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Jahresrückblick 2021: Kultur, Sprache, Kirchen

2021 bestätigte den Trend der letzten beiden Jahre – so zeigte die APS-Zeitungsanalyse eine rückläufige Berichterstattung rund um die Themen Kultur, Sprache oder religiöse Fragen auf (vgl. Abbildung 2 der APS-Zeitungsanalyse 2021 im Anhang). Diesbezüglich brachte das Jahr gar einen neuen Tiefstwert seit 2016, wobei insbesondere Fragen im Zusammenhang mit den Religionen deutlich an medialer Präsenz eingebüsst hatten.

Wie auch im Jahr zuvor war die Kulturpolitik geprägt von der weltweiten Covid-19-Pandemie. Deren Auswirkungen auf den Kultursektor verdeutlichten etwa erste Zahlen des BFS im Rahmen der Kulturwirtschaftsstatistik für das Jahr 2020: Im Vergleich zu 2019 war die Beschäftigung im Kulturbereich um markante 5 Prozentpunkte gesunken, was in absoluten Zahlen 14'000 Erwerbspersonen entsprach. Vom Rückgang betroffen waren insbesondere Frauen, Personen mit einem Teilzeitpensum oder all jene, die zuvor weniger als 1 Jahr engagiert gewesen waren. Auch im Vergleich zur Gesamtwirtschaft war der starke Rückgang an Beschäftigten im Kulturbereich beträchtlich. Entsprechend kam es im Parlament zu diversen Vorstössen, mit denen auf die prekäre Situation der Kulturschaffenden reagiert werden sollte. Zwei Vorstösse, welche im Zuge der Pandemie verstärkte Unterstützungsmassnahmen für Freischaffende in Theater und Film und für Buchhandlungen verlangten, fanden im Parlament jedoch keinen Anklang. Hingegen waren sich die Räte darüber einig, dass die soziale Sicherheit der Kulturschaffenden auch unabhängig von der Pandemie verbessert werden müsse.

Neben diesen explizit auf die Pandemie zurückzuführenden Vorstössen bearbeitete das Parlament 2021 drei grosse Geschäfte im Kulturbereich. So fand die Beratung der Kulturbotschaft für die Jahre 2021-2024 nach langwierigen Diskussionen über das Filmförderungsgesetz durch Annahme des entsprechenden Entwurfs ein Ende. Eine parlamentarische Initiative zur Stärkung des Schweizer Stiftungsstandorts kam hingegen auch nach fast 5-jährigen Diskussionen noch zu keinem Abschluss. Zudem wurde der Entwurf des Bundesrats zum neuen Bundesgesetz über den Jugendschutz bei Filmen und Videospielen beraten, mit dem unter anderem die Angleichung an eine geltende EU-Richtlinie angestrebt wird. Der Nationalrat beschäftigte sich in der Frühlings- und Sommersession mit dem Geschäft, der Ständerat wird sich wohl in der Frühlingssession 2022 damit auseinandersetzen.

Wie so oft prägte der Islam die Debatte in der Religionspolitik. Dieses Jahr lag das Augenmerk vermehrt auf der Rolle von Imamen und auf deren Einfluss auf die Gesellschaft. Die SiK-SR verlangte im März 2021 in einem Postulat, dass die Vorteile eines Bewilligungsverfahrens für Imame, ein Imam-Register sowie ein Finanzierungsverbot für Moscheen aus dem Ausland geprüft werden. Die Kommission bezweckte damit eine bessere Kontrolle von Personen, die im Rahmen ihrer religiösen Reden «terroristisches oder gewalttätig-extremistisches Gedankengut verbreiten». Ein im August 2021 vom Bundesrat publizierter Bericht über Professionalisierungsmöglichkeiten von islamischen religiösen Betreuungspersonen zeigte jedoch auf, dass der Einfluss von Imamen in Bezug auf Radikalisierungstendenzen in der Öffentlichkeit überschätzt wird. Basierend auf diesen Erkenntnissen legte der Bundesrat sodann zwölf Handlungsfelder fest, wobei insbesondere die Einbindung von öffentlich-rechtlich anerkannten Religionsgemeinschaften in die Seelsorge diverser öffentlicher Institutionen, wie etwa Militär, Spitälern oder Asylzentren, als zentrale Massnahme definiert wurde. Diese soll dazu beitragen, dass islamische Betreuungspersonen besser in die Gesellschaft integriert werden und indirekt eine Professionalisierung erreicht wird.

Ein weiteres umstrittenes Thema stellte nach wie vor die politische Beteiligung der Schweizer Kirchen im Rahmen von Abstimmungskämpfen dar. So zog die nie zuvor dagewesene Beteiligung der Kirchen am im Vorjahr geführten Abstimmungskampf zur Konzernverantwortungsinitiative Groll nach sich. Die Jungfreisinnigen hatten Stimmrechtsbeschwerden beim Bundesgericht eingereicht, womit sie eine Klärung der Rolle der Kirchen bei Abstimmungen in Form eines Leiturteils erreichen wollten. Gemäss den Medien stufte auch die Bundeskanzlei in einer Stellungnahme an das Bundesgericht das Verhalten der Landeskirchen als «zumindest grenzwertig» ein und erachtete ein Gerichtsurteil diesbezüglich als angezeigt. Das Bundesgericht schrieb die Beschwerde jedoch als gegenstandslos ab, da das Einbringen der Kirche der Initiative nicht zum Erfolg verholfen habe, wodurch das nötige aktuelle Interesse nicht gegeben sei. Diese hitzig geführte politische Debatte widerspiegelte sich auch in der Anzahl an Zeitungsartikeln mit kirchlichem oder religiösem Bezug – Anfang Jahr, auf dem Höhepunkt der entsprechenden Diskussionen – wurde häufiger über das Thema «Kirchen» berichtet als im Rest des Jahres. Gering blieb hingegen das Medienecho, als die beiden grossen Landeskirchen vor der Abstimmung zur «Ehe für alle» ihre Positionen publik machten, zumal sie sich nicht aktiv am Abstimmungskampf beteiligten.

Die Sprachpolitik fand ebenso wie in den letzten Jahren keine grosse mediale Resonanz, legte im Vergleich zum Vorjahr aber leicht zu (vgl. Abbildung 2). Dies ist wohl auf die verstärkt geführte Debatte über eine gendergerechte Sprache zurückzuführen. So startete das Jahr mit einer gesellschaftlichen Debatte über den Entscheid des Dudens, das generische Maskulin aus seinem Nachschlagewerk zu verbannen. Im Sommer kam es zu einer zweiten Runde mit einer breiten Diskussion über das sogenannte Gendersternchen, nachdem die Bundeskanzlei dessen Gebrauch in Bundesdokumenten explizit untersagt hatte.

