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Im Frühjahr 2011 lancierte Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf die Diskussion zur Übernahme der in absehbarer Zeit erneut überarbeiteten OECD-Standards für Amtshilfe in Steuersachen (OECD Musterabkommen für Doppelbesteuerungsabkommen), wonach Amtshilfe auch für Gruppenanfragen ohne spezifische Namensnennung und aufgrund von Verhaltensmustern möglich sein soll, sofern der Bank „aktives, schuldhaftes Verhalten“ angelastet werden kann. Bundesrätin Widmer-Schlumpf argumentierte, dass nach der ersten Anerkennung des OECD-Amtshilfestandards eine Nichtübernahme der angepassten Standards international kaum akzeptiert würde. Deshalb sprach sie sich für eine entsprechende Anpassung der in der Zwischenzeit abgeschlossenen DBA rückwirkend per Änderungsdatum (USA: September 2009) aus. Rechtsexperten wiesen darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil vom März 2009 Gruppenanfragen erlaubt habe, weshalb eine Anpassung des DBA rechtlich nicht nötig sei. Nach anderer Meinung wurde entsprechender Gerichtsbeschluss auf Basis des DBA mit den USA von 1996 gefällt, was nicht impliziere, dass Gruppenanfragen auch auf Basis des neuen DBA mit den USA von 2009 möglich sein würden. Der Bundesrat erachtete es aber, abgesehen von der rechtlichen Notwendigkeit, als angezeigt, dass Parlament über die Auslegeregelung befinden zu lassen, weil die neue Auslegung der bisher vom Bundesrat kommunizierten Position teilweise widerspräche.

OECD-Standards für Amtshilfe in Steuersachen

Der Staatsvertrag in Sachen DBA/UBS regelte zwar nur den Einzelfall UBS, sah aber im Sinne eines Präzedenzfalls Verhandlungen über ein ähnliches Abkommen vor, sollte eine weitere Unternehmung in vergleichbarem Ausmass („gleiches Handlungsmuster unter gleichen Umständen“) US-Recht gebrochen haben wie die UBS. Ein solches Abkommen hätte bei entsprechendem Abschluss ebenfalls rückwirkende Datenlieferung im Zusammenhang mit fortgesetzter, schwerer Steuerhinterziehung ausgelöst. Die USA nutzten diese Präzedenzwirkung um im Berichtsjahr Druck auf die ebenfalls systemrelevante Credit Suisse (CS) aufzubauen. Die US-Behörden beschuldigten die Bank, ähnlich wie die UBS gehandelt zu haben und forderten sie dazu auf, ebenfalls rückwirkend, Kundendaten zu liefern. Weil im Bundesbeschluss vom September 2010 betreffend rückwirkende Datenlieferungsoption nur der Einzelfall UBS erfasst war, hätte eine entsprechende Anwendung des genannten Passus erneut via Staatsvertrag und Absegnung durch das Parlament erfolgen müssen. Dies löste unter allen grossen Parteien starken Wiederstand aus, wenngleich anerkannt wurde, dass eine US-Strafklage gegen die CS ebenfalls existenzbedrohendes Ausmass annehmen würde. Der Bundesrat schloss einen neuerlichen Staatsvertrag mit rückwirkender Amtshilfe dezidiert aus, weil er das Verhalten der CS als ungleich weniger gravierend einstufte als jenes der UBS. Dabei äusserte er rechtsstaatliche Bedenken bezüglich der Rückwirkung. Genannter Passus konnte nur bis zur Erfüllung des UBS-Staatsvertrags angewendet werden, was zum Zeitpunkt der US-Drohungen schon fast vollständig der Fall war (vollständig spätestens ab September 2011). Weil der Bundesrat eine erneute Anwendung von Notrecht kategorisch ausschloss, schien es jedoch ungeachtet der Vorgeschichte möglich, dass die Schweiz erneut den Weg via Staatsvertrag nehmen musste, wenn entsprechender Druck aus den USA im Falle der CS stark und glaubwürdig ansteigen würde.

