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2019 wurde für E-Voting zu einem schwierigen Jahr. Zwar hatte der Bundesrat bereits 2018 mittels Revision des Bundesgesetzes über die politischen Rechte eine flächendeckende Einführung des dritten Abstimmungskanals angestrebt, der insbesondere Auslandschweizerinnen und Auslandschweizern die Stimmabgabe erleichtern soll, die Sicherheitsbedenken nahmen aber stark zu. Dies manifestierte sich nicht nur in einer im Februar definitiv lancierten Volksinitiative für ein E-Voting-Moratorium, die ein breites Unterstützungskomitee von links bis rechts hinter sich wusste, sondern auch in den vor allem von den Parteien vorgebrachten negativen Stellungnahmen in der Vernehmlassung zur Teilrevision der politischen Rechte. Zudem revidierten einige Kantone, darunter etwa Aargau, Basel-Landschaft, Glarus oder Jura, ihre Pläne für eine Einführung von E-Voting.
Auch in der Presse nahm die Skepsis gegen E-Voting zu. Das Sicherheitsrisiko sei grösser als der Nutzen, urteilte etwa die NZZ. Insbesondere, weil sich auch gezeigt habe, dass elektronisches Abstimmen nicht zu höherer Beteiligung führe und auch keine Vereinfachung der Stimmabgabe bedeute. Befürwortende von E-Voting betonten hingegen, dass auch briefliches Abstimmen Sicherheitsmängel aufweise. So sei etwa für sehbehinderte Menschen das Stimmgeheimnis nicht garantiert und viele Stimmabgaben würden als ungültig gewertet, weil sie falsch verpackt wurden oder die Unterschrift fehlt. Zudem würden briefliche Stimmen in vielen Kantonen nicht mit dem Stimmregister abgeglichen. Mittels Digitalisierung könnten diese Probleme vermieden werden.

Einen «schweren Rückschlag» – so die NZZ – erlitt das Projekt E-Voting 2019 durch einen sogenannten Intrusionstest der Post. Um zu zeigen, dass die Sicherheitsbedenken unnötig sind, forderten Post und Bundeskanzlei interessierte Personen dazu auf, das von der spanischen Firma Scytl entwickelte und zwischen 25. Februar und 24. März offenegelegte E-Voting-System der Post auf Schwachstellen zu prüfen. Ein «Hacken» des offengelegten Quellcodes in der Art, dass unbemerkt individuelle Stimmabgaben manipuliert oder dass individuelle Stimmabgaben veröffentlicht werden könnten, sollten mit von der Post finanzierten Prämien von bis zu CHF 50'000 belohnt werden. Rund 3'000 Hackerinnen und Hackern hatten sich zum Test angemeldet und deckten bereits nach wenigen Tagen als «gravierend» bezeichnete Sicherheitsmängel auf. So könne das System die universelle Verifizierbarkeit, also eine nachträgliche Überprüfung auf Manipulation, nicht garantieren. Zudem könne ins System eingedrungen und eigentlich gültige Stimmen könnten ungültig gemacht werden. Die Presse erachtete das Hacker-Resultat als «peinlich für die Post» (Blick) oder gar als Rettung der direkten Demokratie – so ein Kommentar in der Sonntagszeitung. Demokratie lebe vom Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger, weshalb Unsicherheiten und Gefahren vermieden werden müssten, meinte die Weltwoche.
Bereit kurz vor dem Intrusionstest hatte die ETH Zürich eine Studie veröffentlicht, mit der gezeigt wurde, dass Individuen bei E-Voting ihre digitale Stimme anonym verkaufen könnten. Dies ist zwar strafbar, könnte bei genügend grosser Zahl an Stimmen aber durchaus zu einer Manipulation von Resultaten führen.

