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  • Schmid-Federer, Barbara (cvp/pdc, ZH) NR/CN
  • Berset, Alain (sp/ps) BR EDI / CF DFI

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Im August 2019 reichte die SGK-SR eine Motion ein, mit der sie sicherstellen wollte, dass die ambulanten und stationären Leistungen in Kinderspitälern und Kinderkliniken zukünftig kostendeckend vergütet werden. Damit nahm sie die Forderung von vier Standesinitiativen der Kantone St. Gallen (Kt.Iv. 18.309), Thurgau (Kt.Iv. 18.318), Basel-Stadt (Kt.Iv. 18.322) und Basel-Landschaft (Kt.Iv. 18.324) auf, da sie eine Kommissionsmotion als zielführender empfand als die Standesinitiativen, zumal der Bundesrat die Tarifstrukturen im ambulanten und stationären Bereich genehmigt.
Der Bundesrat verwies in seiner Antwort auf die Tarifautonomie der Tarifpartner, betonte aber auch, dass dem Anliegen bereits Rechnung getragen werde. So habe er die ambulante Pädiatrie mit seinen Tarmed-Anpassungen 2014 und 2018 tariflich bessergestellt, zudem habe die Swiss DRG AG auch die stationäre Tarifstruktur verbessert. Damit widersprach er den vier Kantonen, die in ihren Standesinitiativen berichtet hatten, dass die Tarmed-Änderung die Situation für die Kinderspitäler noch verschärft habe und die Änderungen bei den stationären Tarifen die Unterdeckung im Pädiatrie-Bereich zumindest noch nicht behoben habe. Auch der Bundesrat anerkannte, dass die Problematik trotz dieser Bemühungen noch nicht vollständig gelöst sei und empfahl die Motion zur Annahme.
In der Wintersession 2019 behandelte der Ständerat die Motion zusammen mit den vier Standesinitiativen. Dabei bedankte sich Gesundheitsminister Berset für die offene Formulierung der Kommissionsmotion, die dem Bundesrat einen gewissen Spielraum gebe, die Problematik ohne eine Gesetzesänderung anzugehen. Man müsse das Problem lösen, ohne weitere Probleme im Tarifsystem zu generieren. Stillschweigend nahm der Ständerat die Motion in der Folge an und verzichtete darauf, den Standesinitiativen Folge zu geben.

Kostendeckende Finanzierung der Kinderspitäler bei effizient erbrachten Leistungen

In der Wintersession 2019 begrüsste SGK-SR-Kommissionssprecher Paul Rechsteiner (sp, SG) den Ständerat als Zweitrat zur Beratung der Vorlage zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Angehörigenbetreuung. Die mit Blick auf die Kosten sehr massvoll ausgestaltete Vorlage sei sowohl in der Vernehmlassung als auch im Nationalrat auf breite Zustimmung gestossen, begründete Rechsteiner den Eintretensantrag der Kommission. Nachdem die kleine Kammer diesem ohne Gegenantrag gefolgt war, begann sogleich die Detailberatung. Den Beschlüssen des Nationalrats – und somit grossmehrheitlich der Botschaft des Bundesrats – stimmte der Ständerat jeweils stillschweigend zu. Mit Ausnahme einer Ergänzung im Gesetzesentwurf habe die SGK-SR selbst auf weitergehende Forderungen verzichtet, um die Realisierung des Gesetzes nicht weiter zu verzögern, betonte Rechsteiner. Dies sei insbesondere im Interesse des einzigen Antrags, welchen die Kommission gestellt habe: Im Nachgang der bereits verabschiedeten, aber noch nicht in Kraft gesetzten Revision der Ergänzungsleistungen war eine unbeabsichtigte Benachteiligung von gemeinschaftlichen Wohnformen zur Sprache gekommen, welche nun im Rahmen der vorliegenden Revision noch korrigiert werden könne. Durch die im ELG vorgesehene Pro-Kopf-Teilung würden die entsprechenden Maximalbeträge derart gekürzt, dass solche Wohnformen faktisch verunmöglicht würden, erläuterte Rechsteiner die Problematik. Entsprechend solle diese Änderung bereits wieder korrigiert werden, bevor die Änderung des ELG 2021 in Kraft trete. Die Kommission schlug deshalb vor, die Maximalbeträge für den Mietzins von Personen, welche in einer Wohngemeinschaft leben und Rente beziehen, künftig dem jährlichen Höchstbetrag für eine Person in einem Haushalt mit zwei Personen gleichzustellen und diesen Wert nicht mehr auf Basis der tatsächlich in der Wohngemeinschaft lebenden Personen zu berechnen. Die Mitglieder der kleinen Kammer nahmen diesen Antrag – welcher gemäss Gesundheitsminister Alain Berset die Unterstützung des Bundesrats genoss – stillschweigend an. Ohne weitere Wortmeldungen nahm der Ständerat den Entwurf in der Gesamtabstimmung mit 39 Stimmen bei einer Enthaltung ohne Gegenstimmen an und schrieb zugleich das Postulat Seydoux-Christe (cvp, JU; Po. 09.4199) ab.

Bundesgesetz über die Verbesserung der Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Angehörigenbetreuung (BRG 19.027)

Die SGK-NR forderte mittels Motion den obligatorischen Anschluss sämtlicher am Behandlungsprozess beteiligter Gesundheitsfachpersonen an das elektronische Patientendossier. Nachdem man im Dezember 2018 bei Ärztinnen und Ärzten von der doppelten Freiwilligkeit abgewichen sei, gelte es nun, diesen Schritt auch bei den restlichen Leistungserbringenden zu machen, um die Verbreitung des elektronischen Patientendossiers im ambulanten Sektor voranzutreiben. Damit fand die Petition «Digitalisierung und Gesundheitswesen» (Pet. 18.2005) der Jugendsession 2017 Aufnahme in die parlamentarische Beratung.
Im September 2019 behandelte der Nationalrat den Vorstoss. Bea Heim (sp, SO) erklärte für die Kommission, dass es sich bei der Einführung des elektronischen Patientendossiers um ein «Schlüsselelement» für Qualität und Effizienz handle, mit dem Verbesserungen an den Schnittstellen der unterschiedlichen Versorgungsstrukturen vorgenommen werden könnten. Hinzu komme, dass der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien im Gesundheitswesen weniger weit fortgeschritten sei als in anderen Dienstleistungsbereichen, so der französischsprachige Kommissionssprecher Benjamin Roduit (cvp, VS). Durch das elektronische Patientendossier könnten gemäss Einschätzungen von Experten CHF 300 Mio. pro Jahr eingespart werden. Gesundheitsminister Berset sprach sich hingegen gegen den Vorstoss aus. Man sei sich zwar darüber im Klaren, dass die doppelte Freiwilligkeit negative Auswirkungen auf das elektronische Patientendossier im ambulanten Sektor haben könne, trotzdem halte man an deren schrittweisen Aufhebung fest. Schliesslich werde man sich im April 2020 nicht am Ende der Umsetzung des elektronischen Patientendossiers befinden, sondern erst am Anfang. Man müsse im ambulanten Bereich zuerst experimentieren können, bevor man auf den Vorstoss der Kommission eingehen könne. Der Bundesrat stiess mit diesen Worten jedoch auf taube Ohren. Mit deutlichen 161 zu 12 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) stimmten mit Ausnahme der Grünen-Fraktion alle Fraktionen der Motion grossmehrheitlich oder gar geschlossen zu.