Druck auf die ebenfalls systemrelevante Credit Suisse (CS; 2011)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Die Unruhe rund um den Finanzplatz Schweiz belebte den Ratsbetrieb auch ausserhalb der Staatsvertragsfrage und des bundesrätlichen Ansinnens, das Parlament über den Planungsbeschluss in die Pflicht zu nehmen und der Finanzplatzdebatte eine strategische Richtung zu geben. Der bunte Strauss an Vorstössen, deren Beratung im Berichtsjahr noch ausstand, lässt sich thematisch zu vier Gruppen zusammenfassen. Zwei Vorlagen zielten erstens auf die Aufgaben der Finma als Aufsichts- und Regulierungsbehörde. Zur Senkung des von den grossen Finanzinstituten ausgehenden Systemrisikos wurden zweitens Massnahmen wie eine Vergütungsobergrenze für Kader von Banken, die staatliche Unterstützung erhielten, eine obligatorische Finanzrisikoversicherung für Banken und Versicherungen oder die Auferlegung der Kosten für Amtshilfeverfahren, wahlweise auf die verursachenden Firmen oder die verantwortlichen strategischen und operativen Kader vorgeschlagen. Unzufrieden mit den bisher ergriffenen Massnahmen zur Stabilisierung des Finanzplatzes (Doppelbesteuerungsabkommen nach OECD-Standard in der Form einer Abgeltungssteuer), lancierte das linke Lager drittens diverse Vorstösse, über die der Bund zu einer sogenannten Weissgeld- oder Qualitätsstrategie und damit zur Abkehr vom fiskalischen Bankgeheimnis verpflichtet werden sollte. Aus der SVP-Fraktion schliesslich stammten Motionen, welche die Angriffe auf das Bankgeheimnis über eine enge Auslegung der völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz oder mit der Androhung von Wirtschaftssanktionen zu parieren suchen.

Diverse Vorstösse rund um den Finanzplatz Schweiz (2010)
Dossier: Bankgeheimnis
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Im September legte der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht bei der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) das überarbeitete Kapital- und Liquiditätsregime für Banken vor, welches Basel II (2004 beschlossene Eigenkapitalanforderungen für Banken) ablösen und 2013 bis 2019 schrittweise umgesetzt werden soll. Das Gremium besteht aus den Zentralbankchefs und den Leitern der nationalen Finanzmarktaufsichtsbehörden der G-20 und weiteren sieben Staaten, darunter die Schweiz. Zentrale Beschlüsse von Basel III sind neben einer Verschärfung der Anforderungen an wichtige Stabilitäts-Kennzahlen die deutlich erhöhten Eigenkapitalanforderungen an die Banken. Dabei wurde das Minimum für das harte Kernkapital (Kernkapitalquote entspricht dem Verhältnis des Eigenkapitals einer Bank zu den risikobehafteten Geschäften) bei 7% angesetzt. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Banken im Krisenfall ihre Verluste selbst auffangen können. Zusammen mit der Fixierung des verlangten weichen Kernkapitals bei mindestens 1,5 % und Ergänzungskapitals bei 2% wurden die Eigenkapitalanforderungen somit auf 10,5% erhöht und fast verdoppelt. Im November stimmten die Regierungschefs der G-20 dem Vorschlag zu.

Kapital- und Liquiditätsregime für Banken

Dass die Partei die Geduld mit den Banken verliert, zeigte sich auch wenige Tage nach der Weissgeld-Diskussion. Der Parteivorstand empfahl den Aktionären der Grossbank Crédit Suisse, den Vergütungsbericht an der Generalversammlung abzulehnen. Damit sollte ein Zeichen gegen die hohen Boni gesetzt werden.

Position der FDP zur UBS-Affäre (2010)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Die Reaktionen der politischen Parteien fielen unterschiedlich aus. Die SP begrüsste den Schritt des Bundesrates als längst überfällig und sprach sich für eine Ausdehnung auch auf inländische Bankkunden aus. Auf der anderen Seite warf die SVP der Landesregierung Verrat an den Bankkunden und Kapitulation vor einer ausländischen Erpressung vor. FDP und CVP rieten dazu, zuerst die Umsetzung in neuen Doppelbesteuerungsabkommen und die konkreten Auswirkungen abzuwarten. Sowohl der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse als auch die Bankiervereinigung stellten sich hinter den Bundesrat.

