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Von Oktober bis Dezember 2021 verwandelte sich das Bundeshaus im Kontext der zweiten Frauensession und zur Feier des 50-jährigen Jubiläums des Frauenstimmrechts erstmalig seit seines Bestehens in eine Kunsthalle, wie die Aargauer Zeitung berichtete. Die von der Schweizerischen Gesellschaft bildender Künstlerinnen (SGBK) organisierte Aktion umfasste insgesamt 67 Silhouetten von Künstlerinnen, welche alle – mit einem klar ersichtlichen Stimmzettel versehen – im ganzen Bundeshaus verteilt waren. Dass gerade die SGBK, eine kleine, privat finanzierte und ums Überleben kämpfende Organisation, eine solche Aktion zu Ehren der Frauen organisierte und nicht etwa der grösste Berufsverband der Schweizer Kulturschaffenden, die staatlich subventionierte Visarte, passe gemäss der Aargauer Zeitung in die Geschichte der Organisation: So hätten Künstlerinnen schon immer um den Zugang zur Kunstszene kämpfen müssen und seien lange Zeit weder zu Akademien noch Berufsverbänden zugelassen gewesen. Als Reaktion hätten 1902 die Pionierinnen Hanni Bay, Adèle Lilljeqvist, Clara von Rappard und Martha Stettler, gemeinsam mit anderen Frauen, ihren eigenen Berufsverband gegründet: die SGBK.
Im Zusammenhang mit dem 50-jährigen Jahrestag der Einführung des Frauenstimmrechts ging die Aargauer Zeitung in einem Interview mit der Leiterin der visuellen Künste bei Pro Helvetia, Madeleine Schuppli, zudem der Frage nach, warum die Kunstwelt nach wie vor so stark von Männern dominiert sei. Schuppli erklärte dies unter anderem mit den wenigen weiblichen historischen Figuren in der Kunst – eben mangels der fehlenden Möglichkeiten für Frauen damals. Zudem würden Käuferinnen und Käufer von Kunstwerken im Hinblick auf die hohen Investitionen eher risikoavers handeln und Werke von Männern noch immer als sicherere Variante einstufen. Schliesslich seien auch die hohen Führungsposten im Kunstbereich, etwa Direktionsstellen in grossen Kunsthäusern, nach wie vor mehrheitlich in Männerhand. Hingegen würden die Kunststudiengänge schon länger mehrheitlich von Frauen besucht und mittelgrosse Kunsthäuser von Direktorinnen geleitet. Schuppli verwies auch auf den weiterhin grossen Gender-Pay-Gap: So sei dieser in der Kulturwirtschaft gemäss einer Statistik des BFS mit 17 Prozent sogar höher als der nationale Durchschnitt von 12 Prozent.

Frauen in Kunst und Kultur

Die parlamentarischen Beratungen zur Revision des Filmgsetzes (Lex Netflix) und die im Herbst 2021 gefassten Beschlüsse führten zu medialen Debatten. Insbesondere zum Beschluss, dass Streaming-Anbietende wie Netflix neu dazu verpflichtet werden sollten, 4 Prozent ihres in der Schweiz erzielten Bruttogewinns in den Schweizer Film zu reinvestieren, zeigten sich nicht nur im Parlament, sondern auch in der Öffentlichkeit Meinungen, die weit auseinander gingen.

Seitens der Filmindustrie waren nur positive Stimmen zu hören, welche jedoch nur in den französischsprachigen Zeitungen Widerhall fanden. Die Filmindustrie sei erleichtert, dass nun auch der Nationalrat die Investitionspflicht gutgeheissen habe, welche in anderen Ländern bereits üblich sei. Dies sorge für faire Wettbewerbsbedingungen für die Industrie, wie Barbara Miller, Präsidentin des Verbands Filmregie und Drehbuch Schweiz (ARF/FDS) gegenüber der Zeitung La Liberté zu Protokoll gab. Jean-Marc Fröhle, Filmproduzent und Co-Präsident der «IG – Unabhängige Schweizer Filmproduzenten», wies darauf hin, dass Schweizer Regisseurinnen und Regisseure von internationalen Koproduktionen abhängig seien, insbesondere bei Serien. Oftmals seien sie nicht in der Lage, mit den in der Schweiz verfügbaren Mitteln einen unabhängigen Schweizer Film zu produzieren, was sich nun durch dieses Gesetz ändern werde.

In den Medien mussten die liberalen Parteien Kritik einstecken: Aus liberaler Sicht spräche alles gegen die «Lex Netflix». Es handle sich dabei um «einen ungeniessbaren Cocktail aus Heimatschutz, Subventionitis und Bevormundung», schrieb etwa die NZZ. Da die SVP geschlossen gegen das FiG gestimmt hatte, sei es in den Händen der FDP und GLP gelegen, diesen «Investitionszwang» aus dem Gesetz zu streichen. Die Genfer Nationalrätin Simone de Montmollin (fdp, GE) erklärte die Mehrheitsmeinung der FDP gegenüber Le Temps damit, dass es nicht um Protektionismus gehe, sondern um eine Harmonisierung mit den Praktiken in den Nachbarstaaten. Grosse Plattformen würden nur da produzieren, wo sie dazu ermutigt werden.

Auch die bürgerlichen Jungparteien waren mit der beschlossenen Gesetzesrevision nicht einverstanden und befürchteten, dass letztendlich die Konsumentinnen und Konsumenten die Abgaben durch höhere Gebühren tragen müssten. Da die Gesetzesrevision insgesamt völlig an den Interessen der Jungen vorbei ziele, kündigten sie noch am Tag der Schlussabstimmung via Twitter an, das Referendum ergreifen zu wollen, wie die Aargauer Zeitung und die NZZ berichteten.

Revision des Filmgesetzes (Lex Netflix; BRG 20.030)

Am 16. April 2020 informierte der Bundesrat über die geplante Lockerungsstrategie der Massnahmen zum Coronavirus, die in drei Schritten erfolgen sollte. In den Mittelpunkt stellte der dabei die Gesundheit der Schweizer Bevölkerung, daneben beabsichtigte er aber auch, die wirtschaftlichen Schäden in Grenzen zu halten und die Einschränkung der Grundrechte zu reduzieren. In einer ersten Etappe sollten ab dem 27. April Coiffeursalons, Kosmetikstudios, Baumärkte, Blumenläden und Gärtnereien ihre Türen wieder öffnen dürfen. In diesen Einrichtungen sei die Umsetzung von Schutzkonzepten einfach möglich, sie wiesen wenige direkte Kontakte auf und lösten keine grossen Personenströme aus, erklärte der Bundesrat die Auswahl. Ab dem gleichen Datum sollten in Krankenhäusern zudem wieder uneingeschränkt Eingriffe durchgeführt werden können.
Als zweite Etappe sah die Regierung für den 11. Mai die Wiedereröffnung der obligatorischen Schulen, Einkaufsläden und Märkte vor. Vor dem Entscheid über diesen zweiten Lockerungsschritt wollte sie jedoch die Entwicklung der Fallzahlen abwarten und diesen folglich erst am 29. April fällen. Schliesslich war als dritte Etappe neben der Öffnung von Museen, Zoos und Bibliotheken sowie der Lockerung des Versammlungsverbots für den 8. Juni auch die Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts an Mittel-, Berufs- und Hochschulen geplant. Einzelheiten dazu beabsichtigte der Bundesrat am 27. Mai festzulegen.

