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Die ebenfalls zum Massnahmenpaket des Bundes gehörende Informationskampagne zur Drogensuchtprävention kam in der Bevölkerung gut an und konnte im Laufe des Sommers in eine zweite; vertiefende Phase treten, in welcher das BAG seine Zusammenarbeit mit Beratungsstellen und Hilfsorganisationen auf nationaler, regionaler und kommunaler Ebene verstärken will, um zu gewährleisten, dass gefährdeten Menschen eine Beratung und Betreuung in der näheren Umgebung zur Verfügung steht.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

In der Abstimmung vom 17. Mai 1992 nahmen Volk und Stände den von Bundesrat und Parlament als direkten Gegenvorschlag zur inzwischen zurückgezogenen «Beobachter-Initiative» ausgearbeiteten neuen Artikel 24 der Bundesverfassung deutlich an. Fast zwei Drittel der Urnengängerinnen und Urnengänger und alle Kantone mit Ausnahme des Wallis stimmten damit der Einführung von verbindlichen Leitplanken im Bereich der Gentechnologie zu. Bisher hatte es auf Bundesebene nur Richtlinien und einige Bundesgerichtsurteile gegeben. Der neue Verfassungsartikel sieht im einzelnen vor, dass die In-vitro-Fertilisation (IvF) nur erlaubt sein soll, wenn alle anderen Methoden zur Behebung ungewollter Kinderlosigkeit versagt haben. Eingriffe in die menschliche Keimbahn sind verboten, ebenso die Forschung an und der Handel mit Embryonen. Das Erbgut einer Person darf nur mit deren Zustimmung oder aufgrund gesetzlicher Anordnung untersucht oder registriert werden. Eine mit Spendersamen gezeugte Person soll Zugang zu den Daten ihrer Abstammung erhalten. Bei Tieren und Pflanzen schliesslich ist die Würde der Kreatur sowie die Sicherheit von Mensch, Tier und Umwelt zu wahren.

Verfassungsartikel zur Fortpflanzungs- und Gentechnologie (Art. 24 BV)
Abstimmung vom 17. Mai 1992


Beteiligung: 39.2%
Ja: 1'271'052 (73.8%) / 19 6/2 Stände
Nein: 450'635 (26.2%) / 1 Stand

Parolen:
— Ja: FDP, SP (2*), CVP (3*), SVP (1*), GP, LdU, EVP, PdA; SGB, CNG, Vorort, SGV, SBV, VKMB, SBN, SGCI, FMH, Kath. Frauenbund
— Nein: LP (4*), AP, SD, EDU; SAG, Basler Appell gegen Gentechnologie, Behindertenorganisationen, diverse feministische Gruppen
* In Klammer Anzahl abweichender Kantonalsektionen

Volksinitiative «gegen Missbräuche der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen» und Gegenvorschlag (BRG 89.067)
Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

