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Jahresrückblick 2022: Kultur, Sprache, Kirchen

Nach gut zwei Jahren Covid-19-Pandemie war es dieses Jahr endlich wieder so weit: Die Schweiz durfte die Kultur wieder ohne Einschränkungen geniessen. Bereits am 16. Februar 2022 hob der Bundesrat den Grossteil der nationalen Massnahmen – auch diejenigen im Kulturbereich – auf, woraufhin es in der Kultur ein breites Aufatmen und Erwachen gab. Konzerte und Festivals, sowie Museen, Theater oder Kinos konnten wieder gänzlich ohne Einschränkungen besucht werden. Dies führte auch dazu, dass der Kulturbereich – nach zwei Jahren verstärkter Aufmerksamkeit durch Covid-19 – in den Medien etwas aus dem Fokus geriet, wie Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse zeigt.

Die Kulturpolitik der Schweiz war 2022 von drei grösseren Themen geprägt: der Abstimmung zur Revision des Filmförderungsgesetzes, dem neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele und der Frage, wie die Schweiz mit Nazi-Raubkunst umgehen soll.

Nachdem die Beratungen zur Revision des Filmförderungsgesetzes – Lex Netflix – nach langwierigen Diskussionen als letztes Geschäft der Kulturbotschaft 2021-2024 in der Herbstsession 2021 zu einem Abschluss gekommen war, ergriffen die Jungfreisinnigen, die Jungen Grünliberalen sowie die Junge SVP Ende Januar 2022 erfolgreich das Referendum. Streaming-Anbietende wie Netflix oder Disney+ sollten mit diesem Gesetz unter anderem dazu verpflichtet werden, vier Prozent des Umsatzes in das schweizerische Filmschaffen zu investieren oder für die Bewerbung Schweizer Filme einzusetzen. Zudem mussten die Plattformen 30 Prozent des Angebots mit europäischen Beiträgen füllen. Die bürgerlichen Jungparteien störten sich besonders an diesen beiden Punkten: Zum einen befürchteten sie, mit der Pflichtabgabe würde eine Erhöhung der Abo-Preise einhergehen, und zum anderen erachteten sie die Quote für europäische Filme und Serien als «bevormundend und eurozentristisch». Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger nahmen das Gesetz im Mai 2022 jedoch mit 58.1 Prozent Ja-Stimmen an. Der Abstimmungskampf war dann auch das einzige Ereignis des Jahres, welches im Bereich Kulturpolitik zu einem substantiellen Anstieg der medialen Berichterstattung führte (vgl. Abbildung 1 der APS-Zeitungsanalyse).

Ohne grosse mediale Beachtung fanden in der Herbstsession 2022 die Beratungen um das neue Bundesgesetz über den Jugendschutz in den Bereichen Film und Videospiele nach gut zwei Jahren ein Ende. Ziel des Gesetzes soll es sein, Kinder und Jugendliche besser vor Gewalt- und Sexualdarstellungen in Filmen und Videospielen zu schützen, etwa durch eine schweizweite Alterskennzeichnung und -kontrolle der Produkte. Die Verantwortung, diese Regelungen zu entwickeln, wurde den Branchenorganisationen überlassen, welche entsprechende Expertinnen und Experten hinzuziehen sollen.

Für hitzige mediale Debatten sorgte hingegen die Kunstsammlung von Emil Bührle, der gemäss Medien ein Nazisympathisant und Waffenlieferant im Zweiten Weltkrieg war. Als Teile seiner Sammlung im Sommer 2021 im Kunsthaus Zürich ausgestellt worden waren, waren darob hitzige Diskussionen entbrannt, insbesondere weil Bührle Nazi-Raubkunst besessen habe und die Provenienz bei einigen Werken der Sammlung nicht endgültig geklärt sei. Diese Debatte ging auch an Bundesbern nicht ohne Spuren vorbei. So nahmen die Räte eine Kommissionsmotion der WBK-NR an, welche die Schaffung einer Plattform für die Provenienzforschung von Kulturgütern forderte. Weiter hiessen sie eine Motion gut, mit der eine unabhängige Kommission für NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter geschaffen werden sollte. Offen liessen die Räte, ob eine solche Kommission auch für Raubkunst aus kolonialen Kontexten geschaffen werden soll.

Rund um die kirchen- und religionspolitische Fragen blieb es in der Bundespolitik im Jahr 2022 eher ruhig, jedoch weckte die katholische Kirche der Schweiz einige mediale Aufmerksamkeit, wie erneut in der APS-Zeitungsanalyse ersichtlich wird. Der Universität Zürich war im Frühling 2022 in Form eines Pilotprojekts ein Forschungsauftrag erteilt worden, mit dem die sexuellen Missbräuche innerhalb der Schweizer katholischen Kirche seit 1950 wissenschaftlich untersucht werden sollten. Dabei sollte ein Fokus auf die Strukturen gelegt werden, welche dabei geholfen hatten, die Missbräuche zu vertuschen. Zu diesem Zweck öffnete die katholische Kirche der Schweiz ihre Geheimarchive für die Forschenden.
Heftige Debatten rief auch der vom Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain eingeführte, für die Angestellten aller Ebenen der katholischen Kirche verbindliche Verhaltenskodex hervor, mit dem sexuellem Missbrauch vorgebeugt werden sollte. Einige Priester von Chur weigerten sich, den Kodex zu unterzeichnen, da einzelne Weisungen daraus der katholischen Lehre entgegenlaufen würden – so untersage er es etwa, sich negativ über die sexuelle Ausrichtung von Menschen auszusprechen.

Anfang 2022 verlängerte das SEM die muslimische Seelsorge in den Bundesasylzentren, welche Anfang 2021 in einzelnen Regionen als Pilotprojekt eingeführt worden war. Zuvor hatte eine Studie des Schweizerischen Zentrums für Islam und Gesellschaft (SZIG) der Universität Freiburg eine positive Bilanz gezogen. Sollten die Ergebnisse auch nach diesem Jahr positiv ausfallen, strebt das SEM eine permanente Einführung des Angebots und einen Ausbau auf alle Bundesasylzentren an – sofern die Finanzierung dafür gesichert werden kann. Bereits 2018 war ein entsprechendes Pilotprojekt aufgrund fehlender finanzieller Mittel auf Eis gelegt worden.

Jahresrückblick 2022: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2022

Jahresrückblick 2021: Kultur, Sprache, Kirchen

2021 bestätigte den Trend der letzten beiden Jahre – so zeigte die APS-Zeitungsanalyse eine rückläufige Berichterstattung rund um die Themen Kultur, Sprache oder religiöse Fragen auf (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Diesbezüglich brachte das Jahr gar einen neuen Tiefstwert seit 2016, wobei insbesondere Fragen im Zusammenhang mit den Religionen deutlich an medialer Präsenz eingebüsst hatten.

Wie auch im Jahr zuvor war die Kulturpolitik geprägt von der weltweiten Covid-19-Pandemie. Deren Auswirkungen auf den Kultursektor verdeutlichten etwa erste Zahlen des BFS im Rahmen der Kulturwirtschaftsstatistik für das Jahr 2020: Im Vergleich zu 2019 war die Beschäftigung im Kulturbereich um markante 5 Prozentpunkte gesunken, was in absoluten Zahlen 14'000 Erwerbspersonen entsprach. Vom Rückgang betroffen waren insbesondere Frauen, Personen mit einem Teilzeitpensum oder all jene, die zuvor weniger als 1 Jahr engagiert gewesen waren. Auch im Vergleich zur Gesamtwirtschaft war der starke Rückgang an Beschäftigten im Kulturbereich beträchtlich. Entsprechend kam es im Parlament zu diversen Vorstössen, mit denen auf die prekäre Situation der Kulturschaffenden reagiert werden sollte. Zwei Vorstösse, welche im Zuge der Pandemie verstärkte Unterstützungsmassnahmen für Freischaffende in Theater und Film und für Buchhandlungen verlangten, fanden im Parlament jedoch keinen Anklang. Hingegen waren sich die Räte darüber einig, dass die soziale Sicherheit der Kulturschaffenden auch unabhängig von der Pandemie verbessert werden müsse.

Neben diesen explizit auf die Pandemie zurückzuführenden Vorstössen bearbeitete das Parlament 2021 drei grosse Geschäfte im Kulturbereich. So fand die Beratung der Kulturbotschaft für die Jahre 2021-2024 nach langwierigen Diskussionen über das Filmförderungsgesetz durch Annahme des entsprechenden Entwurfs ein Ende. Eine parlamentarische Initiative zur Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts kam hingegen auch nach fast 5-jährigen Diskussionen noch zu keinem Abschluss. Zudem wurde der Entwurf des Bundesrats zum neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen beraten, mit dem unter anderem die Angleichung an eine geltende EU-Richtlinie angestrebt wird. Der Nationalrat beschäftigte sich in der Frühlings- und Sommersession mit dem Geschäft, der Ständerat wird sich wohl in der Frühlingssession 2022 damit auseinandersetzen.

Wie so oft prägte der Islam die Debatte in der Religionspolitik. Dieses Jahr lag das Augenmerk vermehrt auf der Rolle von Imamen und auf deren Einfluss auf die Gesellschaft. Die SiK-SR verlangte im März 2021 in einem Postulat, dass die Vorteile eines Bewilligungsverfahrens für Imame, ein Imam-Register sowie ein Finanzierungsverbot für Moscheen aus dem Ausland geprüft werden. Die Kommission bezweckte damit eine bessere Kontrolle von Personen, die im Rahmen ihrer religiösen Reden «terroristisches oder gewalttätig-extremistisches Gedankengut verbreiten». Ein im August 2021 vom Bundesrat publizierter Bericht über Professionalisierungsmöglichkeiten von islamischen religiösen Betreuungspersonen zeigte jedoch auf, dass der Einfluss von Imamen in Bezug auf Radikalisierungstendenzen in der Öffentlichkeit überschätzt wird. Basierend auf diesen Erkenntnissen legte der Bundesrat sodann zwölf Handlungsfelder fest, wobei insbesondere die Einbindung von öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften in die Seelsorge diverser öffentlicher Institutionen, wie etwa Militär, Spitälern oder Asylzentren, als zentrale Massnahme definiert wurde. Diese soll dazu beitragen, dass islamische Betreuungspersonen besser in die Gesellschaft integriert werden und indirekt eine Professionalisierung erreicht wird.