An demselben Tag, an dem der Bundesrat diese ersten Lockerungsschritte ankündigte, verabschiedete er eine am 20. April 2020 in Kraft tretende Verordnung, die eine übergangsweise Befreiung von der Anzeigepflicht bei Überschuldung, die in der Regel zur sofortigen Insolvenz führen würde, und eine zeitlich befristete Covid-19-Stundung beinhaltete. Letztere sollten insbesondere KMU unbürokratisch beantragen können. Er gab zudem bekannt, dass Selbständigeerwerbende rückwirkend ab dem 17. März 2020 Anspruch auf EO erhalten sollen. Mit diesem Entscheid sollte die Problematik angegangen werden, dass rund 270'000 Personen, darunter zum Beispiel viele Taxifahrerinnen und Taxifahrer oder Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten, keine Covid-19-Kredite oder Kurzarbeitsgelder hatten beantragen können, da der Bundesrat ihre Unternehmen nicht geschlossen hatte, sie aber dennoch bis zu 90 Prozent ihres Einkommens aufgrund der Pandemie eingebüsst hatten. Um die durch die Corona-Pandemie entstandenen Finanzlöcher zu stopfen, gingen zahlreiche verschiedene Vorschläge ein: von einer Halbierung der Mehrwertsteuer, wodurch der Konsum angekurbelt werden sollte (Postulat Müller; fdp, LU; Po. 20.3214), über ein fünfjähriges Ausgaben- und Aufgabenmoratorium (SVP-Fraktion; Mo. 20.3567) und der Reduktion der Ausgaben für die EU, den Asylbereich und ausländische Personen (Motion Quadri; lega, TI; Mo. 20.3272) hin zu einer Solidaritätssteuer, z.B. über eine Erhöhung der Kapitalgewinnsteuer (Motion de la Reussille, pda, NE, Mo. 20.3174; Motion der SP-Fraktion, Mo. 20.3203; Motion Prezioso, egsols, GE, Mo. 20.3335; Motion Rytz, gp, BE, Mo. 20.3362).

Anspruch auf Entschädigung ihres vollen Erwerbs sagte der Bundesrat am 22. April denjenigen Angehörigen der Armee zu, die zwischen dem 6. März 2020 und dem 30. Juni 2020 zur Bewältigung der Coronakrise im Einsatz standen und die Dauer ihres Ausbildungsdienstes überschritten hatten. Für Angehörige des Zivilschutzes sollte eine vergleichbare Regel gelten.

Eine Woche darauf kündigte die Regierung an, dass einige Lockerungen schneller vorgenommen werden könnten als ursprünglich geplant, da die Ausbreitung von Covid-19 aufgrund der vorbildlichen Umsetzung der ergriffenen Massnahmen durch die Bevölkerung hatte abgeschwächt werden können. Daher sollten unter anderem auch Restaurants, Museen und Bibliotheken bereits ab dem 11. Mai wieder ihre Pforten öffnen dürfen und auch Primar- und Sekundarschulen ihren Unterricht vor Ort wieder aufnehmen können, wobei die diesbezügliche Entscheidung über die Durchführung bei den Kantonen lag. Diese sollten auch entscheiden, ob an den Gymnasien schriftliche Abschlussprüfungen durchgeführt werden oder nicht. Im Vorfeld hatte die EDK bereits bekanntgegeben, dass sie die Absage mündlicher Prüfungen empfehle. Anders sah die Situation für die Berufsschulen aus, wo bereits zuvor landesweit einheitlich entschieden worden war, auf schriftliche Lehrabschlussprüfungen zu verzichten. Auch Trainings im Breiten- und Spitzensport sollten ab dem 11. Mai wieder erlaubt sein.
Um die Auswirkungen der Lockerungen auf die Epidemieentwicklung genau beobachten zu können, plante der Bundesrat ein entsprechendes Monitoring. Die einzelnen Lockerungsetappen sollten mit Schutzkonzepten einhergehen, zudem müssten alle Institutionen über ein auf den Vorgaben des BAG, des SECO oder auf einem Branchenkonzept basierendes Schutzkonzept verfügen. Des Weiteren beschloss die Regierung, auch die Einreisebeschränkungen zu entschärfen; Grossveranstaltungen mit über 1'000 Personen blieben jedoch bis Ende August 2020 weiterhin verboten. Die Kantone wurden zudem aufgefordert, ab dem 11. Mai die flächendeckende Rückverfolgung von Neuinfektionen fortzuführen. Ein ähnliches Ziel verfolgte die SwissCovidApp, eine digitale Applikation mit Bluetooth-Funktechnik, mit der die Benutzerinnen und Benutzer informiert würden, wenn sie sich in der Nähe einer mit Covid-19 infizierten Person befunden haben (Proximity Tracing). Diese gehe Mitte Mai in die Testphase, zudem solle in Kürze auch die gesetzliche Grundlage für ihren ordentlichen Betrieb geschaffen werden, erklärte der Bundesrat. Die eidgenössischen Abstimmungen vom 19. Mai, welche der Bundesrat im März abgesagt hatte, sollten am 27. September 2020 nachgeholt werden. Ferner kündigte er Liquiditätshilfen in der Höhe von maximal CHF 1.9 Mrd. an, um den beiden Fluggesellschaften Swiss und Edelweiss unter die Arme zu greifen.

Mit den ersten Lockerungen einhergehend änderte die BAG-Kampagne «So schützen wir uns» am 30. April ihre Grundfarbe auf Pink. Dennoch wurde betont, dass trotz einiger Zugeständnisse nach wie vor die gleichen Regeln gälten – unter anderem Abstandhalten, Händewaschen und das Niesen in den Ellbogen. Das BAG legte der Bevölkerung ausserdem nahe, eine Maske zu tragen, sollten die Abstandsregeln nicht eingehalten werden können.

Was die vorläufig auf Eis gelegte Fussballsaison anbelangt, so entschloss der Zentralvorstand des SFV Ende April, dass abgesehen von der Super League, der Challenge League und dem Schweizer Cup der Männer der Spielbetrieb endgültig nicht fortgesetzt werden sollte. Ob und in welcher Form die Saison der beiden höchsten Ligen fortgeführt werden könne, wollte die Swiss Football League nach Anhörung der tangierten Clubs entscheiden.