Die Drogenfachleute reagierten erleichtert, bedauerten aber die geringe Teilnehmerzahl, da damit kaum schlüssige Resultate erreicht werden könnten. Die Städte Basel, Bern, Freiburg, St. Gallen, Solothurn, Zug und Zürich meldeten umgehend ihr Interesse an, mindestens einen Versuch mit harten Drogen durchzuführen. Der Beginn der Versuche wurde auf Herbst 1992 in Aussicht gestellt. Der Erlass der entsprechenden Verordnung verzögerte sich jedoch bis Ende Oktober, so dass frühestens 1993 damit gestartet werden kann. Die vom Bundesrat gesetzten Rahmenbedingungen lassen 13 Versuche zu, fünf davon mit Heroin. In die Heroinversuche können nur schwerstabhängige, verelendete oder sich prostituierende Drogensüchtige einbezogen werden, welche volljährig und seit mindestens zwei Jahren nachweisbar drogenabhängig sind sowie mindestens zwei gescheiterte Entzüge hinter sich haben und für andere Therapieprogramme nicht in Frage kommen.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Die Kontroverse um HIV-verseuchte Blutpräparate flackerte 1992 erneut auf. Ein AIDS-infizierter Hämophiler reichte Strafklage gegen Unbekannt ein – wobei aber klar war, dass er das BAG, die IKS und den Blutspendedienst des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) meinte –, da er durch eine Bluttransfusion mit dem HI-Virus kontaminiert worden war. Er erhielt indirekte Unterstützung vom ehemaligen Leiter des Zentrallaboratoriums des SRK, der öffentlich erklärte, Opfer wären zu vermeiden gewesen, wenn die verantwortlichen Behörden rechtzeitig gehandelt hätten. Diese Anschuldigungen führten Ende 1992 zu einer konkreten Reaktion des SRK: Es entschloss sich, unter Mithilfe des BAG, welches dies schon mehrfach angeregt hatte, ein «Look back» durchzuführen, d.h. die Blutspendenempfänger, welche zwischen 1982 und 1985 womöglich ohne ihr Wissen mit kontaminiertem Blut angesteckt wurden, durch Zurückverfolgung der kritischen Blutkonserven ausfindig zu machen. Bisher hatte das SRK dies stets mit dem Hinweis auf die grosse psychische Belastung abgelehnt, welcher nicht infizierte Blutempfänger während des Abklärungsverfahrens ausgesetzt wären, sowie mit dem Fehlen wirksamer Medikamente gegen die Infektion.

«Look-back»-Studie (ab 1992)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Nach Ansicht des Preisüberwachers sind die Medikamentenpreise in der Schweiz massiv überhöht, werden dafür doch rund 40 Prozent mehr bezahlt als im europäischen Durchschnitt. Er forderte deshalb das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf, bei der Preiskontrolle künftig auch auf das tiefere Auslandniveau abzustellen. Die Pharmabranche wollte die Zahlen des Preisüberwachers nicht gelten lassen. Gemäss ihren Angaben sind ältere Medikamente in der Schweiz tatsächlich etwas teurer als im Ausland, neuere Präparate hingegen billiger als in den europäischen Vergleichsländern. Zumindest in der Eidgenössischen Arzneimittelkommission setzte sich der Preisüberwacher durch. Die Kommission, welche nur beratende Funktion hat, fand es angemessen, die Preise für Originalmedikamente, die seit mehr als 30 Jahren auf dem Markt sind, um 15 Prozent zu senken. Die Preisschutzfrist soll zudem sowohl für alte wie für neue Medikamente von heute 30 auf 15 Jahre gesenkt werden.

Überhöhte Medikamentenpreise in der Schweiz (1992)

Eine neu entdeckte Gesundheitsgefährdung droht aus der Umwelt. Wie eine vom Bundesrat eingesetzte Expertengruppe nach fünfjähriger Arbeit darlegte, herrschen in rund 10'000 Häusern in der Schweiz – vor allem im Bündner Oberland, in den Bündner Südtälern, in den Karstgebieten des westlichen Juras und in einigen Gemeinden des Tessins – zu hohe Radonwerte, welche beim Zerfall von natürlichem Uran im Boden entstehen. Diese Zerfallsprodukte führen zu einer Bestrahlung der Atmungsorgane und damit zu einem erhöhten Krebsrisiko. In der Schweiz ist Radon für 40 Prozent der mittleren Strahlenbelastung der Menschen verantwortlich. In den am stärksten betroffenen Gebieten erreicht die Radongaskonzentration in einzelnen Häusern mit über 1'000 Becquerel pro Kubikmeter ein Niveau, das als äusserst gesundheitsgefährdend betrachtet werden muss.

