Die WEA, respektive das Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung, wurde vom Nationalrat Mitte 2015 weiter behandelt. Nachdem der Ständerat bereits einige Änderungen gegenüber dem Entwurf des Bundesrates eingebracht hatte, schien das Geschäft – nicht nur das Militärgesetz, sondern die gesamte Armeerevision – einen schweren Stand in der Volkskammer zu haben. Früh war bekannt, dass es einen Nichteintretensantrag Trede (gp, BE) zum gesamten WEA-Paket geben würde, weil ihrer Ansicht nach keine echte „Weiterentwicklung“ vorgelegt wurde und die Richtung hin zu einer kleinen, modernen Armee nicht eingeschlagen worden war. Die Eintretensdebatte nahm bereits sehr viel Zeit in Anspruch, wobei alles in Allem kaum überraschende Haltungen dargelegt wurden und sich auch die SP mit der eingeschlagenen Grundausrichtung einverstanden zeigte. Man hielt sich lange mit Grundsatzdiskussionen über Sinn und Unsinn der Armee, deren Zweck und Finanzierung und über mögliche oder unwahrscheinliche Bedrohungsszenarien auf.

Eintreten wurde mit 157 zu 23 Stimmen beschlossen, der Antrag Trede (gp, BE) blieb erfolglos. Damit konnte die Detailberatung in Angriff genommen werden, wie erwartet ein grösseres Stück Arbeit. Zahlreiche Minderheitsanträge galt es in der Folge zu besprechen, wovon einer von Roland Fischer (glp, LU) in der Debatte besonderes Gewicht erhielt. Der Luzerner stellte quasi ein neues Konzept vor, jenes einer Durchdienerarmee, wobei alle Dienstleistenden den gesamten Militärdienst an einem Stück absolvieren sollten. Er versprach sich daraus einerseits einen etwas verbesserten Ausbildungsstand gegenüber der RS sowie eine sehr kurze Frist für das Aufbieten von rund 11'000 Soldaten. Diese sollten sich vollständig ausgerüstet in einer Art Aktivreserve befinden und innert Stunden bereit stehen können. Es war jedoch eine Idee, die bereits nach der Präsentation stark unter Beschuss geriet. Die Fraktionen gaben hernach ihre Präferenzen zu Protokoll, wobei sich abzeichnete, dass die bürgerlichen Fraktionen der Kommissionsmehrheit folgen würden und die Ratslinke mehrere Minderheitsanträge unterstützen wollte. Bezüglich des angesprochenen Paradigmenwechsels aus dem Vorstoss von Roland Fischer gab auch der Verteidigungsminister zu Beginn seiner Rede ein deutliches ablehnendes Statement ab. Des Weiteren stellte er sich hinter die Mehrheitsanträge, die ja weitgehend dem bundesrätlichen Entwurf entsprachen. Insofern gab es zwar in der Detailberatung viele Einzelheiten zu erörtern, Überraschungen blieben jedoch aus und die Kommmissionsmehrheit konnte sich jeweils durchsetzen.
Im weiteren Verlauf der Debatte wurden auch im Nationalrat die gleichen Vorstösse, die bereits im Ständerat behandelt worden waren, vorgebracht. Eine Wertecharta, angeregt durch eine Minderheit Allemann (sp, BE), blieb jedoch auch im Nationalrat chancenlos (56 zu 124 Stimmen). Ebenso verzichtete der Nationalrat darauf, eine Ombudsstelle einzurichten. Mit 111 zu 71 Stimmen wurde der diesbezügliche Minderheitsantrag Fischer (glp, LU) abgelehnt, der dies, wie Bundesrat und Ständerat, im Sinne einer früheren Entscheidung im Gesetz belassen wollte. Zur Ausserdienststellung von Rüstungsgütern konnte sich hingegen eine Minderheit Müller (fdp, SG) durchsetzen. So sollte auch die Liquidierung „grosser Waffensysteme“ dem Parlament zur Genehmigung unterbreitet werden (102 zu 81 Stimmen).