Jahresrückblick 2021: Kultur, Sprache, Kirchen
Dossier: Jahresrückblick 2021

Jahresrückblick 2021: Soziale Gruppen

Eine überaus wichtige Neuerung im Themenbereich der sozialen Gruppen wurde 2021 für gleichgeschlechtliche Paare eingeführt. Im September nahm die Stimmbevölkerung mit einem deutlichen Ja-Anteil von 64 Prozent die «Ehe für alle» an. Neben der Möglichkeit der Eheschliessung waren damit für gleichgeschlechtliche Paare weitere Ungleichheiten im Familienleben beseitigt worden: In Zukunft ist es auch ihnen möglich, gemeinsam ein Kind zu adoptieren, zudem erhalten verheiratete Frauenpaare Zugang zur Samenspende. Die Relevanz dieser Abstimmung widerspiegelt sich im Ergebnis der APS-Zeitungsanalyse 2021, die einen diesem Ereignis geschuldeten Höchststand an Artikeln zur Familienpolitik im Abstimmungsmonat aufzeigt (vgl. Abbildung 1 im Anhang). Kein anderes Thema im Bereich der sozialen Gruppen erzielte im beobachteten Jahr eine ähnlich hohe mediale Aufmerksamkeit.

Erstmals in der Geschichte der Schweizer Frauen- und Gleichstellungspolitik veröffentlichte der Bundesrat 2021 eine nationale Gleichstellungsstrategie, die jedoch von Frauenorganisationen und linken Parteien kritisiert wurde. Ferner gaben die Kommissionen einer parlamentarischen Initiative Folge, welche die befristete Finanzierung für die familienergänzende Kinderbetreuung durch eine dauerhafte, vom Bund unterstützte Lösung ersetzen will. Der 2022 vorzulegende Entwurf soll die Eltern bei der Finanzierung der Betreuungsplätze massgeblich entlasten und somit zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf beitragen. Gleichzeitig wurden im Berichtsjahr aber verschiedene Vorstösse mit ähnlichen, bereits konkreter ausformulierten Vorstellungen in Form einer parlamentarischen Initiative, einer Standesinitiative und einer Motion abgelehnt. Ebenfalls zur Verbesserung der Stellung der Frauen im Beruf beitragen soll die 2018 geschaffene Revision des Gleichstellungsgesetzes, mit der Unternehmen mit über 100 Mitarbeitenden zur Durchführung von Lohnanalysen verpflichtet worden waren. Erste, im August 2021 publizierte Analyseergebnisse von ausgewählten Unternehmen zeichneten ein positives Bild, das jedoch unter anderem wegen fehlender Repräsentativität in Zweifel gezogen wurde. Nach wie vor sind Unternehmen nicht verpflichtet, die Ergebnisse ihrer Lohnanalysen an den Bund zu übermitteln. Gegen eine entsprechende Regelung hatte sich der Ständerat im Juni erfolgreich gewehrt.

Nachdem im Vorjahr der zweiwöchige Vaterschaftsurlaub in einer Volksabstimmung angenommen worden war, gingen die politischen Diskussionen rund um die Ausdehnung von Urlaubsmöglichkeiten für Eltern 2021 weiter. Eine Standesinitiative aus dem Kanton Jura und eine parlamentarische Initiative mit diesem Ziel stiessen im Parlament indes auf wenig Gehör. Der Nationalrat verabschiedete jedoch ein Kommissionspostulat, das die volkswirtschaftlichen Auswirkungen einer Elternzeit aufzeigen soll. In den Räten setzte sich zudem mit Annahme einer Vorlage zum Adoptionsurlaub eine langjährige Forderung in der Minimalvariante durch: Eltern, die ein Kind unter vier Jahren adoptieren, haben künftig Anrecht auf einen zweiwöchigen Urlaub.

Auch das Thema der Gewalt gegen Frauen blieb 2021 auf der politischen Agenda, immer wieder angetrieben durch Zeitungsberichte über häusliche Gewalt und Femizide. Das Parlament überwies drei Motionen, welche die Bereitstellung eines 24-stündigen Beratungsangebots für von Gewalt betroffene Personen forderten, wozu sich die Schweiz 2017 im Rahmen der Ratifikation der Konvention von Istanbul verpflichtet hatte. Ein Zeichen gegen Gewalt gegen Kinder und Jugendliche setzte der Nationalrat auch durch Befürwortung einer Motion, die das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung im Zivilgesetzbuch verankern möchte. Der Ständerat äusserte sich bis Ende Jahr noch nicht zum Geschäft. Ebenfalls kam es zu breiten medialen Vorwürfen bezüglich Gewalt in Bundesasylzentren, woraufhin das SEM einen Bericht erarbeiten liess.

Nicht zuletzt wurde im Berichtsjahr mit verschiedensten Publikationen und Aktionen auf das 50-jährige Bestehen des Frauenstimm- und -wahlrechts Bezug genommen. Mit Corona-bedingter Verspätung fand im September die offizielle Feier des Bundes statt. Ende Oktober tagte zum zweiten Mal nach 1991 die Frauensession, die insgesamt 23 Forderungen zu unterschiedlichen Themen als Petitionen verabschiedete. Darüber hinaus wurde an diesen Anlässen auch über die Gewährung politischer Rechte an weitere Gruppen diskutiert, so etwa an Personen ohne Schweizer Pass, Minderjährige und Menschen mit einer Beeinträchtigung. Bezüglich Letzteren nahm der Ständerat im Herbst 2021 ein Postulat an, das den Bundesrat aufforderte, Massnahmen aufzuzeigen, damit auch Menschen mit einer geistigen Behinderung uneingeschränkt am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können.

Wie die APS-Zeitungsanalyse 2021 zeigt, erhielten Fragen rund um die Familien- und Gleichstellungspolitik im Jahr 2021 im Gegensatz zu Fragen zur Asyl- und Migrationspolitik überaus starke mediale Aufmerksamkeit. Der Zeitvergleich macht überdies deutlich, dass die Berichterstattung im Bereich Asyl und Migration über die letzten Jahre konstant an Bedeutung eingebüsst hat.