Gefahr durch zu hohe Radonwerte (1992)

Als die Vernehmlassung klar zeigte, dass mit Ausnahme der SVP alle Bundesratsparteien und eine Mehrheit der Kantone sowie der Städteverband Versuche mit der medizinisch indizierten Abgabe von Heroin befürworten, begann sich ein Sinneswandel Cottis abzuzeichnen. Nun war es aber der Gesamtbundesrat, der sich mit einem Entscheid schwer tat und diesen deshalb wiederholt vertagte. Mitte Mai 1992 gab der Bundesrat dann doch noch grünes Licht für die Heroinversuche, wenn auch unter sehr strengen Rahmenbedingungen: Die bis Ende 1996 befristeten wissenschaftlichen Versuche brauchen eine Bewilligung des Bundes sowie des jeweiligen Kantons und sind auf 50 Personen zu beschränken. Das BAG rechnete damit, dass ungefähr zehn Projekte durchgeführt werden, davon maximal fünf mit Heroin, die restlichen mit Morphin oder injiziertem Methadon.

Massnahmenpaket zur Drogenpolitik: Ärztlich kontrollierter Zugang zu Heroin (1991–1997)
Dossier: Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin

Der gesundheitliche Zustand der Schweizer Bevölkerung hat ein Niveau erreicht, das im internationalen Vergleich zu den besten gehört. Dies ist im wesentlichen der sehr guten Gesundheitsversorgung zu verdanken, wie aus dem Bericht der Schweiz an die Weltgesundheitsorganisation hervorging, der im Rahmen des WHO-Strategieprogramms «Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000» erarbeitet wurde. Die durchschnittliche Lebenserwartung hat in allen europäischen Ländern in den vergangenen Jahren zugenommen, in der Schweiz zwischen 1970 und 1989 um 4.6 auf 77.8 Jahre, im europäischen Durchschnitt im gleichen Zeitraum um 1.7 auf 74.9 Jahre. Das von der WHO für das gesamte Europa festgesetzte Ziel von 75 Jahren bis zum Jahr 2000 ist somit in der Schweiz bereits erreicht. Im einzelnen gilt dies aber nur für die Frauen mit 81.2 Jahren, bei den Schweizer Männern beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung 74.2 Jahre. Das bei der Studie federführende Bundesamt für Gesundheit (BAG) wies aber gleichzeitig auf neue Gefahren und weitere Verbesserungsmöglichkeiten hin. Während – wie übrigens in ganz Westeuropa – in den letzten Jahren die durch Herz-Kreislauf-Krankheiten bedingten Todesfälle abnahmen, verzeichnete der frühzeitige Tod durch Lungenkrebs, vor allem bei Frauen, eine markante Zunahme. Sorgen bereitet dem BAG ebenfalls die hohe Anzahl von Unfallopfern sowie die nach wie vor für Europa überdurchschnittliche Suizidrate.

Gesundheitlicher Zustand der Schweizer Bevölkerung (1992)

Im März 1992 gab der Bundesrat die Unterlagen für die Ratifizierung von drei UNO-Drogenkonventionen in die Vernehmlassung. Während der Beitritt zum Psychotropen-Abkommen von 1971 und zum Zusatzprotokoll von 1972 zum Einheitsübereinkommen von 1961 kaum bestritten war, schieden sich die Geister an der Wiener Konvention von 1988, welche aufgrund ihrer repressiven Grundhaltung jeden liberalen Ansatz in der Drogenpolitik verunmöglichen würde. Der Bundesrat schloss deshalb nicht mehr aus, die Auswirkungen dieses Abkommens auf die Schweiz allenfalls mit einer auslegenden Erklärung abzuschwächen. Dennoch lehnten FDP, SP und GPS sowie mehrere Kantone und der Städteverband eine Ratifikation ab, da sie zu einem ungünstigen Zeitpunkt erfolge und falsche Signale setze. CVP und SVP stimmten dem Beitritt aus Gründen der internationalen Solidarität zu, votierten aber für verschiedene Vorbehalte.

Ratifikation von internationalen Betäubungsmittelabkommen (BRG 94.059)
Dossier: Revision Betäubungsmittelgesetz (BetmG) 2001-2004

Zum ersten Mal in der Schweiz erstellte das Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern im Auftrag des BAG eine epidemiologische Studie über rauchenbedingte Todesfälle. Die Studie ergab, dass in der Schweiz jährlich rund 10'000 Raucherinnen und Raucher an den Folgen ihres Tabakkonsums sterben. Dies entspricht einem Anteil von 16.6 Prozent aller Todesfälle. Das BAG erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass Rauchen die wichtigste vermeidbare Einzelursache von Krankheit und vorzeitiger Mortalität in Europa ist.

