. Auch wenn eine Person im Laufe eines sexuellen Kontakts, dem sie anfänglich zugestimmt hat, ihre Meinung ändere, müsse sich dieser Meinungsumschwung auf irgendeine Weise manifestieren, also durch ein Nein oder konkludentes ablehnendes Verhalten – etwa Kopfschütteln, eine abwehrende Geste oder Weinen – zum Ausdruck gebracht werden, ergänzte Bundesrätin Keller-Sutter. Je nach Situation mutiere die Zustimmungslösung demnach zur Widerspruchslösung, weshalb Letztere praxisnäher und transparenter sei, so die Justizministerin. Minderheitsvertreterin Mazzone argumentierte, von der Widerspruchslösung würden jene Fälle nicht erfasst, in denen das Opfer in einen Schockzustand gerate und zu jeglicher Äusserung von Widerstand unfähig sei; hier könne nur auf die fehlende Einwilligung abgestellt werden. Bundesrätin Keller-Sutter versicherte jedoch, die Fälle von sogenanntem Freezing würden vom Mehrheitsvorschlag ebenfalls abgedeckt. Wenn das Opfer widerstandsunfähig sei, sei es entweder durch Einschüchterung oder Drohung in diesen Zustand gebracht worden – dann liege eine Nötigung vor – oder es sei zwar selbst in diesen Zustand geraten, der Täter oder die Täterin nutze diesen Umstand aber aus, womit eine Schändung nach Art. 191 StGB vorliege.
Einig waren sich beide Lager wiederum darin, dass sich die beiden Varianten sehr wohl in der Symbolik unterschieden, die die Strafnorm an die Gesellschaft aussende. Lisa Mazzone fragte rhetorisch, ob es denn nicht in der Verantwortung der sexuell handelnden Person liege, sich im Zweifelsfall über den Willen des passiven Gegenübers zu erkundigen; sonst gehe die handelnde Person eben das Risiko ein, eine Straftat zu begehen. Gemäss Eva Herzog (sp, BS) bringe das Prinzip «Nur Ja heisst Ja» zum Ausdruck, dass sich bei Sexualkontakten zwei Menschen auf Augenhöhe begegnen. Die Grundeinstellung, dass Frauen oft Nein sagten, aber schon Ja meinten, sei immer noch verbreitet und es gehe «um eine Veränderung der Bilder in den Köpfen». Die Kommissionsmehrheit sah es indes nicht als Aufgabe des Strafrechts, die Gesellschaft zu erziehen. Deren Mitglied Beat Rieder (mitte, VS) befürchtete gar eine «falsche Kriminalisierung der Sexualität», indem sexuelle Kontakte grundsätzlich als strafbar angesehen würden, ausser das Gegenüber habe zugestimmt. Die Widerspruchslösung gehe hingegen davon aus, dass sexuelle Kontakte «in aller Regel im gegenseitigen Einverständnis» erfolgten und verkörpere damit eine «positive Sichtweise auf die Sexualität». Mit 25 zu 18 Stimmen sprach sich der Ständerat für die Variante der Kommissionsmehrheit und damit für «Nein heisst Nein» aus. Ein Einzelantrag Gmür-Schönenberger (mitte, LU), der die Widerspruchslösung anders formulieren wollte, um das Freezing deutlicher zu erfassen, scheiterte mit 23 zu 10 Stimmen bei 10 Enthaltungen.

In einem zweiten Schritt befasste sich die Kantonskammer mit der Abschaffung des Nötigungselements in den beiden Tatbeständen von Art. 189 und 190 StGB. Die Kommission schlug dazu ein Kaskadenprinzip vor: Der Grundtatbestand im jeweiligen Absatz 1 deckt demnach sexuelle Handlungen gegen den Willen einer Person ab. Wird das Opfer genötigt, kommt dies gemäss Absatz 2 erschwerend hinzu. Absatz 3 regelt die zusätzliche Erschwernis der Grausamkeit sowie des Einsatzes einer gefährlichen Waffe oder eines gefährlichen Gegenstandes. Werner Salzmann (svp, BE) brachte indessen mit einem Einzelantrag den Vorschlag aus dem Vernehmlassungsentwurf wieder aufs Tapet. Dieser hatte für sexuelle Übergriffe ohne Nötigung einen eigenen Tatbestand vorgesehen, während das Nötigungselement bei den Tatbeständen der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung erhalten bleiben sollte. Salzmann gab zu bedenken, dass es ein falsches Signal an die Gesellschaft aussenden würde, wenn unter der Bezeichnung «Vergewaltigung» künftig noch geringere Strafen ausgesprochen würden – «[w]ir haben jetzt schon lächerlich milde Strafen für Vergewaltigungen» –, weil auch Verletzungen der sexuellen Integrität ohne Nötigung hierunter subsumiert würden. Kommissionssprecher Sommaruga (sp, GE) und Bundesrätin Keller-Sutter hielten dem entgegen, dass dieses Konzept in der Vernehmlassung auf breite Kritik gestossen war, weil damit «eine Art unechte oder minderwertige Vergewaltigung» geschaffen würde, wie es die Justizministerin ausdrückte. Mit 39 zu 4 Stimmen befürwortete der Ständerat die Kaskadenlösung klar.
Weiter diskutierte die Ständekammer die Höhe der Strafen für die neu gefassten Tatbestände der sexuellen Nötigung und der Vergewaltigung. Mit mehreren Einzelanträgen wollte Werner Salzmann die Mindeststrafen für verschiedene Tatbestände erhöhen, blieb damit aber chancenlos. Die grosse Mehrheit der kleinen Kammer wollte den Ermessensspielraum der Gerichte nicht zu stark einschränken, weil stets auch der denkbar mildeste Fall adäquat bestraft werden können müsse. Eine Minderheit Engler (mitte, GR) beantragte gegenüber der Kommissionsmehrheit eine höhere Mindeststrafe für Vergewaltigung mit Nötigung (neu Art. 190 Abs. 2 StGB). Die Kommissionsmehrheit hatte hier mindestens ein Jahr Freiheitsstrafe vorgesehen. Die Minderheit Engler forderte mindestens zwei Jahre Freiheitsstrafe, damit hier keine bedingten Strafen ausgesprochen werden können. Diesen Minderheitsantrag hiess der Ständerat mit 23 zu 20 Stimmen gut.

Am zweiten Tag der Behandlung stimmte die Kantonskammer mit 37 zu 6 Stimmen dem Antrag ihrer Kommissionsmehrheit zu, mit Art. 197a einen neuen Tatbestand für Rachepornografie im StGB zu verankern. Dieser stellt das unbefugte Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten unter Strafe. Der Bundesrat hatte vergeblich für dessen Ablehnung plädiert. Er hätte zuerst den genauen Handlungsbedarf abklären wollen, was er im Bericht zum Postulat 21.3969 zu tun im Begriff sei, wie Bundesrätin Keller-Sutter erläuterte.
Mit einem ebenfalls neuen Art. 197b wollte Isabelle Chassot (mitte, FR) zudem das Grooming, also das Anbahnen sexueller Kontakte mit Minderjährigen, unter Strafe stellen. Die Kommission hatte nach der Vernehmlassung in ihrem Entwurf auf einen solchen Artikel verzichtet, weil die versuchte sexuelle Handlung mit einem Kind oder die versuchte Herstellung von Kinderpornografie bereits strafbar seien, wie Bundesrätin Keller-Sutter anmerkte. Jemanden zu bestrafen, der noch nicht einmal einen Versuch unternommen habe, wäre ein «Sündenfall im Strafrecht», urteilte Kommissionsmitglied Daniel Jositsch (sp, ZH). Die Ständekammer lehnte den Antrag Chassot mit 21 zu 18 Stimmen bei 4 Enthaltungen schliesslich ab.

In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat die Vorlage einstimmig an. Angesichts der lauten gesellschaftlichen Forderungen nach einer «Nur-Ja-heisst-Ja»-Regelung im Sexualstrafrecht wurde der Entscheid des Ständerats in den Medien ausführlich kommentiert und auch kritisiert. Das enttäuschte Lager setzte die Hoffnung nun in den Nationalrat.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Nachdem der Nationalrat in der Sommersession 2021 über das neue Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele befunden hatte, kam der Gesetzesentwurf im August 2021 an die vorberatende WBK-SR. Diese entschied anfänglich, weitere Auskünfte von der Verwaltung einzuholen. Im November 2021 trat sie dann mit 10 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung) auf den Entwurf ein. Die Mehrheit sei jedoch der Meinung gewesen, dass die Regelungsdichte in Anbetracht dessen, dass sich Anbietende von Streamingdiensten und Videospielen teilweise bereits selbstdefinierten Regeln zum Jugendschutz unterworfen hätten, zu hoch sei. Deshalb beauftragte die Kommission die Verwaltung damit, konzeptionelle Änderungsvorschläge auszuarbeiten, um das Gesetz zu entschlacken, wie aus einer Medienmitteilung der WBK-SR hervorging. Im April 2022 fanden die Vorberatungen ein Ende und der Gesetzesentwurf wurde mit diversen Änderungsanträgen an den Ständerat weitergereicht, welcher sich in der Sommersession 2022 zuerst mit Eintreten auf die Vorlage beschäftigte.
Grundsätzlich teile die WBK-SR das Ziel des Bundesrates, Kinder und Jugendliche ausreichend vor Inhalten in den Bereichen Film und Video, die nicht für sie geeignet sind, zu schützen, eröffnete Matthias Michel (fdp, ZG) als Kommissionssprecher die Eintretensdebatte im Ständerat. Insbesondere die Koregulierung, gemäss der die Akteurinnen und Akteure der verschiedenen Branchen sich zusammen mit Expertinnen und Experten des Jugendschutzes auf Regelungen verständigen sollen, sehe die WBK-SR als äusserst wichtig an, da damit auf den bereits existierenden Selbstregulierungsinitiativen einzelner Branchen aufgebaut werden könne. Da die Regelungsdichte genau hier am grössten sei und gemäss der Verwaltung eine Entschlackung dieses Teils die Lücken im Jugendschutz nicht mehr genügend decken würde, verzichte die Kommission auf die ursprünglich von ihr angeforderten konzeptionellen Änderungen, wie Michel erklärte. Da kein Antrag auf Nichteintreten gestellt worden war, folgte der Ständerat stillschweigend seiner Kommission und trat auf den Gesetzesentwurf ein.

