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Von Oktober bis Dezember 2021 verwandelte sich das Bundeshaus im Kontext der zweiten Frauensession und zur Feier des 50-jährigen Jubiläums des Frauenstimmrechts erstmalig seit seines Bestehens in eine Kunsthalle, wie die Aargauer Zeitung berichtete. Die von der Schweizerischen Gesellschaft bildender Künstlerinnen (SGBK) organisierte Aktion umfasste insgesamt 67 Silhouetten von Künstlerinnen, welche alle – mit einem klar ersichtlichen Stimmzettel versehen – im ganzen Bundeshaus verteilt waren. Dass gerade die SGBK, eine kleine, privat finanzierte und ums Überleben kämpfende Organisation, eine solche Aktion zu Ehren der Frauen organisierte und nicht etwa der grösste Berufsverband der Schweizer Kulturschaffenden, die staatlich subventionierte Visarte, passe gemäss der Aargauer Zeitung in die Geschichte der Organisation: So hätten Künstlerinnen schon immer um den Zugang zur Kunstszene kämpfen müssen und seien lange Zeit weder zu Akademien noch Berufsverbänden zugelassen gewesen. Als Reaktion hätten 1902 die Pionierinnen Hanni Bay, Adèle Lilljeqvist, Clara von Rappard und Martha Stettler, gemeinsam mit anderen Frauen, ihren eigenen Berufsverband gegründet: die SGBK.
Im Zusammenhang mit dem 50-jährigen Jahrestag der Einführung des Frauenstimmrechts ging die Aargauer Zeitung in einem Interview mit der Leiterin der visuellen Künste bei Pro Helvetia, Madeleine Schuppli, zudem der Frage nach, warum die Kunstwelt nach wie vor so stark von Männern dominiert sei. Schuppli erklärte dies unter anderem mit den wenigen weiblichen historischen Figuren in der Kunst – eben mangels der fehlenden Möglichkeiten für Frauen damals. Zudem würden Käuferinnen und Käufer von Kunstwerken im Hinblick auf die hohen Investitionen eher risikoavers handeln und Werke von Männern noch immer als sicherere Variante einstufen. Schliesslich seien auch die hohen Führungsposten im Kunstbereich, etwa Direktionsstellen in grossen Kunsthäusern, nach wie vor mehrheitlich in Männerhand. Hingegen würden die Kunststudiengänge schon länger mehrheitlich von Frauen besucht und mittelgrosse Kunsthäuser von Direktorinnen geleitet. Schuppli verwies auch auf den weiterhin grossen Gender-Pay-Gap: So sei dieser in der Kulturwirtschaft gemäss einer Statistik des BFS mit 17 Prozent sogar höher als der nationale Durchschnitt von 12 Prozent.

Frauen in Kunst und Kultur

Die parlamentarischen Beratungen zur Revision des Filmgsetzes (Lex Netflix) und die im Herbst 2021 gefassten Beschlüsse führten zu medialen Debatten. Insbesondere zum Beschluss, dass Streaming-Anbietende wie Netflix neu dazu verpflichtet werden sollten, 4 Prozent ihres in der Schweiz erzielten Bruttogewinns in den Schweizer Film zu reinvestieren, zeigten sich nicht nur im Parlament, sondern auch in der Öffentlichkeit Meinungen, die weit auseinander gingen.

Seitens der Filmindustrie waren nur positive Stimmen zu hören, welche jedoch nur in den französischsprachigen Zeitungen Widerhall fanden. Die Filmindustrie sei erleichtert, dass nun auch der Nationalrat die Investitionspflicht gutgeheissen habe, welche in anderen Ländern bereits üblich sei. Dies sorge für faire Wettbewerbsbedingungen für die Industrie, wie Barbara Miller, Präsidentin des Verbands Filmregie und Drehbuch Schweiz (ARF/FDS) gegenüber der Zeitung La Liberté zu Protokoll gab. Jean-Marc Fröhle, Filmproduzent und Co-Präsident der «IG – Unabhängige Schweizer Filmproduzenten», wies darauf hin, dass Schweizer Regisseurinnen und Regisseure von internationalen Koproduktionen abhängig seien, insbesondere bei Serien. Oftmals seien sie nicht in der Lage, mit den in der Schweiz verfügbaren Mitteln einen unabhängigen Schweizer Film zu produzieren, was sich nun durch dieses Gesetz ändern werde.

In den Medien mussten die liberalen Parteien Kritik einstecken: Aus liberaler Sicht spräche alles gegen die «Lex Netflix». Es handle sich dabei um «einen ungeniessbaren Cocktail aus Heimatschutz, Subventionitis und Bevormundung», schrieb etwa die NZZ. Da die SVP geschlossen gegen das FiG gestimmt hatte, sei es in den Händen der FDP und GLP gelegen, diesen «Investitionszwang» aus dem Gesetz zu streichen. Die Genfer Nationalrätin Simone de Montmollin (fdp, GE) erklärte die Mehrheitsmeinung der FDP gegenüber Le Temps damit, dass es nicht um Protektionismus gehe, sondern um eine Harmonisierung mit den Praktiken in den Nachbarstaaten. Grosse Plattformen würden nur da produzieren, wo sie dazu ermutigt werden.

Auch die bürgerlichen Jungparteien waren mit der beschlossenen Gesetzesrevision nicht einverstanden und befürchteten, dass letztendlich die Konsumentinnen und Konsumenten die Abgaben durch höhere Gebühren tragen müssten. Da die Gesetzesrevision insgesamt völlig an den Interessen der Jungen vorbei ziele, kündigten sie noch am Tag der Schlussabstimmung via Twitter an, das Referendum ergreifen zu wollen, wie die Aargauer Zeitung und die NZZ berichteten.

Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix; BRG 20.030)

Am 16. April 2020 informierte der Bundesrat über die geplante Lockerungsstrategie der Massnahmen zum Coronavirus, die in drei Schritten erfolgen sollte. In den Mittelpunkt stellte der dabei die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung, daneben beabsichtigte er aber auch, die wirtschaftlichen Schäden in Grenzen zu halten und die Einschränkung der Grundrechte zu reduzieren. In einer ersten Etappe sollten ab dem 27. April Coiffeursalons, Kosmetikstudios, Baumärkte, Blumenläden und Gärtnereien ihre Türen wieder öffnen dürfen. In diesen Einrichtungen sei die Umsetzung von Schutzkonzepten einfach möglich, sie wiesen wenige direkte Kontakte auf und lösten keine grossen Personenströme aus, erklärte der Bundesrat die Auswahl. Ab dem gleichen Datum sollten in Krankenhäusern zudem wieder uneingeschränkt Eingriffe durchgeführt werden können.
Als zweite Etappe sah die Regierung für den 11. Mai die Wiedereröffnung der obligatorischen Schulen, Einkaufsläden und Märkte vor. Vor dem Entscheid über diesen zweiten Lockerungsschritt wollte sie jedoch die Entwicklung der Fallzahlen abwarten und diesen folglich erst am 29. April fällen. Schliesslich war als dritte Etappe neben der Öffnung von Museen, Zoos und Bibliotheken sowie der Lockerung des Versammlungsverbots für den 8. Juni auch die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts an Mittel-, Berufs- und Hochschulen geplant. Einzelheiten dazu beabsichtigte der Bundesrat am 27. Mai festzulegen.

An demselben Tag, an dem der Bundesrat diese ersten Lockerungsschritte ankündigte, verabschiedete er eine am 20. April 2020 in Kraft tretende Verordnung, die eine übergangsweise Befreiung von der Anzeigepflicht bei Überschuldung, die in der Regel zur sofortigen Insolvenz führen würde, und eine zeitlich befristete Covid-19-Stundung beinhaltete. Letztere sollten insbesondere KMU unbürokratisch beantragen können. Er gab zudem bekannt, dass Selbständigeerwerbende rückwirkend ab dem 17. März 2020 Anspruch auf EO erhalten sollen. Mit diesem Entscheid sollte die Problematik angegangen werden, dass rund 270'000 Personen, darunter zum Beispiel viele Taxifahrerinnen und Taxifahrer oder Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, keine Covid-19-Kredite oder Kurzarbeitsgelder hatten beantragen können, da der Bundesrat ihre Unternehmen nicht geschlossen hatte, sie aber dennoch bis zu 90 Prozent ihres Einkommens aufgrund der Pandemie eingebüsst hatten. Um die durch die Corona-Pandemie entstandenen Finanzlöcher zu stopfen, gingen zahlreiche verschiedene Vorschläge ein: von einer Halbierung der Mehrwertsteuer, wodurch der Konsum angekurbelt werden sollte (Postulat Müller; fdp, LU; Po. 20.3214), über ein fünfjähriges Ausgaben- und Aufgabenmoratorium (SVP-Fraktion; Mo. 20.3567) und der Reduktion der Ausgaben für die EU, den Asylbereich und ausländische Personen (Motion Quadri; lega, TI; Mo. 20.3272) hin zu einer Solidaritätssteuer, z.B. über eine Erhöhung der Kapitalgewinnsteuer (Motion de la Reussille, pda, NE, Mo. 20.3174; Motion der SP-Fraktion, Mo. 20.3203; Motion Prezioso, egsols, GE, Mo. 20.3335; Motion Rytz, gp, BE, Mo. 20.3362).

Anspruch auf Entschädigung ihres vollen Erwerbs sagte der Bundesrat am 22. April denjenigen Angehörigen der Armee zu, die zwischen dem 6. März 2020 und dem 30. Juni 2020 zur Bewältigung der Coronakrise im Einsatz standen und die Dauer ihres Ausbildungsdienstes überschritten hatten. Für Angehörige des Zivilschutzes sollte eine vergleichbare Regel gelten.