Epidemiologische Studie über rauchenbedingte Todesfälle (1992)

Das Gesundheitswesen kostet die Schweiz heute weit über CHF 26 Mrd. im Jahr. Geleistet wird diese Summe zu fast zwei Dritteln durch die privaten Haushalte und zu etwa einem Viertel durch die öffentliche Hand. Dies ging aus Schätzung des Bundesamtes für Statistik (BFS) hervor. Zwischen 1985 und 1990 nahmen die Gesundheitskosten um 43.1 Prozent zu, rund 6 Prozentpunkte mehr als das Bruttoinlandprodukt. Gut die Hälfte entfiel dabei auf den stationären Bereich, knapp 30 Prozent auf die ambulante Versorgung; 11.4 Prozent wurden für Medikamente ausgegeben. Die Verwaltungen der Sozialversicherungen und der Gesundheitsbehörden verursachten 6.2 Prozent der Kosten, während nur 1.6 Prozent für Präventionsmassnahmen eingesetzt wurden.

Kosten des Gesundheitswesens (1992–1996)

Im Berichtsjahr 1992 gerieten vor allem die Arzthonorare unter Beschuss. Die von Bundesrat Cotti bei der Beratung des zweiten Massnahmenpakets gegen die Kostensteigerung im Gesundheitswesen angeführten Zahlen über das Durchschnittseinkommen der Ärzte wurden von deren Standesorganisationen zwar heftig bestritten. Doch ergaben Studien, dass die Ärzte in weit grösserem Ausmass für den Kostenschub verantwortlich sind als bisher angenommen. Die teilweise verweigerte Erhöhung der Tarife wurde in den letzten Jahren durch eine massive Mengenausweitung mehr als nur kompensiert. Teuerungsbereinigt nahm das durchschnittliche Einkommen pro Arzt in den letzten acht Jahren um 12 Prozent zu, dasjenige der arbeitenden Gesamtbevölkerung nur um 7 Prozent. Die Untersuchungen zeigten aber auch krasse Unterschiede innerhalb der Ärzteschaft: Ein Viertel der Ärzte, vornehmlich Chefärzte und Spezialisten, kassierte die Hälfte der Krankenkassenleistungen, während das Nettoeinkommen der praktischen Ärzte im Mittel abnahm.

Entwicklung der Arzthonorare (1992)

Nachdem seine restriktive Regelung der Fortpflanzungsmedizin 1989 vom Bundesgericht abgelehnt worden war, stimmte das St. Galler Kantonsparlament – wenn auch widerwillig – einer liberaleren Lösung zu. Die In-vitro-Fertilisation sowie die Befruchtung mit dem Samen Dritter sollen erlaubt sein, allerdings nur bei Ehepaaren. Gegen die heterologe Insemination wurde noch eine zusätzliche Barriere eingebaut: Über den Samenspender soll eine Akte angelegt werden, in welche die Eltern und das künstlich gezeugte Kind Einblick nehmen können. Weiterhin verboten bleiben im Kanton St. Gallen die künstliche Befruchtung von Eizellen zu anderen Zwecken als zur Fortpflanzung, Massnahmen zur Beeinflussung des Geschlechts oder anderer Eigenschaften des Kindes, die Leihmutterschaft und die Aufzucht befruchteter Eizellen ausserhalb des Mutterleibes. Die St. Galler Regelung wird nur solange in Kraft bleiben, bis der Bund ein entsprechendes Gesetz verabschiedet hat.