Ein weiteres umstrittenes Thema stellte nach wie vor die politische Beteiligung der Schweizer Kirchen im Rahmen von Abstimmungskämpfen dar. So zog die nie zuvor dagewesene Beteiligung der Kirchen am im Vorjahr geführten Abstimmungskampf zur Konzernverantwortungsinitiative Groll nach sich. Die Jungfreisinnigen hatten Stimmrechtsbeschwerden beim Bundesgericht eingereicht, womit sie eine Klärung der Rolle der Kirchen bei Abstimmungen in Form eines Leiturteils erreichen wollten. Gemäss den Medien stufte auch die Bundeskanzlei in einer Stellungnahme an das Bundesgericht das Verhalten der Landeskirchen als «zumindest grenzwertig» ein und erachtete ein Gerichtsurteil diesbezüglich als angezeigt. Das Bundesgericht schrieb die Beschwerde jedoch als gegenstandslos ab, da das Einbringen der Kirche der Initiative nicht zum Erfolg verholfen habe, wodurch das nötige aktuelle Interesse nicht gegeben sei. Diese hitzig geführte politische Debatte widerspiegelte sich auch in der Anzahl an Zeitungsartikeln mit kirchlichem oder religiösem Bezug – Anfang Jahr, auf dem Höhepunkt der entsprechenden Diskussionen – wurde häufiger über das Thema «Kirchen» berichtet als im Rest des Jahres. Gering blieb hingegen das Medienecho, als die beiden grossen Landeskirchen vor der Abstimmung zur «Ehe für alle» ihre Positionen publik machten, zumal sie sich nicht aktiv am Abstimmungskampf beteiligten.

Die Sprachpolitik fand ebenso wie in den letzten Jahren keine grosse mediale Resonanz, legte im Vergleich zum Vorjahr aber leicht zu (vgl. Abbildung 2). Dies ist wohl auf die verstärkt geführte Debatte über eine gendergerechte Sprache zurückzuführen. So startete das Jahr mit einer gesellschaftlichen Debatte über den Entscheid des Dudens, das generische Maskulin aus seinem Nachschlagewerk zu verbannen. Im Sommer kam es zu einer zweiten Runde mit einer breiten Diskussion über das sogenannte Gendersternchen, nachdem die Bundeskanzlei dessen Gebrauch in Bundesdokumenten explizit untersagt hatte.

Jahresrückblick 2021: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2021

Jahresrückblick 2021: Sozialversicherungen

Wie in den Jahren zuvor dominierte auch 2021 die Altersvorsorge die mediale Berichterstattung zu den Sozialversicherungen (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren blieb jedoch das Interesse an diesem Themenbereich erstaunlich tief – erstaunlich insofern, als in diesem Jahr die beiden grossen Revisionen der Altersvorsorge – die AHV 21 und die BVG 21 – im Parlament behandelt wurden. Ende Jahr, als in der Wintersession die Behandlung der zwei Projekte im Parlament anstand, flackerte jedoch durchaus etwas Interesse an dem Themenbereich auf (vgl. Abbildung 1).

In der Frühjahrssession begann der Ständerat die Debatte zur AHV 21-Reform, nachdem die vorberatende SGK-SR zuvor medial für ihre lange Behandlungsfrist gescholten worden war. Einigkeit herrschte zwischen den zwei Räten bei der Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre, ansonsten unterschieden sich die Ansichten der zwei Kammern jedoch deutlich. Nachdem der Ständerat in der Herbstsession einer vom Nationalrat vorgeschlagenen Mehrwertsteuererhöhung von 0.4 Prozent zugestimmt hatte, setzte sich die kleine Kammer in der Wintersession bei der Ausgestaltung der Kompensationsmassnahmen grösstenteils durch: Bei gleichem Gesamtbetrag (CHF 3 Mrd. bis ins Jahr 2030) und gleicher Anzahl Übergangsjahrgänge (9) obsiegten die im Vergleich zum Vorschlag der grossen Kammer höheren Rentenzuschläge und weniger grosszügigen Vorbezugsmöglichkeiten. Innerhalb eines Jahres konnte die AHV 21 somit zu Ende beraten werden. Jedoch kündigte der SGB noch am Tage der Einigung zwischen den Räten an, das Referendum ergreifen zu wollen, an dem sich unter anderem auch die SP beteiligen will.

Nach einer gar noch längeren Vorgeschichte startete in der Wintersession 2021 auch die Reform der beruflichen VorsorgeBVG 21 – in die Parlamentsberatung. Besonders umstritten war hier das von den Sozialpartnern vorgeschlagene Umlageverfahren zur Reduktion der durch die Senkung des Umwandlungssatzes entstehenden Renteneinbussen. Noch vor der ersten Behandlung lagen bereits zahlreiche Alternativvorschläge auf dem Tisch, weshalb die Medien der Revision nur geringe Erfolgschancen zuschrieben. Dies zeigten etwa auch die ersten Reaktionen auf den Behandlungsstart der Reform in der Wintersession 2021: Nachdem sich der Nationalrat entschieden hatte, die Kompensation eines Rentenzuschlags nur 15 Jahrgängen statt allen Neurentnerinnen und Neurentnern zukommen zu lassen und dabei auf das Umlageverfahren zu verzichten, stellten die links-grünen Parteien auch hier bereits ein Referendum in Aussicht.

Wie üblich standen auch dieses Jahr verschiedene Volksinitiativen zum Thema «Altersvorsorge» auf dem Programm – die Bundeskanzlei verkündete das Zustandekommen gleich zweier neuer Initiativen: der Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter», welche eine 13. AHV-Rente forderte, sowie der Volksinitiative «Für eine sichere und nachhaltige Altersvorsorge (Renteninitiative)», die eine automatische Anpassung des Rentenalters an die Lebenserwartung verlangte. Hingegen scheiterte die Volksinitiative «Ja zu steuerfreien AHV- und IV-Renten, mit der die Renten von Personen mit jährlichem Einkommen unter CHF 72'000 von den Steuern hätten befreit werden sollen, in der Unterschriftensammlung.

Die mediale Flaute in der Berichterstattung über die Altersvorsorge führte zu einer Stärkung der Diskussionen über die Krankenversicherung, wobei im Parlament insbesondere Projekte gegen den Prämienanstieg im Mittelpunkt standen. Zentral war dabei das erste Massnahmenpaket zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen, das im Jahr zuvor in zwei Pakete unterteilt worden war. Während das Paket 1a dieses Jahr trotz einiger breit diskutierter Punkte bereinigt werden konnte, hatte man die am stärksten umstrittenen Regelungen ins Paket 1b ausgelagert. Diesbezüglich entschieden sich National- und Ständerat bis Ende Jahr unter anderem gegen das vom Bundesrat vorgeschlagene Referenzpreissystem und schlugen stattdessen Alternativen vor. Noch keine Botschaft lag Ende Jahr zum zweiten Paket zur Kostendämpfung vor, an welcher der Bundesrat 2021 arbeitete.

Eine Offensive gegen den Prämienanstieg hatten im Jahr zuvor die Kantone Tessin, Genf, Jura, Freiburg und Neuenburg mit je drei Standesinitiativen für einen stärkeren Einbezug der Kantone bei der Genehmigung der Prämientarife sowie für zwei Massnahmen zur Reduktion der Reserven der Krankenversicherungen gestartet. In der Zwischenzeit hatte der Bundesrat die KVAV geändert und dabei den freiwilligen Abbau und die Rückerstattung der Krankenkassenreserven vereinfacht sowie die Regeln dazu präzisiert. Als Folge dieser Änderung präsentierte der Bundesrat im September die Krankenkassenprämien für das Jahr 2022: Erstmals seit 2008 würde die mittlere Prämie sinken, was grösstenteils auf einen Reserveabbau und eine knappere Kalkulation durch die Krankenversicherungen – also auf seine Verordnungsänderung – zurückzuführen sei. Der Ständerat sprach sich in der Folge gegen die Initiativen zu den Reserven aus, hiess aber den Einbezug der Kantone sowie eine ähnlich lautende Motion) gut.

Die Folgen der hohen Krankenkassenprämien bekämpfte die Prämien-Entlastungs-Initiative, welche im Vorjahr zustande gekommen war und eine Beschränkung der Krankenkassenprämien für die Haushalte auf maximal 10 Prozent des Einkommens forderte. Der Bundesrat empfahl die Initiative zur Ablehnung, präsentierte aber 2021 einen indirekten Gegenvorschlag, womit unter anderem der durchschnittliche Kantonsbeitrag an die Prämienverbilligungen erhöht werden sollte. Hingegen verpasste 2021 die Volksinitiative «Ja zu mehr Mitbestimmung der Bevölkerung bei der Kranken- und Unfallversicherung», mit der die Bürgerinnen und Bürger Art und Umfang ihrer Versicherung hätten wählen können, die Unterschriftenhürde.

Für Diskussionen sorgte nicht zuletzt auch der Entwurf der SGK-SR zur Umsetzung der Standesinitiative des Kantons Thurgau über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht. Einig war man sich diesbezüglich, dass Kinder bei Erreichen der Volljährigkeit nicht mehr für ihre Krankenkassenprämien und Kostenbeteiligungen, welche ihre Eltern zuvor nicht bezahlt hatten, haftbar gemacht und zudem nicht mehr auf sogenannten schwarzen Listen der säumigen Prämienzahlenden aufgeführt werden sollen. Umstritten war hingegen, inwiefern die entsprechenden Listen zukünftig noch geführt werden dürfen: Obwohl eine Kommissionsminderheit mit der Unterstützung des Bundesrates die Streichung der Listen beantragt hatte, sprach sich der Ständerat überaus knapp für deren Beibehaltung aus. Diesen Entscheid stützte auch der Nationalrat.

Schliesslich spielte 2021 auch die Covid-19-Pandemie erneut eine Rolle im Krankenversicherungsbereich. Der Bundesrat genehmigte im Januar 2021 den Tarifvertrag zur Vergütung der Covid-19-Impfung, gemäss dem die OKP CHF 14.50 als Pauschale und CHF 5 für das Impfmaterial pro Impfung übernimmt. Der Bund bezahlt die Differenz dieser CHF 5 zum Einkaufspreis der Impfung, der vertraulich ist. Dadurch sollten der OKP für das Jahr 2021 Kosten von CHF 201 Mio. entstehen. In der Wintersession entschied sich das Parlament im Rahmen der vierten Revision des Covid-19-Gesetzes erst in der Einigungskonferenz dagegen, die Verträge mit den Impfstofflieferanten offenzulegen – der Nationalrat hatte sich eine solche Offenlegung gewünscht.

Besonders stark von den Covid-19-Massnahmen betroffen waren schliesslich die Arbeitslosenversicherung durch die Kurzarbeitsmassnahmen sowie die Erwerbsersatzordnung durch die Covid-19-Erwerbsausfallentschädigungen. Der Einsatz beider Instrumente war während des Jahres mehrfach verlängert oder gar erweitert worden, um der schwierigen Situation verschiedener Branchen zu begegnen. Dadurch fielen bezüglich Kurzarbeit 2021 Corona-bedingte Kosten von CHF 10.8 Mrd. und für die Erwerbsausfallentschädigungen solche in der Höhe von CHF 2.2 Mrd. an. Wie bereits im Vorjahr entschieden sich Bundesrat und Parlament, der ALV die Kurzarbeitskosten zu vergüten, damit diese ihre Schuldenobergrenze nicht erreicht.