OECD-Standards

Am 13. März beschloss der Bundesrat seine neue Strategie zur Bewältigung der Krise im Zusammenhang mit den fortgesetzten Angriffen aus dem Ausland auf das schweizerische Bankgeheimnis. Demnach werde sich die Schweiz vorbehaltlos an die OECD-Standards (konkret ging es um Art. 26 des Musterabkommens der OECD für Doppelbesteuerungsabkommen) halten und in Zukunft auch in Fällen von qualifizierter Steuerhinterziehung von im Ausland wohnenden Personen mit schweizerischen Bankkonten Amtshilfe leisten. Zuvor waren bereits Belgien, Liechtenstein und andere wegen ihres Bankgeheimnisses unter Druck geratene Staaten auf diese Linie eingeschwenkt; Luxemburg und Österreich taten diesen Schritt gleichzeitig mit der Schweiz. Diese Lockerung gelte gemäss Bundesrat allerdings nur für konkrete, mit einem Verdacht belastete Einzelfälle und nicht für „fishing expeditions“ ausländischer Steuerbehörden. Entsprechende Doppelbesteuerungsabkommen würden in den nächsten Monaten ausgehandelt. Ein automatischer Informationsaustausch mit ausländischen Steuerbehörden komme hingegen nicht in Frage und für im Inland wohnende Bankkunden bleibe das Bankgeheimnis bei Steuerhinterziehung weiterhin in Kraft.

OECD-Standards

Als besonders stossend empfand ein Teil der Öffentlichkeit, dass die UBS, welche der Staat im Vorjahr mit Riesensummen vor dem Untergang bewahrt hatte, ihren Mitarbeitern für das Geschäftsjahr 2008, in welchem sie einen Verlust von knapp 20 Mia Fr. ausgewiesen hatte, Boni im Umfang von rund 2 Mia Fr. ausbezahlte. Die Finma hatte diese Zahlungen mit dem Argument bewilligt, dass diese zum Teil vertraglich geschuldet seien und bei einem Verzicht auf Boni gute Mitarbeiter die Bank verlassen würden. Von den politischen Parteien forderte zuerst die SP staatlich verordnete Höchstlöhne für die Spitzenmanager der Grossbanken. Später zog auch die SVP nach, was allerdings parteiintern nicht unbestritten war.

UBS Boni im Umfang von rund 2 Mia Fr.

Aufsehen erregte im Februar ein vom SVP-Strategen Christoph Blocher vorgelegtes Konzept zur Neustrukturierung der Banken. Blocher schlug vor, dass die Banken ihre Aktivitäten im In- und Ausland in voneinander unabhängigen Tochtergesellschaften wahrnehmen sollen, die einander im Krisenfall nicht beistehen müssten. Zudem vertrat er die Ansicht, dass bei staatlich unterstützten Banken ein Salärsystem wie bei den bundesnahen Betrieben SBB und Post eingeführt werden und ein Bundesvertreter im Verwaltungsrat Einsitz nehmen sollte. Blocher begründete seine Vorschläge damit, dass der Staat in Not geratene Banken faktisch habe retten müssen, weshalb es auch gerechtfertigt sei, dass der Staat ein Mitspracherecht erhalte. Diese Ansicht stiess innerhalb der SVP auf Widerstand, etwa bei Nationalrat Hans Kaufmann (ZH). Die SVP hielt daraufhin eine „kontradiktorische Medienkonferenz“ ab, an der beide Seiten ihre Standpunkte darlegen konnten.

Blocher fordert Neustrukturierung der Banken

Unter besonderen Druck geriet die schweizerische Grossbank UBS in den USA. Dort hatte Ende 2007 ein Immobilienmakler im Rahmen einer Untersuchung der US-Steuerbehörde IRS zugegeben, mit Hilfe von Angestellten der UBS Hunderte von Millionen Dollar vor den Steuerbehörden versteckt zu haben. Im Rahmen der Abklärungen gegen die UBS verhafteten die amerikanischen Behörden einen aktuellen und einen früheren UBS-Mitarbeiter. Letzterer trat als Kronzeuge auf und gab den Behörden ausführlich Auskunft über die Mittel, mit welchen UBS-Angestellte amerikanische Kunden bei der Steuerhinterziehung und -umgehung unterstützt hatten. Nach diplomatischen Bemühungen der Schweiz, welche befürchtete, dass die UBS unter dem Druck einer Lizenzverweigerung die Kundenbeziehungen offen legen könnte und damit gegen schweizerisches Recht verstossen würde, reichten die US-Behörden bei der Schweiz ein ordentliches Rechtshilfegesuch ein. Das Tempo, das die Schweiz bei der Behandlung dieses Gesuchs anschlug, erschien den Amerikanern jedoch als zu zögerlich. Ende 2008 verlangten sie ultimativ den Abschluss dieses Rechtshilfeverfahrens bis Anfang 2009.