Bei der Detailberatung schuf die kleine Kammer mehrere Differenzen zum Nationalrat, sowohl auf Anraten der Kommissionsmehrheit als auch auf Anträge von Kommissionsminderheiten.
So entschied der Ständerat etwa entsprechend einer Kommissionsmehrheit, die strengere Zielformulierung für Streamingdienste an jene für Plattformen wie Youtube anzugleichen und sie somit zu lockern (28 zu 13 Stimmen). Laut Kommissionssprecher Michel soll damit eine Gleichbehandlung dieser beiden Akteure erreicht werden. Eine erfolglose Minderheit, angeführt von Elisabeth Baume-Schneider (sp, JU), wollte an der bundesrätlichen Version festhalten, die gemäss ihrer Ansicht den Wünschen von vielen Eltern besser entsprochen hätte.
Einer unbestrittenen Kommissionsmehrheit folgend entschied der Ständerat ferner stillschweigend, die vom Nationalrat beschlossenen Massnahmen zur Bekämpfung des Suchtpotenzials durch Mikrotransaktionen aus der Gesetzesvorlage zu streichen. Für die Kommission hatte Michel argumentiert, dass dieser Aspekt in einem anderen Gesetz umfassender geregelt werden könne.
Als weitere Differenz strich der Ständerat auf Anraten seiner Kommissionsmehrheit den Absatz, dass für jene Medien, welche bei Inkrafttreten des neuen Gesetzes bereits auf dem Markt gewesen waren, Regeln für die Alterskennzeichnung gefunden werden müssten (26 zu 19 Stimmen). Die Branche habe bereits genügend Anreize, Alterskennzeichnungen von sich aus einzuführen, da die Medien sonst automatisch in die höchste Altersstufe fallen würden, so Michel. Dies mache die verlangte Regelung überflüssig. Eine Minderheit, erneut angeführt von Baume-Schneider, wollte hier der Fassung des Bundesrates und des Nationalrats folgen.
Seiner Kommissionsminderheit folgend beschloss der Ständerat sodann weiter mit 23 zu 19 Stimmen, die vom Bundesrat vorgeschlagene Klausel, dass das Mindestalter prinzipiell nicht mehr als zwei Jahren unterschritten werden dürfe – egal wie alt die Begleitperson ist –, zu streichen. Für Veranstaltende, die Filme oder Videospiele an öffentlichen Anlässen zugänglich machen, sei die Kontrolle des Mindestalters nicht umsetzbar und damit könne auch nicht vermieden werden, dass Medien online und potentiell ohne jegliche Kontrolle konsumiert würden, wie Hannes Germann (svp, SH) für die Kommissionsminderheit erfolgreich ausführte. Kulturminister Alain Berset argumentierte erfolglos dagegen: Auch wenn es Zuhause zu Missachtungen der gesetzlichen Altersgrenze kommen könne, ändere dies nichts an der Verantwortung der Wirtschaft, dafür zu sorgen, dass dies in der Öffentlichkeit nicht möglich sei.
Als weitere grössere Differenz zum Nationalrat strich der Ständerat einer weiteren Kommissionsminderheit folgend den von der grossen Kammer eingefügten Passus, wonach der Bund die Medienkompetenz und Prävention bei Kindern und Jugendlichen fördern solle (24 zu 18 Stimmen). Solche Regelungen hätten in einem «Marktregulierungsgesetz» wie dem vorliegenden laut Minderheitensprecher Jakob Stark (svp, TG) nichts verloren. Baume-Schneider hielt im Namen der Kommissionsmehrheit fruchtlos dagegen, dass es ein wichtiger Bestandteil dieses Gesetzes sei, den Jugendlichen beizubringen, wie sie verantwortungsvoll mit den Medien umgehen können.
Mit weiteren kleineren Anpassungen, hauptsächlich bezüglich der verwendeten Begriffe, wurde die Gesamtfassung sodann im Ständerat einstimmig mit 42 zu 0 Stimmen (bei 0 Enthaltungen) angenommen. Damit wurde der Gesetzesentwurf für die Differenzbereinigung zurück an den Nationalrat geschickt.

Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen (BRG 20.069)

Noch am Tag der Schlussabstimmungen über die Revision des Filmgesetzes (FiG), kündigten die Jungfreisinnigen, die Jungen Grünliberalen sowie die Junge SVP ein gemeinsames Referendum an. Am 20. Januar 2022 reichte das Bündnis insgesamt 69'797 Unterschriften ein, wovon die BK am 14. März 2022 51'872 als gültig bestätigte, womit das Referendum gegen die «Lex Netflix» Realität wurde.

Die Gegnerinnen und Gegner der Revision des Filmgesetzes (FiG), die Jungparteien, störten sich insbesondere an zwei Elementen des neuen Filmgesetzes: Der erste Kritikpunkt war, dass Streaming-Plattformen wie Disney+ oder Netflix neu 4 Prozent ihres in der Schweiz erzielten Bruttogewinns in den Schweizer Film investieren müssen. Diese Differenz war bereits in den eidgenössischen Räten heiss umstritten gewesen und konnte erst in der Differenzbereinigung ausgemerzt werden. Zwei Mitträger des Referendums, Nicolo Carle, Mitglied der Jungen Mitte, und Luis Deplazes aus der Jungen FDP kritisierten dies als Versuch, künstlich eine Industrie «hochzuzüchten». Sie verstünden nicht, «wieso man aus der Schweiz ums Verrecken eine grosse Filmnation machen wolle», liessen sie sich im Tages-Anzeiger zitieren. Nach Alec von Barnekow, dem Vizepräsidenten der Jungfreisinnigen, ist es nicht richtig, zur Finanzierung des Schweizer Films erfolgreiche Wirtschaftsakteure zu bestrafen, nur weil sie eine breite Kundschaft anziehen könnten.
Zweitens zeigte sich das Referendumskomitee nicht damit einverstanden, dass das Gesetz neu eine Mindestquote von 30 Prozent an europäischen Filmen vorsieht, welche die Plattformen in ihr Angebot aufnehmen müssten. Nach Matthias Müller, Präsident der Jungfreisinnigen und des Referendumskomitees, würde dies dazu führen, dass beliebte Filme und Serien aus den USA, Asien oder Afrika wegfallen würden, was der Filmvielfalt schaden würde, wie er gegenüber dem «Blick» bemerkte. Alec von Barnekow erachtete dies gar als Frontalangriff auf die liberalen Werte der Schweiz. Camille Lothe, Präsidentin der Jungen SVP Zürich, vertrat gegenüber dem Tages-Anzeiger die Meinung, dass der Staat mit dieser Gesetzesrevision versuchen würde, die Menschen in einem sehr privaten Bereich zu erziehen, was zu weit gehe. Wieder einmal würde der Staat damit in etwas Gutes «reinfingern». Generell, so lautete der Tenor der jungbürgerlichen Parteien, sei die Lex Netflix eine «politische Sünde». Dies werde sich direkt in den Abopreisen der Konsumentinnen und Konsumenten niederschlagen, welche dann für Filme zahlen würden, die sie gar nicht sehen möchten.

Die Befürwortenden argumentierten auf der einen Seite damit, dass die Revision neue Arbeitsplätze und Aufträge an die lokale Wirtschaft mit sich bringe. Durch die bessere Investition würden mehr Filmschaffende und Schauspielende in der Schweiz bleiben oder hierher kommen, die bis anhin ihr Glück auf Grund tieferer Kosten im Ausland gesucht hatten. Dies würde wiederum neue Arbeitsstellen schaffen – immerhin brauche eine Filmproduktion um die 200 Angestellte, wie Regisseurin Lisa Brühlmann gegenüber den Medien erklärte. Auch die Qualität des Schweizer Films würde gemäss Marianne Binder (mitte, AG) dadurch steigen, so hätte die Förderung in den Nachbarländern zu einem Aufblühen der Branchen geführt – sie nannte dazu etwa die spanische Serie «La Casa de Papel» (Haus des Geldes), welche dank Netflix zu einem weltweiten Erfolg geworden war. Mit der entsprechenden Förderung sei es durchaus auch möglich, dass der nächste Hit aus der Schweiz kommen könne, was letztendlich auch den Plattformen zugute kommen würde.
Auf der anderen Seite argumentierten etwa Elena Tatti und Daniel Wyss als Co-Präsidium der «Association romande de production audiovisuelle» (AROPA), dass seit der Pandemie die Gewinne der Branche, gerade von Netflix, in der Schweiz stark angestiegen seien, was die geplante Abgabe rechtfertige. Ausserdem sei eine Investitionspflicht von 4 Prozent durchaus legitim, international seien die entsprechenden Abgaben um einiges höher – in Frankreich etwa lägen sie bei 26 Prozent. Dass sich diese auf die Preise der Streaming-Anbietenden auswirken würden, wie das Referendumskomitee befürchtete, erachteten bereits Bundesrat und Parlament derweil als unwahrscheinlich, so sei dies in anderen Ländern mit sehr hohen Ansätzen auch nicht eingetroffen. Zudem hätten die Plattformen dies gleich selbst widerlegt: die meisten hätten gemäss Medien öffentlich bekannt gegeben, dass die Preisgestaltung unabhängig von solchen neuen Regeln entschieden werde.

Der Abstimmungskampf zur Revision des Filmgesetzes (FiG) blieb lange Zeit unterdurchschnittlich, sowohl bezüglich Medieninteresse, wie eine Studie des fög aufzeigte, als auch bezüglich Zeitungsinseraten, wie Année Politique Suisse verdeutlichte. Für Aufsehen sorgte hingegen Mitte April 2022 ein Zwischenfall in der SRF-Sendung «Arena», als Kulturminister Berset unerwartet mit einem Fehler im Abstimmungsbüchlein konfrontiert wurde. Demnach seien in einer Grafik, welche die Investitionspflicht in anderen europäischen Staaten aufzeigen sollte, auch Staaten ohne strikte Investitionspflicht aufgeführt gewesen. Nachdem das Referendumskomitee in vier Kantonen Abstimmungsbeschwerden eingereicht hatte, gab die Bundeskanzlei bekannt, dass ergänzende Erklärungen zur Grafik veröffentlicht werden würden. Da das Abstimmungsbüchlein zu diesem Zeitpunkt aber bereits an die Stimmbevölkerung verschickt worden war, konnten die Änderungen nur noch auf der Internetseite des Bundes vorgenommen werden. Da dem Komitee die Anpassungen zu wenig weit gingen, verzichtete es auf einen Rückzug der Beschwerden und reichte Ende April ergänzend Beschwerde beim Bundesgericht in Lausanne ein. Dieses erachtete jedoch eine umfassende Information der Stimmberechtigten durch die öffentlich zugänglichen Präzisierungen der BK als zulässig und lehnte die Beschwerde ab.

Am 15. Mai 2022 nahm das Schweizer Stimmvolk das neue Filmförderungsgesetz mit einem Ja-Stimmenanteil von 58.4 Prozent an – damit wurde das Schweizer Recht im Filmwesen an neue Entwicklungen in der EU angeglichen. Die Medien erachteten das Ergebnis als erstaunlich deutlich, zumal das Referendumskomitee im Verlauf des Abstimmungskampfes gemäss Vorumfragen einen beachtlichen Anstieg an Unterstützung erreicht und damit die Filmfreundinnen und -freunde unerwartet nervös gemacht hatte. So zeigte etwa die erste Vorumfrage des SRG/gfs vom 18. März 2022, dass 16 Prozent Nein (16 Prozent eher Nein) stimmen würden. Zum Zeitpunkt der letzten Tamedia/Leewas-Vorumfrage vom 4. Mai 2022 war dieser Anteil auf 40 Prozent (5 Prozent eher Nein) angestiegen.