Elektronisches Patientendossier. Für alle am Behandlungsprozess beteiligten Gesundheitsfachpersonen (Mo. 19.3955)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Im März 2019 reichte Samira Marti (sp, BL) ein Postulat zur Gesundheit von Lesben, Schwulen und Bisexuellen (LGB) ein. Der Bundesrat soll einen Bericht erstellen, in dem auf geschlechterspezifische Vergleiche mit der übrigen Bevölkerung und auf die Identifizierung von Bereichen, in denen die Notwendigkeit zu spezifischen Massnahmen besteht, eingegangen wird. Dabei sollen die Bereiche Zugang zur Medizin, Selbsteinschätzung der Gesundheit, sexuelle Gesundheit, Substanzkonsum und mentale Gesundheit abgedeckt werden. Aus internationalen Studien gehe hervor, dass Personen der LGB-Community einen schlechteren Gesundheitszustand und einen erschwerten Zugang zu Pflegeinstitutionen hätten als der Rest der Bevölkerung, erklärte die Postulantin. Dies gelte vor allem für Frauen. Für die Schweiz fehlten allerdings entsprechende «Zahlen und Fakten». Daher solle im Bericht eine Analyse des Schweizer Gesundheitsrapports des BFS, welcher zwar Fragen zum Sexualverhalten und gleichgeschlechtlichen Partnern und Partnerinnen enthalte, allerdings noch nie diesbezüglich ausgewertet worden sei, für den Zeitraum 2007 bis 2017 integriert werden, um so «unter Berücksichtigung möglicher weiterer nationaler Datenbanken endlich eine Faktenbasis für die Schweiz» zu schaffen.
Nachdem das Geschäft im Juni 2019 von Verena Herzog (svp, TG) bekämpft worden war, befasste sich der Nationalrat in der darauffolgenden Herbstsession damit. Gesundheitsminister Berset äusserte sich positiv zum Geschäft. Um die Gesundheitsversorgung in der Schweiz zu optimieren, bedürfe es Daten, die für die gesundheitliche Situation der gesamten Schweizer Bevölkerung repräsentativ seien, bezüglich lesbischen, schwulen und bisexuellen Menschen gebe es jedoch Lücken. Aufgrund seiner Homosexualität besonderes Gehör fand in dieser Frage vermutlich SVP-Ratsmitglied Hans-Ueli Vogt (svp, ZH). Er gab zu bedenken, dass Homosexualität bis in die Siebzigerjahre als Krankheit gegolten habe und ein solcher Bericht womöglich zu einem ähnlichen Ergebnis kommen könne. Dadurch würde die Entstigmatisierung wieder rückgängig gemacht und der «Opferstatus einer Gruppe, die nicht krank ist», verstärkt.
Trotz diesen Worten wurde das Postulat mit 100 zu 90 Stimmen angenommen. Die Fraktionen der Grünen, der SP und der GLP stimmten dem Vorstoss geschlossen zu, die SVP-Faktion sprach sich geschlossen dagegen aus. Gespalten zeigten sich die Fraktionen der FDP, CVP und BDP. Anders als Hans-Ueli Vogt stimmten die Nationalräte Martin Naef (sp, ZH), Angelo Barrile (sp, ZH) und Hans-Peter Portmann (fdp, ZH), die ebenfalls homosexuell sind, für das Postulat.

Vergleichender Bericht über die Gesundheit von LGB (Po. 19.3064)

Als Erstrat befasste sich der Ständerat in der Herbstsession 2019 mit dem Bundesgesetz über Tabakprodukte. Joachim Eder (fdp, ZG) erklärte als Kommissionssprecher der SGK-SR, die Vorlage sei einerseits aus Gründen des Jugendschutzes zentral. 57 Prozent aller Raucherinnen und Raucher hätten als Minderjährige mit dem Konsum begonnen. Es solle folglich verhindert werden, dass Jugendliche dazu animiert würden, zur Zigarette zu greifen, sinke doch so die Wahrscheinlichkeit, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt in ihrem Leben mit dem Rauchen anfingen. Weiter stelle der Tabakkonsum auch für die öffentliche Gesundheit ein Problem dar, das mit Folgekosten in Form von Krankenkassenprämien für die gesamte Bevölkerung verbunden sei. Gelinge es, die tabakbedingten Gesundheitsschäden zu reduzieren, so könnten auch die für die Allgemeinheit anfallenden Kosten verringert werden. Andererseits komme dem Bundesratsgeschäft eine hohe Bedeutung in Bezug auf die Erfüllung der Anforderungen für die Ratifizierung der WHO-Konvention zur Eindämmung des Tabakgebrauchs zu. Diese wurde 2004 unterzeichnet, aber im Gegensatz zu 181 anderen Ländern hierzulande noch nicht ratifiziert. Mit den von der Kommission getroffenen Beschlüssen zu Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring würden die diesbezüglich festgelegten Mindestanforderungen jedoch erfüllt. «Die Türen zur Ratifikation stehen damit […] weit offen», so Eder.
Bezüglich Werbung hatte der Bundesrat in seinem Entwurf vorgesehen, am heutigen Recht festzuhalten, mit welchem ein Tabak-Werbeverbot für Radio und Fernsehen existiert, und das speziell an Jugendliche gerichtete Werbung für Tabakprodukte untersagt. Der Kommission wollte allerdings noch einen Schritt weitergehen und Tabakwerbung auch in Zeitungen, Zeitschriften und im Internet verbieten. Ebenfalls nicht gestattet soll Werbung sein, die auf Preisvergleichen oder Versprechungen von Geschenken beruht. Gegen erstere Erweiterung der SGK-SR sprachen sich Filippo Lombardi (cvp, TI) und Daniel Fässler (cvp, AI) aus. Sie erachteten diese Einschränkung als unverhältnismässig und sahen die Schweizer Zeitungen im Vergleich zu ausländischen Zeitungen, die in der Schweiz erworben werden können, aber nicht von diesem Verbot betroffen wären, im Nachteil. Ein Antrag Fässler, der das Streichen dieser Bestimmung forderte, wie auch zwei Minderheiten Stöckli (sp, BE), die eine Verschärfung betreffend Jugendschutz in Richtung der Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung» erreichen wollten, wurden beide abgelehnt. Weiterhin erlaubt sein soll Tabakwerbung in Kinos, auf Plakaten und Gebrauchsartikeln, in Geschäften wie auch in Form von Massenmails und Direktwerbung an Erwachsene. Es gehe nicht darum, Tabakwerbung zu verbieten, sondern sie einzuschränken, hob Gesundheitsminister Berset hervor.
Die Kommission wollte zudem an der Verkaufsförderung, die gemäss Eder nicht mit dem Sponsoring verwechselt werden darf, Einschränkungen vornehmen. Sie beabsichtigte ein Verbot der unentgeltlichen Abgabe und der Abgabe von Geschenken und Preisen. Der Ständerat stimmte diesem Antrag einstimmig zu.
Zu Diskussionen führten die von der Kommission geplanten Massnahmen bezüglich Sponsoring. Um die Mindestanforderungen der WHO-Konvention zu erfüllen, sollen in der Schweiz stattfindende internationale Anlässe nicht mehr durch die Tabakindustrie gesponsert werden dürfen. Dabei handle es sich aber nur um eine sehr kleine Anzahl Fälle, so Eder. Anlässe nationalen Charakters seien von diesem Verbot nicht betroffen. Umstritten war im Rat vor allem, dass die SGK-SR darüber hinaus plante, das Auftreten der Tabakbranche als Sponsor von Aktivitäten des Bundes, der Kantone und der Gemeinden zu untersagen. Anlass dazu war die Partnerschaft des EDA mit dem Tabakriesen Philip Morris für die Expo 2020 in Dubai, die in den Medien für Aufregung gesorgt hatte. Während Kommissionssprecher Eder erklärte, bei solchen Kooperationen bestehe ein Zielkonflikt mit der vom Bund betriebenen Tabakprävention, zeigte sich Roland Eberle (svp, TG) nicht damit einverstanden. Man solle sich nicht aufgrund eines solchen Ereignis zum Einbauen einer Lex specialis verleiten lassen. Vielmehr sei es an den Organisatoren, die Verantwortung zu tragen, wer welchen Beitrag sponsert. Es gelang ihm jedoch nicht, die Mehrheit des Ständerates zu überzeugen; damit untersagte der Ständerat das Sponsoring von Aktivitäten der öffentlichen Hand durch die Tabakbranche. Ebenfalls der Kommissionsmehrheit folgte das Stöckli bezüglich der Forderung, dass von Seiten der Herstellerinnen und Hersteller getätigte Ausgaben für Werbung, Verkaufsförderung und Sponsoring dem BAG gemeldet werden sollen müssen.
Weiter beschloss die kleine Kammer im Rahmen des Tabakproduktegesetzes, dass in der Schweiz keine Tabakprodukte mehr an Minderjährige abgegeben werden dürfen. In der Gesamtabstimmung verabschiedete der Ständerat das Gesetz mit 32 zu 3 Stimmen (bei 5 Enthaltungen).