Untersuchung der US-Steuerbehörde IRS

Im Oktober äusserte die SP Kritik am staatlichen Rettungspaket für die von der Finanzkrise stark betroffene Grossbank UBS. Levrat forderte die Gründung einer Auffanggesellschaft durch Bund und Kantone, welche die Bank mit Kapital versorgen und dafür umgekehrt UBS-Aktien erhalten solle. Das Darlehen der Nationalbank an die UBS im Umfang von 60 Mia Fr. sei zudem zu hoch. Die SP forderte weiter strengere Eigenkapitalvorschriften für Banken und ein Verbot risikotreibender Boni.

SP äussert Kritik am staatlichen Rettungspaket für die UBS (2008)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Der Bundesrat und die Bankenvertreter wiesen zuerst lange Zeit auf die gesunde Struktur der beiden Grossbanken UBS und CS und ihre ausreichende Kapitaldecke hin. Die Nationalbank ihrerseits half, wie andere Notenbanken auch, mit Liquiditätsspritzen für die Geschäftsbanken aus. Wie viele andere Staaten, deren Immobilienmärkte ebenfalls gesund finanziert waren, ergriffen die schweizerischen Behörden bis in den Herbst hinein keine besonderen Massnahmen zur Stützung der Banken. Mitte September, nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Bank Lehman Brothers und dem massiven Kurssturz an den Aktienbörsen, verstärkte die Nationalbank ihre Bemühungen zur Sicherung der Liquidität der Geschäftsbanken. Gleichzeitig häuften sich die Forderungen, namentlich der politischen Linken, nach staatlichen Interventionen. Aber auch nachdem die EU-Staaten den Einlegerschutz für Bankkunden massiv verbessert hatten, sah der Bundesrat noch keinen Anlass zum Handeln. Er kündigte allerdings an, dass er diverse Massnahmen vorbereitet habe und sie wenn nötig auch beschliessen werde. Wirtschaftsministerin Leuthard versicherte, dass man eine Grossbank wie die UBS nicht werde untergehen lassen. An ihrer ausserordentlichen Generalversammlung anfangs Oktober erweckte die UBS den Eindruck, dass „das Schlimmste überstanden“ sei.

Krise auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt (2007 & 2008)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Als mit der Verschärfung der internationalen Finanzkrise im Sommer und Frühherbst immer mehr Staaten Konjunkturförderungsprogramme sowie Garantien und Kapitalspritzen für Banken und andere private Unternehmen ankündigten, sah es zuerst noch danach aus, als ob die Schweiz auf derartige staatliche Interventionen in die Marktwirtschaft würde verzichten können. Der Bundesrat und die Bankenvertreter wiesen auf die gesunde Struktur der beiden Grossbanken UBS und CS und ihre ausreichende Kapitaldecke hin. Am 16. September, nach dem Zusammenbruch der amerikanischen Bank Lehman Brothers und dem massiven Kurssturz an den Aktienbörsen, war es dann auch in der Schweiz so weit: Der Bundesrat kündigte ein Hilfspaket von rund 68 Mia Fr. für die in grosse Schwierigkeiten geratene UBS an. Dieser vom Betrag her unvorstellbar massive Staatseingriff sei notwendig, um den Zusammenbruch der Bank zu verhindern. Dabei gehe es weniger um die Rettung der Bank an sich, als vielmehr um die Rolle, welche diese über ihre Zahlungs- und Kreditfunktion für die gesamte nationale Wirtschaft spiele. Dass sich der Staat in diesem Ausmass an der Rettung einer durch eigenes Fehlverhalten in die Krise geratenen privaten Firma beteiligt, wurde allgemein als Sündenfall bezeichnet. Dieser sei aber, so lautete der Tenor sowohl in den Medien als auch bei den Parteien, angesichts des Risikos eines Zusammenbruchs der gesamten Wirtschaft notwendig gewesen. In der Parlamentsdebatte zu den Stützungsmassnahmen sparte die politische Linke nicht mit ihrer grundsätzlichen Kritik an den deregulierten Finanzmärkten sowie an den Prinzipien der Liberalisierung der Wirtschaft insgesamt. Einig war man sich von links bis rechts, dass die Probleme der UBS und anderer Konzerne gewisse neue Gefahren der liberalisierten und vor allem globalisierten Wirtschaft für die nationalen Volkswirtschaften aufgezeigt hatten. Im Einverständnis mit dem Bundesrat überwies der Nationalrat eine Motion der SVP-Fraktion (08.3649), welche die Einsetzung einer Expertengruppe für eine entsprechende Analyse verlangt.