Eine Woche darauf kündigte die Regierung an, dass einige Lockerungen schneller vorgenommen werden könnten als ursprünglich geplant, da die Ausbreitung von Covid-19 aufgrund der vorbildlichen Umsetzung der ergriffenen Massnahmen durch die Bevölkerung hatte abgeschwächt werden können. Daher sollten unter anderem auch Restaurants, Museen und Bibliotheken bereits ab dem 11. Mai wieder ihre Pforten öffnen dürfen und auch Primar- und Sekundarschulen ihren Unterricht vor Ort wieder aufnehmen können, wobei die diesbezügliche Entscheidung über die Durchführung bei den Kantonen lag. Diese sollten auch entscheiden, ob an den Gymnasien schriftliche Abschlussprüfungen durchgeführt werden oder nicht. Im Vorfeld hatte die EDK bereits bekanntgegeben, dass sie die Absage mündlicher Prüfungen empfehle. Anders sah die Situation für die Berufsschulen aus, wo bereits zuvor landesweit einheitlich entschieden worden war, auf schriftliche Lehrabschlussprüfungen zu verzichten. Auch Trainings im Breiten- und Spitzensport sollten ab dem 11. Mai wieder erlaubt sein.
Um die Auswirkungen der Lockerungen auf die Epidemieentwicklung genau beobachten zu können, plante der Bundesrat ein entsprechendes Monitoring. Die einzelnen Lockerungsetappen sollten mit Schutzkonzepten einhergehen, zudem müssten alle Institutionen über ein auf den Vorgaben des BAG, des SECO oder auf einem Branchenkonzept basierendes Schutzkonzept verfügen. Des Weiteren beschloss die Regierung, auch die Einreisebeschränkungen zu entschärfen; Grossveranstaltungen mit über 1'000 Personen blieben jedoch bis Ende August 2020 weiterhin verboten. Die Kantone wurden zudem aufgefordert, ab dem 11. Mai die flächendeckende Rückverfolgung von Neuinfektionen fortzuführen. Ein ähnliches Ziel verfolgte die SwissCovidApp, eine digitale Applikation mit Bluetooth-Funktechnik, mit der die Benutzerinnen und Benutzer informiert würden, wenn sie sich in der Nähe einer mit Covid-19 infizierten Person befunden haben (Proximity Tracing). Diese gehe Mitte Mai in die Testphase, zudem solle in Kürze auch die gesetzliche Grundlage für ihren ordentlichen Betrieb geschaffen werden, erklärte der Bundesrat. Die eidgenössischen Abstimmungen vom 19. Mai, welche der Bundesrat im März abgesagt hatte, sollten am 27. September 2020 nachgeholt werden. Ferner kündigte er Liquiditätshilfen in der Höhe von maximal CHF 1.9 Mrd. an, um den beiden Fluggesellschaften Swiss und Edelweiss unter die Arme zu greifen.

Mit den ersten Lockerungen einhergehend änderte die BAG-Kampagne «So schützen wir uns» am 30. April ihre Grundfarbe auf Pink. Dennoch wurde betont, dass trotz einiger Zugeständnisse nach wie vor die gleichen Regeln gälten – unter anderem Abstandhalten, Händewaschen und das Niesen in den Ellbogen. Das BAG legte der Bevölkerung ausserdem nahe, eine Maske zu tragen, sollten die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können.

Was die vorläufig auf Eis gelegte Fussballsaison anbelangt, so entschloss der Zentralvorstand des SFV Ende April, dass abgesehen von der Super League, der Challenge League und dem Schweizer Cup der Männer der Spielbetrieb endgültig nicht fortgesetzt werden sollte. Ob und in welcher Form die Saison der beiden höchsten Ligen fortgeführt werden könne, wollte die Swiss Football League nach Anhörung der tangierten Clubs entscheiden.

Nachdem die Frühjahrssession 2020 vor der dritten Woche abgebrochen werden musste, tagten National- und Ständerat vom 4. bis 6. Mai im Rahmen einer ausserordentlichen Session, an welcher in erster Linie Geschäfte im Zusammenhang mit Covid-19 behandelt wurden. Im Zentrum standen dabei die dringlichen Ausgaben zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie, etwa für die Corona-Kredite, welche nachträglich von der Bundesversammlung abgesegnet werden mussten. Darüber hinaus beschäftigen sich die Räte aber auch ausführlich mit den Corona-Krediten für die Unternehmen, mit den Massnahmen für die Medien oder mit den Frage nach dem Erlass der Geschäftsmieten.

Da sich Jugendliche und junge Erwachsene aufgrund der gegebenen Umstände bei der Suche nach einer Lehrstelle oder einer Stelle im Anschluss an ihre Ausbildung vor Herausforderungen gestellt sahen, kam es am 7. Mai 2020 zur Gründung einer aus Vertreterinnen und Vertretern der Kantone, der Sozialpartner und des Bundes bestehenden Task Force, welche die Berufsbildung stärken sollte. Tags darauf gab der Bundesrat bekannt, Institutionen der familienergänzenden Betreuung, die wegen der Pandemie Ertragsausfälle erlitten, mit CHF 65 Mio. unterstützen zu wollen. Wie diese Unterstützung genau erfolgen sollte, plante die Landesregierung bis zum 20. Mai in einer entsprechenden Verordnung festzuhalten.

Am 13. Mai liess das EJPD verlauten, dass die Grenzen zu Deutschland, Österreich und Frankreich bis zum 15. Juni 2020 vollständig geöffnet werden sollen, wenn dies mit der epidemiologischen Situation vereinbar sei. Die drei Nachbarländer würden sich zurzeit ebenfalls in der Transitionsphase befinden und verfügten über eine ähnliche epidemiologische Lage wie die Schweiz. Bis dahin sollten für binationale Paare, die nicht verheiratet sind, sowie für «allfällige weitere Personenkategorien» Lösungen entwickelt werden. Gleichentags verkündete das VBS die Unterstützung des Schweizer Sports mit Darlehen in einer Höhe vom CHF 500 Mio.

Auch an der sonst schon einem starken Wandel unterworfenen Medienlandschaft zog die Coronakrise nicht unbemerkt vorbei. Zeitung, Radio und Fernsehen hatten unter anderem einen starken Rückgang an Werbeeinnahmen zu beklagen. Angesichts der zentralen Rolle, die den Medien in einer Demokratie zukomme, stellte der Bundesrat am 20. Mai die Covid-19-Verordnung elektronische Medien vor, in der Radio- und Fernsehveranstaltern finanzielle Soforthilfen in der Höhe von CHF 40 Mio. in Aussicht gestellt wurden. Zeitgleich erliess die Landesregierung eine Notverordnung zur Unterstützung der Printmedien, die finanzielle Sofortmassnahmen im Rahmen von CHF 17.5 Mio. beinhaltete. Weiter beantragte der Bundesrat am 20. Mai CHF 14.9 Mrd. in Form von elf Nachtragskrediten, um die Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft weiter abzudämpfen. Der Löwenanteil von CHF 14.2 Mrd. ging dabei an die ALV.

Eine Woche später – am 27. Mai 2020 – teilte der Bundesrat an seiner Pressekonferenz den bis anhin grössten Lockerungsschritt mit. So sollte das spontane Zusammenkommen von bis zu 30 Personen ab dem 30. Mai 2020 wieder erlaubt sein. Ab dem 6. Juni sollten auch wieder öffentliche Veranstaltungen wie etwa Messen, Theatervorstellungen, Familienanlässe oder politische Kundgebungen mit bis zu 300 Personen stattfinden dürfen. Für denselben Tag wurde zudem die Wiedereröffnung von Bergbahnen, Campingplätzen und anderen Angeboten im Tourismusbereich wie auch für Casinos, Freizeitparks, Zoos, botanische Gärten, Wellnessanlagen und Erotikbetriebe angesetzt. In Restaurants sollte ab dem 6. Juni ausserdem die Gruppengrösse von maximal vier Personen aufgehoben werden, jedoch müssen ab einer Gruppengrösse von vier Personen die Kontaktdaten angeben werden. In Mittel-, Berufs- und Hochschulen sollte ab dem 6. Juni ebenfalls wieder vor Ort unterrichtet werden dürfen, wobei die Kantone über die Umsetzung entscheiden sollten. Der Bundesrat legte der Bevölkerung nahe, weiterhin von zuhause aus zu arbeiten, die Unternehmen dürften jedoch grundsätzlich selbst über die Rückkehr an den Arbeitsplatz bestimmen. Weiter sollten ab dem 8. Juni die Bearbeitung der Gesuche von Erwerbstätigen aus dem EU/EFTA-Raum wieder aufgenommen werden und die Anstellung hochqualifizierter Arbeitnehmerinnen und -nehmer durch Schweizer Firmen wieder möglich sein. Zudem sei für den 6. Juni die vollständige Wiederherstellung der Personenfreizügigkeit und Reisefreiheit im Schengen-Raum geplant, gab der Bundesrat bekannt.

Am 15. Juni wurden schliesslich die Grenzen zu allen Staaten des EU-EFTA-Raums wieder vollständig geöffnet und auch der Einkaufstourismus, der zuvor verboten worden war, wieder zugelassen. Vier Tage darauf beschloss der Bundesrat, die ausserordentliche Lage zu beenden und stattdessen zur besonderen Lage gemäss Epidemiengesetz zurückzukehren, wofür er die Covid-19-Verordnung 3 verabschiedete. Das Demonstrationsverbot, das zuvor für ausführliche Diskussionen um die Frage der Grundrechte gesorgt hatte, fiel am 20. Juni und ab dem 22. Juni wurden weitere bis anhin herrschende Massnahmen aufgehoben: Unter anderem konnten wieder Veranstaltungen mit bis zu 1'000 Personen stattfinden, der Mindestabstand zwischen zwei Personen wurde von zwei Metern auf 1.5 Meter reduziert und die für Restaurants und Diskotheken geltende Sperrstunde um Mitternacht sowie die Home-Office-Empfehlung wurden aufgehoben. Somit waren zu diesem Zeitpunkt zwar noch immer verschiedene Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft am Laufen, Einschränkungen bestanden jedoch fast keine mehr.

Verlauf und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie
Dossier: Covid-19 – Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

Um die Jahreswende 2019/2020 blickte die ganze Welt gebannt auf die zentralchinesische Metropole Wuhan, wo sich eine bislang unbekannte Lungenkrankheit, deren Erreger sich als Coronavirus (Sars-CoV-2) entpuppte, rasend schnell ausbreitete. Nachdem Covid-19 – die Krankheit, die durch das Virus ausgelöst wird – Europa erreicht hatte, verschärfte der Bundesrat Ende Januar 2020 die Meldepflicht zum Virus. Zudem richtete das BAG eine kostenlose Hotline ein, um der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, Fragen im Zusammenhang mit Covid-19 stellen zu können.

