Suche zurücksetzen

Inhalte

  • Erwerbsersatzordnung (EO)
  • Kulturpolitik

Akteure

Prozesse

670 Resultate
Als PDF speichern Weitere Informationen zur Suche finden Sie hier

In der Sondersession vom Mai 2022 zog Sibel Arslan (basta, BS) ihre Motion vom Mai 2020 zurück, mit der sie die Durchführung kultureller Veranstaltungen im Sinne einer Ausnahme im Zusammenhang mit den Massnahmen gegen die Pandemie wieder erlauben wollte. In Anbetracht der mittlerweile stattgefundenen Öffnung sei die Forderung obsolet geworden, wie die Baslerin ihren Rückzug erklärte.

Förderung der Kultur während der Coronakrise unter Auflagen erlauben (Mo. 20.3400)

Im Winter 2021 forderte Jon Pult (sp, GR) in einer Motion, welche von 34 Parlamentarierinnen und Parlamentariern aus allen Parteien mitunterzeichnet wurde, den Bundesrat dazu auf, eine unabhängige Kommission für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter zu schaffen. Zudem dürfe bei der Beurteilung nicht mehr zwischen sogenannter «Raubkunst» – jene die direkt von den Nazis entwendet wurde – und «Fluchtkunst» – Kunst, die verkauft werden musste, um die Flucht zu finanzieren, unterschieden werden. Weiter wollte die Motion geklärt haben, ob dieselben Grundsätze auch auf Kulturgüter in kolonialen Kontexten angewendet werden können.
In der Sondersession vom Mai 2022 beugte sich der Nationalrat über die Motion. Pult erklärte sein Anliegen damit, dass die Schweiz sich mit der Unterzeichnung der Washingtoner Prinzipien von 1998 und der Erklärung von Terezin von 2009 dazu verpflichtet habe, NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter ausfindig zu machen, die Nachfahren der ehemaligen Besitzerinnen und Besitzer zu suchen und für «gerechte und faire Lösungen» zu sorgen. Die Geschehnisse rund um die Sammlung von Emile Bührle am Kunsthaus Zürich hätten jedoch gezeigt, dass es hier grosse Lücken gebe und die Schweiz verbesserte Instrumente brauche. Bekämpft wurde die Motion von Andreas Glarner (svp, AG), der festhielt, dass er grundsätzlich hinter dem Anliegen der Motion stehe. Es sei jedoch unsinnig, diese Forderung auf andere Bereiche, wie koloniale Kontexte, auszudehnen. Auch der Bundesrat stimmte der Forderung des Motionärs grundsätzlich zu, erachte es jedoch als verfrüht, bereits heute Rahmenbedingungen für eine zu gründende Kommission festzulegen, wie dies im zweiten Teil der Motion gefordert wurde. Daher beantragte Alain Berset, nur dem ersten Teil der Motion zuzustimmen und die genaue Ausgestaltung der Kommission noch offen zu lassen. In der Folge wurde der erste Teil der Motion, wie vom Bundesrat empfohlen, stillschweigend angenommen. Auch der zweite Teil wurde mit 92 zu 90 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) knapp angenommen. Die Fraktionen der SP, GLP und der Grünen stimmten geschlossen für die Vorlage, bei der SVP stimmte lediglich Andreas Glarner dagegen. Die Fraktionen der Mitte und der FDP.Liberalen zeigten sich unschlüssiger. Damit geht die Vorlage an den Ständerat.

Unabhängige Kommission für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter (Mo. 21.4403)

Im Oktober 2021 reichte die WBK-NR mit einer knappen Mehrheit von 11 zu 10 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ein Postulat ein, mit dem sie den Bundesrat aufforderte, in den verschiedenen Sektoren und Institutionen des Kulturbereichs systematisch Daten zur Ungleichheit zwischen den Geschlechtern zu erheben und auf Bundesebene gezielte Massnahmen festzulegen, mit denen diese abgebaut werden. Valentine Python (gp, VD) führte für die Kommissionsmehrheit aus, dass die Verbesserung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im Kulturbereich als Ziel in der Kulturbotschaft 2021-2024 festgelegt worden sei. Im Zuge dessen seien erste Daten erhoben worden, die auf grosse Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern im Kulturbereich hindeuten – sei es bei der Besetzung von Führungspositionen, der Programmgestaltung oder dem Einkommen. Problematisch sei dabei, dass die derzeitige Datenlage nur Tendenzen abbilden könne, wie die Waadtländerin argumentierte. Für eindeutige Schlussfolgerungen, wie etwa Gründe für die Ungleichheit, seien umfassendere Daten unabdingbar.
Andreas Gafner (edu, BE), welcher den Minderheitsantrag von Diana Gutjahr (svp, TG), welche sich zu dieser Zeit im Mutterschaftsurlaub befand, übernommen hatte, verlangte, das Postulat abzulehnen, da der Bundesrat diese Aufgabe bereits mit der Umsetzung der Gleichstellungsstrategie 2030 wahrnehme. Kulturminister Alain Berset erklärte die Position des Bundesrates, der ebenfalls die Ablehnung des Postulats empfahl, weil das BAK sowie das BFS bereits daran seien, in diesem Bereich Daten zu erheben. Um hingegen die Forderungen des Postulats umzusetzen, müsste man die bisher erhobenen Daten vertiefen, was mit enormem Aufwand und hoher Ineffizienz verbunden wäre.
Der Nationalrat folgte in der Frühjahrssession 2022 dem Bundesrat und der Kommissionsminderheit und lehnte das Postulat mit 90 zu 83 Stimmen ab. Die Fraktionen der SVP und der FDP.Liberalen sprachen sich geschlossen gegen den Vorstoss aus. Unterstützt wurden sie von einer zwei Drittel-Mehrheit der Mitte-Fraktion und von einem Mitglied der SP-Fraktion.

Systematische Datenerhebung im Kultursektor zur Förderung der Gleichstellung von Frau und Mann (Po. 21.4335)

In der Frühjahrssession 2022 beriet der Nationalrat die Modernisierung der Aufsicht in der 1. Säule und die Optimierung der Aufsicht in der 2. Säule. Die Kommission hatte zuvor nur wenige Änderungen gegenüber der ständerätlichen Version geschaffen und die Vorlage mit 18 zu 0 Stimmen bei 5 Enthaltungen gutgeheissen. Die Kommissionssprecherinnen Céline Amaudruz (svp, GE) und Regine Sauter (fdp, ZH) präsentierten dem Rat die Vorlage mit drei Aspekten im AHV- und einem Aspekt im BVG-Bereich: die Schaffung einer modernen und risikoorientierten Aufsicht, die Stärkung der Governance und der Verbesserung der Steuerung und Überwachung der Informationssysteme in der AHV sowie die punktuellen Optimierungen der Aufsicht über die 2. Säule.
In einem ersten Block beschäftigte sich der Rat mit der 1. Säule: Hier diskutierte er insbesondere über drei Minderheitsanträge. Eine Minderheit Rösti (svp, BE) setzte sich mit dem Fall einer Auflösung einer Verbandsausgleichskasse auseinander. In diesem Fall müssen andere Kassen die Rentenbeziehenden der aufgelösten Kasse übernehmen, wofür sie eine Entschädigung erhalten. Um diese Entschädigung bezahlen zu können, müssen die Ausgleichskassen jeweils Rückstellungen vornehmen. Bundesrat, Ständerat und Kommissionsmehrheit beabsichtigten nun, subsidiär auch die Gründerverbände der Ausgleichskassen für diese Entschädigungen aufkommen zu lassen – falls die aufgelöste Ausgleichskasse zu wenige Rückstellungen getätigt hatte. Die Minderheit Rösti wollte diese subsidiäre Zuständigkeit jedoch streichen, da sonst die Gefahr bestehe, dass die Ausgleichskassen die Reservebildung zu wenig ernst nehmen würden. Mit 131 zu 48 Stimmen fand dieser Vorschlag jedoch nur bei der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion und einem Mitglied der Mitte-Fraktion Zustimmung.
Die anderen beiden Minderheiten beschäftigten sich mit den von den Durchführungsstellen verwendeten Informationssystemen. Der Bundesrat hatte deren Verwendung neu geregelt und wollte der Aufsichtsbehörde ermöglichen, den Durchführungsstellen Mindestanforderungen an ihre Informationssysteme, etwa zum Datenschutz, zu definieren. Diese Mindestanforderungen wollten der Ständerat sowie die Kommissionsmehrheit streichen, während sie eine Minderheit Gysi (sp, SG), unterstützt von Bundesrat Berset, beibehalten wollte. Für diese «sensible[n] persönliche[n] Daten» brauche es Mindestanforderungen, betonte Barbara Gysi, während sich Bundesrat Berset davon «une sorte d'uniformité minimale de l'exécution» erhoffte. Kommissionssprecherin Sauter begründete die Ablehnung der Kommissionsmehrheit gegenüber solchen Mindeststandards mit der Aufsichtsfunktion der Aufsichtsbehörde: Mit der Definition von Mindestanforderungen würde sie ins Operative eingreifen, was nicht ihre Aufgabe sei. Mit 98 zu 77 Stimmen (bei 1 Enthaltung) setzte sich die Kommissionsmehrheit durch. Eine weitere Minderheit Rösti wehrte sich dagegen, dass der AHV-Ausgleichsfonds die Entwicklungs- und Betriebskosten der Informationssysteme übernehmen soll. Konkret gehe es um die Frage, ob der Staat oder die Durchführungsstellen für die Weiterentwicklung der Informatiksysteme zuständig sein sollen. Letzteres sei vorzuziehen, da die Durchführungsstellen dann an einem möglichst effizienten System interessiert seien – entsprechend würden sie die Kosten der Informationssysteme als Verwaltungskosten verbuchen. Da es «um [gesamtschweizerisch anwendbare] kassenübergreifende Informatikanwendungen» gehe, solle der AHV-Ausgleichsfonds für deren Kosten aufkommen, betonte hingegen die Kommissionsmehrheit. Mit 132 zu 47 Stimmen folgte der Nationalrat auch hier der Mehrheit seiner Kommission.

Auch im zweiten Block zur Optimierung der Aufsicht in der beruflichen Vorsorge gab es zwei Punkte, die relativ ausführlich diskutiert wurden. Einerseits wurde die Frage der Unabhängigkeit der kantonalen Aufsichtsbehörden besprochen. Der Bundesrat erachtete diese als nicht gegeben, solange Mitglieder der Kantonsregierungen oder -verwaltungen auch Einsitz in die Aufsichtsbehörden haben, und schlug daher ein entsprechendes Einsitzverbot vor. Der Ständerat verneinte anschliessend eine solche Problematik und strich die entsprechende Regelung. Die Mehrheit der SGK-NR schlug nun quasi als Kompromiss vor, dass der Einsitz in die Aufsichtsbehörden nur Mitgliedern desjenigen kantonalen Departements untersagt werden soll, das für die 2. Säule zuständig ist. Bundesrat Berset erachtete diesen Vorschlag jedoch als in einer Kollegialbehörde nicht praktikabel. Eine Minderheit I Sauter bevorzugte die bundesrätliche Lösung, während eine Minderheit II Weichelt (al, ZG) die vorgeschlagene Regelung um ein Verbot der Beteiligung von Branchenvertretenden ergänzen wollte. Ein Ausschluss der Exekutivmitglieder, jedoch nicht der Branchenvertretenden sei «ziemlich janusköpfig» und erfülle die Auflagen der Governance nicht, befand Manuela Weichelt mit Verweis auf die zahlreichen Vertretenden von Unternehmen und Stiftungen, die mit der Durchführung der beruflichen Vorsorge verbunden sind, in den Aufsichtsbehörden. Wie bei der Oberaufsichtskommission «Berufliche Vorsorge» brauche es auch für die kantonalen Aufsichtsbehörden eine gesetzliche Regelung. Nach einigen Wirren und einer wiederholten Abstimmung setzte sich der Mehrheitsantrag gegen die zwei Minderheiten durch.
Interessenkonflikte standen auch im Mittelpunkt des zweiten Diskussionspunkts zur Aufsicht über die Pensionskassen: die Finanzierung der Vermittlertätigkeiten. Hierzu hatte der Bundesrat nach der Vernehmlassung eine Regelung ergänzt, wonach er die Vermittlungstätigkeit für über die Mindestleistungen hinausgehende Pensionskassenleistungen mittels Verordnung regeln wollte. Damit beabsichtigte er, Interessenkonflikte der Broker zu bekämpfen. Da nicht die Arbeitgebenden, sondern die Pensionskassen die Broker bezahlten, hätten Letztere Anreize, diejenigen Pensionskassen zu empfehlen, die ihnen am meisten Provisionen einbringen, ergänzte Manuela Weichelt-Picard. Zudem werde für die Vermittlung Geld der Versicherten ausgegeben, das für die Verzinsung der Guthaben eingesetzt werden könnte. Entsprechend wollte sie mit einem Minderheitsantrag dem Bundesrat folgen. Regine Sauter lehnte im Namen der Kommissionsmehrheit die Notwendigkeit einer solchen Regelung ab – die Vermittlungsgebühren würden heute transparent ausgewiesen, die KMU könnten die Kosten auch selbst übernehmen. Zudem sei diese Frage nicht in der Vernehmlassung diskutiert worden, werde stattdessen aber aktuell im Rahmen der Revision des Versicherungsaufsichtsgesetzes behandelt. Die Kommissionsmehrheit setzte sich in der Folge mit 119 zu 68 Stimmen gegen den Willen von SP, Grünen und drei Personen der Mitte-Fraktion auch hier durch.
Stillschweigend schuf der Nationalrat zudem einige weitere Differenzen zum Ständerat. Unter anderem lehnte er es ab, im Rahmen dieser Revision die Möglichkeit für eine elektronische Übermittlung von Entscheiden zu schaffen. Inhaltlich bestehe hier zwar keine Differenz zum Ständerat, jedoch könne diese Frage nicht ausschliesslich für die Ausgleichskassen geregelt werden, sondern müsse sich auf alle Sozialversicherungen beziehen. Entsprechend wollte der Nationalrat eine Revision des Verwaltungsverfahrensrechts, die bereits im Gange war, abwarten.
Trotz kleineren inhaltlichen Differenzen stiess die Vorlage insgesamt beim ganzen Nationalrat auf Anklang: In der Gesamtabstimmung nahm die grosse Kammer die Vorlage mit 186 zu 0 Stimmen einstimmig an.

