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Mit dem Tod des Schriftstellers Max Frisch, des Malers und Objektkünstlers Jean Tinguely und des Filmemachers Michel Soutter verlor die Schweiz im Berichtsjahr 1991 drei international anerkannte Persönlichkeiten des Kulturlebens.

Max Frisch, Jean Tinguely und Michel Soutter verstorben

Am 14. Dezember verstarb überraschend Friedrich Dürrenmatt in seinem 70. Altersjahr. Sein Tod enthob ihn der Mühe einer Auseinandersetzung mit den für 1991 geplanten Feiern zum 700 jährigen Bestehen der Eidgenossenschaft. Er, der einst die Prognose gemacht hatte, die Welt werde entweder untergehen oder verschweizern, wobei ihm keine der beiden Vorstellungen sehr angenehm erscheine, und der sich geäussert haben soll, das Sinnvollste wäre, die Schweiz 1991 abzuschaffen, um sie 1992 neu zu gründen, hatte zwar — in Gegensatz etwa zu Max Frisch— den Boykott von Kulturschaffenden für die Jubiläumsfeierlichkeiten nicht unterzeichnet. Anlässlich seines letzten öffentlichen Auftritts, seiner foudroyanten Rede zu Ehren Vaclav Havels, hatte er aber mit der Parabel der "Schweiz als Gefängnis" in einer Art geistigem Vermächtnis klargestellt, dass für ihn in diesem Staat kein Anlass zu Jubel und unreflektiertem Selbstwertgefühl besteht.

Auf den Kulturboykott, mit welchem rund 400 Kulturschaffende gegen die mangelnde Bereitschaft der Behörden protestieten, die Staatsschutzaffäre mit Taten anstatt nur mit Worten zu bewältigen, wird an anderer Stelle ausführlicher eingegangen.

Am 14. Dezember verstarb überraschend Friedrich Dürrenmatt

In der Kulturpolitik übte der Bund weiterhin grosse Zurückhaltung; das Schwergewicht der Aktivität lag bei Gemeinden und Kantonen. Wohl konstituierte sich die eidgenössische Expertenkommission für Fragen der schweizerischen Kulturpolitik (Kommission Clottu); von ihrer Tätigkeit drang indessen wenig an die Öffentlichkeit. Durch von den eidgenössischen Räten bewilligte Subventionserhöhungen an Pro Helvetia und an die Stiftung Schweizer Volksbibliothek (SVB) unterstrich der Bund sein Interesse für kulturelle Belange. Im Frühling konnte mit der Sammlung am Römerholz, die Meisterwerke europäischer Malerei im Privathaus des Kunstmäzens zeigt, dem Publikum ein Legat von Oskar Reinhart an die Eidgenossenschaft zugänglich gemacht werden:

Die Frage nach der Stellung der Kulturschaffenden und nach der Funktion des Theaters in der modernen Gesellschaft rief Diskussionen auf gesamtschweizerischer Ebene hervor. Eine Auseinandersetzung über die Frage, ob sich der einzelne Schriftsteller wie auch seine Organisation politisch engagieren müsse, löste im Schweizerischen Schriftstellerverband (SSV) eine Krise aus, die zur Demission von 22 Mitgliedern (darunter Friedrich Dürrenmatt und Max Frisch) führte. Eine Minderheit, welche die Frage bejahte, fühlte sich durch den Verbandspräsidenten wegen seiner aktiven Mitarbeit an der französischen Fassung des Zivilverteidigungsbuchs nicht mehr repräsentiert. Zahlreiche Schwierigkeiten an städtischen Bühnen, insbesondere der zunehmende Besucherschwund, riefen nach einer Besinnung auf die Aufgaben modernen Theaters. Eine Tagung von Sachverständigen im Stapferhaus sprach den Wunsch aus, dass Pro Helvetia die Organisation einer permanenten Theaterkonferenz übernehmen solle.

Mit der Inkraftsetzung des revidierten Filmgesetzes war es erstmals möglich, Bundesbeiträge an Spielfilme auszurichten. Dabei gab die Auszeichnung des Films «Krawall» zu einer Kritik im Nationalrat Anlass. Der Bundesrat befürwortete die Förderungswürdigkeit auch von Filmen, die die staatliche und gesellschaftliche Ordnung zur Diskussion stellen. Vorstösse, die sich mit einer weitergehenden Filmförderung befassten, überwies der Bundesrat der Kommission Clottu zur Prüfung. Dieses Thema wurde in den Motionen der Nationalräte Rasser (LdU, AG) (Mo. 10372) und Ziegler (soz., GE) (Mo. 10189), welche an den Nationalrat als Postulate eingereicht wurden, aufgegriffen. In der Diskussion um eine Aufhebung der Filmzensur wirkte ein Bundesgerichtsentscheid richtungweisend (BGE 96 IV 64). Er betraf den Kanton Bern, der zwar keine Filmzensur kennt, in dem jedoch das Obergericht den schwedischen Sexfilm «Ich bin neugierig» aufgrund einer Strafklage verboten hatte; das Bundesgericht gab den beanstandeten Streifen zur Vorführung frei. Der aargauische Regierungsrat hob die Verordnung über die Vorführung von Filmen und damit die Filmzensur formell auf, und die Zürcher stimmten dem neuen Filmgesetz, das als Gegenvorschlag zu einer Initiative gegen die Filmzensur ausgearbeitet worden war, deutlich zu. Der Luzerner Grosse Rat hiess ein neues Lichtspielgesetz, das keine Zensurvorschriften mehr enthält, in erster Lesung gut. Auseinandersetzungen ergaben sich aus dem wachsenden Angebot pornographischer Schriften; behördliche Massnahmen, auch solche des Jugendschutzes, stiessen verschiedentlich auf Ablehnung.

Nationale Kulturpolitik 1966–1974