Jahresrückblick 2021: Sozialversicherungen
Dossier: Jahresrückblick 2021

Im Jahr 2021 erzielte der AHV/IV/EO-Ausgleichsfonds an der Börse eine Nettorendite von 5.28 Prozent (2020: 5.22%). Wider Erwarten habe sich die Wirtschaft rasch erholt, vermeldete die Compenswiss. Die Netto-Rendite des EO-Vermögens betrug 5.05 Prozent, womit die EO im Jahr 2021 zusätzlich CHF 66 Mio. erhielt. Zusammen mit dem positiven Umlageergebnis von CHF 165 Mio. – die EO hatte im Jahr 2021 somit mehr Erträge als Aufwände zu verzeichnen – kam das Jahresergebnis 2021 der EO bei CHF 231 Mio. zu liegen.

Jahresergebnis 2021 der Erwerbsersatzordnung
Dossier: Jahresergebnisse der EO

In seinem Bericht in Erfüllung eines Postulats Maret (mitte, VS) ortete der Bundesrat keinen Handlungsbedarf zur Anpassung der «Covid-19-Verordnung Erwerbsausfall». Das Postulat hatte angeregt, auch Angehörigen von erwachsenen Personen mit einer Behinderung einen Anspruch auf Entschädigung bei Erwerbsausfall zuzusprechen, wenn diese ihrer Erwerbstätigkeit wegen wegfallender externer Betreuungsmöglichkeiten während der Corona-Pandemie nicht nachgehen konnten. Die Auswertung von Daten aus 22 Kantonen habe gezeigt, dass es nur in wenigen Kantonen zu Schliessungen von Betreuungseinrichtungen für Personen mit Behinderungen gekommen sei. Zudem hätten bei Schliessungen der Betreuungseinrichtungen oder beim Ausfall der betreuenden Person andere externe Betreuungslösungen gefunden werden können. Die Angehörigen seien also nicht gezwungen gewesen, die Betreuung auf Kosten ihrer Erwerbstätigkeit zu übernehmen. Mit dem Covid-19-Gesetz bestehe zudem die Grundlage dafür, dass der Bundesrat in späteren Wellen der Pandemie bei Notwendigkeit eine Entschädigung einführen könne, so der Bundesrat weiter.

Coronavirus. Entschädigung für Erwerbsausfall auch für die Eltern und andere Angehörige von Erwachsenen mit einer Behinderung (Po. 20.3747)

Im Rahmen der Beratungen zum Bericht über Motionen und Postulate der gesetzgebenden Räte im Jahr 2020 schrieb der Nationalrat das Postulat der SPK-NR, das eine gesamthafte Prüfung der Problematik der Sans-Papiers verlangte, in der Sommersession 2021 nach Erscheinen eines entsprechenden Berichts in Erfüllung des Vorstosses ab.

Pour un examen global de la problématique des sans-papiers (Po. 18.3381)

Jahresrückblick 2020: Sozialversicherungen

Über den Themenbereich «Sozialversicherungen» berichteten die Medien im Jahr 2020 deutlich weniger als in den Vorjahren (ersichtlich in Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2020). Jedoch war die Berichterstattung zu Beginn des Jahres noch vergleichsweise stark (vgl. Abbildung 1); zu diesem Zeitpunkt dominierte die Frage nach den Überbrückungsleistungen und damit nach der Schaffung einer neuen Sozialversicherung. Diese Frage wurde bis zum Ende der Sommersession 2020 geklärt, als das Parlament die Vorlage in der Einigungskonferenz und somit noch vor der Abstimmung über die Begrenzungsinitiative, die Corona-bedingt auf Ende September hatte verschoben werden müssen, bereinigte. Das von Mitgliedern der SVP angestrebte fakultative Referendum kam nicht zustande. Neu erhalten somit Ausgesteuerte ab 60 Jahren ÜL, wenn sie mindestens 20 Jahre, fünf davon ab dem Alter von 50 Jahren, in die AHV einbezahlt haben, ihr Erwerbseinkommen mindestens 75 Prozent des AHV-Höchstbeitrags betrug und ihr Reinvermögen unterhalb der EL-Vermögensschwelle liegt.

Nach diesem Anfangsinteresse an den Sozialversicherungen geriet die Thematik aufgrund der Corona-Pandemie stark in den Hintergrund. Zwar wurden die Kurzarbeitsentschädigung sowie der Erwerbsersatz als zwei der drei Hauptmassnahmen zur Abfederung der Auswirkungen der Pandemie (neben den Corona-Krediten) wichtiger als jemals zuvor, dies widerspiegelte sich jedoch nicht in der entsprechenden medialen Berichterstattung (siehe Abbildung 1). Darüber hinaus wirkte sich Corona auch stark auf die Debatte im Krankenversicherungsbereich sowie bezüglich der finanziellen Lage des AHV-Ausgleichsfonds und der Pensionskassen aus.

Besonders viele Neuerungen gab es im Jahr 2020 bei der Arbeitslosenversicherung (ALV). Noch vor Ausbruch der Pandemie bereinigte das Parlament die Vorlage zur Vereinfachung der Bestimmungen zur Kurzarbeit im Arbeitslosenversicherungsgesetz und sah darin unter anderem vor, dass der Bundesrat bei schwieriger Konjunktur die Höchstbezugsdauer für Kurzarbeitsentschädigung (KAE) verlängern kann. Aufgrund des Abbruchs der Frühjahrssession konnte die Schlussabstimmung zum Gesetz erst in der Sommersession durchgeführt werden. Als der Bundesrat während der ersten Corona-Welle entschied, zur Abfederung der Pandemie unter anderem auf Kurzarbeitsentschädigungen zu setzen, stützte er sich in seiner Verordnung somit noch auf die bisherigen Gesetzesbestimmungen. Von diesen bundesrätlichen Corona-Massnahmen zur ALV fiel insbesondere die Ausdehnung des Zugangs zu KAE auf zusätzliche Kategorien von Erwerbstätigen, etwa auf nicht kündbare Temporärangestellte, Lehrlinge oder arbeitgeberähnliche Angestellte ins Gewicht. Damit die ALV die Massnahmen finanzieren konnte – bei Überschuldung der ALV tritt ihre Schuldenbremse in Kraft, wodurch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge im Folgejahr erhöht werden müssen –, sprach das Parlament auf Antrag des Bundesrates in der ersten Nachmeldung zum Nachtrag I zum Voranschlag 2020 eine Zusatzfinanzierung von CHF 6 Mrd. und erhöhte diese im Nachtrag IIa um weitere CHF 14.2 Mrd. Diese Zusatzfinanzierung bedurfte jedoch einer Änderung des AVIG, welche National- und Ständerat in der Herbstsession 2020 guthiessen.
Neben den KAE setzte der Bundesrat zur Bewältigung der Pandemie auch auf Erwerbsersatz, dessen Einsatz er ebenfalls in einer Verordnung regelte. Neu sollten nicht nur Dienstleistende der Schweizer Armee und Mütter nach der Geburt in den Genuss von EO kommen, sondern temporär und unter gewissen Bedingungen auch Selbständigerwerbende, sofern ihr Betrieb vom Bund geschlossen wurde, sie sich in ärztlich verordnete Quarantäne begeben mussten oder wegen Betreuungsaufgaben ihrer Arbeit nicht nachgehen konnten. Betreuungsaufgaben wegen Schulschliessungen konnten überdies auch Angestellte geltend machen. Für diese Massnahme genehmigte das Parlament einen Nachtragskredit über CHF 4 Mrd., zumal auch der EO-Fonds nur flüssige Mittel von CHF 1 Mrd. aufwies.

Diskutiert wurde im Bereich der Krankenversicherungen vor allem darüber, wer die hohen Corona-Kosten im Gesundheitswesen übernehmen soll: Zwar wurden für die Krankenkassen für das Jahr 2020 wegen Corona tiefere Kosten erwartet, zumal zeitweise alle nicht dringlichen Behandlungen untersagt worden waren, teuer würden hingegen ebendiese Ausfälle von Behandlungen für die Spitäler werden.
Unabhängig von der Corona-Pandemie waren Bundesrat und Parlament im Krankenversicherungsbereich sehr aktiv, insbesondere bei den Massnahmen zur Kostendämpfung, von denen sie sich eine Eindämmung des Prämienanstiegs erhofften. Das erste Massnahmenpaket teilte die SGK-NR vor der ersten Ratsbehandlung im Mai 2020 in zwei Teile auf: In einem ersten Schritt sollten im Teilpaket 1a die weniger umstrittenen Aspekte behandelt werden, wobei sich bei den Behandlungen rasch zeigte, dass es im Gesundheitsbereich beinahe keine unumstrittenen Aspekte gibt. Entsprechend begann der Nationalrat noch vor Abschluss dieses Teilpakets mit der Behandlung des Teilpakets 1b mit den als umstrittener eingeschätzten Massnahmen. Gleichzeitig führte der Bundesrat zwischen August und November 2020 auch eine Vernehmlassung zum zweiten Massnahmenpaket zur Kostendämpfung durch, dessen Hauptmassnahme die Einführung einer Zielvorgabe für die Kostenentwicklung in der OKP darstellt. Da auch die von der CVP in der Zwischenzeit erfolgreich eingereichte eidgenössische Initiative «Für tiefere Prämien» eine Kostenbremse im Gesundheitswesen forderte, schlug der Bundesrat das zweite Massnahmenpaket als indirekten Gegenvorschlag zur CVP-Initiative vor.
Auch der Prämien-Entlastungs-Initiative der SP stellte der Bundesrat mit der Vorlage zu den individuellen Prämienverbilligungen einen indirekten Gegenvorschlag zur Seite. Darin beantragte er als Reaktion auf die stetige Senkung der IPV-Beiträge durch die Kantone, die entsprechenden Kantonsbeiträge an die kantonalen Bruttokosten sowie an die verbleibende Prämienbelastung zu knüpfen. Auch diesen Gegenvorschlag schickte er in der Folge in die Vernehmlassung. Mit der KVG-Ergänzung über die Vollstreckung der Prämienzahlungspflicht der Versicherten, dem Bundesgesetzes über die Datenweitergabe der Versicherungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung standen auch zwei auf parlamentarischen Initiativen basierende Gesetzesvorlagen kurz vor oder am Anfang der parlamentarischen Beratung, während bei der Einführung eines monistischen Finanzierungssystems für die Gesundheitsleistungen (EFAS) 2020 keine Fortschritte erzielt werden konnten. Abgeschlossen wurde hingegen die Vorlage zur Zulassung von Leistungserbringenden in der Sommersession 2020, mit welcher die bisher zeitlich befristete Zulassungsbeschränkung der Leistungserbringenden permanent geregelt wurde. In der Wintersession 2020 einigten sich die Räte auch auf neue Regelungen zur Vergütung des Pflegematerials.