Aufsicht in der 1. Säule (BRG 19.080)

Zwei Tage nach dem Erstrat setzte sich der Ständerat mit dem Nachtrag Ia zum Voranschlag 2022 auseinander, wobei Johanna Gapany (fdp, FR) die Vorlage im Namen der Kommission darlegte. Auf keinen Widerstand in der FK-SR waren die drei ausserordentlichen Covid-19-Kredite für den Erwerbsersatz (CHF 1.7 Mrd.), für die kantonalen Härtefallmassnahmen (CHF 900 Mio.) und für die ALV (CHF 800 Mio.) gestossen. Stillschweigend hiess auch der Ständerat diese in der Folge gut. Auch die CHF 11 Mio. für die Fertigstellung eines ETH-Gebäudes genehmigte der Ständerat ohne Minderheitsantrag, auch wenn sich die Kommission mit der Situation unzufrieden zeigte: «Des questions ont été posées concernant la procédure d'adjudication des travaux», betonte die Kommissionssprecherin.
Neu lag dem Rat nun aber auch ein Antrag der Kommission auf zwei zusätzliche Kredite über insgesamt CHF 100 Mio. vor, mit denen der Bundesrat Abnahmegarantien für Medikamente für immunsupprimierte Personen abschliessen und diese Medikamente in der Folge beschaffen wollte. Dies war in drei Motionen (Mo. 21.4632, Mo. 22.3005, Mo. 22.3018) gefordert worden, wobei eine davon bisher vom Nationalrat angenommen worden war. Kommissionssprecherin Gapany betonte, dass zur Verwendung der entsprechenden Kredite zuerst die nötige gesetzliche Grundlage geschaffen werden müsse. Finanzminister Maurer beantragte die zwei Kredite zur Ablehnung. Mit deren Annahme würde man den Nationalrat überrumpeln – die FK-NR könne diese vor der Ratssitzung nicht mehr debattieren –, zudem lege der Bundesrat in der Sommersession einen zusätzlichen Nachtragskredit für Impfungen vor, wobei man eine Gesamtbeurteilung vornehmen werde. Mit 36 zu 5 Stimmen (bei 1 Enthaltung) nahm der Ständerat die entsprechenden Kredite dennoch an, nachdem verschiedene Sprechende deren Dringlichkeit unterstrichen hatten.
Abschliessend diskutierte auch der Ständerat über die Krediterhöhung für Notschutzmassnahmen gegen den Wolf. Die Kommission hatte diesen vom Nationalrat ergänzten Kredit nicht vorberaten, ein Einzelantrag Engler (mitte, GR) verlangte jedoch Zustimmung. Wie bereits Mike Egger (svp, SG) im Nationalrat betonte auch Stefan Engler die Relevanz dieser zusätzlichen Gelder und unterstrich die bestehende gesetzliche Grundlage. Nach verschiedenen unterstützenden Wortmeldungen sprach sich der Ständerat mit 41 zu 0 Stimmen bei einer Enthaltung für die temporären Notschutzmassnahmen gegen den Wolf aus. Mit einer Differenz bezüglich der Kredite für die Medikamente für immunsupprimierte Personen musste der Nachtrag Ia somit ins Differenzbereinigungsverfahren.

Nachtrag I zum Voranschlag 2022 (BRG 22.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Im Rahmen ihrer Beratung der Modernisierung der Aufsicht der 1. Säule reichte die SGK-NR eine Motion ein, wonach der Bundesrat eine Zusammenlegung der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS) und der Compenswiss, der Verwalterin des Ausgleichsfonds AHV/IV/EO, in eine neue Sozialversicherungsanstalt des Bundes prüfen solle. Der Bundesrat erachtete eine «umfassende Anpassung der Organisationsstruktur der ZAS [als] nicht gerechtfertigt», erklärte sich aber bereit, sich Gedanken über eine solche Zusammenlegung zu machen, und beantragte die Motion zur Annahme. In der Frühjahrssession 2022 sprach sich der Nationalrat stillschweigend für die Motion aus.

Sicherstellung der Governance, der Transparenz, der Kohärenz und der Beaufsichtigung der Tätigkeiten des Bundes im Bereich der AHV/IV/EO (Mo. 21.4340)

Anfang März 2022 setzte sich der Nationalrat als Erstrat mit dem Nachtrag Ia zum Voranschlag 2022 auseinander. Die Kommissionssprechenden Anna Giacometti (fdp, GR) und Heinz Siegenthaler (bdp, BE) stellten dem Rat den Nachtrag vor.
Es standen drei zusätzliche Covid-19-Kredite in der Höhe von CHF 3.4 Mrd. zur Debatte, die im Rahmen der Verlängerung zusätzlicher Massnahmen durch das Parlament während der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes beschlossen worden waren. Unbestritten waren von diesen drei Krediten einzig die CHF 800 Mio. für die ALV, während zwei Minderheiten Guggisberg (svp, BE) die Kredite für den Erwerbsersatz (CHF 1.7 Mrd.) und für die kantonalen Härtefallmassnahmen (CHF 900 Mio.) halbieren wollten. Der Minderheitensprecher begründete die zwei Anträge damit, dass man nicht «auf Vorrat Ausgaben von Steuergeldern budgetieren» wolle – bereits 2021 habe man etwa doppelt so viel budgetiert, wie man anschliessend benötigt habe. Aufgrund der rückläufigen Hospitalisierungen seien diese aktuellen Kredite zu hoch kalkuliert. Finanzminister Maurer verwies auf den vom Parlament in der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes erteilten Auftrag, welchen der Bundesrat gemäss seinen bisherigen Erfahrungswerten umgesetzt habe. Er gehe zwar davon aus, dass man Ende Jahr Kreditreste haben werde, auch eine Kürzung dieser Kredite würde jedoch nicht zu Einsparungen führen. Mit 136 zu 53 Stimmen und 137 zu 52 Stimmen (bei 1 Enthaltung) sprach sich der Nationalrat in der Folge für die vom Bundesrat beantragten Kredite für den Covid-19-Erwerbsersatz und die Härtefallhilfen aus.
Bezüglich der CHF 11 Mio. zur Fertigstellung des Neubauprojektes der ETH erinnerte Kommissionssprecher Siegenthaler daran, dass das Parlament 2013 einen Verpflichtungskredit über CHF 127 Mio. bewilligt habe. Verzögerungen, Mehraufwände und Mängel durch das Generalunternehmen hätten Mehrkosten nach sich gezogen, weshalb zur Fertigstellung eine Erhöhung des Verpflichtungskredits nötig sei, welche jedoch im ETH-Budget kompensiert werde. Stillschweigend stimmte der Nationalrat auch diesem Kredit zu.
Für die meisten Diskussionen sorgte die von der UREK-NR in einem Mitbericht und von Mike Egger (svp, SG) in einem Minderheitsantrag beantragten CHF 5.7 Mio. zugunsten von temporären Notschutzmassnahmen gegen den Wolf. Aufgrund der Ablehnung der Jagdgesetz-Revision im Jahr 2020 fehle die gesetzliche Grundlage zur Regulierung des Wolfsbestandes, wodurch die Anzahl Wölfe und die Probleme für die Alpwirtschaft stark angestiegen seien, betonte Egger. Deshalb sollen nun zusätzliche Gelder für Behirtung und Hütten gutgeheissen werden. Die Kommissionsmehrheit lehnte diese Aufstockung ab, da die rechtliche Grundlage für die Auszahlung der zusätzlichen Gelder gemäss Vertretenden des BAFU fehle. Dem widersprach jedoch der Minderheitensprecher: Weitere Massnahmen seien gesetzlich durchaus möglich, wenn die bisherigen Massnahmen nicht ausreichten. Finanzminister Maurer erläuterte die zwei Positionen: Zwar sei, wie vom BAFU erklärt, eine Übernahme zusätzlicher Personalkosten gemäss Gesetz wohl in der Tat nicht möglich, die temporären Schutzmassnahmen, wie sie die Minderheit in den Planungsgrössen definierte, seien jedoch zulässig. Dennoch beantragte der Finanzminister, die Höhe und die Verbuchung dieses Kredites noch einmal überprüfen zu können. Man werde die «Landwirtschaft dann nicht einfach im Regen stehen lassen», sondern hier eine sinnvolle Lösung suchen. Mit 101 zu 72 Stimmen (bei 17 Enthaltungen) folgte der Nationalrat jedoch der Kommissionsminderheit und hiess den zusätzlichen Nachtragskredit sowie die diesbezüglichen Planungsgrössen gut. Befürwortet wurden diese von der SVP-Fraktion, Mehrheiten der Mitte- und der Grünen-Fraktion und Minderheiten der FDP.Liberalen- und der SP-Fraktion.
In der Gesamtabstimmung sprach sich der Nationalrat mit 180 zu 11 Stimmen für den Nachtrag Ia aus – eine Minderheit der SVP-Fraktion lehnte ihn ab.

Nachtrag I zum Voranschlag 2022 (BRG 22.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Aufgrund der damals noch hängigen Volksinitiative «Für einen vernünftigen Vaterschaftsurlaub» und der zu diesem Zeitpunkt noch offenen Frage eines allfälligen Gegenvorschlags beantragte die SGK-NR ihrem Rat im August 2018, die Beratungen zur parlamentarischen Initiative Kessler (glp, SG), die den Mutterschaftsurlaub auf hinterbliebene Väter übertragen wollte, bis zum Ende der Beratungen der genannten Geschäfte zu sistieren. Der Nationalrat stimmte diesem Antrag in der Herbstsession 2018 mit 137 zu 44 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) zu und bewilligte mit ähnlichem Stimmenverhältnis eine erneute Fristverlängerung in der Frühjahrssession 2021. In letzterer Session lag dem Rat zusätzlich ein von SVP-Vertreterinnen und -Vertretern gestützter Minderheitsantrag vor, der die parlamentarische Initiative aufgrund der unterdessen erfolgten Annahme des zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs an der Urne abschreiben wollte.

Die SGK-NR, die mehrheitlich zum Schluss gekommen war, dass das Geschäft trotz Einführung des zweiwöchigen Vaterschaftsurlaubs noch nicht erfüllt sei, beschloss im November 2021 die Eckwerte ihres Vorentwurfs. Dieser sah einen 14-wöchigen Vaterschaftsurlaub für Väter für den Fall vor, dass die Mutter des Kindes innerhalb des 14-wöchigen Mutterschaftsurlaubs verstirbt. Umgekehrt sollen auch der Mutter zwei zusätzliche Urlaubswochen gutgeschrieben werden, sollte der Tod des Vaters in der Rahmenfrist des Vaterschaftsurlaubs eintreten. Der Vorentwurf soll im Februar 2022 in die Vernehmlassung geschickt werden.

Mutterschaftsurlaub für hinterbliebene Väter (Pa.Iv. 15.434)

Im Februar 2022 präsentierte der Bundesrat den Nachtrag Ia zum Voranschlag 2022, mit dem er die Finanzierung verschiedener vom Parlament in der Debatte der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes vorgenommener Erhöhungen beantragte. Insgesamt sollten die drei Nachtragskredite CHF 3.4 Mrd. betragen und ausserordentlich verbucht werden. CHF 1.7 Mrd. sollten für die vom Parlament vorgenommene Erweiterung des Corona-Erwerbsersatzes eingesetzt werden. Der Bundesrat hatte im Rahmen der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes vorgesehen, den Erwerbsersatz auf von ihm verfügte Schliessungen zu beschränken, das Parlament hatte jedoch auch den Erwerbsersatz bei massgeblichen Einschränkungen für die Unternehmen verlängert. Diesbezüglich habe die FinDel bereits den Vorschuss für eine Monatstranche von CHF 182 Mio. bewilligt, gab der Bundesrat bekannt.
CHF 900 Mio. fielen im Nachtrag Ia 2022 zusätzlich an, weil das Parlament im Dezember 2021 auch die Finanzierung des Bundes an den kantonalen Härtefallmassnahmen für Unternehmen verlängert hatte. Da es dabei bisher um einmalige Hilfen gegangen war, habe der Bundesrat hier ein neues Konzept erstellt, das er mit der Härtefallverordnung 2022 präsentierte.
Schliesslich hatte das Parlament im Dezember 2021 auch entschieden, für das Jahr 2022 erneut die in der ALV anfallenden Kosten für KAE durch den Bund finanzieren zu lassen – wie es bereits 2020 und 2021 der Fall gewesen war. Dafür beantragte der Bundesrat CHF 800 Mio., wobei auch dieser Betrag aufgrund der Verlängerung verschiedener Massnahmen durch das Parlament höher ausfiel als ohne die Intervention des Parlaments in der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes.
Neben den Nachträgen wurde auch ein bestehender Verpflichtungskredit «ETH-Bauten 2014, Gloriastrasse» zur Fertigstellung des Neubauprojekts um CHF 11 Mio. erhöht.