Abstimmung vom 15. Mai 2022

Beteiligung: 40.03%
Ja: 1'255'038 Stimmen (58.4%)
Nein: 893'370 Stimmen (41.6%)

Parolen:
-Ja: Grüne, GLP (4)*, Mitte (3)*, SP, EVP, PdA, Junge Grüne, Juso, Junge Mitte (4)*; SGB, SSV, VPOD, cinésuisse, Suisseculture, Suisa, Europäische Bewegung Schweiz, Gewerbeverband AI, Ensemble à Gauche, ML-CSP FR, CSP OW, PCSI JU, Filmschaffende.
-Nein: FDP (3)*, SVP, EDU, SD, Piratenpartei, Junge FDP, Junge SVP, Junge GLP; NZZ, eco, SGV, Verband Schweizer Privatfernsehen, Schweizerisches Konsumentenforum (KF), Telesuisse, Economiesuisse, Swico, SuisseDigital.
*in Klammern Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Wie zu erwarten zeigten sich die Gegnerinnen und Gegner des Filmgesetzes wenig erfreut über das Ergebnis. Die NZZ etwa, welche sich gemäss fög während des Abstimmungskampfes klar gegen die Vorlage positioniert hatte, sprach von einem «Film-Heimatschutz der Linken». Ob damit der Konsum von Schweizer Filmen tatsächlich steigen werde oder ob es nur einfach erzwungenermassen mehr Angebot geben werde, müsse sich noch weisen. Auch Schweizer Privatsender, welche sich bereits im Abstimmungskampf kritisch gegenüber dem neuen Gesetz geäussert hatten, zeigten sich enttäuscht. Der Präsident der Jungfreisinnigen, Matthias Müller, welcher das Referendumsteam angeführt hatte, erachtete das Ergebnis immerhin als «Achtungserfolg». Immerhin sei dank dem Referendum über die Thematik diskutiert worden. Die Medien rühmten den Abstimmungskampf der bürgerlichen Jungparteien derweil als «geschickt» und «laut» und beleuchteten die jüngsten Erfolge der Jungfreisinnigen, etwa ihren Einsatz gegen das Geldspielgesetz oder für die Renteninitiative.

Die Befürwortenden der Revision präsentierte sich gegenüber den Medien zufrieden und hoffnungsvoll. Der Direktor von Pro Helvetia, Philippe Bischof, twitterte etwa, dass dieses Abstimmungsergebnis «ein gutes Zeichen für den Umgang mit Streaming-Plattformen und gerechter Mittelverteilung zwischen Vertrieb und Kreation» sei. Die SP deutete das Ergebnis als «Zeichen gegen die Selbstbedienungsmentalität der grossen Konzerne» und als wichtiges Signal für die sprachliche und kulturelle Vielfalt der Schweiz. Die Mitte freute sich darüber, dass die erwünschten «gleich langen Spiesse» zwischen den Streaming-Anbietenden und den Schweizer Fernsehsendern nun zum Zuge kommen würden.

Die Medien nutzten das Abstimmungsergebnis auch für einen Ausblick. Nun erhoffe sich auch die Musikbranche eine Verbesserung ihrer Lage, etwa in Form einer möglichen «Lex Spotify». Demnach machten Musikplattformen in der Schweiz Millionenumsätze – ohne überhaupt ein Büro in der Schweiz zu besitzen. Dies sei in den letzten Jahren bereits in drei Vorstössen (Mo. 19.3807; Po. 20.3685; Po. 21.3635) erfolglos thematisiert worden – die Annahme des Filmgesetzes gebe nun aber Auftrieb.

Im Juni 2022 erschien schliesslich die VOX-Analyse zur Abstimmung und gab Hinweise auf das Stimmverhalten der Bürgerinnen und Bürger. Abgelehnt wurde die Revision des Filmgesetzes vor allem von Personen am rechten Pol des politischen Spektrums sowie von Personen, welche mit der SVP sympathisieren. Als Hauptargument nannten die Gegnerinnen und Gegner die unerwünschte «Einmischung des Staates in die Wirtschaft» und die bereits ausreichenden Subventionen der Kulturbranche. Die Befürwortenden der Revision erachteten die Revision als Stärkung der Schweizer Filmbranche. Die grösste Zustimmung erhielt das Argument, dass damit Arbeitsplätze und Aufträge an Schweizer Produzierende geschaffen würden und das mit einem vielfältigeren Angebot einhergehe. Das Streamingdienste in Zukunft einen Teil ihres Gewinns aus der Schweiz wieder in die Schweizer Filmbranche investieren müssen, wurde zudem als gerecht wahrgenommen. Insgesamt erachteten die Befragten die persönliche Bedeutung dieser Revision im Vergleich zu den anderen beiden Vorlagen des Abstimmungssonntags (Transplantationsgesetz, Frontex) aber als gering.

Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix; BRG 20.030)

In seiner Stellungnahme von Mitte April 2022 begrüsste der Bundesrat den Vorschlag der RK-SR zur Revision des Sexualstrafrechts. Es werde damit an die gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst. Insbesondere die Tatsache, dass eine Vergewaltigung gemäss heutigem Wortlaut immer eine Nötigung voraussetze, stosse in der Gesellschaft auf breites Unverständnis, so die Regierung. In einem Punkt unterstützte der Bundesrat jedoch die Kommissionsminderheit: Es solle vorerst auf einen Straftatbestand zur Rachepornografie verzichtet werden, da dieser Vorschlag «erhebliche Unklarheiten» aufweise, wie er in der Medienmitteilung erklärte. Der Bundesrat anerkannte die Problematik, wollte den diesbezüglichen Handlungsbedarf jedoch zuerst vertieft im Zuge laufender Arbeiten zum Cybermobbing prüfen und in einem entsprechenden Postulatsbericht diskutieren.
Die Grüne Partei und die SP-Frauen zeigten sich enttäuscht über diese Haltung beziehungsweise über den «Bundesrat ohne Haltung», wie Letztere von der «Republik» zitiert wurden. Sie kritisierten, dass sich der Bundesrat mit der im Entwurf enthaltenen Widerspruchslösung («Nein heisst Nein») einverstanden zeigte und sich somit gegen die «Nur-Ja-heisst-Ja»-Lösung aussprach, welche in der gesellschaftlichen Debatte breit gefordert werde.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Die Versammlung der Vertragsstaaten verabschiedete im Dezember 2019 eine Änderung des Römer Statuts, die es dem Internationalen Strafgerichtshof ermöglicht, das Aushungern von Zivilpersonen auch in nicht-internationalen bewaffneten Konflikten als Kriegsverbrechen zu ahnden. Bisher beschränkte sich die Zuständigkeit des IStGH für dieses Kriegsverbrechen auf internationale bewaffnete Konflikte. Im Mai 2021 legte der Bundesrat diese Änderung dem Parlament zur Genehmigung vor. In der Schweiz gelte das Aushungern von Zivilpersonen unabhängig von der Art des Konfliktes als Kriegsverbrechen, weshalb keine Gesetzesanpassungen nötig seien, erklärte er in der Botschaft. Beide Räte stimmten dem Bundesbeschluss unverändert zu und verabschiedeten ihn in den Schlussabstimmungen in der Frühjahrssession 2022 einstimmig. Damit ist der Bundesrat, unter Referendumsvorbehalt, dazu ermächtigt, die Änderung des Römer Statuts zu ratifizieren.

Änderung des Römer Statuts betreffend Aushungern von Zivilpersonen (BRG 21.037)

In der Frühjahrssession 2022 begann der Nationalrat mit der Differenzbereinigung bei der Revision der Strafprozessordnung. Auf die Linie des Ständerats schwenkte er bei den Voraussetzungen für die Untersuchungs- und Sicherheitshaft ein, wo mehrere Minderheiten Addor (svp, VS) für weniger strenge Voraussetzungen als vom Ständerat beschlossen mangels Unterstützung von ausserhalb der SVP-Fraktion chancenlos blieben. Zudem folgte der Nationalrat mit 104 zu 86 Stimmen einer Minderheit Marti (sp, ZH) und hiess den Vorschlag von Ständerat und Bundesrat gut, dass bei einem Strafbefehl, der eine zu verbüssende Freiheitsstrafe nach sich zieht, zwingend eine Einvernahme erfolgen muss. In dieser Frage setzte sich die links-grüne Ratsseite mit grossmehrheitlicher Unterstützung aus der Mitte-Fraktion durch. Ebenfalls seiner Schwesterkammer folgend verzichtete der Nationalrat nunmehr auf das Konzept der restaurativen Gerechtigkeit, das er als Erstrat in den Entwurf eingefügt hatte und das vom Ständerat abgelehnt worden war. Kommissionssprecher Beat Flach (glp, AG) erklärte, nach der Lancierung der Motion 21.4336 habe die Kommission davon abgesehen, «die Justice restaurative bereits in dieser Phase in die Strafprozessordnung aufzunehmen». Eine Minderheit Walder (gp, GE) wollte dagegen an den Bestimmungen festhalten. Die grosse Kammer folgte ihrer Kommissionsmehrheit mit 110 zu 79 Stimmen, wobei sich das links-grüne Lager ebenso geschlossen für Festhalten wie das bürgerliche Lager für Streichen aussprach.
In den anderen grossen Diskussionspunkten hielt die Volkskammer indessen an ihren vorherigen Beschlüssen fest. Die vom Bundesrat beabsichtigte Einschränkung der Teilnahmerechte von beschuldigten Personen fiel im Nationalrat abermals durch. Bundesrätin Karin Keller-Sutter hatte vergeblich darauf hingewiesen, dass «gerade diese Frage auch Auslöser für die Teilrevision der Strafprozessordnung» gewesen sei, weil sich in der juristischen Praxis gewisse «Nebenwirkungen» der geltenden Regelung – etwa dass mehrere Beschuldigte ihre Aussagen einander anpassen können – gezeigt hätten. «Nichtstun» sei hier «keine Option», so ihr Appell. Kommissionssprecher Flach ergänzte, der Ständerat habe mit seiner Neuformulierung «einen Schritt auf die nationalrätliche Version» zu gemacht. Dennoch habe die Kommission «mit einer sehr deutlichen Mehrheit» befunden, dass eine Einschränkung der Teilnahmerechte das derzeit «ausgewogen[e] System» aus dem Lot bringe, das sicherstelle, dass «zwischen Staatsanwaltschaft, Beschuldigten, ihren Verteidigern und letztlich dem Gericht, das urteilen soll, mit gleich langen Spiessen gekämpft wird». Die Minderheit Geissbühler (svp, BE), die dem Ständerat folgen wollte, konnte nur einen Grossteil der SVP- und FDP-Fraktionen sowie einzelne Mitte-Stimmen überzeugen und unterlag mit 70 zu 116 Stimmen bei 2 Enthaltungen dem Antrag der Kommissionsmehrheit, die Teilnahmerechte unverändert zu lassen.
Auch bei der im Ständerat gutgeheissenen Beschwerdemöglichkeit für die Staatsanwaltschaft gegen Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts hielt der Nationalrat an seinem Entscheid fest, diese zu streichen. Mit 100 zu 86 Stimmen bei einer Enthaltung setzte sich das links-grüne Lager mit mehrheitlicher Unterstützung aus der Mitte-Fraktion durch und gab dem Antrag der Kommissionsmehrheit statt. Eine Minderheit Lüscher (fdp, GE) hatte sich dem Ständerat anschliessen und die Beschwerdemöglichkeit wie vom Bundesrat vorgesehen in die StPO aufnehmen wollen. Kommissionsberichterstatter Flach begründete die Position der Kommissionsmehrheit auch hier mit «massiv ungleich lange[n] Spiesse[n]», die eine solche Beschwerdemöglichkeit zugunsten der Staatsanwaltschaft bedeuten würde. Justizministerin Keller-Sutter hatte dem Rat empfohlen, der Minderheit zu folgen, sich aber schwergetan mit dieser Empfehlung, da mit der Beschwerdemöglichkeit einerseits die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichts niedergeschrieben würde, andererseits aber «gewisse Zweifel» bestünden, ob so ein Beschwerdeverfahren EMRK-konform wäre.
Bezüglich der DNA-Profile wiederholte die grosse Kammer mit knappen Mehrheiten ihre beiden Entscheide, die sie schon als Erstrat gefällt hatte: Von beschuldigten Personen soll ein DNA-Profil erstellt werden dürfen, wenn «eine gewisse Wahrscheinlichkeit» besteht, dass die beschuldigte Person weitere Verbrechen oder Vergehen begangen haben könnte. Bundesrat, Ständerat und eine Minderheit Marti wollten dafür «konkrete Anhaltspunkte» verlangen. Der Antrag der Kommissionsmehrheit für die weniger hohe Hürde wurde vom rechtsbürgerlichen Block aus SVP-, FDP- und dem Grossteil der Mitte-Fraktion unterstützt und mit 99 zu 83 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen. Bei bereits verurteilten Personen hatte der Bundesrat im Entwurf die Möglichkeit zur Erstellung eines DNA-Profils vorgesehen, «wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte anzunehmen ist, die verurteilte Person könnte weitere Verbrechen oder Vergehen begehen». Eine Minderheit Geissbühler beantragte, dem Ständerat zu folgen und diesen Artikel so in die StPO aufzunehmen, während die Kommissionsmehrheit für Streichen plädierte. Äusserst knapp mit 89 zu 88 Stimmen bei 11 Enthaltungen setzte sich der Streichungsantrag durch. Das Zünglein an der Waage spielte die FDP-Fraktion, die sich zu rund je einem Drittel enthalten, dafür und dagegen ausgesprochen hatte.
Die Volkskammer zeigte sich auch bei weiteren, kleineren Differenzen nicht in Kompromisslaune und erhielt viele davon aufrecht. So blieb sie dabei, dass Opfern, die nicht am Strafverfahren teilnehmen, der Entscheid automatisch zugestellt werden soll, ausser sie verzichten ausdrücklich darauf. Ebenfalls behielt der Nationalrat die von ihm eingeführten und vom Ständerat gestrichenen, verschiedenen Behandlungsfristen im Gesetz. Er hielt auch daran fest, dass die Strafbehörde ihre Forderungen aus Verfahrenskosten nicht nur mit Entschädigungen, sondern auch mit Genugtuungen, die an die zahlungspflichtige Partei zu entrichten sind, direkt verrechnen darf.