Tabakproduktegesetz (BRG 15.075)
Dossier: Tabakproduktegesetz

Am 13. September 2019 gab der Bundesrat seinen indirekten Gegenvorschlag zur Organspende-Initiative in die Vernehmlassung. Anstelle der engen Widerspruchslösung sah er eine erweiterte Widerspruchslösung vor. Konkret sollen wie bei der Initiative die Organe einer verstorbenen Person entnommen werden können, falls sich diese vor ihrem Tod nicht explizit dagegen ausgesprochen hatte. Anders als bei der Initiative sah der Gegenvorschlag allerdings den Einbezug der Angehörigen vor, welchen ein subsidiäres Widerspruchsrecht zukommen soll, falls der Wille des bzw. der Verstorbenen unbekannt ist. So sollen die Angehörigen eine Organentnahme ablehnen können, wenn davon ausgegangen werden muss, dass dies im Sinne der hingeschiedenen Person ist. Die Landesregierung plante eine intensive Informationskampagne, mit welcher die Bevölkerung über die zulässige Organ-, Gewebe- und Zellentnahme bei fehlendem Widerspruch und darüber, dass ein allfälliger Widerspruch in einem dafür geschaffenen Register festgehalten werden muss, unterrichtet werden soll. Von der Widerspruchslösung ausgenommen werden sollen Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren, urteilsunfähige Menschen sowie Personen, deren Wohnsitz sich nicht in der Schweiz befindet, weil sie gemäss erläuterndem Bericht nicht über die Widerspruchslösung informiert werden können oder weil sie nicht die Gelegenheit hatten, sich gegen eine Organentnahme auszusprechen. Fehlt bei diesen Personengruppen der Widerspruch, müssten ihre Angehörigen angefragt werden, «ob sie einer Entnahme widersprechen möchten».

Inwiefern ein erweitertes Widerspruchsmodell im Vergleich zum Zustimmungsmodell die Angehörigen entlasten würde, ist umstritten. Gesundheitsminister Berset erklärte, dass zwar bei beiden Modellen die Angehörigen entscheiden müssten, dass dadurch, dass die Organentnahme nicht mehr die Ausnahme, sondern den Normalfall darstelle, «das Gespräch zwischen Pflege und Verwandten beeinfluss[t]» werde. Während Renato Lenherr, Leiter des Organspende-Netzwerks DCA, sich im Tagesanzeiger davon überzeugt zeigte, dass das Widerspruchsmodell den Angehörigen beim Treffen des Entscheids entgegenkomme, weil es sich bei der Organentnahme um den Regelfall handle, war Notfallpsychologin Viviana Abati der Ansicht, dass die Angehörigen durch den Systemwechsel nicht entlastet, sondern zusätzlich belastet würden, weil sie sich gegen eine Organspende «wehren» müssten, wenn sie der Auffassung seien, dass eine solche dem Willen des respektive der Verstorbenen widerspreche.

Einige Tage bevor der Bundesrat seinen Entwurf in die Vernehmlassung gab, hatte die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin (NEK), welche die Widerspruchslösung für «ethisch bedenklich» hielt, einen Alternativvorschlag präsentiert. Denn auch sie befand die aktuelle Situation für unbefriedigend, da eine Mehrheit der Bevölkerung eine positive Haltung gegenüber einer Organspende einnehme, sich allerdings nur sehr wenige diesbezüglich explizit äusserten. Dies habe zur Folge, dass es an den Angehörigen liege, diese schwierige Entscheidung zu treffen, und zudem nicht genügend Organe vorhanden seien. Mit dem sogenannten Erklärungsmodell sah die NEK vor, dass sich die Menschen regelmässig mit der Frage, ob sie Organe spenden möchten oder nicht, auseinandersetzen und ihren Willen in einem Register eintragen müssen. Wie genau die Regelung ausgestaltet werden soll, darüber bedürfe es noch Diskussionen, so die Kommission in der NZZ. In den Medien war diesbezüglich von einem Spenderegistereintrag bei der Erneuerung der Identitätsausweise oder anlässlich von Konsultationen beim Hausarzt die Rede. Neben der Zustimmung und der Ablehnung der Organspende soll auch die Angabe «keine Erklärung» gemacht werden können. Die NEK versprach sich vom Erklärungsmodell, dass sich die positive Grundhaltung der Schweizer Bevölkerung bezüglich Organspende auch in den Anzahl Spenderegistereinträgen niederschlagen und dass das Vertrauen in die Organspende gefördert würde. Gemäss NZZ hatte sich auch der Bundesrat mit dem Erklärungsmodell auseinandergesetzt, dieses allerdings verworfen, da er unter anderem die wiederholte Abfrage des Spenderwillens «als Eingriff in die persönliche Freiheit» interpretierte.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Die von ihrer Schwesterkommission eingereichte Motion zur Vergütung von ausserkantonalen stationären Wahlbehandlungen zum maximalen Tarif des Wohnkantons empfahl die SGK-SR ihrem Rat Anfang September 2019 einstimmig (mit 10 zu 0 Stimmen) zur Annahme. Nachdem Kommissionssprecherin Pascale Bruderer (sp, AG) in der Herbstsession 2019 die Situation noch einmal dargelegt und Gesundheitsminister Berset die Unterstützung des Bundesrates zugesichert hatte, wurde das Geschäft von den Ständerätinnen und Ständeräten stillschweigend gutgeheissen.

Transparenz in der Spitalfinanzierung. Ausschreibungspflicht für gemeinwirtschaftliche Leistungen

Auf Anraten der einstimmigen Empfehlung der SGK-SR lehnte der Ständerat die Motion Herzog (svp, TG) «Transparenz in der Spitalfinanzierung. Ausschreibungspflicht für gemeinwirtschaftliche Leistungen» stillschweigend ab. Man verneine die Notwendigkeit von Transparenz und Evaluation der Spitalfinanzierung zwar nicht, jedoch gelte es unter anderem aus föderalistischen Gründen, das Geschäft abzulehnen, erklärte Kommissionssprecherin Pascale Bruderer Wyss (sp, AG). Gesundheitsminister Alain Berset schloss sich diesen Worten an. Die gemeinwirtschaftlichen Leistungen würden nicht unter die Leistungen der OKP fallen und auch nicht zu den Aufgaben gehören, die dem Bund ausserhalb der OKP übertragen worden seien. Daher sei eine Ausschreibungspflicht auf Bundesebene nicht nur politisch unangemessen, sondern auch verfassungswidrig.

Transparenz in der Spitalfinanzierung. Ausschreibungspflicht für gemeinwirtschaftliche Leistungen
Dossier: Qualität und Transparenz in der Gesundheitsversorgung

Mittels Postulat forderte Laurent Wehrli (fdp, VD) vom Bundesrat Auskunft über die im Rahmen des elektronischen Patientendossiers (EPD) bereits ergriffenen Massnahmen wie auch über solche, die noch zu ergreifen sind, um die Einführung des EPD voranzutreiben und dessen Nutzung zu unterstützen. Da das Erstellen des EPD für die Leistungserbringenden im ambulanten Bereich freiwillig ist, müssten Vertrauen in das Instrument und die Motivation zu dessen Nutzung geschaffen sowie dessen Vorteile konkret aufgezeigt werden. Balthasar Glättli (gp, ZH) hatte das Postulat in der Frühjahrssession 2019 bekämpft, da er aufgrund des Titels des Vorstosses eine «flächendeckende Einführung» des EPD und die Verletzung der doppelten Freiwilligkeit befürchtet hatte. Er zog die Bekämpfung Anfang Juni 2019 jedoch zurück, nachdem Wehrli im Nationalrat erklärt hatte, dass das Geschäft keine Konsequenzen für den bestehenden rechtlichen Rahmen habe.
Bundesrat Berset befürwortete das Postulat im Namen des Gesamtbundesrats. Dabei unterstrich er noch einmal die Wichtigkeit der doppelten Freiwilligkeit und erklärte, dass man mit den Kantonen in Kontakt stehe, um die Fragen rund um das EPD zu klären. Stillschweigend und diskussionslos nahm der Nationalrat das Geschäft gute zwei Wochen später an.