Kritik an den Prinzipien der Liberalisierung der Wirtschaft im Rahmen der Finanzkrise (2008)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Von der Krise auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt und den daraus entstandenen Erschütterungen der Finanzmärkte waren alle international tätigen Schweizer Banken, insbesondere aber die Grossbank UBS massiv betroffen. Der Verlust im Geschäftsjahr 2007 hatte 4,4 Mia Fr. betragen und stieg im ersten Quartal 2008 auf 11,5 Mia Fr. Bei ihren Wertpapierbeständen, namentlich bei Titeln aus dem US-Hypothekengeschäft, musste die UBS bis Januar 2008 rund 21 Mia Fr. und nach dem ersten Quartal nochmals 19 Mia Fr. abschreiben. Die andere Grossbank, die CS, hatte 2007 mit einem Konzerngewinn von 8,5 Mia Fr. abgeschlossen, musste dann aber 2008 auch erhebliche Wertberichtigungen vornehmen.

Krise auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt (2007 & 2008)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Von der Krise auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt war auch die schweizerische Grossbank UBS massiv betroffen. Zum Verhängnis wurde ihr ein übergrosses Engagement im hochriskanten Markt mit bonitätsmässig schlecht abgesicherten Immobilienhypotheken in den USA (so genannter Subprime-Markt). Im dritten Jahresquartal musste die UBS rund 5 Mia Fr. abschreiben und einen Verlust von rund 700 Mio Fr. ausweisen. Im Dezember gab sie bekannt, dass sie im vierten Quartal nochmals 11 Mia Fr. habe abschreiben müssen. Die andere schweizerische Grossbank, die CS, sah sich zwar auch zur Abschreibung von einigen Milliarden gezwungen, war aber insgesamt von der Krise weniger betroffen. Im Nationalrat versuchte die Linke in der Dezembersession vergeblich, aus diesem Anlass eine Diskussion über die Rolle der Banken in der schweizerischen Volkswirtschaft und über die Notwendigkeit strenger Regeln und Kontrollen für den Finanzmarkt auf die Traktandenliste zu setzen. Ihr Wunsch nach der dringlichen Behandlung einer Interpellation der SP-Fraktion fand keine Mehrheit. Immerhin kam die internationale Bankenkrise im Nationalrat in der Fragestunde vom 17. Dezember doch noch zur Sprache.

Krise auf dem amerikanischen Hypothekenmarkt (2007 & 2008)
Dossier: Too-big-to-fail (TBTF) nach der Finanzkrise 2008

Die Bankiervereinigung reagierte negativ auf die Ende 2003 von den bürgerlichen Abgeordneten der beiden Parlamentskammern praktisch einstimmig gutgeheissenen Vorstösse für die Verankerung des Bankgeheimnisses in der Bundesverfassung. Eine solche zusätzliche rechtliche Absicherung erachtete sie als überflüssig. Zudem wäre es ihrer Ansicht nach für den Ruf des schweizerischen Finanzplatzes wenig nützlich, darüber einen Abstimmungskampf durchzuführen und der Linken eine breite und international gut beachtete Plattform für ihre Kritik an den schweizerischen Banken und dem Bankgeheimnis zu geben.

Bankkundengeheimnis
Dossier: Bankgeheimnis

Da auch in Zukunft Probleme mit nachrichtenlosen Konten entstehen können, waren 1997 Vorarbeiten für eine rechtliche Regelung dieses Bereichs eingeleitet worden. Im Sommer 2000 wurde ein Vorentwurf zu einem neuen Gesetz in die Vernehmlassung gegeben. Dieser sieht vor, dass Banken und Versicherungen aktiv nach Konto- resp. Policeninhabern suchen müssen, wenn sie während acht Jahren keine Nachrichten mehr erhalten haben. Bleibt die Suche erfolglos, so sind die Namen der Inhaber einer zentralen Meldestelle anzugeben, welche später Berechtigten, die nach allfälligen Guthaben suchen, Auskunft erteilen kann. Nach fünfzig Jahren sollen nachrichtenlose Vermögen an den Bund gehen. Diese neuen Bestimmungen fanden nur bei der SP uneingeschränkte Unterstützung. Für die Bankiervereinigung und die SVP wären Rahmenbestimmungen ausreichend und namentlich die Schaffung einer Meldestelle der Wirtschaft zu überlassen. Die Banken selbst ersetzten ihre 1995 erlassenen Richtlinien durch eine modernere Fassung.