Änderung der Strafprozessordnung (BRG 19.048)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Im Februar 2022 präsentierte die RK-SR ihren Entwurf zur Revision des Sexualstrafrechts. Sie verzichtete darin auf den in der Vernehmlassung heftig kritisierten neuen Tatbestand des sexuellen Übergriffs und schlug stattdessen die Integration desselben in die bestehenden Artikel 189 (sexuelle Nötigung) und 190 StGB (Vergewaltigung) vor. Künftig sollen von den Artikeln 189 und 190 alle sexuellen Handlungen erfasst werden, die vorsätzlich oder eventualvorsätzlich gegen den Willen des Opfers vorgenommen werden. Eine Form der Nötigung – wie sie bis anhin vorausgesetzt wurde – wird nicht mehr verlangt. Ist eine Nötigung im Spiel, soll es sich fortan um eine qualifizierte Form der Tatbegehung handeln, für die eine höhere Mindeststrafe vorgesehen ist als für den Grundtatbestand. Neu soll der Tatbestand der Vergewaltigung überdies geschlechtsneutral formuliert werden, sodass nicht mehr nur Frauen betroffen sein können.
Fest hielt die Kommission indessen an der ebenfalls heftig umstrittenen Widerspruchslösung («Nein heisst Nein»), die vorsieht, dass sich die Täterin oder der Täter über den entgegenstehenden Willen des Opfers hinwegsetzen muss. Eine Minderheit (9 zu 4 Stimmen) sprach sich demgegenüber für die Zustimmungslösung («Nur Ja heisst Ja») aus, bei der nicht der entgegenstehende Wille, sondern die fehlende Einwilligung des Opfers massgebend wäre. Gegenüber dem «Corriere del Ticino» bedauerte Amnesty International diesen Entscheid der RK-SR: Die Kommissionsmehrheit habe eine wichtige Gelegenheit verpasst, um die sexuelle Selbstbestimmung umfassend zu schützen. Mit der Widerspruchslösung werde weiterhin eine Mitverantwortung auf das Opfer geschoben, indem erwartet werde, dass es einen Widerspruch äussere, kritisierte die Menschenrechtsorganisation weiter. Die NZZ kommentierte unterdessen, die Zustimmungslösung wäre rechtlich zwar nicht mit einer Beweislastumkehr verbunden, würde gesellschaftlich aber wohl eine ähnliche Wirkung entfalten: Durch übersteigerte Erwartungen erhöhte sie den öffentlichen Druck auf die Gerichte, Sexualstraftäterinnen und -täter hinter Gitter zu bringen, sodass «über kurz oder lang auch das ‹Im-Zweifel-für-den-Angeklagten›-Prinzip unter Druck» geriete.
Des Weiteren sprach sich die Kommission dafür aus, für bestimmte Tathandlungen mit Kindern unter 12 Jahren neu eine einjährige Mindeststrafe vorzusehen. Ein zusätzlicher, neuer Tatbestand soll sexuelle Übergriffe im Gesundheitsbereich erfassen, bei denen das Opfer unter Vorgabe einer medizinischen Indikation über den sexuellen Charakter einer Handlung getäuscht wird. Der Pornografietatbestand soll dahingehend angepasst werden, dass sexuelle Handlungen mit Gewalttätigkeiten unter Erwachsenen künftig nicht mehr erfasst werden. Ebenso wenig sollen sich fortan minderjährige Jugendliche strafbar machen, wenn sie einvernehmlich von sich selbst pornografische Bilder oder Videos herstellen, besitzen oder konsumieren. Zudem umfasst der Entwurf einen neuen Tatbestand für sogenannte Rachepornografie, der das unbefugte Weiterleiten von nicht öffentlichen sexuellen Inhalten unter Strafe stellt. Indes verzichtete die Kommission nun auf den im Vorentwurf noch enthaltenen Tatbestand des «Groomings», also des gezielten Anbahnens sexueller Kontakte mit Minderjährigen bzw. der Planung eines sexuellen Missbrauchs. Da der versuchte sexuelle Missbrauch bereits heute strafbar sei, würde dieser Tatbestand auch den «Versuch des Versuchs» unter Strafe stellen, was nach Ansicht der Kommission zu weit ginge.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Weil sich in der Wintersession 2021 beide Räte wenig kompromissbereit zeigten, mündete die Differenzbereinigung bei der Harmonisierung der Strafrahmen in eine Einigungskonferenz. Einzig die Differenzen zu den Bancomatensprengungen und zur Verjährung im Verwaltungsstrafrecht konnten vorher ausgeräumt werden. Bei Ersterem beugte sich der Ständerat dem Willen seiner Schwesterkammer und stimmte der Aufnahme einer speziell auf Bancomatensprengungen zugeschnittenen Qualifikation in Art. 139 StGB zu. Bei Letzterem einigte man sich darauf, die aufgeworfenen Fragen nicht an dieser Stelle, sondern im Rahmen der vom Bundesrat angekündigten Revision des Verwaltungsstrafrechts zu klären. Bis zum Schluss umstritten blieben dagegen die Parallelität von Geld- und Freiheitsstrafen sowie die Strafdrohung für Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte.
Der Ständerat stellte sich auf den Standpunkt, es sei in der juristischen Praxis unbestritten, dass eine Mindestgeldstrafe von beispielsweise 30 Tagessätzen auch immer eine Mindestfreiheitsstrafe von 30 Tagen bedeute, weshalb er diese Parallelität mehrheitlich ausdrücklich im Gesetz festhalten wollte. Die Mehrheit im Nationalrat sah in dieser Änderung jedoch einen Eingriff in den richterlichen Ermessensspielraum und lehnte sie deshalb ab. Die Argumentation des Nationalrates bekräftigte die ständerätliche Mehrheit indessen in ihrer Meinung, dass es wichtig sei, die Parallelität im StGB niederzuschreiben. Ständerat Andrea Caroni (fdp, AR) befürchtete, wenn man darauf verzichte, könnte dieser Entscheid künftig dahingehend ausgelegt werden, dass das Parlament die Parallelität an sich verneint habe, was ja aber nicht der Fall sei – zumindest nach Ansicht des Ständerates und des Bundesrates. Die Einigungskonferenz beantragte schliesslich mit 13 zu 11 Stimmen, dem Beschluss des Ständerates zu folgen und die Parallelität von Mindestgeld- und -freiheitsstrafen explizit im StGB zu verankern.
Bei Gewalt und Drohungen gegen Behörden und Beamte sprach sich der Ständerat mehrheitlich für eine Strafverschärfung gegenüber dem geltenden Recht aus, indem er die Freiheitsstrafe zur Regel machen und Geldstrafen nur noch in Bagatellfällen zulassen wollte. Eine Verschärfung bei diesem Tatbestand sei nicht zuletzt von verschiedenen Kantonen gefordert worden, argumentierte Daniel Jositsch (sp, ZH) als Sprecher der RK-SR. Die Nationalratsmehrheit wollte hingegen am geltenden Recht festhalten und die Freiheitsstrafe alternativ zur Geldstrafe vorsehen, weil sie auch hier nicht in den richterlichen Ermessensspielraum eingreifen wollte. Ein Einzelantrag Bregy (mitte, VS), der einen Konzeptionsfehler in der ständerätlichen Variante korrigierte – in der ursprünglichen Formulierung des Ständerates hätte in leichten Fällen immer eine Geldstrafe ausgesprochen werden müssen, während in der korrigierten Version in leichten Fällen eine Geldstrafe ausgesprochen werden kann –, scheiterte in der grossen Kammer am Stichentscheid von Ratspräsidentin Irène Kälin (gp, AG). Wenig überraschend war es dann auch diese korrigierte Lösung, die sich in der Einigungskonferenz durchsetzen konnte.
Der Antrag der Einigungskonferenz wurde im Ständerat mit 35 zu 1 Stimme bei 4 Enthaltungen gutgeheissen, im Nationalrat mit 122 zu 65 Stimmen. Dagegen stellten sich die Fraktionen der SP und der Grünen. In den Schlussabstimmungen stimmte der Ständerat dem Entwurf zur Harmonisierung der Strafrahmen sowie jenem zur Anpassung des Nebenstrafrechts an das geänderte Sanktionenrecht einstimmig (bei 4 bzw. 5 Enthaltungen aus der SVP-Fraktion) zu. Der Nationalrat nahm die Strafrahmenharmonisierung mit 96 zu 67 Stimmen bei 30 Enthaltungen an, wobei sich die Ratslinke gegen die ihrer Ansicht nach zu weitgehenden Verschärfungen aussprach und sich die SVP-Fraktion mehrheitlich der Stimme enthielt, weil sie die Vorlage als «verwässert» (Andrea Geissbühler/svp, ZH), d.h. zu wenig scharf, ansah. Der zweite Entwurf zur Anpassung des Nebenstrafrechts passierte die Schlussabstimmung in der grossen Kammer mit 123 zu 67 Stimmen bei 3 Enthaltungen.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)