Der Themenbereich Altersvorsorge erhielt im Jahr 2020 von den Medien deutlich weniger Aufmerksamkeit als in den Vorjahren. Dies hing sicherlich einerseits damit zusammen, dass anders als in den Jahren 2017 (Altersvorsorge 2020) und 2019 (STAF) keine eidgenössische Abstimmung zu diesem Thema stattfand. Andererseits überdeckte auch in diesem Themenbereich die Corona-Berichterstattung verschiedene, durchaus berichtenswerte Ereignisse. So machte der Bundesrat bezüglich der Reform der beruflichen Vorsorge einen Schritt vorwärts. Nachdem der Arbeitgeberverband, Travail.Suisse und der Gewerkschaftsbund im Juli 2019 ihren Kompromissvorschlag für die BVG-Revision präsentiert hatten, wurden bald von allen Seiten Kritik und Alternativvorschläge laut, insbesondere bezüglich des Rentenzuschlags im Umlageverfahren. Dennoch entschied sich der Bundesrat Ende November 2020 in der Botschaft zum neu als «BVG 21» betitelten Geschäft, am Kompromiss der Sozialpartner festzuhalten.
Wenige Aktivitäten gab es bezüglich der Revision der AHV. Zwar begann die SGK-SR im August 2020 die Vorberatung der Vorlage zur Stabilisierung der AHV (AHV 21), diese dauerte jedoch aufgrund vertiefter Abklärungen so lange, dass die Vorlage im Jahr 2020 noch nicht im Plenum beraten werden konnte.
Für zwei Volksinitiativen zur Altersvorsorge – für die Volksinitiative «Berufliche Vorsorge – Arbeit statt Armut» sowie für die Volksinitiative «für eine generationengerechte Altersvorsorge (Vorsorge Ja – aber fair)» – verstrichen die Sammelfristen im Jahr 2020 unbenutzt. Zudem wurde im Februar 2020 die Volksinitiative «Für ein besseres Leben im Alter (Initiative für eine 13. AHV-Rente)» durch den Gewerkschaftsbund lanciert. Einiges zu reden wird zukünftig auch ein Urteil des EGMR geben, der die Schweiz wegen unzulässiger Ungleichbehandlung von Witwen und Witwern rügte: Das Gericht kritisierte, dass ein verwitweter Vater nur eine Rente erhält, bis seine Kinder volljährig sind, während verwitwete Mütter ein Leben lang eine Rente erhalten.
Doch auch das Thema «Altersvorsorge» blieb von der Corona-Pandemie nicht unberührt. So verloren sowohl der AHV-Ausgleichsfonds als auch die Pensionskassen durch den Corona-bedingten Aktiensturz viel Geld. Die OAK BV berichtete im Mai 2020, dass der Deckungsgrad der Pensionskassen durchschnittlich um 6 Prozent auf 105.6 Prozent gefallen war, vermeldete dann aber im Laufe des Jahres wieder steigende Zahlen: Ende September 2020 lag der durchschnittliche Deckungsgrad bereits wieder bei 110.2 Prozent. Auch das BSV erwartete mittelfristig nur geringe Folgen durch die Pandemie – es nutzte für seine Prognose gemäss NZZ aber auch positivere Wirtschaftsprognosen als die restliche Bundesverwaltung. Ein grosses, nicht nur Corona-bedingtes Problem im Rahmen des BVG löste der Bundesrat Anfang Juli, als er der Auffangeinrichtung BVG erlaubte, Gelder bis CHF 10 Mrd. aus dem Freizügigkeitsbereich zinslos und unentgeltlich bei der Bundestresorie anzulegen. Da Freizügigkeitsguthaben nicht mit Negativzinsen belastet werden dürfen, war eine sichere Anlage der Gelder aufgrund der Negativzinsen zuvor kaum möglich gewesen.

Schliesslich schloss das Parlament in der Sommersession 2020 auch die Weiterentwicklung der IV erfolgreich ab. Mit der Vorlage hatte der Bundesrat beabsichtigt, die bisher noch unzureichende Wiedereingliederung bei Kindern, Jugendlichen und Menschen mit psychischen Erkrankungen zu verbessern. Entgegen anfänglicher Entscheide des Nationalrats, die Kinderrenten zu senken und die Kinderrenten in «Zulage für Eltern» oder «Zusatzrente für Eltern» umzubenennen, entschied sich das Parlament zum Schluss, auf beide Massnahmen zu verzichten.

Jahresrückblick 2020: Sozialversicherungen
Dossier: Jahresrückblick 2020

Rétrospective annuelle 2020: Politique économique

En 2020, la politique économique de la Suisse a été dictée par la pandémie mondiale de Covid-19. Les mesures sanitaires, imposées par le Conseil fédéral, ont été suivies d'un interventionnisme étatique inédit pour permettre à l'économie helvétique de traverser cette crise économique et financière. Selon les estimations, CHF 47 milliards ont été injectés dans l'économie. Ces mesures de soutien ont pris la forme d'un recours accru au chômage partiel, d'un accès aux indemnisations de réduction de l'horaire de travail (RHT) pour les dirigeant.e.s salarié.e.s de leur entreprise, d'un recours aux allocations perte de gains (APG) pour les indépendantes et indépendants, de crédit-relais garantis à hauteur de CHF 40 milliards par la Confédération, de mesures pour éviter ou suspendre les poursuites pour dettes et faillites, d'aides pour les cas de rigueur, ainsi que d'aides ponctuelles pour des secteurs spécifiques comme le tourisme. D'autres options comme des exemptions de la TVA, une gratuité des transports publics pour voyager en Suisse ou des réductions fiscales pour les frais de séjour des Helvètes en Suisse ont été rejetées par le Parlement.
En parallèle des débats sur des aides à l'économie, le Parlement a également débattu au sujet des mesures sanitaires. En effet, plusieurs objets ont traité de l'assouplissement des mesures sanitaires afin de soulager des secteurs de l'économie comme l'hôtellerie-restauration, l'événementiel ou le tourisme. Néanmoins, ces objets ont été rejetés par le Parlement. La volonté d'interdire le versement de dividendes pour les entreprises qui ont bénéficié d'aides de la Confédération a également fait son chemin, mais sans succès. En outre, les discussions autour de l'ouverture des remontées mécaniques pour la saison de ski ont fait couler beaucoup d'encre. L'Union européenne (UE), et plus particulièrement les pays limitrophes comme l'Allemagne, la France ou l'Italie, ont mis la pression sur la Suisse afin d'imposer une fermeture des stations de ski pendant la période des Fêtes. Cette hypothétique fermeture a été combattue par le Parlement.
Malgré les mesures économiques, ou à cause des mesures sanitaires, l'économie helvétique s'est fortement contractée en 2020. Au deuxième trimestre 2020, le PIB helvétique a chuté de 8.2 pourcent. Les entreprises exportatrices et le secteur du tourisme, plombés par la crise économique mondiale, ont souffert. Cependant, la chute du PIB helvétique fut moindre en comparaison de nombreux pays européens. Le SECO tablait, à la fin de l'année, sur une baisse annuelle du PIB de 3.5 pourcent en lieu et place d'une baisse de 6.8 pourcent prédite au printemps.
Pour conclure, la crise du Covid-19 a également poussé le Parlement à remettre en question la résilience de l'économie helvétique, la solidité des chaînes d'approvisionnement, le caractère durable de l'économie helvétique. Un postulat sur le bilan économique des mesures sanitaires imposées par le Conseil fédéral a été accepté.

Mis à part le Covid-19, d'autre thématiques ont tenu le haut de l'affiche en 2020. En particulier, la votation sur l'initiative populaire sur les multinationales responsables a occupé le devant de la scène durant toute l'année. Une intense campagne, ponctuée d'attaques virulentes, de «fake news», d'acteurs et d'alliances inédits, a rythmé l'année 2020. Au final, bien que 50,7 pourcent de la population se soit montrée favorable à l'initiative, elle a été rejetée à la majorité des cantons. Le contre-projet indirect, fruit d'un long débat parlementaire, entrera donc en vigueur.
L'initiative populaire sur l'interdiction du financement des producteurs de matériel de guerre a également été rejetée lors du vote populaire par 57,5 pourcent de la population. Dans les médias, l'objet a été éclipsé par l'initiative sur les multinationales responsables. Par contre, sur cette thématique, le Parlement a adopté deux motions qui visaient la modification de la loi fédérale sur les prestations de sécurités privées fournies à l'étranger (LPSP) et un frein à l'exode des entreprises importantes pour la sécurité du pays.

La thématique de l'îlot de cherté helvétique a été au coeur des débats. Premièrement, l'initiative pour des prix équitables a été débattue en chambre. D'un côté, le Conseil national a adopté le contre-projet indirect du Conseil fédéral, modifié par la CER-CN, qui prévoit une modification de la loi sur les cartels (LCart). D'un autre côté, le Conseil des Etats a profité de la suspension des délais applicables aux initiatives populaires dans le cadre de la crise du Covid-19 pour proroger le délai de traitement de l'initiative populaire au 23 août 2021. Deuxièmement, le Parlement a été divisé sur le projet de suppression des droits de douane sur les produits industriels. Alors que la chambre du peuple a refusé d'entrer en matière, la chambre des cantons a relancé le projet. Troisièmement, une initiative cantonale et une motion sur la suppression ou l'abaissement de la franchise valeur ont été adoptées afin de lutter contre le tourisme d'achat.

Après 4 années de discussions, la révision du droit de la société anonyme (SA) a été validée en conférence de conciliation. Si des modifications des versements d'indemnités en ligne avec l'initiative Minder, des possibilités de publications du capital-actions en monnaie étrangère ou encore l'autorisation de tenir une assemblée générale à l'étranger sont à l'ordre du jour, l'implémentation de quotas féminins, non-contraignants, s'impose comme la réforme majeure de cette révision.

Finalement, plusieurs objets ponctuels ont animé les débats parlementaires. Premièrement, la volonté de protéger les investissements directs étrangers dans des entreprises helvétiques s'est concrétisée. Deuxièmement, les conditions de concurrence entre les entreprises privées et les entreprises dans lesquelles la Confédération, les cantons ou les communes possèdent une participation financière sont revenues sur la table. Troisièmement, une révision de la loi sur le Contrôle des finances (LCF), pour sortir de la surveillance les entreprises de la Confédération partiellement privatisées, a été rejetée. Quatrièmement, à la suite de l'affaire CarPostal, le Parlement s'est penché sur le statut des entreprises proches de la Confédération. Cinquièmement, l'initiative parlementaire sur le renouvellement tacite des contrats a été enterrée, après de longs débats, par les deux chambres. Finalement, la numérisation a entraîné deux modifications légales: la reconnaissance de dettes à l'aide d'un acte de défaut de biens numérisé et la validité juridique des informations publiés sur la plateforme en ligne du registre du commerce (Zefix).

Pour conclure, il est important de mentionner la forte hausse des articles liés à la politique économique dans la presse helvétique. Alors que les articles sur la politique économique ont représenté environ 6 pourcent des articles dans la presse helvétique entre 2017 et 2019, la thématique de la politique économique a représenté 9.2 pourcent en 2020. Cette hausse est principalement à mettre à l'actif d'articles de politique économique générale, et d'articles sur la politique et la situation conjoncturelle. En toute logique, la rédaction d'articles sur ces thématiques spécifiques a été dopée par le Covid-19 qui a fortement impacté l'économie helvétique et a entraîné des mesures conjoncturelles.