Elektronisches Patientendossier. Was gibt es noch zu tun bis zu seiner flächendeckenden Verwendung? (Po. 18.4328)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Rosmarie Quadranti (bdp, ZH) forderte in der Frühjahrssession 2019 mittels Motion die Zulassung und Regelung der Eizellenspende. Mit dem Inkrafttreten des ersten Fortpflanzungsmedizingesetzes 2001 sei die Samenspende erlaubt, die Eizellenspende hingegen verboten worden. Dies diskriminiere die weibliche Keimzelle, so die Motionärin. Ein früherer Anlauf, Eizellspenden zuzulassen – die parlamentarische Initiative Neirynck (cvp, VD; Pa.Iv. 12.487) –, war 2016 am Nationalrat gescheitert. Trotzdem zeigte sich Quadranti davon überzeugt, dass das Anliegen von weiten Teilen der Bevölkerung getragen werde. So sprächen sich gemäss einer Umfrage des GfK über 60 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer für die Eizellenspende aus. Auch den jungen Bürgerinnen und Bürgern liege die Thematik am Herzen, wie die Jugendsession 2016 (Pet. 16.2019) aufgezeigt habe. Die Zulassung käme unfruchtbaren Paaren mit Kinderwunsch entgegen, die bisher auf eines der zwanzig europäischen Länder ausweichen mussten, in welchen die Eizellenspende zugelassen ist. Zudem sei das revidierte Fortpflanzungsmedizingesetz, mit dessen Noch-Nicht-Inkrafttreten der Bundesrat in seiner Stellungnahme 2017 seinen Antrag auf Ablehnung begründet hatte, unterdessen in Kraft.
Alain Berset erklärte, er sei sich über die Problematik, die mit dem Gesetz verbunden ist, im Klaren. Dennoch halte er die Zulassung der Eizellenspende nicht für angebracht, weil das von Rosmarie Quadranti angesprochene Gesetz mittlerweile zwar in Kraft sei, aber eben auch einen Bericht über die Auswirkung zur Zulassung der Präimplantationsdiagnostik fordere. Die Ergebnisse dazu dürften erst 2023 vorliegen. Zudem müsse man die Resultate des Berichtes zum Postulat über das Abstammungsrecht (Po. 18.3714) berücksichtigen, den der Bundesrat zurzeit erstelle. Daher erachte es der Bundesrat nicht als ratsam, bereits zuvor eine Gesetzesrevision einzuleiten. Diese Worte fanden bei den Nationalrätinnen und Nationalräten Gehör und folglich wurde die Motion mit 108 zu 62 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) abgelehnt.

Zulassung und Regelung der Eizellenspende (Mo. 17.3047)
Dossier: Eizellenspende

Mittels Motion forderte Bea Heim (sp, SO) die Schaffung einer Rechtsgrundlage zur Vergütungstransparenz der Listen- und Vetragsspitäler. Nachdem der Vorstoss zweimal bekämpft worden war, wurde er schliesslich in der Frühjahrssession 2019 vom Nationalrat behandelt. Die Motionärin erklärte, dass die Honorare der Ärzteschaft mit einer leitenden Position offengelegt werden sollen, so wie es bis 2012 – damals noch mit unzureichender rechtlicher Grundlage – durch die FMH gemacht worden war. Eine Verbesserung der Transparenz sei deshalb wichtig, weil man damit der Kritik überhöhter Ärztelöhne entgegenwirken könne, unter welcher das Vertrauen in die Ärztinnen und Ärzte sowie ihr Image leide. Gemäss der Akademie Menschenmedizin erhielten etwa ein Viertel der Ärzteschaft einen Bonus, wenn sie zu einer Umsatzsteigerung des Spitals beitrügen, so Heim. Dies führe zu falschen Anreizen, da dadurch unnötige Eingriffe und hohe Kosten für die OKP verursacht würden. Zudem könnten die Kantone ihre Aufsichtspflicht nur gewährleisten, wenn Transparenz herrsche. Thomas Aeschi (svp, ZG) war da anderer Ansicht. Er warf Heim vor, ein sozialdemokratisches Anliegen einer gesamten Branche überstülpen zu wollen. Durch eine Annahme der Motion könnte künftig weiteren Branchen das gleiche Schicksal drohen. Aus einer privatwirtschaftlicher Sicht empfehle er daher, den Vorstoss abzulehnen. Alain Berset hingegen sprach sich im Namen des Gesamtbundesrates für das Geschäft aus. Obwohl die Kantone für die Aufsicht der Spitäler verantwortlich seien, teilte Berset unter anderem die Sorge über die Fehlanreize verursacht durch die Boni. Weiter sprach sich der Bundesrat dafür aus, die Transparenz zu erhöhen und eine Änderung im KVG zu überprüfen. Mit 124 zu 59 Stimmen stimmte die grosse Kammer für die Motion, wobei 52 Gegenstimmen aus dem Lager der SVP-Fraktion stammten.

Transparenz bei Entschädigungen und Honoraren für Ärzte und Ärtinnen in leitender Funktion (Mo. 18.3107)

Dank den vom Nationalrat vorgenommenen Verbesserungen trat die SGK-SR im Juni 2018 auf die Vorlage zur Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit im KVG ein und hiess sie im Februar 2019 mit 11 zu 2 Stimmen gut. Während eine Kommissionsminderheit die von ihrer Schwesterkommission vorgeschlagene Eidgenössische Qualitätskommission befürwortete, machte sich die Kommissionsmehrheit für eine privatrechtliche Organisation stark. Diese sollte sich aus Kantonen, Leistungserbringern sowie Versicherern zusammensetzen und unter anderem Qualitätsindikatoren entwickeln. Dazu sollten zwischen 2021 und 2024 CHF 50 Mio. durch den Bund, die Kantone und die Versicherer gesprochen werden.
In der Frühlingssession 2019 gelangte das Geschäft in den Ständerat. Dort fand der Vorschlag der Kommissionsmehrheit jedoch bezüglich Organisationsform keinen Anklang. Stattdessen sprach sich die kleine Kammer – wie bereits die Kommissionsminderheit Stöckli (sp, BE), die SGK-NR und ihr Schwesterrat – mit 24 zu 18 Stimmen für eine Qualitätskommission aus, die durch den Bund, die Kantone und die Versicherer finanziert werden soll. Anders als vom Nationalrat vorgeschlagen, sollten darin auch die Patientinnen- und Patientenorganisationen vertreten sein. Bundesrat Berset begrüsste diesen Entscheid, da sich eine Eidgenössische Qualitätskommission schneller und einfacher einrichten liesse als eine privatrechtliche Organisation. In der Gesamtabstimmung stimmte der Ständerat der Gesetzesänderung mit 35 zu 3 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) zu und überwies sie mit einigen kleineren Änderungen zurück an den Nationalrat.

KVG. Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit (BRG 15.083)
Dossier: Qualität und Transparenz in der Gesundheitsversorgung

Der Ständerat beschäftigte sich im März 2019 als erster der beiden Räte mit der neuen Medizinprodukte-Regulierung. Im Namen der SGK-SR gab Didier Berberat (sp, NE) bekannt, dass die Kommission den vom Bundesrat vorgeschlagenen Entwurf ohne Änderung einstimmig angenommen habe. Er begründete die Wichtigkeit der Vorlage einerseits mit dem besseren Schutz der Patientenschaft vor fehlerhaften Medizinprodukten und deren Möglichkeit, vom gesamten europäischen Produkteangebot zu profitieren, andererseits sei die neue Regulierung auch essentiell, um der Schweizer Medizinprodukteindustrie freien Zugang zum europäischen Markt zu gewähren. Diesem Votum schlossen sich die anderen Redner, zu denen auch Gesundheitsminister Berset gehörte, an. In der Folge wurde Eintreten ohne Gegenantrag beschlossen. In der Detailberatung erklärte sich die kleine Kammer – abgesehen von einer kleinen formalen Änderung – stillschweigend mit sämtlichen Punkten des bundesrätlichen Entwurfs einverstanden. Den Ausgaben für die Mehrkosten, mit denen aufgrund der Kompetenzstärkung von Swissmedic und der strengeren Aufsicht gerechnet wurde, stimmte der Ständerat mit 31 zu 0 Stimmen einstimmig zu. Auch in der Gesamtabstimmung sprachen sich die Kantonsvertreterinnen und -vertreter einstimmig (bei 2 Enthaltungen) für die Annahme des Entwurfs aus.