Nachdem die Frühjahrssession 2020 vor der dritten Woche abgebrochen werden musste, tagten National- und Ständerat vom 4. bis 6. Mai im Rahmen einer ausserordentlichen Session, an welcher in erster Linie Geschäfte im Zusammenhang mit Covid-19 behandelt wurden. Im Zentrum standen dabei die dringlichen Ausgaben zur Bekämpfung der Folgen der Pandemie, etwa für die Corona-Kredite, welche nachträglich von der Bundesversammlung abgesegnet werden mussten. Darüber hinaus beschäftigen sich die Räte aber auch ausführlich mit den Corona-Krediten für die Unternehmen, mit den Massnahmen für die Medien oder mit den Frage nach dem Erlass der Geschäftsmieten.

Da sich Jugendliche und junge Erwachsene aufgrund der gegebenen Umstände bei der Suche nach einer Lehrstelle oder einer Stelle im Anschluss an ihre Ausbildung vor Herausforderungen gestellt sahen, kam es am 7. Mai 2020 zur Gründung einer aus Vertreterinnen und Vertretern der Kantone, der Sozialpartner und des Bundes bestehenden Task Force, welche die Berufsbildung stärken sollte. Tags darauf gab der Bundesrat bekannt, Institutionen der familienergänzenden Betreuung, die wegen der Pandemie Ertragsausfälle erlitten, mit CHF 65 Mio. unterstützen zu wollen. Wie diese Unterstützung genau erfolgen sollte, plante die Landesregierung bis zum 20. Mai in einer entsprechenden Verordnung festzuhalten.

Am 13. Mai liess das EJPD verlauten, dass die Grenzen zu Deutschland, Österreich und Frankreich bis zum 15. Juni 2020 vollständig geöffnet werden sollen, wenn dies mit der epidemiologischen Situation vereinbar sei. Die drei Nachbarländer würden sich zurzeit ebenfalls in der Transitionsphase befinden und verfügten über eine ähnliche epidemiologische Lage wie die Schweiz. Bis dahin sollten für binationale Paare, die nicht verheiratet sind, sowie für «allfällige weitere Personenkategorien» Lösungen entwickelt werden. Gleichentags verkündete das VBS die Unterstützung des Schweizer Sports mit Darlehen in einer Höhe vom CHF 500 Mio.

Auch an der sonst schon einem starken Wandel unterworfenen Medienlandschaft zog die Coronakrise nicht unbemerkt vorbei. Zeitung, Radio und Fernsehen hatten unter anderem einen starken Rückgang an Werbeeinnahmen zu beklagen. Angesichts der zentralen Rolle, die den Medien in einer Demokratie zukomme, stellte der Bundesrat am 20. Mai die Covid-19-Verordnung elektronische Medien vor, in der Radio- und Fernsehveranstaltern finanzielle Soforthilfen in der Höhe von CHF 40 Mio. in Aussicht gestellt wurden. Zeitgleich erliess die Landesregierung eine Notverordnung zur Unterstützung der Printmedien, die finanzielle Sofortmassnahmen im Rahmen von CHF 17.5 Mio. beinhaltete. Weiter beantragte der Bundesrat am 20. Mai CHF 14.9 Mrd. in Form von elf Nachtragskrediten, um die Auswirkungen des Coronavirus auf die Wirtschaft weiter abzudämpfen. Der Löwenanteil von CHF 14.2 Mrd. ging dabei an die ALV.

Eine Woche später – am 27. Mai 2020 – teilte der Bundesrat an seiner Pressekonferenz den bis anhin grössten Lockerungsschritt mit. So sollte das spontane Zusammenkommen von bis zu 30 Personen ab dem 30. Mai 2020 wieder erlaubt sein. Ab dem 6. Juni sollten auch wieder öffentliche Veranstaltungen wie etwa Messen, Theatervorstellungen, Familienanlässe oder politische Kundgebungen mit bis zu 300 Personen stattfinden dürfen. Für denselben Tag wurde zudem die Wiedereröffnung von Bergbahnen, Campingplätzen und anderen Angeboten im Tourismusbereich wie auch für Casinos, Freizeitparks, Zoos, botanische Gärten, Wellnessanlagen und Erotikbetriebe angesetzt. In Restaurants sollte ab dem 6. Juni ausserdem die Gruppengrösse von maximal vier Personen aufgehoben werden, jedoch müssen ab einer Gruppengrösse von vier Personen die Kontaktdaten angeben werden. In Mittel-, Berufs- und Hochschulen sollte ab dem 6. Juni ebenfalls wieder vor Ort unterrichtet werden dürfen, wobei die Kantone über die Umsetzung entscheiden sollten. Der Bundesrat legte der Bevölkerung nahe, weiterhin von zuhause aus zu arbeiten, die Unternehmen dürften jedoch grundsätzlich selbst über die Rückkehr an den Arbeitsplatz bestimmen. Weiter sollten ab dem 8. Juni die Bearbeitung der Gesuche von Erwerbstätigen aus dem EU/EFTA-Raum wieder aufgenommen werden und die Anstellung hochqualifizierter Arbeitnehmerinnen und -nehmer durch Schweizer Firmen wieder möglich sein. Zudem sei für den 6. Juni die vollständige Wiederherstellung der Personenfreizügigkeit und Reisefreiheit im Schengen-Raum geplant, gab der Bundesrat bekannt.

Am 15. Juni wurden schliesslich die Grenzen zu allen Staaten des EU-EFTA-Raums wieder vollständig geöffnet und auch der Einkaufstourismus, der zuvor verboten worden war, wieder zugelassen. Vier Tage darauf beschloss der Bundesrat, die ausserordentliche Lage zu beenden und stattdessen zur besonderen Lage gemäss Epidemiengesetz zurückzukehren, wofür er die Covid-19-Verordnung 3 verabschiedete. Das Demonstrationsverbot, das zuvor für ausführliche Diskussionen um die Frage der Grundrechte gesorgt hatte, fiel am 20. Juni und ab dem 22. Juni wurden weitere bis anhin herrschende Massnahmen aufgehoben: Unter anderem konnten wieder Veranstaltungen mit bis zu 1'000 Personen stattfinden, der Mindestabstand zwischen zwei Personen wurde von zwei Metern auf 1.5 Meter reduziert und die für Restaurants und Diskotheken geltende Sperrstunde um Mitternacht sowie die Home-Office-Empfehlung wurden aufgehoben. Somit waren zu diesem Zeitpunkt zwar noch immer verschiedene Unterstützungsmassnahmen für die Wirtschaft am Laufen, Einschränkungen bestanden jedoch fast keine mehr.