Rétrospective annuelle 2020: Politique économique
Dossier: Jahresrückblick 2020

Der in Erfüllung eines Postulats der SPK-NR erschienene Bericht zur gesamthaften Prüfung der Problematik der Sans-Papiers evaluierte in erster Linie die Auswirkungen der geltenden Sozialversicherungspflicht für die schätzungsweise 76'000 in der Schweiz lebenden Sans-Papiers. Für Personen ohne geregelten Aufenthaltsstatus gilt in der Schweiz die Pflicht, sich bestimmten Sozialversicherungen anzuschliessen, und das Recht, entsprechende daraus erwachsende Leistungen zu beziehen. Da zum Anschluss an die Krankenversicherung, die Unfallversicherung, die AHV, die IV, die Erwerbsersatzordnung und die Familienzulagen in der Regel kein Nachweis des rechtmässigen Aufenthalts erbracht werden muss, können sich Sans-Papiers diesen Versicherungen anschliessen – dies im Unterschied zur Sozialhilfe, zu den Ergänzungsleistungen und zur Arbeitslosenversicherung. In seinem Bericht kam der Bundesrat zum Schluss, dass ein Ausschluss von Sans-Papiers von den Sozialversicherungen verschiedenen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz, insbesondere im Rahmen des UNO-Pakts I, der Kinderrechtskonvention und der EMRK, zuwiderlaufen würde. Auch mit den in der Bundesverfassung festgehaltenen Sozialzielen wäre ein solcher Ausschluss nicht vereinbar. Nicht zuletzt befürchtete der Bundesrat bei einem Sozialversicherungsausschluss eine Umwälzung der Kosten auf die Kantone und Gemeinden via die Nothilfe sowie einen stärkeren finanziellen Anreiz für Arbeitgebende zur Beschäftigung von Sans-Papiers, da sie für diese keine Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten hätten. Aus diesen Gründen und nach Prüfung möglicher Alternativen möchte der Bundesrat an der bisherigen Praxis festhalten. Ebenso lehnte der Bundesrat in seinem Bericht Teilregularisierungen oder kollektive Regularisierungen dieser Personengruppe ab. Auch hier verwies er auf die geltenden Bestimmungen, die den föderalen Einheiten ausreichend Spielraum für die Bewilligung von Härtefällen lassen würden.

Pour un examen global de la problématique des sans-papiers (Po. 18.3381)

Ende Mai 2020 verabschiedete der Bundesrat den dritten Staatenbericht der Schweiz zur Umsetzung der UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Der periodische Bericht entstand aus der Zusammenarbeit des BAK und des EDA mit der Unterstützung der Schweizer Koalition für die kulturelle Vielfalt und basiert auf Rückmeldungen aus der Konsultation der Kantone, der Städte, der Zivilgesellschaft sowie verschiedener betroffener Bundesämter.
Der Bericht präsentiert eine Auswahl guter Praktiken und noch zu bewältigender Herausforderungen, die sich für und aus der Untersuchungsperiode von 2016–2019 ergeben haben. Ein besonderes Augenmerk galt in diesem Zeitraum den Kulturförderungsmassnahmen, der Frage der Grundrechte, den Bestrebungen zur Teilhaben von Frauen und Jugendlichen am kulturellen Leben sowie Projekten der internationalen Zusammenarbeit und der nachhaltigen Entwicklung. Als wichtige Projekte des öffentlichen Sektors wurden hierbei zwei Programme hervorgehoben: Das nach Annahme eines Gegenentwurfs zu einer Volksinitiative initiierte Programm «Jugend+Musik», mit dem der erleichterte Zugang zum Musikunterricht für Jugendliche garantiert wird, sowie der Grundsatz des «Kulturprozentes», mit dem die DEZA die Kulturförderung in den Partnerländern unterstützt. Ein beispielhaftes Projekt für die Organisationen der Zivilgesellschaft stellte die Initiative «Diversity Roadmap» dar, deren Bestrebung es ist, Musiklokale egalitärer und zugänglicher zu machen.

UNESCO-Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes

Jahresrückblick 2019: Kultur, Sprache, Kirchen

2019 war hinsichtlich der Kultur-, Sprach- und Kirchenpolitik vergleichsweise ein eher moderater Jahrgang, sowohl im Vergleich zu anderen Politikbereichen, als auch im direkten Vergleich zu den Vorjahren. Eine APS-Zeitungsanalyse zeigt auf, dass alle drei Politikbereiche von einem rückläufigen Trend betroffen sind, wobei sich dieser besonders in der Medienberichterstattung zur Kirchen- und Religionspolitik am stärksten zeigt – hier hat sich der Anteil themenspezifischer Artikel seit 2016 nahezu halbiert. Im Jahresverlauf wurden über die drei Themenbereiche betrachtet unterschiedliche Entwicklungen ersichtlich: Während die Sprachthemen auf nationaler Ebene offensichtlich im Allgemeinen wenig Beachtung fanden, wurden kirchenpolitische Themen besonders Anfangs und Ende Jahr stark diskutiert und fielen dann dem obligaten «Sommerloch» zum Opfer. Die Kulturpolitik hingegen sah sich mit einem regelrechten «Sommerhoch» konfrontiert, nachdem es ab März 2019 eher ruhig geworden war.

Das Hauptaugenmerk der Parlamentarierinnen und Parlamentarier lag 2019 hinsichtlich der kulturpolitischen Entwicklungen mit Sicherheit auf der Revision des Schweizer Urheberrechts. Nach rund 7-jähriger Vorarbeit und einer vom Ständerat im Frühjahr 2019 zwecks Sondierung der Lage des europäischen Urheberrechts auferlegten Rückweisung, wurden im Sommer schliesslich die Weichen gestellt und das Gesamtpaket im Herbst gebündelt. Da die angestrebte Revision Einfluss auf verschiedene Bereiche hat, blieben die negativen Reaktionen indes nicht aus; deshalb ist es auch wenig erstaunlich, dass kurz nach der Schlussabstimmung bereits das Referendum ergriffen wurde. Ob die URG-Revision effektiv gelungen ist, wird sich Mitte Januar 2020 zeigen, wenn die Referendumsfrist abgelaufen ist.
Die Ratifizierungen internationaler Abkommen wie des Übereinkommens über den Schutz des Unterwasser-Kulturerbes und des Rahmenübereinkommens des Europarats über den Wert des Kulturerbes standen hingegen ausser Diskussion.
Ein anderer Fokus wurde im Kulturjahr 2019 wiederum auf die Kulturförderung gelegt. Im Frühjahr wurde die Kulturbotschaft 2021–2024 in die Vernehmlassung geschickt und bis im September zur Stellungnahme freigegeben. Der Ergebnisbericht lag Ende Jahr zwar noch nicht vor, jedoch geben die im Verlauf des Jahres gefällten Entscheide zu diversen Vorstössen mit Referenz auf die Kulturbotschaft (Kulturabgeltung an die Stadt Bern, Einführung eines schweizerischen Jugendkulturgutscheins, Auswirkungen der Urbanisierung auf die Kulturförderung, Aufgabenteilung zwischen SBFI und BAK, Erhöhung des Kredits für die Förderung des Sprachaustausches) einen ersten Hinweis auf mögliche Herausforderungen hinsichtlich der weiteren Beratungen .
Auch im Bereich Heimatschutz und Denkmalpflege blieben die Institutionen nicht untätig. So wurde eine Motion Regazzi (cvp, TI; Mo. 17.4308), die eine Anpassung der Bewertungskriterien für die ISOS-Aufnahme verlangte, stillschweigend angenommen und die Vernehmlassungsergebnisse zur Totalrevision des VISOS vielen mehrheitlich positiv aus, was auf ein Inkrafttreten der revidierten Verordnung auf den 1. Januar 2020 hindeutete.
In der ausserparlamentarischen Debatte fand das Fête de Vignerons, das drei Jahre nach seiner Aufnahme ins UNESCO Weltkulturerbe und 20 Jahre nach der letzten Austragung neuerlich in Vevey (VD) stattfand, grosse Beachtung – leider aufgrund der finanziellen Bruchlandung nicht nur positive. Ein wiederkehrendes Thema war 2019 auch die Raubkunst, wobei der Fokus in diesem Jahr auf den afrikanischen Kontinent und die im Kontext der Kolonialisierung erbeuteten Schätze gerichtet wurde. Auch das Volk der Fahrenden war 2019 insbesondere in den Kantonen ein Thema, da sich die Frage der Durchgangsplätze nicht nur im Kanton Bern aufgetan hatte.

Im Bereich der Sprachpolitik standen in diesem Jahr die Mehrsprachigkeit und damit zusammenhängend die Förderung des Austausches zwischen den Sprachgemeinschaften sowie der Erhalt des Rätoromanischen im Fokus. So forderte eine Motion Bourgeois (fdp, FR; Mo. 17.3654), dass öffentliche Ausschreibungen des Bundes künftig in den wichtigsten Landessprachen zu erfolgen hätten, und eine Motion Gmür-Schönenberger (cvp, LU; Mo. 18.4156), dass TV-Produktionen nicht mehr synchronisiert, sondern sowohl Eigenproduktionen in den Landessprachen, als auch englischsprachige Produktionen in der Originalsprache ausgestrahlt und lediglich noch untertitelt werden sollen.
Mit dem Begehen der 100-Jahr-Feier der Lia Rumantscha wurden indes Bestrebungen aufgezeigt, das Rätoromanische wieder mehr aufs Parkett zu bringen und insbesondere auch einem Publikum ausserhalb des Bergkantons ins Gedächtnis zu rufen. Nicht zuletzt seit einem im Frühjahr erschienene Bericht des ZDA war deutlich geworden, dass es für das Rätoromanische in der Schweiz fünf vor zwölf geschlagen hat.

In Bezug auf kirchen- und religionspolitische Themen stand in diesem Jahr die SVP mit ihren islamkritischen Parolen auf prominentem Parkett. Mit ihrem Vorstoss zur Bekämpfung der Ausbreitung eines radikalen Islams war sie im Parlament zwar gescheitert, generierte aber mit den daraus resultierenden Wahlplakaten des der SVP nahestehenden Egerkinger-Komitees im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen 2019 ein grosses Medienecho. Auch die Motion Wobmann (svp, SO; Mo. 17.3583), die ein Verbot der Verteilaktion «Lies!» zum Ziel hatte, scheiterte – nach einer rund 1.5-jährigen Sistierung – am Ständerat. Wie eine bereits im Sommer veröffentlichte Studie aufzeigte, nahm die SVP auch in den Kantonen eine dominante Rolle in der Religionsdebatte ein. So war es nur wenig erstaunlich, dass die Anfangs Jahr neuerlich aufkommende Frage, ob man als guter Christ noch die SVP wählen dürfe, wieder zu diskutieren gab; nicht zuletzt, weil damit auch verschiedentliche Kirchenaustritte – nebst den ohnehin zunehmenden Kirchenaustritten – von SVP-Politikerinnen und -Politikern einhergingen, welche sich lieber dem Churer Bischof Huonder zuwenden wollten. Dieser seinerseits wurde schliesslich nach zweijährigem Aufschub zu Pfingsten Abberufen, nutzte die Zeit bis dahin aber für einen Rundumschlag gegen die Landeskirchen und stellte sich noch immer quer zu den Missbrauchsvorwürfen in der Kirche.
Wie sich die Kirche zum Staat verhalten soll und in welchem Masse sich Theologen in die politische Debatte einbringen dürfen, wurde seit Anfang Jahr im Rahmen eines von Gerhard Pfister (cvp, ZG) neu gegründeten Think-Tanks «Kirche/Politik» erläutert.
Eine für viele eher überraschende Kunde kam im Herbst von Seiten der reformierten Kirchen: Diese hatten sich nach langen Diskussionen für die «Ehe für alle» ausgesprochen, wobei sie im Wissen um die konservativen Kräfte innerhalb der Glaubensgemeinschaft die Gewissensfreiheit der Pfarrpersonen gewährleisten wollten. Unerfreulich waren 2019 die Meldungen über die Rückkehr und rasche Zunahme des Antisemitismus in der Schweiz.