Fortpflanzungsmedizin und Gentechnologie: Entwicklung in einzelnen Kantonen (1988–1993)
Dossier: Entwicklungen in der Fortpflanzungs- und Gentechnologie beim Menschen in den Neunzigerjahren

Auch die Kantone machten teilweise handfeste Opposition gegen die Bundesbeschlüsse. Zehn Kantone erhöhten nur wenige Tage vor Inkrafttreten des Tarifstopps ihre Spitaltaxen zum Teil massiv über die vom Bund festgelegte Limite von 7,8% hinaus. Die Krankenkassenverbände in den Kantonen Aargau, Bern, Nidwalden, Schaffhausen und Thurgau wollten die Spitaltaxerhöhungen nicht akzeptieren und legten beim Bundesrat Beschwerde ein. Dieser gab der Beschwerde zumindest für den Kanton Schaffhausen statt.

Dringliche Bundesbeschlüsse gegen die Entsolidarisierung und über die Kostendämpfung (BRG 91.069)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Der dringliche Bundesbeschluss B vom Dezember 1991 über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung im Gesundheitswesen strebte eine Plafonierung der Prämienerhöhungen auf rund 10% für 1992 an. Für die meisten Versicherten erhöhten sich die Prämien jedoch über diesen Prozentsatz, da vom Bundesbeschluss nur die Grund- sowie die Einzelversicherung betroffen waren. Zusatz- und Kollektivversicherte mussten deshalb weitergehende Prämienerhöhungen hinnehmen. Mit dem Hinweis auf schwindende Reserven versuchten überdies vor allem die mitgliederstarken Kassen, das BSV zu Sonderregelungen zu bewegen. Die meisten Ausnahmegesuche wurden jedoch abgelehnt.

Dringliche Bundesbeschlüsse gegen die Entsolidarisierung und über die Kostendämpfung (BRG 91.069)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Im Vorjahr hatte sich das BSV geweigert, den privaten Institutionen, welche zur Beherbergung AIDS-Kranker geschaffen worden waren, Beiträge aus der Invalidenversicherung auszurichten, da es sich hier um eigentliche Sterbe-Heime handle, eine soziale und berufliche Eingliederung, wie sie die IV anstrebt, also nicht mehr gegeben sei. Das Basler «Light-House», die erste Einrichtung dieser Art in der Schweiz, reichte umgehend Beschwerde beim Eidgenössischen Versicherungsgericht ein. Dieses gab ihm Recht und befand, der Invaliditätsbegriff, wie ihn das Gesetz umschreibt (gesundheitlich bedingte bleibende oder länger dauernde Erwerbsunfähigkeit), sei durchaus auf AIDS-Kranke anzuwenden, weshalb AIDS-Wohnheime weiterhin Anspruch auf Betriebsbeiträge aus der IV hätten. Zudem handle es sich bei den AIDS-Sterbeheimen um Stätten der sozialen Integration, da ohne Institutionen wie das «Lighthouse» AIDS-Kranke im Endstadium in Spitäler eingeliefert werden müssten, wo sie – abgesehen von Phasen stationärer Behandlung – nicht angemessen untergebracht wären.

AIDS-Wohnheime haben Anspruch auf Betriebsbeiträge aus der IV (1992)

Im Auftrag des Bundesrates schrieb der Schweizerische Nationalfonds ein neues Nationales Forschungsprogramm (NFP 34) aus, welches in den nächsten fünf Jahren mit einem Kreditrahmen von CHF 6 Mio. die Kenntnisse über diagnostische und therapeutische Verfahren, die nicht zur Schulmedizin gehören, vertiefen soll. Im ersten Forschungsschwerpunkt werden die Gründe für die zunehmende Verbreitung der Komplementärmedizin analysiert. Der zweite Teilbereich umfasst die Abklärung ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung. Im dritten Teil sollen Methoden entwickelt und angewendet werden, welche es erlauben, die Wirksamkeit von komplementärmedizinischen Verfahren zu überprüfen.