Am 25. Februar wurde in der Schweiz erstmals eine Person positiv auf den Erreger getestet und in den folgenden Tagen verbreitete sich das Virus hierzulande in allen Sprachregionen. Als Reaktion lancierte das BAG am 27. Februar die Kampagne «So schützen wir uns», bestehend aus Plakaten, Flugblättern, einer Telefonhotline und einem Internetauftritt zum Coronavirus.

Am 28. Februar stufte die Landesregierung die Situation gemäss Epidemiengesetz als «besonders» ein und verabschiedete die Verordnung über «Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus (Covid-19)». Aufgrund der besonderen Lage erhielt der Bundesrat die Kompetenz, weitreichende Massnahmen gegenüber einzelnen Personen und der ganzen Bevölkerung zu erlassen – was er in der Folge auch tat. In einem ersten Schritt verhängte er im Rahmen der Verordnung ein Verbot für das Zusammenkommen von über 1’000 Personen bis Mitte März 2020, woraufhin die Organisatorinnen und Organisatoren zahlreicher Events ihre Anlässe absagen mussten.

Angesichts der sich verschärfenden Situation entschied das BAG am 2. März, die bisher für die Kampagne «So schützen wir uns» verwendete Farbe Gelb durch Rot zu ersetzen und die Hygieneregeln zu erweitern. Einen Tag darauf verkündete das Bundesamt die künftige Vergütung des Diagnostiktests zu Covid-19 mit CHF 180 durch die OKP.

Am 5. März musste die Schweiz erstmals ein Todesopfer aufgrund von Covid-19 beklagen. Es handelte sich dabei um eine 74-jährige Frau, die im Universitätsspital Lausanne verstarb. Gut eine Woche später – am 11. März – erklärte die WHO die Lage rund um die Infektionskrankheit zur Pandemie.

Das Tessin, welches aufgrund seiner Nähe zu Italien, in dem das Virus bereits sehr früh sehr viel stärker tobte, ebenfalls deutlich früher von der Corona-Pandemie getroffen wurde als der Rest der Schweiz, rief am 11. März den Notstand aus. Dabei entschied sich die Kantonsregierung, Kinos, Theater, Skigebiete sowie Gymnasien und Hochschulen, nicht aber die obligatorischen Schulen, zu schliessen. Bereits zuvor hatte die Kantonsregierung mehrfach die Schliessung der Grenze zu Italien gefordert. Auch Sportveranstaltungen und Trainings durften nicht mehr durchgeführt werden, weshalb die Chefetagen der Schweizer Eishockeyclubs am darauffolgenden Tag entschieden, die Meisterschaft 2019/2020 abzubrechen. Diesem Entscheid folgten die beiden höchsten Fussballligen der Schweiz am 13. März zumindest teilweise, indem sie bekannt gaben, die Saison vorläufig bis Ende April auf Eis zu legen.

Auf nationaler Ebene unternahm der Bundesrat am Freitag, 13. März 2020 weitere Verschärfungen, indem er die Grenzen zwar nicht schloss, in einer zweiten Verordnung aber Reiseeinschränkungen aus Risikoländern festlegte. Zudem untersagte er Veranstaltungen mit mehr als 100 Personen bis Ende März 2020 und führte für Restaurants, Diskotheken und Bars eine Obergrenze von 50 Personen ein. Um die wirtschaftlichen Folgen der getroffenen Massnahmen zu dämpfen, erleichterte die Regierung im Rahmen der Covid-19-Verordnung «Arbeitslosenversicherung» den Zugang zu Kurzarbeit mit dem Ziel, die Lohnfortzahlung der Mitarbeitenden zu sichern und Massenentlassungen zu verhindern. Dazu gestand sie dem ALV-Fonds zudem dringlich CHF 8 Mrd. für die Kurzarbeit zu. Ferner wurde der Präsenzunterricht an Schulen bis zum 19. April 2020 gestoppt.

Die Pandemie wurde langsam, aber sicher auch für die Schweizer Tourismusbranche spürbar. So wurde der Skisaison am 14. März ein abruptes Ende gesetzt und praktisch alle touristischen Bergbahnen wurden stillgelegt.

Im Verlaufe der Woche spitzte sich die Lage weiter zu und über das Wochenende stiegen die Fallzahlen massiv an. Dies bewog die beiden Büros des National- und Ständerats am Sonntag, 15. März 2020, dazu, die laufende Frühjahrssession auf Antrag der Verwaltungsdelegation nach der zweiten Woche abzubrechen. Am darauffolgenden Tag rief der Bundesrat die ausserordentliche Lage und den sogenannten Lockdown aus. Die ausserordentliche Lage ist die dritte von drei Stufen des seit 2016 existierenden Epidemiengesetzes. Sie gesteht dem Bundesrat die Kompetenz zu, zeitlich begrenzte Verordnungen zu erlassen, ohne dass dafür eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist. Zudem kann sich der Bundesrat auf seine Notverordnungskompetenz oder sein Notrecht (Art. 185 BV) stützen, das bei Gefahr einer schweren Störung der öffentlichen Ordnung oder der inneren oder äusseren Sicherheit anwendbar wird.
In einer Medienkonferenz richtete Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga ernste Worte an die Nation: Es müsse nun «ein Ruck durch unser Land gehen», verkündete sie in allen vier Landessprachen. Die bereits verabschiedeten Massnahmen seien teilweise ungenügend befolgt worden, nun werde die ganze Bevölkerung gebraucht: Jede und jeder müsse sich an die Massnahmen halten. Denn nur so könne die Verbreitung des Virus verlangsamt werden. Dies sei ausgesprochen wichtig, um weiterhin genügend freie Kapazitäten in den Spitälern gewährleisten und einen Engpass vermeiden zu können.

Konkret bedeutete der Ausruf der ausserordentlichen Lage, dass der Bundesrat nun in allen Kantonen einheitliche Massnahmen anordnen konnte. Damit verbunden waren die Schliessung sämtlicher Läden, Märkte, Restaurants, Bars wie auch Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe. Offen blieben hingegen Lebensmittelläden und Gesundheitseinrichtungen, was zu einer Debatte darüber führte, welches denn nun die essentiellen Berufe seien und wie diese entlöhnt werden sollen. Auch Betriebe, in denen das Abstandwahren nicht möglich ist, waren von dieser Regelung betroffen. Kirchen und andere Gotteshäuser durften zwar offen bleiben, jedoch wurden Gottesdienste und andere religiöse Veranstaltungen verboten. Obwohl der Bundesrat erklärte, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln und anderen essentiellen Gütern wie Medikamenten sichergestellt sei, kam es in der Folge zu Hamsterkäufen. Ebenfalls erliess der Bundesrat ein Verbot von Veranstaltungen im öffentlichen und im privaten Rahmen, das – wie sich zeigen sollte – von der Kultur bis hin zum Sport seine Spuren hinterliess. Am Fahrplan des öffentlichen Verkehrs wurden in einem bis anhin unbekannten Ausmass Ausdünnungen vorgenommen. Gesundheitsminister Berset rief zum Abstandhalten auf. Unnötige Kontakte sollten vermieden und Hygienemassnahmen eingehalten werden. Insbesondere ältere Menschen seien dazu angehalten, zuhause zu bleiben. Social Distancing – so der Ausdruck, der sich in den Folgemonaten durchsetzte – könne Leben retten. Es bedürfe nun Solidarität zwischen den Generationen und gegenüber den kranken Menschen. Diese Solidarität zeigte sich in der Folge durch unzählige freiwillige Hilfsangebote, etwa für Einkäufe für Menschen in Quarantäne oder Angehörige der Risikogruppe oder für Kinderbetreuungen für Eltern in der Pflegebranche oder ohne Kinderbetreuungsmöglichkeiten.

Die Kantone wurden damit beauftragt, ein Betreuungsangebot für Kinder zur Verfügung zu stellen, die nicht auf privater Basis betreut werden konnten. Nur wenn andere Betreuungsangebote bestünden, dürften Kinderkrippen geschlossen werden. Um den Kantonen in Sachen Spitäler, Logistik und im Sicherheitsbereich unter die Arme zu greifen, segnete der Bundesrat den Einsatz von bis zu 8'000 Mitgliedern der Armee ab. Dabei handelte es sich gemäss Verteidigungsministerin Viola Amherd um die grösste Mobilmachung seit dem Zweiten Weltkrieg. Weiter führte die Landesregierung neben den bereits seit dem 13. März existierenden Kontrollen an der Grenze zu Italien auch an denjenigen zu Deutschland, Frankreich und Österreich Kontrollen ein. Die Einreise aus den Nachbarländern mit Ausnahme von Liechtenstein wurde ausserdem nur noch Schweizer Bürgerinnen und Bürgern, Ausländerinnen und Ausländern mit einem Aufenthaltstitel und in der Schweiz arbeitenden Grenzgängerinnen und Grenzgängern sowie Personen, die sich in einer «Situation absoluter Notwendigkeit» befanden, gestattet. Damit beabsichtigte der Bundesrat, den Schutz der Schweizer Bevölkerung zu gewährleisten und die Kapazitäten des Schweizer Gesundheitswesens aufrechtzuerhalten. Sich im Ausland befindlichen Schweizer Reisenden legte die Regierung nahe, in die Schweiz zurückzukehren, und organisierte in diesem Zusammenhang Rückholaktionen.

Da der Bundesrat die Ansicht vertrat, dass die freie Meinungsbildung unter den gegebenen Umständen nicht gewährleistet sei, sagte er am 18. März die für den 17. Mai 2020 angesetzten Volksabstimmungen ab. Das letzte und bisher einzige Mal in der Geschichte der Schweizer Demokratie war dies 1951 aufgrund der Maul- und Klauenseuche passiert, wie die Medien berichteten.