Dieses fehlende Interesse der Medien ist ob der umstrittenen Gesetzesänderungen des Parlaments im Bereich Asylpolitik, welche die Grundrechte der Asylsuchenden einschränkten, bemerkenswert. So können Schweizer Behörden künftig mobile Geräte der Asylsuchenden verwenden, um beim Fehlen von Ausweispapieren Rückschlüsse auf die Identität einer Person zu gewinnen. Dieser Beschluss provozierte eine negative Reaktion des UNHCR. Zudem schuf das Parlament ein Reiseverbot für vorläufig aufgenommene Personen und entschied, dass Personen in Ausschaffungshaft zum Wegweisungsvollzug zur Durchführung eines Covid-19-Tests gezwungen werden können. Unterschiedliche Ansichten vertraten die beiden Räte in Bezug auf junge Asylbewerbende. So lehnte es der Ständerat ab, die Administrativhaft für Minderjährige abzuschaffen, nachdem sich der Nationalrat für diese Forderung im Vorjahr noch offen gezeigt hatte. Ebenso setzte sich der Nationalrat im Berichtsjahr durch Unterstützung einer Motion dafür ein, dass Personen mit abgewiesenem Asylentscheid ihre berufliche Ausbildung beenden dürfen, während sich der Ständerat nach der Beratung einer anderen Motion gegen diese Möglichkeit aussprach. Schliesslich wollte der Ständerat den Familiennachzug von Schutzbedürftigen erschweren, wogegen sich der Nationalrat aber erfolgreich sträubte. Im Sammelstadium scheiterte überdies eine Volksinitiative des ehemaligen Nationalrats Luzi Stamm, gemäss welcher Asylbewerbende in der Schweiz nur noch mit Sachleistungen hätten unterstützt werden sollen: Seine Volksinitiative «Hilfe vor Ort im Asylbereich», die in erster Linie Flüchtlingen primär in der Nähe der Krisengebiete und nicht in der Schweiz helfen wollte, scheiterte an den direktdemokratischen Hürden.

Jahresrückblick 2021: Soziale Gruppen
Dossier: Jahresrückblick 2021

Der Ständerat stimmte den sechs gleichlautenden Motionen zur Digitalisierung und Weiterentwicklung der Schweizer Notrufe in der Wintersession 2021 stillschweigend zu, nachdem diese bereits vom Nationalrat und von der KVF-SR einstimmig befürwortet worden waren.

Digitalisierung und Weiterentwicklung der Schweizer Notrufe (Mo. 21.3063; Mo. 21.3064; Mo. 21.3065; Mo. 21.3066; Mo. 21.3067; Mo. 21.3068)
Dossier: Notrufe

In der Wintersession 2021 befasste sich der Ständerat mit vier Standesinitiativen der Kantone Schaffhausen, Aargau, Tessin und Basel-Stadt (Kt.Iv. 20.331; Kt.Iv. 21.304; Kt.Iv. 21.307; Kt.Iv. 21.312), die den Bund dazu auffordern wollten, für die während der ersten Covid-19-Welle entstandenen Ertragsausfälle der Spitäler aufzukommen. Peter Hegglin (mitte, ZG) erläuterte für die SGK-SR, dass es für eine «seriöse Beratung», inwiefern sich der Bund finanziell beteiligen soll, den Schlussbericht in Erfüllung des Postulates 20.3135, welcher auf Ende 2023 angekündigt sei, abzuwarten gelte. Daher habe die Kommission den Standesinitiativen keine Folge gegeben. Minderheitensprecher Hannes Germann (svp, SH) erwiderte, dass sich der Bund an den Kosten beteiligen solle, da er mit seinem Durchführungsverbot von nicht dringend angezeigten medizinischen Eingriffen und Therapien das Subsidiaritätsprinzip verletzt und in die kantonale Autonomie eingegriffen habe. Der dadurch entstandene Schaden belaufe sich gemäss Schätzungen des Dachverbands der Spitäler H+ Ende 2020 auf CHF 1.5 bis 1.8 Mrd. Auch Maya Graf (gp, BL) plädierte für Folgegeben und bezeichnete die Spitäler als «unsere wichtigsten Gesundheitsversorger». Mit 21 zu 19 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) gab das Stöckli den Kantonsbegehren knapp keine Folge.

Auch der Bund soll für die Spitäler zahlen (St.Iv. 20.331; St.Iv. 21.304; St.Iv. 21.307; St.Iv. 21.312)

Ende April 2021 lagen die Vorschläge für eine Teilrevision der Verordnung über die politischen Rechte (VPR) sowie für eine Totalrevision der Verordnung der Bundeskanzlei über die elektronische Stimmabgabe (VEIeS) vor und der Bundesrat eröffnete die Vernehmlassung dazu, um bald eine Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting starten zu können. Die Vorlagen sehen vor, dass die Kantone nach wie vor selber entscheiden können, ob und mit welchem System sie E-Voting-Versuche durchführen möchten. Der Bund bleibt verantwortlich für den rechtlichen Rahmen und die Bewilligungen der Systeme und Versuche. Pro Kanton dürfen maximal 30 Prozent und schweizweit höchstens 10 Prozent der Stimmberechtigten die digitale Stimmabgabe nutzen, von der zudem vor allem Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer sowie Stimmberechtigte mit Behinderung profitieren sollen. Die revidierten Verordnungen regeln überdies, auf welche Weise die E-Voting-Systeme laufend überprüft werden sollen. Dabei werden unabhängige Expertinnen und Experten, aber auch Hackerinnen und Hacker im Rahmen von «Bug-Bounty-Programmen» die Systeme laufend auf Mängel überprüfen.