Die 2019 im Vorfeld des angekündigten Frauenstreiks virulent diskutierte Genderthematik fand ihren Einzug auch im Bereich der Kultur, Sprache und Kirche. So wurden Frauen, und spezifisch ihr Schaffen und ihre Stellung in der Kunst und Kultur, wesentlich stärker thematisiert als in den vergangenen Jahren. Auch die Diskussion um gendergerechte Sprache wurde in diesem Jahr wieder virulenter aufgegriffen. Besonders überraschend kam auch die Ankündigung der Kirchenfrauen, sich am diesjährigen Frauenstreik zu beteiligen, um ein Zeichen gegen die männliche Dominanz innerhalb der Institution zu setzen.

Jahresrückblick 2019: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2019

Der Bundesrat erachtete das Anliegen des Postulats Fehr (sp, ZH) mit dem im Frühjahr 2018 verabschiedeten Bericht über das Potenzial der Schweizer Game-Industrie für Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft als erfüllt und beantragte im Rahmen seines Berichtes zu Motionen und Postulaten (BRG 19.006) die Abschreibung des Vorstosses. Der Nationalrat kam dem Antrag in der Sommersession 2019 nach.

Das Potenzial der Schweizer Game-Industrie für Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft (Po. 15.3114)

In Erfüllung des Postulats Fehr (sp, ZH) präsentierte der Bundesrat im Frühjahr 2018 seinen Bericht zum Potenzial der Schweizer Game-Industrie für Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft. Wie bereits im Jahr 2015 in der Stellungnahme zum Postulat verkündet worden war, musste sich dieser in seinen Erläuterungen aufgrund des Umfangs und der Diversität der gestellten Fragen auf einzelne zentrale Punkte beschränken. In diesem Sinne fokussierte der Bericht die kulturellen Aspekte von Games, welche sich im Wesentlichen in Form von Kulturgütern und als ein Bereich der Kulturförderung äusserten. Dieser Fokus sei primär auf das Games-Förderprogramm zurückzuführen, welches 2010 vom Bund über die Kulturstiftung Pro Helvetia lanciert worden war. Im Bericht wurden zunächst die Merkmale von Games aufgegriffen und ein Überblick zur Game-Industrie in der Schweiz gegeben, ehe die Förderung im Allgemeinen und die Entwicklung spezifisch im Schweizer Umfeld aufgegriffen wurden.

Unter Games seien laut Bericht grafisch-elektronische Schnittstellen zu verstehen, die eine spielerische Mensch-Maschine-Interaktion ermöglichten. Zu den Grundzügen eines Games zählen die Verbindung von Hard- und Software, die auf Spielregeln sowie Grafik- und Tonelementen basierende Darstellungsform, das Auslösen einer individuellen oder kollektiven Aktivität als Erlebnis und seine Form als (im-)materieller Träger zur Vermarktung und zum Konsum. Die Geschichte der Games sei in erster Linie eine Geschichte der interaktiven Entwicklung; daher könne man sie heute als eine Kunstform, ein globales gesellschaftliches und kulturelles Phänomen oder als eine eigenständige Industrie betrachten.
Als eine Kunstform zu verstehen seien Games, weil sie aufgrund der Verbindung von Text, Musik und Grafik einen interdisziplinären Charakter aufwiesen, der die Spielenden in einen interaktiven Prozess einbinde. Zudem seien sie in künstlerischen Traditionen und kulturellen Räumen verankert, bei gleichzeitiger Eigenständigkeit hinsichtlich Merkmals- und Sprachentwicklung, und bildeten daher heute auch einen anerkannten Bereich des Kulturschaffens.
Als soziokulturelles Phänomen könnten sie verstanden werden, weil sie gerade als Kunstform einen gemeinsamen globalen Kulturraum schüfen. So könnten beispielsweise die 1985 von Nintendo erschaffene Kultfigur „Super Mario“ als ein Teil der heutigen Populärkultur oder die jährlich in Köln stattfindende Computerspielemesse „Gamescom“ als ein Kulturevent verstanden werden, die in den Kulturkonsumgewohnheiten an Bedeutung gewonnen hätten. In den USA verzeichne man über 150 Mio. regelmässig oder gelegentlich Spielende, während sich die Zahl der aktiven Spielenden in der Schweiz Schätzungen zufolge auf 1.5 Mio. belaufe. Über Games sei eine eigentliche Game-Kultur begründet worden, die sich auf verschiedensten Plattformen ausbreite und der ganz eigene Anlässe wie Festivals, Messen oder Symphoniekonzerte gewidmet würden.
Als globale Kreativindustrie mit entsprechender Organisation von Produktion, Vertrieb und Konsum könne die Game-Industrie verstanden werden, weil der Umfang ihrer organisatorischen Abläufe mittlerweile mit jenen der Film- oder Musikindustrie oder des Verlagswesens verglichen werden könnten und sich die Gesamteinnahmen auf rund 100 Mia. US-Dollar – bei einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 8% – belaufen würden. Die kreativen und wirtschaftlichen Haupttätigkeiten der Industrie bestünden in der Produktion von Trägertechnologien für Games sowie in eigentlichen Entwicklung von Games, in der Organisation der Vermarktung sowie im Vertrieb und Verkauf im Einzelhandel.

Im Unterschied zu anderen Ländern gebe es in der Schweiz noch keine voll integrierte Game-Industrie mit für die Wertschöpfungskette verantwortlichen, spezialisierten Akteuren. Es liessen sich indes aber fünf Hauptgruppen von (un-)abhängigen Akteuren – mit stetig steigender Anzahl – ausmachen: Entwicklerinnen und Entwickler, Herausgebende sowie im Vertrieb und Einzelhandel Tätige, Bildungs- und Forschungsinstitutionen mit entsprechenden Studiengängen, Organisatoren von Veranstaltungen sowie Verbände und Interessengruppen. Die aktuellsten Erhebungen von der SGDA und Pro Helvetia zeigten auf, dass es in der Schweiz rund 100 bis 120 Kleinstrukturen (Entwicklerinnen und Entwickler sowie Produktionsstudios) gebe, die teilweise oder gar vollständig für die Game-Produktion tätig seien. Noch 2010 sei diese Zahl auf lediglich ein Dutzend geschätzt worden. Der Vertrieb erfolge grundsätzlich über den Einzelhandel, wobei ein wachsender Anteil über den Onlinevertrieb abgewickelt werde, für den es in der Schweiz aber praktisch noch keine lokalen Verleger oder Plattformen gebe, weshalb die Produzierenden mehrheitlich Vereinbarungen mit ausländischen Verlegern schliessen würden. Hingegen spielten Bildungs- und Forschungsinstitutionen wie die ETH oder die EPFL eine zentrale Rolle für die Branchenentwicklung, da hier relevante Entwicklerkompetenzen in verschiedenen Studiengängen der Kunst- oder Informationswissenschaften vermittelt würden. Gerade hierin liege eine der Stärken der Schweizer Game-Industrie: Durch die Verknüpfung mit diesen hochstehenden Ausbildungen seien die Entwicklerinnen und Entwickler in der Lage, auch international wettbewerbsfähige Projekte zu lancieren, die sich wiederum als wertvolle Beiträge für die Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft auszeichneten. Demgegenüber wurde aber die Rentabilität beziehungsweise die Schwierigkeit, ein existenzfähiges Unternehmen aufzubauen, als Schwäche angeführt. Dies sei in erster Linie auf die Gegebenheiten der extrem wettbewerbsorientierten internationalen Märkte und auf erschwerende lokale Faktoren zurückzuführen.

Da Games aufgrund ihrer Besonderheiten nicht dem traditionellen Bereich der Kulturförderung zugeordnet werden könnten, erfolge diese in der Regel über Organisationen oder andere Institutionen. So auch in der Schweiz: Gemäss gesetzlicher Aufgabenteilung falle die Unterstützung interaktiver Medien in den Aufgabenbereich der Stiftung Pro Helvetia und nicht etwa in jenen des BAK. Es bestünden aber auch diverse Initiativen seitens der Kantone und Städte (in Form von Veranstaltungen), der SRG (Unterstützung von drei Schweizer Projekten über den Fonds Multimedia) oder privater Initiativen (z.B. Förderfonds für Matchmaking-Initiative von Engagement Migros). Die konkretesten Massnahmen seien aber von der Stiftung Pro Helvetia umgesetzt worden, gerade für Projekte, die besonders innovativ seien oder der Kultur neue Impulse geben würden (z.B. Themenprogramm „Game Culture. Vom Spiel zur Kunst“).
Aufgrund der hochstehenden Ausbildungen in der Schweiz werde die Qualität der Schweizer Produkte auch in der internationalen Szene anerkannt. Jedoch handle es sich hierbei noch um eine relativ junge Branche, die quantitativ noch nicht ganz mit dem internationalen Niveau mithalten könne. Daher habe sie noch viele Möglichkeiten zu ihrer Entwicklung, stosse aber auch an Grenzen. Um die Möglichkeiten auszuschöpfen, wurden im Bericht vier Entwicklungsziele festgehalten: quantitative und qualitative Verbesserung der inländischen Produktion, Einbezug der Schweizer Entwicklerinnen und Entwickler in die Industrie und den Marktzugang, die Strukturierung der Branche und die Stärkung ihrer Interdisziplinarität. Für die Zielerreichung wurden verschiedene Massnahmen vorgeschlagen. So solle beispielsweise eine Verbesserung des Fördersystems oder eine Weiterführung des Wissensaustausches zwischen den Förderinstitutionen vorangetrieben werden. Auch wolle man eine Diversifizierung und Bündelung der Mittel, Kompetenzen und Methoden sowie die Stärkung der internationalen Promotion vornehmen.

Der Bericht schloss mit der Erkenntnis, dass die Branche durchaus Potenzial auf der Ebene der Kulturförderung ausweise. Die Förderung dieser Industrie könne als Vorbild für andere, traditionelle Bereiche des kreativen Schaffens fungieren, die sich ebenso mit Themen der Digitalisierung oder einem Wandel im Schaffungsprozess auseinandersetzen müssten. Zugleich könne man an ihr neue Querschnittmethoden testen, die sich besser an den aktuellen Begebenheiten orientieren könnten, und neues Terrain für innovative Förderansätze schaffen.