Verordnung der Bundesversammlung über die Organisation der Armee

Die Verordnung der Bundesversammlung über die Organisation der Armee (Armeeorganisation, AO), im Nationalrat ebenfalls in einer Debatte mit anderen Teilgeschäften der WEA behandelt, war auch in der grossen Kammer umstritten. Zu Beginn musste über einen Minderheitsantrag Fischer (glp, LU) abgestimmt werden, worin Nichteintreten auf diese einzelne Vorlage beantragt wurde. Er blieb jedoch erfolglos, so dass das Geschäft behandelt und gleich mit weiteren Minderheitsanträgen konfrontiert wurde. Die Bemessung des Soll-Bestands der Armee war Bestandteil dieser Anträge, der Armeebestand war denn auch der Hauptstreitpunkt der Debatte. Eine Minderheit I Fehr (svp, ZH) wollte einen Bestand von 140'000 AdA durchsetzen, während eine Minderheit II Trede (gp, BE) eine Reduktion vorschlug: Sie wollte auf eine frühere Einschätzung des Bundesrates zurückgreifen und den Bestand auf 80'000 AdA limitieren, einhergehend mit einem Kostendach von CHF 4,4 Mrd. jährlich. Zwischenzeitlich beabsichtigte auch Erich von Siebenthal (svp, BE), einen Antrag zu stellen und als Kompromiss eine Armee mit 120'000 AdA vorzuschlagen, zog sich aber zurück, so dass sich drei Varianten gegenüberstanden: Die vom Bundesrat skizzierte Armee mit 100'000 Männern und Frauen, wie sie auch der Ständerat favorisierte, ein Bestand von 140'000 AdA sowie die Minimalvariante Trede. Das Plenum liess sich aber nicht auf eine Differenz zum Erstrat ein und blieb bei dessen Entwurf (100'000 AdA), wobei die bürgerlichen Fraktionen die Oberhand in den Abstimmungen behielten.
Bereits im Ständerat war umstritten gewesen, ob zwei oder drei mechanisierte Brigaden dem Heer angegliedert sein sollen, und auch in der Volkskammer hielt man sich einige Zeit mit dieser Frage auf. Eine Minderheit Fehr (svp, ZH) wollte wie die Mehrheit der SiK deren drei vorsehen, jedoch sollten diese gemäss Fehr im Gegensatz zur Kommissionsmeinung „voll ausgerüstet sein“. Ein Vorstoss Gysi (sp, SG) wollte den Vorentwurf des Bundesrates mit zwei Brigaden aufrechterhalten. Das Ratsplenum folgte aber durchwegs seiner Kommissionsmehrheit und stützte so den ständerätlichen Beschluss. Nicht einig mit dem Ständerat wurde man sich in der Frage um die Führungsstruktur, wobei die Volksvertreterinnen und -vertreter weiterhin einen Chef der Armee an der Spitze wollten.

Relativ schnell konnte in dieser Sache zur Gesamtabstimmung geschritten werden, die jedoch für Verwirrung sorgen sollte. Zunächst wurde die Vorlage abgelehnt, weswegen sich SiK-Sprecher Hurter (svp, SH) veranlasst sah, einen Ordnungsantrag auf Wiederholung der Abstimmung zu stellen; die Situation sei nicht ganz klar gewesen, so seine Einschätzung. Nachdem dem Ordnungsantrag stattgegeben worden war, hiess man die Verordnung zur Armeeorganisation tatsächlich mit 94 zu 65 Stimmen gut. Dieser Teilbereich war also geklärt, wichtig war insbesondere auch die Position des Nationalrates, der sich somit ebenfalls hinter eine Armee mit 100'000 Militärs stellte.
Die erste – falsche – Abstimmung entpuppte sich aber als warnendes Vorzeichen für die Gesamtabstimmung zum Militärgesetz.