Verlauf und Bekämpfung der Covid-19-Pandemie
Dossier: Covid-19 – Wirtschaftliche und finanzielle Folgen

Mitte Januar 2020 verkündeten diverse Medien, dass Dr. h.c. Heinrich Weiss, Gründer des Museums für Musikautomaten, am 9. Januar 2020 in seinem 100. Lebensjahr verstorben war.
Bereits in den 1960er-Jahren hatte Heinrich Weiss – auch bekannt als der Erfinder des Barcodes – mit dem Sammeln von Schweizer Musikdosen und anderen mechanischen Musikinstrumenten begonnen und 1979 gar eigens hierfür ein privates Museum in Seewen (SO) eröffnet, das rasch weit über die Landesgrenzen hinaus Bekanntheit erlangte. Zur langfristigen Sicherung der Sammlung und des Museums gründete er gemeinsam mit seinen Familienangehörigen 1981 die «Dr. h.c. H. Weiss-Stauffacher-Stiftung».
Ab dem 1. Juli 1990 wurde das Museum für Musikautomaten als ein Museum des Bundes geführt, da es durch eine Schenkung, die mit der Annahme eines Bundesratsbeschlusses bestätigt worden war, an die Schweizerische Eidgenossenschaft überging. In den frühen 1990er-Jahren leitete Weiss die Einrichtung noch selbst und zeigte sich für die Realisierung eines im Frühjahr 2000 von Bundesrätin Ruth Dreifuss eingeweihten Erweiterungsbaus verantwortlich.
Das Bundesamt für Kultur (BAK) führte in einer Mitteilung an, dass das Museum für Musikautomaten heute dem BAK angegliedert sei und ergänzend weiterhin den Zusatz «Sammlung Dr. h.c. Heinrich Weiss» in seinem Namen trage.

Heinrich Weiss - Gründer des Museums für Musikautomaten verstorben

Im Hochsommer 2019 avancierte die Romandie zum Mekka der Weinliebhaberinnen und Weinliebhaber: Vom 18. Juli bis zum 11. August fand in Vevey (VD) die zwölfte Ausgabe der traditionsreichen Fête des Vignerons statt. Der Planungsvorlauf von fünf Jahren und ein Operativbudget von rund CHF 100 Mio. liessen bereits erahnen, dass die 2019er-Ausgabe zum Spektakel werden könnte, wurde sie doch von den Medien zum «Fest der Superlative» erkoren, das «grösser, teurer, sinnlicher und spektakulärer» ausfallen sollte als alles bisher Dagewesene.
In etwas anderer Form als heute bekannt hat die Festivität ihren Ursprung im 17. Jahrhundert und war als eine jährliche Kontrolle der Arbeit der Weinbauern gedacht, die mit einer festlichen Prozession am Ende jeder Generalversammlung der Confrérie des Vignerons von Vevey abgeschlossen wurde. Um 1770 machte es sich die Bruderschaft zur Aufgabe, die Verbesserung des Rebbaus zu fördern und die gute Arbeit der Rebbauern zu belohnen, indem sie die besten Arbeiten prämierte und krönte. Die steigenden Veranstaltungskosten führten aber dazu, dass die Feier zunächst nur noch alle drei Jahre und schliesslich nur noch alle sechs Jahre stattfinden konnte. So kam es, dass die Parade von 1791 die letzte echte Prozession war, bevor der Präsident und der Rat der Confrérie 1797 beschlossen, die Rebbauern im Rahmen einer öffentlichen Zeremonie zu krönen, was zu einer Transformation der alten Parade hin zur heutigen Fête des Vignerons führte. Die geopolitischen Auseinandersetzungen im Rahmen der Waadtländer Revolution verhinderten in den Folgejahren eine Austragung des Festes, sodass erstmals wieder 1819 gefeiert werden konnte. Diese Gelegenheit sollte auch gleich dazu genutzt werden, das Fest den jungen Generationen näher zu bringen, was der Veranstaltung zugleich ihren heutigen Rhythmus von einem Fest pro Generation bescherte. Dank dieser Jahrhunderte alten Tradition durfte sich das Fest 2019 zum allerersten Mal in seiner Geschichte mit dem Label «UNESCO-Weltkulturerbe» schmücken, was sicherlich auch dazu beigetragen hat, dass Vevey und die Weinberge im Lavaux gemäss dem St. Galler Tagblatt auf die internationale Liste der 29 besten Reiseziele für 2019 aufgenommen und von «National Geographic» zum Lieblingsziel erklärt wurden.
Das Herzstück der 2019er-Ausgabe war das in der eigens hierfür erbauten und 20'000 Leute fassenden Arena stattfindende Schauspiel, das von den Medien als eine «Mischung zwischen einer gigantischen Oper und einer olympischen Zeremonie» bezeichnet wurde; was nicht weiter erstaunte, zeigte sich der künstlerische Leiter Daniele Finzi Pasca doch schon mehrfach für die Inszenierung der Eröffnungs- und Schlusszeremonien bei Olympischen Spielen verantwortlich. In mindestens 20 Aufführungen, an denen rund 5'500 Schauspielende – ein Grossteil davon Laien – und 1'000 Musizierende teilnahmen, wurde anhand der Geschichte eines Mädchens der typische Ablauf der alltäglichen Winzerarbeit im Lavaux nachgezeichnet. Das Highlight jeder Aufführung war die Interpretation der traditionellen Hirtenhymne «Ranz des Vaches» – auch als inoffizielle Hymne der Westschweiz bekannt –, die gemäss der Basler Zeitung ein ganzes Stadion zum Weinen bringe und für eine Melancholie der Massen sorge. Eine andere Besonderheit der Feierlichkeiten, gar ein Novum, war die erstmalige Teilnahme aller Deutschschweizer Kantone im Rahmen ihres jeweiligen Kantonstages, an dem der Gastkanton seine lokalen Brauchtümer vorstellen konnte. Dies sei eine bewusste Entscheidung gewesen, um das Fest auch «ennet» dem Röstigraben bekannt zu machen, begründe die jüngst erlangte UNESCO-Auszeichnung doch eine Verantwortung gegenüber dem ganzen Land, wie der Confrérie-Präsident François Margot gegenüber der NZZ erläuterte. Ein weiteres Novum war ebenfalls, dass sich erstmals in der Geschichte des Festes eine Frau unter den gekrönten Häuptern befand.