Auch politisch hatte der Rückschlag Folgen. Ende Juni entschied der Bundesrat, die Handbremse zu ziehen. Auch die Vernehmlassung habe gezeigt, dass zwar ein Bedürfnis nach elektronischem Abstimmen und Wählen bestehe, die momentanen Sicherheitsvorkehrungen allerdings nicht genügten. Vorläufig soll deshalb auf die Gesetzesänderung verzichtet werden, mit der E-Voting als dritter Kanal für die Stimmabgabe – neben Urnengang und brieflicher Stimmabgabe – hätte etabliert werden sollen. Das von den Behörden einst formulierte Ziel, dass bei den eidgenössischen Wahlen 2019 mindestens zwei Drittel aller Kantone E-Voting anbieten, wurde damit klar verfehlt. In den Medien wurde dieser «Marschhalt» unterschiedlich kommentiert: Als «Befreiung» wurde das «Ende des E-Votings» in der Sonntagszeitung bezeichnet, während in der Aargauer Zeitung ein «Neustart», aber kein «Denkverbot» gefordert wurde. Die Schweiz habe 60 Jahre gebraucht, bis die briefliche Stimmabgabe eingeführt worden sei, so der Kommentar. Kritisiert wurde der Entscheid des Bundesrats hingegen von der Organisation der Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Es sei nicht akzeptabel, dass 180'000 Bürgerinnen und Bürger ihr Beteiligungsrecht weiterhin nicht ausüben könnten, kritisierte deren Präsidentin Ariane Rustichelli. Auch der Schweizerische Blinden- und Sehbehindertenverband (SBV) forderten die baldige Einführung digitaler Beteiligungshilfen. Handschriftliches Ausfüllen des Stimmmaterials verhindere die Einhaltung des Stimmgeheimnisses für Sehbehinderte, weil sie auf Hilfspersonen angewiesen seien.

Auch die Post reagierte auf den bundesrätlichen Entscheid und gab ihr bestehendes System noch im Juli auf. Sie wolle ab 2020 eine Alternative anbieten, bei der die bisherigen Sicherheitsprobleme nicht bestünden. Die vier Kantone, die eigentlich noch einen Vertrag mit der Post gehabt hätten (BL, FR, NE, TG), forderten in der Folge Schadenersatz. Doch nicht nur die Post, auch der Kanton Genf stellte den Betrieb seines Systems noch im Juni 2019 ein – nach dem politischen Nein war die finanzielle Unterstützung des Projekts ausgeblieben. Auch die Kantone, die dieses Genfer-System genutzt hatten (AG, BE, GE, LU, SG, VD), hätten es eigentlich bis Ende 2019 nutzen wollen.

Ende Jahr gab der Nationalrat zusätzlich einer parlamentarischen Initiative Folge, die einen «Marschhalt bei E-Voting» fordert. Es sei eine Denkpause nötig, entschied die Mehrheit der grossen Kammer, obwohl die SPK-NR darauf hingewiesen hatte, dass ohne neue Tests kaum Verbesserungen in der Sicherheit möglich seien.

Zum «Vote électronique»-Programm des Bundesrats gehört jedoch nicht nur E-Voting, sondern auch die elektronische Behördeninformation sowie das digitalisierte Unterschriftensammeln. Die Diskussionen um dieses E-Collecting, also um die Idee, Initiativen mittels digitaler statt analoger Unterschriften unterstützen zu können, konzentrierten sich 2019 auf «Online-Plattformen», die laut NZZ zum «Brutkasten der Demokratie» würden. Die Möglichkeit, via solche Plattformen – die bekannteste darunter ist etwa «WeCollect» – Unterschriftenbogen zu verbreiten, die heruntergeladen, ausgedruckt, ausgefüllt, unterschrieben und eingesandt werden müssen, würde die etablierten Parteien herausfordern, da diese neue Art der Unterschriftensammlung eben auch für wenig oder nicht parteilich organisierte Komitees wesentlich einfacher sei als die bisherigen Formen. Freilich können entsprechende Unterschriftenbogen auch direkt auf der Internetseite der Bundeskanzlei heruntergeladen werden. Was die Sammelplattformen allerdings wertvoll mache, seien deren Listen an Adressdaten. Häufig hinterliessen unterschriftswillige Bürgerinnen und Bürger freiwillig ihre persönlichen Angaben auf einer Plattform und könnten so informiert werden, wenn Volksinitiativen mit ähnlicher Stossrichtung lanciert werden. Solche «zielgruppenspezifische[n] Daten sind so etwas wie Goldstaub in Zeiten, in denen politische Gruppierungen mittels Big Data ihren Wählern näherkommen wollen», so die NZZ. Sollten Referenden und Volksinitiativen dadurch in Zukunft einfacher zustandekommen, müsse über eine Erhöhung der Unterschriftenzahlen nachgedacht werden, so die Zeitung weiter.
In die Kritik geriet Daniel Graf, der Gründer von WeCollect, da er mit seiner Plattform vor allem Anliegen unterstütze, die aus eher linken Kreisen stammten. Auf der einen Seite führte dies zu alternativen Angeboten seitens ähnlicher Plattformen aus dem rechtsbürgerlichen ideologischen Spektrum, auf der anderen Seite überführte Graf WeCollect in eine Stiftung, in der künftig mehrere Personen entscheiden sollten, welche Volksbegehren unterstützt werden. Graf gab zu Protokoll, er wolle mit seiner Plattform die direkte Demokratie fördern und es vor allem auch zivilgesellschaftlichen Gruppierungen ermöglichen, direktdemokratische Instrumente zu nutzen, die nicht nur Parteien und mächtigen Interessenorganisationen vorbehalten sein sollen.