Die Revision der Strafprozessordnung zur Verbesserung ihrer Praxistauglichkeit wurde in der Wintersession 2021 vom Ständerat als Zweitrat behandelt. Generell brachte die Kantonskammer die Vorlage nach der «gewissen Kreativität», die der Nationalrat laut Bundesrätin Karin Keller-Sutter an den Tag gelegt hatte, wieder zurück auf die Linie des Bundesrates. So strich der Ständerat die von der Schwesterkammer neu eingefügten, erweiterten Bundeskompetenzen zur Prävention von Pädokriminalität stillschweigend wieder aus dem Entwurf. «Nicht alles, was wichtig ist, muss auf die Bundesebene gehievt werden», begründete Kommissionssprecher Daniel Jositsch (sp, ZH) den Entscheid, die Zuständigkeit bei den Kantonen zu belassen.
Ausführlich diskutierte die Ständekammer den Vorschlag ihrer Kommissionsmehrheit, die Anwaltstarife von Pflichtverteidigerinnen und Pflichtverteidigern jenen von Wahlverteidigerinnen und Wahlverteidigern anzugleichen. Dasselbe Anliegen war im Nationalrat bereits hochkant gescheitert, von der RK-SR aber dennoch wieder aufgenommen worden. Aus dem Erstrat hallte auch der Verdacht, die Rechtsanwältinnen und -anwälte wollten sich damit einfach einen besseren Verdienst sichern, noch nach. Für eine solche Angleichung – und damit in vielen Kantonen gegenüber heute massiv höhere Entschädigungen für die amtliche Verteidigung – spreche die Gefahr einer Zweiklassenjustiz: Wenn amtliche Verteidigerinnen und Verteidiger aufgrund der tiefen Entschädigung nur einen Minimalaufwand für das Mandat leisteten, gerate das zum Nachteil der Beschuldigten, die sich keinen privaten Rechtsanwalt leisten könnten, argumentierte Kommissionssprecher Daniel Jositsch. Demgegenüber wurden von Justizministerin Karin Keller-Sutter sowie von ablehnenden Stimmen aus dem Rat die erheblichen Mehrkosten für die Kantone – zu denen sich die Kantone notabene gar nicht hätten äussern können, weil die Neuerung nicht Teil der Vernehmlassung gewesen war – ins Feld geführt. Die amtliche Verteidigung werde heute vom Gemeinwesen entschädigt und sofern die vertretene Person diesen staatlichen Vorschuss nicht zurückzahlen kann, letztlich aus Steuergeldern bezahlt, erklärte etwa Werner Salzmann (svp, BE). Mit 24 zu 16 Stimmen folgte der Ständerat zwei gleichlautenden Einzelanträgen Juillard (cvp, JU) und Salzmann und liess es beim geltenden Recht bewenden.
Kernpunkt der Debatte war auch in der kleinen Kammer die vom Bundesrat vorgesehene und vom Nationalrat abgelehnte Einschränkung der Teilnahmerechte. Den bundesrätlichen Vorschlag bezeichnete auch der ständerätliche Kommissionssprecher Jositsch als «Fehlkonstruktion». Wenn die beschuldigte Person so lange von einer Einvernahme ausgeschlossen werden könne, als sie sich selber nicht materiell geäussert habe, würde damit ein indirekter Zwang auf sie ausgeübt, sich zu äussern, was im Widerspruch zum Aussageverweigerungsrecht stehe. Nichtsdestotrotz bestehe hier ein Problem, weil mehrere Beschuldigte ihre Aussagen leicht einander anpassen könnten, wenn sie immer gleich von Anfang an wüssten, was die Mitbeschuldigten aussagten. Die Kommission habe deshalb von einer Arbeitsgruppe, in der die Anwaltschaft, die Staatsanwaltschaft, die Wissenschaft und das Bundesamt für Justiz vertreten waren, ein neues Konzept ausarbeiten lassen. Dieses sah vor, dass eine beschuldigte Person nur von der ersten Einvernahme einer mitbeschuldigten Person ausgeschlossen werden kann, und das nur solange sie selber noch nicht einvernommen worden ist. Im Sinne eines Kompromisses nahm die Ständekammer diesen Vorschlag mit 27 zu 16 Stimmen an.
Zurück zur Formulierung des Bundesrates kehrte die Kantonskammer bei den Voraussetzungen für Untersuchungs- und Sicherheitshaft bei Wiederholungsgefahr, sodass eine «ernsthafte und unmittelbare Gefahr» statt nur eine «ernsthafte Gefahr» der Wiederholung verlangt wird. Ebenfalls nahm der Ständerat das Beschwerderecht für die Staatsanwaltschaft gegen Entscheide des Zwangsmassnahmengerichts wieder in die Vorlage auf, das vom Nationalrat gestrichen worden war. Damit werde die heutige bundesgerichtliche Praxis im Gesetz festgeschrieben, betonte Kommissionssprecher Jositsch und erklärte, es sei gar nicht klar, was die Streichung für rechtliche Folgen habe, weil das Bundesgericht solche Beschwerden bereits heute zulasse, ohne dass es einen entsprechenden Gesetzesartikel gebe.
Auch bei den DNA-Profilen schwenkte die kleine Kammer auf die Linie des Bundesrates zurück. Damit dürften DNA-Profile, wenn sie zur Aufklärung der Anlasstat für das gegenwärtige Verfahren nicht notwendig sind, nur erstellt werden, wenn «konkrete Anhaltspunkte» bestehen, dass die beschuldigte Person noch andere Verbrechen oder Vergehen verübt haben könnte. Dem Nationalrat hatte hier das Vorliegen einer «gewissen Wahrscheinlichkeit» genügt. Die Ständekammer entschied sich mit 31 zu 13 Stimmen für die bundesrätliche Version. Darüber hinaus hatte der Bundesrat die Erstellung eines DNA-Profils auch ermöglichen wollen, wenn «erhebliche und konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass die Person künftig Delikte von einer gewissen Schwere begehen könnte», wie die Justizministerin erläuterte. Diese Möglichkeit für DNA-Profile aufgrund der Annahme künftiger Delikte hatte der Nationalrat gänzlich abgelehnt; der Ständerat führte sie mit 22 zu 21 Stimmen bei einer Enthaltung wieder ein.
Ebenso wenig begeistern konnte sich die Ständekammer für das vom Erstrat neu in die StPO eingefügte Konzept der restaurativen Gerechtigkeit («justice restaurative»). Die Art Mediationsverfahren stelle aus Sicht der Kommission zwar «eine interessante Ergänzung des Strafverfahrens» dar, der Entwurf des Nationalrats sei aber unausgegoren, so Daniel Jositsch. Überdies müsste dieses Verfahren von den Kantonen umgesetzt werden, weshalb diese zuerst konsultiert werden müssten. Die Kommission erachtete es daher als angebracht, die Bestimmung aus dem Entwurf zu streichen und in einer separaten Vorlage zu behandeln; zu diesem Zweck habe sie bereits eine Kommissionsmotion (Mo. 21.4336) eingereicht. Der Ständerat folgte seiner Kommission in dieser Frage stillschweigend und strich die betreffenden Bestimmungen wieder aus der Vorlage.
Für das Strafbefehlsverfahren hatte der Bundesrat vorgesehen, dass die beschuldigte Person von der Staatsanwaltschaft zwingend einvernommen werden muss, wenn ihr eine unbedingte Freiheitsstrafe droht. Der Nationalrat hatte auf diese Einvernahmepflicht verzichten wollen, der Ständerat rückte aber auch hier auf die bundesrätliche Linie zurück und lehnte zwei Einzelanträge für andere Regelungen deutlich ab. In der Gesamtabstimmung nahm die Kantonskammer den Entwurf mit 29 zu 9 Stimmen bei 3 Enthaltungen an und schrieb die Motionen 09.3443, 11.3223, 11.3911, 12.4077 und 14.3383 stillschweigend ab. Im Gegensatz zum Nationalrat, der «ein grosses Ohr für die Rechtsanwälte» habe, habe der Ständerat die Interessen der Strafverfolgungsbehörden wieder stärker in den Entwurf eingebracht, kommentierte die NZZ.

Änderung der Strafprozessordnung (BRG 19.048)
Dossier: Revision der Strafprozessordnung (Umsetzung der Mo. 14.3383)