Nachtrag I zum Voranschlag 2022 (BRG 22.007)
Dossier: Bundeshaushalt 2022: Voranschlag und Staatsrechnung

Zu Beginn des Jahres 2022 hatte der Bundesrat stark mit der neuen Dynamik in der fünften Welle der Covid-19-Pandemie zu kämpfen: Die sich immer stärker ausbreitende Omikron-Variante erwies sich als deutlich ansteckender als die bis zu diesem Zeitpunkt vorherrschende Delta-Variante. Dies führte zu immer neuen Rekordzahlen laborbestätigter Ansteckungen mit dem Corona-Virus. Anders als bei der Delta-Variante stiegen jedoch die Spitaleinweisungen deutlich weniger stark an. So stellte etwas später auch die EMPA zusammen mit wissenschaftlichen Instituten und dem Kanton Graubünden fest, dass «Omikron [...] das Gesundheitssystem wohl nicht an die Grenzen [bringe]». So sei die Omikron-Variante zwar infektiöser als die Delta-Variante, aber «scheinbar weniger gefährlich für die Gesundheit». Folglich stieg die Anzahl täglicher Hospitalisationen mit oder wegen Covid-19 zwischen Dezember 2021 und Februar 2022 auf durchschnittlich 119 und blieb damit fast halb so gross wie im November 2020 mit durchschnittlich 206 entsprechenden Hospitalisationen täglich.
Somit stand neu nicht mehr in erster Linie das Gesundheitssystem pandemiebedingt vor grossen Schwierigkeiten, sondern die Wirtschaft: Die Medien diskutierten ausführlich über die Folgen des Personalmangels, der durch die überaus hohen Quarantänezahlen verursacht wurde. «Wir können nicht einen Drittel der Bevölkerung in Quarantäne schicken, sonst würde alles zusammenbrechen», gab etwa der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf (LU, mitte) gegenüber der Luzerner Zeitung zu bedenken. Am 12. Januar 2022 entschied der Bundesrat daher, die Kontaktquarantäne sowie die Isolation von zehn auf fünf Tage zu verkürzen, wie es Economiesuisse zuvor gegenüber den Medien gefordert hatte. Weiterhin konnte die Isolation jedoch nur verlassen, wer zuvor 48 Stunden ohne Symptome war. Die Kontaktquarantäne wurde überdies auf Personen in demselben Haushalt und mit engem Kontakt zu Infizierten beschränkt, während Personen, die innert der letzten vier Monate geimpft worden oder genesen waren, gänzlich von der Quarantäne ausgenommen wurden. Ausdrücklich ermöglichte der Bundesrat den Kantonen zudem Ausnahmen bezüglich Quarantäne und Isolation, «um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten». Trotz dieser Abschwächung der Quarantäne verlängerte der Bundesrat Mitte Januar 2022 ob der immer noch steigenden Fallzahlen die Geltungsdauer verschiedener Massnahmen: Die Kontaktquarantäne sowie die Homeoffice-Pflicht sollten neu bis Ende Februar gelten, die 2G-, 2Gplus- und 3G-Regeln, die Maskenpflicht und die Einschränkung privater Treffen sollten gar bis Ende März aufrechterhalten werden. Zudem sollten die Covid-19-Zertifikate in Übereinstimmung mit den Regelungen in der EU neu nur noch 270 statt 365 Tage gültig sein.

Dies sollten jedoch vorerst die letzten Verschärfungen in den Covid-19-Regelungen sein. Denn so schnell die laborbestätigten Covid-19-Fallzahlen Ende 2021 angestiegen waren, so schnell begannen sie Ende Januar 2022 wieder zu sinken. Entsprechend entschied sich der Bundesrat, die Homeoffice-Pflicht und die Kontaktquarantäne per 3. Februar 2022 wieder aufzuheben. Die Kontaktquarantäne habe aufgrund der hohen Ansteckungszahlen «an Bedeutung verloren» und wurde folglich erstmals seit Pandemiebeginn eingestellt. Weiterhin mussten sich jedoch infizierte Personen während fünf Tagen isolieren, um Ansteckungen anderer zu verhindern. Zwei Wochen später hob der Bundesrat schliesslich beinahe alle verbliebenen Covid-19-Massnahmen auf: Er beendete generell die Zertifikats- und Maskenpflicht – ausser im öffentlichen Verkehr und in Gesundheitseinrichtungen –, die Bewilligungspflicht von Grossveranstaltungen sowie die Einschränkung privater Treffen. Zuvor hatte sich eine Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmenden für diese schnelle Lockerung ausgesprochen. Zwar stiegen die Fallzahlen Mitte Februar 2022 erneut an, erreichten bis Mitte März aber mit über 40'000 Fällen und einem 7-Tage-Durchschnitt von 28'000 Fällen nicht mehr die Rekordzahlen von Mitte Januar 2022.

Dass der Anteil Personen, die sich bisher noch nie mit dem Coronavirus infiziert hatten, immer geringer wurde, zeigte sich beispielhaft an den sich mehrenden Meldungen über infizierte Bundesratsmitglieder: Im Februar 2022 traf es Ignazio Cassis, im März 2022 Gesundheitsminister Alain Berset sowie Guy Parmelin und im April Simonetta Sommaruga. Im August 2022 gab der Bundesrat dann bekannt, dass in der Zwischenzeit über 97 Prozent der Schweizer Bevölkerung mit dem Virus in Kontakt gekommen seien – durch Ansteckung oder Impfung, wobei 70 Prozent der Gesamtbevölkerung mindestens einmal geimpft seien.

Bereits vorher, nämlich am Freitag, 1. April 2022 folgte schliesslich nach über zwei Jahren Ausnahmezustand die Rückkehr in die normale Lage gemäss Epidemiengesetz. Somit fielen mit der Isolationspflicht für infizierte Personen und der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr und in Gesundheitseinrichtungen auch die letzten grossen Massnahmen zur Bekämpfung der Pandemie. Gleichzeitig legte der Bundesrat die «Hauptverantwortung für Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung» nun wieder in die Hände der Kantone. Dennoch wollte er in einer einjährigen Übergangsphase eine erhöhte Wachsamkeit und Reaktionsfähigkeit aufrechterhalten, in der die während der Pandemie wichtigen Strukturen insbesondere bezüglich Tests, Impfungen und Contact Tracing erhalten bleiben sollten. So hatten Bund und Kantone bereits einen Monat zuvor in einer Medienmitteilung festgestellt, dass auch weiterhin mit saisonalen Erkrankungswellen zu rechnen sei. Um das Ausmass der Verbreitung des Virus weiterhin überprüfen zu können, setzte der Bundesrat in der Folge verstärkt auf die Überprüfung des Abwassers: Bis zu diesem Zeitpunkt war das Wasser in sechs Kläranlagen auf die Stärke der Virenlast und die zirkulierenden Varianten überprüft worden, neu wurde dieses Projekt auf 100 Kläranlagen ausgedehnt.
Gänzlich aufgehoben wurden die Covid-19-Massnahmen im Übrigen nicht, bestehen blieben die zwangsweisen Covid-19-Tests von Abgewiesenen bei der Rückstellung in ihr Herkunftsland, welche das Parlament bis ins Jahr 2024 verlängerte.

Im Mai 2022 verabschiedete der Bundesrat ein Grundlagenpapier zu Zielen und Aufgabenverteilung in der Übergangsphase. Demnach liege die Hauptverantwortung bei den Kantonen, wobei sie insbesondere für die Test- und Spitalkapazitäten und das Impfangebot zu sorgen und allfällige Massnahmen bei Anstieg der Fallzahlen zu ergreifen hätten. Der Bund blieb lediglich zuständig für die Überwachung, den internationalen Personenverkehr, für die Versorgung mit Heilmitteln sowie für alle Massnahmen aufgrund des Covid-19-Gesetzes. Die besondere Lage gemäss Epidemiengesetz werde er zukünftig nur dann wieder ausrufen, wenn die Bemühungen der Kantone die Verbreitung des Virus nicht verhindern könnten und die öffentliche Gesundheit gefährdet sei.

Ab Juni 2022 stiegen die Fallzahlen für eine Sommerwelle – wie sie in den Medien teilweise genannt wurde – an, die Mitte Juli 2022 Höchstwerte von fast 10'000 Fällen und einen 7-Tage-Schnitt von fast 8'000 Fällen erreichte. Wie stark die Corona-Pandemie in der Zwischenzeit an Schrecken und Aufmerksamkeit verloren hatte, zeigte sich etwa daran, dass sich die Medien kaum noch auf eine einheitliche Nummerierung der Covid-19-Wellen einigen konnten. Zudem galt die Medienaufmerksamkeit in der Zwischenzeit viel mehr den beiden grossen aktuellen Themen, dem Krieg in der Ukraine und dem Energie-Engpass. Mitte September 2022 bahnte sich schliesslich eine auch vom Bundesrat mehrfach prognostizierte Herbst- und Winterwelle an, die aber bis Ende Jahr mit einem Spitzenwert im Oktober von fast 8'300 gemeldeten Neuinfektionen täglich und einem maximalen 7-Tage-Schnitt von 5'450 Neuinfektionen nicht die befürchteten Fallzahlen erreichte – womöglich auch wegen einer hohen Dunkelziffer.

Allgemein hatte sich der Fokus der bundesrätlichen Massnahmen seit November 2021 immer stärker hin zur Ausweitung der Behandlungsmöglichkeiten der Schweizer Bevölkerung verschoben. So berichtete die Regierung immer wieder über den Kauf neuer Arzneimittel, mit denen Patientinnen und Patienten mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf oder bei einem schweren Verlauf behandelt werden können: Ende November 2021 reservierte der Bundesrat 8'640 Packungen des «vielversprechenden Arzneimittels» Molnupiravir von MSD Merck Sharp & Dohme AG Schweiz, das bis im Januar 2022 verfügbar sein sollte. Ende Dezember 2021 kamen weitere Verträge mit GlaxoSmithKline AG und Roche Pharma (Schweiz) AG für die Medikamente Sotrovimab (2'000 Packungen) und Casirivimab/Imdevimab (4'000 Packungen) hinzu, welche der Bund bereits im Jahr zuvor bestellt hatte. Kurz darauf gab die Regierung im Rahmen ihres Förderprogramms für Covid-19-Arzneimittel den Abschluss von Verträgen mit vier in der Schweiz ansässigen Unternehmen in der Gesamthöhe von CHF 27 Mio. bekannt, von denen sie sich bis Ende 2022 neue Medikamente versprach. Im Mai 2022 folgte ein Vertrag mit Pfizer für die Beschaffung von 12'000 Packungen des Arzneimittels Paxlovid.

Doch nicht nur zur Behandlung, auch zur Prophylaxe standen neu Arzneimittel zur Verfügung: Noch Ende 2021 erteilte Swissmedic dem Arzneimittel Ronapreve, das zur Prävention von Covid-19 für Personen mit ungenügender Immunantwort auf die Impfung dient, die Zulassung. Dieses Medikament war in Übereinstimmung mit der Covid-19-Verordnung 3 bereits während der Zulassungsphase eingesetzt worden. Mitte Februar 2022 reservierte der Bundesrat zudem erneut 2'000 Packungen des Medikaments Sotrovimab von GlaxoSmithKline AG, während er in Übereinstimmung mit Motionen von Verena Herzog (svp, TG) und der SGK-NR den Zugang zu weiteren Arzneimitteln zur Prävention von Covid-19 für immunsupprimierte Personen sicherte. Im März 2022 und im Juil 2022 folgten Verträge mit AstraZeneca Schweiz für Tixagevimab/Cilgavimab als weitere Möglichkeit zur Prophylaxe gegen Covid-19.

Ausgedehnt wurden auch die Impfmöglichkeiten. Bereits Ende 2021 hatte der Bundesrat bekannt gegeben, dass die Bevölkerung auch im Jahr 2022 gratis Zugang zu den Covid-19-Impfungen haben werde – die Kosten teilen sich OKP, Bund und Kantone weiterhin auf. Noch Ende 2021 hiess Swissmedic nach Pfizer/BioNTech und Moderna auch die Auffrischungsimpfung von Johnson & Johnson sowie deren Kreuzimpfungen mit mRNA-Impfstoffen gut.
Neu zugelassen für Personen ab 18 Jahren wurde Anfang März 2022 überdies der Impfstoff Nuvaxovid von Novavax. Neben den beiden mRNA-Impfstoffen von Pfizer/BioNTech und Moderna sowie dem Vektor-basierten Impfstoff von Johnson & Johnson stellte Nuvaxovid einen Protein-Impfstoff dar, der «einen nicht infektiösen Bestandteil der Oberfläche des Sars-CoV-2-Virus» enthält und damit eine Immunreaktion auslöst. Im April 2022 nahmen BAG und EKIF diesen Impfstoff in ihre Impfempfehlung für Personen ab 18 Jahren auf.
Anfang März 2022 gab der Bundesrat seinen Plan für die Impfstoffversorgung der Schweizer Bevölkerung für das Jahr 2023 bekannt, die er mit je 7 Mio. Impfdosen von Pfizer/BioNTech und Moderna sowie mit je weiteren 7 Mio. optionalen Dosen sicherstellen wollte. Bereits zuvor hatte er bekannt gegeben, bis Mitte 2022 maximal 15 Mio. Impfstoffdosen an die COVAX-Initiative und andere Länder weiterzugeben, sofern die Schweiz diese nicht verwenden könne. Später entschied das Parlament jedoch bei der Beratung des Nachtrags Ib zum Voranschlag 2022, die Anzahl Impfdosen für das Jahr 2023 zu halbieren, woraufhin das BAG neue Verträge mit den Impfstofflieferanten ausarbeiten musste.
Im Juni 2022 folgte ein erstes Zulassungsgesuch für einen «Omikron-Impfstoff» durch Moderna Switzerland GmbH, Anfang August sowie Mitte September folgten auch zwei entsprechende Anträge von Pfizer/BioNTech. Die Gesuche wurden Mitte September (Moderna) respektive Mitte Oktober (Pfizer/BioNTech) bewilligt.
Laufend passten BAG und EKIF auch ihre Impfempfehlung an: Ab Mai 2022 empfahlen sie Personen mit einem stark geschwächten Immunsystem eine weitere Auffrischimpfung mit einem mRNA-Impfstoff, Anfang Juli dehnten sie diese Empfehlung auf Personen über 80 Jahren aus. Und auf den Herbst hin empfahlen sie insbesondere Personen über 65 Jahren sowie Personen mit erhöhtem Krankheitsrisiko durch Vorerkrankung oder Schwangerschaft sowie ergänzend dazu Personen in Akut- und Langzeitbetreuung oder in Betreuung besonders gefährdeter Personen eine Impfung. Schliesslich sei die Impfung auch für alle anderen Personen ab 16 Jahren sinnvoll, um «das Risiko einer Infektion oder eines seltenen schweren Verlaufs [zu] vermindern».