«Vote électronique» – Kritik und gesellschaftliche Debatte von 2015 bis 2022
Dossier: Vote électronique

Wenige Tage nach den Schlussabstimmungen in den eidgenössischen Räten gaben die SP und die Grünen bekannt, das bereits länger angekündigte Referendum gegen die E-ID zu unterstützen. Dieses richtet sich nicht gegen die E-ID selbst, aber gegen deren Vertrieb durch Private, wie ihn das Gesetz vorsieht. Umfragen zufolge bevorzugten grosse Teile der Bevölkerung eine rein staatliche E-ID – gemäss der jüngsten Erhebung des Digital Democracy Lab der Universität Zürich sogar 82 Prozent der Befragten, und zwar über alle Parteien und Altersgruppen hinweg. Lanciert wurde die Unterschriftensammlung am 8. Oktober 2019 von einem Komitee um die Digitale Gesellschaft, die Kampagnenplattformen Wecollect und Campax sowie den Verein PublicBeta. So sprach Daniel Graf von Wecollect gegenüber dem Tages-Anzeiger auch von einer «Bürgerinitiative», zeigte sich aber dennoch erfreut über die Unterstützung zweier etablierter Parteien. Vonseiten der SP und der Grünen wurde indes klargemacht, dass das Referendum gegen die E-ID derzeit nicht die erste Priorität geniesse; bei der SP liege diese auf dem Referendum gegen die höheren Kinderabzüge, bei den Grünen auf jenem gegen das neue Jagdgesetz, berichtete der Tages-Anzeiger. Neben den bisher Genannten zählten zudem die Piratenpartei, der VPOD, die Internet Society Switzerland, Grundrechte.ch sowie mehrere Organisationen für Senioreninteressen zu den Unterstützern. Nicht am Referendum beteiligen wollte sich hingegen die Stiftung für Konsumentenschutz, die sich während der parlamentarischen Beratung ebenfalls für eine staatliche E-ID eingesetzt hatte. Man sei zwar nicht glücklich mit der privaten Lösung, liess die Stiftung in der NZZ verlauten, aber das Parlament habe das Gesetz, auch auf Intervention der Stiftung hin, in zentralen Punkten entscheidend verbessert.

E-ID-Gesetz
Dossier: Elektronische Identität

Nachdem der Nationalrat in der Frühjahrssession 2019 den vom Bundesrat eingeschlagenen Weg in Richtung E-ID fast unverändert weitergegangen war, wurde in den Medien diskutiert, ob die E-ID, wenn sie wie im Gesetzesentwurf vorgesehen von privaten Anbietern herausgegeben wird, auf genügend Vertrauen in der Bevölkerung stossen werde. In diesem Zusammenhang wurden vor allem Datenschutzbedenken vorgebracht, da der private Herausgeber der E-ID auch über deren Nutzung Bescheid wüsste. Da diese Daten mit erheblichem Missbrauchspotenzial behaftet sind, wurde angezweifelt, dass die Schweizerinnen und Schweizer diese in die Hände von privaten Anbietern legen wollten. Um aufzuzeigen, «dass die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung nicht hinter einer E-ID steht, die von privaten Firmen herausgegeben wird», so Daniel Graf gegenüber der NZZ, lancierten Grafs Politikplattform Wecollect, die Stiftung für Konsumentenschutz und die Digitale Gesellschaft eine repräsentative Umfrage.
Ebendiese Umfrage förderte Ende Mai zutage, dass das Konzept des Bundesrates mit den privaten Identity Providern bei der Schweizer Stimmbevölkerung durchfällt. 87 Prozent der 973 Befragten wünschten sich, die E-ID solle vom Staat herausgegeben werden, wohingegen sich nur 2 Prozent für die privatwirtschaftliche Lösung aussprachen. 75 Prozent der Befragten haben in Bezug auf den Datenschutz das grössere Vertrauen in den Staat als in private Anbieter; gemäss Sara Stalder, Geschäftsleiterin der SKS, bestehe bei privaten Unternehmen die Gefahr, dass sie die persönlichen Daten für kommerzielle Zwecke nutzten. Die Allianz aus Konsumentenschutzorganisationen, der Digitalen Gesellschaft, dem Verein Public Beta und der Plattform Wecollect erhoffte sich, mit diesen Ergebnissen den Ständerat unter Druck zu setzen, die Gesetzesvorlage in der bevorstehenden Sommersession an den Bundesrat zurückzuweisen, damit dieser ein neues Konzept erarbeite.
Die RK-SR befasste sich in der Zwischenzeit mit dem Gesetz, lehnte einen entsprechenden Rückweisungsantrag ab und unterstützte einstimmig die Einsetzung einer unabhängigen Aufsichtskommission (Eidcom, nach dem Vorbild der Comcom), die anstatt der vom Bundesrat vorgesehenen Verwaltungsstelle mit der Anerkennung und Überwachung der privaten Identity Provider betraut werden soll. Hinter diesem bereits im April vom Präsidenten der Swiss Data Alliance ins Spiel gebrachten Vorschlag steht die Hoffnung, die unabhängige Kontrollstelle möge das Vertrauen der Bevölkerung in die von Privaten angebotene E-ID stärken. David Basin, Leiter der Gruppe für Informationssicherheit an der ETH Zürich, und der Kryptologe Jan Camenisch kritisierten in der NZZ unterdessen, dass das Gesetz keine Mindeststandards für den Datenschutz festlege. Ihrer Einschätzung nach wäre es technisch gesehen sogar möglich, die E-ID so zu realisieren, dass die privatwirtschaftlichen Anbieter gar keine Kenntnis davon erlangen, wann und wo die E-ID zum Einsatz kommt. Da so gar keine Nutzungsdaten anfielen, könnten diese auch nicht gehackt oder weiterverkauft werden, was dem Vertrauen der Nutzerinnen und Nutzer zuträglich sein sollte. Ob man das Referendum ergreifen werde, sollte sich die privatwirtschaftliche Lösung im Parlament letztlich durchsetzen, liess die Gegner-Allianz vorerst noch offen.