Das sich ein solches Mega-Event aber nicht frei von kritischen Tönen durchführen lässt, hatte sich bereits im Vorfeld abgezeichnet. Mit 400'000 erwarteten Zuschauern im Rahmen des Schauspiels und rund 1 Mio. weiteren Besuchern in der Stadt seien nicht nur die Erwartungen an das Kulturspektakel gross, sondern auch das finanzielle Risiko, wie die Basler Zeitung kommentierte. So störten sich insbesondere die Einheimischen an der Preispolitik der Organisatoren. Bei einem Budget von CHF 100 Mio. lagen die Ticketpreise zwischen CHF 79 und CHF 359; beim letzten Fest (1999) kosteten die Tickets zwischen CHF 65 und CHF 260, bei einem Budget von CHF 54 Mio. Entsprechend waren rund zwei Monate vor dem Ereignis lediglich 60 Prozent der Tickets verkauft. So wagten die Organisatoren es nicht, zu diesem Zeitpunkt eine Gewinnprognose zu machen (1999: CHF 4 Mio.; 1977: CHF 5 Mio.). Auch um die Kostüme der Schauspielerinnen und Schauspieler war bereits ein Jahr zuvor eine regelrechte Polemik ausgebrochen: Die Vereinigung der Westschweizer Schneiderinnen hatte sich gegenüber RTS empört gezeigt, dass die Kostüme in Italien fabriziert werden – ausgerechnet für diesen traditionell schweizerischen Anlass –, wo man doch in der Romandie die nötigen Kapazitäten hätte. Weitere Proteste kamen von Seiten der Unia, weil das Verkaufspersonal in Vevey bereits vor dem Fest wegen ausgedehnter Ladenöffnungszeiten länger arbeiten sollte.
Schliesslich änderte auch die Wahrnehmung der Fête des Vignerons als «kein gewöhnliches Weinfest, sondern eine Institution in der Westschweiz» (St. Galler Tagblatt) nichts an der Tatsache, dass man gerade bezüglich der Finanzen eine herbe Bruchlandung erlitt. Am Ende der Feierlichkeiten wiesen die Organisatoren ein Defizit von rund CHF 15 Mio. aus und hatten das Budget mit CHF 103 Mio. um rund 3 Prozent überschritten. Die Mehrausgaben seien insbesondere in den Bereichen Logistik, Sicherheit und Marketing angefallen, während die Mindereinnahmen, wie zu erwarten war, auf den schleppenden Ticketverkauf zurückzuführen waren. Das Organisationskomitee begründete den Verlust auch damit, dass der Staat in diesem Jahr Dienste in Höhe von rund CHF 8 Mio. in Rechnung gestellt habe, die für die vergangenen Feste noch kostenlos ausgeführt worden waren. CHF 10 Mio. des Finanzdefizits sollen über die Reserven der Winzerbruderschaft getilgt werden. Für die restlichen CHF 5 Mio. wolle man eine geeignete Lösung suchen und erhoffe sich, dass man die Behörden, Unternehmen und private Partner dazu bewegen könne, auf einen Teil ihrer Forderungen zu verzichten. Als eine erste Massnahme führten die Organisatoren Ende September eine grosse Versteigerungsaktion von Artikeln der Fête des Vignerons durch.

Fête des Vignerons

Im Winter 2015/2016 hatte das wohl bekannteste und traditionsreichste Textilerzeugnis der Schweiz seinen grossen Auftritt auf dem Polit-Catwalk: das Edelweiss-Hemd. Was eigentlich zur Grundausrüstung der sogenannten „Bösen“ (Schwinger) gehört und gerne auch von den Schweizer Sennen getragen wird, wurde dank einer Sekundarschule im zürcherischen Gossau zum Symbol für einen emotionsgeladenen Kampf zwischen Tradition und Moderne – inklusive des obligaten Rassismusvorwurfes.
Zehn Oberstufenschüler waren laut der Sonntagszeitung am Morgen des 11. Dezembers 2015 in den berühmten blau-weissen Hemden mit aufgesticktem Edelweiss zum Unterricht erschienen. Sie wollten ihrem Umfeld auf diese Weise zeigen, dass sie „stolze Schweizer und patriotisch“ seien. Ihre Lehrerin indes konnte dieses Ehrgefühl nicht mit ihren Schülern teilen und forderte diese dazu auf, sich umziehen zu gehen, da der vorgeführte Aufzug lediglich rassistisch und ausländerfeindlich sei. Die Schüler verteidigten sich gegen diesen Vorwurf, in dem sie beteuerten, dass sie nichts gegen Ausländer hätten, sich aber an denjenigen störten, die sich geringschätzig über die Schweiz äussern würden. Die Lehrerin habe sich im Nachhinein bei den Schülern entschuldigt und die Angelegenheit geklärt. Nachdem sich auch der Schulleiter von einem offiziellen Hemdenverbot distanziert hatte, hätte man meinen können, die Angelegenheit sei erledigt. Der wahre Hund in dieser Geschichte liegt aber, wie so oft, in der Politik begraben.
Kurz nachdem die Geschichte publik geworden war, schrien bereits die ersten Politiker – zumeist aus den Reihen der SVP – „J'accuse!“ und solidarisierten sich demonstrativ gegen diese Form des „Schweizerhasses“. Scharen von Parlamentariern tauschten Anzug und Krawatte gegen das Sennenhemd; Lukas Reimann (svp, SG) twitterte sogar: „Wir lassen uns von ‚Integrierten‘ unsere Traditionen nicht zerstören!“ (Schweiz am Sonntag) – wohl nicht im Wissen darüber, dass die besagte Tradition kaum 20 Jahre älter als er selbst ist. Das eigentlich Anstössige an der gesamten Textildiskussion fand sich wie so oft in der Frage der Gleichstellung: Denn just am Tag des „Edelweiss-Gates“ hatte das Bundesgericht im Fall einer muslimischen Schülerin aus St. Gallen entschieden, dass sie trotz Einwänden der Schulleitung mit dem Kopftuch zur Schule gehen darf.

Edelweiss-Hemden

Dass noch immer ein Mangel an Stand- und Durchgangsplätzen für Fahrende in der Schweiz herrsche, wie dies ein vom Bundesrat verabschiedeter Bericht bereits 2006 nachgewiesen hatte, wurde 2014 überdeutlich. Ein paar Tage vor Eröffnung der BEA liessen sich einige hundert Fahrende auf der Kleinen Allmend im Berner Wankdorf nieder, um gegen die Platznot zu protestieren. Da das Areal für Parkplatzmöglichkeiten während der BEA vorgesehen war, beschloss die Stadt Bern bereits am ersten Tag nach Protestbeginn die Räumung des Areals. Die Fahrenden verliessen das Gelände nicht freiwillig, worauf die Polizei über 70 Personen einer Personenkontrolle unterzog. Kurz darauf bewilligten die Städte Bern und Biel, wohin die Fahrenden nach der Räumung der Kleinen Allmend weiterzogen, je einen provisorischen Durchgangsplatz. Der Berner Stadtpräsident Alexander Tschäppät äusserte Kritik am eigenen Kanton, da seit dem Bundesgerichtsentscheid im Jahr 2003 nichts unternommen worden war, um den Rechtsanspruch der Fahrenden durchzusetzen. Zwei Drittel aller Stellplätze innerhalb des Kantons befänden sich bereits in Bern und Biel. Gerhard Müllhauser, Sprecher der Schweizer Fahrenden, hob den Kanton Aargau als einziges Beispiel mit Vorbildcharakter hervor. Seit 2007 sorgt dort die Fachstelle Fahrende für den Bau neuer sowie für den Unterhalt bestehender Plätze. Darüber hinaus ermöglichen Besuche der Behörden auf dem Gelände einen regelmässigen Dialog. Die Akzeptanz der Fahrenden bei der Aargauer Bevölkerung sei hoch, betonte der Leiter der Fachstelle. Dies könne jedoch darauf zurückzuführen sein, dass alle Plätze mit einer Ausnahme ausschliesslich für Schweizer Fahrende vorgesehen seien. Gegenüber ausländischen Fahrenden bestünden nach wie vor grosse Vorbehalte. Ein im September publizierter Bericht der Europäischen Rassismuskommission (ECRI), der sich auf eine 2013 durchgeführte Studie über die Qualität der Schweizer Medienberichterstattung über Roma berief, stellte seit 2007 zwar eine Zunahme der Schweizer Medienberichterstattung über Roma fest. Dabei sei aber nicht wie in anderen Staaten die erlittene Diskriminierung der Roma Thema der Beiträge, sondern es kursierten vorwiegend negative Schlagzeilen, was einen entscheidenden Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung der Gruppe hätte. In ihrem Bericht hält die ECRI fest, dass in Erfüllung des Artikels 19 des Kulturförderungsgesetzes, welcher den Fahrenden ermöglichen soll, im Einklang mit ihrer Kultur zu leben, kaum Fortschritte erzielt würden, resp. sich die Situation in den letzten Jahren teilweise gar verschlechtert habe. Die Kommission empfahl den Schweizer Behörden dringlichst, zusätzliche Stellplätze zu schaffen und angemessene Massnahmen zur Verbesserung der Bildung der Kinder der Fahrenden zu treffen. Ende November präsentierte der Bundesrat seine Kulturbotschaft und damit auch ein Bekenntnis zur Verbesserung der Situation von Fahrenden. Die zu diesem Zwecke eingesetzte Arbeitsgruppe traf sich im November bereits zu einem ersten Treffen, das jedoch mit dem frühzeitigen Verlassen von Vertretern der betroffenen Gruppen abrupt endete. Diese fühlten sich nicht ausreichend involviert und sahen ihre Forderung nach sofortiger Schaffung von zusätzlichen Stellplätzen nicht umgesetzt. Ende Jahr wurde bekannt, dass die Gespräche im Folgejahr doch wieder aufgenommen werden sollen.