Nicht nur für Erwachsene, auch für Kinder wurden die Impfmöglichkeiten erweitert. Bereits Ende 2021 erteilte Swissmedic dem Impfstoff von Pfizer/BioNTech die Zulassung für Kinder zwischen fünf und elf Jahren, im Mai 2022 folgte die Zulassung des Moderna-Impfstoffs für Kinder zwischen sechs und elf Jahren und im September 2022 die Zulassung von Novoxovid für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren.

Neben den Arzneimitteln und Impfungen gelangte auch die Finanzierung der Covid-19-Massnahmen sowie der Abbau der pandemiebedingten Schulden, welche der Bundesrat ausserordentlich verbucht hatte, stärker in den Fokus. Im Februar 2022 beantragte die Regierung die Finanzierung der vom Parlament vorgenommenen Änderungen in der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes in einem ausserordentlichen Nachtrag Ia zum Voranschlag 2022, was das Parlament in der Frühjahrssession 2022 guthiess.
In der Folge wurde vor allem über den Abbau der Covid-19-Schulden diskutiert, wobei man sich lange nicht einig war, ob die Schulden mit zukünftigen Überschüssen oder auch mit bisherigen Überschüssen und dafür in einer verkürzten Frist abgebaut werden sollten. Das Parlament entschied sich schliesslich, nur die zukünftigen Überschüsse und allfällige SNB-Zusatzausschüttungen zu verwenden, deren Anfallen jedoch im Verlauf des Jahres unwahrscheinlich geworden war.

Gleichzeitig wurden auch immer mehr Aktivitäten zur Evaluation des Krisenmanagements während der Pandemie bekannt. Bereits Ende 2020 hatte das BAG eine «externe Evaluation über die Bewältigung der Covid-19-Pandemie» in Auftrag gegeben. Diese stellte Bund und Kantonen grundsätzlich ein gutes Zeugnis aus, kritisierte jedoch die Krisenvorbereitung sowie das anfängliche Krisenmanagement. Im Juni 2022 ergänzte der Bundesrat diese Evaluationsbemühungen um eine Administrativuntersuchung zur Beschaffung von Covid-19-Impfstoffen, bei der untersucht werden sollte, ob sämtliche Beschaffungen durch Kredite gedeckt «und in den Verträgen Parlamentsvorbehalte eingefügt» waren. Zeitgleich erschien auch der zweite Bericht über die Beschaffung von medizinischen Gütern während der Covid-19-Pandemie, gemäss dem die Armeeapotheke zwischen Juli 2020 und Dezember 2021 medizinische Güter im Wert von CHF 96 Mio. beschafft hatte. Deren Einsatz bezüglich der Maskenbeschaffung im Frühjahr 2020 würdigte der Bundesrat überdies in einer Stellungnahme zu einem Bericht der GPK-NR. Das «VBS und insbesondere die Armeeapotheke» hätten den Auftrag, eine grösstmögliche Menge an Schutzmasken in kürzester Zeit zu beschaffen, «unter hohem Druck, mit grossem Einsatz und trotz der schwierigen Bedingungen» erfüllt. Aus den dabei dennoch erfolgten Fehlern sollen nun Lehren gezogen werden.
Im August 2022 zeigten statistische Auswertungen schliesslich noch einmal das Ausmass der Pandemie im Jahr 2020 auf: So habe es im ersten Pandemiejahr 12.4 Prozent mehr Todesfälle gegeben als durchschnittlich, wobei die Covid-19-Pandemie mit 12.2 Prozent für am drittmeisten Todesfälle nach Herz-Kreislauf-Krankheiten (mit 26.9%) und Krebs (mit 22.2%) verantwortlich gewesen sei.

In der Herbst- und Wintersession 2022 beschäftigte sich das Parlament mit der fünften Änderung des Covid-19-Gesetzes, bei dem es erneut insbesondere um die Frage ging, wie lange die Regelungen im Covid-19-Gesetz aufrecht erhalten bleiben sollen. Besonders umstritten war dabei die Frage, ob die Kantone die Finanzierung und Organisation der Covid-19-Tests übernehmen sollten, wie dies der Bundesrat vorgeschlagen hatte. Die Kantone wehrten sich erfolgreich, so dass ab 2023 die Krankenkassen und bei Tests, welche für Reisen nötig sind, die Bevölkerung für die Tests aufkommen werden.

Verlauf und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie
Dossier: Covid-19 – Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

Jahresrückblick 2021: Kultur, Sprache, Kirchen

2021 bestätigte den Trend der letzten beiden Jahre – so zeigte die APS-Zeitungsanalyse eine rückläufige Berichterstattung rund um die Themen Kultur, Sprache oder religiöse Fragen auf (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Diesbezüglich brachte das Jahr gar einen neuen Tiefstwert seit 2016, wobei insbesondere Fragen im Zusammenhang mit den Religionen deutlich an medialer Präsenz eingebüsst hatten.

Wie auch im Jahr zuvor war die Kulturpolitik geprägt von der weltweiten Covid-19-Pandemie. Deren Auswirkungen auf den Kultursektor verdeutlichten etwa erste Zahlen des BFS im Rahmen der Kulturwirtschaftsstatistik für das Jahr 2020: Im Vergleich zu 2019 war die Beschäftigung im Kulturbereich um markante 5 Prozentpunkte gesunken, was in absoluten Zahlen 14'000 Erwerbspersonen entsprach. Vom Rückgang betroffen waren insbesondere Frauen, Personen mit einem Teilzeitpensum oder all jene, die zuvor weniger als 1 Jahr engagiert gewesen waren. Auch im Vergleich zur Gesamtwirtschaft war der starke Rückgang an Beschäftigten im Kulturbereich beträchtlich. Entsprechend kam es im Parlament zu diversen Vorstössen, mit denen auf die prekäre Situation der Kulturschaffenden reagiert werden sollte. Zwei Vorstösse, welche im Zuge der Pandemie verstärkte Unterstützungsmassnahmen für Freischaffende in Theater und Film und für Buchhandlungen verlangten, fanden im Parlament jedoch keinen Anklang. Hingegen waren sich die Räte darüber einig, dass die soziale Sicherheit der Kulturschaffenden auch unabhängig von der Pandemie verbessert werden müsse.

Neben diesen explizit auf die Pandemie zurückzuführenden Vorstössen bearbeitete das Parlament 2021 drei grosse Geschäfte im Kulturbereich. So fand die Beratung der Kulturbotschaft für die Jahre 2021-2024 nach langwierigen Diskussionen über das Filmförderungsgesetz durch Annahme des entsprechenden Entwurfs ein Ende. Eine parlamentarische Initiative zur Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts kam hingegen auch nach fast 5-jährigen Diskussionen noch zu keinem Abschluss. Zudem wurde der Entwurf des Bundesrats zum neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen beraten, mit dem unter anderem die Angleichung an eine geltende EU-Richtlinie angestrebt wird. Der Nationalrat beschäftigte sich in der Frühlings- und Sommersession mit dem Geschäft, der Ständerat wird sich wohl in der Frühlingssession 2022 damit auseinandersetzen.

Wie so oft prägte der Islam die Debatte in der Religionspolitik. Dieses Jahr lag das Augenmerk vermehrt auf der Rolle von Imamen und auf deren Einfluss auf die Gesellschaft. Die SiK-SR verlangte im März 2021 in einem Postulat, dass die Vorteile eines Bewilligungsverfahrens für Imame, ein Imam-Register sowie ein Finanzierungsverbot für Moscheen aus dem Ausland geprüft werden. Die Kommission bezweckte damit eine bessere Kontrolle von Personen, die im Rahmen ihrer religiösen Reden «terroristisches oder gewalttätig-extremistisches Gedankengut verbreiten». Ein im August 2021 vom Bundesrat publizierter Bericht über Professionalisierungsmöglichkeiten von islamischen religiösen Betreuungspersonen zeigte jedoch auf, dass der Einfluss von Imamen in Bezug auf Radikalisierungstendenzen in der Öffentlichkeit überschätzt wird. Basierend auf diesen Erkenntnissen legte der Bundesrat sodann zwölf Handlungsfelder fest, wobei insbesondere die Einbindung von öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften in die Seelsorge diverser öffentlicher Institutionen, wie etwa Militär, Spitälern oder Asylzentren, als zentrale Massnahme definiert wurde. Diese soll dazu beitragen, dass islamische Betreuungspersonen besser in die Gesellschaft integriert werden und indirekt eine Professionalisierung erreicht wird.

Ein weiteres umstrittenes Thema stellte nach wie vor die politische Beteiligung der Schweizer Kirchen im Rahmen von Abstimmungskämpfen dar. So zog die nie zuvor dagewesene Beteiligung der Kirchen am im Vorjahr geführten Abstimmungskampf zur Konzernverantwortungsinitiative Groll nach sich. Die Jungfreisinnigen hatten Stimmrechtsbeschwerden beim Bundesgericht eingereicht, womit sie eine Klärung der Rolle der Kirchen bei Abstimmungen in Form eines Leiturteils erreichen wollten. Gemäss den Medien stufte auch die Bundeskanzlei in einer Stellungnahme an das Bundesgericht das Verhalten der Landeskirchen als «zumindest grenzwertig» ein und erachtete ein Gerichtsurteil diesbezüglich als angezeigt. Das Bundesgericht schrieb die Beschwerde jedoch als gegenstandslos ab, da das Einbringen der Kirche der Initiative nicht zum Erfolg verholfen habe, wodurch das nötige aktuelle Interesse nicht gegeben sei. Diese hitzig geführte politische Debatte widerspiegelte sich auch in der Anzahl an Zeitungsartikeln mit kirchlichem oder religiösem Bezug – Anfang Jahr, auf dem Höhepunkt der entsprechenden Diskussionen – wurde häufiger über das Thema «Kirchen» berichtet als im Rest des Jahres. Gering blieb hingegen das Medienecho, als die beiden grossen Landeskirchen vor der Abstimmung zur «Ehe für alle» ihre Positionen publik machten, zumal sie sich nicht aktiv am Abstimmungskampf beteiligten.

Die Sprachpolitik fand ebenso wie in den letzten Jahren keine grosse mediale Resonanz, legte im Vergleich zum Vorjahr aber leicht zu (vgl. Abbildung 2). Dies ist wohl auf die verstärkt geführte Debatte über eine gendergerechte Sprache zurückzuführen. So startete das Jahr mit einer gesellschaftlichen Debatte über den Entscheid des Dudens, das generische Maskulin aus seinem Nachschlagewerk zu verbannen. Im Sommer kam es zu einer zweiten Runde mit einer breiten Diskussion über das sogenannte Gendersternchen, nachdem die Bundeskanzlei dessen Gebrauch in Bundesdokumenten explizit untersagt hatte.

Jahresrückblick 2021: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2021

Jahresrückblick 2021: Sozialversicherungen

Wie in den Jahren zuvor dominierte auch 2021 die Altersvorsorge die mediale Berichterstattung zu den Sozialversicherungen (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren blieb jedoch das Interesse an diesem Themenbereich erstaunlich tief – erstaunlich insofern, als in diesem Jahr die beiden grossen Revisionen der Altersvorsorge – die AHV 21 und die BVG 21 – im Parlament behandelt wurden. Ende Jahr, als in der Wintersession die Behandlung der zwei Projekte im Parlament anstand, flackerte jedoch durchaus etwas Interesse an dem Themenbereich auf (vgl. Abbildung 1).

In der Frühjahrssession begann der Ständerat die Debatte zur AHV 21-Reform, nachdem die vorberatende SGK-SR zuvor medial für ihre lange Behandlungsfrist gescholten worden war. Einigkeit herrschte zwischen den zwei Räten bei der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre, ansonsten unterschieden sich die Ansichten der zwei Kammern jedoch deutlich. Nachdem der Ständerat in der Herbstsession einer vom Nationalrat vorgeschlagenen Mehrwertsteuererhöhung von 0.4 Prozent zugestimmt hatte, setzte sich die kleine Kammer in der Wintersession bei der Ausgestaltung der Kompensationsmassnahmen grösstenteils durch: Bei gleichem Gesamtbetrag (CHF 3 Mrd. bis ins Jahr 2030) und gleicher Anzahl Übergangsjahrgänge (9) obsiegten die im Vergleich zum Vorschlag der grossen Kammer höheren Rentenzuschläge und weniger grosszügigen Vorbezugsmöglichkeiten. Innerhalb eines Jahres konnte die AHV 21 somit zu Ende beraten werden. Jedoch kündigte der SGB noch am Tage der Einigung zwischen den Räten an, das Referendum ergreifen zu wollen, an dem sich unter anderem auch die SP beteiligen will.