Zu Beginn der Wintersession 2021 machte sich der Ständerat an die Beratung der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes. Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG) verwies auf die in doppeltem Sinne spezielle Ausgangslage: Einerseits habe man ursprünglich erwartet, dass die Pandemie bis Ende 2021 vorüber sei – entsprechend habe man das Covid-19-Gesetz ursprünglich bis Ende 2021 begrenzt. Nun stiegen jedoch die Infektionszahlen «in einem Ausmass, das wir uns noch vor Kurzem so nicht hätten vorstellen können». Zudem hatten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nur Tage zuvor nach dem Gesetz selbst auch dessen zweite Revision an der Urne mit über 60 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen. «Das Abstimmungsresultat kann so auch als eindrückliche Bestätigung der Politik und der Beschlüsse des Bundesrates [...] gelesen werden, aber auch – und das möchte ich hier unterstreichen – als eine Bestätigung der Politik und der Beschlüsse des Parlamentes», freute sich Rechsteiner. Da die Krise aber noch nicht zu Ende sei, müssten auch die «nötigen Massnahmen zur Krisenbewältigung» aufrechterhalten werden. Aus diesem Grund stimme die SGK-SR den Verlängerungsanträgen des Bundesrates zu und sei in einigen Punkten darüber hinausgegangen. Auch Gesundheitsminister Berset verwies auf den neuen Höchststand an täglichen Fallzahlen und betonte insbesondere die ungewisse Situation: Zwar habe man im Vergleich zum letzten ähnlich starken Anstieg eine Impfung und eine gewisse Immunität gegenüber dem Virus entwickelt, gleichzeitig sei diese Mutation jedoch viel ansteckender als frühere. Dennoch möchte der Bundesrat auf die zusätzlichen, durch die Kommission eingebrachten Verlängerungen verzichten, da es in den jeweiligen Bereichen auch ordentliche Instrumente gebe, die genutzt werden könnten. Eintreten wurde in der Folge ohne Gegenantrag beschlossen.
Den zentralen Aspekt dieser Gesetzesänderung stellte die Verlängerung der Geltungsdauer einzelner Artikel dar. Der Bundesrat plante, die verschiedenen Regelungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten auslaufen zu lassen. Als erstes sollte Ende April 2022 die Übernahme der nicht gedeckten Kosten für Publikumsanlässe, der sogenannte Schutzschirm für Publikumsanlässe, fallen – wie es bereits in der geltenden Version des Covid-19-Gesetzes vorgesehen war. Bisher sei noch kein entsprechender Antrag auf Entschädigung eingegangen, betonte Gesundheitsminister Berset. Da die Massnahme also nicht zwingend nötig erscheine, solle man sie im Sinne einer Übergangslogik nach dem Winter auslaufen lassen. Dagegen wehrte sich jedoch die SGK-SR, welche den Schutzschirm bis Ende 2022 aufrechterhalten wollte. Er sei auch im Jahr 2022 nötig, betonte Kommissionssprecher Rechsteiner – wenn die Gelder nicht beansprucht würden, sei dies umso besser. Mit 37 zu 5 Stimmen (bei 1 Enthaltung) setzte sich die Kommissionsmehrheit gegen den Bundesrat durch.
Bei der Unterstützung der Sportvereine hingegen folgte der Ständerat stillschweigend dem Vorschlag des Bundesrates: Ende Juni 2022, nach der aktuellen Sportsaison, sollen die A-Fonds-perdu-Beiträge und Darlehen für die Sportklubs auslaufen.
Für die meisten Massnahmen beabsichtigte der Bundesrat eine Laufzeit bis Ende 2022, so etwa für die Kriterien und Richtwerte des Covid-19-Gesetzes, für die meisten Bestimmungen zu Massnahmen im Gesundheitsbereich, für alle Massnahmen zum Arbeitnehmendenschutz, im Asyl- und Ausländerbereich, zu Grenzschliessungen, zum Einsatz technischer Hilfsmittel bei Verhandlungen und Einvernahmen sowie bei den übrigen Massnahmen im Kulturbereich (mit Ausnahme des Schutzschirms). Im Unterschied zum Bundesrat beantragte die Mehrheit der SGK-SR überdies verschiedene Massnahmen der ALV, insbesondere diejenigen zur Kurzarbeitsentschädigung, aber etwa auch die längere Rahmenfrist für den Leistungsbezug oder eine Regelung zur Entlastung der Durchführungsstellen, bis Ende 2022 zu verlängern. Der Bundesrat wehrte sich erfolglos dagegen, während eine Minderheit Hegglin (mitte, ZG) zukünftig zumindest auf das vereinfachte Abrechnungsverfahren in der Arbeitslosenversicherung verzichten wollte. Sein Antrag blieb jedoch ebenfalls erfolglos.
Vergessen gegangen in der Liste der Verlängerungen seien die Massnahmen im Bereich der politischen Rechte, kritisierte Thomas Minder (parteilos, SH) und schlug in einem Einzelantrag auch deren Verlängerung bis Ende 2022 vor. Die Sammlung von Unterschriften sei Corona-bedingt noch immer erschwert, weshalb die administrative Erleichterung für die Referendums- und Initiativkomitees beibehalten werden solle. Mit 40 zu 4 Stimmen hiess der Ständerat die entsprechende Verlängerung gut.
Jakob Stark (svp, TG) beantragte schliesslich in einem Einzelantrag, die generelle Geltungsdauer des Covid-19-Gesetzes, welche Bundesrat und Kommission bis Ende 2022 verlängern wollten, auf Ende Juni 2022 zu beschränken. Er wollte damit dem Bundesrat sowie der Bevölkerung das Signal geben, dass man im Laufe des Jahres wieder zu der ordentlichen Gesetzgebung zurückkehren wolle. Entsprechende Anträge seien auch in der WBK und der SGK-NR diskutiert worden. Nachdem Hans Stöckli (sp, BE) korrigiert hatte, dass es sich auch beim Covid-19-Gesetz um ordentliche Gesetzgebung handle – wenn auch um dringliche –, lehnte der Ständerat den Antrag Stark mit 28 zu 10 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) ab.

Neben den Fristverlängerungen sah der Bundesrat nur wenige weitere Änderungen des Covid-19-Gesetzes vor. Eine davon betraf die Erwerbsausfallentschädigungen. Diese wollte die Regierung und mit ihr eine Minderheit Hegglin zukünftig nur noch im Falle von Unterbrüchen in der Erwerbstätigkeit aufgrund von Covid-19-Massnahmen des Bundes gewähren, nicht aber wie bisher auch bei massgeblichen Einschränkungen der Erwerbstätigkeit. Die Regelung dazu, was massgebliche Einschränkungen seien, sei zu unklar und berge daher Missbrauchspotenzial, kritisierte Hegglin. Die Mehrheit der SGK-SR wollte hingegen beim geltenden Recht bleiben – Kommissionssprecher Rechsteiner verwies auf zahlreiche Verbände betroffener Branchen, die um eine Beibehaltung der bisherigen Regelung gebeten hätten. Mit 34 zu 8 Stimmen sprach sich der Ständerat für den Mehrheitsantrag aus. Stillschweigend folgte der Ständerat der Regierung hingegen bei ihrem Vorschlag, neben den Kantonen neu auch dem SECO Kontrollmöglichkeiten bezüglich der Härtefallmassnahmen zu gewähren.
Ein Minderheitsantrag Germann (svp, SH) schlug schliesslich als Ergänzung zum geltenden Recht vor, dass angemessene Schutzkonzepte bei Veranstaltungen und privaten Zusammenkünften zukünftig nur möglich sein sollen, wenn sie zur «Sicherstellung der Kapazitäten im Gesundheitsbereich» erforderlich sind. Gemäss geltendem Recht mussten sie «verhältnismässig» sein. Er wolle damit verhindern, dass die Covid-19-Massnahmen «leichtfertig wieder auf alle möglichen Aktivitäten in den Bereichen Sport, Kultur und Freizeit ausgedehnt werden könnten», begründete Germann den Antrag. Mit 28 zu 14 Stimmen lehnte der Ständerat die Ergänzung ab.
Auch in anderen Gesetzen standen einzelne Regelungen zur Diskussion: Stillschweigend verlängert wurde dabei die Geltungsdauer einzelner Bestimmungen im Epidemiengesetz, etwa zum Proximity-Tracing-System, zur internationalen Zusammenarbeit und zu den Ordnungsbussen. Ein Einzelantrag Hegglin verlangte überdies, dass der Bund auch im Jahr 2022 einen ausserordentlichen Beitrag an den ALV-Ausgleichsfonds leisten und wie in den Jahren zuvor die Aufwendungen für die Kurzarbeitsentschädigung übernehmen solle. Mit 39 zu 0 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat für diese Regelung aus.

In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat die vierte Revision des Covid-19-Gesetzes mit 34 zu 0 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) an. Ratspräsident Hefti (fdp, GL) gab dabei bekannt, dass der Rat zwei Petitionen (Pt. 21.2007 «Corona-Massnahmen und Impfpass» von Regula Heinzelmann und Pt. 21.2020 «Für einen Strategiewechsel beim Corona-Gesundheitsschutz» von Peter Mattmann-Allamand) zur Kenntnis genommen habe.

Vierte Revision des Covid-19-Gesetzes (Verlängerung von einzelnen Bestimmungen, BRG 21.066)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Ende Oktober 2021 präsentierte der Bundesrat seinen Entwurf für die vierte Änderung des Covid-19-Gesetzes, welche die Verlängerung von einzelnen Bestimmungen zum Ziel hatte. Damit wollte er sich die nötigen Instrumente sichern, falls die Krise auch im Jahr 2022 anhalten sollte. Für diesen Fall wolle er weiterhin «über die Instrumente [verfügen], die für die Bewältigung der Covid-19-Epidemie erforderlich sind». Bereits vor dieser Revision waren die Artikel zu Gegenstand und Grundsätzen des Covid-19-Gesetzes sowie alternative Bestimmungen bezüglich einer Anzeigepflicht bei Kapitalverlust und Überschuldung bis Ende 2031 und einzelne Bestimmungen zur Arbeitslosenversicherung sowie die Regelungen des Covid-19-Zertifikats bis Ende 2023 respektive 2022 gültig. Neu sollten nun auch die Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung, etwa mögliche Ausnahmen zur Einfuhr oder zur Zulassungspflicht von Medikamenten, die Regelungen des Proximity-Tracings oder der Quarantäneverzicht für geimpfte Personen, bis Ende 2022 verlängert werden. Auch die Regelungen bezüglich Massnahmen im Bereich des Arbeitnehmendenschutzes, also insbesondere der Schutz von besonders gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch die Arbeitgebenden, bezüglich Massnahmen zur Förderung des Berufseinstiegs, Einschränkungen bei Einreisen von Ausländerinnen und Ausländern sowie Fristerstreckungen im AIG oder bezüglich der Möglichkeit von technischen Hilfsmitteln bei justiziellen Verfahren sollten ein Jahr länger gültig bleiben. Darüber hinaus wollte der Bundesrat die Geltungsdauer der Massnahmen im Kulturbereich, insbesondere die Unterstützung von Kulturunternehmen und Kulturschaffenden, nicht aber den Schutzschirm für Publikumsanlässe verlängern und die A-Fonds-perdu-Beiträge für die Sportvereine sowie die Darlehen für verschiedene Mannschaftssportvereine beibehalten – Letzteres jedoch nur bis Ende Juni 2022 und somit bis Ende der jeweiligen Saisons. Ein Jahr länger als ursprünglich geplant sollten auch die Covid-Erwerbsausfallentschädigungen zugänglich bleiben: Da bestimmte Personengruppen sowie Kleinkinder bisher keine Möglichkeit zur Impfung hätten, seien auch im kommenden Jahr Quarantänemassnahmen und entsprechende Schliessungen von Betreuungseinrichtungen oder Ausfälle in der Kinderdrittbetreuung möglich. In diesen Fällen – aber auch falls wider Erwarten erneut Betriebsschliessungen und Veranstaltungsverbote nötig sein sollten – sollte daher der Zugang zu Erwerbsausfallentschädigungen durch den Bundesrat ermöglicht werden können. Schliesslich werde gemäss Bundesrat auch eine neue Regelung zur Abgeltung der Härtefallmassnahmen an die Kantone nötig, da nicht alle Abrechnungen bis Ende 2021 vorgenommen werden könnten. Zusammen mit dieser Fristverlängerung beantragte der Bundesrat in einer zweiten Nachmeldung zum Voranschlag 2022 CHF 915 Mio., um die dadurch anfallenden Kosten insbesondere beim Corona-Erwerbsersatz (CHF 490 Mio.), bei der Bundesfinanzierung der Covid-Tests (CHF 134 Mio.), beim Kulturbereich (CHF 130 Mio.) und beim Sport (CHF 100 Mio.) abzudecken.
Nicht verlängert werden sollten hingegen unter anderem die Härtefallhilfen und die meisten Bestimmungen zur Arbeitslosenversicherung.