Das Potenzial der Schweizer Game-Industrie für Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft (Po. 15.3114)

Zur Erfüllung des Postulats Maury Pasquier (sp, GE) bezüglich der Arbeitsunterbrüche vor Geburtstermin hatte das BSV eine Studie beim Büro für arbeits- und sozialpolitische Studien (BASS) in Auftrag gegeben. Onlinebefragungen von 3'575 Betrieben und von 2'809 zufällig ausgewählten Frauen, die im Jahr 2016 ein Kind geboren und eine Mutterschaftsentschädigung der EO bezogen hatten, ergaben, dass Arbeitsunterbrüche vor dem Geburtstermin ein weitverbreitetes Phänomen sind. So komme es in rund 80 Prozent aller Schwangerschaften zu Erwerbsunterbrüchen, wozu die Autorinnen und Autoren Absenzen aus gesundheitlichen Gründen (bei einer Krankschreibung durch den Arzt), Absenzen auf blosse Anzeige hin (ohne Arztzeugnis) und Beschäftigungsverbote, zum Beispiel bei gefährlichen oder beschwerlichen Arbeiten, zählten. Mehrheitlich erfolgte dabei – insbesondere in den letzten zwei Wochen vor der Geburt – ein vollzeitlicher Erwerbsunterbruch (73 Prozent aller befragten Frauen), manchmal kam es zuvor bereits zu einer teilzeitlichen Reduktion (42 Prozent aller befragten Frauen). Durchschnittlich dauerten die Unterbrüche sechs Wochen.

Diese Unterbrüche hatten für viele Betroffene in der Studie finanzielle Folgen, einem Viertel von ihnen entstanden dadurch Einkommenslücken oder -einbussen. Am häufigsten, in 67 Prozent aller Ausfälle, waren die Arbeitsunterbrüche gesundheitlichen Gründen geschuldet. Dabei erhielten 67 Prozent aller Betroffenen den vollen Lohn, 28 Prozent erhielten die gesetzlich verlangten 80 Prozent des Lohns und 5 Prozent erhielten weniger als 80 Prozent oder gar keinen Lohn. In 21 Prozent aller Fälle blieben Schwangere der Arbeit auf blosse Anzeige hin fern, wodurch sie nicht in allen Fällen Anspruch auf Lohn haben. 78 Prozent der Befragten gaben jedoch an, den vollen Lohn erhalten zu haben, 16 Prozent erhielten 80 Prozent des Lohnes und 6 Prozent blieben ohne Lohn. Beschäftigungsverbote für Schwangere sind mit 4 Prozent der Befragten eher selten. Insgesamt zeigte die Studie, dass insbesondere Frauen ohne tertiäre Bildung von Einkommenseinbussen oder -lücken betroffen sind. Problematisch ist insbesondere die Situation von arbeitslosen Schwangeren, da diese bei gesundheitsbedingter Arbeitslosigkeit als nicht vermittelbar gelten.

Bezüglich des Handlungsbedarfs stellte die Studie fest, dass ein allfälliger vorgeburtlicher Urlaub nicht wie von der Postulantin vorgebracht zwei, sondern vier Wochen dauern sollte. Zu klären sei aber, ob der bisherige Mutterschaftsurlaub entsprechend verlängert werden oder ob ein zusätzlicher vorgeburtlicher Urlaub geschaffen werden solle. Dabei stellte der Bericht jedoch in Frage, ob ein solcher Urlaub sinnvoll wäre. So seien zwar Erwerbsunterbrüche vor der Geburt weit verbreitet, jedoch erhielten 95 Prozent der Betroffenen während des Unterbruchs zwischen 80 und 100 Prozent ihres Lohnes. 70 Prozent erhielten sogar den vollen Lohn, bei einem vorgeburtlichen Urlaub würden sie jedoch vermutlich nur noch die von der EO übernommenen 80 Prozent des Lohnes erhalten. Zudem habe die Umfrage auch gezeigt, dass kein grosses Interesse an einem vorgeburtlichen Urlaub bestehe. Stattdessen würden der Wiedereinstieg ins Arbeitsleben und die kurze Dauer des Mutterschaftsurlaubs als grössere Herausforderungen erachtet als die Erwerbstätigkeit vor der Geburt. Daher lägen die Prioritäten der Mütter eher bei einer Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs nach der Geburt, bei einem Vaterschaftsurlaub oder Elternzeit. Stattdessen würde ein solcher Urlaub gemäss der Studie vor allem die Arbeitgebenden entlasten, weil dadurch die EO die entsprechenden Lohnkosten übernehmen und sich die Arbeitsplanung der Firmen erleichtern würde.

Arbeitsunterbrüche vor Geburtstermin

Ende September 2016 verabschiedete der Bundesrat den zweiten Staatenbericht der Schweiz zur Umsetzung der UNESCO-Konvention über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Der Bericht beruht auf einer Konsultationsgrundlage von Kantonen, Städten und der Zivilgemeinschaft sowie einer vom BAK in Zusammenarbeit mit dem UNESCO-Lehrstuhl für Menschenrechte und Demokratie der Universität Freiburg durchgeführten öffentlichen Tagung und umfasst die Untersuchungsperiode von 2012–2016.
Der Bericht führte gelungene Beispiele in der Förderung sowie künftige Herausforderungen auf und fokussierte dabei auf die Digitalisierung, die Achtung von Grundrechten, die kulturelle Teilhabe von Frauen und Jugendlichen sowie Projekte der internationalen Zusammenarbeit und nachhaltigen Entwicklung. Beispielhaft wurden hierbei Projekte wie die Plattform «Helvetiarockt», mit der insbesondere Musikerinnen unterstützt werden, oder die «Jugendkulturpauschale» des Kantons Basel-Stadt, die Projekte von Jugendlichen und jungen Erwachsenen bis 30 Jahre unterstützt, hervorgehoben. Im Weiteren wurden auch die Aktivitäten der Stiftung Hirondelle, die sich für die Medienfreiheit in Krisengebieten einsetzt, oder das «Kulturprozent» der DEZA, die 1 Prozent ihres Budgets für Kunst und Kultur einsetzt, präsentiert.

UNESCO-Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes

Der Bundesrat publizierte einen Bericht zum Thema Aufschub der Mutterschaftsentschädigung in Beantwortung zweier Postulate Maury Pasquier (10.3523) und Teuscher (10.4125). Beide Vorstösse hatten den Aufschub der Mutterschaftsentschädigung bei einem längeren Spitalaufenthalt des Neugeborenen unmittelbar nach der Geburt betroffen. Ein solcher Aufschub ist derzeit möglich, jedoch ist die Mutter ab der Niederkunft bis zum Beginn der Auszahlungen – dem offiziellen Beginn des Mutterschaftsurlaubs – erwerbslos, und sie darf in den ersten acht Wochen nicht arbeiten. Die Postulate verlangten, einen Bericht über mögliche Gesetzesänderungen vorzulegen, um Müttern in dieser Situation ein Einkommen zu gewährleisten. Der Bundesrat kam in seinem Bericht zum Schluss, dass die auftretende Einkommenslücke im beschriebenen Fall nicht durch andere Sozialversicherungen oder private Versicherungslösungen gedeckt wird. Zwar besteht eine gewisse Pflicht der Arbeitgeber auf Lohnfortzahlung, diese ist jedoch rechtlich nicht abschliessend begründet. Als Möglichkeiten zur Verbesserung der Situation nannte der Bundesrat einerseits eine Ergänzung des Erwerbsersatzordnungsgesetzes (EOG), damit betroffenen Müttern eine Entschädigung ausbezahlt würde. Andererseits könnten die Bestimmungen im Obligationenrecht so angepasst werden, dass der Arbeitgeber in jedem Fall zu einer Lohnfortzahlung verpflichtet ist – dies gestützt auf die Tatsache, dass die Arbeitnehmerin sich um ein krankes Kind kümmert.

Aufschub der Mutterschaftsentschädigung

Der Bundesrat verabschiedete den ersten Staatenbericht der Schweiz zur Umsetzung der UNESCO Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen. Ziel der Konvention ist die internationale Anerkennung der Besonderheit kultureller Güter und Dienstleistungen als Träger von Sinn und Identität. Mit der Ratifizierung der Konvention im Jahr 2008 hatte sich die Schweiz dazu verpflichtet, alle vier Jahre einen Bericht über deren Umsetzung zu erstellen. Dieser erste Bericht überprüfte nun die Effizienz des Schweizer Modells und hob dessen in der föderalistischen Geschichte begründeten Stärken hervor und wies auf künftige Herausforderungen wie die Schaffung eines geeigneten statistischen Rahmens, die Verstärkung der Sensibilisierungsmassnahmen und eine effizientere Koordination hin.

UNESCO-Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes

Ein Jahr nach der Ratifikation der UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen präsentierte die Schweizerische Koalition für kulturelle Vielfalt zusammen mit der Schweizerischen UNESCO-Kommission in einem Expertenbericht Vorschläge zur Umsetzung der Konvention. Die Experten empfahlen unter anderem mehr Literatur- und Landessprachenunterricht an den Schulen, verstärkte musikalische Erziehung und eine „professionelle“ Filmförderung. Das Papier plädierte zudem für eine stärkere Position und breitere Finanzierung der Stiftung Pro Helvetia.

UNESCO-Konvention zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes

Das BAK legte den Bericht «Memopolitik. Eine Politik des Bundes zu den Gedächtnissen der Schweiz» vor. Dieser gibt einen Überblick über die zu bewältigenden Herausforderungen bei der Erhaltung und Vermittlung des Gedächtnisses der Schweiz und über dessen Veränderungen im digitalen Zeitalter. Anfang Dezember wurden die Ergebnisse der Anhörung präsentiert. Sie zeigten alle einen dringlichen Handlungsbedarf auf, wobei sich die angefragten Fachkreise generell ein koordiniertes Vorgehen auf Bundesebene wünschen. Dabei soll der Bund die Koordination über seine eigenen Institutionen hinaus unterstützen und sich auch an den internationalen Bestrebungen zur Digitalisierung von Kulturgütern beteiligen.

Gedächtnisses der Schweiz

2004 hatte der Nationalrat ein Postulat seiner SGK verabschiedet, das den Bundesrat ersuchte, einen Bericht auszuarbeiten, der die Doppelspurigkeiten der Militärversicherung (MV) mit den anderen Sozialversicherungen aufzeigt und Lösungen vorschlägt, um sie zu vermeiden. Der Bericht kam zum Schluss, dass das aktuelle System, das die verfassungsmässige Aufgabe einem einzigen Versicherer, nämlich der MV, überträgt, optimal ist. Das System ist einfacher und kostengünstiger und ermöglicht zudem, Gesundheitsschäden, die eine Invalidität zur Folge haben, frühzeitig zu erkennen, rasch darauf zu reagieren und so die Leistungskosten zu senken. Der Bericht zeigte zudem auf, dass den Militärversicherten durch die Tatsache, dass sie auch von anderen Sozialversicherungen Leistungen beziehen können, kein finanzieller Vorteil erwächst. Die Koordinationsregeln, die zwischen den Sozialversicherungen bestehen, funktionieren gut und erlauben, Überentschädigungen zu vermeiden.