Nationales Forschungsprogramm (NFP 34) zur Wirkung von alternativen Behandlungsmethoden (1990–1992)

Mit ein Grund für die steigenden Kosten im Gesundheitswesen sind die von verschiedenen Untersuchungen belegten überflüssigen Spitalleistungen besonders im Bereich der Chirurgie und Gynäkologie. Gesamthaft ist in der Schweiz die Spitalaufenthaltsdauer für den gleichen Krankheitsfall zwei bis dreimal höher als etwa in den USA. Fachleute aus dem Pflegebereich vertraten deshalb die Ansicht, es liessen sich mit Sicherheit Leistungen abbauen, ohne dass die Patientinnen und Patienten Schaden nähmen. Sie wiesen aber auch darauf hin, dass, solange die Patienten im Spital weniger bezahlen müssen als bei ambulanter Behandlung und Pflege zuhause (Spitex), es schwierig sein dürfte, sie zum Verzicht auf Spitalleistungen zu bewegen. In einem überwiesenen Postulat regte Nationalrätin Segmüller (cvp, SG; Po. 91.3355) an, die Verordnung zum Krankenversicherungsgesetz in dem Sinn zu ändern, dass Versicherte bei ambulanten Operationen von Franchise und Selbstbehalt befreit werden, dass also gleiche Bedingungen für stationäre und ambulante Eingriffe geschaffen werden.

Befreiung von Franchise und Selbstbehalt bei ambulanten Operationen (Po. 91.3355)

Zur Diskussion steht auch immer wieder die Stellung der HIV-Positiven und AIDS-Kranken in den Sozialversicherungen. In seiner Stellungnahme zu einer Motion von Felten (sp, BS) verwies der Bundesrat auf das im Vorjahr vom Eidgenössischen Versicherungsgericht gefällte Urteil, wonach eine HIV-Infektion als Krankheit im Rechtssinne zu bezeichnen sei. HIV-Positive würden demzufolge bei Vorbehalten oder der Verweigerung von Zusatzversicherungen nicht speziell diskriminiert, sondern lediglich wie andere Kranke behandelt. Er bekräftigte erneut seinen Wunsch nach einem Obligatorium in der Krankenversicherung, womit die Vorbehalte bei der Grundversicherung dahinfallen würden, und erinnerte daran, dass im BVG Mindestleistungen ohne Vorbehalt garantiert sind. Im überobligatorischen Bereich und bei den Zusatzversicherungen lehnte er spezifische Ausnahmen für HIV-Positive und AIDS-Kranke hingegen ab, da dies nach seiner Auffassung eher noch zu einer weiteren Ausgrenzung der von AIDS Betroffenen führen könnte. Auf seinen Antrag hin wurde die Motion nur als Postulat angenommen.

Stellung der HIV-Positiven und Aids-Kranken in den Sozialversicherungen

Bei der Differenzbereinigung im Nationalrat warf Bundesrat Cotti noch einmal sein ganzes politisches Gewicht in die Waagschale — und setzte sich wider alle Erwartungen durch. Entgegen der Empfehlung der Mehrheit der vorberatenden Kommission schloss sich die grosse Kammer nicht dem Ständerat an, sondern bekräftigte ihren ersten Entscheid mit ähnlichem Stimmenverhältnis wie zwei Wochen zuvor. Angesichts der Entschlossenheit des Nationalrates nahm daraufhin der Ständerat den Gedanken des Vorlagensplittings wieder auf und schlug vor, dem dringlichen Bundesbeschluss gegen die Entsolidarisierung (Beschluss A) sogleich zuzustimmen, den Bundesbeschluss über die Kostendämpfung (Beschluss B) aber an den Bundesrat zurückzuweisen, damit dieser erneut und eingehender die Kantone konsultieren könne; über diesen Teil des Beschlusses wollte die kleine Kammer dann in der Frühjahrssession beschliessen.