Nach einer gar noch längeren Vorgeschichte startete in der Wintersession 2021 auch die Reform der beruflichen VorsorgeBVG 21 – in die Parlamentsberatung. Besonders umstritten war hier das von den Sozialpartnern vorgeschlagene Umlageverfahren zur Reduktion der durch die Senkung des Umwandlungssatzes entstehenden Renteneinbussen. Noch vor der ersten Behandlung lagen bereits zahlreiche Alternativvorschläge auf dem Tisch, weshalb die Medien der Revision nur geringe Erfolgschancen zuschrieben. Dies zeigten etwa auch die ersten Reaktionen auf den Behandlungsstart der Reform in der Wintersession 2021: Nachdem sich der Nationalrat entschieden hatte, die Kompensation eines Rentenzuschlags nur 15 Jahrgängen statt allen Neurentnerinnen und Neurentnern zukommen zu lassen und dabei auf das Umlageverfahren zu verzichten, stellten die links-grünen Parteien auch hier bereits ein Referendum in Aussicht.

Wie üblich standen auch dieses Jahr verschiedene Volksinitiativen zum Thema «Altersvorsorge» auf dem Programm – die Bundeskanzlei verkündete das Zustandekommen gleich zweier neuer Initiativen: der Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter», welche eine 13. AHV-Rente forderte, sowie der Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)», die eine automatische Anpassung des Rentenalters an die Lebenserwartung verlangte. Hingegen scheiterte die Volksinitiative «Ja zu steuerfreien AHV- und IV-Renten, mit der die Renten von Personen mit jährlichem Einkommen unter CHF 72'000 von den Steuern hätten befreit werden sollen, in der Unterschriftensammlung.

Die mediale Flaute in der Berichterstattung über die Altersvorsorge führte zu einer Stärkung der Diskussionen über die Krankenversicherung, wobei im Parlament insbesondere Projekte gegen den Prämienanstieg im Mittelpunkt standen. Zentral war dabei das erste Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen, das im Jahr zuvor in zwei Pakete unterteilt worden war. Während das Paket 1a dieses Jahr trotz einiger breit diskutierter Punkte bereinigt werden konnte, hatte man die am stärksten umstrittenen Regelungen ins Paket 1b ausgelagert. Diesbezüglich entschieden sich National- und Ständerat bis Ende Jahr unter anderem gegen das vom Bundesrat vorgeschlagene Referenzpreissystem und schlugen stattdessen Alternativen vor. Noch keine Botschaft lag Ende Jahr zum zweiten Paket zur Kostendämpfung vor, an welcher der Bundesrat 2021 arbeitete.

Eine Offensive gegen den Prämienanstieg hatten im Jahr zuvor die Kantone Tessin, Genf, Jura, Freiburg und Neuenburg mit je drei Standesinitiativen für einen stärkeren Einbezug der Kantone bei der Genehmigung der Prämientarife sowie für zwei Massnahmen zur Reduktion der Reserven der Krankenversicherungen gestartet. In der Zwischenzeit hatte der Bundesrat die KVAV geändert und dabei den freiwilligen Abbau und die Rückerstattung der Krankenkassenreserven vereinfacht sowie die Regeln dazu präzisiert. Als Folge dieser Änderung präsentierte der Bundesrat im September die Krankenkassenprämien für das Jahr 2022: Erstmals seit 2008 würde die mittlere Prämie sinken, was grösstenteils auf einen Reserveabbau und eine knappere Kalkulation durch die Krankenversicherungen – also auf seine Verordnungsänderung – zurückzuführen sei. Der Ständerat sprach sich in der Folge gegen die Initiativen zu den Reserven aus, hiess aber den Einbezug der Kantone sowie eine ähnlich lautende Motion) gut.

Die Folgen der hohen Krankenkassenprämien bekämpfte die Prämien-Entlastungs-Initiative, welche im Vorjahr zustande gekommen war und eine Beschränkung der Krankenkassenprämien für die Haushalte auf maximal 10 Prozent des Einkommens forderte. Der Bundesrat empfahl die Initiative zur Ablehnung, präsentierte aber 2021 einen indirekten Gegenvorschlag, womit unter anderem der durchschnittliche Kantonsbeitrag an die Prämienverbilligungen erhöht werden sollte. Hingegen verpasste 2021 die Volksinitiative «Ja zu mehr Mitbestimmung der Bevölkerung bei der Kranken- und Unfallversicherung», mit der die Bürgerinnen und Bürger Art und Umfang ihrer Versicherung hätten wählen können, die Unterschriftenhürde.

Für Diskussionen sorgte nicht zuletzt auch der Entwurf der SGK-SR zur Umsetzung der Standesinitiative des Kantons Thurgau über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht. Einig war man sich diesbezüglich, dass Kinder bei Erreichen der Volljährigkeit nicht mehr für ihre Krankenkassenprämien und Kostenbeteiligungen, welche ihre Eltern zuvor nicht bezahlt hatten, haftbar gemacht und zudem nicht mehr auf sogenannten schwarzen Listen der säumigen Prämienzahlenden aufgeführt werden sollen. Umstritten war hingegen, inwiefern die entsprechenden Listen zukünftig noch geführt werden dürfen: Obwohl eine Kommissionsminderheit mit der Unterstützung des Bundesrates die Streichung der Listen beantragt hatte, sprach sich der Ständerat überaus knapp für deren Beibehaltung aus. Diesen Entscheid stützte auch der Nationalrat.

Schliesslich spielte 2021 auch die Covid-19-Pandemie erneut eine Rolle im Krankenversicherungsbereich. Der Bundesrat genehmigte im Januar 2021 den Tarifvertrag zur Vergütung der Covid-19-Impfung, gemäss dem die OKP CHF 14.50 als Pauschale und CHF 5 für das Impfmaterial pro Impfung übernimmt. Der Bund bezahlt die Differenz dieser CHF 5 zum Einkaufspreis der Impfung, der vertraulich ist. Dadurch sollten der OKP für das Jahr 2021 Kosten von CHF 201 Mio. entstehen. In der Wintersession entschied sich das Parlament im Rahmen der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes erst in der Einigungskonferenz dagegen, die Verträge mit den Impfstofflieferanten offenzulegen – der Nationalrat hatte sich eine solche Offenlegung gewünscht.

Besonders stark von den Covid-19-Massnahmen betroffen waren schliesslich die Arbeitslosenversicherung durch die Kurzarbeitsmassnahmen sowie die Erwerbsersatzordnung durch die Covid-19-Erwerbsausfallentschädigungen. Der Einsatz beider Instrumente war während des Jahres mehrfach verlängert oder gar erweitert worden, um der schwierigen Situation verschiedener Branchen zu begegnen. Dadurch fielen bezüglich Kurzarbeit 2021 Corona-bedingte Kosten von CHF 10.8 Mrd. und für die Erwerbsausfallentschädigungen solche in der Höhe von CHF 2.2 Mrd. an. Wie bereits im Vorjahr entschieden sich Bundesrat und Parlament, der ALV die Kurzarbeitskosten zu vergüten, damit diese ihre Schuldenobergrenze nicht erreicht.

Jahresrückblick 2021: Sozialversicherungen
Dossier: Jahresrückblick 2021

Im Jahr 2021 erzielte der AHV/IV/EO-Ausgleichsfonds an der Börse eine Nettorendite von 5.28 Prozent (2020: 5.22%). Wider Erwarten habe sich die Wirtschaft rasch erholt, vermeldete die Compenswiss. Die Netto-Rendite des EO-Vermögens betrug 5.05 Prozent, womit die EO im Jahr 2021 zusätzlich CHF 66 Mio. erhielt. Zusammen mit dem positiven Umlageergebnis von CHF 165 Mio. – die EO hatte im Jahr 2021 somit mehr Erträge als Aufwände zu verzeichnen – kam das Jahresergebnis 2021 der EO bei CHF 231 Mio. zu liegen.

Jahresergebnis 2021 der Erwerbsersatzordnung
Dossier: Jahresergebnisse der EO

Nach den ersten Beratungen des Entwurfs der RK-SR zum Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesen in Umsetzung einer parlamentarischen Initiative Luginbühl (bdp, BE) waren zur Differenzbereinigung in der Herbst- und Wintersession 2021 noch zwei Differenzen offen.

Bei der ersten Differenz wollte der Nationalrat neu das Beschwerderecht im Rahmen von Stiftungen gesetzlich regeln und auf Personen ausweiten, die ein «berechtigtes Kontrollinteresse» an der Arbeit des Stiftungsrates haben. Der Ständerat folgte jedoch stillschweigend seiner Kommission, lehnte diesen Punkt ab und hielt somit an der Differenz fest. Der Artikel sei zu undeutlich formuliert, weshalb man eine Beschwerdeflut und somit eine Schwächung des Stiftungsstandorts Schweiz und der Rechtssicherheit fürchte, erklärte Kommissionssprecher Beat Rieder (mitte, VS). Zudem sei die bereits bestehende Aufsicht über Stiftungen ausreichend und funktioniere gut. Doch auch der Nationalrat hielt in der Wintersession 2021 auf Anraten seiner Kommissionsmehrheit und gegen eine Minderheit Vogt (svp, ZH) an der Differenz fest: Die Formulierung eines «berechtigte[n] Kontrollinteresse[s]» werde eine Beschwerdeflut verhindern, argumentierte Kommissionssprecherin Judith Bellaïche (glp, ZH). Erfolglos blieb auch eine Minderheit Dandrès (sp, GE), die den Beschwerdeweg noch weiter öffnen und die Bedingung eines «berechtigten Interesses» streichen wollte. In der Folge stimmten beide Räte einem Kompromissvorschlag zu: So hatte eine erfolgreiche Minderheit Sommaruga (sp, GE) im Ständerat vorgeschlagen, das Beschwerderecht begrenzter zu erweitern, als es der Nationalrat ursprünglich vorgesehen hatte. Konkret sollten Spenderinnen und Spender sowie ihnen nahestehende Personen, welche der Nationalrat einschliessen wollte, vom Beschwerderecht ausgeschlossen werden. Der Ständerat folgte diesem Vorschlag mit 26 zu 17 Stimmen. Der Bundesrat, welcher sich ursprünglich gegen eine Erweiterung ausgesprochen hatte, erachtete diesen Kompromiss ebenfalls als machbare Lösung, wie Karin Keller-Sutter erläuterte. In der Folge stimmte auch der Nationalrat dieser Lösung stillschweigend zu, womit diese erste Differenz bereinigt war. Damit haben nun Begünstigte und Gläubiger einer Stiftung, sowie Stifter und Zustifter, ihnen nahestehende Personen und Stiftungsratsmitglieder ein Beschwerderecht. Dafür muss jedoch ein berechtigtes Kontrollinteresse daran, dass die Stiftung im Sinne des Stiftungszwecks handelt, nachgewiesen werden können.

Eine zweite Differenz hatte der Nationalrat bei der Frage, ob Stiftungen, die ihre Stifungsorgane entsprechend ihrer Aufgaben entlöhnen, steuerbefreit werden können, geschaffen. Die RK-SR wollte auch hier an der ablehnenden Haltung des Ständerats festhalten, da diese Forderung in der Vernehmlassung von 18 Kantonen strikt abgelehnt worden sei, wie Kommissionssprecher Rieder die Mehrheitsposition ausführte. Die Kommission befürchtete etwa, dass Stiftungsgelder so in Löhne statt in den tatsächlichen Stiftungszweck fliessen würden. Der Ständerat folgte stillschweigend seiner Rechtskommission, woraufhin aber auch der Nationalrat an seiner Version festhielt, um eine professionellere Stiftungsführung zu ermöglichen. Zudem gehe es eben um «angemessene» und nicht um «marktkonforme» Löhne, wie der Ständerat befürchtet hatte. Die Argumentation des Ständerates sei widersprüchlich, da er den zweckmässigen Einsatz der Gelder bei den Löhnen fürchte, aber gleichzeitig eine Beschwerdemöglichkeit für solche Fälle verhindern wolle, kritisierte Kommissionssprecherin Bellaïche den Schwesterrat. Nach einem weiteren Festhalten des Ständerats lenkte der Nationalrat ein und verzichtete auf diese Ergänzung, womit auch die letzte Differenz bereinigt werden konnte.

Das Geschäft war damit für die Schlussabstimmungen bereit, welche noch in der Wintersession 2021 stattfanden. Der Nationalrat nahm den Entwurf mit 141 zu 52 Stimmen an, wobei alle ablehnenden Stimmen von Mitgliedern der geschlossen stimmenden SVP-Fraktion stammten. Der Ständerat nahm die Vorlage hingegen einstimmig mit 43 Stimmen an. Damit kamen die Beratungen zur parlamentarischen Initiative Luginbühl und zu deren Umsetzung nach gut sieben Jahren zu einem Ende.

Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts (Pa. Iv. 14.470)

Nachdem die RK-SR die Vorprüfung der fünf Standesinitiativen (Kt.Iv. BE 08.316; Kt.Iv. SG 09.313; Kt.Iv. TI 09.314; Kt.Iv. FR 09.332; Kt.Iv. ZG 10.302) wieder aufgenommen hatte, nachdem sie zuvor zehn Jahre lang sistiert gewesen waren, kam sie zum Schluss, dass die Forderungen der fünf Standesinitiativen für einen stärkeren Schutz von Jugendlichen vor gewaltvollen Videospielen im Entwurf des Bundesrates zum neuen Bundesgesetz zum Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiel einbezogen würden und dass beide Kammern im Rahmen der Debatte über das Gesetz ihre Anliegen einbringen können. Da damit keine weiteren Massnahmen nötig seien, beantragten die RK-SR sowie die RK-NR, den kantonalen Begehren keine Folge zu geben. Die beiden Räte folgten diesen Anträgen diskussionslos und stillschweigend.

Verbot von gewaltvollen Videospielen (Kt.Iv. BE 08.316; Kt.Iv. SG 09.313; Kt.Iv. TI 09.314; Kt.Iv. FR 09.332; Kt.Iv. ZG 10.302)

In der Sommersession 2021 forderte Baptiste Hurni (sp, NE) mittels eines Postulats den Bundesrat dazu auf, die Datenlage über den Schweizer Musiksektor auszubauen. Genauer wollte er Statistiken über die Bedeutung der Schweizer Musikwirtschaft, den Konsum von inländisch und ausländisch produzierter Musik in der Schweiz, sowie zum Einkommen von Personen, die im Musiksektor tätig sind. Weiter forderte er eine Analyse von potenziellen nationalen Lösungen, damit ein angemessenes Einkommen sowie die Förderung der Schweizer Musikproduktion erreicht werden können – dies beispielsweise durch die Einführung von Steuern für Streaming-Plattformen oder Quoten für Schweizer Musik. Zuletzt verlangte er, dass internationale Debatten zu diesem Thema bekannt und die Rolle der Schweiz im internationalen Kontext untersucht werden.
Obwohl dieser Wirtschaftszweig seit 2015 stetig gewachsen sei, seien es hauptsächlich die digitalen Giganten wie Spotify oder Apple Music, die profitieren würden, wie der Sozialdemokrat sein Anliegen in der Wintersession 2021 begründete. Ein Musiker oder eine Musikerin verdiene pro Lied, das gespielt werde, nur 0.39 Rappen; damit müsste der Song rund eine Million Mal pro Monat gehört werden, damit ein Gehalt von CHF 4'000 erreicht werde. Dies sei für viele Schweizer Künstlerinnen und Künstler unmöglich zu erreichen, insbesondere in einem kleinen Land wie der Schweiz, welches zusätzlich in drei Kulturräume unterteilt sei.
Philippe Nantermod (fdp, VS) bekämpfte das Postulat mit dem Argument, dass der Musikmarkt gut funktionieren würde, weshalb ein staatliches Eingreifen nicht gerechtfertigt sei. Ausserdem würden die Streaming-Dienste die Musikschaffenden nicht schlechter, sondern gar besser stellen. So seien die Jahre der Online-Piraterie ein ernsthaftes Problem gewesen, welches den Musikmarkt stark geschädigt habe. Das Streaming Angebot habe dem erfolgreich entgegengewirkt und den Künstlerinnen und Künstlern wieder ein Einkommen verschafft, welches vergleichbar sei mit jenem vor der Einführung des Internets. Statt neue Gesetze auf Bundesebene zu erlassen, sei es zielführender, sich zu fragen, wieso keiner dieser Streaming-Dienste einen Sitz in Europa habe.
Kulturminister Berset entgegnete der Argumentation von Nantermod, dass es bei diesem Postulat nicht darum gehen würde, direkte Massnahmen zu ergreifen oder einen Gesetzesentwurf zu erarbeiten. Er fordere lediglich die momentane Lücke in der Datenlage im Musiksektor zu füllen, damit solche Diskussionen auf objektiver Basis geführt werden können. Bersets Empfehlung, das Postulat anzunehmen erhielt jedoch kein Gehör: Die geschlossen stimmenden Fraktionen der SP, der GLP und der Grünen, welche sich für Annahme aussprachen, konnten sich gegen die ebenfalls geschlossen stimmenden Fraktionen der FDP.Liberalen und der SVP, zuzüglich einer grossmehrheitlichen Opposition der Mitte-Fraktion, nicht durchsetzen. Das Postulat wurde im Nationalrat mit 102 zu 82 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) abgelehnt.

Musikstreaming und Einkommen in Musikberufen. Daten erheben und Lösungen finden

Zu Beginn der Wintersession 2021 machte sich der Ständerat an die Beratung der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes. Kommissionssprecher Rechsteiner (sp, SG) verwies auf die in doppeltem Sinne spezielle Ausgangslage: Einerseits habe man ursprünglich erwartet, dass die Pandemie bis Ende 2021 vorüber sei – entsprechend habe man das Covid-19-Gesetz ursprünglich bis Ende 2021 begrenzt. Nun stiegen jedoch die Infektionszahlen «in einem Ausmass, das wir uns noch vor Kurzem so nicht hätten vorstellen können». Zudem hatten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nur Tage zuvor nach dem Gesetz selbst auch dessen zweite Revision an der Urne mit über 60 Prozent Ja-Stimmen gutgeheissen. «Das Abstimmungsresultat kann so auch als eindrückliche Bestätigung der Politik und der Beschlüsse des Bundesrates [...] gelesen werden, aber auch – und das möchte ich hier unterstreichen – als eine Bestätigung der Politik und der Beschlüsse des Parlamentes», freute sich Rechsteiner. Da die Krise aber noch nicht zu Ende sei, müssten auch die «nötigen Massnahmen zur Krisenbewältigung» aufrechterhalten werden. Aus diesem Grund stimme die SGK-SR den Verlängerungsanträgen des Bundesrates zu und sei in einigen Punkten darüber hinausgegangen. Auch Gesundheitsminister Berset verwies auf den neuen Höchststand an täglichen Fallzahlen und betonte insbesondere die ungewisse Situation: Zwar habe man im Vergleich zum letzten ähnlich starken Anstieg eine Impfung und eine gewisse Immunität gegenüber dem Virus entwickelt, gleichzeitig sei diese Mutation jedoch viel ansteckender als frühere. Dennoch möchte der Bundesrat auf die zusätzlichen, durch die Kommission eingebrachten Verlängerungen verzichten, da es in den jeweiligen Bereichen auch ordentliche Instrumente gebe, die genutzt werden könnten. Eintreten wurde in der Folge ohne Gegenantrag beschlossen.
Den zentralen Aspekt dieser Gesetzesänderung stellte die Verlängerung der Geltungsdauer einzelner Artikel dar. Der Bundesrat plante, die verschiedenen Regelungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten auslaufen zu lassen. Als erstes sollte Ende April 2022 die Übernahme der nicht gedeckten Kosten für Publikumsanlässe, der sogenannte Schutzschirm für Publikumsanlässe, fallen – wie es bereits in der geltenden Version des Covid-19-Gesetzes vorgesehen war. Bisher sei noch kein entsprechender Antrag auf Entschädigung eingegangen, betonte Gesundheitsminister Berset. Da die Massnahme also nicht zwingend nötig erscheine, solle man sie im Sinne einer Übergangslogik nach dem Winter auslaufen lassen. Dagegen wehrte sich jedoch die SGK-SR, welche den Schutzschirm bis Ende 2022 aufrechterhalten wollte. Er sei auch im Jahr 2022 nötig, betonte Kommissionssprecher Rechsteiner – wenn die Gelder nicht beansprucht würden, sei dies umso besser. Mit 37 zu 5 Stimmen (bei 1 Enthaltung) setzte sich die Kommissionsmehrheit gegen den Bundesrat durch.
Bei der Unterstützung der Sportvereine hingegen folgte der Ständerat stillschweigend dem Vorschlag des Bundesrates: Ende Juni 2022, nach der aktuellen Sportsaison, sollen die A-Fonds-perdu-Beiträge und Darlehen für die Sportklubs auslaufen.
Für die meisten Massnahmen beabsichtigte der Bundesrat eine Laufzeit bis Ende 2022, so etwa für die Kriterien und Richtwerte des Covid-19-Gesetzes, für die meisten Bestimmungen zu Massnahmen im Gesundheitsbereich, für alle Massnahmen zum Arbeitnehmendenschutz, im Asyl- und Ausländerbereich, zu Grenzschliessungen, zum Einsatz technischer Hilfsmittel bei Verhandlungen und Einvernahmen sowie bei den übrigen Massnahmen im Kulturbereich (mit Ausnahme des Schutzschirms). Im Unterschied zum Bundesrat beantragte die Mehrheit der SGK-SR überdies verschiedene Massnahmen der ALV, insbesondere diejenigen zur Kurzarbeitsentschädigung, aber etwa auch die längere Rahmenfrist für den Leistungsbezug oder eine Regelung zur Entlastung der Durchführungsstellen, bis Ende 2022 zu verlängern. Der Bundesrat wehrte sich erfolglos dagegen, während eine Minderheit Hegglin (mitte, ZG) zukünftig zumindest auf das vereinfachte Abrechnungsverfahren in der Arbeitslosenversicherung verzichten wollte. Sein Antrag blieb jedoch ebenfalls erfolglos.
Vergessen gegangen in der Liste der Verlängerungen seien die Massnahmen im Bereich der politischen Rechte, kritisierte Thomas Minder (parteilos, SH) und schlug in einem Einzelantrag auch deren Verlängerung bis Ende 2022 vor. Die Sammlung von Unterschriften sei Corona-bedingt noch immer erschwert, weshalb die administrative Erleichterung für die Referendums- und Initiativkomitees beibehalten werden solle. Mit 40 zu 4 Stimmen hiess der Ständerat die entsprechende Verlängerung gut.
Jakob Stark (svp, TG) beantragte schliesslich in einem Einzelantrag, die generelle Geltungsdauer des Covid-19-Gesetzes, welche Bundesrat und Kommission bis Ende 2022 verlängern wollten, auf Ende Juni 2022 zu beschränken. Er wollte damit dem Bundesrat sowie der Bevölkerung das Signal geben, dass man im Laufe des Jahres wieder zu der ordentlichen Gesetzgebung zurückkehren wolle. Entsprechende Anträge seien auch in der WBK und der SGK-NR diskutiert worden. Nachdem Hans Stöckli (sp, BE) korrigiert hatte, dass es sich auch beim Covid-19-Gesetz um ordentliche Gesetzgebung handle – wenn auch um dringliche –, lehnte der Ständerat den Antrag Stark mit 28 zu 10 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) ab.

Neben den Fristverlängerungen sah der Bundesrat nur wenige weitere Änderungen des Covid-19-Gesetzes vor. Eine davon betraf die Erwerbsausfallentschädigungen. Diese wollte die Regierung und mit ihr eine Minderheit Hegglin zukünftig nur noch im Falle von Unterbrüchen in der Erwerbstätigkeit aufgrund von Covid-19-Massnahmen des Bundes gewähren, nicht aber wie bisher auch bei massgeblichen Einschränkungen der Erwerbstätigkeit. Die Regelung dazu, was massgebliche Einschränkungen seien, sei zu unklar und berge daher Missbrauchspotenzial, kritisierte Hegglin. Die Mehrheit der SGK-SR wollte hingegen beim geltenden Recht bleiben – Kommissionssprecher Rechsteiner verwies auf zahlreiche Verbände betroffener Branchen, die um eine Beibehaltung der bisherigen Regelung gebeten hätten. Mit 34 zu 8 Stimmen sprach sich der Ständerat für den Mehrheitsantrag aus. Stillschweigend folgte der Ständerat der Regierung hingegen bei ihrem Vorschlag, neben den Kantonen neu auch dem SECO Kontrollmöglichkeiten bezüglich der Härtefallmassnahmen zu gewähren.
Ein Minderheitsantrag Germann (svp, SH) schlug schliesslich als Ergänzung zum geltenden Recht vor, dass angemessene Schutzkonzepte bei Veranstaltungen und privaten Zusammenkünften zukünftig nur möglich sein sollen, wenn sie zur «Sicherstellung der Kapazitäten im Gesundheitsbereich» erforderlich sind. Gemäss geltendem Recht mussten sie «verhältnismässig» sein. Er wolle damit verhindern, dass die Covid-19-Massnahmen «leichtfertig wieder auf alle möglichen Aktivitäten in den Bereichen Sport, Kultur und Freizeit ausgedehnt werden könnten», begründete Germann den Antrag. Mit 28 zu 14 Stimmen lehnte der Ständerat die Ergänzung ab.
Auch in anderen Gesetzen standen einzelne Regelungen zur Diskussion: Stillschweigend verlängert wurde dabei die Geltungsdauer einzelner Bestimmungen im Epidemiengesetz, etwa zum Proximity-Tracing-System, zur internationalen Zusammenarbeit und zu den Ordnungsbussen. Ein Einzelantrag Hegglin verlangte überdies, dass der Bund auch im Jahr 2022 einen ausserordentlichen Beitrag an den ALV-Ausgleichsfonds leisten und wie in den Jahren zuvor die Aufwendungen für die Kurzarbeitsentschädigung übernehmen solle. Mit 39 zu 0 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) sprach sich der Ständerat für diese Regelung aus.

In der Gesamtabstimmung nahm der Ständerat die vierte Revision des Covid-19-Gesetzes mit 34 zu 0 Stimmen (bei 6 Enthaltungen) an. Ratspräsident Hefti (fdp, GL) gab dabei bekannt, dass der Rat zwei Petitionen (Pt. 21.2007 «Corona-Massnahmen und Impfpass» von Regula Heinzelmann und Pt. 21.2020 «Für einen Strategiewechsel beim Corona-Gesundheitsschutz» von Peter Mattmann-Allamand) zur Kenntnis genommen habe.