Zwei Tage später – am 20. März – zog die Regierung die Schraube noch einmal an. Menschenansammlungen von mehr als fünf Personen im öffentlichen Raum wurden verboten. Zudem sei zwischen Personen stets ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Bei Nicht-Befolgen dieser Regelungen könne die Polizei Ordnungsbussen verteilen. Die Leute sollen abgesehen vom Erledigen von Einkäufen, Arztbesuchen oder der Unterstützungsleistung anderer Personen dringend zuhause bleiben. Dies gelte insbesondere für Kranke und über 65-Jährige, welche das BAG zur Risikokategorie zählte. Dadurch sollten Risikopatientinnen und -patienten besser geschützt werden und es sollte verhindert werden, dass die Intensivstationen in den Krankenhäusern überlastet würden. Dasselbe Ziel verfolgte ein Durchführungsverbot von nicht dringend notwendigen Untersuchungen, Eingriffen und Therapien in medizinischen Einrichtungen.

Aufgrund der stetigen Zunahme der Infizierten wurden die Spitäler stark gefordert und stiessen mit den personellen Ressourcen an ihre Grenzen. Daher beschloss der Bundesrat weiter, für die betroffenen Bereiche die Bestimmungen zu Arbeits- und Ruhezeiten solange aufzuheben, wie es die Situation verlangte. Dies sorgte für Unverständnis von verschiedener Seite und es wurde eine Online-Petition lanciert, mit welcher der Bundesrat dazu aufgefordert wurde, den Entscheid rückgängig zu machen. Der restlichen erwerbstätigen Bevölkerung empfahl die Regierung, falls sich dies mit ihrer Arbeitsstelle vereinbaren liess, von zuhause aus zu arbeiten. Konnten die auszuführenden Tätigkeiten nicht im Homeoffice erledigt werden, mussten die Arbeitgebenden dafür sorgen, dass die Empfehlungen des BAG bezüglich Hygienemassnahmen und sozialer Distanz eingehalten wurden; Personen, die zur Risikogruppe zählten, sollten in diesem Fall unter Lohnfortzahlung beurlaubt werden.

Gleichentags beschloss die Regierung ein Massnahmenpaket über Nachtragskredite in der Höhe von CHF 11.7 Mrd. und Verpflichtungskredite von CHF 20 Mrd., um die wirtschaftlichen Folgen der Ausbreitung von Covid-19 abzufedern. Im Rahmen der Sozialversicherungen wurde die Kurzarbeit auf zusätzliche Anspruchsgruppen, unter anderem Lehrlinge, Angestellte mit nicht kündbaren temporären Arbeitsverträgen, Personen im Dienst von Temporärarbeitsfirmen sowie arbeitgeberähnliche Angestellte, ausgeweitet und die Karenzfrist aufgehoben. Auch den Zugang zu Erwerbsersatz erweiterte der Bundesrat mittels einer entsprechenden Verordnung in gewissen Fällen auf Selbständigerwerbende. Den von der Pandemie gebeutelten Kulturschaffenden wurde mit CHF 280 Mio. unter die Arme gegriffen und Sportorganisationen CHF 100 Mio. zugesichert, um zu verhindern, dass durch das Einstellen des Meisterschaftsbetriebes die Sportlandschaft «massiv in ihren Strukturen geschädigt wird». Bezüglich des ebenfalls durch das Coronavirus stark betroffenen Tourismus würden bereits seit Februar 2020 Sofortmassnahmen, insbesondere Informations- und Beratungsaktivitäten sowie Massnahmen zur Überbrückung von Liquiditätsengpässen, umgesetzt, liess der Bundesrat in seiner Medienmitteilung verlauten.

Dass das Coronavirus auch vor den Institutionen des politischen Systems der Schweiz nicht haltmachte, zeigte sich nicht nur an der abgebrochenen Frühjahrssession des Parlaments, sondern auch im Bereich des Justizwesens. Um voll funktionsfähig bleiben und sich auf die besonderen Umstände einstellen zu können – ersteres sei «gerade in der Zeit der Verunsicherung» besonders essentiell –, wurde der Beginn der Gerichtsferien, die für die Ostertage angesetzt waren, bereits auf den 21. März vorverschoben. Da die Einschränkung von Menschenansammlungen und Freizeitaktivitäten in einem gewissen Zielkonflikt mit dem Sammeln von Unterschriften stand, veranlasste der Bundesrat einen Fristenstillstand vom 21. März bis zum 31. Mai; während dieser Zeit war es untersagt, Unterschriften für Volksinitiativen und Referenden zu sammeln, dafür wurden die entsprechenden Sammelfristen verlängert.

In Folge der aufgrund der ausserordentlichen Lage verordneten Schliessungen von zahlreichen Betrieben wurde die Frage aufgeworfen, wer für die Geschäftsmieten aufkommen müsse, wobei Mietende und Vermietende diesbezüglich unterschiedliche Ansichten hatten. Um offene Fragen im Mietrecht zu klären, setzte der Bundesrat am 24. März eine Task Force unter der Leitung des BWO ein. Gute zwei Wochen später liess er jedoch verlauten, dass er sich nicht in die vertraglichen Beziehungen zwischen Privaten einmischen wolle. Dies führte in der Folge zu langen Diskussionen zwischen Mietenden und Vermietenden.

Am 25. März gab der Bundesrat bekannt, Verfeinerungen an den Sozialversicherungsmassnahmen in den Bereichen der Arbeitslosenversicherung und der beruflichen Vorsorge vorgenommen zu haben. Damit sollten unter anderem die Aussteuerung von Arbeitssuchenden und die Kündigung von 200'000 Personen verhindert werden. Um nicht nur deren Kündigung zu vermeiden, sondern auch den KMU die Bewältigung der Coronakrise zu ermöglichen, richtete die Landesregierung zudem zusammen mit der SNB und der FINMA, der Finanzdelegation der Eidgenössischen Räte und den Banken Überbrückungskredite ein, die ab dem 26. März bezogen werden konnten. Am 3. April beschloss der Bundesrat, den dafür nötigen Verpflichtungskredit von CHF 20 Mrd. auf CHF 40 Mrd. aufzustocken. Die Steuerverwaltung gab zudem bekannt, in bestimmten Bereichen von Verzugszinsen abzusehen, sodass Härtefälle vermieden werden könnten. Während die Medien die Schritte grösstenteils begrüssten, welche die Landesregierung im Zusammenhang mit der Coronakrise unternahm, äusserten sie sich zugleich auch besorgt über deren Auswirkungen auf die Bundesfinanzen.

Im Hinblick auf den Umzugstermin vom 31. März legte der Bundesrat in seiner Covid-19-Verordnung Miete und Pacht am 27. März fest, dass Umzüge immer noch durchgeführt werden könnten, sofern die Empfehlungen des BAG eingehalten würden. Zudem verlängerte er die Zahlungsfristen bei Zahlungsrückständen auf Miet- und Pachtzinse von 30 auf 90 respektive von 60 auf 120 Tage, wenn die Zahlungsrückstände auf Massnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus zurückzuführen seien.

Anfang April erliess der Bundesrat eine weitere Verordnung, mit der die notwendigen Massnahmen getroffen werden sollten, um eine angemessene Unterbringung von Asylsuchenden und die Durchführung von Asylverfahren sicherzustellen, nachdem Hilfswerke bereits seit Anfang März kritisiert hatten, dass die zur Eindämmung des Coronavirus getroffenen Massnahmen in Asylzentren vielerorts kaum oder gar nicht umsetzbar seien.
Anlässlich des Amtsantrittes des neuen SBB-CEO Vincent Ducrot in demselben Zeitraum berichteten die Medien überdies, dass das Coronavirus auch bei den Bundesbahnen sichtbare Spuren hinterlassen habe. So seien die Passagierzahlen um 80 bis 90 Prozent eingebrochen und etwa 150'000 Personen hätten vorübergehend ihr GA hinterlegt, nachdem der Fahrplan des öffentlichen Verkehrs um gut ein Viertel der Züge ausgedünnt worden war.

Erstmals etwas aufwärts ging es dann am 6. April, als die Büros des National- und Ständerates verlauten liessen, dass sich die Kommissionen der beiden Räte wieder für Sitzungen treffen dürften. Ausserdem wurde bekannt gegeben, dass auf Anfang Mai eine ausserordentliche Session für dringende Geschäfte im Zusammenhang mit dem Coronavirus angesetzt worden sei. Am 8. April wurden die bestehenden Massnahmen der ausserordentlichen Lage vom 19. April auf den 26. April verlängert. Anschliessend seien etappenweise Lockerungen vorgesehen, da die Umsetzung der Massnahmen bisher gut verlaufen sei und die Massnahmen Wirkung gezeigt hätten, so der Bundesrat.

Verlauf und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie
Dossier: Covid-19 – Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

Mitte Januar 2020 verkündeten diverse Medien, dass Dr. h.c. Heinrich Weiss, Gründer des Museums für Musikautomaten, am 9. Januar 2020 in seinem 100. Lebensjahr verstorben war.
Bereits in den 1960er-Jahren hatte Heinrich Weiss – auch bekannt als der Erfinder des Barcodes – mit dem Sammeln von Schweizer Musikdosen und anderen mechanischen Musikinstrumenten begonnen und 1979 gar eigens hierfür ein privates Museum in Seewen (SO) eröffnet, das rasch weit über die Landesgrenzen hinaus Bekanntheit erlangte. Zur langfristigen Sicherung der Sammlung und des Museums gründete er gemeinsam mit seinen Familienangehörigen 1981 die «Dr. h.c. H. Weiss-Stauffacher-Stiftung».
Ab dem 1. Juli 1990 wurde das Museum für Musikautomaten als ein Museum des Bundes geführt, da es durch eine Schenkung, die mit der Annahme eines Bundesratsbeschlusses bestätigt worden war, an die Schweizerische Eidgenossenschaft überging. In den frühen 1990er-Jahren leitete Weiss die Einrichtung noch selbst und zeigte sich für die Realisierung eines im Frühjahr 2000 von Bundesrätin Ruth Dreifuss eingeweihten Erweiterungsbaus verantwortlich.
Das Bundesamt für Kultur (BAK) führte in einer Mitteilung an, dass das Museum für Musikautomaten heute dem BAK angegliedert sei und ergänzend weiterhin den Zusatz «Sammlung Dr. h.c. Heinrich Weiss» in seinem Namen trage.