Die Antworten der Vernehmlassung mussten bis Mitte August 2021 eingereicht werden und Anfang Dezember 2021 lag der entsprechende Ergebnisbericht mit insgesamt 67 Stellungnahmen vor. Die grosse Mehrheit von 48 Stellungnehmenden unterstützte die Vorlagen mit kleinen Anpassungsvorschlägen; darunter 21 Kantone, die FDP, die Mitte, zahlreiche Behindertenorganisationen, der Gemeindeverband und die Auslandschweizerorganisation. Grundlegende Vorbehalte äusserten elf Vernehmlassungsteilnehmende; darunter die Kantone Freiburg, Neuenburg und Wallis, unter den Parteien die SP und die EDU und bei den Organisationen unter anderem die Economiesuisse. Die Vorbehalte betrafen den Umstand, dass momentan lediglich das System der Post bestehe, was den Kantonen kaum Handlungsspielraum gewähre. Der Bund müsse hier mehr Verantwortung übernehmen, forderten etwa die Kantone Freiburg und Wallis, die zusammen mit Neuenburg auch eine finanzielle Unterstützung durch den Bund für die Umsetzung der Versuche forderten. Auch die SP verlangte eine staatliche Lösung und prioritäre Zugänge für Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer. Gänzlich und ausschliesslich auf Letztere wollte die EDU E-Voting beschränken. Economiesuisse forderte vor einem Neustart eine umfassende öffentliche Diskussion über Chancen und Risiken von E-Voting, um zuerst der herrschenden Skepsis in der Bevölkerung zu begegnen und entsprechend Vertrauen zu schaffen. Auf mehrheitliche Ablehnung stiessen die Vorschläge bei acht Vernehmlasserinnen und Vernehmlassern: beim Kanton Schwyz, den Grünen, der SVP und der Piratenpartei und unter den Organisationen unter anderem beim Verein «E-Voting Moratorium», der 2019 eine Initiative für ein solches Moratorium lanciert hatte, die allerdings 2020 an der Unterschriftenhürde gescheitert war. Der Kanton Schwyz befürchtete, dass Manipulationen nie ausgeschlossen werden könnten und vor allem kleine Kantone finanziell an ihre Grenzen kommen würden. Die drei Parteien und der Verein «E-Voting-Moratorium» betonten die Bedeutung des Vertrauens der Stimmberechtigten bei Wahlen und Abstimmungen, das aufgrund von nie wirklich behebbaren Sicherheitsproblemen unnötig aufs Spiel gesetzt würde. Sie forderten zudem tiefere maximale Teilnehmendenzahlen für die Zulassung von E-Voting. Die Grünen und die Piratenpartei kritisieren überdies, dass andere Digitalisierungsprojekte (z.B. E-Collecting oder elektronische Vernehmlassungen) aufgrund der starken Konzentration auf E-Voting unnötig gebremst würden. Ausdrücklich auf eine Stellungnahme verzichtet hatten unter anderem der Kanton Jura und der Arbeitgeberverband.

Mitte Dezember 2021 nahm der Bundesrat von den Ergebnissen der Vernehmlassung Kenntnis. Die Vorlagen sollen finalisiert werden, wobei die Regierung eine finanzielle Beteiligung des Bundes als sinnvoll erachtete. Als wichtig bezeichnete der Bundesrat in seiner Medienmitteilung auch die Idee der Entwicklung eines Systems aus öffentlicher Hand und die Vermeidung einer einseitigen Priorisierung von E-Voting bei Digitalisierungsprojekten. Er wolle diese Punkte längerfristig weiterverfolgen.

Neuausrichtung des Versuchsbetriebs von E-Voting
Dossier: Vote électronique

Der Ständerat setzte sich in der Wintersession 2021 mit einer Motion der SGK-NR zur Evaluation einer leistungsorientierten Abgeltung der Apothekerinnen und Apotheker auseinander. Im Vorfeld hatte sich die SGK-SR mit 6 zu 5 Stimmen (bei 2 Enthaltungen) für das Anliegen ausgesprochen. Erich Ettlin (mitte, OW) schilderte die Beweggründe für die gespaltene Haltung der Kommission: Argumente für die Motion seien, dass es sich um einen «Teil des Alternativmodells zum Referenzpreissystem» handle und die Apothekerschaft dadurch, dass im Bereich der leistungsorientierten Abgeltung etwas unternommen werde, gestärkt werde. Gegen das Geschäft sprächen hingegen Interpretationsschwierigkeiten der Motion sowie wirtschaftliche Anreize zur Diskriminierung von Originalpräparaten durch Apothekerinnen und Apotheker. Damian Müller (fdp, LU) verwies für die Kommissionsminderheit auf die Argumente des Bundesrates zur Ablehnung und bat seine Ratskolleginnen und -kollegen, der Motion nicht zuzustimmen. Mit 25 zu 10 Stimmen (bei 3 Enthaltungen) hiess der Ständerat die Motion jedoch gut.

Evaluation einer leistungsorientierten Abgeltung der Apothekerinnen und Apotheker (Mo. 20.3937)

In der Wintersession 2021 nahm sich der Ständerat einer freiburgischen Standesinitiative zur klaren Darstellung der Menge des schnellen Zuckers in Lebensmitteln an. Die Behandlung erfolgte zusammen mit einer Standesinitiative des Kantons Genf. Kommissionssprecher Hannes Germann (svp, SH) erläuterte, weshalb die WBK-SR den beiden Kantonsbegehren keine Folge geben möchte: Die Kommission teile zwar die Meinung, dass das exzessive Konsumieren von Zucker für die öffentliche Gesundheit bedenklich sei, sie sei allerdings auch der Ansicht, dass in diesem Bereich bereits einiges unternommen worden sei. Germann führte als Beispiele den Nutri-Score, die Erklärung von Mailand zur Reduktion des Zuckergehalts in Joghurts und Müeslis und die Schweizer Ernährungsstrategie 2017–2024 auf. Zudem möchte die Kommission die Berichte in Erfüllung der Postulate 20.3913 und 21.3005 abwarten, bevor über weitere Schritte entschieden wird. Stillschweigend gab die kleine Kammer den beiden Standesinitiativen keine Folge.

Für eine klare Darstellung der Menge des schnellen Zuckers in Lebensmitteln (Kt.Iv. 21.315)

In der Wintersession 2021 nahm sich der Ständerat einer Standesinitiative des Kantons Genf zur Begrenzung des Zuckergehalts in industriell hergestellten Getränken und verarbeiteten Lebensmitteln an. Die Behandlung fand zusammen mit einem Kantonsbegehren aus Freiburg statt. Kommissionssprecher Hannes Germann (svp, SH) erläuterte, weshalb die WBK-SR den beiden Kantonsbegehren keine Folge geben möchte: Die Kommission teile zwar die Meinung, dass das exzessive Konsumieren von Zucker für die öffentliche Gesundheit bedenklich sei, sie sei allerdings auch der Ansicht, dass in diesem Bereich bereits einiges unternommen worden sei. Germann führte als Beispiele den Nutri-Score, die Erklärung von Mailand zur Reduktion des Zuckergehalts in Joghurts und Müeslis und die Schweizer Ernährungsstrategie 2017–2024 auf. Zudem möchte die Kommission die Berichte in Erfüllung der Postulate 20.3913 und 21.3005 abwarten, bevor über weitere Schritte entschieden wird. Stillschweigend gab das Stöckli beiden Standesinitiativen keine Folge.