E-ID-Gesetz
Dossier: Elektronische Identität

Die Diskussion um E-Collecting, also das Sammeln von Unterschriften via Internet, nahm 2019 weiter an Fahrt auf. Nachdem die Plattform «WeCollect» in die Kritik geraten war, einseitig linke Anliegen zu unterstützen, wurde ab Anfang 2019 von rechtsbürgerlicher Seite eine ähnliche Plattform propagiert. Richard Koller, der Initiant der von WeCollect abgewiesenen und in der Zwischenzeit an der Unterschriftenhürde gescheiterten Inländervorrang-Initiative, schaltete die Plattform «Wir bestimmen» auf, die offen sei für alle politischen Anliegen. Er habe eine ähnliche Vision wie Daniel Graf von WeCollect, so Koller: Die Lancierung von Volksinitiativen und das Ergreifen von Referenden sollen für alle Bürgerinnen und Bürger möglich sein und nicht nur für finanzstarke Organisationen.
In der Folge wurden weitere Online-Sammelhilfen geplant oder aufgeschaltet. Anian Liebrand (LU, svp), der ehemalige Präsident der Jungen SVP, kündigte eine Plattform mit dem Namen «collectus.ch» an, die SP taufte ihr eigenes Projekt «Democracy Booster» und auch die Initianten der «No-Billag-Initiative», Oliver Kessler und Marco Schläpfer, gründeten mit «thepeople.ch» ihre eigene Plattform.

E-Collecting
Dossier: Vote électronique

Neben den in den letzten Jahren virulenter werdenden Diskussionen über E-Voting gingen andere Möglichkeiten der Digitalisierung (direkt-)demokratischer Prozesse etwas unter. Dabei hatte der Bundesrat bereits 2009 beschlossen, neben dem elektronischen Wählen und Abstimmen auch die Möglichkeit der digitalen Unterschriftensammlung vorantreiben zu wollen. Das sogenannte E-Collecting wurde damals als dritte Phase des Projektes «Vote électronique» angekündigt, die in Angriff genommen werde, wenn E-Voting umgesetzt sei.
Seit damals hat sich in der Tat einiges getan. So kamen verschiedentlich innert kürzester Zeit via Facebook zahlreiche Unterschriften zusammen, etwa für eine Petition zur Senkung der Billag-Gebühren oder für eine (gescheiterte) Volksinitiative für Tempo 140 auf Autobahnen. Das Scheitern der Letzteren zeigte freilich, dass ein Like auf Facebook nicht automatisch eine Unterschrift unter ein Initiativbegehren bedeutet. Gültig ist eine Unterschrift nämlich bisher nur in ihrer analogen Form und nur, wenn Name und Vorname handschriftlich angebracht wurden. Online verbreitete Unterschriftenbögen müssen also ausgedruckt, ausgefüllt, unterschrieben und an die Initianten gesandt werden.