Heinrich Weiss - Gründer des Museums für Musikautomaten verstorben

Zur Weihnachtszeit 2019 machte ein Grundlagenpapier des BLV in den Medien von sich Reden, in dem Massnahmen präsentiert wurden, wie der Zuckerkonsum gesenkt werden könne. Gemäss offiziellen Empfehlungen sollte man täglich maximal 50 Gramm Zucker essen, Herr und Frau Schweizer nehmen allerdings durchschnittlich 110 Gramm pro Tag zu sich. Expertinnen und Experten waren sich einig, dass dies mit negativen Folgen wie Übergewicht, Diabetes Typ 2 und Herz-Kreislauferkrankungen einhergehe. Das Problem bestehe oftmals darin, dass sich die Konsumentinnen und Konsumenten nicht darüber im Klaren seien, wie viel Zucker tatsächlich in ihren Esswaren stecke, so die durch die Medien befragten Fachpersonen. Das habe unter anderem damit zu tun, dass der Zucker nicht immer klar deklariert werde. Es gebe Produkte, die mit dem Begriff «zuckerfrei» angepriesen würden. In Tat und Wahrheit würden sie aber oftmals Zuckeralkohole beinhalten, die nicht als Zucker angegeben werden müssten. Zudem gebe es neben dem bekannten Haushaltszucker weitere Zuckerarten wie Fructose, Lactose und Maltose, die sich in verschiedenen Produkten versteckten. Um der Problematik zu begegnen, wurden in der Vergangenheit von verschiedenen Seiten Vorschläge eingebracht. Dazu zählten die Forderung nach einer Zuckersteuer, die vom Kanton Neuenburg als Standesinitiative eingereicht worden war, jedoch im eidgenössischen Parlament scheiterte, oder auch das Label «Pace», mit welchem den Konsumentinnen und Konsumenten aufgezeigt wird, wie lange man rennen muss, um die konsumierten Kalorien zu verbrennen. Bislang wurde auf Freiwilligkeit gesetzt. 14 Schweizer Lebensmittelproduzenten hatten in diesem Rahmen die Vereinbarung getroffen, den Zuckergehalt in ihren Lebensmitteln zu reduzieren. Davon betroffen waren zum Beispiel Joghurt und Cerealien. Neu arbeiten die beiden Unternehmen Danone und Nestlé mit einem Ampelsystem namens Nutri-Score. Dieses zeigt mittels fünf Farben den Zucker-, Salz- und Fettgehalt im Vergleich zu beispielsweise Ballaststoffen an. Nestlé plant, innerhalb zweier Jahren alle ihre Produkte damit zu versehen.

Gesellschaftliche Debatte_Zucker und Nutriscore
Dossier: Kennzeichnung von Lebensmittelprodukten

Mitte Juli 2019 wurde eine mediale Kontroverse über den Auftritt der Schweiz an der Weltausstellung 2020 in Dubai ausgelöst, als bekannt wurde, dass der Schweizer Pavillon grosszügig vom Tabakproduzenten Philip Morris gesponsert werden sollte. Insbesondere Bundesrat Ignazio Cassis geriet wegen des «Tabaksponsorings» in Kritik, auch da er ehemals als Präventivmediziner tätig war.

Die Zeitungen der CH Media legten im Juli offen, dass es sich bei den beiden Hauptsponsoren der Expo um Schindler sowie Philip Morris handle, aber auch Unternehmen wie Nestlé, Novartis und Clariant Geldgeber seien. Denn anders als bei früheren Auftritten an Weltausstellungen stamme diesmal über die Hälfte des Budgets (CHF 7.5 Mio. von insgesamt CHF 15 Mio.) für den Schweizer Pavillon von Sponsoren. Wie das EDA gegenüber CH Media bestätigte, wollte sich der weltgrösste Tabakhersteller Philip Morris mit Sitz in New York (USA) und Lausanne als «Main Partner» mit einer Summe von rund CHF 1.8 Mio. am Schweizer Pavillon beteiligen. Als solche erhalten die Konzerne im Gegenzug eine «Assoziation ihres Images mit jenem der offiziellen Schweiz», was heisst, dass sich der Zigarettenkonzern mit «dem Gütesiegel der Eidgenossenschaft» der Weltöffentlichkeit präsentieren könne, betonten die Medien. Dazu gehöre ein sogenanntes «Sponsoringpaket mit über 30 Leistungen», welches beispielsweise eine permanente Ausstellungsfläche von 75 Quadratmetern im Pavillon oder das Recht beinhalte, das offizielle Logo des Pavillons für eigene Werbung zu verwenden. Auch auf Bildschirmen an und ausserhalb der Weltausstellung dürfe der Tabakkonzern mit der «Marke Schweiz» Werbung betreiben, zudem profitiere er von den «Verbindungen des Bundes zu den lokalen Behörden in Dubai».
Das Aussendepartement beteuerte derweil, dass man sich an die Gesetze der Schweiz und des Gastlandes halte und der Bund sich nicht an der Bewerbung «tabakbezogener Produkte» beteiligen werde. Dennoch werde es auf dem Pavillon eine nur für Personen über 21 Jahren zugängliche Dachterrasse geben, wo man die «Heat-not-burn»-Zigarette IQOS werde testen können. Diese elektronische Zigarette wird von Philip Morris gerne als neuartige Form des Tabakgenusses angepriesen, gar als Verbindung zwischen «Wissenschaft und Innovation» – wofür eben «der Schweizer Pavillon die perfekte Plattform» darstelle, wie der «Blick» einen Konzernsprecher zitierte. Wenn aber nun auch das Departement von Bundesrat Cassis diesbezüglich von einer «Alternative zur traditionellen Zigarette» spreche, so töne dies wie der Werbespruch von Philip Morris, konstatierte die Aargauer Zeitung.

Neben Reaktionen, die gesundheitspolitische Bedenken vorbrachten, löste der Fall auch eine grundsätzliche Diskussion um die Sponsoringpolitik des Aussendepartement aus. Die Präsidentin der APK-NR, Elisabeth Schneider-Schneiter (cvp, BL) kündigte aufgrund der vielen Reaktionen eine Grundsatzdebatte über die Sponsoringpolitik des Aussendepartements in ihrer Kommission an. Auch äusserten sich weitere Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier zum Fall: Carlo Sommaruga (sp, GE) etwa sprach laut der «Tribune de Genève» von einer Privatisierung der «politique étrangère» und gleichzeitig sicherte Bundesrat Cassis zu, er wolle die Sponsoringpartnerschaft überprüfen, denn er sei noch «gar nicht im Detail» über die Sache informiert worden. Später teilte der Aussenminister gegenüber der Medien gar mit, das Dossier sei nie auf seinem Tisch gelegen.
Die Berichte über die umstrittene Zusammenarbeit und die Spekulationen über die Rolle sowie die Kritik an der Person Cassis' häuften sich schliesslich ebenso wie die Sorge um das internationale Image der Schweiz. Denn, so ein Kommentar von Anna Wanner in der Aargauer Zeitung, dem Tabakkonsum hafte heute ein negatives Bild an und dieses färbe durch das Sponsoring Philip Morris' auch auf die Schweiz ab. Zeitgleich titelte man im deutschen «Handelsblatt»: «Rauchen gefährdet die Gesundheit – und das Image».
Die Sorge um einen Imageschaden teilte schliesslich auch Cassis: Aufgrund der heftigen Kritik verordnete der Bundesrat den Verzicht auf die Gelder des Tabakkonzerns. Damit wird Philip Morris an der Weltausstellung 2020 in Dubai als Sponsor wegfallen, wie die Presse am 31. Juli bekannt gab. Man wolle das Hauptziel in Dubai, die «Vermittlung eines positiven Images der Schweiz», nicht in Frage stellen, lautete die Begründung in einer Medienmitteilung des Aussendepartements, denn für die Ausstellung werden 25 Mio. Besucher aus 190 verschiedenen Ländern erwartet.

Mit dem Entscheid zu Philip Morris erteilte Cassis zudem der EDA-Organisation «Präsenz Schweiz» den Auftrag, die Sponsoringpraxis des Bundes zu überprüfen. Es war nämlich bereits das zweite Mal in diesem Jahr, dass der Tabakkonzern Philip Morris mit seinem Sponsoring öffentlicher Schweizer Anlässe für Aufsehen sorgte: Im Juni trat der Konzern als Sponsor beim Eröffnungsfest der neuen Schweizer Botschaft in Russland auf. Im Ständerat liebäugelte man deshalb bereits mit einem Verbot von Finanzierungen öffentlicher Veranstaltungen durch die Tabakbranche.