Stellplätze für Fahrende

Die Volkskultur geniesse steigende Wertschätzung, gab sich Albert Vitali (fdp, LU), neuer Präsident der Interessengemeinschaft Volkskultur Schweiz (IGVS), überzeugt. Nationalrat Vitali ist Mitglied der parlamentarischen Gruppe „Volkskultur und Volksmusik“, die bis anhin bei ca. 50 bürgerlichen Parlamentariern auf Anklang stiess und im Berichtsjahr auf sich aufmerksam machte, indem mehrere ihrer Mitglieder in Trachten gekleidet zur Herbstsession erschienen. Bereits im Februar schloss die seit dem neuen Kulturförderungsgesetz (KFG) für die Nachwuchsförderung verantwortliche Pro Helvetia mit der IGVS eine Leistungsvereinbarung ab, wonach die Unterstützung von an den Nachwuchs gerichteten Projekten der Volkskulturverbände direkt über den IGVS erfolgen soll. Zu diesem Zweck schuf Pro Helvetia einen Volkskulturfonds, den die Stiftung in einer dreijährigen Pilotphase alljährlich mit CHF 100'000 speist.

Volkskultur

Um die Jahresmitte äusserten die Betreiber von rund 100 alternativen Kunsträumen, den sogenannten Off-Spaces, die Kunstschaffenden ausserhalb von Mainstream-orientierten Galerien und Kunsthäusern eine Bühne bieten, Kritik am neuen Kulturförderungsgesetz (KFG). Seit Pro Helvetia die Förderung der freien Szene übernommen habe, werden keine Preise mehr für Kunsträume vergeben. Das von Pro Helvetia im Gegenzug eingeführte Förderprogramm „Nachwuchsförderung visuelle Kunst“, das Off-Spaces und kleinen bis mittleren Kulturinstitutionen offen steht, findet in der Szene wenig Anklang. Aufgrund der bürokratischen Vorgaben seien viele Künstler von der Förderung ausgeschlossen, da sie mit ihrer Kunst von Ort zu Ort ziehen würden. Die freien Kunstschaffenden schlossen sich daraufhin zur „Charta 2016“ zusammen und forderten für die Kulturbotschaft 2016-2019 eine finanzielle Unterstützung der Kunsträume im Umfang von CHF 1 Mio. Mit ihrer Petition „Hundert Räume geben mehr Licht als ein Leuchtturm“ forderten freie Künstler und Kuratoren mehr (finanzielle) Anerkennung für die Alternativkultur.

keine Preise mehr für Kunsträume

Zu Beginn des Berichtsjahres zogen die Aargauer und die Luzerner Zeitung Bilanz aus dem einjährigen Bestehen des Kulturförderungsgesetzes (KFG) und liessen dabei verschiedene Kulturverbände zu Wort kommen. Heinrich Gartentor, Präsident des Berufsverbandes der bildenden Künstlerinnen und Künstler (Visarte) bedauerte, dass die visuelle Kunst durch die Reorganisation der Kulturförderpolitik über einen Viertel ihrer Fördergelder verloren habe. Ebenfalls ungerecht behandelt fühlte sich in dieser Hinsicht der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA). Die zeitgenössische Architektur und Baukultur finde gar keine Berücksichtigung im KFG. Auf der anderen Seite zeigten sich die Autoren der Schweiz (ADS) grundsätzlich zufrieden. Der Literatur- und Leseförderung werde in der Kulturbotschaft eine wichtige Rolle zugeschrieben. Nichtsdestotrotz seien die Mittel für eidgenössische Literaturpreise zu knapp bemessen. Positiv bewerteten hingegen Pro Helvetia und das Bundesamt für Kultur (BAK) das neue Gesetz. Hervorgehoben wurden insbesondere die verstärkten Bemühungen zur Schaffung einer engen Zusammenarbeit zwischen Verbänden und den verschiedenen Verwaltungsebenen sowie die Möglichkeit einer ganzheitlichen Laufbahnförderung in allen Sparten.

Bilanz aus dem einjährigen Bestehen des Kulturförderungsgesetzes
Dossier: Die Neuorganisation der Kulturförderung mit dem Kulturförderungsgesetz

Im Rahmen der Kulturbotschaft 2012-2015 erfuhr auch die Pro Helvetia einige Veränderungen im Sinne einer Aufgabenverschiebung. Allerdings geriet die Stiftung nicht deswegen in die Schlagzeilen. Für grosses Aufsehen sorgte vielmehr ihr Direktor Pius Knüsel. Er stellte als Mitautor des Buches „Der Kulturinfarkt“ die gesamte schweizerische Kulturpolitik in Frage. Für besonderen Zündstoff sorgte seine Aussage, die Anzahl an Theatern, Museen, Bibliotheken, Konzerthäusern etc. sei zu halbieren. Dies sei nötig, da die staatliche Kulturförderung versagt habe, indem sie zu oft an der tatsächlichen Nachfrage des Publikums vorbei fördere, so die These Knüsels. Schon kurz nach Erscheinen des Buches distanzierte sich der Stiftungsrat der Pro Helvetia von den Aussagen Knüsels, stellte dessen Leistungen als Direktor der Stiftung jedoch keineswegs in Frage. Trotzdem gab Knüsel knapp zwei Monate später sein Amt ab, worauf im Oktober des Berichtjahres bekannt wurde, dass Andrew Holland das Amt neu übernehmen würde.