Probleme mit nachrichtenlosen Konten gesetzliche Regelung

Ende Februar, gut zwei Monate nach der Präsentation des Abschlussberichts, löste sich das für die Abklärung des Umgangs von Schweizer Banken mit Geldern von Holocaust-Opfern eingesetzte sogenannte Volcker-Komitee auf. Zu regeln blieb noch die Frage nach dem Umfang der zu errichtenden Datenbank über Schweizer Bankkonten aus der Zeit des 2. Weltkriegs. Ursprünglich war von amerikanischer Seite verlangt worden, dass diese Datenbank sämtliche 4,1 Mio. Konten, die damals auf Schweizer Banken eröffnet worden waren, umfassen soll. Der für den Vergleich mit den Grossbanken zuständige New Yorker Richter Kormann hatte diese Position übernommen. Die Eidgenössische Bankenkommission hatte hingegen nur die Aufnahme derjenigen rund 46 000 Konten erlaubt, bei welchen das Volcker-Komitee einen möglichen oder wahrscheinlichen Zusammenhang mit Holocaust-Opfern nicht ausschloss. Als Kompromiss boten die beiden Grossbanken an, dass sie ihre eigenen Datenbanken mit 2,1 Mio. Konten aus dieser Zeit für die Abklärung von weiteren berechtigten Ansprüchen zur Verfügung stellen würden. Damit gab sich die Gegenseite zufrieden, und Richter Kormann hiess den Vergleich Ende Juli endgültig gut. Einen guten Monat später lag auch der Verteilungsplan für die 1,25 Mia. US-$ vor.

Volcker-Komitees
Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Da auch in Zukunft Probleme mit nachrichtenlosen Konten entstehen können, machte die Bankiervereinigung Vorschläge für eine gesetzliche Regelung mit zusätzlichen brancheninternen Vorschriften. Auf Gesetzesebene soll eine Ablieferung an den Staat oder an eine gemeinnützige Institution nach einer nachrichtenlosen Frist von 30 bis 40 Jahren eingeführt werden. Als nachrichtenlos soll eine Anlage bereits dann gelten, wenn die Inhaber nicht mehr kontaktiert werden können. Derartige Konten sollen von den Banken weiterhin bewirtschaftet werden und alle Akten müssten über die gesetzliche Frist von zehn Jahren hinaus aufbewahrt werden.

Probleme mit nachrichtenlosen Konten gesetzliche Regelung

Der mit der Suche nach nachrichtenlosen Konten bei Schweizer Banken beauftragte „Volcker-Ausschuss“ konnte die von internationalen Treuhandfirmen durchgeführte kostspielige Durchforstung der Archive und Kontenlisten abschliessen. Aufgrund von Indiskretionen entstand vor der auf November angekündigten Publikation des Schlussberichts eine Kontroverse in den Medien. Während eine internationale Agentur verbreitete, dass 48 000 nachrichtenlose Konten von Holocaustopfern gefunden worden seien, präzisierten Schweizer Medien, dass in dieser Zahl auch 34 000 geschlossene, also nicht nachrichtenlose Konten enthalten sind. Von den verbleibenden 14 000 habe sich bei 2800 eine Übereinstimmung mit Namen auf der Liste der Holocaustopfer ergeben. Am 6. Dezember präsentierte die Volcker-Kommission in Zürich ihren Schlussbericht. Die Zahlen sahen darin nochmals etwas anders aus. In einem Eliminationsverfahren war die Kommission – d.h. die von ihr beauftragten rund 650 Spezialisten – auf 53 886 Konten mit ungeklärtem Schicksal gestossen, bei welchen ein Zusammenhang mit Holocaust-Opfern nicht ausgeschlossen werden kann. Rund 3200 davon stimmen mit Namen der Holocaustopferliste der Yad Vashem Gedenkstätte in Jerusalem überein und waren bis mindestens 1955 nachrichtenlos. Bei weiteren 7000 stehen zwar die Namen nicht in der Liste, andere Charakteristika (Wohnort in einem Staat der Achsenmächte oder besetzten Gebiet und zehn Jahre Nachrichtenlosigkeit nach Kriegsende) lassen jedoch die Vermutung zu, dass es sich um Holocaustopfer gehandelt haben könnte. Die restlichen 43 000 Konti sind solche, die zwischen 1933 und 1945 von Bewohnern der Staaten der Achsenmächte oder von ihnen besetzten Gebieten eröffnet und seither wieder geschlossen worden sind. Rund 31 000 davon lauteten auf Namen, die auch in der Liste der Holocaustopfer erscheinen; davon war bei rund der Hälfte die Übereinstimmung exakt, bei der anderen Hälfte ungefähr. Die übrigen 12 000 Konti wurden zwischen 1933 und 1945 von Ausländern eröffnet, bei denen sich nicht nachweisen lässt, dass sie aus einem der Staaten der Achsenmächte oder einem besetzten Gebiet stammen und deren Namen nicht mit solchen der Holocaustopferliste übereinstimmen. Über den Wert der Konten der verschiedenen Kategorien machte der Bericht keine konkreten Angaben. Aus den Schätzungen war aber ersichtlich, dass er – auch bei einer Anpassung an heutige Geldwerte und Verzinsung – die von Kritikern der Banken genannten Milliardensummen bei weitem nicht erreicht.