Die eigentliche Idee von E-Collecting würde hingegen eine elektronische Unterschrift erlauben. Der bundesrätliche Plan ist, dass alle kantonalen und kommunalen Stimmregister harmonisiert werden und jede Bürgerin und jeder Bürger eine eindeutige Online-Identität erhält, auf deren Grundlage sie auch Initiativen unterschreiben könnten.
Diese Idee weckte Ängste und Hoffnungen, die in den Medien reflektiert wurden. Insbesondere wurde befürchtet, dass das Unterzeichnen von Anliegen viel einfacher werde, was zu einer Flut von Initiativen führen würde. Die Möglichkeit für digitales Unterschreiben – so wurde gemutmasst – werde die Erhöhung der Unterschriftenhürden oder neue Institutionen wie etwa die Volksmotion nach sich ziehen. Mit Letzterer würde eine bestimmte Zahl von Unterschriften das Parlament dazu zwingen, ein Volksanliegen wie eine parlamentarische Motion zu behandeln. Befürchtet wurde zudem, dass Parteien überflüssig würden, wenn kleine Gruppen mittels sozialer Medien rasch und effektiv mobilisieren und Unterschriften sammeln könnten.
Es gab allerdings auch zahlreiche Befürworterinnen und Befürworter des digitalen Unterzeichnens von Volksbegehren, die die Bedenken dämpfen wollten. Die Zahl an Initiativen würde sich auch mit Online-Unterschriften selber regulieren, da auch hier an der Urne nur Projekte angenommen würden, die auch wirklich Mehrheiten finden würden. Zudem gehe das Sammeln auf der Strasse häufig mit unreflektiertem Unterschreiben einher. Bei E-Collecting gäbe es hingegen zahlreiche Möglichkeiten, sich vor einer Unterschrift zu informieren. Es müsse sich erst weisen, ob Online-Sammlungen einfacher seien als etwa Massenversände, bei denen beispielsweise grosse Parteien oder Organisationen ihren Mitgliedern per Post Unterschriftenbögen zusenden. Dort sei der Rücklauf jeweils nicht sehr hoch und es zeige sich immer wieder, dass ein Gespräch besser funktioniere als eine anonyme Abfertigung im Massenversand. Nicht zuletzt könne Digitalisierung aber die Teilhabe am politischen Prozess verstärken und Parteien würden die Möglichkeiten der Digitalisierung für sich zu nutzen lernen.

2016 startete mit «WeCollect» eine Plattform, die sich das vermeintlich einfachere digitale Prozedere zunutze machte. Wer ein Anliegen unterstützen will, trägt sich online ein und erhält eine Mail mit einem Antwortbogen als PDF, der bereits vorfrankiert ist. Dieser muss ausgedruckt, unterschrieben und per Post zurückgesendet werden. Daniel Graf, der Betreiber der Plattform, kündigte an, mit der Plattform parteipolitisch neutral sein zu wollen. Komitees könnten sich bewerben und die Community werde dann entscheiden, ob ein Anliegen unterstützt werde. Diese Community bestehe aus «linksliberalen und weltoffenen» Personen, die sich für die Plattform registrierten und ihrerseits dann ein Potenzial für Unterschriften bildeten; innerhalb von rund zwei Jahren gehörten bereits 50'000 Personen dazu. Innert wenigen Tagen und relativ billig könnten auf WeCollect die nötigen Unterschriften zusammenkommen, betonte Graf. Würden bei herkömmlichen Unterschriftensammlungen die Kosten pro Unterschrift auf zwei bis drei Franken geschätzt, könne bei WeCollect mit weniger als CHF 1 pro Unterschrift gerechnet werden. Dies sei auch deshalb möglich, weil neben der Unterschrift auf seiner Plattform auch gespendet werden könne, so Graf. Damit könnten der Einrichtungsaufwand auf seiner Plattform und eventuell gar die Portokosten finanziert werden. Die ersten Anliegen, für die der Service von WeCollect in Anspruch genommen wurden, waren die Transparenzinitiative der SP und die Initiative für einen Vaterschaftsurlaub.
Die Plattform wurde allerdings auch kritisiert. Dass Graf alleine entscheide, wer seine Dienste nutzen dürfe, sei problematisch. Nachdem die CVP mit ihrer Gesundheitskosten-Initiative und ein rechtes Komitee mit dem Begehren «Zuerst Arbeit für Inländer» bei Graf abgeblitzt waren, wurden bürgerliche Stimmen laut, die eine problematische Machtballung ausmachten. Neben der ideologischen Ausrichtung wurden zudem Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes laut.

E-Collecting
Dossier: Vote électronique