Exposition universelle Dubai 2020-2021
Dossier: Weltausstellungen

Im Hochsommer 2019 avancierte die Romandie zum Mekka der Weinliebhaberinnen und Weinliebhaber: Vom 18. Juli bis zum 11. August fand in Vevey (VD) die zwölfte Ausgabe der traditionsreichen Fête des Vignerons statt. Der Planungsvorlauf von fünf Jahren und ein Operativbudget von rund CHF 100 Mio. liessen bereits erahnen, dass die 2019er-Ausgabe zum Spektakel werden könnte, wurde sie doch von den Medien zum «Fest der Superlative» erkoren, das «grösser, teurer, sinnlicher und spektakulärer» ausfallen sollte als alles bisher Dagewesene.
In etwas anderer Form als heute bekannt hat die Festivität ihren Ursprung im 17. Jahrhundert und war als eine jährliche Kontrolle der Arbeit der Weinbauern gedacht, die mit einer festlichen Prozession am Ende jeder Generalversammlung der Confrérie des Vignerons von Vevey abgeschlossen wurde. Um 1770 machte es sich die Bruderschaft zur Aufgabe, die Verbesserung des Rebbaus zu fördern und die gute Arbeit der Rebbauern zu belohnen, indem sie die besten Arbeiten prämierte und krönte. Die steigenden Veranstaltungskosten führten aber dazu, dass die Feier zunächst nur noch alle drei Jahre und schliesslich nur noch alle sechs Jahre stattfinden konnte. So kam es, dass die Parade von 1791 die letzte echte Prozession war, bevor der Präsident und der Rat der Confrérie 1797 beschlossen, die Rebbauern im Rahmen einer öffentlichen Zeremonie zu krönen, was zu einer Transformation der alten Parade hin zur heutigen Fête des Vignerons führte. Die geopolitischen Auseinandersetzungen im Rahmen der Waadtländer Revolution verhinderten in den Folgejahren eine Austragung des Festes, sodass erstmals wieder 1819 gefeiert werden konnte. Diese Gelegenheit sollte auch gleich dazu genutzt werden, das Fest den jungen Generationen näher zu bringen, was der Veranstaltung zugleich ihren heutigen Rhythmus von einem Fest pro Generation bescherte. Dank dieser Jahrhunderte alten Tradition durfte sich das Fest 2019 zum allerersten Mal in seiner Geschichte mit dem Label «UNESCO-Weltkulturerbe» schmücken, was sicherlich auch dazu beigetragen hat, dass Vevey und die Weinberge im Lavaux gemäss dem St. Galler Tagblatt auf die internationale Liste der 29 besten Reiseziele für 2019 aufgenommen und von «National Geographic» zum Lieblingsziel erklärt wurden.
Das Herzstück der 2019er-Ausgabe war das in der eigens hierfür erbauten und 20'000 Leute fassenden Arena stattfindende Schauspiel, das von den Medien als eine «Mischung zwischen einer gigantischen Oper und einer olympischen Zeremonie» bezeichnet wurde; was nicht weiter erstaunte, zeigte sich der künstlerische Leiter Daniele Finzi Pasca doch schon mehrfach für die Inszenierung der Eröffnungs- und Schlusszeremonien bei Olympischen Spielen verantwortlich. In mindestens 20 Aufführungen, an denen rund 5'500 Schauspielende – ein Grossteil davon Laien – und 1'000 Musizierende teilnahmen, wurde anhand der Geschichte eines Mädchens der typische Ablauf der alltäglichen Winzerarbeit im Lavaux nachgezeichnet. Das Highlight jeder Aufführung war die Interpretation der traditionellen Hirtenhymne «Ranz des Vaches» – auch als inoffizielle Hymne der Westschweiz bekannt –, die gemäss der Basler Zeitung ein ganzes Stadion zum Weinen bringe und für eine Melancholie der Massen sorge. Eine andere Besonderheit der Feierlichkeiten, gar ein Novum, war die erstmalige Teilnahme aller Deutschschweizer Kantone im Rahmen ihres jeweiligen Kantonstages, an dem der Gastkanton seine lokalen Brauchtümer vorstellen konnte. Dies sei eine bewusste Entscheidung gewesen, um das Fest auch «ennet» dem Röstigraben bekannt zu machen, begründe die jüngst erlangte UNESCO-Auszeichnung doch eine Verantwortung gegenüber dem ganzen Land, wie der Confrérie-Präsident François Margot gegenüber der NZZ erläuterte. Ein weiteres Novum war ebenfalls, dass sich erstmals in der Geschichte des Festes eine Frau unter den gekrönten Häuptern befand.

Das sich ein solches Mega-Event aber nicht frei von kritischen Tönen durchführen lässt, hatte sich bereits im Vorfeld abgezeichnet. Mit 400'000 erwarteten Zuschauern im Rahmen des Schauspiels und rund 1 Mio. weiteren Besuchern in der Stadt seien nicht nur die Erwartungen an das Kulturspektakel gross, sondern auch das finanzielle Risiko, wie die Basler Zeitung kommentierte. So störten sich insbesondere die Einheimischen an der Preispolitik der Organisatoren. Bei einem Budget von CHF 100 Mio. lagen die Ticketpreise zwischen CHF 79 und CHF 359; beim letzten Fest (1999) kosteten die Tickets zwischen CHF 65 und CHF 260, bei einem Budget von CHF 54 Mio. Entsprechend waren rund zwei Monate vor dem Ereignis lediglich 60 Prozent der Tickets verkauft. So wagten die Organisatoren es nicht, zu diesem Zeitpunkt eine Gewinnprognose zu machen (1999: CHF 4 Mio.; 1977: CHF 5 Mio.). Auch um die Kostüme der Schauspielerinnen und Schauspieler war bereits ein Jahr zuvor eine regelrechte Polemik ausgebrochen: Die Vereinigung der Westschweizer Schneiderinnen hatte sich gegenüber RTS empört gezeigt, dass die Kostüme in Italien fabriziert werden – ausgerechnet für diesen traditionell schweizerischen Anlass –, wo man doch in der Romandie die nötigen Kapazitäten hätte. Weitere Proteste kamen von Seiten der Unia, weil das Verkaufspersonal in Vevey bereits vor dem Fest wegen ausgedehnter Ladenöffnungszeiten länger arbeiten sollte.
Schliesslich änderte auch die Wahrnehmung der Fête des Vignerons als «kein gewöhnliches Weinfest, sondern eine Institution in der Westschweiz» (St. Galler Tagblatt) nichts an der Tatsache, dass man gerade bezüglich der Finanzen eine herbe Bruchlandung erlitt. Am Ende der Feierlichkeiten wiesen die Organisatoren ein Defizit von rund CHF 15 Mio. aus und hatten das Budget mit CHF 103 Mio. um rund 3 Prozent überschritten. Die Mehrausgaben seien insbesondere in den Bereichen Logistik, Sicherheit und Marketing angefallen, während die Mindereinnahmen, wie zu erwarten war, auf den schleppenden Ticketverkauf zurückzuführen waren. Das Organisationskomitee begründete den Verlust auch damit, dass der Staat in diesem Jahr Dienste in Höhe von rund CHF 8 Mio. in Rechnung gestellt habe, die für die vergangenen Feste noch kostenlos ausgeführt worden waren. CHF 10 Mio. des Finanzdefizits sollen über die Reserven der Winzerbruderschaft getilgt werden. Für die restlichen CHF 5 Mio. wolle man eine geeignete Lösung suchen und erhoffe sich, dass man die Behörden, Unternehmen und private Partner dazu bewegen könne, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten. Als eine erste Massnahme führten die Organisatoren Ende September eine grosse Versteigerungsaktion von Artikeln der Fête des Vignerons durch.

Fête des Vignerons

Nachdem die Zeckendichte 2018 in der Schweiz besonders hoch ausgefallen war, erklärte der Bund Ende Jahr neu die gesamte Schweiz – ausgenommen die Kantone Genf und Tessin – zum Risikogebiet, worauf das BAG eine schweizweite Impfempfehlung erliess. Zecken sind für die Gesundheit der Menschen insofern gefährlich, als sie die beiden Infektionskrankheiten Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME-Virus), welche zu Hirnhauentzündung führt und tödlich sein kann, übertragen. 2018 verzeichnete das BAG mit 380 Fällen 40 Prozent mehr virale Gehirnhautentzündungen als im Vorjahr.
Während die nicht immunisierbare Borreliose mit Antibiotika behandelt werden kann, dient eine Impfung zur Prävention von Hirnhautentzündungen. Dazu sind drei Impfdosen erforderlich, welche insgesamt rund CHF 200 kosten und alle zehn Jahre erneuert werden sollten. Zurzeit seien nur etwa dreissig Prozent der Schweizer Bevölkerung geimpft, erklärte Mark Witschi, Leiter der Sektion Impfempfehlung des BAG. Man erhoffe sich jedoch durch die schweizweite Impfempfehlung, dass die Anzahl Ansteckungen abnehme.
Zwar ist dem St. Galler Tagblatt zufolge die Unfallversicherung für die Übernahme der Kosten bei den Folgen eines Zeckenbisses verantwortlich, die Kosten der Impfung wurden bisher allerdings durch die OKP getragen, wenn die geimpfte Person in einem Risikogebiet wohnte oder sich in einem solchen aufhielt. Die Ausweitung des Risikogebietes auf die gesamte Schweiz hatte somit zur Folge, dass ab 2019 Zeckenimpfungen landesweit von der Krankenversicherung übernommen werden mussten. Gemäss Witschi sollten dabei aber keine Kosten für die Krankenkassen anfallen, da ein Grossteil der Kosten für die Impfung von den Patientinnen und Patienten im Rahmen der Franchise übernommen würde.

schweizweite Zeckenimpfempfehlung

Viel Spott musste Johann Schneider-Ammann aufgrund seiner Rede zum Tag der Kranken am 6. März 2016 über sich ergehen lassen. Die in Deutsch und Französisch gehaltene Ansprache des Bundespräsidenten, die Lachen als Medizin anpries, geriet zu einem eigentlichen „medialen Beinbruch“ (Aargauer Zeitung) und „Kommunikations-Gau“ (SonntagsZeitung). Der Bundespräsident las den französischen Text von einem Teleprompter ab und sprach nicht nur sehr monoton, sondern wirkte – ganz im Gegensatz zum Inhalt seiner Botschaft – bleiern und wenig inspiriert. Wie ein Bestatter mit Zahnweh, kommentierte der Tages-Anzeiger. In der Tat zeigte der Magistrat während der ganzen Rede keine Gemütsregung, obwohl er über Humor und Lachen referierte. Allerdings machte eben diese Diskrepanz die mit breitem „Français Fédéral“ bestrittene französische Ansprache unfreiwillig zu einem grossen Lacher. „Rire est bon pour la santé" wurde zwar vielerorts als „peinlich“, ja gar als „Super-GAU“ (AZ) bezeichnet, die Rede wurde aber nicht nur in Westschweizer, sondern auch in französischen, belgischen und sogar amerikanischen Satiresendungen gezeigt. Im Internet wurde die „ungewollt urkomische“ (Wahington Post) Rede gar zum Youtube-Hit. Immerhin führte die Rede zu viel Publicity für einen karitativen Anlass.