Dringliche Bundesbeschlüsse gegen die Entsolidarisierung und über die Kostendämpfung (BRG 91.069)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Vom Ständerat wurde bedeutend mehr Widerstand erwartet, da hier die Opposition der Kantone, die eine Verlagerung der Kosten zu ihren Ungunsten befürchteten, mehr ins Gewicht fallen würde. Und tatsächlich fiel das Verdikt der kleinen Kammer eindeutig aus. Während sie den Massnahmen gegen die Entsolidarisierung und den Bundessubventionen deutlich zustimmte, lehnte sie die Plafonierung der Preise, Tarife und Prämien ebenso klar ab. Die Plafonierung wurde mit 35:6 Stimmen abgelehnt: dafür stimmten nur Onken (TG) und Piller (FR) von der SP, Delalay (VS) und Roth (JU) von der CVP sowie Salvioni (TI) und Flückiger (JU) von der FDP.

Dringliche Bundesbeschlüsse gegen die Entsolidarisierung und über die Kostendämpfung (BRG 91.069)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Bei der breiten Front der Ablehnung, auf die Cottis Vorschläge bereits im Vorfeld der parlamentarischen Debatten stiessen – dafür sprachen sich eigentlich nur SP, LdU, GP, die Gewerkschaften sowie die Patienten- und Konsumentinnenorganisationen aus – gab kaum ein politischer Beobachter der Gesamtvorlage eine Chance. Am Vorabend der Behandlung im Nationalrat zeigte sich dann aber, dass der linke Flügel der CVP-Fraktion nicht nur die Solidaritätsförderungsmassnahmen, sondem auch die Eingriffe in die Prämien- und Tarifgestaltung unterstützen würde, womit sich eine Pattsituation im Rat abzeichnete. Die Diskussionen wurden entsprechend hart geführt. Die Massnahmen gegen die Entsolidarisierung (Verbot neuer "Billigkassen", Beiträge zur Prämienverbilligung, Ausgleichsfonds) waren kaum bestritten, umso mehr die Plafonierung der Tarife und Prämien. Dieser Teil der Vorlage passierte denn auch nur ganz knapp mit 95:87 Stimmen. Nachdem ein Antrag Nabholz (fdp, ZH), die Vorlage aufzusplitten, relativ klar abgelehnt wurde, kam die Vorlage in der Gesamtabstimmung überraschend deutlich durch.

Dringliche Bundesbeschlüsse gegen die Entsolidarisierung und über die Kostendämpfung (BRG 91.069)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)

Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) und sein Blutspendedienst übernahmen die Mitverantwortung für die rund 200 bis 300 Bluter und Transfusionsempfänger, die durch HIV-verseuchte Blutkonserven mit dem Virus angesteckt worden sind. Zusätzlich zum bestehenden Notfall-Fonds wurden Rückstellungen von CHF 1 Mio. für AIDS-Betroffene getätigt. Das SRK betonte, dass sich in der Schweiz im Vergleich zum Ausland bedeutend weniger HIV-Infektionen auf diesem Weg ereignet hätten. Ein Grossteil der Infizierungen sei vor Mitte 1985 erfolgt, zu einem Zeitpunkt also, da noch keine Möglichkeit bestand, sämtliche Blutspenden auf eine eventuelle HIV-Positivität hin zu kontrollieren.

Entschädigung für durch verseuchte Blutkonserven mit HIV angesteckte Personen (1990–1993)
Dossier: HIV-verseuchte Blutkonserven

Im November stellte der Bundesrat dann seine Botschaft für die Totalrevision des Kranken- und Unfallversicherunsggesetzes (KUVG) vor. Wichtigster Punkt war dabei sein Beharren auf dem Grundsatz des Obligatoriums und eines zehnjährigen Lastenausgleichs zwischen den Kassen und den neu ebenfalls zugelassenen privaten Versicherungsgesellschaften. Damit soll die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken, Jungen und Alten, Männern und Frauen sowie unter den Versicherern wiederhergestellt werden. Der Wechsel von einer Kasse zur anderen würde so ohne Nachteil möglich (volle Freizügigkeit). Die Abstufung der Prämien nach dem Alter des Beitritts zur Versicherung fiele dahin, Frauen würden nicht mehr länger höhere Prämien bezahlen als die Männer, und beim Eintritt in eine Versicherung gäbe es keine Vorbehalte und Altersgrenzen mehr. Die Kollektivversicherungen mit ihren günstigeren Prämien für Erwerbstätige würden abgeschafft.