Für eine wirksame Gesundheitsförderung. Begrenzung des Zuckergehalts in industriell hergestellten Getränken und verarbeiteten Lebensmitteln (St.Iv. 20.311)

In der Wintersession 2021 kam die Motion der SGK-NR zur Zulassungssteuerung bei psychologischen Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen in den Ständerat. Josef Dittli (fdp, UR), Sprecher der SGK-SR, erklärte, dass die Kommission das Geschäft mit 11 zu 0 Stimmen (bei 1 Enthaltung) zur Annahme empfehle. Die Kommission erachte die Kontrolle der steigenden Kosten und der potenziellen Mengenausweitungen des Leistungsangebots von psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten als erforderlich. Durch die Motion könnten die Versorgungsqualität und eine angemessene Entwicklung gewährleistet werden. Dieser Meinung war auch Gesundheitsminister Alain Berset, der die Motion zur Annahme empfahl. Stillschweigend kam das Stöckli dieser Aufforderung nach.

Zulassungssteuerung von psychologischen Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen (Mo. 20.3914)

Im September 2021 reichte die SGK-SR eine Motion mit dem Titel «Für eine nachhaltige Finanzierung von Public-Health-Projekten des Nationalen Konzepts ‹Seltene Krankheiten›» ein. Damit forderte sie die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage, welche die Umsetzung des Nationalen Konzepts «Seltene Krankheiten» durch die involvierten Organisationen des Gesundheitswesens auf einer nachhaltigen Basis gewährleisten soll. Es sollen Instrumente zur Finanzierung unter anderem der Koordination und des Aufbaus von Angeboten in diesem Bereich oder zur Qualitätsförderung, Dokumentation und Beratung bereitgestellt werden. Zudem soll die gesetzliche Grundlage auch der langfristigen Finanzierung eines schweizweiten Registers für seltene Krankheiten dienen. Der Bundesrat soll die Ausarbeitung der Vorlage mit den Kantonen koordinieren.
In der Wintersession 2021 kam das Geschäft in den Ständerat. Marina Carobbio Guscetti (sp, TI) stellte die Kommissionsmotion vor und verwies dabei auf einen Bericht in Erfüllung eines Postulats der SGK-NR (Mo. 18.3040), welcher die Herausforderungen und Handlungsoptionen des Nationalen Konzepts «Seltene Krankheiten» aufzeige. Mit der vorliegenden Motion wolle man nun diese Herausforderungen angehen. Bundesrat Alain Berset empfahl die Motion zur Annahme und betonte, seltene Krankheiten seien nur bei einzelner Betrachtung selten, zusammen als Gruppe kämen sie jedoch so häufig vor wie etwa Diabetes. Der Ständerat nahm die Motion in der Folge stillschweigend an.

Für eine nachhaltige Finanzierung von Public-Health-Projekten des Nationalen Konzepts "Seltene Krankheiten" (Mo. 21.3978)

In der Wintersession 2021 nahm sich der Ständerat einer Motion Feller (fdp, VD) an, welche im Kampf gegen Covid-19 die Durchführung serologischer Tests in Apotheken forderte. Für die SGK-SR berichtete Josef Dittli (fdp, UR), dass sich die Situation seit dem Einreichen des Vorstosses verändert habe und die entsprechenden Tests mittlerweile in Schweizer Apotheken angeboten würden. Die Forderung der Motion sei daher bereits erfüllt respektive überholt. Daher empfehle die Kommission die Ablehnung des Geschäfts. Gesundheitsminister Berset kam in seiner Wortmeldung zum gleichen Schluss. In der Folge lehnte das Stöckli den Vorstoss stillschweigend ab.

Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus. Apotheken sollen serologische Tests durchführen können (Mo. 20.3249)

Die Kantone Schaffhausen, Aargau, Tessin und Basel-Stadt verlangten in vier ähnlich gelagerten Standesinitiativen (Kt.Iv. 20.331; Kt.Iv. 21.304; Kt.Iv. 21.307; Kt.Iv. 21.312) die Beteiligung des Bundes an den Ertragsausfällen der Spitäler, die auf das durch den Bundesrat erlassene Verbot von «nicht dringend angezeigten medizinischen Eingriffe[n] und Therapien» vom März 2020 zurückzuführen sind. Es gehe nicht an, dass sich der Bund nun aus der Verantwortung stehle, ist etwa der Begründung des Kantons Schaffhausen zu entnehmen. Damit keine kantonalen Ungleichbehandlungen entstünden, solle die Koordination der Kompensation zwischen dem Bund, den Kantonen und den Krankenkassen über die GDK erfolgen. Im November 2021 nahm sich die SGK-SR den Standesinitiativen an. Ihr zufolge falle das Bereitstellen der für die Pandemie notwendigen Spitalkapazitäten in den Aufgabenbereich der Kantone. In Krisensituationen liege es an allen Staatsebenen, einen Teil der Last zu übernehmen. Bislang sei es der Bund gewesen, der 80 Prozent der Kosten, die im Zusammenhang mit der Pandemie angefallen sind, übernommen habe. Daher beantragte die Kommission mit 9 zu 3 Stimmen, den Standesinitiative keine Folge zu geben.

Auch der Bund soll für die Spitäler zahlen (St.Iv. 20.331; St.Iv. 21.304; St.Iv. 21.307; St.Iv. 21.312)

Anfang Juni 2021 reichte der Kanton Freiburg eine Standesinitiative ein, mit der er bezwecken wollte, dass der Zuckergehalt von Produkten in der Nährwertdeklaration aufgeführt werden muss. Darüber hinaus soll eine für die Konsumentenschaft «lesbare» und «zum Vornherein verständliche Kennzeichnung» verpflichtend werden. Gemäss Initiative geht dieses Anliegen nicht nur mit der nationalen Strategie zur Bekämpfung der nichtübertragbaren Krankheiten einher, sondern stärkt auch die kantonalen Aktionsprogramme Bewegung und Ernährung. Die WBK-SR prüfte das Geschäft Ende Oktober 2021 zusammen mit einer Standesinitiative des Kantons Genf. Sie beantrage, den beiden Initiativen keine Folge zu geben (FR: 6 zu 1 Stimmen bei 5 Enthaltungen; GE: 8 zu 0 Stimmen bei 4 Enthaltungen), da das Thema bereits in einem Postulat der SGK-NR behandelt werde.