Vierte Revision des Covid-19-Gesetzes (Verlängerung von einzelnen Bestimmungen, BRG 21.066)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

Von Oktober bis Dezember 2021 verwandelte sich das Bundeshaus im Kontext der zweiten Frauensession und zur Feier des 50-jährigen Jubiläums des Frauenstimmrechts erstmalig seit seines Bestehens in eine Kunsthalle, wie die Aargauer Zeitung berichtete. Die von der Schweizerischen Gesellschaft bildender Künstlerinnen (SGBK) organisierte Aktion umfasste insgesamt 67 Silhouetten von Künstlerinnen, welche alle – mit einem klar ersichtlichen Stimmzettel versehen – im ganzen Bundeshaus verteilt waren. Dass gerade die SGBK, eine kleine, privat finanzierte und ums Überleben kämpfende Organisation, eine solche Aktion zu Ehren der Frauen organisierte und nicht etwa der grösste Berufsverband der Schweizer Kulturschaffenden, die staatlich subventionierte Visarte, passe gemäss der Aargauer Zeitung in die Geschichte der Organisation: So hätten Künstlerinnen schon immer um den Zugang zur Kunstszene kämpfen müssen und seien lange Zeit weder zu Akademien noch Berufsverbänden zugelassen gewesen. Als Reaktion hätten 1902 die Pionierinnen Hanni Bay, Adèle Lilljeqvist, Clara von Rappard und Martha Stettler, gemeinsam mit anderen Frauen, ihren eigenen Berufsverband gegründet: die SGBK.
Im Zusammenhang mit dem 50-jährigen Jahrestag der Einführung des Frauenstimmrechts ging die Aargauer Zeitung in einem Interview mit der Leiterin der visuellen Künste bei Pro Helvetia, Madeleine Schuppli, zudem der Frage nach, warum die Kunstwelt nach wie vor so stark von Männern dominiert sei. Schuppli erklärte dies unter anderem mit den wenigen weiblichen historischen Figuren in der Kunst – eben mangels der fehlenden Möglichkeiten für Frauen damals. Zudem würden Käuferinnen und Käufer von Kunstwerken im Hinblick auf die hohen Investitionen eher risikoavers handeln und Werke von Männern noch immer als sicherere Variante einstufen. Schliesslich seien auch die hohen Führungsposten im Kunstbereich, etwa Direktionsstellen in grossen Kunsthäusern, nach wie vor mehrheitlich in Männerhand. Hingegen würden die Kunststudiengänge schon länger mehrheitlich von Frauen besucht und mittelgrosse Kunsthäuser von Direktorinnen geleitet. Schuppli verwies auch auf den weiterhin grossen Gender-Pay-Gap: So sei dieser in der Kulturwirtschaft gemäss einer Statistik des BFS mit 17 Prozent sogar höher als der nationale Durchschnitt von 12 Prozent.

Frauen in Kunst und Kultur

Ende Oktober 2021 präsentierte der Bundesrat seinen Entwurf für die vierte Änderung des Covid-19-Gesetzes, welche die Verlängerung von einzelnen Bestimmungen zum Ziel hatte. Damit wollte er sich die nötigen Instrumente sichern, falls die Krise auch im Jahr 2022 anhalten sollte. Für diesen Fall wolle er weiterhin «über die Instrumente [verfügen], die für die Bewältigung der Covid-19-Epidemie erforderlich sind». Bereits vor dieser Revision waren die Artikel zu Gegenstand und Grundsätzen des Covid-19-Gesetzes sowie alternative Bestimmungen bezüglich einer Anzeigepflicht bei Kapitalverlust und Überschuldung bis Ende 2031 und einzelne Bestimmungen zur Arbeitslosenversicherung sowie die Regelungen des Covid-19-Zertifikats bis Ende 2023 respektive 2022 gültig. Neu sollten nun auch die Massnahmen im Bereich der Gesundheitsversorgung, etwa mögliche Ausnahmen zur Einfuhr oder zur Zulassungspflicht von Medikamenten, die Regelungen des Proximity-Tracings oder der Quarantäneverzicht für geimpfte Personen, bis Ende 2022 verlängert werden. Auch die Regelungen bezüglich Massnahmen im Bereich des Arbeitnehmendenschutzes, also insbesondere der Schutz von besonders gefährdeten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern durch die Arbeitgebenden, bezüglich Massnahmen zur Förderung des Berufseinstiegs, Einschränkungen bei Einreisen von Ausländerinnen und Ausländern sowie Fristerstreckungen im AIG oder bezüglich der Möglichkeit von technischen Hilfsmitteln bei justiziellen Verfahren sollten ein Jahr länger gültig bleiben. Darüber hinaus wollte der Bundesrat die Geltungsdauer der Massnahmen im Kulturbereich, insbesondere die Unterstützung von Kulturunternehmen und Kulturschaffenden, nicht aber den Schutzschirm für Publikumsanlässe verlängern und die A-Fonds-perdu-Beiträge für die Sportvereine sowie die Darlehen für verschiedene Mannschaftssportvereine beibehalten – Letzteres jedoch nur bis Ende Juni 2022 und somit bis Ende der jeweiligen Saisons. Ein Jahr länger als ursprünglich geplant sollten auch die Covid-Erwerbsausfallentschädigungen zugänglich bleiben: Da bestimmte Personengruppen sowie Kleinkinder bisher keine Möglichkeit zur Impfung hätten, seien auch im kommenden Jahr Quarantänemassnahmen und entsprechende Schliessungen von Betreuungseinrichtungen oder Ausfälle in der Kinderdrittbetreuung möglich. In diesen Fällen – aber auch falls wider Erwarten erneut Betriebsschliessungen und Veranstaltungsverbote nötig sein sollten – sollte daher der Zugang zu Erwerbsausfallentschädigungen durch den Bundesrat ermöglicht werden können. Schliesslich werde gemäss Bundesrat auch eine neue Regelung zur Abgeltung der Härtefallmassnahmen an die Kantone nötig, da nicht alle Abrechnungen bis Ende 2021 vorgenommen werden könnten. Zusammen mit dieser Fristverlängerung beantragte der Bundesrat in einer zweiten Nachmeldung zum Voranschlag 2022 CHF 915 Mio., um die dadurch anfallenden Kosten insbesondere beim Corona-Erwerbsersatz (CHF 490 Mio.), bei der Bundesfinanzierung der Covid-Tests (CHF 134 Mio.), beim Kulturbereich (CHF 130 Mio.) und beim Sport (CHF 100 Mio.) abzudecken.
Nicht verlängert werden sollten hingegen unter anderem die Härtefallhilfen und die meisten Bestimmungen zur Arbeitslosenversicherung.

Vierte Revision des Covid-19-Gesetzes (Verlängerung von einzelnen Bestimmungen, BRG 21.066)
Dossier: Covid-19-Gesetz und Revisionen

In der nationalrätlichen Herbstsession 2021 wurde die Forderung nach einem ergänzenden, bezahlten Vaterschaftsurlaub von maximal 14 Wochen, eingebracht in Form einer parlamentarischen Initiative Bertschy (glp, BE), mit 38 zu 110 Stimmen (bei 38 Enthaltungen) klar abgelehnt. Unterstützung erhielt das Anliegen lediglich von der geschlossenen GLP-Fraktion, einer Mehrheit der SP-Fraktion und insgesamt drei Mitgliedern aus den Fraktionen der Grünen und der Mitte. Die Grünen-Fraktion enthielt sich beinahe gänzlich der Stimme – ebenso wie eine Minderheit der SP und zwei Ratsmitglieder der Mitte. Fünf SP-Mitglieder stellten sich gar gegen die Initiative. Die fehlende Unterstützung aus dem linken Lager war in der Ausgestaltung der Vorlage begründet. So befürchtete Flavia Wasserfallen (sp, BE) im Rat, dass bestehende, grosszügigere Urlaubsregelungen für die Mutter bei Annahme der Initiative auf 14 Wochen reduziert werden könnten. Die Bestärkungen der GLP-Nationalrätin Bertschy, dass es ihr keinesfalls um die Kürzung bestehender Lösungen gehe, sondern um eine ergänzende Lösung für den Vater im selben, bekannten Umfang, verfingen im Nationalrat auf linker Seite nicht. Min Li Marti (sp, ZH) bestätigte ferner gegenüber dem Tages-Anzeiger, dass je 14 Wochen einigen Linken zu wenig weit gingen.

14 Wochen Elternurlaub für beide Elternteile (Pa.Iv. 20.472)

Die SGK-SR forderte im Mai 2021 in einem Postulat einen Bericht zur Trennung der Durchführungs- und Aufsichtsfunktionen der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS). Die ZAS ist für die Vollzugsaufgaben in der 1. Säule zuständig, unter anderem für die Kontrolle der Buchführung der Ausgleichskassen, die Führung der zentralen Register, die Abwicklung von Rentenzahlungen ins Ausland und die Durchführung der AHV für das Bundespersonal. Sie ist der EFV angegliedert, was die EFK aufgrund unklarer Aufsichtszuständigkeiten bei der EFV und beim BSV kritisierte. Infolgedessen forderte die Kommission, dass die Trennung der Aufsichtsaufgaben und der Durchführungsaufgaben geprüft werde, wobei Letztere aus der Bundesverwaltung auszugliedern seien. Der Bundesrat hiess das Anliegen gut, wollte aber eine ergebnisoffene Prüfung durchführen und den Ausgliederungsentscheid folglich nicht bereits vorgängig treffen. Stillschweigend stimmte der Ständerat dem Postulat in der Herbstsession 2021 zu.

Bericht zu den Durchführungs- und Aufsichtsfunktionen der Zentralen Ausgleichsstelle innerhalb der Bundesverwaltung

In der Herbstsession 2021 lehnte der Ständerat eine Motion von Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) ab. Die Motionärin hatte eine Vereinfachung und Erweiterung der Regelungen zur Wiedererlangung der Erwerbsfähigkeit in zahlreichen Gesetzen gefordert, etwa im AVIG, IVG, UVG, EOG oder im VVG. Zudem verlangte sie eine ergänzende Regelung für einen «Verdienstersatz bei Erwerbsausfall bei Personen in atypischen und prekären Arbeitsformen, für Selbstständigerwerbende und für Freischaffende in Theater und Film». Um zukünftig grosse finanzielle Probleme durch Erwerbslücken aufgrund von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Unfall bei den Selbständigerwerbenden zu verhindern, solle ihr Versicherungsschutz und ihr Verdienstausfall zukünftig garantiert werden. Der Bundesrat entgegnete in seiner Stellungnahme, dass ein entsprechender Versicherungsschutz bei der IV und der EO bereits gegeben sei, bei der Unfallversicherung und der Krankentaggeldversicherung müssten sich die Selbständigerwerbenden hingegen freiwillig versichern, wie auch im Rahmen des Postulats Nordmann (sp, VD; Po. 12.3087) noch einmal bestätigt worden sei. Nicht möglich sei schliesslich eine Arbeitslosenversicherung für Selbständigerwerbende, wie sie auch das Postulat Roduit (mitte, VS; Po. 20.4141) vorsehe, zumal hier das Missbrauchspotenzial zu gross sei. Mit 25 zu 11 Stimmen lehnte der Ständerat die Motion ab.

Erwerbsersatzordnungen an die veränderte Arbeitswelt anpassen

Die parlamentarischen Beratungen zur Revision des Filmgsetzes (Lex Netflix) und die im Herbst 2021 gefassten Beschlüsse führten zu medialen Debatten. Insbesondere zum Beschluss, dass Streaming-Anbietende wie Netflix neu dazu verpflichtet werden sollten, 4 Prozent ihres in der Schweiz erzielten Bruttogewinns in den Schweizer Film zu reinvestieren, zeigten sich nicht nur im Parlament, sondern auch in der Öffentlichkeit Meinungen, die weit auseinander gingen.

Seitens der Filmindustrie waren nur positive Stimmen zu hören, welche jedoch nur in den französischsprachigen Zeitungen Widerhall fanden. Die Filmindustrie sei erleichtert, dass nun auch der Nationalrat die Investitionspflicht gutgeheissen habe, welche in anderen Ländern bereits üblich sei. Dies sorge für faire Wettbewerbsbedingungen für die Industrie, wie Barbara Miller, Präsidentin des Verbands Filmregie und Drehbuch Schweiz (ARF/FDS) gegenüber der Zeitung La Liberté zu Protokoll gab. Jean-Marc Fröhle, Filmproduzent und Co-Präsident der «IG – Unabhängige Schweizer Filmproduzenten», wies darauf hin, dass Schweizer Regisseurinnen und Regisseure von internationalen Koproduktionen abhängig seien, insbesondere bei Serien. Oftmals seien sie nicht in der Lage, mit den in der Schweiz verfügbaren Mitteln einen unabhängigen Schweizer Film zu produzieren, was sich nun durch dieses Gesetz ändern werde.

In den Medien mussten die liberalen Parteien Kritik einstecken: Aus liberaler Sicht spräche alles gegen die «Lex Netflix». Es handle sich dabei um «einen ungeniessbaren Cocktail aus Heimatschutz, Subventionitis und Bevormundung», schrieb etwa die NZZ. Da die SVP geschlossen gegen das FiG gestimmt hatte, sei es in den Händen der FDP und GLP gelegen, diesen «Investitionszwang» aus dem Gesetz zu streichen. Die Genfer Nationalrätin Simone de Montmollin (fdp, GE) erklärte die Mehrheitsmeinung der FDP gegenüber Le Temps damit, dass es nicht um Protektionismus gehe, sondern um eine Harmonisierung mit den Praktiken in den Nachbarstaaten. Grosse Plattformen würden nur da produzieren, wo sie dazu ermutigt werden.