Volcker-Komitees
Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Von den gut 53'000 Konti waren zum Zeitpunkt der Untersuchung nur 2726 noch offen und damit nachrichtenlos; bei den geschlossenen Konti liessen sich grösstenteils (36'000) die Gründe für die Aufhebung nicht mehr rekonstruieren. Im weiteren befinden sich rund 12'000 darunter, bei welchen die Gebühren die Erträge überstiegen haben, und die deshalb in gebührenfreie Sammelkonti überwiesen wurden. Weiterer Abklärung bedürfen diejenigen geschlossenen Konti, welche auf Anweisung der Inhaber an die Behörden anderer Staaten ausbezahlt worden sind, und die 980 Konten, die zugunsten der Bank aufgelöst wurden, ohne dass ersichtlich ist, ob die Bank das Geld in die eigene Tasche gesteckt oder später sich meldenden Berechtigten oder karitativen Organisationen übergeben hat.

Volcker-Komitees
Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Die Volcker-Kommission empfahl der Eidgenössischen Bankenkommission, die Namen von gut 25'000 Kontoinhabern zu publizieren, da sich darunter Holocaustopfer befinden könnten. Es handelt sich dabei um die Konten der beiden ersten oben erwähnten Kategorien und die rund 15'000 inzwischen aufgelösten Konti, bei denen der Name des Inhabers genau mit einem Namen in der Opferliste übereinstimmt. Grundsätzlich stellte die Volcker-Kommission den Banken ein gutes Zeugnis aus. Es hätten sich keine Hinweise auf systematische Veruntreuung von Guthaben von Holocaustopfern, Vernichtung von Akten oder Diskriminierung ihrer Erbberechtigter finden lassen. In Einzelfällen habe es allerdings bei gewissen Banken fragwürdige und unlautere Praktiken gegeben. Insbesondere sei sie auf 49 Fälle gestossen, in denen die Banken den Erben von Opfern ungenügende oder falsche Informationen gegeben hätten.

Volcker-Komitees
Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Rund sechs Monate nach dem grundsätzlichen Vergleich der beiden Schweizer Grossbanken Crédit Suisse und UBS mit den jüdischen Klägern regelten die beiden Seiten auch die Details des Übereinkommens. Die USD 1.25 Mia. sollen an folgende, nicht auf Juden beschränkte Personenkategorien verteilt werden: Anspruchsberechtigte für nachrichtenlose Konten – Personen, deren Vermögenswerte von den Nazis beschlagnahmt worden und zu schweizerischen Institutionen gelangt sind – Zwangsarbeiter in Firmen mit Geschäftbeziehungen zu Schweizer Banken – Zwangsarbeiter in Firmen mit Schweizer Hauptsitz – an der Schweizer Grenze zurückgewiesene und später in Konzentrationslager deportierte Personen. Im Sommer wurde weltweit in Zeitungsinseraten die eventuell Berechtigten aufgerufen, ihre Ansprüche anzumelden. Gleichzeitig wurden auch Personen, die mit dem Vergleich nicht einverstanden sind, und die privatrechtlich gegen Schweizer Institutionen klagen wollen, aufgefordert, sich beim New Yorker Richter Korman zu melden. Knapp 300 Personen machten von dieser „opting out-Klausel“ Gebrauch, während rund 450'000 Forderungen anmeldeten. Kormann erteilte Ende November den Auftrag, einen Verteilplan zu entwerfen.