Pro Helvetia

Im Spätherbst flackerte die Debatte erneut auf, als der Inhalt eines Grundlagenpapiers des Uni-Spitals Zürich zur Rationierung der allgemeinen Pflegeleistungen an die Öffentlichkeit drang. Erwogen wurde darin eine „Reduktion der Zuwendung aufs Nötigste“ sowie der Einsatz von Angehörigen zur Unterstützung der Pflege. Weiter wurde eine Kategorisierung der Patienten und Patientinnen ins Auge gefasst: Weniger gut gepflegt würden demnach Alkoholiker, Drogensüchtige und chronisch Kranke. Ausgenommen von der Rationierung blieben hingegen alle Privatpatienten.

Debatte um Rationierung in der Medizin
Dossier: Rationierung im Gesundheitswesen

Die Schweiz war diesjähriges Gastland an der Internationalen Buchmesse in Frankfurt. Der Ausstellungsmacher, Christoph Vitali, ehemaliger Zürcher Kulturbeauftragter, ehemaliger Direktor der Frankfurter Schirn-Kunsthalle und heutiger Direktor des Hauses der Kunst in München, setzte unter dem in Schweizer Kulturkreisen nicht unumstrittenen Oberbegriff „Hoher Himmel, enges Tal” auf eine Darstellung der Fülle und Vielfalt, die ein so kleines Land wie die Schweiz in der Literatur vorzuweisen hat. Konsequenterweise lud er nicht nur prominente und weniger bekannte Autorinnen und Autoren aus den vier Landesteilen ein, sondern auch zehn in der Schweiz lebende ausländische Schriftsteller. Dass deutschschweizer Mundartautoren daneben kaum präsent waren, trug Vitali einige Kritik ein.

Gastland an der Internationalen Buchmesse in Frankfurt

Bereits einige Monate zuvor hatte das BAK einen Bericht über die Bestände der Sammlungen des Bundes veröffentlicht. Es hatte sich ohne fremde Aufforderung die Aufgabe gestellt, diese Untersuchung durchzuführen, und stufte dabei als Hypothese grundsätzlich alle Objekte, die zwischen 1933 und 1945 in den Besitz des Bundes gelangt waren, als bedenklich ein. Nach sorgfältiger Prüfung aller zugänglicher Daten kam die Arbeitsgruppe zum Schluss, dass vermutlich kein einziges Werk unrechtmässig erworben wurde. Nach Ansicht des BAK muss aber nicht nur die Eidgenossenschaft unter die Lupe genommen werden, sondern auch die Kantone und Gemeinden, die Museen, Sammlungen und Stiftungen. Der vorgelegte Bericht verstand sich denn auch als Initialzündung für andere Institutionen, es dem Bund gleichzutun.

Bericht über die Bestände der Sammlungen des Bundes

Im Laufe des ersten Halbjahres stimmten weitere Agglomerationsgemeinden den Kulturbeiträgen an die Stadt Bern zu, so dass der neue Kulturvertrag, welcher der Stadt jährlich CHF 4.3 Mio. Subventionen an die grossen städtischen Kulturinstitutionen (Stadttheater, Symphonieorchester, Kunstmuseum, Historisches Museum) einbringen wird, auf den 1.1.1999 in Kraft treten kann.

Bern Kulturvertrag

Wie sich bereits im Vorjahr abzeichnete, wird Basel im Jahr 2001 nicht wie erhofftKulturhauptstadt Europas”. Der europäische Ministerrat vergab den Titel gemeinsam an das portugiesische Porto und das niederländische Rotterdam. Basel wird aber zusammen mit Riga (Lettland) den „europäischen Kulturmonat 2001” durchführen können, der seit 1992 in Städten stattfindet, die nicht der EU angehören. Diese Veranstaltung wird sich nahtlos in die ohnehin für 2001 von Basel-Stadt geplanten Anlässe im Rahmen der Expo 01 und des 500-Jahre-Jubiläums „Basel in der Eidgenossenschaft” einfügen.

Basel europäischen Kulturmonat 2001

Zu einem peinlichen Gezerre kam es Anfangs März um die Skulptur «Shoah» des Solothurner Bildhauers Schang Hutter. Es war vorgesehen, dass das Werk den Abschluss des Skulpturenweges bilden sollte, der aus Anlass des 150-Jahre-Jubiläums des Bundesstaates eingerichtet wurde und vom Mahnmal für die Schlacht im Grauholz (BE) von 1798 bis auf den Bundesplatz führte. Entgegen den Vorgaben plazierte Hutter sein Werk direkt vor dem Eingang des Bundeshauses und nicht drei Meter vom Hauptportal entfernt, wie dies die Parlamentsdienste aus Sicherheitsgründen verlangt hatten. Das Büro der Räte erachtete dies zwar als eine gewisse Provokation, war aber bereit, den Standort für die Dauer der Session zu dulden. Das sahen die Parlamentarier der FP anders. In einer Nacht- und Nebelaktion liessen sie die Skulptur ins Atelier des Künstlers zurückschaffen. Ihre Aktion begründeten sie mit dem «Ruhe-Ordnung-Sicherheit»-Slogan ihrer Partei. Die Tat stiess im Bundeshaus auf einhellige Ablehnung. Die Präsidenten beider Kammern verurteilten in einer gemeinsamen Erklärung das eigenmächtige Vorgehen ihrer Ratskollegen, welches der Aktion einer Bürgerwehr gleichkomme.

Gezerre um Skulptur «Shoah» vor dem Eingang des Bundeshauses

Immer häufiger weisen Städte mit Zentrumsfunktion auf die ungerechte Verteilung von Kosten und Nutzen im Kulturbetrieb hin. Während die Städte praktisch allein die kulturellen Institutionen finanziell über Wasser halten, sind es in weiten Teilen die Einwohnerinnen und Einwohner der Agglomeration, welche das kulturelle Angebot nutzen. Im 1995 revidierten Kulturförderungsgesetz des Kantons Bern wurde festgehalten, dass die Gemeinden der Region Bern die bedeutenden Kulturinstitute der Bundesstadt mitfinanzieren sollen. Die Umsetzung des Gesetzes erwies sich jedoch als sehr schwierig, da sich mehrere Gemeinden dagegen wehrten, diesen Obolus zu entrichten. Bis Ende Jahr stimmten 43 Gemeinden der Abgabe zu, 21 Gemeinden lehnten den Subventionsvertrag ab, 20 weitere vertagten ihren Entscheid auf 1998.