Heilmittelgesetz. Neue Medizinprodukte-Regulierung (BRG 18.081)

Stillschweigend nahm der Ständerat in der Wintersession 2018 eine abgeänderte Version der Motion der SGK-NR zur Schadensprävention und zum Umgang mit Schäden bei medizinischen Behandlungen an. Damit folgte er der Empfehlung des Bundesrates und der SGK-SR, welche sich dafür ausgesprochen hatten, den ersten Punkt des Geschäftes – die Stärkung und Implementierung einer Sicherheits- und Fehlerlernkultur – anzunehmen, das zweite und dritte Lemma, welche in erster Linie das Haftpflichtrecht betreffen, hingegen abzulehnen. So betonte der für die Kommission sprechende Joachim Eder (fdp, ZG) unter anderem die Wichtigkeit der Prävention – ein Punkt, der auch in der KVG-Änderung zur Qualitätssicherung aufgegriffen wird – und der Zusammenarbeit mit den entsprechenden Partnern. Da in der Schweiz kein spezifisches Medizinal-Haftpflichtrecht existiere und folglich für Privatkliniken ein anderes Recht zur Anwendung komme als für öffentliche Spitäler, lehne man die letzten beiden in der Motion geforderten Punkte ab. Das Haftpflichtrecht anzupassen, «wäre entweder mit sehr grossem Aufwand verbunden, oder» die Anpassung würde nur teilweise wirken. Eine Verschärfung der Beweisregeln, welche die Ärztinnen und Ärzte betreffen würde, könne zudem eine «Misstrauens- und Abwehrhaltung» der Ärzteschaft mit sich bringen. Bundesrat Berset unterstrich überdies die Bedeutung der Bemühungen, die Transparenz zu verbessern und an einer konstruktiven Fehlerkultur zu arbeiten.

Schadensprävention und Umgang mit Schäden bei medizinischen Behandlungen

Die Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit des Nationalrates (SGK-NR) forderte den Bundesrat mittels Motion dazu auf, zusammen mit den Kantonen, den Krankenkassen, Gesundheitsfachpersonen sowie Patientenorganisationen und der Stiftung Patientensicherheit betreffend Schadensprävention und Umgang mit Schäden bei medizinischen Behandlungen Schritte zu unternehmen. So solle die Entwicklung einer «Sicherheits- und Fehlerlernkultur», welche mit Regressmöglichkeiten und einer durch die Behandlungstransparenz ermöglichten Vereinfachung der Beweissituation gekoppelt ist, gestärkt werden. Weitere Forderungen bestanden in der Optimierung des Medizinal-Haftpflichtrechts und der Klärung von Fragen bezüglich des Haftungsrechtes auf Bundes- und Kantonsebene.
In der Nationalratsdebatte erklärte Bea Heim (sp, SO) für die Kommission, dass die Kommissionsmotion auf die parlamentarische Initiative Giezendanner (svp, AG) zurückzuführen sei (Pa.Iv. 16.468). Diese wurde eingereicht, weil der Initiant der Auffassung war, das Bundesratsgeschäft «KVG. Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit» beziehe keine Position zum Thema «Rückforderung von Kosten aus Behandlungsfehlern» ein. Da es neben der Vermeidung unnötiger Kosten insbesondere um den Patientinnen- und Patientenschutz gehe, sehe auch die SGK-NR einen unbestrittenen Handlungsbedarf, so Heim. Jedoch werfe Giezendanners Vorstoss viele Fragen auf, unter anderem betreffend Sicherheit und Rechte der Patientinnen und Patienten, Haftungsrecht und Nachweisbarkeit von Behandlungsfehlern. Daher habe die Kommission mit 22 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung) beschlossen, eine Kommissionsmotion einzureichen, worauf Giezendanner seine parlamentarische Initiative zurückgezogen hatte.
Alain Berset führte aus, was bereits in der im März 2018 publizierten Stellungnahme des Bundesrates geschrieben worden war: Auch für den Bundesrat sei es wichtig, die Schadensprävention und die Patientensicherheit zu stärken, jedoch stehe dabei «der Handlungsbedarf im Bereich der Qualitätsentwicklung» im Zentrum. So wolle man präventive Massnahmen aufseiten der Leistungserbringer unterstützen, weil man der Meinung sei, dass eine «sich aus der Transparenz ergebende, selbstmotivierte Qualitätsentwicklung» effektiver sei als die auf Schadenausgleich abzielenden Erleichterungen im Regress- sowie im Haftpflichtrecht. Zudem habe das Geschäft «KVG. Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit» vom Nationalrat Unterstützung erfahren, müsse allerdings noch vom Ständerat diskutiert werden. Daher erscheine es dem Bundesrat zurzeit nicht angemessen, die in der Kommissionsmotion beschriebenen Massnahmen umzusetzen. Vielmehr gelte es nun, die Diskussion über besagtes Bundesratsgeschäft abzuwarten. Folglich empfehle er, den Vorstoss abzulehnen.
Die grosse Kammer schenkte den Argumenten Bersets jedoch kein Gehör und unterstützte die Haltung ihrer Kommission, indem sie die Motion mit 178 zu 1 Stimmen (bei 0 Enthaltungen) annahm.

Schadensprävention und Umgang mit Schäden bei medizinischen Behandlungen

Mittels Motion wollte Verena Herzog (svp, TG) gemeinwirtschaftliche Leistungen dem öffentlichen Beschaffungsrecht unterstellen. Hintergrund der Motion war die Machbarkeitsstudie des BAG zur «Finanzierung der Investitionen und gemeinwirtschaftlichen Leistungen von Spitälern». Diese habe aufgezeigt, dass die Kantone ihre Spitäler jedes Jahr mit «Hunderten von Millionen Franken» in Form von gemeinwirtschaftlichen Leistungen unterstützten, so die Motionärin während der Herbstsession 2018. Dabei werde jedoch oft intransparent und freihändig vorgegangen, was teilweise im Widerspruch zum KVG stehe. Durch eine Ausschreibungspflicht für gemeinwirtschaftliche Leistungen und der damit verbundenen Transparenz könnten hingegen die Kosten reduziert und Effizienz gewonnen werden. Zwar sei die Gesundheitsversorgung Sache der Kantone, eine von Polynomics durchgeführte Studie zu «Staat und Wettbewerb» habe das Nichtausschreiben von gemeinwirtschaftlichen Leistungen allerdings ebenfalls als problematisch beurteilt. Komplex sei die Angelegenheit, weil die Kantone aufgrund heterogener regionalpolitischer Interessen bezüglich der Definition von gemeinwirtschaftlichen Leistungen keinen Konsens gefunden hätten und weil diese auch im KVG nicht abschliessend geklärt würde, ergänzte Herzog in der Ratsdebatte. Gesundheitsminister Berset befürwortete im Namen des Bundesrates die Wichtigkeit von Transparenz und Effizienz im Spitalbereich, jedoch falle das in diesem Geschäft geforderte Anliegen nicht in den Zuständigkeitsbereich des Bundes, sondern in denjenigen der Kantone. Daher beantrage der Bundesrat, den Vorstoss abzulehnen. Der Nationalrat fand für diese Worte kein Gehör und nahm die Motion mit 100 zu 92 Stimmen (bei 0 Enthaltungen) an.

Transparenz in der Spitalfinanzierung. Ausschreibungspflicht für gemeinwirtschaftliche Leistungen
Dossier: Qualität und Transparenz in der Gesundheitsversorgung

Die SGK-NR reichte im Mai 2018 eine Motion ein, mit welcher sie die Vergütung von ausserkantonalen stationären Wahlbehandlungen zum maximalen Tarif des Wohnkantons erreichen wollte, falls es sich beim Standortspital um denselben Krankenhaustyp handelt und der Tarif dort höher angesetzt ist als im eigenen Kanton. Während der Herbstsession 2018 erklärte Lorenz Hess (bdp, BE) für die Kommission, man wolle damit verhindern, dass die Kantone den Referenztarif – also den Betrag, den die Kantone an ausserkantonale Behandlungen bezahlten – zu tief anlegten. Diese Praxis schade dem Wettbewerb sowie der freien Spitalwahl und benachteilige die Betroffenen. Mit dem Artikel 41 der KVG-Revision zur Spitalfinanzierung sei ursprünglich die Einführung der kantonsübergreifenden Spitalwahl beabsichtigt gewesen, wobei sichergestellt werden sollte, dass die Kantone für Behandlungen ihrer Einwohnerinnen und Einwohner ausserhalb des Wohnkantons nicht mehr bezahlen müssten als innerhalb. Nun bezahlten die Kantone aber teilweise weniger an die ausserkantonalen Behandlungen. Bundesrat Berset unterstützte den Vorstoss der Kommission. Gemäss den geltenden Rechtsvorschriften seien die Kantone bei Behandlungen ausserhalb des Kantons verpflichtet, den Tarif eines ihrer Listenspitäler als Referenz zu berücksichtigen, welches die betreffende Behandlung tatsächlich auch selbst anbietet. Wenn im Wohnkanton allerdings mehrere Krankenhäuser die Behandlung durchführen, sei bisher nicht geregelt, wie der Referenztarif bestimmt wird. Stillschweigend nahm der Nationalrat die Motion an.