"Rire est bon pour la santé"

Im Winter 2015/2016 hatte das wohl bekannteste und traditionsreichste Textilerzeugnis der Schweiz seinen grossen Auftritt auf dem Polit-Catwalk: das Edelweiss-Hemd. Was eigentlich zur Grundausrüstung der sogenannten „Bösen“ (Schwinger) gehört und gerne auch von den Schweizer Sennen getragen wird, wurde dank einer Sekundarschule im zürcherischen Gossau zum Symbol für einen emotionsgeladenen Kampf zwischen Tradition und Moderne – inklusive des obligaten Rassismusvorwurfes.
Zehn Oberstufenschüler waren laut der Sonntagszeitung am Morgen des 11. Dezembers 2015 in den berühmten blau-weissen Hemden mit aufgesticktem Edelweiss zum Unterricht erschienen. Sie wollten ihrem Umfeld auf diese Weise zeigen, dass sie „stolze Schweizer und patriotisch“ seien. Ihre Lehrerin indes konnte dieses Ehrgefühl nicht mit ihren Schülern teilen und forderte diese dazu auf, sich umziehen zu gehen, da der vorgeführte Aufzug lediglich rassistisch und ausländerfeindlich sei. Die Schüler verteidigten sich gegen diesen Vorwurf, in dem sie beteuerten, dass sie nichts gegen Ausländer hätten, sich aber an denjenigen störten, die sich geringschätzig über die Schweiz äussern würden. Die Lehrerin habe sich im Nachhinein bei den Schülern entschuldigt und die Angelegenheit geklärt. Nachdem sich auch der Schulleiter von einem offiziellen Hemdenverbot distanziert hatte, hätte man meinen können, die Angelegenheit sei erledigt. Der wahre Hund in dieser Geschichte liegt aber, wie so oft, in der Politik begraben.
Kurz nachdem die Geschichte publik geworden war, schrien bereits die ersten Politiker – zumeist aus den Reihen der SVP – „J'accuse!“ und solidarisierten sich demonstrativ gegen diese Form des „Schweizerhasses“. Scharen von Parlamentariern tauschten Anzug und Krawatte gegen das Sennenhemd; Lukas Reimann (svp, SG) twitterte sogar: „Wir lassen uns von ‚Integrierten‘ unsere Traditionen nicht zerstören!“ (Schweiz am Sonntag) – wohl nicht im Wissen darüber, dass die besagte Tradition kaum 20 Jahre älter als er selbst ist. Das eigentlich Anstössige an der gesamten Textildiskussion fand sich wie so oft in der Frage der Gleichstellung: Denn just am Tag des „Edelweiss-Gates“ hatte das Bundesgericht im Fall einer muslimischen Schülerin aus St. Gallen entschieden, dass sie trotz Einwänden der Schulleitung mit dem Kopftuch zur Schule gehen darf.

Edelweiss-Hemden

Dass noch immer ein Mangel an Stand- und Durchgangsplätzen für Fahrende in der Schweiz herrsche, wie dies ein vom Bundesrat verabschiedeter Bericht bereits 2006 nachgewiesen hatte, wurde 2014 überdeutlich. Ein paar Tage vor Eröffnung der BEA liessen sich einige hundert Fahrende auf der Kleinen Allmend im Berner Wankdorf nieder, um gegen die Platznot zu protestieren. Da das Areal für Parkplatzmöglichkeiten während der BEA vorgesehen war, beschloss die Stadt Bern bereits am ersten Tag nach Protestbeginn die Räumung des Areals. Die Fahrenden verliessen das Gelände nicht freiwillig, worauf die Polizei über 70 Personen einer Personenkontrolle unterzog. Kurz darauf bewilligten die Städte Bern und Biel, wohin die Fahrenden nach der Räumung der Kleinen Allmend weiterzogen, je einen provisorischen Durchgangsplatz. Der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät äusserte Kritik am eigenen Kanton, da seit dem Bundesgerichtsentscheid im Jahr 2003 nichts unternommen worden war, um den Rechtsanspruch der Fahrenden durchzusetzen. Zwei Drittel aller Stellplätze innerhalb des Kantons befänden sich bereits in Bern und Biel. Gerhard Müllhauser, Sprecher der Schweizer Fahrenden, hob den Kanton Aargau als einziges Beispiel mit Vorbildcharakter hervor. Seit 2007 sorgt dort die Fachstelle Fahrende für den Bau neuer sowie für den Unterhalt bestehender Plätze. Darüber hinaus ermöglichen Besuche der Behörden auf dem Gelände einen regelmässigen Dialog. Die Akzeptanz der Fahrenden bei der Aargauer Bevölkerung sei hoch, betonte der Leiter der Fachstelle. Dies könne jedoch darauf zurückzuführen sein, dass alle Plätze mit einer Ausnahme ausschliesslich für Schweizer Fahrende vorgesehen seien. Gegenüber ausländischen Fahrenden bestünden nach wie vor grosse Vorbehalte. Ein im September publizierter Bericht der Europäischen Rassismuskommission (ECRI), der sich auf eine 2013 durchgeführte Studie über die Qualität der Schweizer Medienberichterstattung über Roma berief, stellte seit 2007 zwar eine Zunahme der Schweizer Medienberichterstattung über Roma fest. Dabei sei aber nicht wie in anderen Staaten die erlittene Diskriminierung der Roma Thema der Beiträge, sondern es kursierten vorwiegend negative Schlagzeilen, was einen entscheidenden Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung der Gruppe hätte. In ihrem Bericht hält die ECRI fest, dass in Erfüllung des Artikels 19 des Kulturförderungsgesetzes, welcher den Fahrenden ermöglichen soll, im Einklang mit ihrer Kultur zu leben, kaum Fortschritte erzielt würden, resp. sich die Situation in den letzten Jahren teilweise gar verschlechtert habe. Die Kommission empfahl den Schweizer Behörden dringlichst, zusätzliche Stellplätze zu schaffen und angemessene Massnahmen zur Verbesserung der Bildung der Kinder der Fahrenden zu treffen. Ende November präsentierte der Bundesrat seine Kulturbotschaft und damit auch ein Bekenntnis zur Verbesserung der Situation von Fahrenden. Die zu diesem Zwecke eingesetzte Arbeitsgruppe traf sich im November bereits zu einem ersten Treffen, das jedoch mit dem frühzeitigen Verlassen von Vertretern der betroffenen Gruppen abrupt endete. Diese fühlten sich nicht ausreichend involviert und sahen ihre Forderung nach sofortiger Schaffung von zusätzlichen Stellplätzen nicht umgesetzt. Ende Jahr wurde bekannt, dass die Gespräche im Folgejahr doch wieder aufgenommen werden sollen.

Stellplätze für Fahrende

Die Volkskultur geniesse steigende Wertschätzung, gab sich Albert Vitali (fdp, LU), neuer Präsident der Interessengemeinschaft Volkskultur Schweiz (IGVS), überzeugt. Nationalrat Vitali ist Mitglied der parlamentarischen Gruppe „Volkskultur und Volksmusik“, die bis anhin bei ca. 50 bürgerlichen Parlamentariern auf Anklang stiess und im Berichtsjahr auf sich aufmerksam machte, indem mehrere ihrer Mitglieder in Trachten gekleidet zur Herbstsession erschienen. Bereits im Februar schloss die seit dem neuen Kulturförderungsgesetz (KFG) für die Nachwuchsförderung verantwortliche Pro Helvetia mit der IGVS eine Leistungsvereinbarung ab, wonach die Unterstützung von an den Nachwuchs gerichteten Projekten der Volkskulturverbände direkt über den IGVS erfolgen soll. Zu diesem Zweck schuf Pro Helvetia einen Volkskulturfonds, den die Stiftung in einer dreijährigen Pilotphase alljährlich mit CHF 100'000 speist.

Volkskultur

Um die Jahresmitte äusserten die Betreiber von rund 100 alternativen Kunsträumen, den sogenannten Off-Spaces, die Kunstschaffenden ausserhalb von Mainstream-orientierten Galerien und Kunsthäusern eine Bühne bieten, Kritik am neuen Kulturförderungsgesetz (KFG). Seit Pro Helvetia die Förderung der freien Szene übernommen habe, werden keine Preise mehr für Kunsträume vergeben. Das von Pro Helvetia im Gegenzug eingeführte Förderprogramm „Nachwuchsförderung visuelle Kunst“, das Off-Spaces und kleinen bis mittleren Kulturinstitutionen offen steht, findet in der Szene wenig Anklang. Aufgrund der bürokratischen Vorgaben seien viele Künstler von der Förderung ausgeschlossen, da sie mit ihrer Kunst von Ort zu Ort ziehen würden. Die freien Kunstschaffenden schlossen sich daraufhin zur „Charta 2016“ zusammen und forderten für die Kulturbotschaft 2016-2019 eine finanzielle Unterstützung der Kunsträume im Umfang von CHF 1 Mio. Mit ihrer Petition „Hundert Räume geben mehr Licht als ein Leuchtturm“ forderten freie Künstler und Kuratoren mehr (finanzielle) Anerkennung für die Alternativkultur.

keine Preise mehr für Kunsträume

Zu Beginn des Berichtsjahres zogen die Aargauer und die Luzerner Zeitung Bilanz aus dem einjährigen Bestehen des Kulturförderungsgesetzes (KFG) und liessen dabei verschiedene Kulturverbände zu Wort kommen. Heinrich Gartentor, Präsident des Berufsverbandes der bildenden Künstlerinnen und Künstler (Visarte) bedauerte, dass die visuelle Kunst durch die Reorganisation der Kulturförderpolitik über einen Viertel ihrer Fördergelder verloren habe. Ebenfalls ungerecht behandelt fühlte sich in dieser Hinsicht der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA). Die zeitgenössische Architektur und Baukultur finde gar keine Berücksichtigung im KFG. Auf der anderen Seite zeigten sich die Autoren der Schweiz (ADS) grundsätzlich zufrieden. Der Literatur- und Leseförderung werde in der Kulturbotschaft eine wichtige Rolle zugeschrieben. Nichtsdestotrotz seien die Mittel für eidgenössische Literaturpreise zu knapp bemessen. Positiv bewerteten hingegen Pro Helvetia und das Bundesamt für Kultur (BAK) das neue Gesetz. Hervorgehoben wurden insbesondere die verstärkten Bemühungen zur Schaffung einer engen Zusammenarbeit zwischen Verbänden und den verschiedenen Verwaltungsebenen sowie die Möglichkeit einer ganzheitlichen Laufbahnförderung in allen Sparten.