Städte mit Zentrumsfunktion Gemeinden der Region Bern

Ziemlich überraschend kündigte Urs Frauchiger, seit 1992 Direktor der Stiftung Pro Helvetia seinen Rücktritt per Ende September an. Als Hauptgrund für seine Entscheidung nannte er Amtsmüdigkeit. Da auf Ende des Berichtsjahres auch das Mandat der Stiftungspräsidentin, der Solothurner CVP-Ständerätin Rosmarie Simmen auslief, musste gleich die ganze Führung der Pro Helvetia neu bestellt werden. Ende November wählte der Stiftungsrat den Bündner CSP-Politiker und Sekretär der Lia Rumantscha Bernard Cathomas zum neuen Direktor. Zur Stiftungspräsidentin ernannte der Bundesrat die scheidende Stadtpräsidentin von Lausanne und frühere Waadtländer SP-National und Ständerätin Yvette Jaggi.

Urs Frauchiger Rücktritt Bernard Cathomas Yvette Jaggi 

Anfangs Juli eröffnete die Pro Helvetia in Anwesenheit von Bundesrätin Dreifuss eine neue Aussenstelle in Mailand. Das Centro culturale svizzero (CCS) hat die Aufgabe, das schweizerische Kulturschaffen in der lombardischen Metropole vorzustellen und die Aktivitäten der Pro Helvetia in Italien zu organisieren. Das CCS hat jedoch nicht das Kaliber des Schweizer Kulturzentrums in Paris mit seinem Budget von CHF 1.5 Mio., sondern entspricht eher den "Antennen", die mit Unterstützung des Bundes in einigen mittel- und osteuropäischen Städten entstanden sind. Das Budget des CCS beträgt CHF 600'000 pro Jahr.

Centro culturale svizzero Italien

Ende Mai stellte Bundesrätin Dreifuss zusammen mit dem Direktor des Bundesamtes für Kultur (BAK) sowie den Direktoren der Landesbibliothek und des Landesmuseums an einer Pressekonferenz Ziele und Inhalte der schweizerischen Kulturpolitik vor. Sie betonte, Kulturarbeit bestehe einerseits im Bewahren des vielgestaltigen Raums der Erinnerung, gebildet aus Kunstwerken aller Art, Büchern, Bildern, Ideen und Überzeugungen, und andererseits in der Bereitstellung guter Bedingungen für heutige Kunst- und Kulturschaffende. Die zweimalige Ablehnung eines Kulturförderungsartikels in der Bundesverfassung in den Jahren 1986 und 1994 entbinde die Eidgenossenschaft nicht von ihrem Auftrag, die Kultur zu unterstützen. Nicht eine nationale Kulturpolitik, wohl aber nationale Massstäbe der Kulturförderung erachtete Dreifuss für die Zukunft als vordringlich, wobei sie betonte, dass auch hier die fundamentalen menschlichen und politischen Werte der Freiheit, der Gleichheit, der Gerechtigkeit und der Solidarität zum Zuge kommen müssten. Im Zentrum der möglichen Massnahmen stehen Fragen der professionellen Weiterbildung der Kulturschaffenden, deren soziale Sicherheit und Direktunterstützung sowie fiskalischer Anreize zur Kulturförderung von privater Seite.

Bundesrätin Dreifuss Ziele und Inhalte der schweizerischen Kulturpolitik Nicht eine nationale Kulturpolitik, wohl aber nationale Massstäbe der Kulturförderung

Eine aus Vertretern von Konsumenten, Versicherern und Privatspitälern bestehende "Arbeitsgruppe Schweizer Gesundheitswesen" stellte zu Beginn des Jahres einen Bericht mit Empfehlungen zur Kosteneindämmung vor. Nach ihren Vorstellungen könnten innerhalb von zwei Jahren 10 Mia. Fr. eingespart und damit die Krankenkassenprämien um rund 30% gesenkt werden. Als einschneidendste Massnahme schlugen sie die Aufhebung der Subventionen an die öffentlichen Spitäler vor, damit diese, analog zu den privaten Kliniken gezwungen würden, ihren Betrieb nach marktwirtschaftlichen Kriterien zu führen. Weiter verlangten sie eine Zwangspensionierung aller Ärzte, die älter als 65 Jahre sind.

"Arbeitsgruppe Schweizer Gesundheitswesen" Empfehlungen zur Kosteneindämmung

Unter dem Druck der trotz neuem Krankenversicherungsgesetz (KVG) ständig ansteigenden Prämien berief Bundesrätin Dreifuss im Februar einen "Krankenversicherungs-Gipfel" ein. Haupttenor der Veranstaltung, an der alle massgeblichen Akteure des schweizerischen Gesundheitswesens teilnahmen, war die Feststellung, dass die Mängel der Krankenversicherung weniger dem neuen KVG als vielmehr dessen rascher Einführung und der zu wenig koordinierten Umsetzung zuzuschreiben sind. Mit dem Ziel, Einfluss auf die Kostenentwicklung im Krankenversicherungsbereich zu nehmen, wurden die Gespräche auf drei Themenkreise konzentriert: das Spitalwesen mit Fragen der Spitalplanung und der ausserkantonalen Hospitalisation, die öffentlichen Gesundheitsdienste mit dem Beispiel der spitalexternen Krankenpflege (Spitex) sowie die Kalkulation und Kontrolle der Krankenversicherungsprämien.

"Krankenversicherungs-Gipfel"

Ende Jahr wurde bekannt, dass das BAK im Zuge der allgemeinen Sparbemühungen der öffentlichen Hand ab 1997 seinen Beitrag für kulturelle Organisationen um CHF 500'000 auf CHF 3.3 Mio. kürzen wird. 1997 erfolgt die Kürzung linear, ab 1998 wird der Kredit nach neuen Kriterien bewirtschaftet. Die betroffenen Organisationen übten heftige Kritik an dieser Massnahme, insbesondere auch, weil sie sehr spät darüber informiert wurden.

Ende Jahr wurde bekannt, dass das BAK im Zuge der allgemeinen Sparbemühungen der öffentlichen Hand ab 1997 seinen Beitrag für kulturelle Organisationen um 500 000 Fr

Eine parteiübergreifende Parlamentariergruppe bestehend aus den Abgeordneten Gross (sp, TG), Heberlein (fdp, ZH), Eymann (lp, BS) und Hochreutener (cvp, BE) übernahm eine alte Forderung von Gesundheitsökonomen und propagierte die Abschaffung der kantonalen Subventionen für die öffentlichen Spitäler. Diese sollten stattdessen direkt den Versicherten zukommen. Dies würde zu gleich langen Spiessen für öffentliche und private Spitäler sowie für die stationären und die (nicht subventionierten) ambulanten Behandlungen führen. Dadurch würden auch die Versicherten mehr Einblick in die effektiven Kosten erhalten. Dieser Vorschlag erhielt Unterstützung vom Präsidenten der Sanitätsdirektorenkonferenz und - etwas weniger einhellig - von den Krankenkassen. Er wurde jedoch von einer Arbeitsgruppe der nationalrätlichen Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit unter Hinweis auf die Kompetenz der Kantone abgelehnt.

parteiübergreifende Parlamentariergruppe Abschaffung der kantonalen Subventionen für die öffentlichen Spitäler