Für eine klare Darstellung der Menge des schnellen Zuckers in Lebensmitteln (Kt.Iv. 21.315)

Die Genfer Legislative forderte mittels einer Standesinitiative die Begrenzung der Zuckermenge, die bei der Herstellung von Lebensmitteln hinzugefügt werden darf. Die Initiative wurde unter anderem mit den negativen gesundheitlichen Auswirkungen und dem Suchtpotential von Zucker begründet. Zudem nahm die Initiative auch Bezug auf die kantonal eingeführte Zuckersteuer. Die Standesinitiative wurde von der WBK-SR Ende Oktober 2021 zusammen mit einer Standesinitiative des Kantons Freiburg behandelt. Die Kommission empfahl mit 8 zu 0 Stimmen (bei 4 Enthaltungen; St.Iv. des Kantons Genf) resp. mit 6 zu 1 Stimmen (bei 5 Enthaltungen; St.Iv. des Kantons Freiburg), den beiden Vorlagen keine Folge zu geben, da bereits im Rahmen eines Postulats der SGK-NR auf das Thema eingegangen werde.

Für eine wirksame Gesundheitsförderung. Begrenzung des Zuckergehalts in industriell hergestellten Getränken und verarbeiteten Lebensmitteln (St.Iv. 20.311)

Am 14. Oktober 2021 gab ein Komitee, unter anderem bestehend aus Personen aus dem Gesundheitsbereich, Juristinnen und Juristen, Theologinnen und Theologen sowie der EVP-Nationalrätin Marianne Streiff (evp, BE), die Lancierung eines Referendums zur Änderung des Transplantationsgesetzes bekannt. Das Komitee bekämpfte damit den indirekten Gegenvorschlag zur Organspende-Initiative, welcher eine erweiterte Widerspruchslösung bei der Entnahme von Organen vorsah. Das Referendumskomitee gab zu bedenken, dass durch dieses Gesetz vor allem die sozial Schwächsten benachteiligt würden. Zudem nehme der Druck auf die Angehörigen zu und es bestehe das Risiko, dass diese einer Organentnahme nur aufgrund der Angst, als gesellschaftlich unsolidarisch abgestempelt zu werden, zustimmen würden. Weiter sei die körperliche und geistige Unversehrtheit durch die Bundesverfassung garantiert. Durch die Widerspruchlösung müsse dieses Recht nun aber «speziell eingefordert werden». Im Januar 2022 gab der Bundesrat bekannt, dass die Abstimmung zur Gesetzesänderung am 15. Mai 2022 erfolgen soll, falls das diesbezüglich ergriffene Referendum zustande kommt.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Per Postulat forderte Christoph Eymann (lpd, BS) den Bundesrat auf, einen Bericht bezüglich Massnahmen gegen die Gefährdung der Gesundheit von Kindern durch Knopfbatterien auszuarbeiten. Verschluckt ein Kind eine entsprechende Batterie, könne dies Konsequenzen wie Verätzungen der Speise- und Luftröhre haben, die mit bleibenden Schäden oder gar dem Tod einhergingen. Aus diesem Grund habe es sich eine Arbeitsgruppe aus Kinderärztinnen und -ärzten zur Aufgabe gemacht, ausgehend vom «Welt-Knopfbatterie-Tag» neben Eltern und Lehrpersonen auch die Industrie und die Politik für die Problematik zu sensibilisieren. Mögliche Massnahmen seien etwa Verschluss-Sicherungen an Geräten oder die Einführung von «Fabrikationsnormen ohne Gefährdungspotential». Es sei nun an der Politik, das Anliegen der Arbeitsgruppe zu unterstützen. In seiner Stellungnahme erklärte sich der Bundesrat zu einer Analyse bereit und beantragte die Annahme des Postulats. Stillschweigend folgte der Nationalrat diesem Antrag in der Herbstsession 2021.

Massnahmen gegen die Gefährdung der Gesundheit von Kindern durch Knopfbatterien (Po. 21.3788)

Im Oktober 2021 befanden National- und Ständerat im Rahmen der Schlussabstimmung über die Organspende-Initiative sowie ihren indirekten Gegenvorschlag. Die Volksvertreterinnen und -vertreter stimmten mit 141 zu 44 Stimmen (bei 11 Enthaltungen) für den indirekten Gegenentwurf und mit 137 zu 29 Stimmen (bei 29 Enthaltungen) für den Bundesbeschluss auf Empfehlung der Ablehnung der Volksinitiative. Das Stöckli sprach sich mit 31 zu 12 Stimmen (bei 1 Enthaltung) zugunsten des Gegenvorschlags und mit 35 zu 0 Stimmen (bei 9 Enthaltungen) für den Bundesbeschluss auf Ablehnungsempfehlung aus. In der Folge zog das Initiativkomitee die Initiative bedingt zurück. Sollte also das Referendum gegen den indirekten Gegenvorschlag ergriffen und das Gesetz von der Bevölkerung abgelehnt werden, würde es dennoch zur Volksabstimmung über die Initiative kommen.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Mittels einer im Juni 2021 eingereichten Motion verlangte Erich Ettlin (mitte, OW) die rasche digitale Transformation des Gesundheitswesens. Dies solle geschehen, indem unter anderem eine Taskforce zur nationalen Steuerung aufgestellt und in Zusammenarbeit mit relevanten Akteuren eine über das EPD hinausreichende Digital-Strategie entwickelt würde. Weiter gelte es, Leitplanken zu schaffen und das Wissen von Hochschulen und Industrie zu nutzen, das «once-only-Prinzip» – also die einmalige Datenerfassung – umzusetzen sowie die regulatorischen Grundlagen zu schaffen, um Gesundheitsdaten in sämtlichen Bereichen des Gesundheitssystems papierlos abzuwickeln. In der Ständeratsdebatte Ende September 2021 erklärte der Motionär, dass durch eine vollständige Digitalisierung des Gesundheitswesens ungefähr CHF Mrd. 8 pro Jahr eingespart werden könnten. Die aktuellen Ansätze würden jedoch nicht funktionieren. Aufgrund der Covid-19-Pandemie sei ersichtlich geworden, dass Staaten mit zentraler und guter digitaler Aufstellung wie Dänemark und Estland im Vorteil seien. Es brauche in der Schweiz ebenfalls eine «zentrale Hand», um vorwärtszukommen. Ettlin erhielt dabei Rückendeckung von Damian Müller (fdp, LU), der das EPD kritisierte. Gesundheitsminister Berset hingegen sprach sich gegen das Anliegen Ettlins aus, da die verfassungsrechtlichen Grundlagen dafür nicht gegeben seien. Die Steuerung der Digitalisierung des Gesundheitswesens falle nicht in den Aufgabenbereich der nationalen Ebene, vielmehr seien die Kantone und die Tarifpartner dafür zuständig. Weiter sei die digitale Transformation zwar noch nicht abgeschlossen, die Covid-19-Pandemie habe allerdings einen gewaltigen Sprung ermöglicht. Zur Veranschaulichung, was bereits im betroffenen Bereich unternommen werde, nannte Berset etwa die Umsetzung des überwiesenen Postulats Humbel (mitte, AG; Po. 15.4225) oder die Gesundheitsstrategie 2030 des Bundesrates. Nichtsdestotrotz nahm der Ständerat die Motion mit 39 Stimmen (bei 1 Enthaltung) ohne Gegenstimmen an.