Nach dem Willen des Bundesrates sollen die obligatorischen Grundleistungen massvoll ausgebaut werden, was mit Mehrausgaben von rund 10% veranschlagt wurde. Mit der Gleichstellung der ambulanten und der stationären Behandlung würde namentlich die Beschränkung der Leistungsdauer bei Spitalaufenthalten auf 720 Tage aufgehoben. Zu Pflichtleistungen sollen auch die Hauskrankenpflege (Spitex), Transport- und Rettungskosten, Massnahmen der medizinischen Prävention sowie gewisse zahnärztliche Behandlungen werden.

Rund 25 Massnahmen sieht der Bundesrat zur Kostendämpfung vor. Mit alternativen Versicherungsangeboten wie beispielsweise den Gesundheitskassen (HMO) sollen die Versicherten zu vermehrtem Kostenbewusstsein angehalten werden. Dazu kommen neben Massnahmen der Spitalplanung und der Kostentransparenz verstärkte Kontrollmechanismen bei der Festsetzung von Tarifen und Preisen. Sollte dies nicht genügen, könnte der Bundesrat zu befristeten ausserordentlichen Massnahmen wie Globalbudgetierung oder Zulassungsbeschränkungen für Leistunsgerbringer greifen.

Die Subventionen der öffentlichen Hand sollen nicht mehr nach dem Giesskannenprinzip ausgerichtet werden, sondern nur noch für individuelle Prämienverbilligungen eingesetzt werden, wenn die Prämien einen von den Kantonen festzulegenden Prozentsatz des steuerbaren Einkommens (etwa 8%) übersteigen. Davon würden in erster Linie grössere Familien und die heute am stärksten benachteiligten Personen — etwa die Frauen der ältesten Eintrittsaltersgruppe — profitieren. Statt 1,3 Mia. müsste der Bund jährlich 2 Mia. Fr. zuschiessen; die Kantonsbeiträge würden von heute 600 Mio. auf 1 Mia. Fr. steigen.

Revision der Krankenversicherung – Schaffung des KVG (BRG 91.071)
Dossier: Schaffung des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG; 1988-1994)
Dossier: Prämienverbilligung

Dieser Massnahmenkatalog bewog die grossen Krankenkassen, ihre für 1992 angekündigten Prämienforderungen drastisch zu senken; neu waren plötzlich nur noch Erhöhungen von rund 10% angesagt. Der Bundesrat liess sich durch dieses Einlenken aber nicht beirren. Obgleich sich die drei Bundesratsparteien CVP, FDP, und SVP sowie die Wirtschaftsverbände, die betroffenen Standesorganisationen und die Kantone gegen die Vorlage wandten – bestritten waren nicht die Massnahmen gegen die "Billigkassen", wohl aber die Eingriffe in die Tarif- und Prämiengestaltung –, legte er dem Parlament den dringlichen, auf drei Jahre befristeten Bundesbeschluss in der Wintersession vor. In zwei Punkten wich der Bundesrat allerdings vom ursprünglichen Entwurf ab. Auf Wunsch der Krankenkassen führte er für 1993 einen Risikoausgleich zwischen den Kassen ein und hob die Marge der tolerierten Teuerung im Gesundheitswesen auf 175% (Prämien) bzw. 133% (Tarife) des Anstiegs der Konsumentenpreise an. Bei einer für 1991 angenommen Inflationsrate von 6% könnten die Prämien 1992 demnach um höchstens 10,5%, die Tarife um rund 8% ansteigen.

Dringliche Bundesbeschlüsse gegen die Entsolidarisierung und über die Kostendämpfung (BRG 91.069)
Dossier: Bundesbeschlüsse über befristete Massnahmen gegen die Kostensteigerung in der Krankenversicherung (1990-1994)