Volcker-Komitees
Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Die Sucharbeit des Volcker-Komitees nach nachrichtenlosen Konten bei Schweizer Banken und nach Anspruchsberechtigten wurde fortgesetzt. Im Sommer waren im Auftrag dieses Komitees 375 meist ausländische Revisoren, im Herbst gar deren 420 mit der Überprüfung von Kontenbeständen schweizerischer Banken beschäftigt. Die gesamten Kosten dieser für das Image der Banken als sehr wichtig erachteten Operation wurden auf CHF 150 Mio. geschätzt. Die Ermittlung von Berechtigten für die rund 5'000 nachrichtenlosen Konti ausländischer Inhaber, deren Namen die Banken im Vorjahr auf Listen international publiziert hatten, wurde ebenfalls fortgesetzt. Nachdem knapp 10'000 Ansprüche eingegangen waren, konnten von den total CHF 78 Mio. deren 5.5 Mio. zugewiesen werden, dabei betrug der Anteil von Geldern von Holocaustopfern weniger als 20 Prozent.

Volcker-Komitees
Dossier: Nachrichtenlose Konten von Naziopfern auf Schweizer Banken

Am 8. Dezember gaben die beiden Grossbanken Schweizerischer Bankverein (SBV) und Schweizerische Bankgesellschaft (SBG) ihre Fusion zur United Bank of Switzerland (UBS) bekannt. Damit entstand das weltweit in bezug auf Eigenkapital grösste und in bezug auf Bilanzsumme zweitgrösste Finanzinstitut. Dieser Zusammenschluss wird 1998 noch von den Aktionärsversammlungen abgesegnet werden müssen und bedarf auch der Genehmigung durch die Wettbewerbsbehörden sowohl der Schweiz als auch der übrigen Hauptaktivitätsregionen der beiden Banken (EU und USA). Da diese Fusion die bereits vorher bei beiden Banken eingeleiteten Umstrukturierungen noch akzentuieren wird, wurde auch ein massiver Stellenabbau angekündigt. Nach den Plänen der Fusionspartner soll er – bei einer Beschäftigtenzahl von 58'000 (davon 38'000 in der Schweiz) – rund 13'000 (davon 7'000 in der Schweiz) betragen.

Die Reaktionen in der Öffentlichkeit waren denn auch zwiespältig. Einerseits wurden die Fusion und auch die Umstrukturierungen als richtige Schritte für die Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit im globalisierten Finanzmarkt anerkannt, andererseits protestierten nicht nur die Gewerkschaften und die Linke gegen den geplanten Stellenabbau. Von der SP und dem SGB in mehreren Städten organisierte Protestkundgebungen vermochten allerdings insgesamt nur rund 1'000 Personen zu mobilisieren. Die SP meldete sich in der Dezembersession des Nationalrats während der Fragestunde mit neun Interventionen zu den sozialen Folgekosten der Entlassungen und zu den befürchteten Steuerausfällen zu Wort. Bundesrat Delamuraz appellierte an die soziale Verantwortung der beiden Banken und gab im weiteren zu bedenken, dass rechtliche Vorbehalte nur unter wettbewerbsrechtlichen, nicht aber wirtschafts- oder sozialpolitischen Aspekten zulässig seien. In Basel–Stadt, wo der Bankverein bisher seinen Hauptsitz hatte, zeigte man sich besonders besorgt um die Steuerausfälle, die durch die Wahl Zürichs als alleinigen Hauptsitz für die neue UBS entstehen würden. Sowohl die Regierung von Basel–Stadt als auch Ständerat Rhinow (fdp, BL) – mit einer parlamentarischen Initiative – forderten die Abschaffung der rechtlichen Bestimmung, dass eine Aktiengesellschaft nur einen Hauptsitz haben kann. Mit dieser Revision könnte der Vorschlag der UBS realisiert werden, ihren Hauptsitz sowohl in Basel als auch in Zürich zu haben.

Reaktionen