Digitale Transformation im Gesundheitswesen. Rückstand endlich aufholen! (Mo. 21.3957)
Dossier: Digitalisierung im Gesundheitswesen

Nach dem Bundesrat und dem Nationalrat sprach sich in der Herbstsession 2021 auch der Ständerat stillschweigend für eine automatische Ausstellung eines IV-Ausweises für bestimmte Personengruppen aus, nachdem zuvor auch die SGK-SR die Annahme der Motion befürwortet hatte. Gemäss Kommission könne die Umsetzung auf Weisungsebene erfolgen und bedürfe somit keiner Gesetzesänderung. Damit soll sichergestellt werden, dass die Anspruchsberechtigten über einen entsprechenden Ausweis verfügen – bisher hätten die Betroffenen gemäss dem Motionär häufig gar nichts von ihrem Anspruch gewusst.

Automatische Ausstellung eines Ausweises für den Bezug einer Hilflosenentschädigung

In der Herbstsession 2021 folgte der Ständerat stillschweigend dem Erstrat und seiner SGK-SR in der Frage der Ergänzungen der IV-Verfügungen in leichter Sprache. Die Kommission hatte Annahme der Motion empfohlen, um zukünftig Verständigungsschwierigkeiten zwischen den Versicherten und den IV-Stellen zu verhindern. Als positiv hob die Kommission zudem hervor, dass die Mitarbeitenden der IV-Stellen bereits in entsprechenden Formulierungen geschult würden.

IV-Verfügungen mit leichter Sprache ergänzen

In Erfüllung vier gleichlautender Postulate erschien im September 2021 ein Bericht des Bundesrates, der die Möglichkeiten der rechtlichen Anerkennung der Schweizer Gebärdensprachen auswies und die Politik der Schweiz in diesem Bereich mit dem internationalen Umfeld verglich. In seinem Bericht legte der Bundesrat dar, dass die Mehrheit der europäischen Länder im Unterschied zur Schweiz mindestens eine Gebärdensprache rechtlich anerkennt. In der Schweiz kennen ausschliesslich die Kantone Zürich und Genf eine solche Anerkennung. Fünf Varianten einer möglichen rechtlichen Anerkennung prüfte der Bundesrat im Rahmen seines Berichts: Eine Anerkennung als Landessprache oder als (Teil-)Amtssprache, eine Anerkennung im Rahmen der Europarats-Abkommen, im Rahmen der Sprachenfreiheit oder eine Anerkennung als Fördersprache.
Eine Anerkennung im Rahmen internationaler Abkommen hätte indes rein deklaratorische Natur, solange keine zusätzlichen Rechtsansprüche definiert werden, so der Bundesrat. Dieselbe Wirkung hätte eine Anerkennung der Gebärdensprache als Landes- oder Teilamtssprache in der Verfassung, darüber hinaus bedürfte diese Art von Anerkennung der Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung und der Kantone. Auch die explizite Erwähnung in der Verfassung, dass die Sprachenfreiheit auch die Gebärdensprache umfasse, müsste die gleichen politischen Hürden überwinden. Eine Anerkennung als Fördersprache liesse sich gemäss bundesrätlichem Bericht als einzige Variante ohne Revision der Bundesverfassung umsetzen. Der Bundesrat betonte jedoch, dass die rechtliche Anerkennung für ihn keine zwingende Voraussetzung sei, um die soziale Teilhabe von Menschen mit Gehörbeeinträchtigung weiter zu verbessern. Er habe das EDI beauftragt, den Dialog mit den verantwortlichen Stellen und Organisationen zu intensivieren und Verbesserungsmöglichkeiten zu prüfen.

Möglichkeiten der rechtlichen Anerkennung der Schweizer Gebärdensprachen (Po. 19.3668)

Mittels Motion forderte Maya Graf (sp, BL) den Bundesrat dazu auf, mit einer Änderung an der KLV sicherzustellen, dass Demenzkranke eine an ihre Situation angepasste Versorgung bezüglich Pflegeleistungen erhalten. In der Vergangenheit habe sich herausgestellt, dass viele Leistungen, auf welche die Betroffenen angewiesen seien, nicht in den durch die KLV definierten Bereich fielen. Zwar decke das KVG etwa das Waschen und die Nahrungseingabe durch Pflegefachpersonen ab, nicht aber «die Anleitung und Überwachung bei Körperpflege und Nahrungsaufnahme», die bei an Demenz erkrankten Menschen gegebenenfalls eher nötig wäre. Weiter gehe aus der Evaluation der Nationalen Demenzstrategie 2014–2019 hervor, dass die Finanzierung von Pflegeleistungen im Bereich Demenz «nach wie vor» nicht garantiert sei. In der Herbstsession 2021 veranschaulichte Manuela Weichelt-Picard (al, ZG), welche das Geschäft nach der Wahl Grafs in den Ständerat übernommen hatte, die Lebenssituation einer demenzkranken Frau anhand eines fiktiven Beispiels. Da diese weiterhin zuhause wohnen möchte, sei sie auf gewisse Unterstützung durch Gesundheitsfachpersonen angewiesen. Die von ihr benötigten Leistungen würden jedoch nicht von der OKP übernommen, da sie nicht in das KVG eingeschlossen sind. Gesundheitsminister Berset war hingegen der Ansicht, dass diesbezüglich bereits Einiges unternommen werde – unter anderem sei in der Zwischenzeit ein Artikel der KLV in Kraft getreten, welcher die Verbesserung der Harmonisierung und Unterscheidung zwischen Pflege- und Betreuungsleistungen betreffe. Daher empfehle der Bundesrat die Ablehnung des Geschäfts. Die Mehrheit der grossen Kammer liess sich von diesen Worten jedoch nicht überzeugen. Mit 136 zu 46 Stimmen (bei 10 Enthaltungen) nahm der Nationalrat die Motion an, wobei 44 ablehnende Stimmen aus dem Lager der SVP-Fraktion stammten.