Vierte Revision des Covid-19-Gesetzes (Verlängerung von einzelnen Bestimmungen, BRG 21.066)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Mit der Annahme der Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot» in der Volksabstimmung vom 7. März 2021 wurde die Bundesverfassung um den neuen Artikel 10a ergänzt, der die Verhüllung des eigenen Gesichts in der Öffentlichkeit verbietet. Zur Umsetzung des Gesichtsverhüllungsverbots gab der Bundesrat im Oktober 2021 eine Änderung des Strafgesetzbuches in die Vernehmlassung. Der vorgesehene Artikel 332a StGB stellt die Gesichtsverhüllung an allen öffentlich zugänglichen Orten unter Strafe. Widerhandlungen sollen mit Busse geahndet werden. Wie in der Verfassung festgeschrieben, bleibt die Verhüllung in Sakralstätten sowie aus Gründen der Gesundheit, der Sicherheit, der klimatischen Bedingungen und des einheimischen Brauchtums weiterhin erlaubt. Zusätzlich schlug der Bundesrat zwei weitere Ausnahmen vor: Sofern sie die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht beeinträchtigen, sollen Gesichtsverhüllungen im öffentlichen Raum auch zur Ausübung der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit sowie für Auftritte zu Kunst-, Unterhaltungs- oder Werbezwecken erlaubt sein. «Demonstrieren in Kuhmaske erlaubt, Schal zu kurzen Hosen nicht», fasste der Tages-Anzeiger das Vorhaben des Bundesrats lapidar zusammen. Die Vernehmlassung läuft bis Anfang Februar 2022.

Bundesgesetz über das Gesichtsverhüllungsverbot (BRG 22.065)
Dossier: Nationales Burkaverbot

Das Abkommen über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, das Eurodac-Protokoll, das Abkommen mit den USA über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten und der Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus gelangten in der Herbstsession 2021 mit der einstimmigen Unterstützung der SIK-NR in den Nationalrat. Kommissionssprecherin Graf-Litscher (sp, TG) sah in der vereinfachten polizeilichen Zusammenarbeit im Rahmen des Prümer Abkommens grosse Vorteile, weil dadurch bei Abfragen von DNA-Profilen und Fingerabdruckdaten ein automatisierter Abgleich mit anderen nationalen europäischen Datenbanken gleichzeitig möglich werde. Sie warnte zudem vor negativen Auswirkungen einer Nichtteilnahme der Schweiz und wies darauf hin, dass Kriminalität ein grenzübergreifendes Problem sei, welches eine internationale Zusammenarbeit notwendig mache. Ihr Kommissionskollege Pointet (glp, VD) erklärte, dass das Abkommen mit den USA die gleiche Thematik behandle und daher mit den gleichen Vorteilen einhergehe. Da alle Fraktionen die Verbesserung der internationalen Polizeizusammenarbeit begrüssten, stand den Vorlagen wie schon im Ständerat nichts im Weg. Alle drei Bundesbeschlüsse wurden von der grossen Kammer einstimmig angenommen.
In den Schlussabstimmungen wenige Tage später bestätigten die Räte die deutlichen Ergebnisse aus den Ratsdebatten. Das Abkommen mit den Vereinigten Staaten wurde vom Nationalrat mit 194 zu 1 Stimme (bei 1 Enthaltung) und vom Ständerat einstimmig angenommen. Das Abkommen zur Prümer Zusammenarbeit nahm der Nationalrat mit 191 zu 1 Stimme (bei 3 Enthaltungen) an, im Ständerat war das Ergebnis wiederum einstimmig. Zum Verpflichtungskredit war keine Schlussabstimmung nötig.

Genehmigung des Abkommens über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit, des Euroda-Protokolls, des Abkommens über die Verhinderung und Bekämpfung schwerer Straftaten sowie zu deren Umsetzung und über einen Verpflichtungskredit für die Umsetzung des Programms Prüm Plus

In der Herbstsession 2021 nahm sich der Ständerat als Zweitrat der Änderung des DNA-Profil-Gesetzes an. Er trat ohne Gegenantrag auf das Geschäft ein. Wie bereits den Nationalrat beschäftigte auch den Ständerat die Frage, welche äusserlichen Merkmale für die Phänotypisierung aus einer DNA-Spur ermittelt werden dürfen bzw. ob die Liste im Gesetz abschliessend sein soll. Der Bundesrat hatte im Entwurf eine Delegationsnorm vorgesehen, die es ihm erlaubt, in Abhängigkeit vom technischen Fortschritt weitere äusserliche Merkmale – zusätzlich zu den im Gesetzestext explizit genannten Augen-, Haar- und Hautfarbe, biogeografische Herkunft und Alter – für die Phänotypisierung zuzulassen. Der Nationalrat hatte diese Bestimmung entgegen dem Antrag seiner Kommissionsmehrheit bestätigt. Der Ständerat tat es ihm nun gleich; die Minderheit Sommaruga (sp, GE), die die Streichung der Delegationsnorm forderte, unterlag mit 26 zu 17 Stimmen. Anders als die Volkskammer sprach sich der Ständerat indes gegen die generelle Möglichkeit aus, nach einem Suizid ein DNA-Profil der toten Person zu erstellen. Für die vorberatende RK-SR sei eine solche Stigmatisierung von Suiziden unverständlich, zumal sich die meisten Suizide ohne vorherige Straftat ereigneten, erläuterte Kommissionssprecher Beat Rieder (mitte, VS). Bestünden Anzeichen auf einen Zusammenhang mit einer Straftat, könne die Staatsanwaltschaft bereits nach geltendem Recht ein DNA-Profil erstellen lassen. Die kleine Kammer folgte ihrer Kommission diesbezüglich stillschweigend und kehrte damit zur bundesrätlichen Version zurück. Differenzen zur Fassung des Bundesrats schuf der Ständerat hingegen bei den Regeln über die Löschung von DNA-Profilen. Einerseits entschied die Kantonskammer, dass DNA-Profile von Beschuldigten im Falle eines Freispruchs, einer Nichtanhandnahme oder einer Einstellung des Verfahrens nur mit Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts weiter aufbewahrt werden dürfen. Der Bundesrat wollte diese Entscheidung der Staatsanwaltschaft überlassen. Justizministerin Karin Keller-Sutter brachte der ständerätlichen Lösung Skepsis entgegen, verzichtete angesichts des einstimmigen Kommissionsbeschlusses jedoch auf eine Abstimmung und kündigte an, die Frage im Nationalrat noch einmal zur Diskussion zu bringen. Andererseits setzte der Ständerat die Löschfrist für DNA-Profile von schuldunfähigen Täterinnen und Tätern auf zwanzig Jahre fest. Der Bundesrat hätte diese Frist, so die EJPD-Chefin, in der Verordnung regeln wollen, begrüsste aber die «grössere Klarheit und Transparenz» des Kommissionsantrages, worauf dieser stillschweigend gutgeheissen wurde. Als Letztes diskutierte die kleine Kammer die Frage, bei welchen Delikten Phänotypisierung und Verwandtenrecherche eingesetzt werden dürfen. Der Nationalrat hatte den bundesrätlichen Vorschlag gutgeheissen, der diese Methoden für alle Verbrechen, d.h. Delikte mit Strafandrohung von mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe, vorgesehen hatte. Der ständerätlichen Kommission war dieser Anwendungsbereich zu breit; sowohl die Mehrheit als auch die Minderheit beantragten daher die Einführung eines – mehr oder weniger umfassenden – Deliktkatalogs. Mit 31 zu 12 Stimmen nahm der Ständerat den enger gefassten Katalog der Kommissionsmehrheit an, der nur die schwersten Delikte abdeckt, insbesondere Gewalt- und Sexualdelikte. Nicht anwendbar sein sollen die neuen Ermittlungsverfahren demnach bei Vermögensdelikten wie Diebstahl oder Hehlerei. Dem so angepassten Entwurf stimmte die Ständekammer in der Gesamtabstimmung einstimmig zu.

Änderung des DNA-Profil-Gesetzes (BRG 20.088)
Dossier: DNA-Profile

Die beiden Kammern beugten sich in der Herbstsession 2021 über die Differenzbereinigung zur Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix), die in derselben Session auch gelang. Damit fand die Debatte nach fast einem Jahr ein Ende – als mit Abstand letzte der verschiedenen Vorlagen zur Kulturbotschaft 2021-2024.

Der Nationalrat, welcher als erster an der Reihe war, befasste sich mit vier bestehenden Differenzen zur ständerätlichen Version des Gesetzes. Mit der Begründung, dass der vorgeschlagene Kompromiss für alle Beteiligten ausgewogen sei und eine gute Stärkung des Schweizer Films ermögliche, schloss sich die Mehrheit der WBK-NR in allen offenen Punkten dem Ständerat an.

Die erste Differenz bezog sich auf die vom Bundesrat vorgeschlagene Höhe der Investitionspflicht. Damit würden neu auch Online-Plattformen, wie etwa Netflix, verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz ihres in der Schweiz erreichten Bruttogewinns in Schweizer Filme zu investieren. Die Frage war nun, wie hoch dieser Ansatz festgelegt werden sollte. Der Nationalrat hatte sich in der Herbstsession 2020 auf 1 Prozent geeinigt, was durch den Ständerat wieder rückgängig gemacht worden war. Dieser entschied in der Sommersession 2021, dem Entwurf des Bundesrates zu folgen, und verlangte eine Abgabe von mindestens 4 Prozent. Da dadurch inländische und ausländische TV-Stationen gleiche Bedingungen hätten und der Schweizer Film nachhaltig unterstützt und gefördert werden könnte, unterstützte die Mehrheit der WBK-NR mit 14 zu 10 Stimmen den Ständerat. Eine Kommissionsminderheit, angeführt von Peter Keller (svp, NW), forderte die Senkung der Investitionspflicht von 4 auf 2 Prozent. Der Schweizer Film werde bereits stärker gefördert als früher, 2013 mit rund CHF 100 Mio. und heute gemäss NZZ bereits mit bis zu CHF 150 Mio. jährlich. Mit diesem Gesetz würden nun ausländische Anbietende und Streaming-Dienste verpflichtet, den Schweizer Filmsektor «zwangsweise mit[zu]subventionieren», was einem liberalen Verständnis des Marktes mehr als widerspreche, wie Keller seine Minderheit begründete. Ausserdem warf er die Frage in den Raum, ob die Probleme beim Schweizer Film wirklich darauf zurückzuführen seien, dass dieser zu wenig Geld bekomme, oder nicht eher zu viel erhalte. «Wenn man der Katze jeden Tag ein Whiskas hinstellt, geht sie nicht mehr jagen. Staatsknete macht träge.» Mit 119 zu 71 Stimmen entschied der Nationalrat jedoch, der Kommissionsmehrheit und somit dem Entwurf des Ständerates zu folgen und die Investitionspflicht auf 4 Prozent anzusetzen. Die Fraktionen der SP und der Grünen stimmten geschlossen, die Fraktionen der Mitte und der Grünliberalen mit einer klaren Mehrheit für, die SVP-Fraktion geschlossen gegen die Kommissionsmehrheit. Die Fraktion der FDP.Liberalen zeigte sich stark gespalten, so stimmten 15 Mitglieder für den Mehrheitsantrag und 14 für die Minderheit Keller.