Transparenz in der Spitalfinanzierung. Ausschreibungspflicht für gemeinwirtschaftliche Leistungen

In der Herbstsession 2018 widmete sich der Nationalrat einer Motion Gugger (evp, ZH), welche darauf abzielte, Kinder und Jugendliche vor Tabakwerbung in den klassischen und digitalen Medien zu schützen. Hierfür forderte der Motionär ein Werbeverbot für Tabakprodukte in Medien ohne Bezahlabonnemente oder sonstigen Identifikationsmethoden, die somit für Jugendliche einfach zugänglich seien. Bereits seit 2003 gelte beispielsweise in der EU ein ähnliches Tabakwerbeverbot in den öffentlichen Medien sowie im Internet, zeigte Gugger auf. Durch ein entsprechendes Verbot könnte der Anteil an Raucherinnen und Rauchern bei Schweizer Jugendlichen verringert werden, wobei so langfristig auch die Sterberate infolge Tabakkonsums geschmälert werden könnte. Ratskollege de Courten (svp, BL) kritisierte den Vorstoss als «nicht nur nicht wirksam», sondern auch als «schlicht nicht durchsetzbar». Die Annahme, dass Jugendliche aufgrund von Tabakwerbung mit dem Rauchen beginnen würden, sei zudem falsch. Viel wichtiger für diese Entscheidung seien dagegen Gruppendruck oder das Rauchverhalten der Eltern, womit ein Tabakwerbeverbot nicht gerechtfertigt sei. Bundespräsident Alain Berset beantragte den Mitgliedern der grossen Kammer hingegen, die Motion Gugger anzunehmen, da deren Forderungen in die Stossrichtung der Tabakprävention des Bundesrats passe und unter anderem in die laufenden Arbeiten am Tabakproduktegesetz integriert werden könnten. Bei der folgenden Abstimmung wurde die Motion Gugger mit 94 zu 89 Stimmen (bei 7 Enthaltungen) knapp abgelehnt. Gegen den Vorstoss stimmten die geschlossene BDP-Fraktion, die Mehrheit der SVP- und FDP.Liberale-Fraktionen sowie eine Minderheit der CVP-Fraktion.

Kinder und Jugendliche vor der Tabakwerbung in den klassischen und digitalen Medien schützen (Mo. 17.4268)

Hans Stöckli (sp, BE) reichte 2018 eine Motion ein, mit welcher er die Schaffung einer Rechtsgrundlage zu elektronischen oder gedruckten Medikationsplänen für Patientinnen und Patienten, die während mindestens 28 Tagen drei oder mehr Medikamente gleichzeitig einnehmen, forderte. Polymedikation – also die gleichzeitige Einnahme mehrerer Medikamente – komme vor allem bei chronisch kranken und älteren Personen vor und sei aufgrund oft nicht vollständig vorhandenen Informationen zu den verschiedenen Arzneimitteln mit dem Risiko von Nebenwirkungen und Interaktionen behaftet, erklärte der Motionär. So rangierten Medikationsfehler unter den im Gesundheitswesen am häufigsten gemachten Fehlern und verursachten die Hälfte aller jährlich auftretenden, vermeidbaren Todesfälle. Ein Medikationsplan könnte dem Einhalt gebieten, da dadurch «eine Übersicht über alle verschriebenen und eingenommenen Medikamente» gewährleistet wäre. Es handle sich dabei um eine «qualitätssichernde Massnahme», die der Patientensicherheit diene. Gemäss Stöckli gälten unabhängig von der Form des Medikationsplans die gleichen Anforderungen. Allerdings betonte er den Vorteil, dass bei der digitalen Version eine höhere Wahrscheinlichkeit bestehe, dass die vorliegende Liste vollständig und aktuell sei. Insbesondere im Zusammenhang mit der Einführung des elektronischen Patientendossiers wäre diese Art von Qualitätssicherung relevant.
Bundesrat Berset zeigte sich von Stöcklis Vorstoss überzeugt, betonte jedoch, dass man bezüglich der fehlenden Pflicht, elektronische Patientendossiers zu führen, – was Vorrausetzung für einen elektronischen Medikationsplan ist – noch einige Dinge regeln müsse. Im Namen des Gesamtbundesrates empfahl er die Motion zur Annahme. Stillschweigend folgte der Ständerat diesem Votum.

Recht auf einen Medikationsplan zur Stärkung der Patientensicherheit (Mo. 18.3512)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Ständerätin Liliane Maury Pasquier (sp, GE) wollte den Bundesrat mittels Postulat zur Ausarbeitung eines Berichtes über die reproduktionsschädigende Wirkung des Antieptileptikums Depakine und dessen Generika bzw. des Wirkstoffes Valproat beauftragen. Laut der Postulantin würden 10 Prozent der Kinder von Frauen, welche während der Schwangerschaft Valproat einnahmen, mit Missbildungen wie einer Spina bifida oder einem Herzfehler geboren. 30 bis 40 Prozent wiesen Entwicklungsstörungen auf. Obwohl die Effekte von Depakine, welches vor fünfzig Jahren auf den Markt kam, seit längerer Zeit bekannt seien, würden werdende Eltern nicht genügend über die bestehenden Risiken informiert. So sei das Medikament alleine in Frankreich zwischen 2007 und 2014 über 14'000 Schwangeren verschrieben worden – ohne jeglichen Verweis auf mögliche Nebenwirkungen. In der Folge sei eine strafrechtliche Untersuchung eröffnet, eine Sammelklage eingereicht und ein Entschädigungsfonds eingeführt worden. Auch in der Schweiz hätten im vergangenen Jahr mehrere betroffene Familien aufgrund fehlender Risikoaufklärung die Gerichte angerufen. Die Behandlungsrisiken für Schwangere würden erst seit 2015 klar als Nebenwirkung aufgeführt. Da die Schweiz kein Register über Verschreibungen kenne und die Meldung von schwerwiegenden Nebenwirkungen erst seit 2012 obligatorisch sei, sei die Zahl der schwangeren Frauen, welche das Medikament verabreicht bekamen, unbekannt, so die Postulantin. Ihr geforderter Bericht soll daher die Zahl der bei Swissmedic gemeldeten Geburtsschäden und Entwicklungsstörungen, die im Zusammenhang mit Valproat stehen, aufzeigen und gleichzeitig abschätzen, wie viele Fälle in Zukunft erwartet werden würden. Zudem soll die Wirksamkeit der kürzlich eingeführten Massnahmen – unter anderem die Aktualisierungen der Arzneimittelverpackung und der Fachinformationen – zur Prävention neuer Fälle bewertet und eine Erklärung dafür geliefert werden, weshalb Frauen erst Jahre nach dem Bekanntwerden der reproduktionsschädigenden Wirkungen systematisch informiert wurden. Auch im Bericht enthalten sein sollen Vorschläge, welche dazu dienen, ähnliche Vorkommnisse bei anderen Medikamenten zu verhindern. Um den Leidtragenden den Entschädigungszugang auch nach mehreren Jahren garantieren zu können, sollen die bestehenden Instrumente und notwendigen Gesetzesänderungen ebenfalls dargestellt werden.
Bundesrat Alain Berset erklärte, dass die von der Postulantin aufgeworfenen Fragen auch den Bundesrat beschäftigten. Er und seine Ratskolleginnen und -kollegen seien der Meinung, dass vor allem die Schadensprävention verbessert werden müsse, was unter anderem das Ziel des Bundesratsgeschäftes zur Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitssteigerung des Gesundheitssystems sei. Daher beantragte er die Annahme des Postulates.
Die kleine Kammer folgte diesem Antrag und nahm den Vorstoss stillschweigend an.