19.4194

Mittels Motion verlangte Ruth Humbel (mitte, AG) im September 2019 die Schaffung gesetzlicher Grundlagen, auf deren Grundlage das Spritzen von Hyaluronsäure und Botox nur noch durch Ärzte und Ärztinnen mit entsprechender Ausbildung und Haftpflichtversicherung erlaubt sein soll. Vermehrt würden solche Injektionen in Kosmetikstudios durch Kosmetiker und Kosmetikerinnen sowie weiteren medizinisch nicht adäquat ausgebildeten Personen vorgenommen. Dabei komme es manchmal zu Komplikationen, mit welchen sich das Gesundheitssystem konfrontiert sehe, was wiederum auch Kosten für die Krankenkasse und somit für die Prämienzahlenden nach sich ziehe. Swissmedic untersage es medizinisch nicht ausgebildeten Personen zwar, Substanzen, die über dreissig Tage im Körper bleiben, zu spritzen, auf dem Schweizer Markt existierten allerdings gar keine Hyaluronsäure-Produkte, die eine Verbleibdauer von weniger als dreissig Tage im menschlichen Körper aufwiesen. Die Injektionen erfolgten demnach vorschriftswidrig. Auch deshalb verlangte die Motionärin die Schaffung klarer Regeln, welche eine ausschliessliche Durchführungserlaubnis für die Ärzteschaft und Massnahmen für Zuwiderhandlungen festhielten.
Der Bundesrat präzisierte in seiner Stellungnahme die bereits bestehende Kompetenz, diese Substanzen zu spritzen. Namentlich seien dies neben der Ärzteschaft auch Kosmetikerinnen und Kosmetiker, falls sie über eine entsprechende Ausbildung verfügten, und die Behandlung unter Kontrolle und Verantwortung eines Arztes oder einer Ärztin geschehe. Die MepV-Revision, welche Ende Mai 2020 in Kraft trete, enthalte diesbezüglich Konkretisierungen. Der Bundesrat erachte den Schutz der Patientenschaft daher als ausreichend, weshalb er die Motion zur Ablehnung empfehle.
Das Geschäft kam in der Herbstsession 2021 in den Nationalrat. Dort erläuterte Ruth Humbel ihr Anliegen und Gesundheitsminister Berset vertrat den bundesrätlichen Standpunkt. Die grosse Kammer nahm die Motion knapp mit 96 zu 92 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) an. Die Ja-Stimmen stammten fast ausschliesslich aus den Fraktionen der SP, Mitte und der Grünen, während sich die Fraktionen der GLP, SVP und FDP gegen das Geschäft aussprachen.

Das Spritzen von Hyaluronsäure und Botox gehört in die Hand von Ärztinnen und Ärzten (Mo. 19.4167)

Zwei Tage nach dem Ständerat beugte sich erneut der Nationalrat über die Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» und den indirekten Gegenvorschlag. Die beiden Kommissionssprecherinnen der SGK-NR, Flavia Wasserfallen (sp, BE) und Céline Amaudruz (svp, GE), stellten hinsichtlich des Gegenvorschlags kurz die wenigen redaktionellen und formellen Differenzen zum Ständerat vor. Zudem liessen sie verlauten, dass die Kommission mit 21 zu 0 Stimmen (bei 4 Enthaltungen) entschieden habe, der kleinen Kammer und dem Bundesrat zu folgen und die ursprünglich zur Annahme empfohlene Volksinitiative nun zur Ablehnung zu empfehlen. Grund für diesen Sinneswandel sei, dass die Abstimmungsempfehlung relativ früh getroffen worden sei, mit dem indirekten Gegenvorschlag nun aber eine gute Lösung vorliege, die im Gegensatz zum Volksbegehren auch der Rolle der Angehörigen Rechnung trage. In der Folge bereinigte der Nationalrat stillschweigend die noch bestehenden Differenzen beim Gegenvorschlag und sprach sich gegen die Volksinitiative aus.

Organspende-Initiative und indirekter Gegenvorschlag (BRG 20.090)
Dossier: Transplantation von Organen, Geweben und Zellen

Im März 2021 reichte Aline Trede (gp, BE) ein Postulat ein, mit dem sie den Bundesrat zur Ausarbeitung einer geschlechterspezifischen Budgetanalyse von J+S auffordern wollte. Die aktuellsten Zahlen stammten aus dem Jahr 2000. Damals sei eine ungleiche Verteilung der Gelder feststellbar gewesen. So hätten 2000 beispielsweise die Subventionen für J+S-Angebote für Mädchen und Frauen CHF 18 Mio. betragen, diejenige für Jungen und Männer hingegen CHF 30 Mio. In der Vergangenheit sei damit argumentiert worden, dass Jungen mehr Sport trieben als Mädchen. Die Situation habe sich jedoch geändert, seien Frauen und Männer heutzutage doch quasi gleich stark sportlich aktiv. Eine gerechte Verteilung sei daher von Bedeutung. Das Postulat wurde von Diana Gutjahr (svp, TG) bekämpft, weshalb es in der Herbstsession 2022 vom Nationalrat behandelt wurde. In diesem Rahmen zeigte sich Gutjahr davon überzeugt, dass die Ausarbeitung eines entsprechenden Berichts keinen Mehrwert bringen würde. Nicht die geschlechtsspezifische Budgetverteilung stehe im Zentrum, «sondern die Tatsache, dass sich Jugendliche – unabhängig von ihrem Geschlecht – mehr bewegen und aktiver sein sollten». Sportministerin Viola Amherd hingegen empfahl im Namen des Bundesrats die Annahme des Postulats. Die Entrichtung der Subventionen erfolgten geschlechtsneutral pro Teilnahmestunde respektive Teilnahmetag an einem J+S-Programm. In den vergangenen Jahren habe der Anteil des weiblichen Geschlechts an den Programmen kontinuierlich zugenommen und komme heute bei gut 40 Prozent zu liegen. Dennoch gebe es in den einzelnen Sportarten grosse Unterschiede bezüglich der Geschlechterverteilung. Da der Regierung die Chancengleichheit und Gleichstellung am Herzen lägen, erkläre sie sich nicht nur zur geforderten Budgetanalyse bereit, sondern auch dazu, im Rahmen des auszuarbeitenden Berichts einen allenfalls gegebenen Handlungsbedarf zur Steigerung des Frauen- und Mädchenanteils aufzuzeigen. Mit 83 zu 80 Stimmen nahm der Nationalrat das Postulat an. Dabei stimmten die Fraktionen der SP, Grünen und GLP geschlossen für das Geschäft, die Mitte-Fraktion zeigte sich gespalten und die SVP- und FDP-Fraktionen sprachen sich einstimmig respektive mit einer Ja-Stimme dagegen aus.

Aktuelle geschlechtsspezifische Budgetanalyse der Abteilung "Jugend und Sport" im BASPO (Po. 21.3078)