Bilanz aus dem einjährigen Bestehen des Kulturförderungsgesetzes
Dossier: Die Neuorganisation der Kulturförderung mit dem Kulturförderungsgesetz

Im Rahmen der Kulturbotschaft 2012-2015 erfuhr auch die Pro Helvetia einige Veränderungen im Sinne einer Aufgabenverschiebung. Allerdings geriet die Stiftung nicht deswegen in die Schlagzeilen. Für grosses Aufsehen sorgte vielmehr ihr Direktor Pius Knüsel. Er stellte als Mitautor des Buches „Der Kulturinfarkt“ die gesamte schweizerische Kulturpolitik in Frage. Für besonderen Zündstoff sorgte seine Aussage, die Anzahl an Theatern, Museen, Bibliotheken, Konzerthäusern etc. sei zu halbieren. Dies sei nötig, da die staatliche Kulturförderung versagt habe, indem sie zu oft an der tatsächlichen Nachfrage des Publikums vorbei fördere, so die These Knüsels. Schon kurz nach Erscheinen des Buches distanzierte sich der Stiftungsrat der Pro Helvetia von den Aussagen Knüsels, stellte dessen Leistungen als Direktor der Stiftung jedoch keineswegs in Frage. Trotzdem gab Knüsel knapp zwei Monate später sein Amt ab, worauf im Oktober des Berichtjahres bekannt wurde, dass Andrew Holland das Amt neu übernehmen würde.

Pro Helvetia

Die Schweiz war diesjähriges Gastland an der Internationalen Buchmesse in Frankfurt. Der Ausstellungsmacher, Christoph Vitali, ehemaliger Zürcher Kulturbeauftragter, ehemaliger Direktor der Frankfurter Schirn-Kunsthalle und heutiger Direktor des Hauses der Kunst in München, setzte unter dem in Schweizer Kulturkreisen nicht unumstrittenen Oberbegriff „Hoher Himmel, enges Tal” auf eine Darstellung der Fülle und Vielfalt, die ein so kleines Land wie die Schweiz in der Literatur vorzuweisen hat. Konsequenterweise lud er nicht nur prominente und weniger bekannte Autorinnen und Autoren aus den vier Landesteilen ein, sondern auch zehn in der Schweiz lebende ausländische Schriftsteller. Dass deutschschweizer Mundartautoren daneben kaum präsent waren, trug Vitali einige Kritik ein.

Gastland an der Internationalen Buchmesse in Frankfurt

Bereits einige Monate zuvor hatte das BAK einen Bericht über die Bestände der Sammlungen des Bundes veröffentlicht. Es hatte sich ohne fremde Aufforderung die Aufgabe gestellt, diese Untersuchung durchzuführen, und stufte dabei als Hypothese grundsätzlich alle Objekte, die zwischen 1933 und 1945 in den Besitz des Bundes gelangt waren, als bedenklich ein. Nach sorgfältiger Prüfung aller zugänglicher Daten kam die Arbeitsgruppe zum Schluss, dass vermutlich kein einziges Werk unrechtmässig erworben wurde. Nach Ansicht des BAK muss aber nicht nur die Eidgenossenschaft unter die Lupe genommen werden, sondern auch die Kantone und Gemeinden, die Museen, Sammlungen und Stiftungen. Der vorgelegte Bericht verstand sich denn auch als Initialzündung für andere Institutionen, es dem Bund gleichzutun.

Bericht über die Bestände der Sammlungen des Bundes

Im Laufe des ersten Halbjahres stimmten weitere Agglomerationsgemeinden den Kulturbeiträgen an die Stadt Bern zu, so dass der neue Kulturvertrag, welcher der Stadt jährlich CHF 4.3 Mio. Subventionen an die grossen städtischen Kulturinstitutionen (Stadttheater, Symphonieorchester, Kunstmuseum, Historisches Museum) einbringen wird, auf den 1.1.1999 in Kraft treten kann.

Bern Kulturvertrag

Wie sich bereits im Vorjahr abzeichnete, wird Basel im Jahr 2001 nicht wie erhofftKulturhauptstadt Europas”. Der europäische Ministerrat vergab den Titel gemeinsam an das portugiesische Porto und das niederländische Rotterdam. Basel wird aber zusammen mit Riga (Lettland) den „europäischen Kulturmonat 2001” durchführen können, der seit 1992 in Städten stattfindet, die nicht der EU angehören. Diese Veranstaltung wird sich nahtlos in die ohnehin für 2001 von Basel-Stadt geplanten Anlässe im Rahmen der Expo 01 und des 500-Jahre-Jubiläums „Basel in der Eidgenossenschaft” einfügen.

Basel europäischen Kulturmonat 2001

Zu einem peinlichen Gezerre kam es Anfangs März um die Skulptur «Shoah» des Solothurner Bildhauers Schang Hutter. Es war vorgesehen, dass das Werk den Abschluss des Skulpturenweges bilden sollte, der aus Anlass des 150-Jahre-Jubiläums des Bundesstaates eingerichtet wurde und vom Mahnmal für die Schlacht im Grauholz (BE) von 1798 bis auf den Bundesplatz führte. Entgegen den Vorgaben plazierte Hutter sein Werk direkt vor dem Eingang des Bundeshauses und nicht drei Meter vom Hauptportal entfernt, wie dies die Parlamentsdienste aus Sicherheitsgründen verlangt hatten. Das Büro der Räte erachtete dies zwar als eine gewisse Provokation, war aber bereit, den Standort für die Dauer der Session zu dulden. Das sahen die Parlamentarier der FP anders. In einer Nacht- und Nebelaktion liessen sie die Skulptur ins Atelier des Künstlers zurückschaffen. Ihre Aktion begründeten sie mit dem «Ruhe-Ordnung-Sicherheit»-Slogan ihrer Partei. Die Tat stiess im Bundeshaus auf einhellige Ablehnung. Die Präsidenten beider Kammern verurteilten in einer gemeinsamen Erklärung das eigenmächtige Vorgehen ihrer Ratskollegen, welches der Aktion einer Bürgerwehr gleichkomme.

Gezerre um Skulptur «Shoah» vor dem Eingang des Bundeshauses

Immer häufiger weisen Städte mit Zentrumsfunktion auf die ungerechte Verteilung von Kosten und Nutzen im Kulturbetrieb hin. Während die Städte praktisch allein die kulturellen Institutionen finanziell über Wasser halten, sind es in weiten Teilen die Einwohnerinnen und Einwohner der Agglomeration, welche das kulturelle Angebot nutzen. Im 1995 revidierten Kulturförderungsgesetz des Kantons Bern wurde festgehalten, dass die Gemeinden der Region Bern die bedeutenden Kulturinstitute der Bundesstadt mitfinanzieren sollen. Die Umsetzung des Gesetzes erwies sich jedoch als sehr schwierig, da sich mehrere Gemeinden dagegen wehrten, diesen Obolus zu entrichten. Bis Ende Jahr stimmten 43 Gemeinden der Abgabe zu, 21 Gemeinden lehnten den Subventionsvertrag ab, 20 weitere vertagten ihren Entscheid auf 1998.

Städte mit Zentrumsfunktion Gemeinden der Region Bern

Ziemlich überraschend kündigte Urs Frauchiger, seit 1992 Direktor der Stiftung Pro Helvetia seinen Rücktritt per Ende September an. Als Hauptgrund für seine Entscheidung nannte er Amtsmüdigkeit. Da auf Ende des Berichtsjahres auch das Mandat der Stiftungspräsidentin, der Solothurner CVP-Ständerätin Rosmarie Simmen auslief, musste gleich die ganze Führung der Pro Helvetia neu bestellt werden. Ende November wählte der Stiftungsrat den Bündner CSP-Politiker und Sekretär der Lia Rumantscha Bernard Cathomas zum neuen Direktor. Zur Stiftungspräsidentin ernannte der Bundesrat die scheidende Stadtpräsidentin von Lausanne und frühere Waadtländer SP-National und Ständerätin Yvette Jaggi.

Urs Frauchiger Rücktritt Bernard Cathomas Yvette Jaggi 

Anfangs Juli eröffnete die Pro Helvetia in Anwesenheit von Bundesrätin Dreifuss eine neue Aussenstelle in Mailand. Das Centro culturale svizzero (CCS) hat die Aufgabe, das schweizerische Kulturschaffen in der lombardischen Metropole vorzustellen und die Aktivitäten der Pro Helvetia in Italien zu organisieren. Das CCS hat jedoch nicht das Kaliber des Schweizer Kulturzentrums in Paris mit seinem Budget von CHF 1.5 Mio., sondern entspricht eher den "Antennen", die mit Unterstützung des Bundes in einigen mittel- und osteuropäischen Städten entstanden sind. Das Budget des CCS beträgt CHF 600'000 pro Jahr.

Centro culturale svizzero Italien

Ende Mai stellte Bundesrätin Dreifuss zusammen mit dem Direktor des Bundesamtes für Kultur (BAK) sowie den Direktoren der Landesbibliothek und des Landesmuseums an einer Pressekonferenz Ziele und Inhalte der schweizerischen Kulturpolitik vor. Sie betonte, Kulturarbeit bestehe einerseits im Bewahren des vielgestaltigen Raums der Erinnerung, gebildet aus Kunstwerken aller Art, Büchern, Bildern, Ideen und Überzeugungen, und andererseits in der Bereitstellung guter Bedingungen für heutige Kunst- und Kulturschaffende. Die zweimalige Ablehnung eines Kulturförderungsartikels in der Bundesverfassung in den Jahren 1986 und 1994 entbinde die Eidgenossenschaft nicht von ihrem Auftrag, die Kultur zu unterstützen. Nicht eine nationale Kulturpolitik, wohl aber nationale Massstäbe der Kulturförderung erachtete Dreifuss für die Zukunft als vordringlich, wobei sie betonte, dass auch hier die fundamentalen menschlichen und politischen Werte der Freiheit, der Gleichheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität zum Zuge kommen müssten. Im Zentrum der möglichen Massnahmen stehen Fragen der professionellen Weiterbildung der Kulturschaffenden, deren soziale Sicherheit und Direktunterstützung sowie fiskalischer Anreize zur Kulturförderung von privater Seite.

Bundesrätin Dreifuss Ziele und Inhalte der schweizerischen Kulturpolitik Nicht eine nationale Kulturpolitik, wohl aber nationale Massstäbe der Kulturförderung