Bundesgesetz über die Armee und die Militärverwaltung

Im weiteren Verlauf der Debatte stand wieder das Militärgesetz im Zentrum und es ging darum zu klären, in welchem finanziellen Rahmen sich die Armee zu bewegen habe. Das war auch im Nationalrat umstritten. Der Ständerat war dem Bundesrat gefolgt, der die Finanzierung mittels vierjährigem Zahlungsrahmen vorsah. Die Mehrheit der nationalrätlichen SiK stellte sich grundsätzlich hinter diese Formulierung, wollte jedoch anfügen, dass dieser mindestens CHF 5 Mrd. pro Jahr betragen müsse. Hans Fehr (svp, ZH) und einige Mitstreitende wollten den Betrag auf CHF 5,4 Mrd. pro Jahr festlegen und eine Minderheit Fischer (glp, LU) beantragte, bei der Fassung des Ständerates zu bleiben. Die Mehrheit obsiegte recht deutlich mit 133 zu 53 Stimmen und konnte die CHF 5 Mrd. durchsetzen. Es galt überdies, eine Übergangsbestimmung betreffend die Finanzierung der Armee in den folgenden Jahre zu erlassen. Auch hier wurde, entgegen anders lautender Minderheitsanträge, zuerst der grosszügigere Mitteleinsatz gewählt. Der Nationalrat nahm aber sogleich eine Kurskorrektur vor, indem er in der letzten Ausmarchung einer Minderheit II Fischer (glp, LU) folgte und doch die ständerätliche Variante ohne finanzielle Verpflichtungen in den Gesetzestext schrieb. Dieser mit 121 zu 65 Stimmen gefasste Entscheid erklärte sich durch einen Haltungswechsel der FDP-Liberalen- und der CVP-Fraktion. Zwar war sich die bürgerliche Ratsseite einig darin, der Armee mehr Mittel zur Verfügung stellen zu wollen, konnte sich aber letztlich eben doch nicht darauf festlegen, einen fixen Betrag in das Gesetz zu schreiben.
Dies entpuppte sich als folgenschwerer Entscheid, denn in der Gesamtabstimmung zum MG folgte die Überraschung, als sich die SVP auf die Seite der SP und der Grünen schlug und die gesamte Vorlage ablehnte. Mit 86 zu 79 Stimmen und 21 Enthaltungen wurde das Militärgesetz im Nationalrat versenkt, wodurch die gesamte WEA in Schieflage geriet. Mit diesem Entscheid wurden auch alle in der Detailberatung gefassten Beschlüsse hinfällig.
Später liessen sich Exponenten der SVP zitieren, die bürgerlichen Partner seien zu unzuverlässig. Zankapfel war also weiterhin die Ausgestaltung der Finanzierung der Armee. Es war nun also am Ständerat, hierzu noch die Kohlen aus dem Feuer zu holen – ein Unterfangen, das dieser in der folgenden Herbstsession auf der Agenda hatte.

Verordnung der Bundesversammlung über die Verwaltung der Armee

Ebenso diskussionslos wie in der kleinen Kammer verabschiedete der Nationalrat die Verordnung der Bundesversammlung über die Verwaltung der Armee (VBVA) in der Sommersession 2015 mit 131 zu 46 Stimmen. Das Geschäft war damit für die Schlusskonsultation bereit.

Bundesgesetz über die militärischen Informationssysteme

Das Bundesgesetz über die militärischen Informationssysteme (MIG) wurde im Nationalrat mit 131 zu 32 Stimmen bei 24 Enthaltungen deutlich angenommen. Damit folgte der Nationalrat dem Ständerat, der den Entwurf des Bundesrates ohne Debatte angenommen hatte. Ein weiterer Baustein der WEA war damit unter Dach und Fach.

Weiterentwicklung der Armee
Dossier: Weiterentwicklung der Armee