Doppelspurigkeiten der Militärversicherung

Der erste Band der Veröffentlichungen der Bergier-Kommission zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Dritten Reich war dem Handel mit Raubgütern und Raubkunst in den Jahren 1933-1945 gewidmet, insbesondere der Rolle der Schweiz als Umschlagplatz von Kulturgut zwischen Europa und Übersee. Zu der vielerorts erwarteten Anklageschrift gegen den einheimischen Kunsthandel wurde der Bericht nicht, da nach Auffassung der Autoren die Schweiz im internationalen Kunstmarkt der 30er und 40er Jahre letztlich nur eine untergeordnete Rolle spielte. Die nach dem Krieg vor Bundesgericht geltend gemachte (und von diesem weitgehend geschützte) «Gutgläubigkeit» einzelner Galerien (Fischer in Luzern, Beyeler in Basel), Museen (Kunstmuseum Basel) und Käufer (Bührle), die im Nachhinein behaupteten, nichts von der Herkunft der Bilder gewusst zu haben, wurde allerdings als nicht zutreffend bezeichnet; kritischere Sammler seien sich durchaus im Klaren gewesen, dass es sich bei den Angeboten aus Deutschland um eine direkte Subventionierung der nationalsozialistischen Kriegsmaschinerie (sog. «Kanonenauktionen») gehandelt habe.

Erster Band der Bergier-Kommission zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Dritten Reich

Die drei staatlichen Sozialwerke AHV, IV und EO schlossen mit einem Defizit von 766 Mio Fr. ab. Das wesentlich bessere Ergebnis als im Vorjahr, wo ein Fehlbetrag von fast 1,84 Mia Fr. resultiert hatte, war in erster Linie dem Anfang 1999 eingeführten Mehrwertsteuerprozent für die AHV (1,25 Mia Fr. Mehreinnahmen) zu verdanken. Das Defizit war aber dennoch 100 Mio Fr. höher als budgetiert. Die Einnahmen von AHV, IV und EO stiegen um 6,6% auf 35,6 Mia Fr., die Ausgaben um 3,2 % auf 36,4 Mia Fr. Der Ertrag der Anlagen von 20 Mia Fr. sank im Berichtsjahr um 5,2% auf 1,03 Mia Fr. Die Einnahmen der AHV stiegen (auch konjunkturbedingt) um 7,4% auf rund 27,2 Mia Fr., während der Aufwand um 2,5% auf 27,4 Mia Fr. zunahm. Das Defizit betrug damit noch 180 Mio Fr. gegenüber 1,4 Mia Fr. im Vorjahr. Die Rentenzahlungen der AHV stiegen um 2,6% auf 26,5 Mia Fr. und machten 97% der Ausgaben aus. In der IV erhöhte sich der Aufwand (8,4 Mia) mit 5,0% stärker als der Ertrag (7,6 Mia) mit 4,0%; der Ausgabenüberschuss belief sich auf 799 Mio Fr. gegenüber 696 Mio Fr. im Vorjahr. In der Rechnung der EO schlugen die seit dem 1. Juli des Berichtsjahres markant besseren Entschädigungen für Dienstleistende zu Buche. Die Ausgaben stiegen um 13,3% auf 631 Mio Fr., die Einnahmen um 4,5% auf 844 Mio Fr.; der Überschuss der EO reduzierte sich dadurch von 251 Mio Fr. auf 213 Mio Fr. Das Gesamtvermögen des Ausgleichsfonds nahm um das Defizit auf 23,4 Mia Fr. ab. Das AHV-Vermögen belief sich auf 21,6 Mia Fr.; es sank von 82% einer Jahresausgabe auf 79%.

Jahresergebnis 1999 der AHV, IV und EO
Dossier: Jahresergebnisse der IV
Dossier: Jahresergebnisse der AHV

Im Sommer präsentierte das Bundesamt für Kultur (BAK) seinen Kulturbericht 1999 mit dem Titel «Zahlen, bitte!», welcher – analog zum Clottu-Bericht von 1974 – eine Auslegeordnung der Bedürfnisse der Kulturschaffenden vornahm. Dabei wurde festgestellt, dass die staatliche Kulturförderung allgemein einen guten Ruf geniesst, dass sich die Kulturschaffenden aber eine klarer definierte Rolle des Bundes bezüglich Koordination, Vernetzung und Information wünschen. Ein besonderer Abschnitt war den Absichten von BAK und Pro Helvetia zur Abstimmung ihrer Tätigkeiten in den kommenden Jahren gewidmet; dieses eigentliche Kern-Kapitel soll die Basis für einen intensiven Dialog über die schweizerische Kulturpolitik bilden. Effiziente Kulturförderung – so die Meinung der Verantwortlichen des BAK – könne nur im Rahmen von Staat, Kantonen, Städten mit grossen kulturellen Leistungen und privaten Mäzenen vonstatten gehen; um diesen Gedanken umzusetzen ist eine «Plattform Kulturförderung» geplant, welche Private und öffentliche Hand zusammenführen soll. Der Abgrenzung der verschiedenen Tätigkeitsfelder zwischen BAK und Pro Helvetia ist auch ein Unterkapitel in der Botschaft zur Finanzierung der Pro Helvetia gewidmet. Der Frage der verschiedenen Ebenen der Kulturförderung ging eine zweitägige Arbeitstagung im Gottlieb-Duttweiler-Institut in Rüschlikon nach, an der BAK, Pro Helvetia und Migros-Kulturprozent prominent vertreten waren.

Kulturbericht 1999

Kurz vor Weihnachten stellte das EDI den zweiten Bericht der interdepartementalen Arbeitsgruppe Finanzierung der Sozialversicherung (IDA-FiSo-2) der Öffentlichkeit vor. Nachdem der erste Bericht die finanziellen Folgen der Weiterführung des geltenden Leistungssystems in den Jahren 2010 und 2025 dargestellt hatte, wurden mit dem zweiten Bericht die möglichen Aus-, Um- oder Abbauszenarien im Leistungsbereich dargestellt. IDA-FiSo-1 war im Vorjahr zum Schluss gelangt, dass im Jahre 2010 15,3 Mia. Fr. mehr nötig sind, um die heutigen Sozialleistungen inklusive Mutterschaftsversicherung zu finanzieren. Der Bundesrat hatte IDA-FiSo-2 daraufhin den Auftrag erteilt, anhand von drei Szenarien darzustellen, was getan werden müsste, um den Mehrbedarf auf 9 Mia. Fr. zu beschränken, welche Massnahmen die Fortführung des Status quo fordert und welche die Erhöhung der Ausgaben auf 18 Mia. Fr. Der IDA-FiSo-2-Bericht zeigte den Gestaltungsraum innerhalb der einzelnen Sozialversicherungszweige auf sowie die Auswirkungen für das ganze System, die Versicherten und die Wirtschaft. Bei allen Varianten wurde mit einem finanziellen Mehrbedarf gerechnet.

Sowohl die bürgerlichen Parteien und die Arbeitgeber auf der einen, als auch die SP und die Gewerkschaften auf der anderen Seite sahen sich von den Schlussfolgerungen des Berichtes in ihren Ansichten bestätigt. Die FDP fand, dass jetzt weder ein Ausbau noch die Schliessung von Lücken im sozialen Netz möglich sei. Sie forderte den Bundesrat auf, für die mittel- und langfristigen Aspekte der Finanzierung der Sozialwerke zu einem Gespräch am runden Tisch einzuladen. Die SVP verlangte ein Sanierungspaket, das auf der Leistungsseite zwingende Korrekturen vornehme. Die Arbeitgeber vertraten die Auffassung, dass nur das Szenario "gezielter Abbau" wirtschaftsverträglich sei, und dass im jetzigen Zeitpunkt die Einführung einer Mutterschaftsversicherung nicht zur Diskussion stehen könne. Gegen jeglichen Ausbau war auch der Schweizerische Gewerbeverband; er verlangte unter anderem ein einheitliches Rentenalter von mindestens 65 Jahren, eine Kürzung der Bezugsdauer bei der Arbeitslosenversicherung sowie Kostendämpfungen im Gesundheitswesen.

Ganz andere Schlüsse zogen SP und Gewerkschaften aus dem Bericht. Für die Sozialdemokraten zeigte dieser, dass kein Bedarf für Leistungsabbauszenarien im Sozialversicherungsbereich bestehe und auch ein Moratorium wirtschaftspolitisch nicht zu rechtfertigen sei. Aus dem Bericht sei zudem ersichtlich, dass die Politik in der Ausgestaltung der sozialen Schweiz der nächsten Jahrzehnte einen sehr grossen Spielraum habe. Für den Christlichnationalen Gewerkschaftsbund (CNG) stellte der Bericht eine gute Ausgangslage dar, um die Auseinandersetzungen über die künftige Ausgestaltung der Sozialwerke zu versachlichen. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) hingegen bezeichnete den Bericht als mangelhaft. Er liste unzählige Abbauvorschläge auf und beschränke sich dabei auf die Bezifferung der möglichen Einsparungen. Dabei hätten die Experten vergessen, die Folgen für die Betroffenen darzulegen. SP und SGB verlangten die rasche Realisierung der Mutterschaftsversicherung und der Ruhestandsrente.

Einmal mehr zwischen den Fronten versuchte sich die CVP zu positionieren. Die Partei sprach sich sowohl gegen den Abbau als auch gegen den Ausbau, sondern für den Umbau der Sozialversicherungen auf dem Niveau der heutigen Sozialleistungsquote sowie für eine Mutterschaftsversicherung aus. Sie kritisierte aber, die Arbeitsgruppe sei von zu optimistischen Arbeitslosenquoten (maximal 3,5%) ausgegangen. Sparpotential ortete sie in mehr Eigenverantwortung und in der Missbrauchsbekämpfung.

Drei-Säulen-Bericht/IDA FiSo

Bundesrätin Dreifuss, welche sich im Rahmen des Filmfestivals von Locarno zu diesen Vorschlägen und Anregungen äusserte, zeigte sich ziemlich zurückhaltend. Sie gab ihrer Überzeugung Ausdruck, dass die bestehenden Instrumente zur Förderung des Schweizer Films effizienter eingesetzt werden könnten. Die Einführung einer erfolgsorientierte Filmförderung verlangt ihrer Ansicht nach vermehrte Vorarbeiten und eine vertieftere Analyse. Diplomatisch äusserte sich Dreifuss auch zur Idee eines Schweizer Filminstituts. Mehr als auf eine dirigistische Intervention von oben möchte sie hier auf ein harmonisches Zusammenwachsen der bereits vorhandenen Strukturen setzen. Einzig den Vorschlag für die Einführung eines Garantiefonds versprach sie möglichst rasch zu realisieren.

Die Chefin der Sektion Film im BAK, Yvonne Lenzlinger, gab anfangs November überraschend ihren Rücktritt bekannt. Lenzlinger, die erst seit August 1993 im Amt war, begründete ihren Schritt mit dem Fehlen der grossen Linien und dem mangelnden Mut, neue Ideen umzusetzen.

"Weiss-Schachtel" zur Filmförderung erstellt