Auch die bürgerlichen Jungparteien waren mit der beschlossenen Gesetzesrevision nicht einverstanden und befürchteten, dass letztendlich die Konsumentinnen und Konsumenten die Abgaben durch höhere Gebühren tragen müssten. Da die Gesetzesrevision insgesamt völlig an den Interessen der Jungen vorbei ziele, kündigten sie noch am Tag der Schlussabstimmung via Twitter an, das Referendum ergreifen zu wollen, wie die Aargauer Zeitung und die NZZ berichteten.

Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix; BRG 20.030)

Die beiden Kammern beugten sich in der Herbstsession 2021 über die Differenzbereinigung zur Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix), die in derselben Session auch gelang. Damit fand die Debatte nach fast einem Jahr ein Ende – als mit Abstand letzte der verschiedenen Vorlagen zur Kulturbotschaft 2021-2024.

Der Nationalrat, welcher als erster an der Reihe war, befasste sich mit vier bestehenden Differenzen zur ständerätlichen Version des Gesetzes. Mit der Begründung, dass der vorgeschlagene Kompromiss für alle Beteiligten ausgewogen sei und eine gute Stärkung des Schweizer Films ermögliche, schloss sich die Mehrheit der WBK-NR in allen offenen Punkten dem Ständerat an.

Die erste Differenz bezog sich auf die vom Bundesrat vorgeschlagene Höhe der Investitionspflicht. Damit würden neu auch Online-Plattformen, wie etwa Netflix, verpflichtet, einen gewissen Prozentsatz ihres in der Schweiz erreichten Bruttogewinns in Schweizer Filme zu investieren. Die Frage war nun, wie hoch dieser Ansatz festgelegt werden sollte. Der Nationalrat hatte sich in der Herbstsession 2020 auf 1 Prozent geeinigt, was durch den Ständerat wieder rückgängig gemacht worden war. Dieser entschied in der Sommersession 2021, dem Entwurf des Bundesrates zu folgen, und verlangte eine Abgabe von mindestens 4 Prozent. Da dadurch inländische und ausländische TV-Stationen gleiche Bedingungen hätten und der Schweizer Film nachhaltig unterstützt und gefördert werden könnte, unterstützte die Mehrheit der WBK-NR mit 14 zu 10 Stimmen den Ständerat. Eine Kommissionsminderheit, angeführt von Peter Keller (svp, NW), forderte die Senkung der Investitionspflicht von 4 auf 2 Prozent. Der Schweizer Film werde bereits stärker gefördert als früher, 2013 mit rund CHF 100 Mio. und heute gemäss NZZ bereits mit bis zu CHF 150 Mio. jährlich. Mit diesem Gesetz würden nun ausländische Anbietende und Streaming-Dienste verpflichtet, den Schweizer Filmsektor «zwangsweise mit[zu]subventionieren», was einem liberalen Verständnis des Marktes mehr als widerspreche, wie Keller seine Minderheit begründete. Ausserdem warf er die Frage in den Raum, ob die Probleme beim Schweizer Film wirklich darauf zurückzuführen seien, dass dieser zu wenig Geld bekomme, oder nicht eher zu viel erhalte. «Wenn man der Katze jeden Tag ein Whiskas hinstellt, geht sie nicht mehr jagen. Staatsknete macht träge.» Mit 119 zu 71 Stimmen entschied der Nationalrat jedoch, der Kommissionsmehrheit und somit dem Entwurf des Ständerates zu folgen und die Investitionspflicht auf 4 Prozent anzusetzen. Die Fraktionen der SP und der Grünen stimmten geschlossen, die Fraktionen der Mitte und der Grünliberalen mit einer klaren Mehrheit für, die SVP-Fraktion geschlossen gegen die Kommissionsmehrheit. Die Fraktion der FDP.Liberalen zeigte sich stark gespalten, so stimmten 15 Mitglieder für den Mehrheitsantrag und 14 für die Minderheit Keller.

Als zweiter Punkt wurde die Frage diskutiert, welche Firmen von dieser Investitionspflicht ausgenommen werden sollen. Hier hatte der Nationalrat im Herbst 2020 beschlossen, dass nebst der SRG auch regionale TV-Anbietende sowie Kabelnetzbetreibende von dieser Regelung ausgeschlossen bleiben sollen. Dem widersprach jedoch der Ständerat im Sommer 2021, welcher nebst der SRG keine weiteren Ausnahmen ins Gesetz aufnehmen wollte. Auch hier folgte die Kommissionsmehrheit mit 13 zu 10 Stimmen dem Ständerat. Regionale Anbietende seien gar nicht von dieser Regelung betroffen, da diese sehr oft gar keine Filme zeigen würden, was eine Ausnahme für diese Fälle obsolet mache, so Matthias Aebischer (sp, BE) für die Kommissionsmehrheit im Rat. Eine Minderheit Kutter (mitte, ZH) verlangte Festhalten an dem Entwurf des Nationalrates. Schnelles Internet in allen Landesteilen sei ein extrem wichtiges Anliegen, welches auch der Bundesrat unterstütze. Ziel solle sein, Kabelnetzbetreibende dabei zu unterstützten, den dafür nötigen Ausbau so schnell wie möglich zu erreichen. Mit dieser Investitionspflicht werde diesen aber ein riesiger Stein in den Weg gelegt, weshalb Kabelnetzbetreibende im Interesse aller aus dieser Regelung ausgeschlossen werden sollten, wie der Minderheitensprecher sein Anliegen begründete. Auch hier folgte der Nationalrat jedoch mit 110 zu 77 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) der Kommissionsmehrheit und gab dem Ständerat in diesem Punkt nach. Die geschlossenen Fraktionen der SP und der Grünen sowie eine klare Mehrheit der Grünliberalen Fraktion stimmten für die Mehrheitsposition, die SVP-Fraktion, etwa die Hälfte der FDP.Liberalen-Fraktion sowie ein Drittel der Mitte-Fraktion sprachen sich für den Minderheitsantrag Kutter aus.

Die dritte Differenz drehte sich um Werbeleistungen zur Bewerbung von Schweizer Filmen und deren Anrechenbarkeit an die Investitionspflicht. Gemäss geltendem Recht können private TV-Sender den Schweizer Film in Form von Werbeminuten statt mit Geld unterstützen. Die offene Frage war nun, wie hoch der Werbebetrag sein darf, der an die Investitionspflicht angerechnet werden kann. Während der Bundesrat in seiner Botschaft vorsah, diese Möglichkeit der Anrechenbarkeit ganz abzuschaffen, hatte der Nationalrat eine Anrechenbarkeit von Werbeminuten im Umfang von bis zu CHF 1 Mio. vorgesehen. In der Differenzbereinigung setzte sich die nationalrätliche Kommissionsmehrheit dem Ständerat folgend für eine Anrechnung eines Betrags bis CHF 500'000 ein. Eine Kommissionsminderheit Kutter verlangte hingegen Festhalten an der vorher im Rat gefassten Position (CHF 1 Mio.). Kutter argumentierte damit, dass auch private Sender zunehmend mit rückläufigen Zahlen zu kämpfen hätten und alles andere als in Geld schwimmen würden. Der von der Kommissionsmehrheit berechnete Rückgang der Unterstützungszahlungen für den Schweizer Film von CHF 18 auf CHF 14 Mio. erachtete Kutter als vertretbaren Kompromiss. Stattdessen würden in Zukunft die Investitionen der Streaming-Anbietenden massiv zunehmen, was diesen Rückgang mehr als kompensieren werde. Der Nationalrat folgte aber auch hier mit 106 zu 85 Stimmen (bei 1 Enthaltung) wieder der Kommissionsmehrheit. Erneut stimmten die SP- und die Grüne Fraktion geschlossen für die Kommissionsmehrheit, die SVP-Fraktion geschlossen für die Kommissionsminderheit. Die Grünliberale Fraktion sprach sich mehrheitlich für den Mehrheitsantrag aus, während sich die FDP.Liberalen-Fraktion und die Mitte-Fraktion auch in dieser Frage gespalten zeigten.

Zu guter Letzt hatte das Parlament auch über eine von Christian Wasserfallen (fdp, BE) angeführte Minderheit zu befinden, der die gesamte «Lex Netflix», also jegliche Investitionspflicht, streichen wollte. Er argumentierte, dass es nicht zielführend sei, sich als kleine Schweiz mit Anbietenden wie Netflix anzulegen. Vielmehr sollte sich der Schweizer Filmsektor mit den Produzentinnen und Produzenten in Verbindung setzen und Kollaborationen anstreben, um von deren grossen Reichweite zu profitieren. Auch er betonte, dass die derzeitige Unterstützung in der Höhe von CHF 150 Mio. vom BAK, den Kantonen, Städten, Gemeinden und den SRG-Abgaben ausreichend sei. Lieber solle man sich auf die Qualität des Filmes berufen und bessere Drehbücher schreiben, dann hätte der Schweizer Film vielleicht auch bessere Chancen auf dem internationalen Markt, forderte er. Ein Drittel der FDP.Liberalen-Fraktion, die SVP-Fraktion sowie einzelne Mitglieder der Grünen und der Grünliberalen unterstützten Wasserfallen; mit 121 zu 65 Stimmen (bei 5 Enthaltungen) lehnte der Nationalrat den Minderheitsantrag Wasserfallen ab und hielt an der Lex Netflix fest.

Da in der Nationalratsdebatte alle inhaltlichen Differenzen beseitigt worden waren, ging es im Ständerat nur noch um zwei rein sprachliche Anpassungen. Diese wurden von der kleinen Kammer in der Folge diskussionslos und stillschweigend gutgeheissen.

Damit war die Vorlage nach langen Diskussionen im Oktober 2021 bereit für die Schlussabstimmungen. Im Nationalrat wurde die «Lex Netflix» mit 124 zu 67 (bei 3 Enthaltungen) angenommen. Die Fraktionen der SP, der Grünen und der GLP stimmten geschlossen für, die SVP-Fraktion geschlossen gegen den Gesetzesentwurf. Uneinig waren sich die Fraktionen der FDP.Liberalen und der Mitte, wobei jeweils eine Mehrheit für die Vorlage stimmte. Im Ständerat fand das Gesetz mit 32 zu 8 Stimmen (4 Enthaltungen) deutliche Zustimmung.

Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix; BRG 20.030)

Der Nationalrat befasste sich sodann in der Herbstsession 2021 mit dem Entwurf der RK-SR zur parlamentarischen Initiative Luginbühl (bdp, BE) zum Gemeinnützigkeits- und Stiftungswesen von 2014. Eintreten sowie die Forderung der vorberatenden RK-NR, dem Ständerat zu folgen und somit nur zwei der acht in der parlamentarischen Initiative vorgeschlagenen Änderungen umzusetzen, waren unbestritten. Damit könnten Stifterinnen und Stifter neu auch Änderungen bezüglich der Organisation ihrer Stiftung beantragen, zudem dürfe die Aufsichtsbehörde selbst sogenannte «unwesentliche Änderungen der Stiftungsurkunde» vornehmen, nachdem sie das oberste Stiftungsorgan angehört habe, wie Kommissionssprecherin Bellaïche (glp, ZH) erklärte. Diese beiden Punkte seien unbestritten gewesen, da sie der Realität gerecht würden und die Stiftungen entlasteten.

Zusätzlich schlug die RK-NR jedoch zwei neue Punkte vor. Einerseits sollten «Personen mit einem berechtigten Kontrollinteresse» Beschwerden bei der Aufsichtsbehörde einreichen können. Derzeitig könne das Beschwerderecht sogar Stifterinnen und Stiftern verwehrt werden, auch wenn die Stiftungsführung nicht rechtskonform handle. Da kein Gegenantrag gestellt wurde, hiess der Nationalrat diese Änderung in der Folge diskussionslos gut.
Mit der zweiten Änderung wollte die Kommissionsmehrheit ermöglichen, dass Stiftungen auch steuerbefreit werden können, wenn sie ihre Stiftungsorgane angemessen entschädigen. Damit solle gemäss Kommissionssprecherin eine Professionalisierung von Stiftungen und somit eine Stärkung des Stiftungsstandorts vorangetrieben werden. Eine Minderheit um Baptiste Hurni (sp, NE) wollte diesen Zusatz streichen, da er unter anderem bereits in der Vernehmlassung stark umstritten gewesen sei. Zudem sei mit der Formulierung einer «angemessene[n] Vergütung» nicht klar, ab wann eine Stiftung noch steuerbefreit werden könne. Kommissionssprecherin Bellaïche hielt dagegen, dass die derzeitige Gesetzgebung je nach Kanton variiere und durch diese Änderung eine grössere Rechtssicherheit geschaffen würde. Der Nationalrat sprach sich mit 121 zu 68 Stimmen (bei 1 Enthaltung) für die Ergänzung aus. Einzig die Fraktionen der SP und der Grünen sowie die Mitglieder der EVP stimmten für den Minderheitsantrag.

In der Gesamtabstimmung wurde der Entwurf einstimmig mit 188 Stimmen (bei 1 Enthaltung) angenommen. Damit ging das Geschäft mit den zwei neu geschaffenen Differenzen zurück an den Ständerat.

Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts (Pa. Iv. 14.470)