Valproat und dessen reproduktionsschädigende Wirkungen

Mittels Postulat forderte die SGK-SR den Bundesrat auf, einen Bericht mit Empfehlungen für eine bessere Betreuung und Behandlung von Menschen am Lebensende auszuarbeiten. Dabei soll auf Themen wie Palliativ Care, ihre nachhaltige Sicherstellung in der ganzen Schweiz, ihre Finanzierung sowie Zugang zu dieser für alle Menschen eingegangen werden. Zudem sollen die gesundheitliche Vorausplanung, die Sensibilisierung der Bevölkerung und der allfällige vom Bundesrat vorgesehene Regulierungsbedarf in den Bericht einfliessen. Hintergrund des Postulats waren die Ergebnisse des Nationalen Forschungsprogramms 67 zum Thema «Lebensende».
Bedingt durch die höhere Lebenserwartung nehme der Bedarf nach Angeboten für eine würdige letzte Lebensphase und ein würdiges Sterben zu, so Paul Rechsteiner (sp, SG) für die Kommission während der Ständeratsdebatte in der Sommersession 2018. Man müsse dabei jedoch nicht am Nullpunkt beginnen, da durch die nationale Strategie Palliative Care 2010-2015 bereits viel Vorarbeit geleistet worden sei. Während Werner Hösli (svp, GL) das Postulat in einigen Punkten kritisierte – unter anderem würde mit dem Postulat ein teurer Markt für das schmerzlose Sterben angepeilt und der Titel des Vorstosses trage der hervorragenden Arbeit, die in diesem Gebiet getätigt werde, keine Rechnung –, sprach sich Alain Berset im Namen des Gesamtbundesrates für das Geschäft aus. Es sei bereits einiges in diesem Bereich gemacht worden, trotzdem gebe es noch wichtige medizinische und ethische Herausforderungen, die bewältigt werden müssten wie zum Beispiel die Förderung des Zugangs zu Palliativmedizin für Menschen, die den Rest ihres Lebens zuhause verbringen wollen. Zudem dürfe man die Komplexität in diesem Gebiet und die hohen Anforderungen an die beteiligten Fachleute nicht unterschätzen. Stillschweigend nahm der Ständerat das Postulat an.

Bessere Betreuung und Behandlung von Menschen am Lebensende (Po. 18.3384)
Dossier: Palliative Care

In der Frühlingssession 2018 hatte der Ständerat die Motion Zanetti (sp, SO) zur Einführung eines Experimentierartikels in das Betäubungsmittelgesetz, welcher die Durchführung von wissenschaftlichen Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe ermöglichen sollte, stillschweigend angenommen. Im Anschluss daran befasste sich die SGK-NR Mitte Mai 2018 mit dem Vorstoss. In ihrem Bericht erklärte sie, sie habe sich dem Anliegen bereits in ihrer Kommissionsinitative (Pa.Iv. 18.402), welche im Januar desselben Jahres beschlossen worden war, gewidmet. Die Mehrheit der Kommission sei weiterhin der Meinung, dass seitens des Bundesrates Massnahmen getroffen werden müssten, weil das vorherrschende Verbot nicht die gewünschte Wirkung erziele. Man verspreche sich von den Studien eine hilfreiche Basis zur Entscheidungsfindung bezüglich der künftigen Cannabisregulierung. Es zeigten sich allerdings nicht alle Kommissionsmitglieder damit einverstanden. So warnte eine Minderheit vor einer Bagatellisierung des Cannabiskonsums und einer «Liberalisierung durch die Hintertüre». Schlussendlich beantragte die SGK-NR äusserst knapp mit 12 zu 11 Stimmen, die Motion anzunehmen.
In der Sommersession 2018 kam das Geschäft in die grosse Kammer. Dort machte sich unter anderem Regine Sauter (fdp, ZH) als Kommissionssprecherin für das Anliegen stark. Sie betonte, dass das bestehende Verbot für Cannabis als Freizeitkonsum ausserhalb des Experimentes nach wie vor gelte. Es bestehe Handlungsbedarf, denn trotz Verbot bestünden Probleme wie der vorhandene Schwarzmarkt oder jugendliche Cannabis-Konsumenten und Konsumentinnen. Auf der Gegenseite äusserte Benjamin Roduit (cvp, VS) hingegen Bedenken gegenüber zahlreichen Studien, die sich gegenseitig widersprächen, und wollte wissen, weshalb Studien wie diejenige der Universität Bern notwendig seien, habe man doch bereits das Postulat Rechtsteiner (sp, SG; Po. 17.4076) angenommen, welches zum Ziel hatte, die Perspektiven der schweizerischen Drogenpolitik auf der Basis der vergangenen zehn Jahre für das kommende Jahrzehnt aufzuzeigen. Angelo Barrile (sp, ZH) nahm sich dieser Frage an und erklärte, dass das Postulat Rechsteiner eine Gesamtschau verlange. Bei der aktuellen Motion gehe es allerdings um die konkrete Einführung eines Artikels als rechtliche Grundlage für die Durchführung entsprechender Experimente, damit der existierende Bedarf an Informationen gedeckt werden könne. Weitere kritische Stimmen gab es aus der Fraktion der SVP. So zweifelte Verena Herzog (svp, TG) am wissenschaftlichen Charakter der Untersuchungen und Mauro Tuena (svp, HZ) hob hervor, dass das Stimmvolk anno 2008 die Aufweichung des Betäubungsmittelgesetzes betreffend Cannabis mit 68 Prozent abgelehnt habe und es daher nicht akzeptabel sei, dass National- und Ständerat diesen Entscheid auf indirekte Weise umgehen würden. Zudem wollte Tuena von Bundesrat Berset wissen, ob er dem Rat versichern könne, dass die Versuche mit Cannabis nicht ausgeweitet würden. Alain Berset erwiderte darauf, dass die Studien einen wissenschaftlichen Zweck und eine wissenschaftliche Qualität haben sowie zeitlich und räumlich beschränkt sein müssten. Es sei allerdings nicht die Aufgabe der Politik zu definieren, was wissenschaftlich gültig sei und was nicht. Vielmehr müsse man sich dafür an den Kriterien, welche für die Wissenschaft auf internationaler Ebene gelten, orientieren. Des Weiteren wiederholte der Bundesrat während der Debatte, dass es nicht um die Entkriminalisierung von Cannabis gehe, sondern darum, Massnahmen zu definieren, wie man am besten mit dem Konsum der Droge umgehe und ihn einschränken könne. Schliesslich hätten in der Schweiz fast ein Drittel der Bevölkerung bereits einmal Cannabis probiert und mehr als 200'000 Bürgerinnen und Bürger würden es regelmässig konsumieren. Obwohl über hundert Nationalrätinnen und Nationalräte im Vorfeld eine von vier Motionen (Mo. 17.4111; Mo. 17.4112; Mo. 17.4113, Mo. 17.4114), die identisch zur Motion Zanetti sind, unterschrieben hatten, wurde der Vorstoss mit 96 zu 93 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) versenkt. Verantwortlich für die Ablehnung war das mehrheitliche Nein der SVP- und CVP-Fraktionen wie auch das Umschwenken einiger Politiker und Politikerinnen.

Experimentierartikel als Grundlage für Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe (Mo. 17.4210)
Dossier: Voraussetzungen für die Durchführung von Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe für Genusszwecke schaffen

In der Sommersession 2018 beschäftigte sich der Nationalrat mit der Änderung des KVG zur Steigerung der Qualität und Wirtschaftlichkeit. Ein Antrag Moret (fdp, VD) auf Rückweisung an die Kommission wurde abgelehnt. Ihr Argument, man sollte besser die Zusammenarbeit mit bestehenden Institutionen wie dem ANQ fördern, statt eine Qualitätskommission zu schaffen, welche einen verstärkenden Bürokratisierungseffekt zur Folge habe, stiess in der grossen Kammer nicht auf offene Ohren.
Kommissionssprecherin Bea Heim (sp, SO) gab einen Einblick in die getätigte Kommissionsarbeit und betonte den Handlungsbedarf, welcher bezüglich Qualität und Patientensicherheit im schweizerischen Gesundheitswesen und speziell im ambulanten Bereich bestehe. Für die SGK-NR seien die Ziele des Bundesrates – die Qualitätssicherung und Verbesserung der Leistungen im stationären und ambulanten Bereich sowie die Stärkung der Patientensicherheit und die Kostendämpfung in der OKP – unbestritten wichtig, man habe nach den kritischen Stimmen aus dem Ständerat das bundesrätliche Modell allerdings überarbeitet. Resultat der Kommissionsarbeit sei die Schaffung einer Eidgenössischen Qualitätskommission, die durch den Bundesrat eingesetzt werde und sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Kantone, Leistungserbringer, Versicherer sowie Versicherten und Fachpersonen zusammensetze. Diese sollte unter anderem für die Beratung und Koordination der in der Qualitätsentwicklung involvierten Akteure verantwortlich sein und dem Bundesrat bei der Festlegung von Zielen und Massnahmen beratend zur Seite stehen. Ferner sollten die Tarifpartner stärker eingespannt und verpflichtet werden, nationale Qualitätsverträge abzuschliessen. Bundesrat Berset zeigte sich darüber zufrieden, dass ein Vorschlag auf dem Tisch lag. Es sei zwar nicht das Modell, welches vom Bundesrat stamme, man unterstütze den von der Kommission ausgearbeiteten Vorschlag jedoch. Qualität dürfe nicht mit den hohen Leistungen des Schweizer Gesundheitswesen verwechselt werden. Bei Ersterem sei es dringend nötig, zu handeln, zeigten Studien doch, dass rund die Hälfte aller medizinischen Fehler vermeidbar wäre.
Uneinig war man sich in der SGK-NR bezüglich der Finanzierung der Qualitätskommission. Anders als der Bundesrat, der vorgeschlagen hatte, die Versicherten mit einem Anteil von maximal 0.07 Prozent der durchschnittlichen Jahresprämie für die Kosten aufkommen zu lassen, forderte die Kommissionsmehrheit die Übernahme der Kosten zu gleichen Teilen von Bund und Kantonen. Eine Minderheit Humbel (cvp, AG) wollte, dass sich auch die Versicherer mit einem Drittel an den Kosten beteiligen. Der Minderheitsantrag wurde jedoch in der Detailberatung mit 119 zu 66 Stimmen abgelehnt. Bei der Gesamtabstimmung stimmte der Nationalrat dem von seiner Kommission überarbeiteten Entwurf mit 159 zu 24 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) zu und segnete mit 164 zu 26 Stimmen den Gesamtkredit in der Höhe von CHF 45.2 Mio., der für 2019 bis 2022 gelten soll, ab.