Als zweiter Punkt wurde die Frage diskutiert, welche Firmen von dieser Investitionspflicht ausgenommen werden sollen. Hier hatte der Nationalrat im Herbst 2020 beschlossen, dass nebst der SRG auch regionale TV-Anbietende sowie Kabelnetzbetreibende von dieser Regelung ausgeschlossen bleiben sollen. Dem widersprach jedoch der Ständerat im Sommer 2021, welcher nebst der SRG keine weiteren Ausnahmen ins Gesetz aufnehmen wollte. Auch hier folgte die Kommissionsmehrheit mit 13 zu 10 Stimmen dem Ständerat. Regionale Anbietende seien gar nicht von dieser Regelung betroffen, da diese sehr oft gar keine Filme zeigen würden, was eine Ausnahme für diese Fälle obsolet mache, so Matthias Aebischer (sp, BE) für die Kommissionsmehrheit im Rat. Eine Minderheit Kutter (mitte, ZH) verlangte Festhalten an dem Entwurf des Nationalrates. Schnelles Internet in allen Landesteilen sei ein extrem wichtiges Anliegen, welches auch der Bundesrat unterstütze. Ziel solle sein, Kabelnetzbetreibende dabei zu unterstützten, den dafür nötigen Ausbau so schnell wie möglich zu erreichen. Mit dieser Investitionspflicht werde diesen aber ein riesiger Stein in den Weg gelegt, weshalb Kabelnetzbetreibende im Interesse aller aus dieser Regelung ausgeschlossen werden sollten, wie der Minderheitensprecher sein Anliegen begründete. Auch hier folgte der Nationalrat jedoch mit 110 zu 77 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) der Kommissionsmehrheit und gab dem Ständerat in diesem Punkt nach. Die geschlossenen Fraktionen der SP und der Grünen sowie eine klare Mehrheit der Grünliberalen Fraktion stimmten für die Mehrheitsposition, die SVP-Fraktion, etwa die Hälfte der FDP.Liberalen-Fraktion sowie ein Drittel der Mitte-Fraktion sprachen sich für den Minderheitsantrag Kutter aus.

Die dritte Differenz drehte sich um Werbeleistungen zur Bewerbung von Schweizer Filmen und deren Anrechenbarkeit an die Investitionspflicht. Gemäss geltendem Recht können private TV-Sender den Schweizer Film in Form von Werbeminuten statt mit Geld unterstützen. Die offene Frage war nun, wie hoch der Werbebetrag sein darf, der an die Investitionspflicht angerechnet werden kann. Während der Bundesrat in seiner Botschaft vorsah, diese Möglichkeit der Anrechenbarkeit ganz abzuschaffen, hatte der Nationalrat eine Anrechenbarkeit von Werbeminuten im Umfang von bis zu CHF 1 Mio. vorgesehen. In der Differenzbereinigung setzte sich die nationalrätliche Kommissionsmehrheit dem Ständerat folgend für eine Anrechnung eines Betrags bis CHF 500'000 ein. Eine Kommissionsminderheit Kutter verlangte hingegen Festhalten an der vorher im Rat gefassten Position (CHF 1 Mio.). Kutter argumentierte damit, dass auch private Sender zunehmend mit rückläufigen Zahlen zu kämpfen hätten und alles andere als in Geld schwimmen würden. Der von der Kommissionsmehrheit berechnete Rückgang der Unterstützungszahlungen für den Schweizer Film von CHF 18 auf CHF 14 Mio. erachtete Kutter als vertretbaren Kompromiss. Stattdessen würden in Zukunft die Investitionen der Streaming-Anbietenden massiv zunehmen, was diesen Rückgang mehr als kompensieren werde. Der Nationalrat folgte aber auch hier mit 106 zu 85 Stimmen (bei 1 Enthaltung) wieder der Kommissionsmehrheit. Erneut stimmten die SP- und die Grüne Fraktion geschlossen für die Kommissionsmehrheit, die SVP-Fraktion geschlossen für die Kommissionsminderheit. Die Grünliberale Fraktion sprach sich mehrheitlich für den Mehrheitsantrag aus, während sich die FDP.Liberalen-Fraktion und die Mitte-Fraktion auch in dieser Frage gespalten zeigten.

Zu guter Letzt hatte das Parlament auch über eine von Christian Wasserfallen (fdp, BE) angeführte Minderheit zu befinden, der die gesamte «Lex Netflix», also jegliche Investitionspflicht, streichen wollte. Er argumentierte, dass es nicht zielführend sei, sich als kleine Schweiz mit Anbietenden wie Netflix anzulegen. Vielmehr sollte sich der Schweizer Filmsektor mit den Produzentinnen und Produzenten in Verbindung setzen und Kollaborationen anstreben, um von deren grossen Reichweite zu profitieren. Auch er betonte, dass die derzeitige Unterstützung in der Höhe von CHF 150 Mio. vom BAK, den Kantonen, Städten, Gemeinden und den SRG-Abgaben ausreichend sei. Lieber solle man sich auf die Qualität des Filmes berufen und bessere Drehbücher schreiben, dann hätte der Schweizer Film vielleicht auch bessere Chancen auf dem internationalen Markt, forderte er. Ein Drittel der FDP.Liberalen-Fraktion, die SVP-Fraktion sowie einzelne Mitglieder der Grünen und der Grünliberalen unterstützten Wasserfallen; mit 121 zu 65 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat den Minderheitsantrag Wasserfallen ab und hielt an der Lex Netflix fest.

Da in der Nationalratsdebatte alle inhaltlichen Differenzen beseitigt worden waren, ging es im Ständerat nur noch um zwei rein sprachliche Anpassungen. Diese wurden von der kleinen Kammer in der Folge diskussionslos und stillschweigend gutgeheissen.

Damit war die Vorlage nach langen Diskussionen im Oktober 2021 bereit für die Schlussabstimmungen. Im Nationalrat wurde die «Lex Netflix» mit 124 zu 67 (bei 3 Enthaltungen) angenommen. Die Fraktionen der SP, der Grünen und der GLP stimmten geschlossen für, die SVP-Fraktion geschlossen gegen den Gesetzesentwurf. Uneinig waren sich die Fraktionen der FDP.Liberalen und der Mitte, wobei jeweils eine Mehrheit für die Vorlage stimmte. Im Ständerat fand das Gesetz mit 32 zu 8 Stimmen (4 Enthaltungen) deutliche Zustimmung.

Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix; BRG 20.030)

In der Herbstsession 2021 begann der Ständerat mit der Differenzbereinigung bei der Harmonisierung der Strafrahmen. Dabei schloss er sich in zwei umstrittenen Punkten dem Nationalrat an. Einerseits verzichtete die Ständekammer nun darauf, den Wortlaut von Art. 42 StGB anzupassen, sodass bei Ersttäterinnen und Ersttätern mit günstiger Prognose weiterhin «in der Regel» eine bedingte Strafe verhängt wird und nicht nur verhängt werden «kann». Die Kommissionsminderheit hätte mit der Änderung den Entscheidungsspielraum für das Gericht vergrössern wollen, wie deren Vertreter Stefan Engler (mitte, GR) erklärte. Die Mehrheit beantragte, dem Nationalrat zu folgen und beim geltenden Recht zu bleiben, weil damit eine Anpassung von 2007 rückgängig gemacht würde, «obwohl die damalige Praxis betreffend Ersttäter mit der gleichen Begründung wie heute kritisiert wurde», wie Bundesrätin Karin Keller-Sutter anmerkte. Mit der Kann-Bestimmung schriebe man nur wieder etwas ins Gesetz, «was schon damals nicht so funktioniert hat, wie Sie es sich wünschen», kritisierte auch Mathias Zopfi (gp, GL). Der Entscheid, die Änderung fallen zu lassen, fiel bei 20 zu 20 Stimmen mit Stichentscheid des Ratspräsidenten Alex Kuprecht (svp, SZ).
Andererseits stimmte der Ständerat mit 33 zu 7 Stimmen bei einer Enthaltung dem Beschluss seiner Schwesterkammer zu, im sogenannten Raserartikel (Art. 90 Abs. SVG) die Mindeststrafe zu streichen. Dass bei Raserdelikten immer eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr, wenngleich möglicherweise bedingt, ausgesprochen werden müsse, sei im Vergleich zu anderen Strafrahmen unverhältnismässig. Selbst bei Vergewaltigungen seien kürzere Strafen möglich, und beim Raserdelikt werde allein die Gefährdung anderer geahndet, ohne dass es zu einem Unfall mit Verletzten oder Toten gekommen sei, so die Argumente für die Abschaffung der Mindeststrafe. EJPD-Vorsteherin Karin Keller-Sutter zeigte sich mit der Begründung einverstanden und erklärte, der Bundesrat schlage mit der Revision des SVG ebendiese Änderung vor. Sie hatte den Ständerat allerdings vergebens gebeten, jener vom UVEK erarbeiteten Vorlage nicht vorzugreifen und die Änderung dort vorzunehmen anstatt bei der Strafrahmenharmonisierung.
Ebenfalls übernahm die Kantonskammer das Konzept des Nationalrates, das bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte aus einem zusammengerotteten Haufen heraus zwischen Gewalt an Personen und Gewalt an Sachen unterscheidet. Wer aus einer Zusammenrottung heraus Gewalt an Personen verübt, wird künftig mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren bestraft. Geldstrafen sind nur noch bei Gewalt an Sachen möglich, wobei auch hier die Mindeststrafe auf 90 Tagessätze angehoben wurde (bisher 30). Fest hielt der Ständerat indessen an seinem Beschluss, dass bei Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte – unabhängig von einer Zusammenrottung – grundsätzlich eine Freiheitsstrafe auszusprechen sei und Geldstrafen nur noch in Bagatellfällen möglich sein sollen. Der Nationalrat hatte dies abgelehnt.
Für erstaunlich umfangreiche Diskussionen sorgte die Parallelität von Geld- und Freiheitsstrafen, also dass eine Mindestgeldstrafe von beispielsweise 30 Tagessätzen auch immer eine Mindestfreiheitsstrafe von 30 Tagen bedeutet. Erstaunlich deshalb, weil sich der Rat bezüglich der Parallelität einig war und nur noch darüber diskutierte, ob dieser Aspekt ausdrücklich ins Gesetz geschrieben werden muss. Der Nationalrat hatte nicht gutgeheissen, dass der Ständerat dies im Gesetz explizit festhalten wollte. Auch Bundesrätin Karin Keller-Sutter sprach sich gegen die entsprechende Ergänzung aus; dies sei «nicht nötig, da solche Zweifel weder in der Praxis noch in der Lehre bestehen». Mit 27 zu 11 Stimmen entschied sich der Ständerat dennoch dafür, diese Parallelität ausdrücklich niederzuschreiben. Der mit der Mehrheit stimmende Andrea Caroni (fdp, AR) wunderte sich denn auch etwas schalkhaft über die intensive Diskussion darüber, «ob man das, worüber man sich ja eigentlich einig ist, jetzt auch ins Gesetz schreiben soll oder nicht». Mit einigen weiteren kleineren Differenzen übergab die Ständekammer das Geschäft wieder an den Nationalrat.

Harmonisierung der Strafrahmen (BRG 18.043)
Dossier: Revision des Strafgesetzbuches (2008– )
Dossier: Harmonisierung der Strafrahmen (Besonderer Teil des Strafgesetzbuches)