KVG. Stärkung von Qualität und Wirtschaftlichkeit (BRG 15.083)
Dossier: Qualität und Transparenz in der Gesundheitsversorgung

Nachdem der Nationalrat im Juni 2018 eine Motion Zanetti (sp, SO; Mo. 17.4210) bezüglich eines Experimentierartikels als Grundlage für Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe abgelehnt hatte, wurde in der darauffolgenden Herbstsession eine identische Motionsserie (Regine Sauter (fdp, ZH), Mo. 17.4111; Angelo Barrile (sp, ZH), Mo. 17.4112; Regula Rytz (gp, BE), Mo. 17.4113; Kathrin Bertschy (glp, BE), Mo. 17.4114) behandelt. Regine Sauter erklärte im Namen der Motionärinnen und des Motionärs, dass die aktuelle Cannabisregulierung nicht zufriedenstellend sei. Es existiere zwar ein Konsum- und Handelsverbot, dieses greife jedoch nicht. So gebe es einen Schwarzmarkt mit den damit verbundenen negativen Konsequenzen. Dies zeige sich besonders in den Städten. Um die Cannabisregulierung weiterzuentwickeln und somit Lösungen zu schaffen, wie mit der Problematik umgegangen werden soll, bedürfe es wissenschaftlich abgestützter Entscheidungsgrundlagen aus Studien – wie diejenige der Universität Bern – zu kontrolliertem Zugang zu Cannabis. Damit diese allerdings überhaupt bewilligt und durchgeführt werden können, müsse mit einem Experimentiertartikel eine entsprechende Gesetzesgrundlage geschaffen werden. Verena Herzog (svp, TG) zeigte sich mit ihrer Ratskollegin einverstanden darüber, dass vieles nicht gut laufe. Im Unterschied zu Sauter machte sie aber die Politikerinnen und Politiker verantwortlich, die Cannabis verharmlosten und eine wirkungsvolle Prävention verunmöglichten. Bezüglich der Studien gab sie zu Bedenken, dass es sich um ein Manipulationsinstrument auf wissenschaftlicher Seite handle, da die Versuche abgebrochen würden, sobald der Gesundheitszustand und die Behandlung der Teilnehmenden nicht mehr sichergestellt werden könnten, was so viel bedeute, wie dass interveniert werde, wenn die Studienergebnisse beeinträchtigt würden. Weitere Kritik wurde etwa an der Abgabe eines hohen Cannabisgehalts sowie an der Ausgabe von Steuergeldern in Millionenhöhe geäussert. Gesundheitsminister Berset hob hingegen die Wichtigkeit der wissenschaftlichen Studien hervor. Die aktuelle Verbotspolitik habe sich nicht bewährt, rund ein Drittel der Schweizer Bevölkerung habe bereits einmal Cannabis probiert und mehr als 200'000 Personen konsumierten es regelmässig. Dabei sei über die Zeit kein Rückgang zu verzeichnen. Es bestehe folglich Handlungsbedarf. Da jedoch niemand genau wisse, was zu tun sei, müsse kontrolliert getestet werden, welcher Rechtsrahmen die besten Ergebnisse liefere. Es gehe allerdings nicht darum, Cannabis legalisieren zu wollen. In anderen Bereichen wie zum Beispiel im Asylbereich oder bei den Sozialversicherungen hätten zudem ähnliche Tests zu entscheidenden Änderungen in der Gesetzgebung geführt. Das Abstimmungsergebnis im Nationalrat viel relativ knapp aus. Mit 98 zu 92 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) wurden die Motionen angenommen.

Experimentierartikel als Grundlage für Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe (Mo. 17.4111; Mo. 17.4112; Mo. 17.4113; Mo. 17.4114)
Dossier: Voraussetzungen für die Durchführung von Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe für Genusszwecke schaffen

Ende November 2017 wurde Sven Trelle von der Universität Bern die Bewilligung für eine wissenschaftliche Studie zum legalen Cannabisverkauf und -konsum in der Stadt Bern verweigert. Das Bundesamt für Gesundheit BAG begründete diesen Entscheid mit der fehlenden Gesetzesgrundlage zum Absatz von nicht-medizinischem Cannabis. Projektleiter Trelle wollte die Auswirkungen des legalen Verkaufs der Droge auf das Verhalten, die Gesundheit und auf soziale wie auch wirtschaftliche Gesichtspunkte untersuchen. Dabei sollten 1'000 Personen, die bereits zuvor gekifft hatten, Cannabis als Genussmittel in Apotheken erwerben können. Trelle gab sich gegenüber dem Tagesanzeiger enttäuscht, da die Studie – an welcher neben Bern noch andere Städte interessiert waren – «ein wichtiger Baustein gewesen» wäre, «um die Politik mit zuverlässigen Daten zu unterstützen». Dass er mit dieser Meinung nicht allein dastand, zeigten die Reaktionen im Parlament. Neben der von der SGK-NR lancierten parlamentarischen Initiative (Pa.Iv. 18.402) wurden fünf identische Motionen (Mo. 17.4111; Mo. 17.4112; Mo. 17.4113, Mo. 17.4114; Mo. 17.4210) zum Thema in den beiden Kammern eingereicht. So forderte Roberto Zanetti (sp, SO) mit seinem im Ständerat eingereichten Vorstoss (Mo. 17.4210) den Bundesrat auf zu überprüfen, ob mit der gegenwärtigen Rechtsgrundlage innovative Regulierungsansätze zum gesellschaftlichen Umgang mit Cannabis erprobt werden können. Falls die rechtlichen Rahmenbedingungen dazu fehlten, sollte eine entsprechende Änderung des Betäubungsmittelgesetzes in Form eines Experimentierartikels ausgearbeitet werden. Es existiere ein Bedürfnis nach wissenschaftlich gestützten Entscheidungsgrundlagen für die künftige Handhabung der Cannabis-Regulierung, argumentierte der Motionär. Während der Behandlung des Geschäfts im Ständerat betonte Zanetti überdies ausdrücklich, dass es dabei nicht um die Legalisierung von Cannabis gehe. Alain Berset erwiderte daraufhin, dass die Situation aus rechtlicher Sicht klar sei, da das Betäubungsmittelgesetz die Abgabe von nicht-medizinischem Cannabis, auch wenn es sich um eine wissenschaftliche Studie handelt, untersage. Allerdings empfinde auch der Bundesrat die Durchführung solcher Studien als «notwendig, interessant und nützlich». Daher sei er bereit, die notwendigen rechtlichen Grundlagen dafür zu entwickeln. Von diesen Worten liess sich die kleine Kammer diskussionslos überzeugen und nahm die Motion stillschweigend an.

Experimentierartikel als Grundlage für Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe (Mo. 17.4210)
Dossier: Voraussetzungen für die Durchführung von Studien zur regulierten Cannabis-Abgabe für Genusszwecke schaffen